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German Pages 1055 [1056] Year 2022
Großkommentare der Praxis
STAUB Handelsgesetzbuch
Großkommentar 6., neu bearbeitete Auflage begründet von Hermann Staub herausgegeben von Stefan Grundmann, Mathias Habersack, Carsten Schäfer Erster Band Teilband 2 §§ 17–83
Bearbeiter: §§ 17–37a: Ulrich Burgard §§ 48–58: Philipp Fischinger §§ 59–83: Christoph Weber und Stephan Gräf
Bearbeitungsstand: Juni 2022 Zitiervorschlag: Fischinger in Großkomm. HGB, 6A, § 48 Rn. 12 Bandherausgeber: Professor Dr. Carsten Schäfer, Universität Mannheim Sachregister: Christian Klie
ISBN 978-3-11-108899-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-109751-0 e-ISBN (E-PUB) 978-3-11-109851-7 Library of Congress Control Number: 2022948727 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Verzeichnis der Bearbeiter der 6. Auflage Professor Dr. Jochen Axer, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, axis Rechtsanwälte, Köln Professor Dr. Jens-Hinrich Binder, LL.M. (London), Universität Tübingen Professor Dr. Benjamin B. von Bodungen, LL.M. (Auckland), GGS, Heilbronn Professor Dr. Jens Bülte, Universität Mannheim Professor Dr. Ulrich Burgard, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Professor Dr. Matthias Casper, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Professor Dr. Klaus-Dieter Drüen, Ludwig-Maximilians-Universität München Max Ehrl, Notarassessor, Geschäftsführer des Deutschen Notarvereins, Berlin Dr. Raimond Emde, Rechtsanwalt, GvW Graf von Westphalen, Hamburg Professor Dr. Philipp S. Fischinger, Universität Mannheim Jun.-Prof. Dr. Stephan Gräf, Universität Konstanz Professor Dr. Hans Christoph Grigoleit, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Dr. Stefan Grundmann, LL.M. (Berkeley), Humboldt-Universität zu Berlin und European University Institute in Florenz Professor Dr. Mathias Habersack, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Stephan Harbarth, LL.M. (Yale), Präsident des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Rafael Harnos, BSP Business & Law School Berlin Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter Hommelhoff, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Professor Dr. Henning Jessen, LL.M. (Tulane), World Maritime University Malmö Professor Dr. Christian Kersting, LL.M. (Yale), Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Professor Dr. Peter Kindler, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Detlef Kleindiek, Universität Bielefeld Professor Dr. Jens Koch, Universität zu Köln Dr. Ernst-Thomas Kraft, Rechtsanwalt, Hengeler Mueller, Frankfurt am Main Professor Dr. Andreas Maurer, LL.M. (Osgoode), Universität Mannheim Professor Dr. André Meyer, LL.M. Taxation, Universität Bayreuth Professor Dr. Florian Möslein, LL.M. (London), Phillips-Universität Marburg Professor Dr. Hartmut Oetker, Christian-Albrechts-Universität Kiel Professor Dr. Karsten Otte, M.J.C. (Austin), außerplanmäßige Professur an der Universität Mannheim, Direktor bei der Bundesnetzagentur, Bonn PD Dr. Moritz Pöschke, LL.M. (Harvard), Universität zu Köln, Rechtsanwalt, Dipl.-Kfm. Professor Dr. Moritz Renner, Universität Mannheim Dr. Fabian Reuschle, Richter am Landgericht Stuttgart Professor Dr. Carsten Schäfer, Universität Mannheim Professor Dr. Patrick Schmidt, Rechtsanwalt, NJP Grotstollen, Duisburg Harald Schoen, LL.M., Referatsleiter, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Berlin Professor Dr. Martin Schwab, Universität Bielefeld Professor Dr. Jan Thiessen, Humboldt-Universität zu Berlin Professor Dr. Chris Thomale, LL.M. (Yale), Universität Wien PD Dr. Christoph Andreas Weber, Ludwig-Maximilians-Universität München Professor Dr. Christoph Weber, Julius-Maximilians-Universität Würzburg
V https://doi.org/10.1515/9783111097510-201
Vorwort zur 6. Auflage Die sechste Auflage des von Hermann Staub begründeten Großkommentars zum HGB hat noch einmal stärker als schon die fünfte Auflage ein breites, dynamisches, herausforderndes Gebiet zu erfassen. Zunehmend handelt es sich um Handelsrecht und Wirtschaftsrecht, die handelsrechtlichen Normen und die wichtigsten handelsrechtlichen Akteure (einschließlich Banken und Transportwesen), das nationale Recht ebenso wie die internationalen Bezüge und die immer stärker dominierenden unionsrechtlichen Grundlagen und Vorgaben, und schließlich ein Handelsrecht der Liberalität und eines der Regulierung. Tempo und Intensität der Reformen haben – gerade auf der stärker regulierenden Seite – beständig und während der vergangenen zwei Dekaden nochmals verstärkt zugenommen. All diese Einflüsse bewirken tiefgreifende und stets fortschreitende Änderungen des Textes und der Systematik des HGB, die es in der Neuauflage aufzubereiten und in ihren praktischen Folgen zu würdigen gilt. Auch nach Ausgliederung des Aktienrechts 1937 blieb das Handelsgesetzbuch das Grundgesetz von Handel und Wirtschaft. Dem damit aufgerufenen Reichtum der Phänomene, Regelungskomplexe und Methoden stellt sich dieser Kommentar auch in der Neuauflage in besonderem Maße. Der Kommentar hat heute eine nahezu 130-jährige Tradition, die ersten sieben Auflagen besorgte Hermann Staub selbst in einer Dekade (bis zu seinem Tod). Aus diesem Erbe erwuchs der erste Großkommentar überhaupt, langsamer im Takt, vertieft. Anspruch und inhaltliche Konzeption blieben jedoch stets gleich: Der Kommentar soll in einer sowohl wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden als auch die Belange und Gepflogenheiten der Praxis berücksichtigenden Art und Weise über den Stand der Diskussion informieren und Entwicklungslinien aufzeigen. Die Neuauflage wird durch den Tod von Claus-Wilhelm Canaris überschattet, der am 5. März 2021 im Alter von 83 Jahren verstorben ist. Er war dem Kommentar seit der 3. Auflage verbunden, zunächst als Autor nicht nur, aber insbesondere des gerade durch seine Kommentierung nachhaltig geprägten „Bankvertragsrechts“, sodann – zusammen mit Wolfgang Schilling und Peter Ulmer – auch als Herausgeber der 4. Auflage und – zusammen mit Mathias Habersack und Carsten Schäfer – als Herausgeber der 5. Auflage. Auch in die Konzeption der 6. Auflage hatte sich Claus-Wilhelm Canaris noch eingebracht. Verlag und Herausgeber der 6. Auflage – neben Mathias Habersack und Carsten Schäfer nun auch Stefan Grundmann – danken Herrn Canaris an dieser Stelle sehr für sein Jahrzehnte währendes erfolgreiches Wirken für den „Staub“. Im Unterschied zur Vorauflage bleibt es zwar bei einer – erweiterten – Bandfolge, werden jedoch Neuauflagen auch einzelner Bände innerhalb der 6. Auflage – als Neubearbeitungen – möglich sein, um den Ansprüchen einer nochmals gestiegenen Dynamik im Handels- und Wirtschaftsrecht gerecht zu werden. Mit der Neuauflage des Staub soll also eingeführt werden, was für die dreizehnte Auflage des Staudinger längst bewährte Realität ist. Siebzehn Bände sind vorgesehen, und damit liegt die Gesamtzahl über derjenigen der Vorauflage, dem Anwachsen des Rechtsstoffes geschuldet. Der jetzt vorgelegte erste Band umfasst neben einer allgemeinen Einleitung aus dem ersten Buch über den Handelsstand die §§ 1–83 HGB sowie die Bußgeldvorschrift § 104a HGB und erscheint in zwei Halbbänden. Band 1/1 behandelt die §§ 1–16 sowie § 104a HGB, Band 1/2 umfasst die §§ 17–83 HGB. Sämtliche Vorschriften sind völlig neu kommentiert, was nicht nur auf den großen zeitlichen Abstand zur Vorauflage, sondern auch auf den Umstand zurückzuführen ist, dass die Kommentierung zu wesentlichen Teilen in neue Hände übergegangen ist. Die Einleitung hat Stefan Grundmann verfasst, die Vorschriften über die Kaufleute (§§ 1–7) Hartmut Oetker kommentiert. Die Bearbeitung der teilweise neuen Publizitätsvorschriften (zu Handelsregister und Unternehmensregister, §§ 8–13, § 104a) stammt aus der Feder von Jens Koch und Rafael Harnos, diejenige des Firmenrechts (§§ 17–37a) von Ulrich Burgard. Die KomVII https://doi.org/10.1515/9783111097510-202
Vorwort zur 6. Auflage
mentierung der §§ 48–58 zu Prokura und Handelsvollmacht verantwortet Philipp Fischinger, die Vorschriften zu Handlungsgehilfen und Handlungslehrlingen (§§ 59–83) haben Christoph Weber und Stephan Gräf besorgt. Juni 2022
Herausgeber und Verlag
VIII
Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Bearbeiter der 6. Auflage V VII Vorwort zur 6. Auflage XI Abkürzungsverzeichnis XXIII Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur ERSTES BUCH Handelsstand DRITTER ABSCHNITT Handelsfirma Vorbemerkungen vor § 17 Handelsgesetzbuch 27 § 17 50 § 18 101 § 19 119 § 20 (aufgehoben) 120 § 21 125 Anhang zu § 21 127 § 22 175 Anhang zu § 22 179 § 23 187 § 24 205 § 25 270 § 26 286 § 27 326 § 28 352 § 29 358 Anhang zu § 29 360 § 30 380 § 31 394 § 32 398 § 33 420 § 34 426 § 35 426 § 36 426 § 37 450 Anhang I zu § 37 471 Anhang II zu § 37 507 § 37a VIERTER ABSCHNITT Handelsbücher §§ 38 bis 47b (weggefallen)
521
FÜNFTER ABSCHNITT Prokura und Handlungsvollmacht 521 Vorbemerkungen vor § 48 § 48 [Erteilung der Prokura, Gesamtprokura] 578 § 49 [Umfang der Prokura] § 50 [Beschränkung des Umfangs der Prokura] 609 § 51 [Zeichnung des Prokuristen] IX
1
537 593
Inhaltsverzeichnis
§ 52 § 53 § 54 § 55 § 56 § 57 § 58
[Widerruf und Übertragung der Prokura; Tod des Inhabers] 614 [Erteilung und Erlöschen der Prokura, Anmeldung Handelsregister] 638 [Handlungsvollmacht] 663 [Abschlussvertreter] 676 [Angestellte in Laden oder Warenlager] 690 [Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten] 693 [Übertragung der Handlungsvollmacht]
630
SECHSTER ABSCHNITT Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge 696 Vorbemerkungen vor § 59 700 § 59 [Handlungsgehilfe] 723 § 60 [Gesetzliches Wettbewerbsverbot] 758 § 61 [Verletzung des Wettbewerbsverbots] 780 § 62 [Fürsorgepflicht des Arbeitgebers] 800 § 63 (aufgehoben) 800 § 64 [Gehaltszahlung] 807 § 65 [Provision] 820 §§ 66 bis 72 (aufgehoben) 820 § 73 (aufgehoben) 820 Vorbemerkungen vor § 74 855 § 74 [Vertragliches Wettbewerbsverbot; Karenz] 887 § 74a [Unverbindliches und nichtiges Wettbewerbsverbot] 901 § 74b [Zahlung und Berechnung der Entschädigung] 913 § 74c [Anrechnung anderweitigen Erwerbs] 929 § 75 [Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots] 946 § 75a [Verzicht auf Wettbewerbsverbot] 953 § 75b (aufgehoben) 954 § 75c [Vertragsstrafe] 963 § 75d [Abweichende Vereinbarungen] 970 § 75e (aufgehoben) 970 § 75f [Sperrabrede] 979 § 75g [Vermittlungsgehilfe] 982 § 75h [Unkenntnis des Mangels der Vertretungsmacht] 986 §§ 76 bis 82 (aufgehoben) 986 § 82a [Wettbewerbsverbot Volontär] 987 § 83 [Andere Arbeitnehmer] Sachregister
989
X
Abkürzungsverzeichnis aA aaO abl. ABl. ablehn. Abs. Abschn. abw. AcP ADAC ADHGB aE AEUV a.F. AG AGB AGG AiB AIF AIFM AIFMD AktG Aktz. allg. allgM a.M. amtl. amtl. Begr. AnfG Anh. Anl. Anm. AnzV AO AöR AP ApothekenBetrO ApothekenG ArbG ArbGG AR-Blattei ArbR ArbstättVO ArbZG ArchBürgR Art. AÜG Aufl. AV AWD AZR
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt ablehnend Absatz Abschnitt abweichend Archiv für civilistische Praxis Allgemeiner Deutscher Automobil-Club Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch v. 1861 am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung 1. Amtsgericht 2. Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb Alternativer Investmentfonds Alternative Investment Fund Manager Alternative Investment Fund Managers Directive, Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds Aktiengesetz Aktenzeichen allgemein allgemeine Meinung andere(r) Meinung amtlich(e) Amtliche Begründung Anfechtungsgesetz Anhang Anleitung Anmerkung(en) Anzeigenverordnung: Verordnung über die Anzeigen und die Vorlage von Unterlagen nach dem Kreditwesengesetz 1. Amtsordnung (Schleswig Holstein) 2. Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Apothekenbetriebsordnung Apothekengesetz Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Arbeitsrecht Arbeitsstättenverordnung Arbeitszeitgesetz Archiv für Bürgerliches Recht Artikel Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auflage Ausführungsverordnung Allgemeiner Wirtschaftsdienst Gesetz über das Ausländerzentralregister
XI https://doi.org/10.1515/9783111097510-203
Abkürzungsverzeichnis
Baden-Württ. BaFin BAnz Basel I Basel II Basel III BauspG BayERVV BaWüNotZ BayObLG BayZ BAG BAO BÄO BB BBG; BBAnkG BBiG BBK BC Bd. BdB BDSG Bek. v. Begr. Beschl. BetrAVG BetrVG BeurkG BfA BFH BFHE BFuP BGB BGBl. BGH BGHR BGHZ BIZ BKartA BKR Bl. BMJ BNotO BOARD BoHdR BörsG BörsO BörsZulV BPatG BPatGE BR-Drucks.
Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Ausschuss für Bankenbestimmmungen und -überwachung: Internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen (1988) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht: Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen, überarbeitete Rahmenvereinbarung (2004) Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht: Basel III: Ein globaler Regulierungsrahmen für widerstandsfähige Banken und Bankensysteme (2010) Gesetz über Bausparkassen Bayerische Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr und elektronische Verfahren (E-Rechtsverkehrsverordnung – ERVV) Baden-Württembergische Notarzeitung Bayerisches Oberlandesgericht Bayerische Zeitung Bundesarbeitsgericht Bundesabgabenordnung Bundesärzteordnung Der Betriebs-Berater Gesetz über die deutsche Bundesbank Berufsbildungsgesetz Buchführung, Bilanzierung, Kostenrechnung (Zeitschrift) Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling Band Bundesverband deutscher Banken e. V. Bundesdatenschutzgesetz Bekanntmachung vom Begründung Beschluss Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz) Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofes Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8.1896 Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung, hrsg. von den Richtern des Bundesgerichtshofes Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Basel Bundeskartellamt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Bundesministeriums der Justiz Bundesnotarordnung Zeitschrift für Aufsichtsräte in Deutschland Bonner Handbuch der Rechnungslegung Börsengesetz Börsenordung Börsenzulassungs-Verordnung; Verordnung über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse Bundespatentgericht Entscheidungen des Bundespatentgerichts Bundesratsdrucksache
XII
Abkürzungsverzeichnis
BRAGO BRAK-Mitt BRRD BRRD-Richtlinie
Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bank Recovery and Resolution Directive Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapieren; ABl. EU L 173 v. 12.6.2014 BSpKG Gesetz über Bausparkassen BStBl Bundessteuerblatt BT Bundestag BT-Drucks., BT-Drs. Bundestags-Drucksache BuB Bankrecht und Bankpraxis, hrsg. v. Hellner/Steuer/Piekenbrock/Siegmann/Höche, LoseblattSammlung, Köln BUrlG Bundesurlaubsgesetz vom 8.1.1963 BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVK Bayerische Versicherungskammer BWNotZ Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CaR CB CD CDH
Credit at Risk Compliance-Berater (Zeitschrift) Certificate of Deposit Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb e.V. CDS Credit Default Swap(s) cic culpa in contrahendo CISG United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods, UN-Kaufrecht CRD IV Capital Requirements Directive IV; Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG, ABl. EU L 176 v. 27.6.2013 CRDIVAnpV Verordnung zur Anpassung von aufsichtsrechtlichen Verordnungen an das CRD IVUmsetzungsgesetz CRR Capital Requirements Regulation; Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 6486/2012; ABl. EU L 321 v. 30.11.2013 CRR-Kreditinstitute Kreditinstitute, die (ggf. auch allein) das Einlagen- und das Kreditgeschäft betreiben (früher Einlagenkreditinstitute) CSR Corporate Social Responsibility DAR DAV DepG ders. DB DepG DGS d.h. dies. DIHT Dipl. Diss DJT
XIII
Deutsches Autorecht Deutscher Anwaltsverein Depotgesetz; Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren derselbe Der Betrieb Depotgesetz; Gesetz über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren Depot Guarantee Scheme (Einlagensicherungssystem) das heißt dieselbe(n) Deutscher Industrie- und Handelstag Diplom Dissertation Deutscher Juristentag
Abkürzungsverzeichnis
DNotZ DR DSGV DStR
DV DVBl DVO DZWIR E EABG EBA EBE/BGH EBJS EDV EFG EFSF EFZG EG EGBGB EGHGB EGInsO EGVP EGVVG ehem. EHUG einh. Einl. EIOPA e.K. Entsch. ErbStG E-Register ERJuKoG Erl. ESA ESFS ESM ESMA ESRB EStG ESZB et al. etc. EU EUFAAnpG EuGH EuGHE EuG EuGVVO
Deutsche Notarzeitung Deutsches Recht Deutscher Sparkassen- und Giroverband 1. Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) 2. Deutsche Steuerrundschau 3. Deutsches Strafecht 1. Durchführungsverordnung 2. Deutsche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Entscheidung Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz European Banking Authority (Europäische Bankenaufsichtsbehörde) Eildienst Bundesgerichtliche Entscheidungen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungen der Finanzgerichte European Financial Stability Facility (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität) Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach Einführungsgesetz zum Versicherungsvertragsgesetz ehemalige Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister Einheitlich Einleitung European Insurance and Occupational Pensions Authority (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersvorsorge) Eingetragener Kaufmann/Eingetragene Kauffrau Entscheidung Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz elektronisches Register Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation Erläuterung European Supervisory Authorities European System of Financial Supervision (Europäisches Finanzaufsichtssystem) European Stability Mechanism (Europäischer Stabilitätsmechanismus) European Securities and Markets Authority European Systemic Risk Board (Europäischer Ausschuss für Systemrisiken) Einkommenssteuergesetz Europäisches System der Zentralbanken Et alii (und andere) Et cetera Europäische Union Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2010/78/EU vom 24. November 2010 im Hinblick auf die Einrichtung des Europäischen Finanzaufsichtssystems Europäischer Gerichtshof Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäisches Gericht Erster Instanz Verfahrensverordnung des Europäischen Gerichts Erster Instanz vom 1.3.2002
XIV
Abkürzungsverzeichnis
EuGVÜ
EuInsVO EuLF EuZVO EuZW EuroEG EWiR EWIV EWR EWS EV EzA EZB f FamFG FAZ FeiertagslohnzahlungsG ff FG FGG FGPrax FMFG
Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, vom 27.9.1968, seit dem 1.3.2002 weitgehend durch die EuGVVO ersetzt Europäische Insolvenzverordnung European Law Forum Europäische Zustellungsverordnung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Euro- Einführungsgesetz Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum 1. Europäisches Währungssystem 2. Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht 1. Eigentumsvorbehalt 2. Einführungsverordnung Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäische Zentralbank folgende Familienverfahrensgesetz Frankfurter Allgemeine Zeitung Feiertagslohnzahlungsgesetz
FS FSB
fortfolgende Finanzgericht Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit Praxis der freiwolligen Gerichtsbarkeit Finanzmarktförderungsgesetz; Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Finanzmarktstablisierungsfondsgesetz v. 17.10.2008 (BGBl. I S. 1982) Fußnote Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission (Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 16.7.2007 Festschrift Financial Stability Board (Rat für Finanzstabilität)
GBO GbR gem. GenG GewO GesRZ GG ggf. GK GmbH GmbHG GmbHR GenG GewO GewStG GoA GOÄ GOZ
Grundbuchordnung Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Der Gesellschafter Grundgesetz gegebenenfalls Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Geschäftsführung ohne Auftrag Gebührenordnung für Ärzte Gebührenordnung für Zahnärzte
FMSA FMStFG Fn FRUG
XV
Abkürzungsverzeichnis
GREStG GroMiKV
Großkreditrichtlinie GRUR GRUR-RR GSG GV GVG GVO GWB hA HAG Halbbd. HansGZ HandelsR Hdb. HdJ HGB HK HKO hL hM HOAI HRefG HRegGebV HRegGebNeuOG HRR Hrsg., hrsg. HRV Hs./Hs HSG HuRB HV HVR HVuHM HWK IAS IASB ICC idF idR idS IDW ie iE i.E. ieS IFRC IFRS
Grunderwerbsteuergesetz Großkredit- und Millionenkreditverordnung; Verordnung über die Erfassung, Bemessung, Gewichtung und Anzeige von Krediten im Bereich der Großkredit- und Millionenkreditvorschriften des Kreditwesengesetzes EG-Richtlinie für die Überwachung und Kontrolle der Großkredite von Kreditinstituten Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht/Rechtsprechungsreport Gerätesicherheitsgesetz Gebührenverzeichnis Gerichtsverfassungsgesetz Gerichtsvollzieherordnung Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen herrschende Ansicht 1. Heimarbeitsgesetz 2. Hessisches Ausführungsgesetz Halbband Hanseatische Gerichtszeitschrift Handelsrecht Handbuch Handbuch des Jahresabschlusses Handelsgesetzbuch Handelskammer Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Honorarordnung für Architekten und Ingenieure in der Bekanntmachung vom 4.3.1991 Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.1998 Verordnung über Gebühren in Handels, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen Handelsregistergebührenverordnung) Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz Höchstrichterliche Rechtsprechung Herausgeber, herausgegeben Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters Halbsatz Hochschulgesetz Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB Handelsvertreter Humanitäres Völkerrecht Der Handelsvertreter und Handelsmarker Handwerkskammer IASC Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements, International Accounting Standards International Accounting Standards Board 1. Intergovernmental Copyright Committee 2. International Chamber of Commerce in der Fassung in der Regel in diesem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer id est im Einzelnen im Ergebnis in engerem Sinne International Financial Reportings Committee International Financial Reporting Standards
XVI
Abkürzungsverzeichnis
IFSt IHR iHv insbes. Ind.- u. Handelsk. InsO InsoBekV InvG InvStG IOSCO IPRax IPRsp. iRd IRZ iS iSd ISDA iSv i.V.m. IWB i.w.S. IZPR
Institut Finanzen und Steuern Internationales Handelsrecht in Höhe von insbesondere Industrie- und Handelskammer Insolvenzordnung Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet Investmentgesetz Investmentsteuergesetz International Organization of Securities Commissions Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Die Deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts im Rahmen des Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung im Sinne im Sinne des/der International Swaps and Derivatives Association, Inc. im Sinne von in Verbindung mit Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) im weiteren Sinne Das Internationale Zivilprozess
JA JbFSt jew. JMBl. JR JRPV JURA JuS JVKostO JW JZ
Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht jeweils Justizministerialblatt Juristische Rundschau Juristische Rundschau für Privatversicherung Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizverwaltungskostengesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
KAG KAGB Kapitaladäquanzrichtlinie Kart Kfm. KFR KfW Kfz KG KGaA KGJ
Kapitalanlagegesellschaft Kapitalanlagegesetzbuch Richtlinie 2006/49/EG v. 14.6.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten, ABl. EU 177/201 v. 30.6.2006 Kartell Kaufmann Kommentierte Finanzrechtsprechung Kreditanstalt für Wiederaufbau Kraftfahrzeug 1. Kammergericht 2. Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Jahrbuch für Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und Kosten-, Stempel- und Strafsachen Kleines oder mittelständisches Unternehmen 1. Kassenordnung 2. Konkursordnung Kommissionsdokumente Königlich Kölner Steuerdialog Internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift) Kostengesetz Kostenordnung
KMU KO KOM Königl. KÖSDI KoR KostG KostO
XVII
Abkürzungsverzeichnis
krit. KSchG KTS KWG
kritisch Kündigungsschutzgesetz in der Bekanntmachung vom 25.8.1969 Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen 1. Kommunalwahlgesetz 2. Kreditwesengesetz; Gesetz über das Kreditwesen
LAG LG lit. LM LS Ltd. LVA LZ
Landesarbeitsgericht Landgericht litera Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, hrsg. v. Lindemaier 1. Landessatzung 2. Leitsatz Private Company Limited by Shares Landesversicherungsanstalt Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
m. M. MaRisk
Mio. MitbestG MittRhNotK MittBayNot MiZi mN MoMiG Mrd. MünchKomm MuW m.w.N. m.W.v.
mit Meinung Mindestanforderungen an das Risikomanagement, Rundschreiben der BaFin 10/2012 (BA) v. 14.12.2012 Markengesetz Mindestanforderung an die Ausgestaltung von Sanierungsplänen, Rundschreiben der BaFin 3/2014 (BA) v. 25.4.2014 mit anderen Worten mit Besprechung meines Erachtens möglicherweise Markets in Financial Instruments Directive; Richtlinie 2004/39/EG v. 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG L 145/1 v. 30.4.2004 Richtlinie 2014/65/EU v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (Neufassung), ABl. EU L 173/349 v. 12.6.2014 Markets in Financial Instruments Regulation; Verordnung (EU) Nr. 600/2014 v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, ABl. EU L 173/84 v. 12.6.2014 Millionen Mitbestimmungsgesetz Mitteilungen Rheinische Notar-Kammer Mitteilungen der Bayerischen Notarkammer Mitteilungen in Zivilsachen mit Nachweisen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Milliarde Münchener Kommentar Markenschutz und Wettbewerb mit weiteren Nachweisen; mit weiteren Nennungen mit Wirkung vom
Nachw. NaStraG NdsRpfl. n.F. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr.
Nachweise Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung Niedersächsische Rechtspflege neue Fassung Neue Juristische Online Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift, Rechtssprechungsreport Zeitschrift für die notarielle Beurkundungspraxis Nummer
MarkenG MaSan m.a.W. m. Bespr. m.E. mglw. MiFID
MiFID II MiFIR
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
NRW n.v. NVwZ NWB NZA NZA-RR NZG NZI NZM
Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht (bis 2008: Neue Wirtschafts-Briefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht) Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht, Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht
o. o.ä. ÖBA OFD OGA OGAW (ö)OGH OGHZ OHG OLG OLGR österr. OTC OWiG
oben oder ähnliches Österreichisches Bankarchiv (Zeitschrift) Oberfinanzdirektion Organismus für Gemeinsame Anlagen Organismus für Gemeinsame Anlagen in Wertpapieren Oberster Gerichtshof (Österreich) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone in Zivilsachen Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report: Zivilrechtsprechung der Oberlandesgerichte Österreichisches Over The Counter Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PartGG PfandBG; PfandbriefG PflegeVG PiR ppa. ProdHaftG PublG
Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Pfandbriefgesetz
PucheltsZ RabelsZ RAG RAG ARS
RBerG RdA Rdsch. RdW RefE RegBegr. RegE RG RGSt RGZ RIW RJA RKS
XIX
Pflege-Versicherungsgesetz NWB Internationale Rechnungslegung per procura (in Vollmacht) Produkthaftungsgesetz Publizitätsgesetz; Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Zeitschrift für französisches Zivilrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht Reichsarbeitsgericht, Arbeitsrechts-Sammlung (Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und des Reichsehrengerichts, der Landesarbeitsgerichte, Arbeitsgerichte und Ehrengerichte, 1928 ff) Rechtsberatungsgesetz Recht der Arbeit Rundschau Das Recht der Wirtschaft Referentenentwurf Regierungsbegründung Regierungsentwurf 1. Reichsgericht 2. Reichsgesetz Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts, zusammengestellt im Reichsjustizamt Rechtsprechung kaufmännischer Schiedsgerichte
Abkürzungsverzeichnis
RL RNotZ Rn ROHG ROHGE Rpfleger RPflG Rs. Rspr. RUF RuS RVO Rz
Richtlinie Rheinische Notar-Zeitschrift Randnummer Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Revolving Unterwriting Facility Recht und Schaden Rechtsverordnung Randziffer
s. S. s.a. SAE Sächs. ScheckG SE SEAG
siehe Seite siehe auch Sammlung arbeitsgerichtlicher Entscheidungen Sächsisch Scheckgesetz vom 14.8.1933 Societas Europaea – Europäische Gesellschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Sozialgericht Sozialgesetzbuch Systemically Important Financial Institutions Signaturgesetz Sammlung Sogenannt Solvabilitätsverordnung, Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding Gruppen Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren – Spruchverfahrensgesetz Single Resolution Mechanism, Einheitlicher Abwicklungsmechanismus Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften … im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus. ABl. EU 2014 L 225/1 Single Supervisory Mechanism, Einheitlicher Aufsichtsmechanismus Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates vom 15.10.2013 zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank, ABl. EU L 287 v. 29.10.2013 ständige Die steuerliche Betriebsprüfung ständige Rechtsprechung Die Steuerberatung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung streitig Zeitschrift für das Steuerrecht und die Rechnungslegung der Unternehmen Steuer und Wirtschaft siehe unten
Sg SGB SIFI SigG Slg. sog. SolvV SpruchG SRM SRM-Verordnung
SSM SSM-Verordnung
st. StBp std. Rspr. Stbg StGB StPO str. StuB StuW s.u. TB-Merkmale TDG teilw. TransPuG
Tatbestandsmerkmale Gesetz über die Nutzung von Telediensten – Teledienstegesetz teilweise Transparenz- und Publizitätsgesetz; Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität
XX
Abkürzungsverzeichnis
TranspR TUG TVG Tz TzBfG Tz.
Transportrecht Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz Tarifvertragsgesetz Teilziffer Teilzeit- und Befristungsgesetz Textziffer
u.a. u.ä. Ubg UG umf. UmwG unstr. Unterabs. UrhG Urt. URV usf. UWG u.U.
unter anderem; und andere und ähnliches Die Unternehmensbesteuerung Unternehmergesellschaft umfassend Umwandlungsgesetz unstrittig Unterabsatz Urheberrechtsgesetz Urteil Verordnung über das Unternehmensregister und so fort Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb unter Umständen
v. VAG VerBAV Verf. VerkprospG VersVerm Vertikal-GVO VertriebsR VGA Vgl. v.H. VO Vol. Voraufl. Vorb. VRS VvaG VVG VW VwVfG
von/vom Versicherungsaufsichtsgesetz Veröffentlichungen des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen Verfasser Verkaufsprospektgesetz Versicherungsvermittlung Die Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen Vertriebsrecht Bundesverband der Geschäftsstellenleiter und Assekuranz Vergleiche von Hundert Verordnung Volume Vorauflage Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Gesetz über den Versicherungsvertrag Versicherungswirtschaft Verwaltungsverfahrensgesetz
WarnRprs
1. Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, soweit sie nicht in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des RG abgedruckt ist, hrsg. v. Warnmeyer 2. Sammlung zivilrechtlicher Entscheidungen des Reichsgerichts hrsg. von Buchwald (Begründet von Warnmeyer) Wechselgesetz weitere(n) 1. Wassergesetz 2. Wechselgesetz 3. Wohnwirtschaftliche Gesetzgebung Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 1. Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) 2. Wohnwirtschaft und Mietrecht weitere Nachweise Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wertpapierhandelsgesetz
WechselG weit. WG Wistra WM wN WpAIV WPg WpHG
XXI
Abkürzungsverzeichnis
WPO WpÜG WRP WuB WuW WuW-E WVK
Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer. (Wirtschaftsprüferordnung) Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wirtschaft und Wettbewerb Wirtschaft und Wettbewerb, Entscheidungen zum Kartellrecht Wiener Vertragsrechtskonvention
Z z.B. ZBB ZBH ZBR ZErb ZEuP ZEV ZfA ZfBF ZfgK ZfIR ZfV ZGR ZHR ZIP ZInsO ZPO ZR ZRP ZS ZSR z.T. zust. ZustErgG zutr. ZVersWiss ZVglRWi(ss) zwh.
(in Zusammenhängen) Zeitschrift, Zeitung, Zentralblatt zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zentralblatt für Handelsrecht Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrechts- und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Immobilienrecht 1. Zeitschrift für Versicherungswesen 2. Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zivilprozessordnung Zivilrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat 1. Zeitschrift für Schweizerisches Recht 2. Zeitschrift für Sozialrecht zum Teil zustimmend Zuständigkeitsergänzungsgesetz zutreffend Zeitschrift für Versicherungswissenschaft Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft zweifelhaft
XXII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Soweit andere als im nachfolgenden Verzeichnis angegebene Auflagen zitiert werden, sind diese mit einer hochgestellten Ziffer gekennzeichnet. Adler ADS
Das Handelsregister, seine Öffentlichkeit und sein öffentlicher Glaube, 1908 Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.), Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, Stuttgart, 6. Aufl. 1995–2000 ADS International Adler/Düring/Schmaltz (Hrsg.), Rechnungslegung nach Internationalen Standards, Stuttgart, 7. Ergänzungslieferung August 2011 (Loseblatt) Altmeppen Altmeppen, GmbHG-Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommentar, begründet von Günter H. Roth, München, 10. Aufl. 2021 Anders/Gehle/Bearbeiter Anders/Gehle (Hrsg.) Zivilprozessordnung: ZPO, München, 80. Aufl. 2022, bis zur 78. Aufl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Anders/Gehle, AnwKommBGB Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg.), Anwaltkommentar BGB, 5 Bd., Bonn, 2005 ff Assmann/Schneider/Mülbert/ Assmann/Schneider/Mülbert (Hrsg.), Wertpapierhandelsrecht – Kommentar – Bearbeiter WpHG, MAR, PRIIP, MiFIR, Leerverkaufs-VO, EMIR, Köln, 7. Aufl. 2019 Assmann/Schütze/Buck-Heeb/ Assmann/Schütze/Buck-Heeb (Hrsg.), Handbuch des Kapitalanlagerechts, Bearbeiter München, 5. Aufl. 2020 Baetge et al./Bearbeiter Baetge/Wollmert/Kirsch/Oser/Bischof (Hrsg.), Rechnungslegung nach IFRS, Stuttgart, 46. Ergänzungslieferung Juni 2022 (Loseblatt) Baetge/Kirsch/Thiele/ Baetge/Kirsch/Thiele (Hrsg.) Bilanzrecht, Bonn/Berlin, 105. Ergänzungslieferung Bearbeiter Juli 2022 (Loseblatt) Ballwieser et al./Bearbeiter Ballwieser/Beine/Hayn/Peemöller/Schruff/Weber (Hrsg.), Wiley IFRS-Handbuch 2010, Weinheim, 7. Aufl. 2011 Bamberger/Roth/Hau/Poseck Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5 Bd., München, 4. Aufl. 2019 f. BankR-HdB Ellenberger/Bunte (Hrsg.) Bankrechts-Handbuch, 2 Bd., 6. Aufl. 2022; vormals Schimansky/Bunte/Lwowski Bassenge/Roth FamFG/RPflG Bassenge/Roth, Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Rechtspflegergesetz, Kommentar, Heidelberg, 12. Aufl. 2009 Bauer/Diller Wettbewerbsver- Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, München, 9. Aufl. 2022 bote Baumbach/Hefermehl/Casper Baumbach/Hefermehl/Casper, Wechselgesetz, Scheckgesetz, Recht der WechselG u. ScheckG kartengestützten Zahlungen: WG, ScheckG, Kartengestützte Zahlungen, München, 24. Aufl. 2020 Baumbach/Hueck/Bearbeiter s. Noack/Servatius/Haas/Bearbeiter GmbHG Baumbach/Hopt/Bearbeiter s. Hopt/Bearbeiter Baumbach/Lauterbach/Albers/ s. Anders/Gehle Bearbeiter Baums Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen, 1981 Beck HdR/Bearbeiter Böcking/Gros/Oser/Scheffler/Thormann (Hrsg.), Beck’sches Handbuch der Rechnungslegung, München 67. Aufl. 2022 (Loseblatt) Beck IFRS-Hdb/Bearbeiter Brune/Driesch/Schulz-Danso/Senger (Hrsg.), Beck’sches IFRS-Handbuch, München, 6. Aufl. 2020 BeckOGK-AktG/Bearbeiter Spindler/Stilz (Hrsg.), beck-online.Großkommentar zum Aktienrecht BeckOGK-HGB/Bearbeiter Henssler/Herresthal/Paschke (Hrsg.), beck-online.Großkommentar zum Handelsrecht BeckOK-HGB/Bearbeiter Häublein/Hoffmann-Theinert (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar zum HGB, 37. Ed. Stand 1.8.2022 BeckOK-WpHR/Bearbeiter Seibt/Buck-Heeb/Harnos (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar zum Wertpapierhandelsrecht, 3. Ed. Stand 15.2.2022 BeckRS Beck Rechtsprechung BeckBilKomm/Bearbeiter Grottel/Schmidt/Schubert/Störk (Hrsg.), Beck’scher Bilanz-Kommentar, München, 13. Aufl. 2022 BoHdR – Bearbeiter s. Hofbauer/Kupsch
XXIII https://doi.org/10.1515/9783111097510-204
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Bohl/Riese/Schlüter/ Bearbeiter Bohnert OWiG Bokelmann Firmenrecht Boos/Fischer/Schulte-Mattler/ Bearbeiter KWG Bonner HdR-Bearbeiter Bork Braun/Bearbeiter InsO Brox/Henssler Brox/Walker Bruck/Möller Bürgers/Körber/Bearbeiter AktG Bumiller/Harders FamFG
Busse von Colbe/Ordelheide/ Gebhardt/Pellens Konzernabschlüsse Canaris Handelsrecht Canaris Vertrauenshaftung Christ/Müller-Helle Deloitte iGAAP 2011 Derleder/Knops/Bamberger Düringer/Hachenburg
Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Bearbeiter; EBJS Ehrenbergs Hdb Eidenmüller Emmerich/Habersack Emmerich/Habersack KonzernR Ensthaler/Bearbeiter Erman/Bearbeiter Ernst & Young International GAAP 2011 Fezer MarkenG FK-InsO/Bearbeiter Fleischhauer/Wochner
s. Beck IFRS-Hdb Bohnert, OWiG, Kommentar zum Ordnungswidrigkeitenrecht, München, 3. Aufl. 2010 Bokelmann, Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, Freiburg, 5. Aufl. 2000 Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO: Kommentar zu Kreditwesengesetz, VO (EU) Nr. 575/2013 (CRR) und Ausführungsvorschriften, 2 Bd., 5. Aufl. 2016 s. Hofbauer/Kupsch Bork, Der Vergleich, Berlin 1988 Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung: InsO, München, 8. Aufl. 2020 zitiert: Bearbeiter in: Braun, InsO Brox/Henssler, Handelsrecht mit Grundzügen des Wertpapierrechts, München, 23. Aufl. 2020 Brox/Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 44. Aufl. 2020 Baumann/Beckmann/Johannsen/Johannsen, (Hrsg.), Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Berlin, 9. Aufl. 2008 ff. Bürgers/Körber/Lieder (Hrsg.), Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz, Heidelberg, 5. Aufl. 2020 Bumiller/Harders/Schwamb, Kommentar zum Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, München, 12. Aufl. 2019 Busse von Colbe/Ordelheide/Gebhardt/Pellens, Konzernabschlüsse, Rechnungslegung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen sowie nach Vorschriften des HGB und der IAS/IFRS, 9. Aufl. 2009 Canaris, Handelsrecht, München, 24. Aufl. 2006 Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, München 1971 Christ/Müller-Helle Veröffentlichungspflichten nach dem neuen EHUG, Freiburg 2007 Deloitte (Hrsg.), iGAAP 2011, London, 4. Aufl. 2010 Derleder/Knops/Bamberger, Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, Berlin/Heidelberg, 3. Aufl. 2017 Düringer/Hachenburg, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (unter Ausschluß d. Seerechts) auf d. Grundlage d. Bürgerl. Gesetzbuchs, Mannheim 1935 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, München, 1. und 2. Bd., 3. Aufl. 2014 f., 4. Aufl. 2020 Ehrenbergs Handbuch des gesamten Handelsrechts, 5. Band, I. Abteilung, 1. Hälfte, 1. Lieferung, 1926 Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, München 2004 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht Kommentar, München 10. Aufl. 2022 Emmerich/Habersack, Konzernrecht, München, 11. Aufl. 2020 Ensthaler (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, 8. Aufl. 2015 Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, Köln, 16. Aufl. 2020 Ernst & Young (Hrsg.), International GAAP 2011, Chichester 2011 Fezer, Markenrecht, Kommentar, München, 4. Aufl. 2009 Wimmer (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, München, 9. Aufl. 2018 Fleischhauer/Wochner (Hrsg.), Handelsregisterrecht: Verfahren – Anmeldemuster – Erläuterungen, Berlin, 4. Aufl. 2019
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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht/Bearbeiter Fülbier/Aepfelbach/Langweg Gesetzgebungsmaterialien zum ADHGB Geßler/Hefermehl Goldmann Gortsos Single Supervisory Mechanism Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Bearbeiter GroßkommAktG/Bearbeiter Großkomm/Bearbeiter
Jaeger, u.a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 102. Ergänzungslieferung Juni 2022 (Loseblatt) Fülbier/Aepfelbach/Langweg, GWG – Kommentar zum Geldwäschegesetz, 5. Aufl. 2006 Lutz, Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches 1858 ff Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, 1973 ff Goldmann, Unternehmenskennzeichen, Berlin, 4. Aufl. 2019 Gortsos, The Single Supervisory Mechanism (SSM) – Legal aspects of the first pillar of the European Banking Union, 2015 Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, 75. Aufl. Januar 2022 (Loseblatt) Hirte/Mülbert/Roth (Hrsg.), Aktiengesetz Großkommentar, Berlin, 5. Aufl. 2015 ff. Staub, Handelsgesetzbuch: Großkommentar, Berlin, 5. Aufl. 2008 ff., 6. Aufl. 2021 ff. Pfeifer (Hrsg.), Großkommentar zum UWG, Berlin, 3. Aufl. 2020 ff. Grüll/Janert, Die Konkurrenzklausel, Heidelberg, 5. Aufl. 1993
GroßkommUWG/Bearbeiter Grüll/Janert Die Konkurrenzklausel Grüneberg/Bearbeiter Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch: BGB, München, 81. Aufl. 2022 Grundmann EG-Schuldvertrags- Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht – das Europäische Recht der recht Unternehmensgeschäfte (nebst Texten und Materialien zur Rechtsangleichung), 1999 Grundmann Europäisches Ge- Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 2011 sellschaftsrecht Grundmann Treuhandvertrag Grundmann, Der Treuhandvertrag – insbesondere die werbende Treuhand, 1997 Habersack/Casper/Löbbe/ Habersack/Casper/Löbbe (Hrsg.), GmbH-Gesetz, Kommentar, 3 Bd., Tübingen, Bearbeiter GmbHG 2. Aufl. 2016, 3. Aufl. 2019 ff., vormals Ulmer/Habersack/Löbbe Habersack/Verse Habersack/Verse, Europäisches Gesellschaftsrecht, München, 5. Aufl. 2019 Hachenburg/Bearbeiter Ulmer (Hrsg.), Hachenburg, GmbHG – Gesetz betreffend die Gesellschaften mit GmbHG beschränkter Haftung, Kommentar, Berlin, 3 Bd., 8. Aufl. 1992/1997 Hachmeister/Kahle/Mock/ Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen (Hrsg.), Bilanzrecht Kommentar, Schüppen/Bearbeiter Handelsbilanz – Steuerbilanz – Prüfung – Offenlegung – Gesellschaftsrecht, Köln, 3. Aufl. 2022 Hahn ADHGB von Hahn, Das Handelsgesetzbuch vom 10. Mai 1897 (mit Ausschluss des Seerechts) auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Braunschweig, 4. Aufl. 1894 Handbuch des Außendiensts. Küstner/Thume I-III rechts I Hartmann-Wendels/Pfingsten/ Hartmann-Wendels/Pfingsten/Weber, Bankbetriebslehre, 7. Aufl. 2019 Weber Bankbetriebslehre Haufe BilKomm-Bearbeiter Bertram/Kessler/Müller (Hrsg.) HGB Bilanz-Kommentar §§ 238–342e HGB, Freiburg, 13. Aufl. 2021 HdJ-Bearbeiter Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Bilanzrecht nach HGB, EStG und IFRS, Köln, 80. Ergänzungslieferung April 2022 (Loseblatt) HdKR-Bearbeiter Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Konzernrechnungslegung, Stuttgart, 2. Aufl. 1998 HdR-EA/Bearbeiter Küting/Weber (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung – Einzelabschluss, Stuttgart, 36. Ergänzungslieferung Juli 2022 (Loseblatt) Heidel/Bearbeiter AktienR Heidel (Hrsg.), Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, Kommentar, Baden-Baden, 5. Aufl. 2019 Herrmann/Heuer/Raupach/ Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Köln, 311. Bearbeiter Ergänzungslieferung Juli 2022 (Loseblatt) Hess/Binz/Wienberg Gesamt- Hess/Binz/Wienberg, Gesamtvollstreckungsordnung, Neuwied, 4. Aufl. 1998 vollstreckungsordnung Hess/Weis/Wienberg InsO Hess/Weis/Wienberg (Hrsg.), Insolvenzordnung, Heidelberg, 2. Aufl. 2001
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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Heuser/Theile/Bearbeiter Heymann/Bearbeiter HGB
Heuser/Theile (Hrsg.), IFRS-Handbuch, Köln, 6. Aufl. 2019 Horn/Balzer/Borges/Herrmann (Hrsg.), Heymann, Handelsgesetzbuch (ohne Seerecht), Kommentar, 4 Bd., Berlin, 3. Aufl. 2019 f. Hirte/Bücker Hirte/Bücker (Hrsg.), Grenzüberschreitende Gesellschaften, Berlin, 2. Aufl. 2006 HK-HGB/Bearbeiter Glanegger/Kirnberger/Kusterer u.a., Heidelberger Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Heidelberg, 7. Aufl. 2007 Hoeren/Sieber/Bearbeiter Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht – Rechtsfragen des elektronischen Geschäftsverkehrs, München 58. Aufl. März 2022 (Loseblatt) Hofbauer/Kupsch/Bearbeiter Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, hrsg. v. Kupsch/Scherrer/Grewe/Kirsch, 116. Ergänzungslieferung Stand Juli 2022 Hopt/Bearbeiter Handelsgesetzbuch, München, 41. Aufl. 2022; bis zur 40. Aufl. 2020 Baumbach/ Hopt Hopt/Mössle/Bearbeiter Han- Hopt/Mössle, Handels- und Gesellschaftsrecht, Band I: Handelsrecht, München, delsrecht 2. Aufl. 1999 Hueck/Canaris Recht der Wert- Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere, München, 12. Aufl. 1986 papiere Hueck/Nipperdey Arbeitsrecht Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band 2: Kollektives Arbeitsrecht, Berlin, 7. Aufl. 1967/1970 Hueck OHG Hueck, Das Recht der offenen Handelsgesellschaft, Berlin, 4. Aufl. 1971 Hüffer/Koch AktG s. Koch AktG HuRB Leffson/Rückle/Großfeld (Hrsg.), Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986 Ingerl/Rohnke Ingerl/Rohnke, Markengesetz, Kommentar, München, 3. Aufl. 2010 Jansen/Bearbeiter von Schuckmann/Sonnenfeld (Hrsg.), Großkommentar zum FGG, 3 Bd., Berlin, 3. Aufl. 2005 f. Kallmeyer/Bearbeiter Kallmeyer u.a., Umwandlungsgesetz, Köln, 7. Aufl. 2020 Kreidel/Krafka/Bearbeiter Re- Krafka/Kühn RegisterR, München, 11. Aufl. 2019 gisterR Keidel/Bearbeiter FamFG FamFG, Kommentar, München, 20. Aufl. 2020 Koch AktG Koch, Aktiengesetz, München, 16. Aufl. 2022 Köhler BGB, Allgemeiner Teil Köhler, BGB Allgemeiner Teil, München, 44. Aufl. 2020 Köhler/Bornkamm/Bearbeiter Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: UWG, München, 40. Aufl. 2022 Koller Transportrecht Koller Transportrecht Kommentar zu Land-, Luft- und Binnengewässertransport von Gütern, Spedition und Lagergeschäft, München, 10. Aufl. 2020 Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Koller/Kindler/Roth/Drüen, Handelsgesetzbuch: HGB, München, 9. Aufl. 2019 Bearbeiter KölnKomm-AktG/Bearbeiter Zöllner/Noack (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Band 6, Köln, 3. Aufl. 2004 KölnKomm-RLR/Bearbeiter Claussen/Scherrer (Hrsg.), Kölner Kommentar zum Rechnungslegungsrecht, 1. Aufl. 2010 KK-OWiG/Bearbeiter Mitsch (Hrsg.), Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten: OWiG, München, 5. Aufl. 2018 KPMG Insights into IFRS KPMG (Hrsg.), Insights into IFRS, London, 9. Aufl. 2012/2013 Krafka/Bearbeiter RegisterR Krafka/Kühn (Hrsg.), Registerrecht, München, 11. Aufl. 2019 Küstner/Thume/Bearbeiter Küstner/Thume, Handelsvertreterverträge, Frankfurt am Main, 2. Aufl. 2011 Küstner/Thume I/Bearbeiter Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 1: Das Recht des Handelsvertreters, Heidelberg, 5. Aufl. 2016 Küstner/Thume II/Bearbeiter Küstner, Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 2: Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (Warenvertreter, Versicherungs- und Bausparkassenvertreter), Heidelberg, 9. Aufl. 2014 Küstner/Thume III/Bearbeiter Küstner/Thume (Hrsg.), Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Band 3: Besondere Vertriebsformen, Heidelberg, 4. Aufl. 2014 Küting/Weber/Bearbeiter s. HdKR-Bearbeiter Küting/Weber KonzernabKüting/Weber, Der Konzernabschluss, Praxis der Konzernrechnungslegung nach schluss HGB und IFRS, Stuttgart, 14. Aufl. 2018
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Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Lackhoff Single Supervisory Mechanism Lettl Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Bearbeiter Lohmüller/Beustien/Josten
Lackhoff, Single Supervisory Mechanism – A Practitioner’s Guide, München/ Oxford/Baden-Baden 2017 Lettl, Handelsrecht, München, 5. Aufl. 2021 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann (Hrsg.), Kartellrecht, München, 4. Aufl. 2020 Lohmüller u.a., Handels- und Versicherungsvertreterrecht, 2. Aufl. 1970/71, Loseblatt Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg, Haufe IFRS-Kommentar, Freiburg, 20. Aufl. 2022 Lutter/Bearbeiter UmwG Bayer/Vetter (Hrsg.), Umwandlungsgesetz, 2 Bd., Köln, 6. Aufl. 2019 Lutter/Hommelhoff/Bearbeiter Lutter/Hommelhoff u.a., GmbH-Gesetz, Köln, 21. Aufl. 2022 GmbHG Luz/Neus/Schaber/Schneider/ Luz/Neus/Schaber/Schneider/Wagner/Weber (Hrsg.), KWG und CRR: Kommentar Wagner/Weber KWG und zu KWG, CRR, SolvV, WuSolvV, GroMiKV, LiqV und weiteren aufsichtsrechtlichen CRR Vorschriften, 4. Aufl. 2022 Manigk Manigk, Willenserklärung und Willensgeschäft, Berlin 1907 Martinek Franchising Martinek, Franchising, Heidelberg 1987 Martinek/Bearbeiter Martinek/Semmler/Flohr (Hrsg.), Handbuch des Vertriebsrechts, München, 4. Aufl. 2016 Medicus AT Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Heidelberg, 11. Aufl. 2016 Meilicke/von Westphalen Meilicke/Graf von Westphalen/Hoffmann/Lenz/Wolff, Kommentar, PartGG Partnerschaftsgesellschaftsgesetz: PartGG, Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe, München, 3. Aufl. 2015 Michalski/Bearbeiter GmbHG Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt (Hrsg.), Kommentar zum Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH-Gesetz), 2 Bd., München, 3. Aufl. 2017 MünchHdbGesR/Bearbeiter Beuthien/Gummert/Schöpflin (hrsg. der 4. Aufl.), Gummert/Weipert (Hrsg. der 5. Aufl.),Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, div. Bd., München, 4. Aufl. 2014 ff., 5. Aufl. 2019 ff. MünchKommAktG/Bearbeiter Goette/Habersack (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, München, 4. Aufl. 2012 ff., 5. Aufl. 2019 ff. MünchKommBGB/Bearbeiter Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg. der 8. Aufl.), Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, München, 7. Aufl. 2015 ff., 8. Aufl. 2018 ff; 9. Aufl. 2021 ff MünchKommBilR/Bearbeiter Hennrichs/Kleindiek/Watrin (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Bilanzrecht, Band 1 IFRS, München September 2014 (Loseblatt) MünchKommHGB/Bearbeiter Schmidt, Karsten (Hrsg.), Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, München, 4. Aufl. 2016 ff. MünchKommInsO/Bearbeiter Kirchhof/Lwowski/Stürner (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3 Bd., München, 2. Aufl. 2007 f MünchKommZPO/Bearbeiter Rauscher/Wax/Wenzel (Hrsg.), Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 4 Bd., München, 3. Aufl. 2007 ff Musielak/Voit/Bearbeiter ZPO Musielak/Voit (Hrsg.), Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO, München, 19. Aufl. 2022 Noack/Bearbeiter Noack (Hrsg.), Das neue Gesetz über elektronische Handels- und Unternehmensregister – EHUG, 2007 Noack/Servatius/Haas/ Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung: GmbHG, Bearbeiter GmbHG München 23. Aufl. 2022; bis zur 22. Aufl. 2019 Baumbach/Hueck GmbHG Oetker Handelsrecht Oetker, Handelsrecht, Heidelberg, 8. Aufl. 2019 Oetker/Bearbeiter Oetker, HGB, Kommentar, München, 7. Aufl. 2021 Oppenländer/Bearbeiter Oppenländer/Trölitzsch (Hrsg.), Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, München, 3. Aufl. 2020 Prölss/Martin/Bearbeiter VVG Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz: VVG, München, 31. Aufl. 2021 PwC IFRS Manual of PricewaterhouseCoopers (Hrsg.), IFRS Manual of Accounting 2011, London 2010 Accounting 2011 Prütting/Helms/Bearbeiter Prütting/Helms (Hrsg.), FamFG, Köln, 6. Aufl. 2022 FamFG
XXVII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
PWW/Bearbeiter Raiser/Veil Reithmann/Martiny/Bearbeiter RGRK-BGB/Bearbeiter
Prütting/Wegen/Weinreich (Hrsg.), BGB Kommentar, Köln, 17. Aufl. 2022 Recht der Kapitalgesellschaften, München, 6. Aufl. 2015 Reithmann/Martiny (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, Köln, 9. Aufl. 2021 Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes, Berlin, 12. Aufl. 1975–1999 RGRK-HGB/Bearbeiter Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Berlin, 1. Aufl. 1939 ff Richardi Wertpapierrecht Richardi, Wertpapierrecht, Heidelberg 1987 Ritter HGB Ritter, Kommentar zum HGB, 2. Aufl. 1932 Röhricht/Graf von WestphaRöhricht/Graf von Westphalen/Haas (Hrsg.), Handelsgesetzbuch: HGB, len/Haas/Bearbeiter Kommentar zu Handelsstand, Handelsgesellschaften, Handelsgeschäften und besonderen Handelsverträgen (ohne Bilanz-, Transport- und Seerecht), Köln, 5. Aufl. 2019 Rowedder/Pentz/Bearbeiter Rowedder/Pentz (Hrsg.), Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter GmbHG Haftung: GmbHG, München, 7. Aufl. 2022 Schlegelberger/Bearbeiter Schlegelberger/Geßler, Handelsgesetzbuch Kommentar, München, 5. Aufl. 1973 K. Schmidt Gesellschaftsrecht Schmidt, Gesellschaftsrecht, Köln, 4. Aufl. 2002 K. Schmidt Handelsrecht Schmidt, Handelsrecht, Köln, 6. Aufl. 2014 K. Schmidt/Lutter AktG Schmidt/Lutter, Kommentar zum Aktiengesetz, Köln, 4. Aufl. 2020 Scholz/Bearbeiter GmbHG Scholz (Hrsg.), Kommentar zum GmbHG, 3 Bd., Köln, 11. Aufl. 2013 ff., 12. Aufl. 2017 ff. Schönke/Schröder/Bearbeiter Schönke/Schröder (Hrsg.), Strafgesetzbuch: StGB, Kommentar, München, StGB 30. Aufl. 2019 Schubert/Schmiedel/Krampe Schubert/Schmiedel/Krampe (Hrsg.), Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Frankfurt am Main 1988 Schultze/Wauschkuhn/ Schultze/Wauschkuhn/Spenner/Dau/Kübler, Der Vertragshändlervertrag, Spenner/Dau Frankfurt am Main, 5. Aufl. 2015 Schwark/Zimmer/Bearbeiter Schwark/Zimmer (Hrsg.), Kapitalmarktrechts-Kommentar, München, 5. Aufl. 2020 Soergel/Bearbeiter Soergel/Siebert (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Stuttgart, 13. Aufl. 2001 ff Spindler/Stilz/Bearbeiter AktG Spindler/Stilz (Hrsg.), Aktiengesetz, Kommentar, 2 Bd., München, 4. Aufl. 2019 Staub ADHGB Staub, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, Berlin, 5. Aufl. 1897 Staub/Bearbeiter Grundmann/Habersack/Schäfer (Hrsg.), Staub, Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, HGB, Berlin, 6. Aufl. 2021 ff; 5. Aufl. 2008 ff. Canaris/ Habersack/Schäfer Staudinger/Bearbeiter J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Berlin 1993 ff Stolterfoht Stolterfoht, Handelsrecht, Berlin 1973 Straatmann/Ulmer Straatmann/Ulmer, Handelsrechtliche Schiedsgerichts-Praxis (HSG), 1975 ff Straube/Bearbeiter Straube (Hrsg.), Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Wien, 3. Aufl. 2003 ff Ströbele/Hacker Ströbele/Hacker/Thiering (Hrsg.), Markengesetz, Kommentar, Köln, 13. Aufl. 2020 Stumpf/Jaletzke/Bearbeiter Stumpf/Jaletzke, Der Vertragshändlervertrag, Heidelberg, 3. Aufl. 1997 Stüsser Stüsser, Die Anfechtung der Vollmacht nach Bürgerlichem Recht und Handelsrecht, Berlin 1986 Thiele Finanzaufsicht Thiele, Finanzaufsicht – Der Staat und die Finanzmärkte, Tübingen 2014 Thiele/von Keitz/Brücks/ Thiele/von Keitz/Brücks (Hrsg.), Internationales Bilanzrecht, Bonn/Berlin, Bearbeiter 55. Ergänzungslieferung Juni 2022 (Loseblatt) Thomas/Putzo/Bearbeiter Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung: ZPO, München, 43. Aufl. 2022 Uhlenbruck/Bearbeiter Hirte/Vallender (Hrsg.), Uhlenbruck, Insolvenzordnung: InsO, Kommentar, München, 15 Aufl. 2019 f. Ulmer/Brandner/Hensen/ Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht Kommentar, Köln, 13. Aufl. 2022 Bearbeiter AGB-Recht Ulmer/Habersack Ulmer/Habersack, Verbraucherkreditgesetz, München, 2. Aufl. 1995 Ulmer/Schäfer Ulmer/Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Partnerschaftsgesellschaft: GbR PartG, München, 8. Aufl. 2021
XXVIII
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur
Vater et al./Bearbeiter IFRS Änderungskommentar 2009 von Gierke/Sandrock Handelsund Wirtschaftsrecht von Godin/Wilhelmi von Wysocki et al./Bearbeiter
Vater/Ernst/Hayn/Knorr/Mißler (Hrsg.), IFRS Änderungskommentar 2009, Weinheim 2009 von Gierke/Sandrock, Handels- und Wirtschaftsrecht, Berlin, 9. Aufl. 1975
von Godin/Wilhelmi, Aktiengesetz, Kommentar, Berlin, 4. Aufl. 1971 Schulze-Osterloh/Hennrichs/Wüstemann (Hrsg.), Handbuch des Jahresabschlusses (HdJ), Bilanzrecht nach HGB, EStG und IFRS, Köln, 80. Ergänzungslieferung April 2022 (Loseblatt) von Wysocki/Wohlgemuth/ von Wysocki/Wohlgemuth/Brösel Konzernrechnungslegung, Konstanz, Brösel KR 5. Aufl. 2014 Vortmann Aufklärungspflichten Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken, 13. Aufl. 2022 Wessel/Zwernemann/Kögel Wessel/Zwernemann/Kögel, Firmengründung, Heidelberg, 7. Aufl. 2001 Firmengründung Wiedemann/Böcking/Gros/ Wiedmann/Böcking/Gros (Hrsg.), Bilanzrecht §§ 238–342e HGB, §§ 135–138, Bearbeiter BilR 158–161 KAGB Kommentar, München, 4. Aufl. 2019 Zöller/Bearbeiter Zöller, Zivilprozessordnung: ZPO, Kommentar, Köln, 34. Aufl. 2022 Zöllner Wertpapierrecht Zöllner, Wertpapierrecht, München, 14. Aufl. 1987
XXIX
ERSTES BUCH Handelsstand DRITTER ABSCHNITT Handelsfirma Vorbemerkungen vor § 17 Schrifttum 1. Zu und seit der Handelsrechtsreform Ammon Gesellschaftsrechtliche und sonstige Neuerungen im Handelsrechtsreformgesetz, DStR 1998, 1474; BayerStiftung (Hrsg.) Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31; Bokelmann Die Neuregelungen im Firmenrecht nach dem Regierungsentwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 57; ders. Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnungen, 5. Aufl. 2000 (zitiert Firmenrecht); Bülow/Markus Neues Handelsrecht, JuS 1998, 680; Busch Reform des Handels- und Registerrechts, Rpfleger 1998, 178; Bydlinski Zentrale Änderungen des HGB durch das Handelsrechtsreformgesetz, ZIP 1998, 1169; Fezer Liberalisierung und Europäisierung des Firmenrechts, ZHR 161 (1997), 52; Frenz Das Handelsregisterverfahren nach dem Handelsrechtsreformgesetz, ZNotP 1998, 178; Gößner Lexikon des Firmenrechts; Gustavus Die Neuregelungen im Gesellschaftsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 17; Hauser Neues Firmenrecht – neue Möglichkeiten, BuW 1999, 109; Hennig/Meyding/Schnorbus Die GmbH in der Registerpraxis, ZNotP 2006, 122; Henssler Gewerbe, Kaufmann und Unternehmen, ZHR 161 (1997), 13; Hintzen Rechtsprechungsübersicht im Handels- und Registerrecht seit 2000, Rpfleger 2003, 337; Kögel Entwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, BB 1997, 793; ders. Neues Firmenrecht und alte Zöpfe: Die Auswirkungen der HGB-Reform, BB 1998, 1645; ders. Entwicklungen im Handels- und Registerrecht seit 2005, Rpfleger 2007, 299; Körber Änderungen im Handelsund Gesellschaftsrecht durch das Handelsrechtsreformgesetz, Jura 1998, 452; Kornblum Zu den Änderungen des Registerrechts im Regierungsentwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, DB 1997, 1217; Krebs Reform oder Revolution? – Zum Referentenentwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, DB 1996, 2013; Lieb (Hrsg.) Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaft, 1999; Lutter/Welp Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; D. Möller Neues Kaufmanns- und Firmenrecht, DIHT 1998; Munzig Rechtsprechungsübersicht zum Handels- und Registerrecht FGPrax 2006, (Teil I) 47; (Teil II) 94; (Teil III) 139; ders. Rechtsprechungsübersicht zum Handels- und Registerrecht, FGPrax 2003, 101; Müther Überlegungen zum neuen Firmenbildungsrecht bei der GmbH, GmbHR 1998, 1058; W. Nitsche Rechtsprechungsübersicht zum Handels- und Registerrecht, FGPrax 2000, (Teil I) 47; (Teil II) 85; Priester Handelsrechtsreformgesetz – Schwerpunkte aus notarieller Sicht, DNotZ 1998, 691; Römermann Die Firma der Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- und Anwaltssozietät, INF 2001, 181; W.H. Roth Das neue Firmenrecht, Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaft, 1999, 31; Schaefer Das HRefG nach Abschluß des parlamentarischen Verfahrens, DB 1998, 1269; ders. Das neue Kaufmanns- und Firmenrecht nach dem Abschluß der Beratungen des Handelsrechtsreformgesetzes im Deutschen Bundestag, ZNotP 1998, 170; Scheibe Mehr Freiheit bei der Firmenbildung – Zum Referentenentwurf für ein Handelsrechtsreformgesetz (HRefG), BB 1997, 1489; K. Schmidt HGB-Reform im Regierungsentwurf, ZIP 1997, 909; ders. Woher – wohin? ADHGB, HGB und die Besinnung auf den Kodifikationsgedanken, ZHR 161 (1997), 2; ders. Das Handelsrechtsreformgesetz, NJW 1998, 2161; 2167; ders. HGB-Reform und Gestaltungspraxis, DB 1998, 61; ders. Fünf Jahre neues Handelsrecht, JZ 2003, 585; R. Schmitt Der Entwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, WiB 1997, 1113; Schulte/Warnke Vier Jahre nach der HGB-Reform – Das neue Firmenrecht der GmbH im Handelsregisterverfahren, GmbHR 2002, 626; Schulz Die Neuregelung des Firmenrechts, JA 1999, 247; S. Schumacher Handelsrechtsreformgesetz (HRefG), 1998; dies. Das Firmenrecht nach dem Handelsrechtsreformgesetz, ZAP 1999, 309; 575; Steding Zur Reform des Firmenrechts für Unternehmen, BuW 1998, 588; ders. Zur Reform des Handelsrechts: Kaufmannsbegriff, Firmenrecht und Personengesellschaftsrecht, BuW 1998, 386; Stumpf Das Handelsregister nach der HGBReform, BB 1998, 2380; Weber/Jacob Zum Referentenentwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, ZRP 1997, Wessel/ Zwernemann/Kögel Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001. S. ferner das Schrifttum insbes. zu §§ 17–19.
2. Vor der Handelsrechtsreform Adler Beiträge zum Firmenrecht, ZHR 85 (1921), 93; Aschenbrenner Die Firma der GmbH & Co. KG, 1976; Bokelmann Ausgewählte Fragen des Firmenrechts, Rpfleger 1973, 44; ders. Zur Entwicklung des deutschen Firmenrechts, ZGR 1994, 325; Busch Auswirkungen des Einigungsvertrages auf die Handelssachen, Rpfleger 1992, 137; 1 https://doi.org/10.1515/9783111097510-001
Burgard
Vor § 17
1. Buch. Handelsstand
Bußmann Name, Marke, Firma, 1937; Ehrenberg Über das Wesen der Firma, ZHR 1882, 25; J. von Gierke Der Grundsatz der Firmeneinheit, ZHR 122 (1959), 189; R. Haab Beitrag zur Geschichte und Dogmatik der Handelsfirma, 1888; Hildebrandt Neues deutsches Firmenrecht, DGWR 1937, 298; H. Köhler Namensrecht und Firmenrecht, Festschrift Fikentscher, 1998, 494; Opet Beiträge zum Firmenrecht, ZHR 1900, 51; Pabst Firmenrechtliche Fragen, DNotZ 1959, 33; Rehme Geschichte des Handelsrechts, 1914. Sonderausgabe aus Ehrenberg Handbuch des gesamten Handelsrechts, Bd. I, 1913; Riecke Die Entwicklung des privaten Namens- und Firmenschutzrechts im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs nach dem Recht des Deutschen Reiches, Diss. Urach 1933; Steding Das Recht der Firma und ihres Schutzes, BuW 1996, 586; Swoboda Firmenfibel, 1985; Wellmann Die Firma der GmbH, GmbHR 1972, 193; Wittmann Rechtsprechung zum Firmenrecht, BB 1969, Beilage 10. S. ferner das Schrifttum insbes. zu §§ 17–19.
3. Internationales Firmenrecht Arndt Warenverkehrsfreiheit innerhalb der Europäischen Union: der Fall „Keck“ – EuGH NJW 1994, 121, JuS 1994, 469; Autenrieth Die inländische Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) als Gestaltungsmittel, BB 1989, 305; von Bar Internationales Privatrecht, Band II, 1991; Baur Zum Namensschutz im deutschen internationalen Privatrecht unter besonderer Berücksichtigung des Schutzes der Handelsnamen, AcP 167 (1967), 535; Behrens Niederlassungsfreiheit und internationales Gesellschaftsrecht, RabelsZ 1988, 498; Beier Gewerblicher Rechtsschutz und freier Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt und im Verkehr mit Drittstaaten, GRUR Int. 1989, 603; Beitzen Bildung einer GmbH-Firma mit dem Namen einer Auslandsgesellschaft, DB 1972, 2051; Binz/ Mayer Die ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG im Aufwind? Konsequenzen aus dem „Überseering“ – Urteil des EuGH vom 5.11.2002 – Rs. C-208/00 GmbHR 2002, 1137, GmbHR 2003, 249; Bokelmann Kann eine ausländische Kapitalgesellschaft Komplementärin einer deutschen Kommanditgesellschaft sein? BB 1972, 426; ders. Die Gründung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesellschaften in Deutschland und das deutsche Firmenrecht unter besonderer Berücksichtigung des EWG-Vertrages, DB 1990, 1021; ders. Zur Entwicklung des deutschen Firmenrechts unter den Aspekten des EG-Vertrages, ZGR 1994, 325; ders. Die Rechtsprechung zum Firmenrecht der GmbH und der GmbH & Co. KG seit 1987 (Auswahl), GmbHR 1994, 356; Clausnitzer Deutsches Firmenrecht versus Europäisches Gemeinschaftsrecht, DNotZ 2008, 484, ders. Die Novelle des Internationalen Gesellschaftsrechts, NZG 2008, 321; Ebenroth/Eyles Die Beteiligung ausländischer Gesellschaften an einer inländischen Kommanditgesellschaft – Komplementäreigenschaft ausländischer Kapitalgesellschaften und europarechtliche Niederlassungsfreiheit, DB 1988 Beilage 2; Ebert Nationalitätenangaben im Firmen- und Wettbewerbsrecht, WRP 1960, 94; Ebke Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG“ und das europäische Gemeinschaftsrecht, ZGR 1987, 245; Eidenmüller (Hrsg.), Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht, 2004; Eidenmüller/Rehm Niederlassungsfreiheit versus Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Konturen des Europäischen Internationalen Gesellschaftsrechts, ZGR 2004, 160; Fezer Liberalisierung und Europäisierung des Firmenrechts, ZHR 161 (1997), 52; Ganske Das Recht der europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), 1988; Geulen/ Sebok Deutsche Firmen vor US-Gerichten, NJW 2003, 3244; Gloria/Karbowski Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung, WM 1990, 1313; Großfeld Die „ausländische juristische Person & Co. KG“, IPRax 1986, 351; Großfeld/ Strotmann Ausländische juristische Person aus Nicht-EG-Staat als Komplementär einer KG, IPRax 1990, 298; Grothe Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co.“, 1989; Haidinger Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG“, 1989; Hauschka/Frhr. v. Saalfeld Die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) als Kooperationsinstrument für die Angehörigen der freien Berufe, DStR 1991, 1083; Hillebrand Das Firmenrecht in Frankreich, Belgien und Luxemburg, 1975; Hirte/Bücher (Hrsg.) Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2006; Horn Deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht und die EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit – Inspire Art, NJW 2004, 893; Kaligin Das internationale Gesellschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland, DB 1985, 1449; Kögel Firmenbildung von Zweigniederlassungen in- und ausländischer Unternehmen, Rpfleger 1993, 8; ders. EuGH-Rechtsprechung, Centros, Überseering, Inspire Art, Rpfleger 2004, 325; Kronke Schweizerische AG & Co. KG – Jüngste Variante der „ausländischen Kapitalgesellschaft & Co.“, Anmerkung zu OLG Saarbrücken Beschl. v. 21.4.1989 – 5 W 60/88, RIW 1990, 799; Lamsa Allgemeinbegriffe in der Firma einer inländichen Zweigniederlassung einer EU-Auslandsgesellschaft, IPRax 2008, 239; Latinak Täuschung mit dem Namen einer ausländischen Gesellschaft? NJW 1973, 1215; Lutter (Hrsg.) Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 2005; A. H. Meyer Das Verbraucherleitbild des Europäischen Gerichtshofes, WRP 1993, 215; D. Möller Europäisches Firmenrecht im Vergleich, EWS 1993, 22; dies. Firmenbildung von Kapitalgesellschaften in den EG-Mitgliedstaaten, GmbHR 1993, 640; dies. Neues zum europäischen Firmenrecht im Vergleich, EWS 1997, 340; Müller-Guggenberger Die Firma der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), BB 1989, 1922; ders. EWIV – Die neue europäische Gesellschaftsform, NJW 1989, 1449; Rinne Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im Kollisions- und Sachrecht, Diss. Konstanz 1998; v. Rechenberg Die EWIV – Ihr Sein und Werden, ZGR Burgard
2
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Vor § 17
1992, 299; Römermann Zur Frage der Firmenfortführung bei Eintragung einer Zweigniederlassung einer englischen Limited nach deutschem Recht, GmbHR 2006, 262; Schmidt-Hermesdorf Ausländische Gesellschaften als Komplementäre deutscher Personenhandelsgesellschaften? RIW 1990, 707; Schünemann Die Firma im internationalen Rechtsverkehr, Diss. Köln 2014; Spickhoff Der ordre public im internationalen Privatrecht 1989; Steindorff Reichweite der Niederlassungsfreiheit, EuR 1988, 19; Veelken Nationales Lauterkeitsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, ZVglRWiss 1993, 241; Wachter Auswirkungen des EuGH-Urteils in Sachen Inspire Art Ltd. auf die Beratungspraxis und Gesetzgebung, GmbHR 2004, 88; ders. Zweigniederlassungen englischer private limited companies im deutschen Handelsregister, ZNotP 2005, 122; ders. Zur Frage der Bildung der Firma einer deutschen Zweigniederlassung einer englischen Limited, GmbHR 2007, 980; Weyer Die Rechtsprechung zum freien Warenverkehr: Dassonville – Cassis de Dijon – Keck, DZWir 1994, 89; Wöbke/Danckwerts Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung: Eintragung mit einer reinen Sachfirma? DB 1994, 413; Wolff Das Internationale Privatrecht Deutschlands, 3. Aufl. 1954; Zettel Die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV) – ihre Grundlagen und Struktur, DRiZ 1990, 161; Ziegler Zur Firma der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung, Rpfleger 1990, 239; Zimmer Internationales Gesellschaftsrecht: Das Kollisionsrecht der Gesellschaften und sein Verhältnis zum internationalen Kapitalmarktrecht und zum internationalen Unternehmensrecht, 1996.
Übersicht V. 1.
A.
Überblick
I.
Bedeutung des Firmenrechts
II.
Abgrenzung der Firma
III. 1. 2.
Inhalt des Firmenrechts 8 Regelungen des HGB Regelungen außerhalb des HGB
IV.
Anwendungsbereich des Firmenrechts
B.
Geschichte des Firmenrechts
C.
Firmenrechtliche Grundbegriffe
I. 1. 2. 3. 4. 5.
Arten der Firma 16 Personenfirma 18 Sachfirma 19 Phantasiefirma 20 Mischfirma 21 Abgeleitete Firma
II.
Firmenkern und Firmenzusatz
D.
Firmenrechtliche Grundsätze
I.
Firmenwahlfreiheit
II.
Firmenwahrheit
III.
Firmenbeständigkeit
IV. 1. 2.
34 Firmenunterscheidbarkeit 36 Abstrakte Unterscheidungskraft 38 Konkrete Unterscheidbarkeit
1
5 2.
9 10
11 49
VI.
Firmenpublizität
E.
Firmenschutz
F.
Internationales Firmenrecht
I. 1.
Firmenbildung Firmenstatut von Unternehmensträgern aus 52 Drittstaaten Firmenstatut von Unternehmensträgern aus EU53 Staaten Firmenstatut von Unternehmensträgern aus Staaten, mit denen ein Staatsvertrag besteht 54 (hier sog. „Vertragsstaaten“)
2. 22 3.
3
Firmeneinheit Grundsatz 39 a) Meinungsstand 40 b) Stellungnahme 43 c) Ergebnis Zweigniederlassung 44 a) Rechtsnatur 45 b) Folgerungen c) Zulässigkeit und Grenzen der Firmenver46 schiedenheit 47 d) Meinungsstand 48 e) Stellungnahme
26
50
27 II. 1.
28 31
2. 3.
Firmengebrauch Firmengebrauch von Unternehmensträgern aus Nicht-EU-Staaten 55 a) Verwaltungssitz im Inland 56 b) Verwaltungssitz im Ausland Firmengebrauch von Unternehmensträgern aus 58 EU-Staaten Firmenbildung der deutschen Tochter eines aus62 ländischen Rechtsträgers Burgard
Vor § 17
1. Buch. Handelsstand
4.
Firmenbildung der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmensträ63 gers
III.
Firmenordnungs- und Registerrecht
IV. 1.
Firmenschutz Schutz gegen Firmen ausländischer Unterneh68 mensträger
2.
65 3.
Schutz von Firmen ausländischer Unternehmensträger 69 a) Schutzlandprinzip 70 b) Inländerbehandlung 71 c) Fremdenrecht 72 d) Gerichtsstand Schutz von Firmen deutscher Unternehmensträ73 ger im Ausland
A. Überblick I. Bedeutung des Firmenrechts 1 Die Firma ist gem. § 17 Abs. 1 der Name, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt. Die Firma darf daher weder mit dem Unternehmen noch mit dem Unternehmensträger verwechselt werden. Vielmehr ist die Firma im Rechtssinne der Handelsname eines Kaufmanns bzw. einer Handelsgesellschaft, also des Unternehmensträgers. Sie ist Name i.S.d. § 12 BGB (näher dazu § 37 Anh. I) und hat damit identifizierende Funktion (Informationsfunktion, s. auch Rn 34 ff). Sie dient, wie das gesamte Handelsrecht, dem gesteigerten Bedürfnis im Handelsverkehr nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Allerdings tragen natürliche Personen als Kaufleute neben der Firma auch ihren bürgerlichen Namen. Demgegenüber haben Handelsgesellschaften keinen anderen Namen als die Firma. Verwendet ein Einzelkaufmann bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts seine Firma, so stellt er damit klar, dass das Geschäft zu seinem Handelsgewerbe gehört und damit Handelsgeschäft i.S.d. § 343 HGB ist. Handelsgesellschaften können dagegen überhaupt nur unternehmensbezogen kontrahieren. Privatgeschäfte gibt es bei ihnen nicht. 2 Neben der Identifikationsfunktion hat die Firma auch Publizitätsfunktion.1 Sie ist zum Handelsregister anzumelden, §§ 29, 31, 33, 34, 106 ff, 162, §§ 39, 181, 278 Abs. 3 AktG, §§ 10, 54 GmbHG, Art. 5 ff EWIV-VO,2 § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EWIVAG, § 3 SEAG, §§ 172, 174, 185 Abs. 1 VAG, 6 Nr. 1, 10 f, 16 Abs. 5 GenG, § 3 SCEAG3 und wird bekannt gemacht (§ 10). Ferner ist sie auf Geschäftsbriefen anzugeben (§§ 37a, 125a, 177a, § 80 AktG, § 35a GmbHG, § 43 SEAG, Art. 25 EWIV-VO, § 25a GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCE-VO4 i.V.m. § 25 SCEAG, § 172 VAG i.V.m. § 37a HGB, §§ 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a HGB) und auch am Geschäftslokal anzubringen (§ 15a GewO a.F., s. dazu § 37a Rn 5a). Im Blick auf die Haftungsverhältnisse verdeutlichen § 19 und dessen gesellschaftsrechtliche Parallelnormen (§§ 4, 279 AktG, §§ 4, 5a Abs. 1 GmbHG, Art. 11 Abs. 1 SE-VO,5 § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, § 3 GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO, § 174 Abs. 2 S. 2 VAG, § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG) die Publizitätsfunktion der Firma.
1 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 1. 2 VO (EWG) Nr. 2137/85 DES RATES DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung, ABl. EG Nr. L 199 v. 31.7.1985, 1.
3 Ebenso § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PartGG sowie § 707 Abs. 2 Nr. 1 lit. a i.V.m. §§ 707a f. BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG, BGBl. I 2021, 3436 ff.), das am 1.1.2024 in Kraft tritt. S. ferner §§ 64 f. BGB und §§ 82b f. BGB i.V.m. § 2 Nr. 1 StiftRG in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes, BGBl. I 2021, 2947 ff. 4 VO (EG) Nr. 1435/2003 DES RATES vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. L 207/1 v. 18.8.2003, 1. 5 VO (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294/1 v. 10.11.2001, 1. Burgard
4
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Vor § 17
Im Rechtssinne bezeichnet die Firma den Unternehmensträger, nicht das Unternehmen.6 3 Umgangssprachlich wird der Begriff „Firma“ dagegen als Synonym für Unternehmen oder Betrieb gebraucht. Und auch im Geschäftsverkehr wird die Firma als Kennzeichnung des Unternehmens verwendet und verstanden.7 Dementsprechend ist das Interesse der Kaufleute und Handelsgesellschaften darauf gerichtet, die Firma als Werbeträger zu nutzen und dem Unternehmen dadurch ein unverwechselbares, möglichst positives Profil zu geben. Häufig hat die Firma daher einen erheblichen Vermögenswert (Goodwill). Dem Zusammenhang zwischen Unternehmen und Firma hat das Gesetz u.a. in § 23 und 4 ihrem Vermögenswert etwa in dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit (dazu Rn 31 ff) Rechnung getragen. Zudem ist die Firma anders als der bürgerliche Name nicht in erster Linie als Persönlichkeitsrecht, sondern wegen ihres Vermögenswerts als Immaterialgüterrecht geschützt (für einen Überblick u. Rn 50 f, näher Anh. I und II zu § 37).8
II. Abgrenzung der Firma Abzugrenzen ist die Firma zum einen von sog. „Minderfirmen“. Das sind Namen von Unterneh- 5 mensträgern, die lediglich deswegen keine Firma im Rechtssinne sind, weil der Unternehmensträger kein Kaufmann, sondern Kleingewerbetreibender oder Freiberufler ist. Allerdings ist zu beachten, dass das Firmenrecht einerseits gemäß § 2 Abs. 2 PartGG und § 707b BGB in der Fassung des MoPeG im Großen und Ganzen auch auf Partnerschaftsgesellschaften und eingetragene BGB-Gesellschaften Anwendung findet und andererseits § 107 i.d.F. des MoPeG jetzt auch für die gemeinsame Ausübung freier Berufe gilt. Zum anderen können Kaufleute ebenso wie Nicht-Kaufleute neben ihrer (Minder-)Firma für einzelne Geschäftslokale oder Betriebsstätten sog. „Geschäfts- oder Etablissementbezeichnungen“ führen (z.B. „Parkhotel“, „Sonnenapotheke“, „Auto-Kontakt“,9 näher dazu § 17 Rn 15 ff). Unternehmenskennzeichen sind gem. § 5 Abs. 2 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen 6 Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden (näher § 17 Rn 26 sowie Anh. II zu § 37). Marken i.S.d. § 3 MarkenG bezeichnen dagegen nicht das Unternehmen oder einen Teil 7 hiervon, sondern Waren oder Dienstleistungen, und dienen dazu, diese Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden (näher § 17 Rn 27; zu sonstigen Bezeichnungen § 17 Rn 28 ff).
III. Inhalt des Firmenrechts 1. Regelungen des HGB Der firmenrechtliche Abschnitt des Gesetzes (§§ 17–37a) weist eine Vierteilung auf.10 Der erste 8 Teil beinhaltet das Firmenrecht im engeren Sinne. Er umfasst die Vorschriften über die Firmenbildung (§§ 17–19) und über die Firmenfortführung bei Änderung des bürgerlichen Namens (§ 21), bei Wechsel des Unternehmensträgers (§§ 22, 23) und bei Veränderungen im Gesellschafterbestand (§ 24). Die gedankliche Linie dieses ersten Teils wird im dritten Teil, den §§ 29–37 fortgesetzt, der
6 Staub/Hüffer4 § 17 Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 2; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 20. 7 K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 1 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 2. 8 Etwa BGHZ 85, 221, 223; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 42; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 4, 7. 9 OLG Brandenburg – 11 U 25/10, BeckRS 2011, 7091. 10 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 9 ff.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 3, wonach eine Dreiteilung vorgenommen wird. 5
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Vor § 17
1. Buch. Handelsstand
insbes. das Firmenregisterrecht, aber auch andere registerrechtliche Vorschriften (§§ 32–34) enthält. §§ 18 und 30 werden auch als „Allgemeiner Teil“ des Firmenbildungsrechts bezeichnet.11 8a Der eingeschobene zweite Teil (§§ 25–28) war (ebenso wie die §§ 32–34) im ADHGB noch nicht enthalten und regelt Fragen der Haftung bei einer Unternehmensübertragung, einer Unternehmensfortführung durch Erben und bei „Eintritt“ von Gesellschaftern in ein Handelsgeschäft. Mit den §§ 22–24 ist dieser Teil nur insofern verbunden, als die Rechtswirkungen eines Inhaberwechsels durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 25) oder von Todes wegen (§ 27) u.a. von der Fortführung der Firma abhängig gemacht werden. 8b Der durch die Handelsrechtsreform 1998 angehängte § 37a (vierter Teil) verpflichtet den Einzelkaufmann auf Geschäftsbriefen bestimmte Angaben zu machen, darunter auch die Firma.
2. Regelungen außerhalb des HGB 9 Die §§ 17–37 enthalten keine vollständige Regelung des Firmenrechts. Zu nennen sind zunächst die in Rn 2 genannten gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen über die Anmeldung der Firma, Rechtsformzusätze und die Angaben auf Geschäftsbriefen. Firmenrechtliche Vorschriften enthält außerdem das Umwandlungsrecht (§§ 18, 125, 200 UmwG, dazu Anh. zu § 22). Hervorzuheben sind ferner die für den Schutz der Firma bedeutsamen Vorschriften des § 12 BGB (dazu Anh. I zu § 37) sowie vor allem der §§ 5, 6, 15 MarkenG (dazu Anh. II zu § 37) und daneben auch der §§ 3 ff UWG (dazu Anh. II zu § 37 Rn 70). Sondervorschriften sind überdies bei bestimmten Berufen (§ 59k BRAO, § 52k PatAnwO, §§ 43 Abs. 1, 53 StBerG, §§ 27, 31 WPO) und Unternehmensgegenständen (§ 17 BauSparkG, § 3 KAGB, §§ 39 ff KWG, § 20 UBGG, § 6 VAG) zu beachten (dazu § 18 Rn 78 ff).12 Hinzuweisen ist schließlich auf die Vorschriften des EGHGB, vor allem auf die Art. 22, 37, 38, 52 EGHGB, sowie auf die Fortgeltung von Ausnahmen, die in der Kriegszeit bewilligt wurden, und von Ausnahmen für bis 1951 in das Bundesgebiet verlegte Personenunternehmen (§ 2 Abs. 2, 3 und § 3 Abs. 1 Handelsrechtliches Bereinigungsgesetz).13
IV. Anwendungsbereich des Firmenrechts 10 Der Anwendungsbereich des Firmenrechts des HGB umfasst neben Einzelkaufleuten i.S.d. §§ 1 ff HGB grundsätzlich: – i.V.m. § 6 Abs. 1 alle Handelsgesellschaften. Das sind die OHG, KG, GmbH (einschließlich der sog. Unternehmergesellschaft i.S.d. § 5a GmbHG), AG, KGaA, SE, deutsche EWiV (§§ 105, 161 Abs. 2, § 13 Abs. 3 GmbHG, §§ 3 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG, Art. 9 Abs. 1 c ii SE-VO i.V.m. §§ 1, 3 SEAG, § 3 AktG, § 1 Hs. 2 EWIVAG); – i.V.m. § 6 Abs. 2 alle Formkaufleute: Das sind die GmbH (ebenfalls einschließlich der sog. Unternehmergesellschaft i.S.d. § 5a GmbHG), AG, KGaA, SE, deutsche EWiV, eG sowie die Europäische Genossenschaft (s. außer den vorgenannten Vorschriften § 17 Abs. 2 GenG, Art. 8 Abs. 1 lit. a), lit. c ii) SCE-VO); – alle juristischen Personen i.S.d. § 33, die ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 betreiben. Dazu können insbes. rechtsfähige Stiftungen, wirtschaftliche und nicht wirtschaftliche Vereine sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts gehören; – Partnerschaftsgesellschaften (§ 2 Abs. 2 PartGG) sowie ab dem 1.1.2024 eingetragene BGB-Gesellschaften (§ 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG).
11 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 1. 12 Röhricht/v. Westphalen/Ammon/Ries § 18 Rn 47, 53; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 19 ff; Hopt/Merkt § 18 Rn 28. 13 HRBerG v. 29.12.1950, VBl. I 568. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Vor § 17
Allerdings haben nicht alle Vorschriften der §§ 17–37a diesen weiten Anwendungsbereich, s. 10a etwa § 19. Vielmehr ist der Anwendungsbereich jeder einzelnen Norm gesondert zu klären. Teilweise umfasst der Anwendungsbereich dabei auch bzw. unter zu bestimmenden Voraussetzungen kleingewerbliche Unternehmensträger. Schließlich ordnet das Gesetz bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (§ 172 VAG), nicht aber für „kleinere Vereine“ (§ 210 VAG), die Anwendung der firmenrechtlichen Vorschriften des HGB an.
B. Geschichte des Firmenrechts Ein praktisches Bedürfnis, im Geschäftsverkehr unter einer Firma aufzutreten, machte sich zunächst bei den Handelsgesellschaften bemerkbar, und zwar schon im Hoch- und Spätmittelalter, vor allem im Handelsverkehr Oberitaliens. Der so genannte Rechnungsname von Handelsgesellschaften (ratio; ragione sociale), das heißt der Name des Hauptgesellschafters mit einem die Mithaftung der anderen Gesellschafter offenlegenden Zusatz, ist als Vorläufer der Gesellschaftsfirma anzusehen. Dagegen ist die Firma des Einzelkaufmanns als besonderer, mit dem bürgerlichen Namen nicht notwendig übereinstimmender Handelsname das Ergebnis jüngerer, etwa mit der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert fassbar werdender Rechtsentwicklung.14 Sie ist durch das Aufkommen des Registerwesens (§ 8 Rn 4) wohl nicht bedingt, aber begünstigt, und erfährt den entscheidenden Impuls durch das Bestreben, die eingeführte Gesellschaftsfirma über die Dauer der Gesellschaft hinaus zu erhalten. Noch das Preußische Allgemeine Landrecht (1794) und der Code de Commerce (1807) enthielten nur Bestimmungen über die Gesellschaftsfirma. Das ADHGB (1861) ist jedenfalls im deutschen Rechtskreis das erste Gesetz, das firmenrechtliche Vorschriften auch für Einzelkaufleute enthielt (Art. 15–27). Diese Bestimmungen blieben von dem Erlass des HGB (1897) weitgehend unberührt. Eingeschoben wurden allerdings, wie bereits erwähnt (Rn 8), die §§ 25 bis 28 und 32 bis 36. Und dieser Normenbestand blieb dann 100 Jahre bis zur Handelsrechtsreform von 1998 nahezu15 unverändert. Das Firmenrecht entsprach daher nicht mehr den Erfordernissen des modernen Wirtschaftslebens16 und wurde zu Recht grundlegend reformiert. Insbes. wurden die §§ 18 und 19 vollkommen umgestaltet, § 36 aufgehoben und § 37a neu eingefügt. Seither gab es noch einige, weniger tiefgreifende Änderungen wie beispielsweise durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts im Jahr 2001. Nähere Einzelheiten dazu finden sich in den Kommentierungen der einzelnen Vorschriften. Zuletzt brachte das Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG)17 einige Änderungen. Die entscheidende Zäsur im Firmenrecht ist also die Handelsrechtsreform von 1998. Rechtsprechung und Literatur, die sich auf die vorherige Rechtslage beziehen, sind daher „mit Vorsicht zu genießen“. Gleichwohl besteht kein Anlass, fast alles Vorherige „zu vergessen“,18 zumal wichtige firmenrechtliche Grundsätze (dazu Rn 26 ff) unverändert geblieben sind. Vielmehr erleichtert die Kenntnis der vormaligen Rechtslage das Verständnis des geltenden Rechts. Bis zur Handelsrechtsreform mussten Einzelkaufleute und Personengesellschaften grundsätzlich eine Personenfirma führen, d.h. die Firma aus dem bürgerlichen Namen des Kaufmanns bzw. zumindest eines persönlich haftenden Gesellschafters bilden (§§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 bis 4 a.F.). Eine Sachfirma war ihnen verwehrt. Umgekehrt durften Aktiengesellschaften und Genossenschaften keine Personenfirma führen, sondern waren auf Sachfirmen beschränkt, die den Unternehmensgegenstand im Wesentlichen erkennbar machten (§ 4 AktG a.F., § 3 Abs. 2 GenG 14 Haab 18; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit Rn 16 ff; Rehme 99, 160 f, 216; Riecke 3 ff. 15 Erwähnenswert ist vor allem die Aufhebung des § 20 durch die Aktienrechtsreform von 1937 und die Neufassung des § 26 durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz im Jahr 1994.
16 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 35 f. 17 MWv 1.1.2007 durch Art. 1 EHUG v. 10.11.2006 (BGBl. I 2553). 18 So aber Frenz ZNotP 1998, 178 f. 7
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1. Buch. Handelsstand
a.F.). Nur der GmbH standen sowohl die Personen- als auch die Sachfirma offen (§ 4 Abs. 1 GmbHG a.F.). Phantasiefirmen waren prinzipiell unzulässig. Erlaubt waren nur nicht täuschende Phantasiezusätze. Dabei enthielt § 18 Abs. 2 a.F. ein Täuschungsverbot, das nach dem Wortlaut des Gesetzes zwar nur für Firmenzusätze galt, allgemein aber auf alle Firmenbestandteile angewandt wurde, und zwar in einer unzuträglich strengen Weise.19 Diese Firmenbildungsgrundsätze wurden lediglich durch die §§ 21, 22, 24 a.F. durchbrochen, die damals wie heute unter bestimmten Umständen eine unveränderte Firmenfortführung erlauben.20 Dieses hergebrachte Firmenrecht war auch im europäischen Vergleich rigide21 und drohte zu 14 Wettbewerbsnachteilen zu führen. Ziel der Handelsrechtsreform von 1998 war daher – neben der Modernisierung des Kaufmannsbegriffs (dazu § 1 Rn 8 ff) – die Liberalisierung des Firmenrechts. Den Unternehmensträgern wurde ungleich größere Freiheit bei der Bildung aussagekräftiger und werbewirksamer Firmen gewährt und die Firmenbildung zugleich rechtsformübergreifend vereinheitlicht. Nunmehr können Unternehmensträger jedweder Rechtsform grundsätzlich Personen-, Sach- und Phantasiefirmen sowie Mischformen hiervon führen.22 Es besteht also Firmenwahlfreiheit. Die Firma muss lediglich zur Kennzeichnung geeignet sein, abstrakte Unterscheidungskraft besitzen (§ 18 Abs. 1) und darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über wesentliche geschäftliche Verhältnisse irrezuführen (§ 18 Abs. 2). Ferner muss sie i.S.d. § 30 Abs. 1 konkret unterscheidbar sein. Schließlich bedarf es in jedem Fall eines Rechtsformzusatzes (§ 19 sowie §§ 4, 279 AktG, §§ 4, 5a Abs. 1 GmbHG, Art. 11 Abs. 1 SE-VO, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, § 3 GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO, § 174 Abs. 2 VAG, § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG, s. ferner § 19 Rn 30 ff sowie § 33 Rn 21 ff). Damit soll sich die Firmenbildung nach den drei wesentlichen Funktionen der Firma, nämlich Unterscheidungskraft und Kennzeichnungswirkung, Ersichtlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses sowie Offenlegung der Haftungsverhältnisse, ausrichten. Kennzeichnungsund Unterscheidungsfunktion wurden dadurch zudem dem Marken- und Kennzeichnungsrecht (s. insbes. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2, 8 Abs. 2 MarkenG) angenähert. Zugleich wurde das Irreführungsverbot entschärft. Zwar blieb es im Interesse eines vorbeugenden Verkehrsschutzes bei der Prüfung der Firma im Handelsregisterverfahren, da eine nachträgliche Kontrolle mit Mitteln des Wettbewerbsrechts (§ 3 UWG) allein für unzureichend erachtet wurde.23 Der Bereich eintragungsschädlicher Irreführung wurde aber wesentlich verkleinert und die Prüfungskompetenz des Registergerichts auf eine ersichtliche Eignung zur Irreführung beschränkt (§ 18 Abs. 2 S. 2). Schließlich wurde durch die Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen (§§ 37a, 125a, 177a, § 80 AktG, § 35a GmbHG, Art. 25 EWIV-VO, § 43 SEAG, § 25a GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCE-VO i.V.m. § 25 SCEAG, § 172 VAG i.V.m. § 37a HGB, § 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a HGB) die Publizität erheblich verbessert. 15 Die Tragweite dieser Reform wird in Praxis und Lehre nicht immer hinreichend berücksichtigt. Teilweise werden nach wie vor inhaltliche Anforderungen an die Firmenbildung – z.B. an die Ausgestaltung einer Personen- oder Sachfirma – gestellt (für einen Überblick Rn 16 ff, näher § 18 Rn 56 ff), die ersichtlich von der überholten Rechtslage geprägt und nicht mit der von der Handelsrechtsreform angestrebten Liberalisierung vereinbar sind.24 Abgesehen von den vorgeschriebenen Rechtsformzusätzen (§ 19) gibt es grundsätzlich keine inhaltlichen Vorgaben für die Firmenbildung mehr. Daher ist jede Firmenbildung zulässig, die den Anforderungen der §§ 18 f, 30 und etwaiger spezialgesetzlicher Regelungen entspricht. Mithin ist auch die Unterscheidung zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirmen weithin obsolet; denn eine Firma, die weder Personen- noch Sachfirma ist, ist Phantasiefirma und als solche grundsätzlich zulässig.25 19 20 21 22 23 24 25
Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 36. Für einen Überblick zur alten Rechtslage s. etwa MünchKommHGB/Heidinger Rn 1 ff. Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 36. Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 52, 54. Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 53 f. Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 13 f, § 17 Rn 23 ff und 26 ff. Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 4, 5a, § 18 Rn 23; Hopt/ Merkt § 18 Rn 4. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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C. Firmenrechtliche Grundbegriffe I. Arten der Firma 1. Personenfirma Nach altem Firmenrecht musste ein Einzelkaufmann als Firma seinen Familiennamen mit min- 16 destens einem ausgeschriebenen Vornamen führen, § 18 Abs. 1 a.F. Die Firma einer Personenhandelsgesellschaft musste den bürgerlichen Namen zumindest eines persönlich haftenden Gesellschafters enthalten, wobei die Beifügung des Vornamens nicht erforderlich war, § 19 Abs. 1 bis 3 a.F. Die Namen anderer Personen als der persönlich haftenden Gesellschafter durften dagegen keine Verwendung finden, § 19 Abs. 4 S. 1 a.F. Während bei der Aktiengesellschaft die Führung einer Personenfirma für den Regelfall ganz ausgeschlossen war (§ 4 AktG a.F.), war dies bei der GmbH optional möglich (§ 4 GmbHG a.F.). Auch bei der GmbH durfte die Personenfirma jedoch nur aus dem Namen von Gesellschaftern, nicht aber aus dem Namen von Nicht-Gesellschaftern (§ 4 Abs. 1 S. 2 GmbHG a.F.) oder Phantasienamen gebildet werden. Als Personenfirma (oder auch Personalfirma) wurde daher eine Firma definiert, die aus dem Namen des Kaufmanns bzw. eines oder mehrerer Gesellschafter gebildet wird.26 Dieses Verständnis der Personenfirma wird heute oft fortgeschrieben.27 Dabei wird nicht 17 berücksichtigt, dass nach geltendem Recht nicht nur das „Ob“, sondern auch das „Wie“ der Bildung einer Personenfirma prinzipiell freigestellt ist.28 Nur bei Partnerschaftsgesellschaften ist gem. § 2 Abs. 1 PartGG weiterhin die Verwendung des Personennamens zumindest eines Partners vorgeschrieben und die Verwendung der Namen anderer Personen verboten29 (vgl. ferner § 59k BRAO, § 52k PatAnwO). Alle anderen Unternehmensträger dürfen dagegen grundsätzlich auch Namen Dritter oder Phantasienamen zur Firmenbildung verwenden.30 Wie stets sind freilich §§ 18, 30, insbes. das Irreführungsverbot zu beachten (näher dazu § 18 Rn 56 ff). Heutzutage ist daher als Personenfirma eine Firma zu bezeichnen, die unter Verwendung (irgend-)eines echten Personennamens gebildet wird. Ist der Personenname erfunden handelt es sich um eine Phantasiefirma.31
2. Sachfirma Ähnlich verhält es sich mit der Sachfirma. Vor der Handelsrechtsreform war eine Sachfirma 18 entsprechend §§ 4 Abs. 1, 279 AktG, § 3 Abs. 1 GenG, 4 Abs. 1 GmbHG a.F. aus dem Unternehmensgegenstand zu entnehmen. Dabei war Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften diese Art der Firma verschlossen (§§ 18, 19 a.F.). Dahingehende Vorschriften bestehen nun nicht mehr. Auch Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften dürfen daher heute Sachfirmen führen. Diese müssen nach dem klaren Willen des Gesetzgebers32 entgegen verbreiteter
Statt aller Staub/Hüffer4 Rn 8. Etwa Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 4a; Hopt/Merkt § 17 Rn 6. Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 37; zutreffend MünchKommHGB/Heidinger Rn 5. Zulässig ist dagegen die Aufnahme von darüber hinausgehenden Zusätzen wie Phantasiebezeichnungen neben dem bzw. den Namen der Partner vgl. BGH NJW 2004, 1651; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 16 a.E. 30 Für die Firmierung einer GmbH OLG Rostock 1W 53/14 – NJW-RR 2015, 491 (492); für die Firmierung einer KG OLG Saarbrücken ZIP 2006, 1772 f. 31 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 13. 32 Begr. RegE BT-Drucks. 13/8884, 37: „Das Entlehnungsgebot bei der Sachfirma … entfällt.“.
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1. Buch. Handelsstand
Ansicht auch nicht (mehr) dem Gegenstand33 oder dem Tätigkeitsbereich34 des Unternehmens entnommen werden, was bei Einzelkaufleuten ohnehin insofern nicht möglich wäre, als diese über keinen statutarischen Unternehmensgegenstand verfügen. Auch die Definition der Sachfirma muss daher heute weiter sein als vor der Handelsrechtsreform. Sachfirma ist daher jede Firma, die auf den Gegenstand (irgend-)einer unternehmerischen Tätigkeit Bezug nimmt. Eine Sachfirma kann daher auch aus einer Marke gebildet werden.35 Dabei muss im Ausgangspunkt kein Zusammenhang zwischen der Firma und dem Gegenstand bzw. Tätigkeitsbereich des Unternehmens bestehen.36 Die Grenzen zur Phantasiefirma sind dementsprechend fließend,37 eine Abgrenzung ist heute allerdings auch entbehrlich (Rn 15, 19). Zu beachten sind freilich wie stets die Anforderungen der §§ 18, 30, namentlich das Irreführungsverbot (näher § 18 Rn 60 ff).
3. Phantasiefirma 19 Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs wurde durch die Handelsrechtsreform die Verwendung von Phantasiefirmen ausdrücklich für alle Unternehmensträger (mit Ausnahme von Partnerschaftsgesellschaften gem. § 2 Abs. 1 PartGG: danach ist eine Phantasiebezeichnung nur als Mischfirma statthaft)38 zugelassen.39 Darunter fallen alle Firmen, die weder Personen(Rn 16) noch Sachfirmen (Rn 18) sind; denn jede andere Benennung, die weder auf (irgend-)eine Person noch auf (irgend-)eine unternehmerische Tätigkeit Bezug nimmt, ist Phantasiebezeichnung.40 Dementsprechend hat die Unterscheidung zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirma heute überwiegend nur noch terminologische Bedeutung. Im Blick auf die allgemeinen Anforderungen der §§ 18, 30 ist speziell bei Phantasiefirmen allerdings das Erfordernis der Kennzeichnungseignung, insbes. der Aussprechbarkeit (dazu § 18 Rn 8 ff) zu beachten.
4. Mischfirma 20 Schon nach §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 bis 4 a.F. waren Kombinationen aus Personen- und Sachbzw. Phantasiefirmen zulässig, wobei die Sach- bzw. Phantasiebezeichnung als Zusatz zu dem Personennamen als zwingendem Firmenkern angesehen wurde. Solche „Hilfsüberlegungen“ sind heute überflüssig, da die neue Firmenbildungsfreiheit auch im Firmenkern die Zusammensetzung von Elementen einer Personen-, Sach- und Phantasiefirma erlaubt.41 Erfüllt sein müssen lediglich die allgemeinen Voraussetzungen der §§ 18, 30, wobei es grundsätzlich auf die Mischfirma insgesamt und nicht auf ihre einzelnen Teile ankommt.
33 Bokelmann GmbHR 1998, 57 (59); Kögel BB 1998, 1645 (1646); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 10; Hopt/ Merkt § 17 Rn 6; § 19 Rn 9; aA GKzHGB/Steitz § 18 Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 5, § 18 Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 16 f. 34 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 16, 24; GKzHGB/Steitz § 18 Rn 10; aA Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries § 17 Rn 5. 35 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 29; Priester DNotZ 1998, 691 (696). 36 Auch aus §§ 24 Abs. 4, 34 HRV folgt nichts Gegenteiliges, näher MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 28. 37 Vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 111; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 29; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 18 Rn 21 f. 38 BGH NJW 2004, 1651; HKzHGB/Ruß § 18 Rn 28. 39 Begr. RegE BT-Drucks. 13/8884, 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 31. 40 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 32; zur Phantasiebezeichnung s.a. GKzHGB/Steitz vor §§ 17–24 Rn 28; sowie Hopt/Merkt § 19 Rn 10 mit Beispielen. 41 Zutr. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 33; GKzHGB/Steitz vor §§ 17–24 Rn 29 mit Beispielen; Hopt/Merkt § 19 Rn 8. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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5. Abgeleitete Firma Von einer abgeleiteten Firma spricht man, wenn die ursprüngliche Firma von dem Erben oder 21 Erwerber eines Handelsgeschäfts gem. § 22 Abs. 1 fortgeführt wird.42 Die Möglichkeit zur Firmenfortführung ist Ausdruck des Grundsatzes der Firmenbeständigkeit (Rn 31 ff), der den Grundsatz der Firmenwahrheit (Rn 28 ff) einschränkt.
II. Firmenkern und Firmenzusatz Auch die Unterscheidung zwischen Firmenkern und Firmenzusatz hat heute vornehmlich terminologische Bedeutung. Vor der Handelsrechtsreform war der Inhalt des Firmenkerns für den Einzelkaufmann, die Personenhandelsgesellschaft, Kapitalgesellschaften und Genossenschaften gesetzlich zwingend vorgeschrieben (§§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 1 bis 4, §§ 4, 279 AktG, § 4 GmbHG, § 3 GenG jew. a.F.). Als Firmenzusätze wurden dementsprechend diejenigen Bezeichnungen in der Gesamtfassung der Firma verstanden, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt der Firma hinausgingen, vgl. § 18 Abs. 2 a.F. (sowie Rn 20).43 Heute gibt es dagegen für den Inhalt der Firma – abgesehen von der Rechtsformangabe – keine Vorgaben mehr. Die Firma muss lediglich den Anforderungen der §§ 18, 30 genügen. Einer Unterscheidung zwischen Firmenkern und Firmenzusatz bedarf es daher grundsätzlich nicht mehr,44 zumal bereits nach altem Recht anerkannt war, dass Firmenkern und Firmenzusatz eine rechtliche Einheit45 und zusammen die Firma46 bilden. Die zwingend vorgesehene Angabe der Rechtsform wird allerdings traditionell als Rechtsformzusatz bezeichnet und dabei kann es selbstverständlich bleiben. Ein unterscheidungskräftiger „Zusatz“ ist ferner in den Fällen des § 30 Abs. 2 sowie in den Fällen der §§ 50 Abs. 3, 126 Abs. 3 erforderlich. Dabei darf der Begriff „Zusatz“ allerdings nicht dahin missverstanden werden, dass die genannten Angaben nach dem „Firmenkern“ stehen müssten. Vielmehr ist die Stellung eines „Zusatzes“ innerhalb der Firma grundsätzlich freigestellt, kann also auch vorangehen, solange die Stellung nicht irreführend ist47 (s. auch Rn 48; zu den Besonderheiten des Rechtsformzusatzes § 19 Rn 14 ff). Da die Firma eine Einheit bildet, ist die Umstellung, Streichung, Hinzufügung oder Änderung eines Firmenbestandteils eine Änderung der ganzen Firma, die ggf. einer Satzungsänderung bedarf und die nach § 31 Abs. 1 anmeldepflichtig ist. Für die abgeleitete Firma, die grundsätzlich „nur so fortgeführt werden darf, wie sie lautet oder gar nicht“,48 bedeutet dies, dass sie grundsätzlich gar nicht fortgeführt werden darf, wenn auch nur ein Firmenbestandteil wegfallen, hinzukommen oder geändert werden soll (näher § 22 Rn 84 ff). Auch trifft das Verbot des unzulässigen Firmengebrauchs (§ 37) grundsätzlich die vollständige Firma und nicht nur einzelne Teile von ihr (s. dort Rn 36, 40, 69).49 Allerdings genießt nicht nur die vollständige Firma, sofern sie berechtigterweise geführt wird, sondern auch jeder unterscheidungskräftige Firmenbestandteil, wenn er Namensfunk-
42 BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 20. 43 RGZ 96, 195 (197); 127, 77 (81); BGHZ 44, 286 (287 f); 68, 14; BayObLGZ 1956, 260 (262); 1958, 253 (264); 1970, 297 (299); 1971, 347 (349); OLG Hamm OLGZ 1974, 139 (141). 44 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 16 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 18 Rn 7; ebenso zum alten Recht bereits Staub/Hüffer4 § 18 Rn 2. 45 RGZ 96, 195 (197); 127, 77 (81); BGH NJW 1959, 2209 (2210); Staub/Hüffer4 § 18 Rn 17. 46 BayObLG BB 1992, 943; Staub/Hüffer4 § 18 Rn 2, 17; so auch BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 146. 47 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 17; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 18 Rn 7; so auch schon nach altem Recht s. Staub/Hüffer4 § 18 Rn 18. 48 RGZ 96, 195 (197). 49 BGH GRUR 1974, 162 (164); 1981, 60 (64). 11
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tion hat, nach § 37 Abs. 2, § 12 BGB, §§ 5, 15 MarkenG Schutz (näher Anh. II zu § 37 Rn 7 f mwN.). Dementsprechend kann der Gebrauch eines einzelnen Firmenbestandteils unzulässig sein. Wird durch die Löschung dieses Firmenbestandteils die Beeinträchtigung des Verletzten beseitigt, dann darf entgegen älterer Rechtsprechung50 und Literatur51 auch nur dieser Firmenbestandteil gelöscht werden, wenn die Firmierung ansonsten ordnungsgemäß ist.52 Das ist ein Gebot der Verhältnismäßigkeit, dem daher auch nicht die rechtliche Einheit der Firma entgegensteht. Dem Firmeninhaber steht es dann frei, die Firma insgesamt zu ändern, auch indem er den gelöschten Teil im Rahmen einer anderen Kombination verwendet, wenn diese neue Kombination keinen rechtlichen Bedenken begegnet.53
D. Firmenrechtliche Grundsätze 26 Das Firmenrecht wird seit jeher von fünf Grundsätzen beherrscht: Firmenwahrheit, Firmenbeständigkeit, Firmenunterscheidbarkeit, Firmeneinheit und Firmenpublizität. Hieran hat die Reform nichts geändert. Wohl aber hat sich die Bedeutung dieser Grundsätze gewandelt und haben sich die Gewichte zwischen ihnen verschoben. Ein Grund dafür ist, dass ein weiterer Grundsatz hinzugetreten ist, nämlich der Grundsatz der Firmenwahlfreiheit.
I. Firmenwahlfreiheit 27 Das Prinzip der Firmenwahlfreiheit besagt, dass Unternehmensträger jedweder Rechtsform grundsätzlich frei zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirmen sowie Mischformen hiervon wählen dürfen. Dementsprechend gibt es heute – abgesehen von den vorgeschriebenen Rechtsformzusätzen – grundsätzlich keine inhaltlichen Vorgaben für die Firmenbildung mehr. Vielmehr ist jede Firmenbildung zulässig, die den Anforderungen der §§ 18 f, 30 und etwaiger spezialgesetzlicher Regelungen entspricht. Mithin ist auch die Unterscheidung zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirmen weithin obsolet; denn eine Firma, die weder Personen- noch Sachfirma ist, ist Phantasiefirma und als solche grundsätzlich zulässig (s.o. Rn 15 ff). Ausnahmen von dem Grundsatz der Firmenwahlfreiheit enthalten § 2 Abs. 1 PartGG, § 59k BRAO und § 52k PatAnwO.
II. Firmenwahrheit 28 Dieses neue Prinzip der Firmenwahlfreiheit hat starke Auswirkungen auf den Inhalt und die Bedeutung des Prinzips der Firmenwahrheit. Nach früherem Recht verlangte letzteres, dass die in einer Personenfirma enthaltenen Angaben über die Person des Unternehmensträgers bzw. über die an dem Unternehmensträger beteiligten Personen sowie die in einer Sachfirma enthaltenen Angaben über den Gegenstand des Unternehmens zutreffen. Hinsichtlich des Firmenkerns wurde der Grundsatz der Firmenwahrheit also schlicht als Gebot richtiger Angaben verstanden. Das aus diesem Grundsatz folgende Verbot täuschungsgeeigneter Angaben wurde hingegen entsprechend § 18 Abs. 2 a.F. in erster Linie auf Firmenzusätze als fakultative Bestandteile der Firma (vgl. o. Rn 20) bezogen und hierin zugleich die Hauptbedeutung des Prinzips gesehen.54 50 BGHZ 65, 103 (106); BGH GRUR 1960, 34; 1968, 431 (433); OLG Hamm NJW 1959, 1973; KG NJW 1955, 1926 (1927). 51 Etwa Staub/Hüffer4 § 37 Rn 39; Heymann/Förster § 37 Rn 24. 52 BGH GRUR 1974, 162 (164); BGH GRUR 1981, 60 (64) m. Anm. Schulze zu Wiesche; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 18. 53 BGH GRUR 1974, 162 (164); BGH GRUR 1981, 60 (64); v. Gramm FS Stimpel, 1007 (1012 f). 54 Statt anderer Staub/Hüffer4 Rn 11. Burgard
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Nachdem es heute aufgrund des Prinzips der Firmenwahlfreiheit abgesehen von den vorge- 29 schriebenen Rechtsformzusätzen grundsätzlich keine inhaltlichen Vorgaben für die Firmenbildung mehr gibt, hat der Informationswert der Firma stark abgenommen. Im Vordergrund steht heute vielmehr die Werbewirksamkeit der Firma. Dafür wurde das Täuschungsverbot in § 18 Abs. 2 ausdrücklich auf die gesamte Firma erweitert. Dementsprechend bedeutet der Grundsatz der Firmenwahrheit heute im Grunde nur noch, dass die Firma keine irreführenden Angaben enthalten darf.55 Allerdings wurde dieses Irreführungsverbot zugleich stark abgeschwächt: Einerseits bezieht sich das Irreführungsverbot gem. § 18 Abs. 2 S. 1 lediglich auf solche Angaben, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind (näher § 18 Rn 46). Andererseits darf das Registergericht gem. § 18 Abs. 2 S. 2 eine Eignung zur Irreführung nur dann berücksichtigen, wenn sie ersichtlich, d.h. offenkundig ist (näher § 18 Rn 50 ff). Der Grundsatz der Firmenwahrheit gilt freilich nicht nur für die korrekte Neubildung einer 30 Firma. Vielmehr kann die Firmenführung auch durch nachträgliche Veränderungen unzulässig werden (näher § 18 Rn 35 ff). Im Blick auf solche nachträglichen Veränderungen wird der Grundsatz der Firmenwahrheit allerdings seit jeher durch den Grundsatz der Firmenbeständigkeit innerhalb gewisser Grenzen durchbrochen.56
III. Firmenbeständigkeit Der Grundsatz der Firmenbeständigkeit kommt vor allem in den §§ 21–24 zum Ausdruck (vgl. 31 ferner Art. 22, 38 EGHGB). Er besagt, dass eine zulässigerweise gebildete Firma auch dann beibehalten werden darf, wenn sich die für die Firmenbildung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich ändern.57 Damit setzt sich der Grundsatz der Firmenbeständigkeit gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit durch. Anders gewendet wird dem Schutz des in der Firma enthaltenen Werts gegenüber dem Schutz des Verkehrs vor veralteten und daher möglicherweise irreführenden Angaben in gewissem Umfang Priorität eingeräumt. Der Verkehrsschutz wird hierdurch aus drei Gründen nicht übermäßig beeinträchtigt. 32 Zum einen sind Änderungen des Geschäftsinhabers (§ 22) und im Gesellschafterbestand von Personenhandelsgesellschaften (§ 24) regelmäßig aus dem Handelsregister zu ersehen, weil es sich hierbei gem. §§ 31, 107, 143 Abs. 2, 162 Abs. 3 um eintragungspflichtige Tatsachen handelt. Unterbleibt eine Eintragung, hilft § 15. Und bei der GmbH ist der Gesellschafterbestand aus der zum Handelsregister einzureichenden Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) zu ersehen. Zum Zweiten findet der Grundsatz der Firmenbeständigkeit dort eine Grenze, wo unzutreffende Vorstellungen über Art, Umfang und Rechtsverhältnisse des Unternehmens erweckt werden. Insbes. sind unzutreffende Rechtsformhinweise unzulässig (näher § 22 Rn 87 ff). Zum Dritten ist die Bedeutung sowohl des Grundsatzes der Firmenwahrheit als auch des 33 Grundsatzes der Firmenbeständigkeit infolge der Handelsrechtsreform zurückgegangen. Es wurde bereits ausgeführt, dass der Informationswert der Firma zugunsten ihrer Werbewirksamkeit stark abgenommen hat (Rn 29). Und das weiß auch der Verkehr. Zugleich folgt aus den fehlenden inhaltlichen Vorgaben für die Firmenbildung, dass sich die Zulässigkeit einer Firmenfortführung heute oft schon daraus ergibt, dass sie zulässigerweise auch neu gebildet werden könnte. Schließlich beziehen sich die Regelungen über die Firmenfortführung in erster Linie auf Personenfirmen, deren Bedeutung infolge der Liberalisierung des Firmenrechts abgenommen hat (vgl. Rn 15 f).
55 OLG Rostock NZG 2006, 587; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; Hopt/Merkt § 18 Rn 9; GKzHGB/Steitz vor §§ 17– 24 Rn 33.
56 Ebenso BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 10. 57 Staub/Hüffer4 Rn 11; MünchKommHGB/Heidinger Rn 24. 13
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IV. Firmenunterscheidbarkeit 34 Der Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit besteht heutzutage aus zwei komplementären, aber strikt zu unterscheidenden Komponenten,58 nämlich erstens der abstrakten Unterscheidungskraft einer Firma i.S.d. § 18 Abs. 1 und zweitens der konkreten Unterscheidbarkeit einer Firma am selben Ort i.S.d. § 30 Abs. 1 (auch Firmenausschließlichkeit genannt). Während § 30 Abs. 1 unverändert fortgilt, ist § 18 Abs. 1 durch die Handelsrechtsreform neu eingeführt worden. Demnach muss zunächst geprüft werden, ob eine Firma generell – und das heißt insbes. auch an jedem beliebigen Ort – kennzeichnungs- und unterscheidungskräftig ist. Erst wenn dies bejaht wird, stellt sich die weitere Frage, ob sich die Firma auch konkret von allen Firmen am selben Ort deutlich unterscheidet. 35 Der Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit dient der Individualisierung des Unternehmensträgers und unterstreicht damit die Namensfunktion der Firma (Rn 1). Er soll die Identifizierung des Unternehmensträgers ermöglichen, Verwechselungen vorbeugen und dient damit dem Verkehrsschutz.59 Dementsprechend ist es Aufgabe des Registergerichts den Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit durchzusetzen. Dagegen bezweckt auch das Gebot konkreter Unterscheidbarkeit nicht den Schutz des Inhabers einer prioritätsälteren Firma. Diesem stehen jedoch § 37 Abs. 2, §§ 5, 15 MarkenG, § 12 BGB zur Seite.
1. Abstrakte Unterscheidungskraft 36 Nach § 18 Abs. 1 muss die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmensträgers geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Damit stellt das Gesetz auf zwei Merkmale ab, die im Markenrecht zentrale Bedeutung haben. Dabei überschneiden sich diese Merkmale derart, dass sie sich kaum voneinander abgrenzen lassen und daher oft auch nicht klar voneinander getrennt werden. Nachdem beide Merkmale kumulativ erfüllt sein müssen, ist freilich eine eindeutige Abgrenzung auch nicht erforderlich. 37 Die Kennzeichnungseignung zielt in erster Linie darauf, dass die Firma als Name geeignet sein muss. Es muss sich daher um eine aussprechbare Bezeichnung handeln. Problematisch sind mithin Bild-, Satz- und Sonderzeichen sowie u.U. Buchstaben- und Zahlenkombinationen (näher § 18 Rn 9 ff). Die Unterscheidungskraft zielt dagegen stärker auf eine Individualisierung des Unternehmensträgers ab, um Verwechselungen mit anderen Firmen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise vorzubeugen. Im Blick hierauf sind insbes. Branchen- und Gattungsbezeichnungen sowie allgemein-, umgangssprachliche und geographische Begriffe problematisch (näher § 18 Rn 25 ff).
2. Konkrete Unterscheidbarkeit 38 Ist die Firma hinreichend kennzeichnungs- und unterscheidungskräftig i.S.d. § 18 Abs. 1, hat das Registergericht sodann gem. § 30 Abs. 1 zu prüfen, ob sich die Firma auch von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde (s. auch § 30 Abs. 4) bereits eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet. Damit soll das Entstehen verwechselungsfähiger Firmen in einem örtlich abgegrenzten Raum verhindert werden. Hierauf wird freilich meist schon der Unterneh58 MünchKommHGB/Heidinger Rn 20 ff sieht sie daher als unterschiedliche Grundsätze an. Ihr Sinn und Zweck ist jedoch derselbe; GKzHGB/Steitz § 18 Rn 16; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 30 Rn 1 f; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 16. 59 So zu § 30 Abs. 1 etwa RGZ 75, 370 (372); 103, 388 (392); BGHZ 46, 7 (11); KG OLGZ 191, 396 (398); aus der Lit. MünchKommHGB/Heidinger § 30 Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 30 Rn 2 mwN; zu § 18 Abs. 1 etwa MünchKommHGB/Heidinger Rn 21 ff; HKzHGB/Ruß § 18 Rn 4. Burgard
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mensträger, der die neue Firma anmeldet, im eigenen Interesse achten. Dabei hat er heutzutage wegen des Prinzips der Firmenwahlfreiheit nahezu freie Auswahl, so dass die Anmeldung verwechselungsfähiger Firmen noch seltener als früher vorkommen dürfte. Eine Rolle spielt § 30 Abs. 1 daher vor allem, wenn ein Einzelkaufmann mehrere Firmen anmeldet (s. aber Rn 39 ff) oder mehrere Gesellschaften denselben Gesellschafterkreis haben oder Teil eines Konzerns sind und diese Verbindungen auch in der Firma zum Ausdruck kommen sollen (näher § 30 Rn 39).
V. Firmeneinheit 1. Grundsatz a) Meinungsstand. Nach ganz herrschender Meinung bedeutet der Grundsatz der Firmenein- 39 heit: Für ein Unternehmen gibt es nur eine Firma.60 Die Führung von mehreren Firmen für ein und dasselbe Unternehmen ist danach also ausgeschlossen.61 Soweit ein Einzelkaufmann (oder eine juristische Person i.S.d. § 33, dazu dort Rn 21 ff) mehrere organisatorisch selbständige Unternehmen betreibt, kann62 bzw. muss63 er allerdings auch mehrere Firmen haben.64 Bei Personenhandels- und Kapitalgesellschaften ist dagegen eine Firmenmehrheit ausgeschlossen.65 Letzteres bestreitet eine Mindermeinung.66
b) Stellungnahme. Der Mindermeinung ist zuzugeben, dass die herrschende Ansicht inkonse- 40 quent erscheint. Wenn es Einzelkaufleuten erlaubt sein soll, die organisatorische Trennung verschiedener Unternehmen durch die Führung mehrerer Firmen zu dokumentieren, warum soll dies dann Personenhandels- und Kapitalgesellschaften verwehrt sein? Gegen dieses Argument wendet die herrschende Meinung indes zu Recht ein, dass die Firma bei Personenhandels- und Kapitalgesellschaften anders als bei Einzelkaufleuten die Funktion hat, den Rechtsträger eindeutig zu identifizieren (vgl. auch Rn 1) und andernfalls der Eindruck mehrerer Haftungsträger entstehen könnte.67 Bei Personenhandels- und Kapitalgesellschaften muss es daher dabei bleiben, dass eine Firmenmehrheit ausgeschlossen ist. Zu fragen ist aber, ob es richtig ist, dass Einzelkaufleute für verschiedene Unternehmen 41 verschiedene Firmen führen können oder gar müssen. Die herrschende Meinung bejaht dies 60 St. Rspr. etwa BGH NJW 1991, 2023 (2024); K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 67; MünchKommHGB/Heidinger Rn 30; Hopt/Merkt § 17 Rn 8; so auch BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 5; Bokelmann Firmenrecht Rn 391; Heymann/ Förster HGB § 17 Rn 14; Staub/Hüffer4 § 17 Rn 27. 61 AA bei verschiedenen Sparten bzw. abgrenzbaren Geschäftszweigen Canaris Handelsrecht § 11 Rn 35 ff; W.-H. Roth Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 51 ff; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth § 17 Rn 15. 62 Für ein Wahlrecht die hM, RG HRR 1929 Nr. 1666; BGHZ 31, 397 (399); KG JW 1936, 1680; Staub/Hüffer4 Rn 26, Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 21; GKzHGB/Steitz vor §§ 17–24 Rn 35; Hopt/Merkt § 17 Rn 8; Krafka, Registerrecht, Rn. 213; Oetker/Schlinghoff § 17 Rdn. 11; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rdn. 161 f.; Heymann/Förster HGB § 17 Rn 16. 63 So RGZ 166, 281 (284); K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 68; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 9. 64 Näher zu der hierfür erforderlichen organisatorischen Selbständigkeit MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 9 mwN. 65 BGHZ 67, 166 (167 f) mwN; aus der Lit. etwa Staub/Hüffer4 Rn 37; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 11; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 38 f; für die Aktiengesellschaft KölnKommAktG/Dauner-Lieb § 4 Rn 18; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn 7. 66 So nach der Handelsrechtsreform W.-H. Roth Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 51 ff; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 15; zuvor bereits Knieper/Jahrmarkt Rn 143 f; Kraft 65; Wünsch ZHR 129 (1967), 341 (345); für Personengesellschaften Esch BB 1968, 235. 67 Ausf. BGHZ 67, 166 (168 ff); s. ferner K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 74; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 39. 15
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unter Hinweis auf § 22 mit dem Argument, dass Einzelkaufleute andernfalls den Wert einer erworbenen Firma nicht nutzen könnten.68 Das trifft indes nicht zu, sondern ist eine ungerechtfertigte Privilegierung von Einzelkaufleuten gegenüber Personenhandels- und Kapitalgesellschaften. Vielmehr gibt es ausreichende Möglichkeiten, den Firmenwert zu nutzen. Erstens kann das erworbene Unternehmen rechtlich verselbständigt und damit die Voraussetzungen für eine unveränderte Firmenfortführung geschaffen werden. Zweitens kann das erworbene Unternehmen als Zweigniederlassung geführt und die erworbene Firma als Zweigniederlassungsfirma (dazu Rn 44 ff) benutzt werden. Und drittens können die bisherige und die erworbene Firma zu einem neuen Handelsnamen verbunden werden (§ 22 Rn 102 ff).69 Wollte man darüber hinaus noch eine Firmenmehrheit zulassen, so würde man die Interessen der Kaufleute zu Lasten des Rechtsverkehrs überbewerten. Seit der Handelsrechtsreform birgt die Führung mehrerer Firmen nämlich die erhöhte Gefahr, dass sich der Rechtsverkehr über die Identität des Geschäftsinhabers und damit des Schuldners von Verbindlichkeiten irrt. Ohne Einsicht in das Handelsregister entsteht der Eindruck mehrerer Schuldner bzw. Haftungsträger. Und diese Gefahr ist auch keine theoretische Schimäre, sondern im Prozess schon praktisch geworden.70 Sie beruht darauf, dass Einzelkaufleute keine Personenfirma mehr führen müssen. Anders als nach altem Recht wäre es daher einem Einzelkaufmann möglich, eine Vielzahl von Unternehmen mit unterschiedlichen Firmen zu gründen, ohne dass aus den Firmen ersichtlich würde, dass sie alle von demselben Geschäftsinhaber betrieben werden. Darin liegt ein nicht zu unterschätzendes Täuschungs- und Irreführungspotential,71 das dem Zweck des Grundsatzes der Firmeneinheit widerspricht. Dieser liegt nämlich nach herrschender und zutreffender Meinung gerade in dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach einer sicheren Zuordnung der im Handelsverkehr auftretenden Rechtspersönlichkeiten.72 Gegen die Zulassung einer Firmenmehrheit spricht überdies der Wortlaut von § 17 Abs. 1, wonach die Firma der Name des Kaufmanns ist, unter dem er „seine Geschäfte“ (also nicht: „ein [Handels-]Geschäft“) betreibt. Schließlich würde die – auch von § 13 erstrebte – Konzentration auf ein Handelsregister und damit dessen Informationsfunktion beeinträchtigt; denn bei Eintragung mehrerer Firmen würde nicht „auf einen Blick“ deutlich, welche „Geschäfte“ der Unternehmensträger betreibt und für welche Geschäfte er daher haftet. Diese Information müsste sich der Interessent vielmehr aus mehreren Eintragungen „zusammenklauben“. Aus all diesen Gründen ist daher auch das von Canaris bemühte Argument der grundgesetzlich geschützten Organisationsfreiheit73 nicht zureichend. Richtigerweise ist es daher auch Einzelkaufleuten verwehrt, mehrere Firmen zu führen. 42 Folgt man dieser Überlegung, sollte man freilich noch einen Schritt weitergehen. Ist nämlich die Führung mehrerer Firmen jedermann verwehrt (s. zur Parallelproblematik bei § 33 Rn 21 ff), dann lautet der Grundsatz der Firmeneinheit richtigerweise nicht „ein Unternehmen – eine Firma“, sondern „ein Unternehmensträger – eine Firma“.74 Und dafür spricht nicht zuletzt, dass die 68 Staub/Hüffer4 § 17 Rn 26; dahingehend auch MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 8; a.A. BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 6. 69 Eben dies sind übrigens die Argumente Hüffers (4. Aufl. § 17 Rn 27) gegen die Zulässigkeit von mehreren Firmen für ein Unternehmen. Sie treffen hier jedoch in gleicher Weise zu; denn erstens ist die Firma der Handelsname des Unternehmensträgers und nicht des Unternehmens selbst. Und zweitens ist die Abgrenzung zwischen einem organisatorisch selbständigen Unternehmen und einem bloßen Geschäftszweig im Einzelfall schwierig und für den Verkehr nicht immer erkennbar, vgl. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 9 mwN. 70 Vgl. BGH I ZR 260/16, BeckRS 2017, 141122: Hier war ein Kaufmann unter zwei von ihm geführten Firmen verklagt worden. Noch das OLG Frankfurt (6 U 231/15, GRUR 2017, 62) hatte deswegen angenommen, es lägen zwei Beklagte vor, was erst der BGH richtigstellte und das Passivrubrum dementsprechend änderte. 71 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 7 a.E.; aA Canaris Handelsrecht § 11 Rn 36. 72 MünchKommHGB/Heidinger Rn 30; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 7. 73 Canaris Handelsrecht § 11 Rn 35. 74 Im Anschluss ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 7 f.; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 6; dezidiert dagegen BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn. 163 f, die allerdings die hiesigen Argumente unzutreffend widergeben. Insbesondere wird vorstehend kein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 behauptet. Ebenso verfehlt ist die eigene Burgard
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Firma nicht der Name des Unternehmens, sondern des Unternehmensträgers ist und gerade dazu dient, den Unternehmensträger und nicht das Unternehmen zu identifizieren (Rn 1, § 17 Rn 5 ff).
c) Ergebnis. Der Grundsatz der Firmeneinheit besagt: Jeder Unternehmensträger darf nur 43 eine Firma führen. Nicht nur Personenhandels- und Kapitalgesellschaften, sondern auch Einzelkaufleuten ist daher die Führung mehrerer Firmen versagt, und zwar auch im Falle des § 22. Eine gewisse Ausnahme gilt allerdings für Zweigniederlassungen. 2. Zweigniederlassung a) Rechtsnatur. Die Zweigniederlassung ist eine Zwischenform zwischen einem eigenständi- 44 gen Unternehmen und einer bloßen Abteilung. Es handelt sich um einen räumlich von der Hauptniederlassung getrennten und organisatorisch teilweise verselbständigten, nicht rechtsfähigen Unternehmensteil des Unternehmensträgers (näher § 13 Rn 19 ff). b) Folgerungen. Dieser rechtlichen Eigenart muss das Firmenrecht der Zweigniederlassung 45 entsprechen. Rechnung zu tragen ist einerseits dem Umstand, dass es sich bei der Zweigniederlassung lediglich um den Unternehmensteil eines Unternehmensträgers handelt. Daraus folgt zweierlei. Zum einen können die Firmen der Hauptniederlassung und die der Zweigniederlassung völlig identisch sein; ein besonderer Zweigniederlassungszusatz ist – außer in den fällen des § 30 Abs. 375 – nicht geboten.76 Zum anderen dürfen sich die Firmen nicht derart unterscheiden, dass die Zugehörigkeit der Zweigniederlassung zu dem Unternehmensträger nicht deutlich hervortritt.77 Das folgt nicht nur aus den Grundsätzen der Firmenwahrheit und der Firmeneinheit, sondern auch daraus, dass die Firma gem. § 17 Abs. 1 der Name des Kaufmanns, also des Unternehmensträgers ist (Rn 1, § 17 Rn 5 ff). Rechnung zu tragen ist andererseits der organisatorischen Selbständigkeit der Zweigniederlassung. Diese kann so weit gehen, dass die Vertretungsmacht eines Prokuristen oder eines persönlich haftenden Gesellschafters auf den Tätigkeitsbereich der Zweigniederlassung beschränkt werden kann. Das setzt gem. §§ 50 Abs. 3, 126 Abs. 3, 161 Abs. 2 allerdings voraus, dass sich die Firmen der Zweig- und der Hauptniederlassung unterscheiden. Die Frage, wie weit die Abweichung gehen darf, ist das Hauptproblem des Firmenrechts der Zweigniederlassung (dazu sogleich Rn 46 ff). Aus der beschränkten Selbständigkeit der Zweigniederlassung ist schließlich abzuleiten, dass sie getrennt vom Hauptgeschäft veräußert werden kann und der Erwerber entsprechend § 22 die Zweigniederlassungsfirma fortführen darf (näher, insbes. zum Problem der sog. Firmenvervielfältigung, § 22 Rn 75 ff). Argumentation von Burmeister/Fedke, z.B. wenn sie schreiben: „Die gleichen Personen dürfen unterschiedliche Unternehmen in unterschiedlichen Handelsgesellschaften organisieren. Warum sollten Einzelkaufleute unterschiedliche Unternehmen nicht in gleicher Weise trennen können?“ Die Antwort liegt auf der Hand: Können sie, aber eben nur, wenn sie wie im ersten Fall die unterschiedlichen Unternehmen in rechtlich selbständigen Unternehmensträgern organisieren (wie schon oben im Text aufgezeigt wurde). Und dass ein Kaufmann nicht nur unter seiner Firma, sondern als Privatmann und Freiberufler auch unter seinem bürgerlichen Namen auftreten kann, ist eine bare Selbstverständlichkeit. Wie schon aus dem Wortlaut von § 17 hervorgeht, ist der Gebrauch der Firma auf den Geschäftsverkehr von Kaufleuten begrenzt, näher § 17 Rn. 51 ff. Wie das gesamte Handelsrecht dient die Firma dem gesteigerten Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Handelsverkehr. Schließlich kann auch aus § 50 Abs. 3 S. 1 kein Argument für die hM hergeleitet werden (so aber Henssler/Strohn/Wamser § 17 Rn. 8), da diese Vorschrift von Zweigniederlassungen handelt, dazu sogleich Rn 44 ff. 75 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 13. 76 RGZ 113, 213 (217); MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 14. 77 BayOLG NJW-RR 1992, 1062 (1063) mwN; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 21; GKzHGB/Steitz vor §§ 17– 24 Rn 35; Staub/Hüffer4 § 17 Rn 30. 17
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46 c) Zulässigkeit und Grenzen der Firmenverschiedenheit. Einigkeit besteht darüber, dass sich die Firma der Zweigniederlassung von derjenigen des Hauptgeschäfts zunächst durch die Beifügung eines Zweigniederlassungszusatzes unterscheiden kann (z.B. „Filiale Frankfurt“).78 Solche unterscheidenden Zusätze sind unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 3 nicht nur zulässig, sondern geboten (zu den Anforderungen an die Unterscheidungskraft vgl. § 30 Rn 24 ff). Ein Zweigniederlassungszusatz ist ferner in den Fällen der §§ 50 Abs. 3, 126 Abs. 3, 161 Abs. 2 erforderlich und ausreichend. In allen anderen Fällen ist der Zweigniederlassungszusatz zwar nicht notwendig,79 aber erlaubt. Die Firma der Zweigniederlassung kann also stets aus derjenigen des Unternehmensträgers, dem Wort Zweigniederlassung oder Filiale und einer Ortsangabe gebildet werden.80
47 d) Meinungsstand. Umstritten ist hingegen die Frage, ob auch die Bildung einer eigenständigen Firma zulässig ist. Drei Positionen werden vertreten. Nach der ersten Ansicht ist die Bildung einer eigenständigen Firma unzulässig. Gestattet sind lediglich Zusätze zur Firma des Unternehmensträgers. So die ältere Rechtsprechung81 und ein großer Teil des älteren Schrifttums.82 Nach der Gegenansicht gilt der Grundsatz der Firmeneinheit nicht für die Firma der Haupt- und Zweigniederlassung, deren Firma daher frei gebildet werden kann.83 Nach der dritten, vermittelnden und heute herrschenden Ansicht kann die Firma der Zweigniederlassung zwar abweichend gebildet werden, muss die Firma des Unternehmensträgers aber dergestalt enthalten, dass die rechtliche Zuordnung zu dem Unternehmensträger deutlich zum Ausdruck kommt.84
48 e) Stellungnahme. Die zuerst genannte Ansicht wird zwar dem Grundsatz der Firmeneinheit am besten gerecht, ist aber mit dem Wortlaut des § 50 Abs. 3 schwerlich zu vereinbaren. Die zweite Ansicht widerspricht den Grundsätzen der Firmenwahrheit sowie der Firmenidentität und damit dem Anliegen des Verkehrsschutzes. Zu folgen ist daher der herrschenden Meinung. Sie entspricht zum einen der Rechtsnatur der Zweigniederlassung, zum Zweiten dem Wortlaut von § 50 Abs. 3 und zum Dritten praktischen Bedürfnissen. Sie ermöglicht bspw., eine Spezialisierung der Zweiggegenüber der Hauptniederlassung zum Ausdruck zu bringen,85 und eröffnet vor allem einen gangbaren Weg, in den Fällen des Unternehmenserwerbs mit anschließender Vereinigung zu einem Unternehmen die Marktgeltung der übernommenen Firma zu nutzen, ohne mit dem Grundsatz der Firmeneinheit in allzu großen Widerspruch zu treten (vgl. Rn 41). Erwirbt die „A-GmbH“ das Unternehmen der „Bernd B OHG“, dann kann die GmbH nach dieser Ansicht das Unternehmen unter der Filialfirma „Bernd B, Filiale der A-GmbH“ weiterführen.86 Das ist deswegen mit dem Grundsatz der Firmeneinheit vereinbar, weil es keinen Unterschied macht, ob der Zweigniederlas78 BayOLG NJW-RR 1992, 1062 ff; Staub/Hüffer4 § 17 Rn 31; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 83; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 12 f.; aA Düsseldorf – I-3 Wx 145/15, FGPrax 2017, 119, hiernach muss die Firma den Charakter als Zweigniederlassung nicht erkennen lassen, es sei denn, für die Zweigniederlassung wurde eine andere Firma als für die Hauptniederlassung gewählt. 79 OLG Düsseldorf Beschl. v. 22.2.2017 – I-3 Wx 145/16, NJW-RR 2017, 742. 80 Ebenso etwa K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 82; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 12 f. 81 RGZ 113, 213 (218); 114, 318 (320); OLG Dresden SächsAnn. 22, 155; OLG Dresden SächsAnn. 31, 184; OLG Darmstadt OLGR 13, 38; KGJ 40, A 64. 82 Z.B. Pisko Ehrenbergs Hdb. Bd. II 1, 280, 290 f; s. ferner die Zusammenstellung bei Schmidt Sparkasse 1964, 311 Fn 4. 83 PrOVG 73, 186; Düringer/Hachenburg/Hoeniger § 30, 5; Opet ZHR 49, 51 ff; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 12. 84 RGZ 113, 213 (217); RGZ 114, 318 (320); BayObLG NJW-RR 1992, 1062; aus der Lit. anstelle anderer MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 14; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 13; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 8. 85 Staub/Hüffer4 § 17 Rn 32. 86 Entsprechend K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 82; MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 72. Burgard
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sungszusatz („Bernd B“) dem Firmenkern des Unternehmensträgers („A-GmbH“) vorangestellt (s.o. Rn 23) wird oder ihm nachfolgt („A-GmbH, Filiale Bernd B“). Unklar ist, ob der Zweigniederniederlassungszusatz mit den Worten „Zweigniederlassung“ 48a oder „Filiale“ gebildet werden muss87 oder ob ein Inhaber- oder Nachfolgezusatz ausreicht.88 Blickt man nur darauf, ob die rechtliche Zuordnung zu dem Unternehmensträger deutlich zum Ausdruck kommt, reicht letzteres aus. Im vorigen Beispiel wäre dann auch die Filialfirma „Bernd B, Inhaber A-GmbH“ zulässig. Zutreffend weißt Heidinger89 jedoch darauf hin, dass hierdurch der Eindruck einer eigenständigen, zweiten Firma der A-GmbH erweckt werden könnte (s. auch § 22 Rn. 102). Da die Führung zweier Firmen generell, d.h. auch Einzelkaufleuten, verboten ist (Rn 41 f) muss der Zweigniederniederlassungszusatz zwingend mit.den Worten „Zweigniederlassung“ oder „Filiale“ gebildet werden.
VI. Firmenpublizität Die Firma bedarf der Publizität, weil sie als Handelsname des Unternehmensträgers nicht nur 49 dessen wirtschaftlichen Interessen dient, sondern auch die Interessen der Marktteilnehmer (Mitbewerber, Kunden und Lieferanten) und der Allgemeinheit berührt.90 Unternehmensträger müssen daher ihre Firma und deren Änderung zur Eintragung in das Handelsregister anmelden (§§ 29, 31, 33, 34, 106 ff, 162, §§ 39, 181, 278 Abs. 3 AktG, §§ 10, 54 GmbHG, Art. 5 ff EWIV-VO, § 2 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 EWIVAG, § 3 SEAG, §§ 187 Nr. 1, 196 VAG; s. auch §§ 6 Nr. 1, 10 f, 16 Abs. 5 GenG; § 3 SCEAG, § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 PartGG), dessen Eintragungen gem. § 10 bekannt gemacht werden. Ferner sind sie zur vollständigen Angabe der Firma auf Geschäftsbriefen (§§ 37a, 125a, 177a, § 80 AktG, § 35a GmbHG, § 43 SEAG, Art. 25 EWIV-VO, § 25a GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCE-VO i.V.m. § 25 SCEAG; § 172 VAG i.V.m. § 37a HGB, § 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a) und zur Anbringung der Firma am Geschäftslokal (§ 15a GewO a.F., s. dazu § 37a Rn 5a) verpflichtet. Schließlich gehört zur Firmenpublizität die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes (§ 19, §§ 4, 279 AktG, §§ 4, 5a Abs. 1 GmbHG, Art. 11 Abs. 1 SE-VO, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, § 3 GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO, § 174 Abs. 2 VAG, § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG, s. ferner § 19 Rn 30 ff sowie § 33 Rn 21 ff). Abgesehen davon hat die Firmenpublizität durch die Handelsrechtsreform allerdings insofern einen gewissen Bedeutungsverlust erlitten, als infolge der Firmenwahlfreiheit der Informationsgehalt der Firma deutlich reduziert ist.
E. Firmenschutz Handelsrechtlich erfolgt der Firmenschutz vorrangig durch die Kontrolle des Registergerichts 50 anlässlich der Eintragung der Firma (§§ 29 ff). Wird gleichwohl eine unzulässige Firma eingetragen, so kommt ein Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 oder ein Amtslöschungsverfahren nach § 395 Abs. 1 FamFG (§ 142 FGG a.F.) in Betracht (näher § 37 Rn 49). Zudem erfolgt über § 37 Abs. 1 eine laufende Kontrolle des Firmengebrauchs (§ 37 Rn 37 f). Schließlich gibt § 37 Abs. 2 demjenigen, dessen Rechte durch einen unbefugten Firmengebrauch verletzt werden, ein Klagerecht auf Unterlassen des Firmengebrauchs (dazu § 37 Rn 52 ff). Außerhalb des Handelsrechts ist die Firma im geschäftlichen Verkehr vor allem durch §§ 5, 51 15 MarkenG geschützt (dazu Anh. II zu § 37). Subsidiär, d.h. außerhalb des geschäftlichen Verkehrs (s. Anh. I zu § 37 Rn 4 ff), greift § 12 BGB ein, und zwar auch dann, wenn die Firma keinen 87 So dezidiert MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 72, 102. 88 So K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 81 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69; Staub/Hüffer4 § 22 Rn 53; Staub/Burgard5 § 17 Rn 48, § 22 Rn 102. 89 MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 72, 102. 90 Näher Weber Das Prinzip der Firmenwahrheit, 27 ff. 19
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Personennamen enthält91 und nicht von einer natürlichen Person geführt wird.92 Ferner ist die Firma „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB.93 Schließlich können u.U. §§ 3 ff UWG eingreifen (näher Anh. II zu § 37 Rn 70).
F. Internationales Firmenrecht I. Firmenbildung 1. Firmenstatut von Unternehmensträgern aus Drittstaaten 52 Das Firmenstatut bezeichnet die Frage, nach welchem Recht eine Firma zu bilden ist. Es richtet sich nach dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut.94 Das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut bemisst sich wiederum nach der bisher in Deutschland vorherrschenden Meinung nach demjenigen Recht, das am Sitz der Hauptverwaltung des Unternehmens maßgeblich ist (sog. Sitztheorie).95 Danach gelten die §§ 17 ff also auch für Unternehmensträger, die zwar im Ausland gegründet wurden, deren Verwaltungssitz aber im Inland liegt. Für Unternehmensträger mit Verwaltungssitz im Ausland ist dagegen das jeweilige ausländische Recht maßgeblich.
2. Firmenstatut von Unternehmensträgern aus EU-Staaten 53 Die Anknüpfung nach der Sitztheorie (Rn 52) kann im Lichte der neueren EuGH-Rechtsprechung nur noch für Unternehmensträger gelten, die nicht in einem EU-Staat bzw. einem EWR-Staat gegründet wurden. Nach inzwischen wohl herrschender und zutreffender Ansicht ergibt sich aus einer Zusammenschau der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 43 und 48 EGV (jetzt Art. 49 und 54 AEUV) (Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit) in Sachen „Centros“,96 „Überseering“97 und „Inspire Art“,98 dass nunmehr für Unternehmensträger, die in einem EU-Mitgliedsstaat gegründet wurden, nicht mehr die Sitztheorie, sondern die Gründungstheorie maßgeblich ist.99
BGHZ 11, 215; 14, 155 (159); Palandt/Ellenberger80 § 12 Rn 9; Hopt/Merkt § 17 Rn 33. So schon BGHZ 11, 215; 14, 159; BGH BB 1960, 801. Hopt/Merkt § 17 Rn 33; K. Schmidt Handelsrecht § 6 Rn 66; Staub/Hüffer4 Anh § 37 Rn 20. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 4; Staub/Hüffer4 Rn 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff Einleitung Rn 263 f. 95 RGZ 117, 215 (218); BGH JZ 1958, 241 (242); BGH NJW 1971, 1522 (1523); BGH NJW 2009, 289 (für Schweizer AG); BayObLG NJW 1986, 3029; OLG Hamburg IPRspr. 1958/59 Nr. 43; OLG Hamm IPRspr. 1991 Nr. 155; Hopt/Merkt § 17 Rn 48; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 50; W.-H Roth Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 63; Staudinger/Großfeld 1998 IntGesR Rn 319; Staub/Hüffer4 Rn 13; aA MünchKommBGB/ Kindler IntGesR Rn 358: gebietsbezogene Anknüpfung (kommt oft zu gleichen Ergebnissen); Rehm in Eidenmüller § 4 Rn 40; Mankowski in Hirte/Bücker § 12 Rn 48; aA Baur AcP 1967, 535 (551): Recht des Verletzungsortes. 96 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212–97, NJW 1999, 2027. 97 EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, NJW 2002, 3614. 98 EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, NJW 2003, 3331. 99 BGHZ 154, 185; BayObLGZ 2002, 413 (416); OLG Naumburg GmbHR 2003, 533; BFH NZG 2003, 646; aus der Lit. Horn NJW 2004, 893 (896); K. Schmidt in Europäische Auslandsgesellschaften, S. 17; Behrens IPrax 1999, 323; ders. IPrax 2003, 193; Meillicke DB 1999, 627; Werlauff ZIP 1999, 867 (875); Geyrhalter/Gänßler NZG 2003, 409; Palandt/ Thorn80 Anh Art. 12 EGBGB Rn 5; Rehberg in Eidenmüller § 5 Rn 28 mwN in Fn 39, wohl nicht nur für europäische ausländische Gesellschaften, sondern für alle. AA weiterhin LG Frankenthal NJW 2003, 762; Kindler NZG 2003, 1086 (1090); Borges ZIP 2004, 733.
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Konsequenterweise ist daher auch für die Frage des Firmenstatuts nicht mehr an das Recht des Verwaltungssitzes, sondern an das Recht des Gründungsstaates anzuknüpfen.100
3. Firmenstatut von Unternehmensträgern aus Staaten, mit denen ein Staatsvertrag besteht (hier sog. „Vertragsstaaten“) Die Maßgeblichkeit der Gründungstheorie kann sich schließlich aus bilateralen Verträgen der 54 Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten ergeben. So verhält es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezüglich des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags vom 29.10.1954101 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika.102
II. Firmengebrauch 1. Firmengebrauch von Unternehmensträgern aus Nicht-EU-Staaten a) Verwaltungssitz im Inland. Wird ein Unternehmensträger außerhalb der EU bzw. des EWR 55 oder eines Vertragsstaats (i.S.d. Rn 54) gegründet und nimmt er seinen Verwaltungssitz im Inland, so gilt nach der Sitztheorie (Rn 52) deutsches Firmenrecht.103 b) Verwaltungssitz im Ausland. Hat der außerhalb der EU, des EWR oder eines Vertragsstaats 56 gegründete Unternehmensträger dagegen auch seinen Verwaltungssitz im Ausland, dann gilt sowohl nach der Sitz- als auch nach der Gründungstheorie das ausländische Firmenrecht. Grundsätzlich ist der ausländische Rechtsträger in diesem Fall berechtigt, seine nach dem ausländischen Recht zulässigerweise gebildete Firma im Inland zu führen, und zwar auch dann, wenn die Firma nach deutschem Recht anders gebildet werden müsste.104 Dieser Grundsatz gilt freilich nicht uneingeschränkt. Schranken ergeben sich vielmehr über 57 Art. 6 EGBGB (ordre public) insbes. aus dem Grundsatz der Firmenwahrheit (Irreführungsverbot).105 Auch eine ausländische Firma muss im Inland so geführt werden, dass sie keine verkehrswesentliche Irreführung hervorruft.106 Das gilt insbes. für Rechtsformzusätze. Ein zutreffender Rechtsformzusatz muss – auch wenn das ausländische Recht dies nicht vorsieht – in der Firma enthalten sein. Dieser soll so gestaltet sein, dass für den inländischen Verkehr ersichtlich ist, dass es sich um eine Auslandsgesellschaft handelt und ob die Haftung der Gesellschafter
100 Ebenso Greyhalter/Gänßler NZG 2003, 409 (412); K. Schmidt in Europäische Auslandsgesellschaften, 27; Hirsch/ Britain NZG 2003, 1100 (1102); Palandt/Thorn80 Anh. Art. 12 EGBGB Rn 16; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rdn. 56; aA Borges ZIP 2004, 733. 101 Vgl. Art. VI Abs. 1, Art. VII Abs. 1 und Art. XXV Abs. 5 des genannten Vertrags vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II S. 487). 102 BGHZ 153, 353; BGH, NZG 2004, 1001; MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 333 ff.; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 57. 103 Hopt/Roth Einl. vor § 105 Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Pentz § 13d Rn 14. 104 LG Gießen GmbHR 1990, 352; Hopt/Merkt § 17 Rn 49; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 26; BeckOK HGB/ Bömeke § 17 Rn 60. 105 OLG Stuttgart WRP 1991, 526; OLG Hamm WRP 1992, 355; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 26; ausführlich auch öOGH GesRZ 2004, 129: Schutz vor unlauterem Wettbewerb und von Verbrauchern vor irreführenden Angaben rechtfertigen danach selbst eine Beschränkung der Grundfreiheiten; Weller DStR 2003, 1800. 106 LG Hagen NJW 1973, 2162; Kögel Rpfleger 2004, 325 (329) mit Verweis auf LG Braunschweig Beschluss vom 17.7.2003 – 22 T 391/03. 21
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beschränkt ist.107 Eine Übersetzung des Rechtsformzusatzes kommt freilich nicht in Betracht; denn dies wäre irreführend und würde Erkundigungen über die Gesellschaftsform erschweren. Ebenso wenig ist ein deutschsprachiger Hinweis auf die Haftungsbeschränkung erforderlich.108 Auch ein Landeszusatz in der Firma ist nur geboten, wenn andernfalls eine Verwechselung mit einem deutschen Rechtsformzusatz zu besorgen ist. Vielmehr reicht es aus, wenn der Zusatz die Rechtsform eindeutig bezeichnet und dem Verkehr im Rahmen des Firmengebrauchs (z.B. durch Angabe des Sitzes in Geschäftsbriefen, vgl. § 15b Abs. 2 GewO a.F., s. dazu § 37a Rn 5a) Erkundigungen über die Rechtsform ermöglicht werden.
2. Firmengebrauch von Unternehmensträgern aus EU-Staaten 58 Bei Unternehmensträgern, die in einem EU-Staat, einem EWR-Staat oder einem Vertragsstaat gegründet wurden, kommt es nach dem zuvor Gesagten (Rn 53 f) nicht darauf an, ob sie ihren Verwaltungssitz im EU-Ausland oder im Inland haben. In beiden Fällen ist für die Frage der Firmenbildung und damit auch für den Firmengebrauch das ausländische Recht maßgeblich. Solche Unternehmensträger sind mithin in beiden Fällen grundsätzlich berechtigt, ihre nach dem ausländischen Recht zulässigerweise gebildete Firma im Inland zu führen.109 Fraglich ist allerdings, ob ein Unternehmensträger aus EU-Staaten dabei ebenfalls den in Rn 57 59 genannten Einschränkungen unterliegt. Zu bedenken ist dabei zuvörderst, dass der Grundsatz der Firmenwahrheit heute zumindest ansatzweise in allen EU-Staaten gilt.110 Nach der (nach dem ausländischen Recht zu beurteilenden) Zulässigkeit der Firmenbildung ist daher zunächst zu prüfen, ob die Firmenführung in Deutschland ebenfalls den Maßstäben des ausländischen Rechts genügt oder (auch) danach irreführend ist. Bedenkt man, dass das deutsche Recht liberalisiert wurde, dürften nur wenige Fälle verbleiben, in denen nur nach deutschem Recht eine Irreführung vorliegt.111 Liegt nur nach deutschem Recht eine Irreführung vor, so greift zwar Art. 6 EGBGB ein 60 (Rn 57). Die Vorschrift ist aber bei EU-Auslandsgesellschaften im Lichte der Grundfreiheiten eng auszulegen.112 Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit müssen daher erstens durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, zweitens in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, drittens zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und viertens nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.113 Verstößt die Firma einer EU-Auslandsgesellschaft nicht gegen das auf sie anwendbare Recht, ist daher ein Eingreifen deutscher Registergerichte allenfalls ganz ausnahmsweise möglich. Die Führung eines zutreffenden Rechtsformzusatzes (und zwar in nicht übersetzter sowie 61 grundsätzlich ausgeschriebener Form, vgl. § 13d Rn 27 ff) wird man allerdings wohl auch dann von EG-Auslandsgesellschaften verlangen können, wenn dies nach dem maßgeblichen ausländischen Recht nicht erforderlich sein sollte und die Rechtsform für den Rechtsverkehr auch nicht anderweitig erkennbar ist.114 Eine Landeskennung darf dabei freilich nicht schon dann 107 MünchKommHGB/Heidinger Rn 46 f; Mankowski in Hirte/Bücker § 12 Rn 69. 108 Hopt/Merkt § 17 Rn 48, § 19 Rn 42. 109 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 14; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 39; Geyrhalter/ Gänßler NZG 2003, 409.
110 Möller EWS 1993, 24 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 9. 111 S. auch K. Schmidt in Europäische Auslandsgesellschaften, 28: „Die Dramatik dieser Probleme scheint gering“. 112 MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 26; s. ferner Bokelmann ZGR 1994, 340; W.-H. Roth Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 64: beschränkt auf gravierende Täuschungen. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh Rn 11 f. 113 Sog. Vier-Elemente-Test, s. EuGH NJW 2003, 3331 Rn 133 („Inspire Art“) mwN; grundlegend EuGH NJW 1977, 1582 („Thieffry“). 114 Zweifelnd MünchKommHGB/Heidinger Rn 47; wie hier Hopt/Merkt § 17 Rn 49; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 62 a.E.; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 39; nach BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 268 reicht anderweitige Erkennbarkeit aus; s. auch BGH NJW 2007, 1529. Burgard
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gefordert werden, wenn eine Verwechselung mit einem deutschen Rechtsformzusatz möglich ist, sondern nur dann, wenn sich die ausländische und die deutsche Rechtsform in der Frage der Haftungsbeschränkung (also nicht nur bspw. hinsichtlich der Kapitalausstattung) grundlegend unterscheiden.115 Eine österreichische GmbH muss daher nicht etwa als „öGmbH“ firmieren;116 denn das könnte diskriminierend wirken.117 Problematisch ist es ferner, wenn die ausländische Firma eine Abkürzung enthält, die in der Weise geführt wird, dass die Abkürzung als deutscher Rechtsformzusatz missverstanden werden könnte.118 Schließlich ist wegen der Anknüpfung an das Recht des Gebrauchsorts § 30 anwendbar,119 wenn ein im EU/EWR-Ausland gegründeter Unternehmensträger in Deutschland seinen Verwaltungssitz nimmt und daher entsprechend §§ 13d ff in das Handelsregister einzutragen ist.120
3. Firmenbildung der deutschen Tochter eines ausländischen Rechtsträgers Nachdem für das Firmenstatut das Personal- bzw. Gesellschaftsstatut maßgeblich ist (Rn 52), 62 gilt aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit einer im Inland gegründeten Tochter121 für deren Firma deutsches Recht. Das gilt unabhängig davon, ob die Sitz- oder die Gründungstheorie anwendbar ist, weil bei der inländischen Tochter einer ausländischen Gesellschaft sowohl der Verwaltungssitz als auch der Gründungsort im Inland liegen.122 Besonderheiten können sich allerdings insbes. dann ergeben, wenn die Firma der deutschen Tochter unter Verwendung der Firma der ausländischen Mutter gebildet werden soll (z.B. Kennzeichnungseignung, geographische Zusätze, Rechtsformzusatz), die hier jedoch im jeweiligen Zusammenhang erörtert werden, s. etwa § 18 Rn 32, 57, 100, § 19 Rn 20 ff.123
4. Firmenbildung der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmensträgers Besondere Probleme bereitet die Behandlung inländischer Zweigniederlassungen ausländischer 63 Unternehmensträger (s. dazu auch o. § 13d Rn 22 ff). Grund hierfür ist die Rechtsnatur von Zweigniederlassungen. Zwar stehen sie rechtlich selbständigen Unternehmensträgern nahe, verfügen aber im Unterschied zu diesen über keine eigene Rechtspersönlichkeit. Im Ausgangspunkt nehmen sie daher an dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut der Hauptniederlassung teil.124 Befindet sich diese im Ausland gilt für die Zweigniederlassung nach der Sitztheorie daher 115 So auch BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 62 a.E.; MünchKommHGB/Heidinger Rn 65; strenger Staudinger/Großfeld IntGesR, 1998, Rn 320, demzufolge eine ausländische Gesellschaft schon dann die Bezeichnung „Aktiengesellschaft” nicht tragen dürfe, wenn sie nicht mit inländischen AG vergleichbar sei. 116 In diesem Punkt ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 47, aber ohne die vorstehende Einschränkung, vgl. auch Rn 98; aA GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 39; MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 245 ff. 117 Rehberg in Eidenmüller § 5 Rn 54 f, 66. 118 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh Rn 16. 119 MünchKommHGB/Heidinger Rn 45; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 26; W.-H. Roth 31, 63; K. Schmidt in Europäische Auslandsgesellschaften, 27; Hopt/Merkt § 17 Rn 48. 120 KG NZG 2004, 49; OLG Zweibrücken NZG 2003, 537; Hopt/Merkt § 13d Rn 1 mwN. 121 Zur Frage der Beteiligungsfähigkeit ausländischer Unternehmensträger s. MünchKommHGB/Heidinger Rn 51. 122 LG Gießen GmbHR 1990, 352; LG Limburg/Lahn GmbHR 2006, 261; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 5; MünchKommHGB/Heidinger Rn 52; Kögel Rpfleger 2004, 325 (329); vgl. für die GmbH Bokelmann GmbHR 1994, 358. 123 Für einen Überblick s. MünchKommHGB/Heidinger Rn 52 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 18 ff. 124 RGZ 73, 366 (368); Staub/Hüffer4 § 13b Rn 13 ff; Staudinger/Großfeld IntGesR, 1998, Rn 977; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh Rn 6. 23
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ausländisches Recht. Abweichend davon ist nach herrschender Meinung für die Firma der Zweigniederlassung der Ort des Sitzes der Zweigniederlassung maßgeblich, was vor allem mit einer Anknüpfung an den Gebrauchsort begründet wird.125 Und auch für die Vorfrage, ob es sich bei dem Unternehmen um eine bloße Betriebsstätte, eine Zweigniederlassung oder eine rechtlich selbständige Tochter handelt, ist der Sitz der jeweiligen Einheit maßgeblich.126 Die Firma der Zweigniederlassung eines ausländischen Unternehmensträgers muss daher den Anforderungen des deutschen Firmenrechts genügen.127 Das bedeutet allerdings nicht, dass dem ausländischen Firmenrecht keinerlei Bedeutung zukä64 me. Im Gegenteil! Denn nach deutschem Firmenrecht ist die Firma der Zweigniederlassung so zu bilden, dass die rechtliche Zuordnung zu dem Unternehmensträger deutlich zum Ausdruck kommt (Rn 46 ff). Soweit danach die Firma des ausländischen Rechtsträgers zur Verwendung kommt bzw. kommen muss, muss sie in erster Linie dem jeweiligen ausländischen Recht entsprechen.128 Überdies sind die gleiche Art von Besonderheiten zu beachten wie bei der Bildung der Firma einer inländischen Tochtergesellschaft unter Verwendung der Firma der ausländischen Mutter (Rn 62).129 Schließlich stellt die Verwendung einen Firmengebrauch mit der Folge dar, dass die vorstehenden Grundsätze (Rn 55–61) Anwendung finden. Der ordre public-Vorbehalt kommt daher, soweit die Firma der Zweigniederlassung der Firma ihres im EU-Ausland gegründeten Unternehmensträgers entspricht – zur Erinnerung: die Entsprechung kann 100 % betragen (s. Rn 45) –, nur sehr eingeschränkt zur Anwendung (Rn 59 ff). Das gilt namentlich für den erforderlichen Rechtsformzusatz (s. § 13d Rn 27 ff).130 § 30 bleibt freilich anwendbar (s.o. Rn 61 a.E.).
III. Firmenordnungs- und Registerrecht 65 Das Firmenordnungs- und Registerrecht untersteht – auch angesichts der vorstehenden europarechtlichen Überlegungen – nicht dem Personal- bzw. Gesellschaftsstatut. Vielmehr ist es öffentlich-rechtlicher Natur.131 Anknüpfungspunkt ist daher der Ort der kaufmännischen Niederlassung.132 Für die Pflicht zur Anmeldung der Firma zum Handelsregister gilt daher deutsches Recht. Auch das Verfahren richtet sich nach deutschem Recht als lex fori.133 Für die Eintragung einer Zweigniederlassung von Unternehmensträgern mit Sitz im Aus66 land gelten die §§ 13d ff. Diese Vorschriften beruhen auf der elften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 89/666/EWG,134 der sog. Zweigniederlassungsrichtlinie, und gelten (daher) für Aus-
125 Wie hier OLG München Beschluss vom 7.3.2007 – 31 Wx 92/06, DNotZ 2007, 866; OLG München NZG 2011, 157; BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 65; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 50; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle § 17 Anh. Rn 6; aA im Ergebnis für EU-Auslandsgesellschaften MünchKommHGB/Heidinger Rn 62; MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 222; Rinne in Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen im deutschen Kollisions- und Sachrecht, Diss. 1998, 56. 126 Staub/Hüffer4 13b Rn 9; Heymann/Förster HGB § 13d Rn 16. 127 S. OLG München NZG 2011, 157. 128 BGH NJW 1971, 1522; vgl MünchKommHGB/Heidinger Rn 60; aA Keidel/Krafka/Kühn/Willer RegisterR Rn 272. 129 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 27 ff. 130 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 62; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Anh. Rn 29. 131 Staub/Hüffer4 § 13b Rn 18; MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; MünchKommBGB/Kindler IntGesR Rn 161, 172, 217; GKzHGB/Achilles/Haase § 13 Rn 2. 132 MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Schaub § 8 Rn 14 f; MünchKommBGB/ Kindler IntGesR Rn 217 mwN; genauer Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 8 Rn 13. 133 Staub/Hüffer4 § 13b Rn 18; Hopt/Merkt § 13d Rn 2. 134 Elfte Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen vom 21.12.1989 – ABl. Nr. L 395/36. Burgard
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landsgesellschaften aus EU- und Drittstaaten gleichermaßen.135 Sie finden entsprechende Anwendung, wenn ein im EU-Ausland gegründeter Unternehmensträger seinen Verwaltungssitz in Deutschland nimmt (§ 13 Rn 39, § 13d Rn 16 f).136 Für Unternehmensträger, die außerhalb der EU gegründet wurden, gelten in diesem Fall dagegen allgemeine Regeln (s. Rn 55). Verwendet ein ausländischer Unternehmensträger seine Firma entgegen den in Rn 56–61 ff 67 genannten Grundsätzen im Inland, kann das deutsche Registergericht nach § 37 Abs. 1 gegen den Firmengebrauch vorgehen.137 Zu den erforderlichen Angaben auf Geschäftsbriefen s. § 37a Rn 7, 29 ff.
IV. Firmenschutz 1. Schutz gegen Firmen ausländischer Unternehmensträger Der Gebrauch einer ausländischen Firma im Inland ist nicht nur in den vorgenannten Grenzen 68 an deutschem Firmen- und Registerrecht zu messen. Der Gebrauch unterliegt ferner deutschem Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht.138 Auch eine Auslandsgesellschaft kann daher nach §§ 5, 15 MarkenG139 oder nach §§ 3 ff, insbes. § 5 Abs. 2 UWG140 in Anspruch genommen werden.141 Auch bei der Anwendung dieser Vorschriften ist freilich auf die Grundfreiheiten Bedacht zu nehmen,142 wobei nach Art. 36 AEUV zwar Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein können.143 Art. 36 AEUV erstreckt sich jedoch nicht auf den Anwendungsbereich des § 3 UWG, da Art. 36 AEUV den Verbraucherschutz und die Lauterkeit des Handelsverkehrs nicht erfasst.144 Zudem enthält Art. 52 AEUV für die Niederlassungsfreiheit keinen entsprechenden Ausnahmetatbestand.
2. Schutz von Firmen ausländischer Unternehmensträger a) Schutzlandprinzip. Im Immaterialgüterrecht – und damit auch für den Schutz der Firma 69 eines ausländischen Unternehmensträgers im Inland – gilt das sog. Schutzlandprinzip.145 Danach ist das Recht desjenigen Staates anwendbar, in dessen Gebiet der Schutz begehrt wird. Das gilt unabhängig davon, ob der Unternehmensträger innerhalb oder außerhalb der EU ge135 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Pentz § 13d Rn 4 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 13d Rn 5; Schünemann, Die Firma im internationalen Rechtsverkehr, Diss. 2014, 20 f. 136 KG NZG 2004, 49; OLG Zweibrücken NZG 2003, 537; Hopt/Merkt § 13d Rn 1 mwN. 137 MünchKommHGB/Heidinger Rn 50; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 51. 138 MünchKommHGB/Heidinger Rn 44; Hirsch/Britain NZG 2003, 1100 (1102). 139 MünchKommHGB/Heidinger Rn 45; Hirsch/Britain NZG 2003, 1100 (1102); Fezer MarkenR2 Einl MarkenG Rn 161 ff. 140 OLG Hamm WRP 92, 355; MünchKommHGB/Heidinger Rn 44; Hopt/Merkt § 17 Rn 49; Hirsch/Britain NZG 2003, 1100 (1102); Kögel DB 2004, 1763. 141 Siehe ebenso BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn 67. 142 Auch zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche können nach st. Rspr. des EuGH Maßnahmen gleicher Wirkung sowie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sein, vgl. EuGH NJW 1975, 515 (Dassonville); EuGH GRUR Int 1991, 215 (Pall Dahlhausen); aus der Lit. Köhler/Bornkamm UWG Einl. UWG Rn 3.17, § 5 Rn 0.10 ff; zu § 3 UWG a.F. Jacobs/GroßkommUWG/Lindacher § 3 Rn 23 ff. 143 Vgl. BGHZ 130, 276 (286) (Torres); Geiger EUV/EGV Art. 30 EGV Rn 13; Lenz/Borchardt/Luy EU-und EG-Vertrag Art. 30 EGV Rn 16, 23. 144 EuGH Slg. 1981, 1625 = GRUR Int 1982, 117; EuGH Slg. 1984, 3651 = GRUR Int 1985, 110; Ohly/Sosnitza UWG § 5 Rn 60. 145 OLG Stuttgart RIW 1991, 955; MünchKommBGB/Drexl Rom II-VO Art. 8 Rn 6; Hopt/Merkt § 17 Rn 48; aA aber mit gleichem Ergebnis Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 52. 25
Burgard
Vor § 17
1. Buch. Handelsstand
gründet wurde bzw. seinen Sitz hat. Auch ein ausländischer Unternehmensträger kann daher nach §§ 5, 15 MarkenG (näher zu diesen Vorschriften Anh. II zu § 37) oder § 37 Abs. 2 vorgehen. Voraussetzung ist nur, dass der ausländische Unternehmensträger „eine auf Dauer angelegte Geschäftstätigkeit im Inland“146 aufnimmt.147
70 b) Inländerbehandlung. Gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 8 Pariser Verbandsübereinkunft (PVÜ)148 gilt für Verbandsstaaten der Grundsatz der Inländerbehandlung, nach dem Verbandsangehörige den gleichen Firmenschutz wie Inländer genießen.149 Vertragsstaaten der PVÜ sind alle bedeutenden Industrienationen.150 Inländerbehandlung bedeutet, dass sich die Schutzvoraussetzungen und ihre Beurteilung ausschließlich nach inländischem Recht richten. Der inländische Schutz hängt danach auch nicht von dem Schutz des Heimatstaates ab, und zwar weder positiv noch negativ.151
71 c) Fremdenrecht. Außerhalb des Anwendungsbereichs des PVÜ kommt das jeweilige Fremdenrecht zur Anwendung.152 Benachteiligungen gegenüber Inländern wären danach möglich. Der in § 28 UWG a.F.153 und § 35 WZG a.F.154 niedergelegte Grundsatz der Gegenseitigkeit ist jedoch mit der Aufhebung dieser Vorschriften entfallen und wurde auch nicht in das MarkenG aufgenommen. Daraus folgt, dass auch Unternehmensträger aus Staaten, die nicht dem PVÜ angehören, Inländerbehandlung erfahren.
72 d) Gerichtsstand. Schließlich kann auch die Verletzung einer nach ausländischem Recht geschützten Firma im Ausland hierzulande geltend gemacht werden, wenn der Verletzer in der Bundesrepublik Deutschland einen Gerichtsstand hat.155
3. Schutz von Firmen deutscher Unternehmensträger im Ausland 73 Der Firmenschutz deutscher Unternehmen im Ausland bestimmt sich nach dem betreffenden ausländischen Recht. Im Geltungsbereich des PVÜ muss auch deutschen Unternehmen im Ausland der Grundsatz der Inländerbehandlung zugute kommen.156
146 BGHZ 75, 172. 147 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 52; Staub/Hüffer4 Anh. § 37 Rn 24; Staudinger/Großfeld 1998 IntGesR Rn 324.
148 Pariser Verbandsübereinkunft v. 20.3.1883 zum Schutze des gewerblichen Eigentums i. d. Stockholmer Fassung v. 14.7.1967 (BGBl. II 1970, 293). 149 BGHZ 130, 276 (282); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 53. 150 Verbandsländerveröffentlichung jeweils im BGBl. Fundstellennachweis B zum 31.12. des Jahres. 151 Instruktiv BGHZ 130, 276 ff. 152 Vgl. BGH NJW 1971, 1522 (1523); allg. zum Fremdenrecht MünchKommBGB/Kindler Bd. 12 Int. Handels- und GesR, A. Einl. Rn 7 ff, H. 867 ff; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 27. 153 S. § 28 i.d.F. v. 1.1.1964, aufgeh. durch Art. 25 Nr. 2 G v. 25.10.1994, BGBl. I, 3082 mWv 1.1.1995. 154 S. § 35 WZG i.d.F. v. 2.1.1968, aufgeh. durch Art. 2 Abs. 1 Nr 10 G v. 15.8.1986 BGBl. I, 1446 mWv 1.1.1987. 155 OLG Stuttgart RIW 1991, 954. 156 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 54. Burgard
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§ 17 (1) Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. (2) Ein Kaufmann kann unter seiner Firma klagen und verklagt werden.
Schrifttum 1. Zur und seit der Handelsrechtsreform Bartels Die Handelsfirma zwischen Namensrecht und Kennzeichenschutz, AcP 209 (2009), 309; Bielau Identität der Vollstreckungsparteien, DGVZ 2009, 193; Bürkle Die Firmierung der Holding-Unternehmen im Versicherungskonzern, VersR 2002, 291; Busch Reform des Handels- und Registerrechts, Rpfleger 1998, 178; Geulen/Sebok Deutsche Firmen vor US-Gerichten, NJW 2003, 3244; Gräve/Salten Neues Firmenrecht – Die Parteibezeichnung der Einzelkaufleute im Zivilprozess, MDR 2003, 1097; Parmentier/Steer Die Konzernfirma nach dem Ende der Unternehmensverbindung, GRUR 2003, 196; Pluskat Die Firma der Anwalts-AG, AnwBl. 2004, 22; Römermann/Römermann Kanzlei-Marke: Reine Sachfirma heftig umstritten, Anwalt 2001, 20; K. Schmidt „Deklaratorische“ und „konstitutive“ Registereintragung nach §§ 1 ff HGB, ZHR 163 (1999), 87; Weber Von Firmen und Etablissements, JA 2015, 388; Wessel/Zwernemann/Kögel Die Firmengründung, 7. Aufl. 2001. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und insbes. zu §§ 18, 19.
2. Vor der Handelsrechtsreform Baumgärtel Die Kriterien zur Abgrenzung von Parteiberichtigung und Parteiwechsel, Festschrift Schnorr v. Carolsfeld 1973, 19; Bokelmann Der Gebrauch von Geschäftsbezeichnungen mit Inhaberzusatz durch Nichtkaufleute und Minderkaufleute, NJW 1987, 1683; Brause Firma eines Einzelkaufmanns und neues Familiennamensrecht, DB 1978, 478, Bußmann Name, Firma, Marke, 1937; Droste Grundsätzliches zur Geschäftsbezeichnung, DB 1967, 539; Esch Zur Führung mehrerer Firmen durch Personengesellschaften, BB 1968, 235; Frey Verwendung einer schutzfähigen Geschäftsbezeichnung als unberechtigter Firmenmißbrauch? DB 1993, 2169; Göppert Bemerkungen zu § 17 Abs. 1 des neuen HGB, ZHR 47 (1898), 267; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Hofmann Der Grundsatz der Firmenwahrheit, JuS 1972, 235; Kind Die handelsrechtlichen Firmengrundsätze im Licht der Wettbewerbsordnung, BB 1980, 1558; Knaak Firma und Firmenschutz, 1986; Knopp Über den Grundsatz der Firmeneinheit, ZHR 125 (1963), 161; Kraft Die Führung mehrerer Firmen, 1966; Lindacher Firmenbeständigkeit und Firmenwahrheit, BB 1977, 1976; Nipperdey Die Zulässigkeit doppelter Firmenführung für ein einheitliches Handelsgeschäft, Festschrift A. Hueck, 1959, 195; Noack Der Kaufmann (Minder- und Vollkaufmann) und sein Betrieb in der Zwangsvollstreckung, DB 1974 1369; Richert Wie hat die Firma der Zweigniederlassung zu lauten? MDR 1957, 339; W.-H. Roth Unzulässiger firmenmäßiger Gebrauch einer zulässig geführten Geschäftsbezeichnung, ZGR 1992, 632; Schlichting Die Zulässigkeit mehrerer Firmen für ein einzelkaufmännisches Unternehmen, ZHR 134 (1970), 322; D. Schmidt Die Firma von Zweigniederlassungen, Sparkasse 1964, 311; K. Schmidt Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; ders. Das Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“ DB 1987, 1181; ders. Replik: Das geltende Handelsrecht kennt kein Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“, DB 1987, 1674; U. H. Schneider Die Firma des Konzerns und der Konzernunternehmen, BB 1989, 1985; Schuler Die Firma im Prozeß und in der Vollstreckung, NJW 1957, 1537; Troller Kollisionen zwischen Firma, Handelsnamen und Marken, 1980; Ullmann Die Verwendung von Marke, Geschäftsbezeichnung und Firma im geschäftlichen Verkehr, insbes. des Franchising, NJW 1994, 1255; Vollmer Die originäre und die abgeleitete Firma, JA 1984, 33; Wachsmann Die Firma als Bezeichnung der Prozeßpartei, Gruchot 51 (1907), 313; Wamser Die Firmenmehrheit, 1997; Weber Das Prinzip der Firmenwahrheit im HGB und die Bekämpfung irreführender Firmen nach dem UWG, 1984; Wellmann Firmenrecht als Namensrecht des Kaufmanns, DNotZ 1954, 117; Wessel Nochmals: Das Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“: geltendes Handelsrecht oder gesetzwidrige Erfindung? DB 1987, 1673; Zwernemann Der Name der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, BB 1987, 774. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und insbes. zu §§ 18, 19.
27 https://doi.org/10.1515/9783111097510-002
Burgard
§ 17
1. Buch. Handelsstand
Übersicht A.
Einführung
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
B.
Definition der Firma
I.
Die Firma als Name des Unternehmensträ5 gers
II.
Die Firma als Name eines Kaufmanns (Firmenfä9 higkeit)
1
2. 2
3 4
III. 1. 2. 3. 4. 5.
Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen 15 Geschäftsbezeichnungen 19 Minderfirmen 26 Unternehmenskennzeichen 27 Marken 28 Sonstige Bezeichnungen
C.
Entstehen und Erlöschen der Firma
I.
Entstehen
II. 1.
Erlöschen Allgemeine Regeln a) Aufgabe und Änderung der Firma 34 b) Firmenfortführung 35 c) Formwechsel
31
33
36 d) Verschmelzung 37 e) Spaltung Rechtsformspezifische Regeln 38 a) Einzelkaufmann b) Personenhandelsgesellschaft 48 c) Formkaufmann d) Juristische Person i.S.d. § 33
44 49
50
D.
Rechtsnatur der Firma
E.
Die Firma im Geschäftsverkehr
I.
Pflicht zur Firmenführung
II.
Die Begrenzung des Firmengebrauchs auf den 52 Geschäftsverkehr
F.
Die Firma im Prozess (Abs. 2)
I. 1. 2. 3.
Überblick Inhalt und Bedeutung von § 17 Abs. 2 61 Voraussetzungen 62 Rechtsfolgen
II. 1. 2. 3.
Einzelfragen 64 Bestimmung der Prozesspartei 65 Inhaberwechsel auf Seiten des Klägers Inhaberwechsel auf Seiten des Beklag66 ten 67 Rechtskraft Bezeichnung von Gläubiger und Schuldner in 68 der Zwangsvollstreckung
4. 5.
51
57
A. Einführung I. Norminhalt 1 § 17 Abs. 1 enthält die Legaldefinition der Firma (näher dazu Rn 4 ff) und begründet nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur Firmenführung im Geschäftsverkehr (näher Rn 51 ff). Abs. 2 begründet die Zulässigkeit firmenmäßiger Parteibezeichnung (näher Rn 57 ff). Beide Vorschriften haben vornehmlich für Einzelkaufleute und juristische Personen i.S.d. § 33 Bedeutung, da Handelsgesellschaften und Formkaufleute ohnehin keinen anderen Namen als die Firma haben.
II. Entstehungsgeschichte 2 § 17 Abs. 1 ist seit 1861 nahezu und Abs. 2 seit 1897 vollkommen unverändert. Durch das Handelsrechtsreformgesetz wurde lediglich in Abs. 1 vor den Worten „seine Geschäfte“ die Worte „im Handel“ gestrichen. Begründet wurde dies als Konsequenz der Neudefinition des Begriffs
Burgard
28
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 17
„Handelsgewerbe“ in § 1 Abs. 2.1 Von Bedeutung ist diese Streichung nicht. Für einen Überblick zur Geschichte des Firmenrechts s. Vor § 17 Rn 11 ff.
III. Normzweck Sinn und Zweck von § 17 Abs. 1 ist erstens den Begriff der Firma zu definieren (Rn 4 ff) und 3 ihn damit zugleich von anderen Bezeichnungen abzugrenzen (Rn 15 ff). Durch diese Definition werden zweitens Nichtkaufleute von einer Firmenführung ausgeschlossen (Rn 9 ff) sowie drittens Kaufleute zur Firmenführung im Geschäftsverkehr berechtigt und verpflichtet (Rn 51 ff). Abs. 2 schließlich soll der Erleichterung der Parteibezeichnung im Prozess dienen (Rn 57 ff).
B. Definition der Firma Nach der Legaldefinition des § 17 Abs. 1 ist eine Firma der Name, unter dem der Kaufmann seine 4 Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt. Dabei ist die Zeichnung unter der Firma nur das Hauptbeispiel für das Betreiben von Geschäften. In Kurzform lautet die Definition also: Die Firma ist der Handelsname des Kaufmanns. Diese Umschreibung enthält drei Aussagen: Die Firma ist ein Name, und zwar der Name eines Kaufmanns. Eine Firmenführung steht daher nur Kaufleuten offen (dazu Rn 9 ff). Als Name des Kaufmanns bezeichnet die Firma den Unternehmensträger und nicht das Unternehmen (dazu Rn 5 ff). Wegen dieser Identifikationsfunktion hat der Kaufmann die Firma im Handelsverkehr zu führen (dazu Rn 51 ff).2
I. Die Firma als Name des Unternehmensträgers Umgangssprachlich wird der Begriff „Firma“ als Synonym für Unternehmen oder Betrieb ge- 5 braucht. Das ist unzutreffend, weil die Firma ein Name ist. Im geschäftlichen Verkehr wird die Firma oft als Name des Unternehmens verwendet und verstanden.3 Als solcher hat sie häufig erheblichen Vermögenswert. Auch dieses Verständnis ist im Rechtssinne jedoch ungenau; denn als Handelsname des Kaufmanns bezeichnet die Firma nicht das Unternehmen, sondern den Unternehmensträger.4 Allerdings hat das Gesetz dem Zusammenhang zwischen Unternehmen und Firma u.a. in § 23 und ihrem Vermögenswert etwa in dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit (dazu o. Vor § 17 Rn 31 ff) Rechnung getragen. Als Name hat die Firma vornehmlich Identifikationsfunktion, dient also dazu den Unter- 6 nehmensträger zu identifizieren (zur Publizitätsfunktion Vor § 17 Rn 2). Das ist deswegen wichtig, weil das Unternehmen selbst nicht rechtsfähig ist und daher nur sein Inhaber Träger der im Unternehmen begründeten Rechte und Verbindlichkeiten ist. Dabei besteht die spezifische Funktion der Firma als Handelsname insbes. bei Einzelkaufleuten (s.u. Rn 7) darin, dass der Abschluss von Geschäften unter der Firma typischerweise den Kaufmann als Unternehmensträger berechtigt und verpflichtet, gleichgültig, ob er selbst tätig wird oder durch einen Vertreter handelt (§ 164 BGB), und zwar auch dann, wenn der andere Geschäftsteil nicht weiß, wer Inha-
1 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 52. 2 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1 f.; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 3. 3 K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 1 f, 3 ff; BeckOK HGB/Bömeke Rn 1; MünchKommHGB/Heidinger Rn 4; GKzHGB/ Steitz Vor §§ 17–24 Rn 7.
4 Staub/Hüffer4 Rn 2; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 8; BeckOK HGB/Bömeke Rn 1; MünchKommHGB/Heidinger Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; BPatG – 28 W (pat) 7/16, BeckRS 2018, 4915. 29
Burgard
§ 17
1. Buch. Handelsstand
ber ist.5 Das entspricht wiederum der Verkehrsauffassung, die mit der Firma das Unternehmen selbst bezeichnet. 7 Dabei ist die Bedeutung der Firma für Einzelkaufleute und Handelsgesellschaften insofern unterschiedlich, als Einzelkaufleute neben der Firma auch einen bürgerlichen Namen tragen, Handelsgesellschaften dagegen keinen anderen Namen als die Firma haben. Die Firma einer Handelsgesellschaft (§ 17 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1) bildet daher, weil die Gesellschaft sonst im Rechtsverkehr nicht auftreten könnte, einen notwendigen Bestandteil ihrer Identitätsausstattung.6 Verwendet ein Einzelkaufmann bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts seine Firma, so stellt er damit klar, dass das Geschäft zu seinem Handelsgewerbe gehört und damit Handelsgeschäft i.S.d. § 343 ist. Demgegenüber können Handelsgesellschaften überhaupt nur unternehmensbezogen kontrahieren. Privatgeschäfte gibt es bei ihnen nicht. Das gilt bei Formkaufleuten (AG, KGaA, GmbH, eG, SCE, EWiV, SE) kraft Gesetzes (§§ 3 Abs. 1, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG, § 17 Abs. 2 GenG, Art. 8 Abs. 1 lit. c) ii) SCE-VO7 i.V.m. § 17 Abs. 2 GenG, § 1 Hs. 2 EWIVAG, Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO8 i.V.m. § 3 AktG) auch dann, wenn sie gar kein Handelsgewerbe betreiben. 8 Bei der Wahl der Firma sind die Unternehmensträger gleich welcher Rechtsform heute weitgehend frei (Grundsatz der Firmenwahlfreiheit, Vor § 17 Rn 27). Abgesehen von den (nach § 19 und seinen gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen) vorgeschriebenen Rechtsformzusätzen gibt es grundsätzlich keine inhaltlichen Vorgaben für die Firmenbildung mehr. Zulässig ist daher jede Firmenbildung, die den Anforderungen der §§ 18 f, 30 und etwaiger spezialgesetzlicher Regelungen genügt. Mithin besteht freie Wahl zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirmen, die auch kombiniert werden können (sog. Mischfirmen). Näher zu den verschiedenen Firmenarten Vor § 17 Rn 16 ff.
II. Die Firma als Name eines Kaufmanns (Firmenfähigkeit) 9 § 17 Abs. 1 definiert die Firma als den Namen (§ 12 BGB, dazu § 37 Anh I) eines Kaufmanns, unter dem er seine Geschäfte betreibt. Firmenfähig sind daher nur Kaufleute im Sinne der §§ 1 ff. Dabei ist die frühere Unterscheidung zwischen firmenfähigen Vollkaufleuten und nicht firmenfähigen Minderkaufleuten mit der Aufhebung von § 4 Abs. 1 durch das Handelsrechtsreformgesetz zwar entfallen. Auch nach geltendem Recht können Kleingewerbetreibende, deren Gewerbebetrieb nicht die Schwelle des § 1 Abs. 2 erreicht, jedoch keine Firma im Sinne des HGB führen. Ihnen steht aber die Möglichkeit offen, die Kaufmannseigenschaft gerade dadurch zu erwerben, dass sie eine Firma gem. § 2 in das Handelsregister eintragen lassen. Einzelunternehmer, die kein Gewerbe betreiben (also insb. Freiberufler), haben diese Möglichkeit dagegen nicht (näher § 2 Rn 5 ff) und dürfen mithin auch keine Firma führen. Anders kleingewerbliche, vermögensverwaltende und freiberufliche Gesellschaften: Sie können sich ab Inkrafttreten des MoPeG9 (1.1.2024) gemäß §§ 107, 161 Abs. 2 mit einer Firma in das Handelsregister eintragen lassen und werden dadurch zur OHG bzw. KG. 9a Auf die Namen von Partnerschaftsgesellschaften und (künftig) eingetragenen BGB-Gesellschaften dagegen findet zwar gemäß § 2 Abs. 2 PartGG und § 707b BGB i.d.F. des MoPeG Firmenrecht Anwendung. Um Firmen i.S.d. § 17 handelt es sich jedoch trotzdem nicht, weil weder die Partnerschaftsgesellschaft noch die GbR Kaufleute sind. Die GbR kann aber, wie gesagt, nach §§ 107, 161 Abs. 2 i.d.F. des MoPeG bzw., wenn sie bereits in das Gesellschaftsregister eingetragen 5 BGHZ 62, 216 (219 ff); BGHZ 64, 11 (14 f). 6 Vgl. John Die organisierte Rechtsperson (1977), 92 ff, 242 ff. 7 Verordnung (EG) Nr. 1345/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. L 207/1 v. 18.8.2003, 1.
8 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294/1 v. 10.11.2001, 1.
9 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BGBl. I 2021, 3436 ff. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 17
ist, nach § 707c BGB i.d.F. des MoPeG (Statuswechsel) vorgehen. Und auch die Partnerschaftsgesellschaft kann sich im Wege des Statuswechsels gemäß § 707c BGB i.d.F. des MoPeG in eine OHG oder KG umwandeln. Die Firmenfähigkeit beginnt nach dem zuvor Gesagten: – mit der Aufnahme eines Handelsgewerbes (bzw. mit der Erstarkung eines Gewerbes zum Handelsgewerbe) im Sinne des § 1 oder – mit Eintragung gem. §§ 2, 3 Abs. 2, sowie der §§ 107, 161 Abs. 2 i.d.F. des MoPeG oder – mit dem Statuswechsel gem. § 707c BGB i.d.F. des MoPeG oder – mit der Entstehung einer Handelsgesellschaft i.S.d. § 6 (näher dazu sogleich Rn 14). Bei Einzelkaufleuten endet die Firmenfähigkeit: – mit der Einstellung des Gewerbebetriebs oder seiner Veräußerung, – mit der Schrumpfung des Handelsgewerbes zum Kleingewerbe oder der Umstellung des Betriebes auf eine freiberufliche Tätigkeit, sofern die Firma entgegen § 29 nicht im Handelsregister eingetragen ist, sonst mit der Löschung der Firma gem. §§ 2 Satz 3, 31 Abs. 2. Bei Personenhandelsgesellschaften endet die Firmenfähigkeit zudem mit deren Vollbeendigung. Bei Personenhandelsgesellschaften, die nicht in das Handelsregister eingetragen sind, endet die Firmenfähigkeit: – mit der Einstellung des Gewerbebetriebs oder seiner Veräußerung und – mit der Schrumpfung des Handelsgewerbes zum Kleingewerbe oder der Umstellung des Betriebes auf eine freiberufliche Tätigkeit. Bei in das Handelsregister eingetragen Personenhandelsgesellschaften endet die Firmenfähigkeit nicht: – mit der Einstellung des Gewerbebetriebs oder seiner Veräußerung, weil sich die Gesellschaft hernach darauf beschränken kann, ihr eigenes Vermögen zu verwalten (§ 105 Abs. 2) und – mit der Schrumpfung des Handelsgewerbes zum Kleingewerbe (§ 105 Abs. 2) oder (ab dem 1.1.2024) mit der Umstellung des Betriebes auf eine freiberufliche Tätigkeit (§§ 107, 162 Abs. 2 i.d.F. des MoPeG). In beiden Fällen endet die Firmenfähigkeit vielmehr erst mit der Löschung der Firma (§ 105 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 2 S. 3), der Vollbeendigung der Gesellschaft oder (ab dem 1.1.2024) mit einem Statuswechsel nach § 707c BGB i.d.F. des MoPeG. Bei Formkaufleuten (§ 6 Abs. 2) endet die Firmenfähigkeit ebenfalls erst mit der Umwandlung in eine eGbR (§ 200 Abs. 5 UmwG)10 oder der Vollbeendigung. Rechtsfolge: Der Verlust der Firmenfähigkeit hat das Erlöschen der Firma zur Folge. Bei einem Statuswechsel gemäß § 707c BGB i.d.F. des MoPeG zu einer eGbR ändert sich de facto allerdings nur der Rechtsformzusatz. Erlöschen kann die Firma allerdings auch auf andere Weise, dazu Rn 33 ff sowie § 31 Rn 17 ff. Firmenfähig sind mithin außer Einzelkaufleuten auch Handelsgesellschaften und Formkaufleute, § 6 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 17 Abs. 1. Das sind die OHG, KG, GmbH (einschließlich der sog. Unternehmergesellschaft [haftungsbeschränkt] i.S.d. § 5a GmbHG), AG, KGaA, SE und die deutsche EWiV (§§ 105, 161 Abs. 2, §§ 4, 13 Abs. 3 GmbHG, §§ 3 Abs. 1, 4, 278 Abs. 3, 279 AktG, Art. 9 Abs. 1 lit. c) ii) SE-VO i.V.m. §§ 3 SEAG, 3, 4 AktG, § 1 Hs. 2 EWIVAG). Firmenfähig sind ferner die eG (§§ 3, 17 Abs. 2 GenG), die Europäische Genossenschaft (Art. 8 Abs. 1 lit. a) ii) SCE-VO), der VVaG (§ 6 VAG) sowie juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1. Firmenfähig sind schließlich Zweigniederlassungen (dazu Vor § 17 Rn 44 ff); zu Unternehmensträgern mit Sitz im Ausland s. Vor § 17 Rn 52 ff sowie § 33 Rn 5 ff. Nicht firmenfähig ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), weil sie kein Handelsgewerbe betreibt (andernfalls wäre sie OHG). Allerdings finden auf den Namen einer eingetragenen GbR gem. § 707b BGB i.d.F. des MoPeG firmenrechtliche Vorschriften Anwendung. Zudem 10 Das setzt allerdings nach § 228 Abs. 3 UmwG i.d.F. des MoPeG konsequenterweise voraus, dass die Gesellschaft kein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 betreibt. 31
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kann auch eine nicht eingetragene GbR, soweit sie als Außengesellschaft im Rechtsverkehr auftritt,11 eine Geschäftsbezeichnung und/oder eine sog. Minderfirma führen12 (näher dazu Rn 15 ff), die allerdings nicht irreführend sein dürfen (näher dazu Rn 18, 20 ff). Nicht firmenfähig ist ferner die stille Gesellschaft, da sie keine Außengesellschaft ist; nicht die stille Gesellschaft, sondern allein der Geschäftsinhaber betreibt gem. § 230 das Handelsgewerbe. 13 Nicht firmenfähig sind ferner Partnerschaftsgesellschaften, weil sie gem. § 1 Abs. 1 S. 2 PartGG kein Handelsgewerbe ausüben. Gem. § 2 Abs. 1 PartGG sind sie jedoch namensfähig, wobei § 2 Abs. 2 PartGG auf eine Vielzahl firmenrechtlicher Vorschriften des HGB verweist. 14 Die Firmenfähigkeit der Vorgesellschaft (Vor-AG, Vor-GmbH, Vor-Genossenschaft) ist differenzierend zu beurteilen. Die Eigenschaft als Formkaufmann (§ 3 AktG; § 13 Abs. 3 GmbHG; § 17 Abs. 2 GenG) kommt nur der entstandenen juristischen Person zu, lässt sich also auf ihre jeweilige Vorform nicht übertragen.13 Weil die Vorgesellschaft als solche auch nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann, ist ihre Firmenfähigkeit nur zu bejahen, soweit sie selbst ein Handelsgewerbe (§ 1) betreibt.14 Das ist nicht nur dann anzunehmen, wenn ein bestehendes Unternehmen als Sacheinlage eingebracht und von der Vorgesellschaft fortgeführt wird, sondern ab Geschäftsbeginn auch bei der Neugründung eines Unternehmens, wenn es auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist (vgl. u. Rn 31). Fehlt es an dem Betrieb eines Handelsgewerbes, so ist die Vorgesellschaft zwar nicht firmenfähig, sie darf aber als „wesensgleiches Minus“ der künftigen Gesellschaft bzw. Genossenschaft bereits deren künftige Firma als ihren Namen annehmen.15 In jedem Fall ist bis zur Eintragung ein Gründungszusatz (z.B. „i.G.“) zu führen.16
III. Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen 1. Geschäftsbezeichnungen 15 Geschäftsbezeichnungen (§ 5 Abs. 2 S. 1 Fall 3 MarkenG, früher auch „Etablissementbezeichnungen“ genannt) haben ebenso wie Firmen Namensfunktion. Im Unterschied zu Firmen, die als Name des Kaufmanns den Unternehmensträger bezeichnen, benennen Geschäftsbezeichnungen Unternehmen oder Unternehmensteile insbes. Betriebsstätten.17 Im Zweifel ist eine dementsprechende tatsächliche Verwendung entscheidend für die Abgrenzung.18 Typische Geschäftsbezeichnungen sind beispielsweise „Sonnenapotheke“, „Parkhotel“, „Gasthof zum Falken“, „ChinaRestaurant“,19 „Theater am Turm“, „Aparthotel B.“,20 „Berghotel und Restaurant, Stutenhaus“21 oder „Friseursalon Erika“. Hierher gehören aber auch Abkürzungen von Firmen (z.B. „BMW“)
11 MünchKommHGB/Heidinger Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Hopt/Merkt Rn 13; K. Schmidt Gesellschaftsrecht, § 60 I 3b.
12 MünchKommHGB/Heidinger Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Hopt/Merkt Rn 13, 15; GKzHGB/Steitz Rn 4. 13 Wie hier MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; BeckOK HGB/Bömeke Rn 3; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 8. 14 BGHZ 120, 103 (106); MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 25; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Scholz/K. Schmidt § 11 GmbHG Rn 37; Staub/Hüffer4 Rn 14 mwN zur älteren Lit. 15 MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8. 16 Vgl. BGH NJW 1985, 736 (737); MünchKommHGB/Heidinger § 19 Rn 34; Oetker/Schlingloff Rn 13; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 2. 17 LG Landshut – 14 S 2725/12, BeckRS 2014, 6149. 18 BFH – VII R 46/13, DStR 2014, 1874. 19 Beispiel nach FG Münster – 4 K 562/09, BeckRS 2012, 95407. 20 LG Landshut – 14 S 2745/12, BeckRS 2014, 6149. 21 OLG Brandenburg – 7 U 44/19, NZG 2020, 1153 (1154). Burgard
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oder Firmenschlagworte (z.B. „Telekom“) als Unternehmenskennzeichen (Rn 28).22 Der Gegenstand der Bezeichnung – bei der Firma Unternehmensträger, bei der Geschäftsbezeichnung Unternehmen oder Unternehmensteil – ist also ein ganz anderer. Folge ist, dass jeder Unternehmensträger richtigerweise zwar nur eine Firma (Vor § 17 Rn 39 ff), sehr wohl aber mehrere Geschäftsbezeichnungen für mehrere Unternehmen oder Unternehmensteile führen darf. Und umgekehrt kann nicht nur ein Unternehmen unter einer Geschäftsbezeichnung auftreten, sondern es können auch mehrere Unternehmen eine gemeinsame Geschäftsbezeichnung nutzen (z.B. „Sparkassenfinanzgruppe“). Letzteres ist vor allem bei Konzernunternehmen verbreitet (z.B. „Deutsche Bank Gruppe“). Vor der Handelsrechtsreform war problematisch, inwieweit Geschäftsbezeichnungen in die 16 Firma aufgenommen werden konnten.23 Heute ist dies bei allen firmenfähigen Unternehmensträgern nach allgemeinen Regeln möglich.24 Jedermann kann seinen Unternehmen oder Betrieben Namen und damit Geschäftsbezeich- 17 nungen geben. Der Kaufmann kann Geschäftsbezeichnungen neben seiner Firma führen, nicht aber an deren Stelle. Bei bestehender Firmenführungspflicht darf ein Kaufmann die Angabe der Firma daher nicht durch die Angabe einer bloßen Geschäftsbezeichnung ersetzen (näher § 37 Rn 15 ff).25 Der Nichtkaufmann kann Geschäftsbezeichnungen neben einer Minderfirma (dazu Rn 19 ff) führen.26 Die Wahl von Geschäftsbezeichnungen ist frei. Es können daher sowohl Personennamen 18 als auch Sach- und Phantasiebezeichnungen sowie Mischformen („Antiquariat Anton Huber“, „Sonnenapotheke“) gewählt werden. Geschäftsbezeichnungen dürfen allerdings nicht irreführend oder unwahr sein.27 Insbes. darf nicht der unzutreffende Eindruck erweckt werden, das Unternehmen sei ein Handelsgewerbe. Ein kleingewerblicher Handel darf daher nicht als Großhandel bezeichnet werden usw. (s. ferner u. Rn 20 ff). Zum Schutz von Geschäftsbezeichnungen s. Anh. I und II zu § 37.
2. Minderfirmen Die von einem Nichtkaufmann geführte Geschäftsbezeichnung wird von manchen als „Minder- 19 firma“ bezeichnet.28 Das ist für das Verständnis hinderlich, weil Geschäftsbezeichnungen Unternehmen oder Betriebsstätten benennen, wohingegen die Firma der Name des Kaufmanns, also des Unternehmensträgers ist. Als „Minderfirma“ sollte daher nur eine solche Bezeichnung angesprochen werden, die von einem Nichtkaufmann wie eine Firma geführt wird, d.h. nicht das Unternehmen, sondern den Unternehmensträger, also den nichtkaufmännischen Inhaber bezeichnet. Vor der Handelsrechtsreform durften Nicht- und Minderkaufleute nach hM keine firmen- 20 ähnlichen Geschäftsbezeichnungen oder Minderfirmen führen. Bezeichnungen wie „Grafik-Ser-
22 Wie hier MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 35; Oetker/Schlingloff Rn 7; aA Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 23 S. dazu statt anderer Staub/Hüffer4 Rn 25. 24 MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; BeckOK HGB/Bömeke Rn 35; Oetker/Schlingloff Rn 7; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 25 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; Oetker/Schlingloff Rn 7; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. 26 K. Schmidt Handelsrecht § 12 I 2b) bb); MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; HKzHGB/Ruß Rn 2. 27 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9a; Koller/Kindler//Roth/Drüen Rn 8. 28 Dahingehend MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; Oetker/Schlingloff Rn 8; BeckOK HGB/Bömeke Rn 36; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 14; unklar bspw. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; für eine Aufgabe des Begriffs zu Unrecht Hopt/Merkt Rn 13; undifferenziert nur von Geschäftsbezeichnungen schreibt etwa Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. 33
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vice H. Winter“ oder „Müller-Schuhe“ waren danach unzulässig.29 Diese Rechtsprechung wurde zu Recht kritisiert,30 führte zu schwierigen Abgrenzungsfragen, einer unüberschaubaren und kaum nachvollziehbaren Kasuistik und dementsprechender Rechtsunsicherheit. Durch die Handelsrechtsreform wurde für jede Firma verbindlich ein Rechtsformzusatz eingeführt (§ 19, §§ 4, 279 AktG, §§ 4, 5a Abs. 1 GmbHG, Art. 11 Abs. 1 SE-VO, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, § 3 GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO, § 6 Abs. 1 S. 1 VAG, § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG). Grund hierfür war neben der Publizität der Haftungsverhältnisse ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs auch, die Abgrenzung zwischen Firmen im Sinne des HGB und Geschäftsbezeichnungen zu erleichtern:31 Danach zeigt das Fehlen eines kaufmännischen Rechtsformzusatzes an, dass es sich bei der Bezeichnung nicht um eine Firma i.S.d. HGB handeln kann.32 Eine ohne Rechtsformzusatz gebrauchte Geschäftsbezeichnung oder Minderfirma erweckt daher heute nicht mehr den unzulässigen Eindruck einer Firma.33 Das Verbot firmenähnlicher Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen erfasst daher heute 21 nur noch die unberechtigte Verwendung eines gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsformzusatzes. Wegen § 2 Abs. 1 PartGG unzulässig ist daher beispielsweise der unberechtigt geführte Zusatz „& Partner“ oder „Partnerschaft“34 (zulässig ist dagegen die nicht rechtsformspezifische Verwendung etwa in einem zusammengesetzten Wort z.B. „IRP Ihr Reifenpartner“).35 Verwenden Nichtkaufleute einen kaufmännischen Rechtsformzusatz wie e.K. oder OHG, greift § 37 Abs. 1 ein.36 Grundsätzlich zulässig sind dagegen heute zutreffende Inhaber- und Nachfolgezusätze, Hinweise auf familiäre Beziehungen („Gebrüder“, „Geschwister“, „Söhne“, „Erben“) sowie Verbindungskürzel wie „& Co.“ oder „& Cie“, die früher als Hinweis auf ein kaufmännisches Unternehmen verstanden wurden, heute dagegen nur noch auf ein Gesellschaftsverhältnis hindeuten.37 Besteht kein Gesellschaftsverhältnis sind „& Co.“ und „& Cie“ daher unzulässig, weil auch für Minderfirmen (zu Geschäftsbezeichnungen s. bereits Rn 18) das Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2 analog) bzw. das Wahrheitsgebot gilt (näher § 18 Rn 41 ff) gilt.38 Nicht statthaft ist daher eine Minderfirma als Firma zu bezeichnen (z.B. „Fa. Anton Huber“).39 Unzulässig sind auch Zusätze, die sich an gesetzlich vorgeschriebene Zusätze anlehnen und geeignet sind, über die Rechtsform irrezuführen (z.B. „Anton Huber, Kaufmann“, nicht aber „Anton Huber, Dipl.Kfm.“).40 Unzulässig sind mithin auch sonstige Bezeichnungen, die den Eindruck eines Handelsgewerbes erwecken (s.o. Rn 18). Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann als solche (auch abgekürzt als „GbR“) bezeich22 net werden (s. auch Rn. 23). Der Zusatz „eingetragene“ bzw. die Abkürzung „eGbR“ ist dagegen nur bei Eintragung der BGB-Gesellschaft in das Gesellschaftsregister zulässig und geboten (§ 707a Abs. 2 BGB i.d.F. des MoPeG). Zulässig sind weiterhin Zusätze wie „ARGE“ oder „Konsor29 BayObLG NJW-RR 1989, 421; OLG Hamm ZIP 1989, 1130 mit zust. Anmerkung Möller EWiR 1989, 905 f; Staub/ Hüffer4 § 37 Rn 8 mwN. 30 Canaris Handelsrecht § 11 Rn 47; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 28 ff; Bokelmann NJW 1987, 1683. 31 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 38. 32 LG Leipzig – 7 O 3974/09, BeckRS 2010, 16562. 33 Oetker/Schlingloff Rn 8; Hopt/Merkt Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 9a; Ulmer ZIP 1999, 509; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 17. 34 BGHZ 135, 257; zu Altgesellschaften aus der Zeit vor dem 1.7.1995 OLG Karlsruhe NJW 1998, 1160. 35 MünchKommHGB/Heidinger § 18 Rn 185; Kögel Rechtspfleger 2000, 255 (259); OLG München – 31 Wx 89/06, ZIP 2007, 770. 36 Oetker/Schlingloff Rn 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Heidinger Rn 40; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15. 37 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9a; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; aA HKzHGB/Ruß Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke Rn 36 sowie früher etwa OLG Zweibrücken DB 1990, 36; BayObLG DB 1988, 2559; Frey BB 1992, 875; Wessel BB 1987, 147. 38 Anstelle anderer GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 17. 39 GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 17; MünchKommHGB/Heidinger Rn 40; Oetker/Schlingloff Rn 8. 40 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; MünchKommHGB/Heidinger § 18 Rn 184. Burgard
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tium“.41 Bei Eintragung der Gesellschaft müssen sie aber um den Rechtsformzusatz nach § 707a Abs. 2 BGB i.d.F. des MoPeG ergänzt werden. Bei dem Zusatz „GbR mbH“ bzw. „eGbR mbH“ wird man richtigerweise drei Fälle unter- 22a scheiden müssen. Erstens: Unzulässig, weil unzutreffend und deshalb irreführend, ist diese und jede inhaltsgleiche Bezeichnung jedenfalls dann, wenn damit entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung42 die persönliche Haftung der Gesellschafter ausgeschlossen werden soll.43 Zweitens muss dagegen künftig der Name einer eingetragenen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der keine natürliche Person als Gesellschafter haftet, nach § 707a Abs. 2 S. 2 BGB i.d.F. des MoPeG eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Diese Vorschrift ist, ausweislich ihrer Begründung, an § 19 Abs. 2 angelehnt.44 Das bedeutet freilich nicht, dass eine Firmierung als „GmbH & Co. eGbR“ zwingend wäre (s. § 19 Rdn. 11 ff.); denn das Gesetz ist offen formuliert und ein so verbreiteter wie festgefügter Gebrauch wie bei der „GmbH & Co. KG“ wird sich kaum herausbilden. Zulässig sind daher auch eine der folgendenden Bezeichnungen: „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit haftungsbeschränkten Gesellschaftern“ „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit beschränkter Haftung“, „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts haftungsbeschränkt“, „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts mbH“, „eGbR mit beschränkter Haftung“, „eGbR haftungsbeschränkt“ oder „eGbR mit Gesellschaftern mbH“. Die Abkürzung „eGbR mbH“ ist dagegen (noch) problematisch, weil fraglich ist, ob sie zutreffend oder etwa als Zusatz einer neuen Rechtsform verstanden wird (s. auch § 19 Rn. 26). Um Rechtssicherheit zu schaffen und einem Wirrwarr unterschiedlichster Bezeichnungen vorzubeugen, sollte der Gesetzgeber daher bei nächster Gelegenheit klare Vorgaben machen. Anderfalls wird es der Rechtsverkehr schwer haben zu verstehen, dass hinter diesen unterschiedlichen Zusätzen die gleiche Art von Gesellschaft steckt. Drittens ist fraglich, wie mit nicht eingetragenen BGB-Gesllschaften umzugehen ist. Da- 23 bei ist davon auszugehen, dass nicht eingetragene BGB-Gesellschaften auch nach Inkrafttreten des MoPeG weiterhin den Zusatz „GbR“ führen dürfen. Dabei schadet die Nähe zu dem Zusatz „eGbR“ schon deswegen nicht, weil es sich nicht um unterschiedliche Rechtsformen handelt. Außerdem darf man dem Rechtsverkehr durchaus ein genaues Hinschauen zutrauen (der Rechtsformzusatz „KG“ und „AG“ unterscheiden sich ja nur durch einen Buchstaben). Der Zusatz „GbR mbH“ ist dagegen aus vorgenannten Gründen problematisch (s. auch Voraufl. Rn. 22). Zulässig ist aber insb. „GbR mit beschränkter Hatfung“, „GbR haftungsbeschränkt“, „GbR mit Gesellschaftern mbH“ und „Gesellschaft bürgerlichen Rechts mbH“. Da auch Minderfirmen grundsätzlich den Zusatz „& Co“ verwenden dürfen (Rn. 21), wird man gegen die Bezeichnung als „GmbH & Co. GbR“ ebenfalls nichts einwenden können. Als Minderfirma können Personen-, Sach-, Phantasie- und Mischbezeichnungen geführt 24 werden,45 soweit sie nicht irreführend i.S.d. § 18 Abs. 2 sind.46 Das gilt auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts,47 und zwar auch, wenn sie nicht im Gesellschaftsregister eingetragen ist.48 Zur Frage der Anwendbarkeit von firmenrechtlichen Vorschriften auf Nichtkaufleute bzw. Minderfirmen wird auf die Erläuterungen der einzelnen Vorschriften (jeweils unter der Überschrift „Anwendungsbereich“) verwiesen.
41 42 43 44 45 46 47 48
MünchKommBGB/Schäfer § 705 Rn 271. BGHZ 142, 315. Zutr. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 19 Rn 43. Begr. RegE, BR-Ds. 59/21, S. 145. GKzHGB/Steitz Vor §§ 17– 24 Rn 17, 26 ff; Hopt/Merkt Rn 13. Anstelle anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 40. S. nur Begr RegE zu § 707 Abs. 1 BGB n.F., BR-Drucks. 59/21, 140. So schon zum alten Recht Staub/Burgard5 Rn. 24; MünchKommHGB/Heidinger Rn 20, 38 f; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 1, 23; vgl MünchKommBGB/Schäfer § 705 Rn 278; Timm NJW 1995, 3214; vgl. auch BVerwG NJW 1987, 3020. 35
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Schutz genießen Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen in mehrfacher Hinsicht. Zum einen greifen die Vorschriften der §§ 5, 15 MarkenG zum Schutz von Unternehmenskennzeichen (dazu Anh. II zu § 37) ein. Zum Zweiten ist subsidiär § 12 BGB anwendbar (dazu Anh. I zu § 37). Schließlich kommt ein wettbewerbsrechtlicher Schutz über §§ 3, 4, 5 UWG in Betracht.
3. Unternehmenskennzeichen 26 Unternehmenskennzeichen sind gem. § 5 Abs. 2 MarkenG Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. Dabei stehen der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten. Gem. § 15 Abs. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, solche geschäftlichen Bezeichnungen oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechselungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr auch dann zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechselungen im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG besteht, soweit die Benutzung des Zeichens aber die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Im Verletzungsfall kann der Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung den Dritten auf Unterlassung in Anspruch nehmen und bei schuldhaftem Handeln Schadensersatz verlangen (eingehend Anh. II zu § 37).
4. Marken 27 Marken sind gem. § 3 Abs. 1 MarkenG Zeichen – das sind insbes. Buchstaben, Zahlen und Wörter einschließlich von Personennamen, Abbildungen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich von Farben und Farbzusammenstellungen –, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Sie sind gem. § 14 MarkenG geschützt, wobei der Schutz gem. § 4 MarkenG insbes. durch Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register (§§ 7 ff, 32 ff MarkenG) entsteht oder durch die Benutzung des Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat. Marken können, soweit sie aussprechbar (§ 18 Rn 8 ff) sind, auch Bestandteil einer Firma sein (z.B. „Coca-Cola Deutschland GmbH“). Auch in diesem Fall sind aber Marke und Firma voneinander unabhängige Rechte.49
5. Sonstige Bezeichnungen 28 Firmenabkürzungen (z.B. „BMW“) und Firmenschlagworte (z.B. „Telekom“ oder „PAARDUR Schiefer“50) sind Kurzbezeichnungen der vollständigen Firma. Rechtlich sind sie als Geschäftsbezeichnungen (o. Rn 15 ff) und Unternehmenskennzeichen (o. Rn 26) einzuordnen. Sie unterscheiden sich dadurch, dass ein Firmenschlagwort Bestandteil der vollständigen Firma ist, während eine 49 BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 11; MünchKommHGB/Heidinger Rn 41. 50 OLG Köln – 6 U 67/10, NZG 2011, 155 f. Burgard
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Firmenabkürzung aus der vollständigen Firma abgeleitet wird (näher Anh. II zu § 37 Rn 7 f). Seit der Handelsrechtsreform können Abkürzungen auch als Firma geführt werden (z.B. „BASF SE“). Bildzeichen können schon deshalb nicht Firma sein, weil sie keine aussprechbare Bezeich- 29 nung sind und daher nicht als Name zu fungieren vermögen (s. § 18 Rn 8 ff). Es kann sich aber um Unternehmenskennzeichnungen (Rn 26) oder Marken (Rn 27) handeln. Adressen – insbes. Postanschriften, Telegrammadressen (z.B. „Hamburger Kinderstube“;51 30 „Meisterbrand Bingenrhein“52), Internetadressen (sog. Domains, z.B. „www.fnet.de“53), E-MailAdressen (z.B. „D@B“)54 und Telefonnummern (z.B. „11880“) – dienen der Kommunikation und der Erbringung von Leistungen. Zugleich können solche Adressen bzw. Adressbestandteile, soweit sie aussprechbar (§ 18 Rn 8 ff) sind, auch Bestandteil einer Firma sein. Ferner kann es sich um Geschäftsbezeichnungen bzw. Minderfirmen, Geschäftsabzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG (Anh. II zu § 37 Rn 10) und/oder Marken handeln.
C. Entstehen und Erlöschen der Firma I. Entstehen Betreibt ein Unternehmer ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 (Istkaufmann), entsteht die Fir- 31 ma durch ihren tatsächlichen Gebrauch.55 Das gilt für einen Einzelkaufmann, eine OHG und eine KG gleichermaßen, und zwar bei Gründung eines Unternehmens bereits ab Geschäftsbeginn, wenn es auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist.56 Die gem. § 29 erforderliche Eintragung hat in diesem Fall nur deklaratorische Bedeutung. In den Fällen der §§ 2, 3, 107 (Kannkaufmann) ist die Eintragung dagegen konstitutiv. Folglich entsteht die Firma erst mit der Eintragung.57 Ein zuvor geführter Name kann Minderfirma (s.o. Rn 19 ff) oder bloße Geschäftsbezeichnung (o. Rn 15 ff) sein. Gleiches gilt in den Fällen des § 33.58 Formkaufmann (§ 6 Abs. 2) sind die AG, KGaA, SE, GmbH (einschließlich der sog. Unter- 32 nehmergesellschaft [haftungsbeschränkt] i.S.d. § 5a GmbHG), eG, SCE und deutsche EWiV (Vor § 17 Rn 10). Sie entstehen als solche erst mit der Eintragung in das Handelsregister und sind daher grundsätzlich auch erst zu diesem Zeitpunkt firmenfähig. Mithin entsteht auch ihre Firma grundsätzlich erst mit der Eintragung in das Handelsregister.59 Nur wenn die Vorgesellschaft ausnahmsweise bereits ein Handelsgewerbe betreibt und daher firmenfähig ist (s.o. Rn 14), entsteht die Firma bereits durch den tatsächlichen Gebrauch.60 Die Firma eines VVaG entsteht mit der Erteilung der Geschäftserlaubnis, §§ 8, 171 VAG.61 32a 51 52 53 54
BGH GRUR 1955, 481. BGH GRUR 1957, 87. LG München I GRUR 2000, 800. Kiesel/Neises/Plewa/Poneleit/Rolfes/Wurster DNotZ 2015, 740 (744 f); Clausnitzer DNotZ 2010, 345 (348 f); Wagner NZG 2001, 802; Wachter GmbHR 2001, 477; Mankowski MDR 2001, 1124; aA BayObLG NJW 2001, 2337 mit Anm. Spindler EWiR 2001, 729; OLG Braunschweig WRP 2001, 287 mit abl. Anm. Mankowski EWiR 2001, 275. Für Firmenfähigkeit LG München I – 17 HKT 920/09, MittBayNot 2009, 315; LG Berlin NZG 2004, 532 mit zust. Anm. Thomas/ Bergs GmbHR 2004, 532. 55 Anstelle anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Oetker/Schlingloff Rn 15; Henssler/Strohn/ Wamser Rn 11. 56 MünchKommHGB/Heidinger Rn 43; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Oetker/Schlingloff Rn 15. 57 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Oetker/Schlingloff Rn 15; BeckOK HGB/Bömeke Rn 22. 58 MünchKommHGB/Heidinger Rn 43; Oetker/Schlingloff Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26. 59 Oetker/Schlingloff Rn 15; BeckOK HGB/Bömeke Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26. 60 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; BeckOK HGB/Bömeke Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 18. 61 Vgl. hierzu statt aller Erbs/Kohlhaas/Wache/Lutz § 171 VAG Rn 3; Kaulbach/Bähr/Pohlmann VAG § 5 Rn 2–12, § 15 Rn 1, 10. 37
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II. Erlöschen 1. Allgemeine Regeln 33 a) Aufgabe und Änderung der Firma. Eine Firma erlischt, wenn sie endgültig aufgegeben wird.62 Solange der Unternehmensträger zur Führung einer Firma verpflichtet ist (Rn 51), muss er aber eine neue Firma annehmen und zum Handelsregister anmelden. Jede Änderung einer Firma ist also genau betrachtet die Aufgabe der alten unter Annahme einer neuen Firma.63 Zur registerrechtlichen Behandlung s. § 31 Rn 7 ff, 17 ff. Solange eine Firmenführungspflicht besteht, ist die Firma in der im Handelsregister eingetragenen Form zu führen (näher § 37 Rn 13).64
34 b) Firmenfortführung. In den Fällen der §§ 21, 22, 24 erlischt die Firma nicht, sondern kann fortgeführt werden. Zwar liegt in einer Geschäftsveräußerung regelmäßig die Aufgabe des Gewerbebetriebs durch den bisherigen Inhaber, was bei Einzelkaufleuten, nicht aber bei Handelsgesellschaften (s.u. Rn 38 ff, 46), grundsätzlich zum Erlöschen der Firma führt. Weil § 22 die Fortführung der Firma durch den Erwerber zulässt, wenn der Veräußerer einwilligt, erlischt sie jedoch selbst bei Einzelkaufleuten mit der Veräußerung nur dann, wenn die Einwilligung nicht erteilt wird oder der Erwerber trotz Einwilligung von seinem Recht zur Firmenfortführung keinen Gebrauch macht, indem er entweder die erworbene Firma aufgibt oder sie von vornherein über das nach § 22 erlaubte Maß (§ 22 Rn 84 ff) verändert, so dass keine Firmenkontinuität mehr gegeben ist (§ 31 Rn 17). Folgerichtig unterscheidet § 31 zwischen der Anmeldung des Inhaberwechsels (Abs. 1) und des Erlöschens (Abs. 2). Wird dagegen die Einwilligung im Fall des § 24 Abs. 2 nicht erteilt, wird zwar die Firmenfortführung unzulässig. Die Firma erlischt jedoch nicht (näher § 31 Rn 8).65
35 c) Formwechsel. Gem. § 190 Abs. 1 UmwG können Rechtsträger i.S.d. § 191 Abs. 1 UmwG durch Formwechsel eine andere Rechtsform i.S.d. § 191 Abs. 2 UmwG erhalten. Nach § 200 Abs. 1 und 2 UmwG darf dabei der Rechtsträger neuer Rechtsform seine bisherige Firma grundsätzlich behalten und muss nur den Rechtsformzusatz entsprechend der neuen Rechtsform ändern. § 200 Abs. 3 UmwG sieht eine § 24 Abs. 2 vergleichbare Regelung vor. Bei Partnerschaftsgesellschaften ist § 200 Abs. 4 UmwG zu beachten. Ein Formwechsel in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts führt gem. § 200 Abs. 5 UmwG zum Erlöschen der Firma, da diese nicht firmenfähig ist (Rn 12).
36 d) Verschmelzung. Für den Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) darf der übernehmende Rechtsträger gem. § 18 Abs. 1 UmwG die Firma eines der übertragenden Rechtsträger,66 dessen Handelsgeschäft er durch die Verschmelzung erwirbt, mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen. § 18 Abs. 2 UmwG enthält wiederum eine § 24 vergleichbare Regelung, § 18 Abs. 3 UmwG eine Sonderregelung für Partnerschaftsgesellschaften. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers erlöschen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG die übertragenden Rechtsträger und damit auch deren Firmen, wenn der übernehmende Rechtsträger sie nicht 62 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Oetker/Schlingloff Rn 15; Hopt/Merkt Rn 23. 63 MünchKommHGB/Heidinger Rn 44; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28; Heymann/Förster Rn 45; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 199. 64 BayObLG DB 1992, 569; MünchKommHGB/Heidinger Rn 44; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28. 65 MünchKommHGB/Heidinger § 24 Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 24 Rn 31. 66 Welche Rechtsträger verschmelzungsfähig sind, ist in § 3 UmwG geregelt. Burgard
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fortführt. Im Fall einer Verschmelzung durch Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) gilt nach § 36 Abs. 1 UmwG Entsprechendes.
e) Spaltung. Bei der Spaltung unterscheidet § 123 UmwG zwischen der Aufspaltung, Abspal- 37 tung und Ausgliederung. Im Fall der Aufspaltung gilt gem. § 125 S. 1 UmwG § 18 UmwG entsprechend (Rn 36), weil der übertragende Rechtsträger ebenso wie bei der Verschmelzung erlischt (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Im Fall der Abspaltung und Ausgliederung schließt § 125 S. 1 UmwG dagegen eine entsprechende Anwendung des § 18 UmwG aus, weil der übertragende Rechtsträger fortbesteht (näher zu §§ 18, 125 UmwG Anh. zu § 22). 2. Rechtsformspezifische Regeln a) Einzelkaufmann. Die Firma eines entgegen § 29 nicht eingetragenen Einzelkaufmanns 38 erlischt, wenn das Handelsgewerbe zum Kleingewerbe absinkt, das Unternehmen also nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht mehr erfordert (§ 1 Abs. 2), da der Gewerbetreibende nun nicht mehr firmenfähig (Rn 9 f) und die Firma eben nicht in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 2, 5).67 Die Firma eines gem. § 29 oder §§ 2, 3 Abs. 2 eingetragenen Kaufmanns erlischt dagegen gem. §§ 2, 5 nicht, wenn das Unternehmen kleingewerblich ist oder wird68.69 In diesem Fall erlischt die Firma erst mit der (insoweit konstitutiv wirkenden) Löschung durch das Registergericht auf Antrag des Gewerbetreibenden (§§ 2 S. 3, 31 Abs. 2 S. 1). In beiden Fallen kann der Gewerbetreibende die Firma (freilich ohne den Rechtsformzusatz nach § 19 Abs. 1 Nr. 170) aber grundsätzlich (d.h. falls sie nicht irreführend wird) als Minderfirma (Rn 19 ff) beibehalten. Wird hingegen der Gewerbebetrieb endgültig – also nicht nur vorübergehend – einge- 39 stellt71 oder in ein freiberufliches Unternehmen umgestellt oder wird eine Firma eingetragen, obwohl von vornherein ein freiberufliches oder gar kein Unternehmen betrieben wird, so besteht Einigkeit, dass die Eintragung mangels Firmenfähigkeit des Rechtsträgers (Rn 9 f) unzulässig ist bzw. wird. Meinungsstand. Nach herrschender Meinung erlischt in diesem Fall zugleich die Firma 40 (bzw. entsteht gar nicht erst),72 so dass die Eintragung nach § 31 Abs. 2 bzw. § 393 FamFG (= § 141 FGG a.F.) lediglich deklaratorisch wirkt.73 §§ 2, 5 kommen danach nicht zur Anwendung, weil beide Vorschriften ihrem Wortlaut nach den Betrieb eines Gewerbes voraussetzen (§ 2 Rn 5 ff, § 5 Rn 8 ff).74 Zum Schutz des Rechtsverkehrs greift allerdings, solange die Eintragung besteht, § 15 Abs. 1 oder 3 ein.75 Demgegenüber will Karsten Schmidt § 5 auch dann (analog) anwenden, wenn kein Gewerbe betrieben wird, sei es weil von vornherein kein Gewerbebetrieb 67 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15, § 31 Rn 10; MünchKommHGB/Heidinger Rn 47. 68 Zum Meinungsstand, ob bei einem Absinken zum Kleingewerbe zumindest ein konkludenter Neuantrag nach § 2 S. 1 erforderlich ist, MünchKommHGB/K. Schmidt § 2 Rn 19.
69 MünchKommHGB/Heidinger Rn 47; Oetker/Schlingloff Rn 17; GKzHGB/Steitz § 31 Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 15; K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2163); ders. ZHR 163 (1999), 87 (90 f). 70 Zur Frage der Führung dieses Zusatzes bei entgegen § 29 nicht eingetragenen Kaufleuten § 19 Rn 8. 71 Näher zu der Frage, wann ein Gewerbebetrieb endgültig und nicht nur vorübergehend eingestellt ist MünchKommHGB/Heidinger Rn 45 f. 72 Hopt/Merkt Rn 23; MünchKommHGB/Heidinger Rn 48; BeckOK HGB/Bömeke Rn 25; Oetker/Schlingloff Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29. 73 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; MünchKommHGB/Heidinger Rn 45; BeckOK HGB/Bömeke Rn 25. 74 MünchKommHGB/Heidinger Rn 45, § 5 Rn 21; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19, § 2 Rn 2, § 5 Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29. 75 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Gehrlein § 15 Rn 13; Oetker/Preuß § 15 Rn 27. 39
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bestand oder dieser aufgegeben wurde, sei es weil das Unternehmen freiberuflich ist oder wird.76 Danach ist also jeder in das Handelsregister eingetragene und tatsächlich existente77 Rechtsträger, solange die Eintragung besteht, Kaufmann.78 Auf § 15 Abs. 1 oder 3 kommt es nicht an.79 Dementsprechend erlischt die Firma erst mit der Eintragung nach § 31 Abs. 2 bzw. § 395 FamFG (= § 142 FGG a.F.), die nach dieser Ansicht mithin konstitutiv wirkt. 41 Stellungnahme. Im praktischen Ergebnis scheinen die Unterschiede zwischen beiden Ansichten auf den ersten Blick nicht sehr bedeutend zu sein. Sie bestehen insbes. darin, dass § 5 für und gegen jedermann wirkt, d.h. anders als § 15 Abs. 1 und 3 nicht nur zugunsten, sondern auch zulasten Dritter und nicht nur zulasten des Eingetragenen, sondern auch zu dessen Gunsten.80 Anders als nach § 15 Abs. 1 und 3 kommt es nach § 5 ferner weder auf eine Bekanntmachung noch auf die Kenntnis der wahren Sachlage seitens des Dritten an.81 M.a.W. erkauft Karsten Schmidt einen Gewinn an Rechtssicherheit, -klarheit und -einfachheit mit einem Verlust an Einzelfallgerechtigkeit. Der herrschenden Meinung ist daher zu folgen. Durch eine Insolvenz wird der Gewerbebetrieb (noch) nicht endgültig aufgegeben. Die Fir42 ma erlischt daher nicht. Vielmehr fällt sie in die Insolvenzmasse und kann durch den Insolvenzverwalter zusammen mit dem Handelsgeschäft gem. § 22 veräußert werden (näher § 22 Rn 54 ff). Wird sie veräußert, so erlischt die Firma, wenn der Erwerber von seinem Recht zur Firmenfortführung keinen Gebrauch macht, indem er entweder die erworbene Firma aufgibt oder sie von vornherein über das nach § 22 erlaubte Maß verändert, so dass keine Firmenkontinuität mehr gegeben ist (§ 22 Rn 105, § 31 Rn 17; zur Bildung einer Ersatzfirma nach Veräußerung s. § 22 Rn 67 ff, 115 f). Wird die Firma nicht veräußert, so erlischt sie mit Abschluss des Insolvenzverfahrens unter Vollbeendigung des Handelsgeschäfts.82 Die Firma erlischt nicht durch den Tod des Einzelkaufmanns, weil sie zusammen mit dem 43 Unternehmen vererblich ist (§§ 22, 27, § 1922 BGB). Die Firma erlischt nach dem zuvor Gesagten nur, wenn der Erbe entweder das Handelsgeschäft einstellt (Rn 40 ff) oder die Firma aufgibt (Rn 34).83
44 b) Personenhandelsgesellschaft. Auch bei der OHG und KG ist danach zu unterscheiden, ob die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Ist sie nicht eingetragen, wandelt sie sich kraft Gesetzes (Rechtsformzwang) zur GbR, wenn der Gewerbebetrieb kleingewerblich, aufgegeben oder der Unternehmensgegenstand in eine freiberufliche Tätigkeit umgestellt wird. Dadurch erlischt zugleich die Firma, die aber grundsätzlich (d.h. falls sie durch die genannten Veränderungen nicht irreführend wird) als Minderfirma ohne Rechtsformzusatz oder mit dem Rechtsformzusatz „GbR“ fortgeführt werden kann.84 Ist die OHG oder KG eingetragen, so greift der vorstehend beschriebene Rechtsformzwang 45 wegen § 105 Abs. 2 nicht ein. Nach § 107 i.d.F. des MoPeG wird dies ab dem 1.1.2024 auch für die Umstellung des Betriebs auf eine freiberufliche Tätigkeit gelten, sofern das Berufsrecht nicht entgegensteht. Die Gesellschaft besteht daher auch bei Absinken zur Kleingewerblichkeit (und künftig auch bei Umstellung auf Freiberuflichkeit) als OHG oder KG weiter. Die Firma erlischt erst mit ihrer Löschung (§ 105 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 2 S. 3), der Vollbeendigung der Gesellschaft oder (ab dem 1.1.2024) mit einem Statuswechsel nach § 707c BGB i.d.F. des MoPeG. Im zuletzt 76 77 78 79 80 81 82 83 84
MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 22 ff. MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 18. MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 13. MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 16. MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 32. MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 27. BayObLG MDR 1979, 674 f; MünchKommHGB/Krafka § 31 Rn 11 f; Hopt/Merkt Rn 47; BeckOK HGB/Bömeke Rn 53. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 31; MünchKommHGB/Heidinger Rn 46; Heymann/Förster Rn 50. MünchKommHGB/Heidinger Rn 55; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16 aE; Oetker/Schlingloff Rn 18.
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genannten Fall wird die Firma zum Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Rechtsformzusatz „eGbR“. Die Aufgabe des Gewerbebetriebs einer OHG oder KG führt dagegen schon nach bisher 46 herrschender Meinung nicht zum Erlöschen der Firma.85 Das gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft überdies vermögenslos ist;86 denn die bloße Aufgabe des Gewerbebetriebs ist nach § 131 Abs. 1 (ebenso § 138 Abs. 1 i.d.F. des MoPeG) nicht einmal ein Auflösungsgrund. Allerdings kann der Beschluss, den Gewerbebetrieb aufzugeben, einen Auflösungsbeschluss beinhalten.87 Ist die Gesellschaft aufgelöst, so ist zu unterscheiden: Wird entgegen der gesetzlichen Regel des § 145 Abs. 1 kein Liquidationsverfahren durchgeführt,88 so erlischt die Firma, falls niemand anderes das Handelsgeschäft mitsamt der Firma fortführt.89 In diesem Fall ist das Erlöschen der Firma gem. § 31 Abs. 2 einzutragen. Wird hingegen ein Liquidationsverfahren durchgeführt, so besteht die Gesellschaft bis zur Beendigung des Liquidationsverfahrens fort90 und behält bis dahin zudem die Kaufmannseigenschaft.91Das ergibt sich auch aus § 105 Abs. 2 (§ 107 Abs. 1 i.d.F. des MoPeG), wonach eine Gesellschaft, die lediglich ihr eigenes Vermögen verwaltet, OHG bleibt, solange sie eingetragen ist. Die Eröffnung des Liquidationsverfahrens führt firmenrechtlich lediglich dazu, dass die Firma gem. § 153 mit einem Liquidationsvermerk (z.B. „i.L.“) zu versehen ist.92 Erst wenn das Liquidationsverfahren beendet und damit die Gesellschaft vermögenslos ist, tritt Vollbeendigung der Gesellschaft ein, womit die Firma erlischt. Das Erlöschen ist sodann gem. § 157 Abs. 1 (§ 150 i.d.F. des MoPeG) anzumelden und hat bloß deklaratorische Bedeutung.93 Wird nach der Eintragung des Erlöschens eine Nachtragsliquidation erforderlich, kann die Gesellschaft die Firma nur als Firma i.S.d. HGB mit Liquidationsvermerk fortführen, wenn sie ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 betreibt oder gem. § 105 Abs. 2 (107 i.d.F. des MoPeG) wieder in das Handelsregister eingetragen wird.94 Andernfalls kann sie die Firma nur als Minderfirma (o. Rn 15 ff) ohne den Rechtsformzusatz gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2, 3, fakultativ aber mit dem Rechtsformzusatz „GbR“ führen, wobei sie einen Liquidationsvermerk hinzufügen sollte. Das gilt auch im Fall des § 143 Abs. 1 S. 2. Lässt sich die Gesellschaft künftig in das Gesellschaftsregister (§ 707 i.d.F. des MoPeG) eintragen, ist die Beifügung eines Liquidationszusatzes zwingend (§ 736d i.d.F. des MoPeG). Zur Veräußerung des Gewerbebetriebs einer Personenhandelsgesellschaft s. § 31 Rn 25. Bei Insolvenz der Gesellschaft gilt grundsätzlich dasselbe wie bei Einzelkaufleuten (Rn 42). 47 Zu beachten sind allerdings eine Reihe spezieller Vorschriften, §§ 130a (nicht mehr belegt), 131 Abs. 1 Nr. 3 aF (idF ab 1.1.2024: § 138 Abs. 1 Nr. 2) und Abs. 2 aF (idF ab 1.1.2024: § 138 Abs. 2), 143 Abs. 1 S. 2 bis 4 aF (idF ab 1.1.2024: § 141 Abs. 1), 144 aF (idF ab 1.1.2024: § 142 Abs. 1 und
85 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 20; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; MünchKommHGB/Heidinger Rn 49.
86 MünchKommHGB/Heidinger Rn 49 f. 87 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. Zwar ist die Auflösung gem. § 143 Abs. 1 in das Handelsregister einzutragen, die Eintragung hat jedoch nur deklaratorische Bedeutung, s. MünchKommHGB/Heidinger Rn 49. 88 Zu den verschiedenen Möglichkeiten s. etwa Hopt/Merkt § 145 Rn 10 ff; Oetker/Kamanabrou § 145 Rn 15 ff. 89 KGJ 39, A 113; MünchKommHGB/Heidinger Rn 50; Oetker/Schlingloff Rn 18. 90 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 20; MünchKommHGB/Heidinger Rn 49; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29. 91 MünchKommHGB/Heidinger Rn 49; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 16; Oetker/Schlingloff Rn 18. 92 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 49; Oetker/Schlingloff Rn 18. 93 MünchKommHGB/Heidinger Rn 49; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; Oetker/Schlingloff Rn 18; BeckOK HGB/Bömeke Rn 28. Diese Ansicht dürfte auch Karsten Schmidt teilen (s.o. Rn 41), weil die Anwendung von § 5 auch seiner Ansicht nach einen existierenden Rechtsträger voraussetzt (MünchKommHGB/K. Schmidt § 5 Rn 18) und bei der OHG und KG Vollbeendigung bereits mit dem Abschluss der Liquidation und nicht erst wie bei den Formkaufleuten (u. Rn 48) mit der Löschung im Handelsregister eintritt, K. Schmidt Gesellschaftsrecht, § 52 IV 2d. 94 MünchKommHGB/Heidinger Rn 49. 41
Burgard
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Abs. 2), 145 Abs. 1 Fall 3 und Abs. 3 aF (idF ab 1.1.2024: § 143 Abs. 1), 161 Abs. 2 aF (idF ab 1.1.2024), 177a S. 1 aF (idF ab 1.1.2024), § 394 Abs. 3 FamFG.
48 c) Formkaufmann. Bei der AG, KGaA, SE, GmbH, eG, SCE und dem VVaG tritt nach der heute herrschenden Meinung Vollbeendigung erst bei Erfüllung eines Doppeltatbestandes ein, nämlich der Vermögenslosigkeit (in der Regel mit Abschluss des Liquidationsverfahrens, Ausnahme: § 394 Abs. 1 FamFG) und Löschung im Handelsregister.95 Erst damit erlischt auch die Firma (näher § 31 Rn 27), die zuvor mit einem Liquidationsvermerk fortzuführen ist.96
49 d) Juristische Person i.S.d. § 33. Es gelten die für Einzelkaufleute aufgeführten Regeln (Rn 38 ff), wenn das Gewerbe auf kleingewerbliches Niveau absinkt oder endgültig aufgegeben wird.97 Wird die juristische Person hingegen liquidiert, so ist die Firma während der Liquidation in rechtsähnlicher Anwendung der für Formkaufleute geltenden Vorschriften mit einem Liquidationszusatz fortzuführen. Die Firma erlischt erst mit der Vollbeendigung der juristischen Person.98
D. Rechtsnatur der Firma 50 Entsprechend der namensrechtlichen Natur (§ 12 BGB, dazu § 37 Anh. I) ist die Firma ein absolutes, subjektives Recht des Unternehmensträgers.99 Heute ist überdies weithin anerkannt, dass das Firmenrecht nicht nur persönlichkeitsrechtliche, sondern auch vermögensrechtliche und wettbewerbliche Züge aufweist, also nicht nur ein besonderes Persönlichkeitsrecht, sondern auch ein Immaterialgüterrecht, insgesamt also ein Mischrecht ist.100 Demgegenüber hatte das Reichsgericht das Recht an der Firma als bloßes Persönlichkeitsrecht eingeordnet. Zwar könne das Firmenrecht, so führt das grundlegende Urteil RGZ 9, 104 (106) aus, Vermögensvorteile gewähren, doch werde es dadurch nicht zum Vermögensrecht. Bestimmend für die Rechtsnatur sei vielmehr, dass die Firma den Handelsnamen des Kaufmanns abgebe.101 Erstrebt und begründet wird damit im Wesentlichen das Ergebnis, dass eine Verwertung der Firma durch den Konkursverwalter gegen den Willen des Gemeinschuldners ausgeschlossen sein sollte. Der Bundesgerichtshof102 ist dem zu Recht nicht gefolgt (näher § 22 Rn 54 ff); denn zu einer rein persönlichkeitsrechtlichen Deutung des Firmenrechts passt es nicht, dass das Gesetz das Firmenrecht als übertragbares Recht ausgestaltet hat (§ 22 Rn 27 ff), und zwar gerade im Interesse der Nutzung und des Erhalts des wirtschaftlichen Werts der Firma (§ 22 Rn 3).103 Zudem ergibt sich der immaterialgüterrechtliche Charakter des Firmenrechts heute unzweifelhaft aus § 5 Abs. 2 MarkenG. Freilich geht es auch nicht an, das Firmenrecht nur noch als Immaterialgüter95 MünchKommHGB/Heidinger Rn 56; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 17; Oetker/Schlingloff Rn 19; MünchKommAktG/Heider § 1 Rn 28, § 4 Rn 12; BeckOK GmbHG/Lorscheider § 74 Rn 8; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Nerlich § 74 Rn 31, alle mwN. 96 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17; MünchKommAktG/Heider § 4 Rn 12. 97 Staub/Hüffer4 Rn 17. 98 Staub/Hüffer4 Rn 17; BeckOK HGB/Bömeke § 34 Rn 5 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 34 Rn 2; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 34 Rn 5. 99 Anstelle anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 42; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 8; Oetker/Schlingloff Rn 4. 100 MünchKommHGB/Heidinger Rn 42; GKzHGB/Steitz Vor §§ 17–24 Rn 8; Hopt/Merkt Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8; BGHZ 85, 221 (223); K. Schmidt Handelsrecht § 12 I 3a; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 7, 9. 101 In diesem Sinne ferner RG JW 1894, 317; RGZ 58, 166 (169); RGZ 70, 226 (229); RG Warneyer 1931, 295; RGZ 158, 226 (231); BayObLG JFG 9 Nr. 28; KG RJA 9, 46. 102 BGHZ 85, 221 (223). 103 Die aus § 23 folgende Beschränkung der Übertragbarkeit (nur zusammen mit dem Handelsgeschäft) hat keinen persönlichkeitsrechtlichen Hintergrund, sondern dient dem Verkehrsschutz (§ 23 Rn 3). Burgard
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recht zu betrachten;104 denn dazu passt gegebenenfalls weder die persönlichkeitsrechtliche Bedeutung des bürgerlichen Namens als Firmenbestandteil noch die Regelung des § 24 Abs. 2 (dazu § 24 Rn 4, 13, 26 ff). Fraglich kann daher nur sein, welcher dieser Aspekte überwiegt. Das ist grundsätzlich im Blick auf den konkreten Konfliktfall zu entscheiden (zum Insolvenzfall § 22 Rn 59 ff, § 24 Rn 36). Generell lässt sich jedoch sagen, dass durch die Einführung der Firmenwahlfreiheit (Vor § 17 Rn 27) der wettbewerbliche und vermögensrechtliche Charakter des Firmenrechts zu Lasten seines persönlichkeitsrechtlichen Charakters allein schon deswegen gestärkt wurde, weil bei bloßen Sach- oder Phantasiefirmen der persönlichkeitsrechtliche Charakter zumindest105 schwächer ist als bei Firmen, die einen bürgerlichen Namen enthalten (s. auch Anh. I zu § 37 Rn 2).106
E. Die Firma im Geschäftsverkehr I. Pflicht zur Firmenführung Der Kaufmann ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seine Firma im Handelsverkehr 51 zu führen. Das gilt namentlich für die Geschäftskorrespondenz (§ 37a, 125a, § 80 AktG, Art. 25 EWIV-VO, § 25a GenG, § 35a GmbHG, § 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a, § 43 SEAG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCE-VO i.V.m. § 25 SCEAG, § 172 VAG i.V.m. § 37a). Soweit eine Firmenführungspflicht besteht, ist die Firma so zu gebrauchen, wie sie in das Handelsregister eingetragen ist. Insbes. dürfen statt der vollständigen Firma keine Abkürzungen der Firma (davon zu unterscheiden ist die Frage einer Verwendung von Abkürzungen bei der Firmenbildung, s.o. Rn 28, § 18 Rn 13 f), Firmenschlagworte oder eine sonstige Geschäftsbezeichnung (Rn 15 ff) verwendet werden. Nur der Rechtsformzusatz darf stets abgekürzt werden, wenn die Abkürzung allgemein verständlich und nicht irreführend ist (§ 19 Rn 6 ff). Das gilt für alle firmenfähigen Unternehmensträger. Eine davon abweichende Firmenführung kann die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 erfüllen (näher § 37 Rn 15 ff). Materiell-rechtliche Bedeutung für die Gültigkeit von Rechtsgeschäften erlangt ein Verstoß gegen die Firmenführungspflicht allerdings nur dann, wenn die Identität des Erklärenden infolge der Nichtbenutzung oder der ungenauen Benutzung der Firma nicht geklärt werden kann.107 Neben der Firma darf der Kaufmann vorstehende Bezeichnungen dagegen stets führen, sofern dies nicht irreführend ist. Das Gleiche gilt, wenn keine Pflicht zur Firmenführung besteht, insbes. also in der Werbung,108 sofern nicht §§ 5, 5a UWG weitere Angaben erfordern.109
II. Die Begrenzung des Firmengebrauchs auf den Geschäftsverkehr Das Recht und die Pflicht des Kaufmanns, eine Firma zu führen, sind auf den Geschäftsverkehr 52 beschränkt. § 17 Abs. 1 bringt diese Begrenzung in der Umschreibung des Firmenbegriffs zum 104 So – mit Unterschieden im Detail – das Schrifttum zum gewerblichen Rechtsschutz, Kippel Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985, 538; Götting Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995, 122; Köhler DStR 1996, 510; ders. FS Fikentscher, 1998, 494 (496 f); Fezer ZHR 161 (1997), 52 (55); sowie jüngst auch aus handelsrechtlicher Sicht Johannes W. Flume DB 2008, 2011; Bartels AcP 209, 309. 105 Nach Ansicht mancher – etwa Oetker Handelsrecht § 4 Rn 15; Johannes W. Flume DB 2008, 2011 (2012) – kommt ein persönlichkeitsrechtlicher Einschlag des Firmenrechts allenfalls bei Personenfirmen in Betracht. Ein persönlichkeitsrechtlicher Einschlag kann indes auch bei Phantasiefirmen bestehen, z.B. wenn sie aus einem Kosenamen („Püppies Moden e.K.“) oder Künstlernamen gebildet werden. 106 Ausf. Bartels, AcP 209 (2009), 309 (320 ff). 107 OLG Düsseldorf BB 1989, 2134; BGH WM 1996, 592 m. Anm. Voit, WuB IV A. § 179 BGB 1.96, 729; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. 108 Hopt/Merkt Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19. 109 Zu §§ 5, 5a UWG s. etwa BGH I ZR 180/12, ZIP 2013, 23 (29); BGH I ZR 260/16, BeckRS 2017, 141122. 43
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Ausdruck. Hieran schließt sich die Frage an, wann der Unternehmensinhaber unter seinem Handelsnamen auftreten darf und muss und wann der bürgerliche Name zu verwenden ist. Die Frage stellt sich nur für Einzelkaufleute, da die Firma von Handelsgesellschaften und Formkaufleuten ihr einziger Name ist (Rn 1). Der Begriff Geschäftsverkehr bietet für die Entscheidung dieser Frage einen Anhalt, ermöglicht aber keine Lösung im Wege begrifflicher Deduktion. Es versteht sich, dass Ehevertrag und Testament unter dem bürgerlichen Namen abzuschließen bzw. zu errichten sind und dass der Einzelkaufmann am Strafverfahren unter seinem bürgerlichen Namen teilnimmt. Schwieriger sind diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen sich die in Frage stehende Maßnahme ihrer Art nach sowohl auf den Kaufmann als Privatperson wie als Unternehmensträger beziehen kann. Hier gewinnt das Interesse an der Eindeutigkeit der Namensverwendung entscheidendes Gewicht. Der Kaufmann muss deshalb seinen bürgerlichen Namen führen und ist von Dritten damit zu bezeichnen, wenn Rechtswirkungen gerade ihn als eine bestimmte natürliche Person treffen sollen.110 Dagegen ist die Firma zu verwenden, wenn das Geschäft zum Handelsgewerbe gehören bzw. es auf den jeweiligen Träger des kaufmännischen Unternehmens ankommen soll.111 Handelt der Einzelkaufmann unter Verwendung seiner Firma, ist zu vermuten, dass das Geschäft zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört, § 344. Umgekehrt gilt das jedoch nicht in gleicher Weise: Handelt ein Kaufmann unter seinem bürgerlichen Namen, lässt das noch nicht die Vermutung zu, dass es sich um ein Privatgeschäft handelt.112 Das ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz dem Einzelkaufmann nicht immer erlaubt, unter seiner Firma zu handeln (Rn 54 ff). Im Registerrecht hat das Gesetz ganz unterschiedliche Regelungen getroffen. Steht das Interesse an einer eindeutigen Bezeichnung des Rechtsinhabers im Vordergrund, ist nur eine Eintragung mit dem bürgerlichen Namen möglich. Ansonsten besteht häufig ein Wahlrecht: Soll das eingetragene Recht dem jeweiligen Inhaber einer einzelkaufmännischen Firma zustehen, kann die im Handelsregister eingetragene Firma, ansonsten der bürgerliche Name eingetragen werden. Im Einzelnen: In das Grundbuch sind Einzelkaufleute gem. § 15 Abs. 1 lit. a GBV mit ihrem bürgerlichen Namen einzutragen, denn nur so ist eine sofortige Bestimmtheit des Berechtigten gewährleistet.113 Das gleiche gilt für das Schiffsregister (§ 16 Nr. 1 SchRegDV) und die – freilich nur deklaratorisch wirkende und keinen öffentlichen Glauben genießende – Luftfahrzeugrolle (§ 64 Abs. 3 Nr. 5a LuftVG). Bei den gewerblichen Schutzrechten besteht hingegen für Einzelkaufleute die Wahl, ob sie die Anmeldung zu dem jeweiligen Register unter ihrem bürgerlichen Namen oder unter der im Handelsregister eingetragenen Firma betreiben, s. § 4 Abs. 2 Nr. 1 lit. a PatV, § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a GebrMV, § 6 Abs. 1 Nr. 1 DesignV, § 5 Abs. 1 Nr. 1 MarkenV. Bei der Gründung von Gesellschaften und dem Eintritt als Gesellschafter ist zwischen dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags auf der einen und der Anmeldung zum Handelsregister auf der anderen Seite zu unterscheiden. Bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags hat der Einzelkaufmann die Wahl, ob er den Vertrag unter seinem Namen oder unter seiner Firma abschließt. Das gilt für OHG und KG, AG und GmbH gleichermaßen.114 In jedem Fall wird aber nicht der jeweilige Firmeninhaber, sondern nur die vertragsschließende Person Gesellschaf-
110 MünchKommHGB/Heidinger Rn 67; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; Staub/Hüffer4 Rn 38. 111 MünchKommHGB/Heidinger Rn 67; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; Staub/Hüffer4 Rn 38. 112 RGZ 59, 213; Hopt/Merkt § 344 Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 18; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; § 164 Abs. 2 BGB bleibt selbstverständlich unberührt, s. BGH NJW 1995, 43.
113 So OLG Naumburg – 12 Wx 24/17, BeckRS 2017, 156695 unter Hinweis auf Wortlaut und Sinn von § 15 GBV. 114 Für Beteiligung als Kommanditist BayObLG DB 1973, 1232; für die GmbH OLG Dresden OLGR 34, 356; Altmeppen GmbHG § 1 Rn 25; Scholz/Emmerich GmbHG § 2 Rn 46; für die AG Hüffer/Koch § 2 AktG Rn 6; Hölters/Solveen § 2 AktG Rn 13; aA für die OHG KG JW 1939, 423. Burgard
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ter.115 Deshalb ist der Einzelkaufmann bei der OHG und KG in der Anmeldung mit seinem bürgerlichen Namen und nicht mit seiner Firma zu bezeichnen (§§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 161 Abs. 2, 162) und auch so einzutragen (§ 40 Nr. 3 lit. b, Nr. 5 lit. c HRV).116 Bei der GmbH war dies hingegen streitig: Ist ein Einzelkaufmann im Gesellschaftsvertrag mit seiner Firma bezeichnet, so sollte nach teilweise vertretener Ansicht auch in der zum Handelsregister gem. §§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 40, 57 Abs. 3 Nr. 2 GmbHG a.F. einzureichenden Gesellschafterliste die Angabe der Firma ausreichen.117 Das überzeugte aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit schon bisher nicht und kann heute angesichts von § 16 GmbHG kaum mehr vertreten werden. Vielmehr ist in diesem Fall beides, also der bürgerliche Name und die Firma, anzugeben, damit die Identität des Gesellschafters jederzeit ohne weiteres feststeht.118 Ob die Mitwirkung an der Gründung einer OHG oder KG bzw. der spätere Beitritt als Gesellschafter unter der Firma eines Einzelkaufmanns die Bedeutung hat, dass die anderen Gesellschafter der Übertragung des Gesellschaftsanteils auf einen neuen Unternehmensinhaber im Vorhinein zustimmen, ist eine Frage der Vertragsauslegung. Gleiches gilt im Falle der Ausgabe vinkulierter Geschäftsanteile (§ 15 Abs. 5 GmbHG) oder vinkulierter Namensaktien (§ 68 Abs. 2 AktG).
F. Die Firma im Prozess (Abs. 2) I. Überblick 1. Inhalt und Bedeutung von § 17 Abs. 2 Die Parteibezeichnung ist gem. § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zwingend vorgeschriebener Bestandteil 57 der Klageschrift und gem. § 690 Abs. 1 Nr. 1 ZPO des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheids. § 17 Abs. 2 erlaubt, Kaufleute mit ihrer Firma zu bezeichnen, gleichgültig, ob sie als Kläger oder als Beklagter am Prozess beteiligt sind. Geht es um Rechtsverhältnisse, die eine Zweigniederlassung betreffen, kann der Unternehmensträger auch mit der Firma der Zweigniederlassung bezeichnet werden.119 Die Vorschrift hat in erster Linie Bedeutung für Einzelkaufleute und soll der Erleichte- 58 rung der Parteibezeichnung dienen. Für Handelsgesellschaften und Formkaufleute hat die Vorschrift dagegen vornehmlich klarstellende Funktion, da sie keinen anderen Namen als ihre Firma haben und daher ohnehin mit ihrer Firma zu bezeichnen sind. Bei Klagen von und gegen Gesellschaften müssen gem. § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vertretungsberechtigten Gesellschafter, Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder benannt werden. Für die Parteifähigkeit des Kaufmanns hat § 17 Abs. 2 hingegen keinerlei Bedeutung. Es 59 versteht sich von selbst, dass die Vorschrift nicht die Parteifähigkeit der Firma begründet; denn ein Name kann nicht Partei sein. Sinnwidrig ist es deshalb, „die Firma“ und deren Alleininhaber zu verklagen, etwa gar als Gesamtschuldner.120 Die Bestimmung begründet auch nicht die Par115 So schon KG Recht 1929 Nr. 2008 für den Kommanditisten. 116 Nach Wunsch kann die Firma allerdings zusätzlich angemeldet und eingetragen werden, also z.B. „Firma A, Inhaber B“, BayObLG DB 1973, 1232. Die bloße Anmeldung der Firma genügt dagegen auch dann nicht, wenn sie den bürgerlichen Namen des Kaufmanns enthält; denn der Inhaber der Firma kann sich nach § 22 ändern; gleichwohl aA Hopt/Roth § 106 Rn 6, § 162 Rn 4; MünchKomm/Heidinger Rn 68, der davon ausgeht, dass der Einzelkaufmann mit der Firma unter Beifügung seines Namens im Handelsregister einzutragen ist; ebs. Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 37; wie hier Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 29. 117 Scholz/Veil GmbHG § 8 Rn 7; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Tebben GmbHG § 8 Rn 12; Rowedder/ Schmidt-Leithoff GmbHG § 8 Rn 6. 118 So schon zum alten Recht OLG Dresden OLGR 34, 356 (GmbH); Staub/Hüffer4 Rn 53; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 8 Rn 3; Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 8 Rn 6; Hachenburg/Ulmer GmbHG § 8 Rn 7. 119 BGHZ 4, 62 (65); OHGZ 2, 143 (146). 120 RG Recht 1908 Nr. 1659; Staub/Hüffer4 Rn 42. 45
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teifähigkeit des Kaufmanns; denn sie folgt bereits aus § 50 Abs. 1 ZPO. Für Gesellschaften stellen dies die §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2, § 13 Abs. 1 GmbHG, §§ 1, 278 AktG, § 17 GenG lediglich klar. Schließlich weist das Gesetz die Parteistellung nicht dem jeweiligen Firmeninhaber zu. Partei kann vielmehr nur ein Rechtssubjekt sein, das spätestens bei Eintritt der Rechtshängigkeit bestimmt ist (Rn 64); ein Inhaberwechsel kann daher nach den Regeln über die Parteiänderung zu behandeln sein (Rn 65 f). Weil es gerade nicht auf den jeweiligen Inhaber ankommt, wäre es folgerichtig gewesen, die firmenmäßige Parteibezeichnung der Einzelkaufleute im Interesse der Eindeutigkeit der Namensverwendung nicht zuzulassen. Die gesetzliche Regelung geht indes auf praktische Schwierigkeiten des Wechselprozesses zurück (Rn 62) und nimmt für deren Lösung Probleme namentlich bei der Beurteilung der Vollstreckungsvoraussetzungen in Kauf (Rn 68 f). 60 Auch für ausländische Kaufleute, die vor deutschen Gerichten klagen oder verklagt werden, gilt § 17 Abs. 2, weil die Vorschrift Verfahrensrecht enthält und für dieses die lex fori maßgeblich ist.121
2. Voraussetzungen 61 Erste Voraussetzung ist, dass derjenige, der unter seiner Firma klagt oder verklagt wird, Kaufmann i.S.d. §§ 1 ff ist. Für Kleingewerbetreibende ist auch insofern die Eintragung gem. § 2 konstitutiv. Zweite Voraussetzung ist die Bezeichnung des Kaufmanns mit seiner Firma i.S.d. § 17. Auf Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen (Rn 15 ff) findet § 17 Abs. 2 daher keine Anwendung; sie können jedoch gleichwohl identifizierende Wirkung haben.122 Schließlich ist eine firmenmäßige Parteibezeichnung nur zulässig, soweit der Rechtsstreit den Gewerbebetrieb des Kaufmanns betrifft. Das folgt aus dem Zusammenhang von § 17 Abs. 1 und 2.
3. Rechtsfolgen 62 Liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 vor, begründet die Vorschrift die Zulässigkeit firmenmäßiger Parteibezeichnung, spricht aber keine Verpflichtung aus. Der Einzelkaufmann kann daher auch unter seinem bürgerlichen Namen klagen oder verklagt werden (Wahlrecht).123 Die Prozessparteien auch mit ihrem bürgerlichen Namen zu bezeichnen ist meist zweckmäßig.124 Bedeutung erlangt § 17 Abs. 2 vor allem im Wechselprozess. Er macht nämlich den urkundlichen Nachweis (§§ 592, 595 Abs. 2 ZPO), wer Inhaber der Firma ist, entbehrlich. Der Inhaber eines Wechsels braucht also vor Klageerhebung nicht zu ermitteln, wie der bürgerliche Name des Beklagten lautet.125 Weil das ADHGB eine § 17 Abs. 2 entsprechende Vorschrift nicht enthielt (Rn 2), blieb dieses Ergebnis im 19. Jahrhundert allerdings umstritten. Der Gesetzgeber des HGB wollte diesem Streit ein Ende bereiten und nahm deshalb die Bestimmung auf.126 § 17 Abs. 2 ermöglicht die Prozessführung ferner in dem Fall, dass nicht nur der bürgerliche
121 OLG Hamburg OLGR 3, 274; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24; Hopt/Merkt Rn 45; Oetker/ Schlingloff Rn 34. 122 OLG Köln NJW-RR 1996, 292; MünchKommHGB/Heidinger Rn 70; GKzHGB/Steitz Rn 27; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 217. 123 Anstelle anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 71; Ebenroth/Boujong/Jooost/Strohn/Reuschle Rn 22. 124 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41; MünchKommHGB/Heidinger Rn 74; vgl. BeckOGK HGB/Burmeister/ Fedke § 17 Rn 220. 125 RGZ 41, 407 (411). 126 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 31 f = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 974 f. Burgard
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Name, sondern auch die Person des Inhabers ungewiss ist.127 Schließlich gibt die Vorschrift den Kaufleuten auch das Recht, unter ihrer Firma Prozesshandlungen vorzunehmen, namentlich mit der Firma zu unterschreiben.128 Liegen die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 nicht vor, so gelten allgemeine Regeln. Nichtkauf- 63 leute sind daher ebenso wie Kaufleute, wenn der Rechtsstreit nicht ihr Handelsgeschäfts betrifft, mit ihrem bürgerlichen Namen zu bezeichnen. Im Übrigen führt fehlende Richtigkeit, Vollständigkeit oder Genauigkeit der Parteibezeichnung – z.B. Beklagter führt die Firma überhaupt nicht oder es handelt sich um eine Minderfirma bzw. bloße Geschäftsbezeichnung oder die Forderung betrifft nicht den Geschäftsbetrieb – nicht zur Klageabweisung. Die Klage wird dadurch weder unzulässig noch unschlüssig. Partei ist vielmehr, wer erkennbar mit der Parteibezeichnung angesprochen werden soll, wobei sich die Erkennbarkeit auch aus einer erst nachträglichen Klarstellung ergeben kann.129 Die Bezeichnung ist daher durch Angabe der zutreffenden Firma oder des bürgerlichen Namens zu berichtigen.130 Darauf hat das Gericht von Amts wegen hinzuwirken,131 weil die Parteibezeichnung gem. § 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bestandteil des Urteils ist. Die falsche Bezeichnung in einem bereits ergangenen Urteil korrigiert das Gericht wegen dessen offenbarer Unrichtigkeit gem. § 319 ZPO von Amts wegen.132 Ein Parteiwechsel liegt in einer Korrektur der Parteibezeichnung nicht, weil die Identität der Partei bloß klargestellt wird.133 Ein – lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen zulässiger und mit den Kostenfolgen aus § 269 ZPO analog belegter – Parteiwechsel liegt vielmehr nur vor, wenn mit der neuen Bezeichnung ein anderes Rechtssubjekt benannt wird. Die Abgrenzung kann im Einzelfall freilich Schwierigkeiten bereiten, wobei es vielfach entscheidend auf die Auslegung des Klageziels ankommt.134
II. Einzelfragen 1. Bestimmung der Prozesspartei Partei eines Prozesses kann nur ein bestimmtes Rechtssubjekt, nicht etwa der jeweilige Firmen- 64 inhaber sein (Rn 59). Erforderlich ist deshalb, den Zeitpunkt festzulegen, der bei einem Inhaberwechsel für die Beurteilung der Parteieigenschaft entscheidet. Dafür ist zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu unterscheiden. Beklagter ist, wer bei Eintritt der Rechtshängigkeit Inhaber der Firma bzw. des der Firma zuzuordnenden Gewerbebetriebs ist.135 Entscheidend ist also der Zeitpunkt, in dem die Klageschrift oder der Mahnbescheid zugestellt werden (§§ 253, 261 ZPO; §§ 696 Abs. 3, 700 Abs. 2 ZPO). Besteht die Firma in diesem Zeitpunkt nicht 127 OHGZ 1, 62 (64 f); BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 218. 128 RG HRR 1932 Nr. 1237; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; Staub/Hüffer4 Rn 46. 129 St. Rspr., zuletzt BGH – X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582 mwN, Anm. Beyerlein EWiR 2008, 347; Anschluss OLG Köln – 19 W 41/13 – juris; MünchKommHGB/Heidinger Rn 72; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39; Oetker/ Schlingloff Rn 26; Saenger/Bendtsen ZPO § 50 Rn 6. 130 BGH LM § 253 ZPO Nr. 58; KG OLGZ 1978, 476; BGH ZZP 71, 478; OLG München MDR 1990, 60; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 253 Rn 181; Saenger/Saenger ZPO § 253 Rn 32; Kempe/Antochewicz NJW 2013, 2797. 131 RGZ 157, 369 (374 f); RGZ 157, 369 (374 f); OLG Frankfurt OLGZ 1977, 360; Zöller/Althammer ZPO Vor § 50 Rn 7 mwN. 132 BGH VersR 1980, 744; BGH MDR 1978, 308; OLG Köln NJW 1964, 2424; Zöller/Feskorn ZPO § 319 Rn 14; Musielak/Voit/Weth ZPO § 50 Rn 9. 133 Dazu Baumgärtel FS für Schnorr v. Carolsfeld (1973), 19 ff; Musielak/Voit/Weth ZPO § 50 Rn 9. 134 BGH – X ZR 144/06, NJW-RR 2008, 582 f; OLG Frankfurt – 9 U 3/08, juris; BGH WM 1995, 1249; näher Zöller/ Althammer ZPO Vor § 50 Rn 9, 13; Zöller/Greger ZPO § 263 Rn 3, 9, 19 ff mwN. 135 RGZ 54, 15 (17); RGZ 86, 63 (65 f); RGZ 157, 369 (375); RGZ 159, 350; RG HRR 1932 Nr. 1237; OLG München 1971, 1615; OLG Köln BB 1977, 510 (511); OLG Frankfurt BB 1985, 1219; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 40; MünchKommHGB/Heidinger Rn 75; GKzHGB/Steitz Rn 29; BeckOK HGB/Bömeke Rn 49; Zöller/Althammer ZPO Vor § 50 Rn 6, § 50 Rn 26; Schuler NJW 1957, 1537; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 222 ff. 47
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mehr, so wird derjenige Partei, gegen den unter Verwendung der erloschenen Firma Rechtsschutz begehrt wird.136 Hinsichtlich des Klägers steht fest, dass ein Inhaberwechsel jedenfalls nach Eintritt der Rechtshängigkeit seine Parteieigenschaft nicht berührt. Bei einem Inhaberwechsel zwischen der Einreichung der Klage und ihrer Zustellung ist richtiger Auffassung nach klagende Partei, wer die Klageerhebung veranlasst hat, also der bisherige Inhaber. Dafür spricht entscheidend, dass er den Erwerber des Unternehmens nicht ohne dessen Zustimmung zum Kläger machen darf.137
2. Inhaberwechsel auf Seiten des Klägers 65 Wechselt während des Rechtsstreits der Inhaber der als Parteibezeichnung verwandten Firma, so mag das eine Parteiänderung nahelegen. Doch hat der bloße Wechsel der materiellen Rechtszuständigkeit keinen Einfluss auf die Parteirollen. Im Einzelnen sind auf der Seite des Klägers drei Fälle zu unterscheiden. Erstens: Die eingeklagte Forderung geht nicht auf den neuen Inhaber über. Für den Prozess folgt aus dem Inhaberwechsel lediglich, dass der Kläger den Rechtsstreit unter seinem bürgerlichen Namen weiterzuführen und die Parteibezeichnung entsprechend zu berichtigten hat (vgl. noch Rn 63).138 Zweitens: Die eingeklagte Forderung ist auf den Erwerber oder auf die durch einen Gesellschaftereintritt entstandene OHG oder KG übergegangen. Der bisherige Inhaber bleibt Kläger, obwohl er die Sachlegitimation verloren hat (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO). Er kann also den Prozess weiterführen und muss es, wenn der Beklagte einem Parteiwechsel nicht zustimmt (§ 265 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Parteibezeichnung ist auch hier durch Umschreibung auf den bürgerlichen Namen zu berichtigen.139 Der Verlust der Sachlegitimation nötigt überdies zur Umstellung des Klageantrags. Der Kläger darf nicht mehr Leistung an sich, sondern muss Leistung an den Erwerber fordern.140 Drittens: Mit Zustimmung des Beklagten können der Erwerber oder die durch Gesellschaftereintritt entstandene OHG oder KG an die Stelle des bisherigen Klägers treten; dieser scheidet dann aus dem Prozess aus (Parteiwechsel).141
3. Inhaberwechsel auf Seiten des Beklagten 66 Wechselt auf der Seite des Beklagten der Inhaber, kann dies zur Unzulässigkeit der firmenmäßigen Parteibezeichnung führen, berührt aber die Parteirollen nicht.142 Das gilt auch, soweit der neue Inhaber die Schuld übernommen hat oder gem. § 25 für die Schulden haftet oder die durch Gesellschaftereintritt entstandene OHG oder KG gem. § 28 für die Verbindlichkeiten aufkommen muss.143 Ein gewillkürter Parteiwechsel ist allerdings möglich144 und vom Standpunkt des sonst vom Prozessverlust bedrohten Klägers aus dann notwendig, wenn eine Enthaftung nach §§ 26, 28 Abs. 2 oder eine befreiende Schuldübernahme vorliegt. Dass der Gläubiger, ohne dessen Zustimmung die Befreiungswirkung nicht einzutreten vermag (§§ 414, 415 BGB), auf Grund des
136 Zutr. OLG Köln BB 1977, 510 f; Zöller/Althammer ZPO § 50 Rn 26; MünchKommHGB/Heidinger Rn 73. 137 MünchKommHGB/Heidinger Rn 75; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39; Heymann/Förster HGB Rn 56; Schuler NJW 1957, 1537 sowie schon Göppert ZHR 47 (1898), 267 (271).
138 Zöller/Althammer ZPO § 50 Rn 26 mwN; BeckOK HGB/Bömeke Rn 49; MünchKommHGB/Heidinger Rn 75. 139 GKzHGB/Steitz Rn 29; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 42. 140 RG JW 1908, 303; BGHZ 26, 31 (37); BGH NJW-RR 1986, 1182; statt vieler weiterer Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 42; Hopt/Merkt Rn 45; GKzHGB/Steitz Rn 29; Zöller/Greger ZPO § 265 Rn 6a. 141 Zöller/Greger ZPO § 263 Rn 3, 9, 19 ff mwN, § 265 Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 40. 142 Zöller/Althammer ZPO § 50 Rn 26; GKzHGB/Steitz Rn 29. 143 Zöller/Althammer ZPO § 50 Rn 26; Zöller/Greger ZPO § 265 Rn 5a mwN. 144 RGZ 135, 104; aber offen gelassen in BGHZ 61, 140 (144); vgl. noch Franz NJW 1972, 1743 f; Zöller/Greger ZPO § 265 Rn 5a, 7. Burgard
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§ 265 Abs. 2 ZPO noch ein obsiegendes Urteil gegen seinen ehemaligen Schuldner erlangen kann, ist nach richtiger Ansicht ausgeschlossen.145
4. Rechtskraft Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft werden durch § 325 ZPO bestimmt. Danach wirkt 67 das Urteil für und gegen einen neuen Inhaber nur dann, wenn er als Partei in den Rechtsstreit eingetreten oder (vorbehaltlich § 325 Abs. 2 ZPO) Rechtsnachfolger des ursprünglichen Firmeninhabers geworden ist. Diese Voraussetzung ist bei einem Rechtserwerb auf der Klägerseite erfüllt (Rn 65, 2. Fall); das obsiegende Urteil kommt ihm daher zugute, das klageabweisende nimmt ihm, wenn es rechtskräftig geworden ist, die Möglichkeit, das Recht seinerseits einzuklagen. Dagegen bewirkt weder eine Enthaftung noch eine Schuldübernahme, auch nicht eine befreiende (Rn 66), eine Rechtsnachfolge i.S.d. § 325 ZPO.146
5. Bezeichnung von Gläubiger und Schuldner in der Zwangsvollstreckung Gem. § 750 Abs. 1 ZPO darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn Gläubiger und Schuldner 68 in dem Titel oder in der Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind.147 Dabei ist eine firmenmäßige Parteibezeichnung grundsätzlich genügend,148 weil andernfalls die von § 17 Abs. 2 erstrebte Erleichterung weitgehend entwertet würde. Da der Titel aber nicht gegen den jeweiligen Firmeninhaber, sondern gegen denjenigen wirkt, der bei Eintritt der Rechtshängigkeit Inhaber war (Rn 64), fällt dem Vollstreckungsorgan die Aufgabe zu, die Identität des Inhabers im maßgeblichen Zeitpunkt durch Einsicht in das Handelsregister festzustellen. Bei begründeten, nicht behebbaren Zweifeln über die Identität des firmenmäßig bezeichneten Schuldners sind die §§ 727, 731 ZPO entsprechend anzuwenden, d.h. der Vollstreckungsgläubiger hat auf eine Klarstellung der Klausel durch Umstellung auf den bürgerlichen Namen des Schuldners hinzuwirken.149 Bei Rechtsnachfolge ohne Parteiwechsel (Rn 65, 2. Fall) eröffnen §§ 727, 731 ZPO dem Unter- 69 nehmenserwerber die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner (Titelübertragende Vollstreckungsklausel). Dies gilt auch, wenn das Unternehmen erst nach der Beendigung des Rechtsstreits erworben worden ist. Weil die Schuldübernahme keinen Fall der Rechtsnachfolge darstellt (Rn 66), ist § 727 ZPO bei einem Unternehmenserwerb auf der Passivseite nicht anwendbar. Jedoch enthält § 729 Abs. 2 ZPO eine Sonderregelung für die Haftung des Erwerbers nach § 25.150 Auf § 28 ist diese Regelung entsprechend anwendbar.151 145 BGHZ 61, 140 mit Übersicht über den Streitstand; ebenso Zöller/Althammer ZPO § 50 Rn 25; Zöller/Greger ZPO § 265 Rn 5a jeweils auch mit Nachweisen zur Gegenansicht. 146 BGHZ 61, 140; BGH WM 1975, 144 mit zust. Anm. Henckel ZZP 88 (1975), 329 f; Zöller/Vollkommer ZPO § 325 Rn 24 mwN; aA Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 325 Rn 37. 147 Näher dazu Bielau, DGVZ, 2009, 193; siehe auch OLG Naumburg – 12 Wx 24/17, BeckRS 2017, 156695. 148 BayObLG NJW 1956, 1800; BayObLG Rpfleger 1982, 466; LG Berlin Rpfleger 1978, 106; AG München DGVZ 1982, 172; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23; Oetker/Schlingloff Rn 29; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann ZPO § 750 Rn 8; Noack DB 1974, 1369; Bielau DGVZ 2009, 193 (197); BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 229; OLG Naumburg – 12 Wx 24/17, BeckRS 2017, 156695. 149 BayObLGZ 1956, 218 (220 f); OLG Frankfurt Rpfleger 1973, 64; MünchKommHGB/Heidinger Rn 76; Petermann RPfleger 1973, 153 (156); BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 230; Bielau DGVZ 2009, 193 (197); aA KG JR 1953, 144. 150 Ausführlich hierzu Zöller/Seibel ZPO § 729 Rn 8 ff; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 232. 151 Eickmann Rpfleger 1974, 260; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 729 Rn 4; MünchKommZPO/ Wolfsteiner § 729 Rn 10; Saenger/Kindl ZPO § 729 Rn 3; Loritz ZZP 95 (1982), 310 (333). Einschränkend Brögelmann 135 ff (nur bei Firmenfortführung); BGH Rpfleger 1974, 260 lässt die Frage unentschieden. 49
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§ 18 (1) Die Firma muss zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. (2) 1Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. 2 Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.
Schrifttum 1. Seit der Handelsrechtsreform App Kurzüberblick über zulässige Geschäftsbezeichnungen nach neuem Handelsrecht, DVP 2000, 433; Beyerlein Die Firm@, WRP 2005, 582; Bülow Zwei Aspekte im neuen Handelsrecht: Unterscheidungskraft und Firmenunterscheidbarkeit, DB 1999, 269; Heckschen Firmenbildung und Firmenverwertung, NotBZ 2006, 346; Heidinger Der Name des Nichtgesellschafters in der Personenfirma, DB 2005, 815; Hülsmann Welche Gesellschafter sind heute noch „Partner“?, NJW 1998, 35; Jung Firmen von Personenhandelsgesellschaften nach neuem Recht, ZIP 1998, 677; ders. Handelsrecht, 4. Aufl. 2005, § 15; Kanzleiter Zur Zulässigkeit der Verwendung aussprechbarer Abkürzungen bei der Firmenbildung, MittBayNot 2007, 140; ders. Zur Unterscheidungskraft und Kennzeichnungskraft einer Firma bei der Verwendung von Ortszusätzen bei Gattungsbezeichnungen, DNotZ 2008, 393; Kindler Die Entwicklung des Handelsrechts seit 1998, JZ 2006, 176; Kiesel/Neises/Plewa/Poneleit/Rolfes/Wurster Das Firmenrecht in der IHK-Praxis, DNotZ 2015, 740; Kögel Die deutliche Unterscheidbarkeit von Firmennamen, Rpfleger 1998, 317; ders. Aktuelle Entwicklungen im Firmenrecht, Rpfleger 2000, 255; ders. Sind geographische Zusätze in Firmennamen entwertet?, GmbHR 2002, 642; Krüger Die Grundsätze der Markennutzung im Konzern, IStR 2016, 945; Lösler Zum Schutz des Schriftbildes bei der Firmeneintragung ins Handelsregister, NotBZ 2000, 418; Lutter/Welp Das neue Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, ZIP 1999, 1073; Mellmann Zur Zulässigkeit der Verwendung des at-Zeichens als Firmenbestandteil, NotBZ 2001, 228; S. Meyer Fortführung der Firma einer Personenhandelsgesellschaft durch einen Einzelkaufmann, RNotZ 2004, 323; D. Möller Das neue Firmenrecht in der Rechtsprechung, DNotZ 2000, 830; dies. Keine Bildung einer Personenfirma mit dem Namen eines Angestellten, GmbHR 2002, 967; Müther Überlegungen zum neuen Firmenbildungsrecht bei der GmbH, GmbHR 1998, 1058; Obergfell Grenzenlos liberalisiertes Firmenrecht?, CR 2000, 855; Parmentier/Steer Die Konzernfirma nach dem Ende der Unternehmensverbindung, GRUR 2003, 196; Reinhart Die „Internationale Apotheke“ – und es gibt sie doch! GesR 2003, 107; Rieckers Werbung mit der Konzernzugehörigkeit als Haftungsrisiko? BB 2006, 277; Schulenburg Die Abkürzung im Firmenrecht der Kapitalgesellschaften, NZG 2000, 1156; Schulte-Warnke Vier Jahre nach der HGB-Reform – Das neue Firmenrecht der GbR im Handelsregisterverfahren, GmbHR 2002, 626; Seifert Firmenrecht „online“ – Die sog. Internet-Domain als Bestandteil der Handelsfirma, Rpfleger 2001, 395; Wagner Zur Frage der Eintragungsfähigkeit des at-Zeichens in das Handelsregister, NZG 2001, 802; Wagner Die „Stiftungs-GmbH“ und § 18 II HGB, GmbhR 2016, 858; Weiler Irreführung über die Rechtsform durch Top-Level-Domains? K&R 2003, 601; L.-Chr. Wolff Zur Reform des § 18 Abs. 2 HGB, DZWiR 1997, 397; R. Wolff Firmierung mit Zusätzen wie „Partner des Kunden GmbH“, GmbHR 2007, 1032. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und insbes. zu §§ 17, 19, 30.
2. Vor der Handelsrechtsreform Ahrens Die firmenrechtliche Behandlung von Personengesellschaften oder eine natürliche Person als Komplementär auf erster Ebene, DB 1997, 1065; Ammon Die Sachfirma der Kapitalgesellschaft, DStR 1994, 325; Barfuss Die Geltung des § 18 Abs. 2 HGB bei einer Personenfirma, BB 1975, 67; Bokelmann Zusätze wie „& Co.“, „& Sohn“, „Partner“ und „& Gebrüder“ in der Firma der Kommanditgesellschaft und in abgeleiteten Firmen, MDR 1979, 188; Brandi-Dohrn Die beschreibende Firma, BB 1991, 1950; Brause Firma eines Einzelkaufmanns und neues Familiennamensrecht, DB 1978, 478; Büttner Die Irreführungsquote im Wandel, GRUR 1996, 533; Deutscher Industrie- und Handelstag (Hrsg.) Firmenfibel 1983 (die firmenrechtlichen Leitsätze); ders. Firmenfibel 1992 (Firmierungsgrundsätze für den Vollkaufmann); Dumoulin Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 1997; Dorn Biedermann oder Anstifter? „Stiftung“ als Namens- oder Firmenbestandteil, VR 1990, 169; Ebert Firmenangaben über die Art des Unternehmens, BB 1958, 611; ders. Nationalitätsangaben im Firmen- und Wettbewerbsrecht, WRP 1960, 94; Frey Wandlungen der Rechtsprechung zu Firmenzusätzen, dargestellt am Firmenzusatz „Zentrale“, BB 1963, 1281; ders.
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-003
50
§ 18
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
„Lager“ – als Firmenzusatz und Werbeankündigung, WRP 1965, 54, ders. Verwendung der Bezeichnung „Einkaufszentrum“, DB 1965, 926; Fritze Namensfunktion nicht aussprechbarer Buchstabenfolgen als besondere Geschäftsbezeichnungen nach § 61 UWG, GRUR 1993, 538; Gößner Lexikon des Firmenrechts, Loseblatt; Greif Die Bezeichnung „Discount“ und der Grundsatz der Firmenwahrheit, BB 1962, 1219; Haberkorn Firmenwahrheit und Firmenfortführung, WRP 1966, 88; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Fabrik“, WRP 1966, 165; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Werk“, WRP 1966, 361; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Zentrale“, WRP 1966, 306; ders. Zur Zulässigkeit des Firmenzusatzes „Haus“, WRP 1966, 165; ders. Zur Zulässigkeit des Firmen- und Preiszusatzes „Discount“, WRP 1966, 393; ders. Zur Zulässigkeit diverser Firmenzusätze, WRP 1967, 204; ders. Kann die künftige Entwicklung des Betriebes bereits als Firmenzusatz berücksichtigt werden? WRP 1969, 261; ders. Firma, Firmenwahrheit, Firmenzusätze, 1970; ders. Zur Zulässigkeit geographischer Firmenzusätze, WRP 1996, 245; Hefermehl Entwicklungen im Recht des unlauteren Wettbewerbs, Festschrift Rob. Fischer, 1979 S. 197; Heine Das neue gemeinschaftsrechtliche System zum Schutz geographischer Bezeichnungen, GRUR 1993, 96; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Hillmann Das Rechtsinstitut des Honorarprofessors, VerwArch 1988, 369; Hofmann Der Grundsatz der Firmenwahrheit, JuS 1972, 233; Hönn Akademische Grade, Amts-, Dienst- und Berufsbezeichnungen sowie Titel (Namensattribute) in der Firma in firmen- und wettbewerbsrechtlicher Sicht, ZHR 153 (1989), 386; Huth Auffassungswandel beim Firmenzusatz „deutsch“? GRUR 1965, 290; Kind Die handelsrechtlichen Firmengrundsätze im Licht der Wettbewerbsordnung, BB 1980, 1558; ders. Die Wahl der Firma aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, MittRhNotK 1980, 33; Knöchlein Geographische Zusätze im Firmenrecht, DB 1960, 746; Kögel Der Grundsatz der Firmenwahrheit – noch zeitgemäß? BB 1993, 1741; ders. Die Firmenbildung der GmbH mit der gemischten Firma eines Gesellschafters, BB 1995, 2433; Köhler Das Rücktrittsrecht nach § 13a UWG, JZ 1989, 262; D. Möller Probleme der Individualisierung und Verwechslungsfähigkeit von Sachfirmen, BB 1993, 808; Müller Zur Führung des Firmenzusatzes „Deutsch“, GRUR 1971, 141; Niederleithinger Die vernachlässigte Einheit der Rechtsordnung im Wettbewerbsrecht, GRUR Int 1996, 467; von Olenhusen Das „Institut“ im Wettbewerbs- Firmen-, Standes-, Namens- und Markenrecht, WRP 1996, 1079; Pöpel Die unwahr gewordene Firma, Irreführungsverbot versus Bestandsschutz, 1995; Riegger Der Doktor-Titel in der Firma der GmbH, DB 1984, 441; Scheibe Der Grundsatz der Firmenwahrheit, JuS 1997, 414; W.-H. Roth Unzulässiger firmenmäßiger Gebrauch einer zulässig geführten Geschäftsbezeichnung, ZGR 1992, 632; Schmidt di Simoni „Universität“ im Firmennamen, Börsenbl. f. den dt. Buchhandel 1973, 1420; Schricker Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes der Verbraucher und des funktionsfähigen Wettbewerbs im Recht des unlauteren Wettbewerbs, ZHR 139 (1975), 208; ders. Hundert Jahre Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb – Licht und Schatten, GRUR Int 1996, 473; Veismann Zur Zulässigkeit eines Firmenzusatzes „Haus“, BB 1963, 663; S. Weber Das Prinzip der Firmenwahrheit im HGB und die Bekämpfung irreführender Firmen nach dem UWG, 1984; Wellmann Gattungsbegriff als Firmenbezeichnung einer GmbH? BB 1961, 1102; ders. Die Sachfirma der GmbH; Eine kritische Stellungnahme zu § 4 des Referentenentwurfs eines GmbH-Gesetzes, BB 1970, 153; Wessel Der akademische Titel in der Firma, BB 1965, 1379. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und insbes. zu §§ 17, 19, 30.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Entstehungsgeschichte und Norminhalt
II.
Normzweck
III.
Anwendungsbereich
B.
Kennzeichnungseignung (Abs. 1 Hs. 1)
4 6
Abstrakte Unterscheidungskraft (Abs. 1 Hs. 1)
I.
Begriff und Abgrenzung
II. 1. 2.
3.
Problemfelder 21 Personenfirmen 25 Sachfirmen 26 a) Einzelfälle Firmenrecht b) Einzelfälle Kennzeichenrecht 30 Phantasiefirmen
D.
Irreführungsverbot (Abs. 2)
I. 1.
Voraussetzungen des Irreführungsverbots (S. 1) Anwendungsbereich 34 a) Sachlich 35 b) Zeitlich
16
27
7
I.
Begriff und Abgrenzung
II. 1. 2. 3. 4.
Problemfelder 9 Bild-, Satz- und Sonderzeichen 11 Schriftart und Schriftbild 13 Buchstabenkombinationen 15 Zifferkombinationen
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1
C.
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Burgard
§ 18
1. Buch. Handelsstand
2. 3. 4. 5. 6.
Angaben 40 41 Irreführungseignung 45 Geschäftliche Verhältnisse 46 Wesentlichkeit 47 Angesprochene Verkehrskreise
II. 1. 2.
Verfahrensrechtliche Berücksichtigung (S. 2) 50 Ersichtlichkeit 53 Anwendungsbereich
III. 1. 2.
Rechtsfolgen Rechtsfolgen des Abs. 2 Sonstige Rechtsfolgen
IV. 1.
Fallgruppen Personenfirma 56 a) Allgemeine Regeln 59 b) Gesellschaftsfirmen Sachfirma 60 a) Allgemeine Regeln 63 b) Gesellschaftsfirmen 64 Phantasiefirma Firmenbestandteile (Einzelfälle) 65 a) Adelstitel, Adelsprädikate b) Akademische Grade, Amts- und Berufsbe66 zeichnungen 70 c) Amtlicher Charakter 71 d) Wissenschaftlicher Charakter 72 e) Gemeinnützig 73 f) Stiftung g) Company, Gruppe, Pool, Ring, Team, Union, Verband, Verbund, Vereinigung, Verei76 nigte 77 h) Sozietät i) Bank, Bankier, Volksbank, Sparkasse, Bausparkasse, Spar- und Darlehens78 kasse j) Kapitalanlagegesellschaft, Investmentfond, 79 Investmentgesellschaft
2.
3. 4.
54 55
80 Börse Versicherung, Versicherungsvermitt81 lung 82 m) Finanz, Finanzierung 83 n) Treuhand 84 o) Revision, Buchführung 85 p) Technik, Technologie 86 q) Bau r) Großhandel, Markt, Großmarkt, Super87 markt, Verbrauchermarkt 88 s) Lager, Hof, Magazin, Speicher 89 t) Zentrale, Zentrum, Center 90 u) Haus, Studio, Palast v) Fach, Fachhandel, Fachgeschäft, Spezial91 geschäft 92 w) Fabrik, Werk, Industrie, Factory x) Geographische Zusätze 93 aa) Einführung 94 bb) Ortsangaben cc) Deutschland, Deutsch, Germany, Ger100 man, Germania, National 101 dd) Regionalbezeichnungen ee) Europa, Europäisch, Euro-, Eur-, EU-, 102 EGff) International, interkontinental, konti104 nental gg) Geographische Phantasiebezeichnun107 gen hh) Produktbezogene geographische Zu108 sätze y) Produktbezogene Adjektive, Komparative, 109 Superlative 110 z) Alter und Tradition a1) Umwelt, umweltfreundlich, Bio, Öko, öko111 logisch 112 b1) Sonstige Einzelfälle k) l)
A. Grundlagen I. Entstehungsgeschichte und Norminhalt 1 § 18 wurde durch die Handelsrechtsreform von 1998 vollkommen neu gefasst und ist der firmenrechtliche Kern der Reform. Während Abs. 1 zuvor verlangte, dass ein Einzelkaufmann seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen als Firma zu führen hat, sind mit der Neufassung dergleichen inhaltliche Vorgaben für die Firmenbildung entfallen. Gesellschaftsrechtliche Parallelnormen (so etwa § 4 GmbHG, §§ 4, 279 AktG, § 3 GenG, § 11 PartGG)1 wurden dementsprechend angepasst. Grundsätzlich zulässig sind heute daher bei fast allen Rechtsformen Personen-, Sach-, Phantasie- und Mischfirmen (zu diesen Begriffen Vor § 17 Rn 16 ff). Es gilt der Grundsatz der Firmenwahlfreiheit (Vor § 17 Rn 27). 1 Vgl. BGBl. I v. 26.6.1998, 1474 ff. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 18
Diese Liberalisierung wurde durch drei Maßnahmen ergänzt: Zum Einen wurde die Na- 2 mensfunktion der Firma gestärkt, indem § 18 Abs. 1 nunmehr (s. aber auch § 18 Abs. 2 S. 2 a.F.) verlangt, dass die Firma zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein (Kennzeichnungseignung) und (abstrakte) Unterscheidungskraft besitzen muss (zur konkreten Unterscheidungskraft § 30 Rn 24 ff). Zum Zweiten wurde durch die Neufassung des § 18 Abs. 2 das dort zuvor ausdrücklich nur für Firmenzusätze normierte Irreführungsverbot einerseits auf die gesamte Firma erweitert, andererseits durch die Erfordernisse der Wesentlichkeit und der Ersichtlichkeit abgeschwächt. Schließlich wurde zum Dritten für alle Rechtsformen die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes eingeführt (näher dazu § 19; näher zur Handelsrechtsreform Vor § 17 Rn 12 ff). Die allgemeinen Voraussetzungen zulässiger Firmenbildung lassen sich somit stichwort- 3 artig wie folgt zusammenfassen: Kennzeichnungseignung (Rn 7 ff), abstrakte Unterscheidungskraft (Rn 16 ff), keine Irreführung (Rn 34 ff), Rechtsformzusatz (§ 19) und konkrete Unterscheidungskraft (§ 30). Zu diesen allgemeinen Voraussetzungen treten im Einzelfall Erfordernisse aus besonderen Vorschriften außerhalb des HGB (Vor § 17 Rn 9). Schließlich darf die Firmenbildung selbstredend nicht gegen §§ 134, 138 BGB verstoßen. Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG ist daneben wohl nicht erforderlich.2 Verboten sind etwa Firmen volksverhetzenden Inhalts (§ 130 StGB), sittenwidrig Firmen vulgären Inhalts (z.B. „Schlüpferstürmer“,3 „Busengrapscher“4).5 Problematisch kann ferner die Verwendung religiöser Begriffe („MESSIAS“,6 „CORAN“,7 „Dalailama“,8 „Buddha“)9 durch gewerbliche Unternehmensträger sein.
II. Normzweck Die Firma ist der Name des Kaufmanns (§ 17 Rn 5 ff). Es ist daher besonders wichtig, dass dieser 4 Name zur Kennzeichnung geeignet ist und Unterscheidungskraft besitzt, andernfalls die Firma weder ihrer Namens- noch ihrer Publizitätsfunktion (Vor § 17 Rn 1 f) genügen kann.10 Vor der Reform traten diese Erfordernisse nicht so stark hervor, weil Personennamen anders als Sachoder Phantasiebezeichnungen ihnen grundsätzlich genügen (Rn 21 ff); vgl. ferner § 2 PartGG, aber auch § 18 Abs. 2 S. 2 a.F.). Abs. 1 soll also die Identifizierung des Unternehmensträgers ermöglichen, Verwechselungen vorbeugen und dient damit dem Verkehrsschutz.11 Auch Abs. 2 dient dem Verkehrsschutz, nämlich dem Präventivschutz – im Gegensatz zu 5 einer bloß nachträglichen Kontrolle mit Mitteln des gewerblichen Rechtsschutzes (namentlich 2 Dafür Oetker Handelsrecht, § 4 Rn 28; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Jung ZIP 1998, 681; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; K. Schmidt ZIP 1997, 909 (915); W.-H. Roth Das neue Firmenrecht, in Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 37 f; s.a. Möller DNotZ 2000, 831 (839). 3 BGHZ 130, 5, 8 ff (zu § 1 UWG a.F.); DPMA Beschl. v. 8.7.1985, P 31902/33 Wz, MittdtschPatAnw 1985, 215 f. 4 BGHZ 130, 5, 8 ff (zu § 1 UWG a.F.). 5 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4, 25; für weitere Beispiele s. auch Röhricht/v. Westphalen/Ammon2 Rn 25 Fn 54, 55; sowie MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn. 79 f; K. Schmidt ZIP 1997, 909, (915); W.-H. Roth Das neue Firmenrecht, in Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999, 31, 37 f; s. auch Möller DNotZ 2000, 831 (839); Jung ZIP 1998, 681. 6 BPatG GRUR 1994, 377. 7 BPatGE 28, 41 (42 f). 8 Zum Markenrecht BPatG München 24. Senat, Beschl. v. 16.10.2002, Az. 24 W (pat) 140/01, BPatGE 46, 66–71: Verstoß gegen die guten Sitten und eine Verletzung des religiösen Empfindens. 9 Zum Markenrecht BPatG München 28. Senat, Entsch. v. 17.1.2007, Az. 28 W (pat) 66/06; auch in diesem Fall wurde ein Verstoß gegen die guten Sitten trotz ungewöhnlicher Schreibweise („Budha“) angenommen. 10 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; Hopt/Merkt Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 18 Rn 1; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 21, 23. 11 So zu § 30 Abs. 1 etwa RGZ 75, 370 (372); 103, 388 (392); BGHZ 46, 7 (11); KG Berlin OLGZ 1991, 278 ff; aus der Lit. MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; s. auch für § 18 a.F. MünchKommHGB/Bokelmann1 Rn 2; HKzHGB/Ruß Rn 1. 53
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§ 18
1. Buch. Handelsstand
§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UWG, §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 2, 3 MarkenG) – vor einer Irreführung durch die Firma (Grundsatz der Firmenwahrheit, s.o. Vor § 17 Rn 28 ff).12 Auch dieses Problem tritt vornehmlich bei Sach- und Phantasiefirmen auf, weswegen § 18 Abs. 2 S. 1 a.F. das Täuschungsverbot seinem Wortlaut nach auf Firmenzusätze beschränkte. Nunmehr gilt das Irreführungsverbot ausdrücklich für alle Firmenbestandteile und die Firma als Ganzes.13 Um die Möglichkeiten einer Firmenbildung durch das Irreführungsverbot nicht übermäßig einzuschränken und das Registerverfahren nicht unangemessen zu verzögern, wurde das Irreführungsverbot materiellrechtlich durch die Wesentlichkeitsschwelle (Abs. 2 S. 1, Rn 46) und verfahrensrechtlich durch das Erfordernis der Ersichtlichkeit (Abs. 2 S. 2, Rn 50 ff) abgeschwächt.14 Über den gebotenen Präventivschutz vor einer Irreführung darf man also das Liberalisierungs- und Deregulierungsanliegen des Gesetzes15 nicht vergessen.
III. Anwendungsbereich 6 § 18 gilt für alle neu gebildeten Firmen i.S.d. HGB, und zwar unabhängig von der Rechtsform des Firmeninhabers, also insbes. auch für die Firma einer OHG, KG, GmbH, AG oder e.G. sowie einer juristischen Person i.S.d. § 33.16 Ferner gilt § 18 gem. § 2 Abs. 2 PartGG für Namen von Partnerschaftsgesellschaften und ab dem 1.1.2024 für Namen eingetragener BGB-Gesellschaften (gem. § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG). Außerdem findet § 18 für Minderfirmen und Geschäftsbezeichnungen (zu diesen Begriffen § 17 Rn 15 ff) analoge Anwendung.17 Im Rahmen dieses Anwendungsbereichs greift § 18 grundsätzlich bei Firmenänderungen ein;18 denn die Änderung einer Firma ist materiell nichts anderes als die Annahme einer neuen Firma unter Aufgabe der alten Firma (§ 17 Rn 33). Schließlich gilt das Irreführungsverbot grundsätzlich solange die Firma besteht (näher Rn 35 ff). Gewisse Einschränkungen erleidet allerdings der Grundsatz der Firmenwahrheit (§ 18 Abs. 2) im Blick auf den Grundsatz der Firmenbeständigkeit (§§ 21–24, s. Vor § 17 Rn 31 ff).
B. Kennzeichnungseignung (Abs. 1 Hs. 1) I. Begriff und Abgrenzung 7 Nach Abs. 1 muss die Firma zur Kennzeichnung geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Beide Begriffe überschneiden sich derart, dass sie sich nur schwer voneinander abgrenzen lassen und daher auch oft nicht klar voneinander getrennt werden. Nachdem beide Merkmale kumulativ erfüllt sein müssen und beide Merkmale demselben Ziel verpflichtet sind, nämlich im Interesse des Verkehrsschutzes eine Identifizierung des Unternehmensträgers zu ermögli-
12 13 14 15 16
Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 54. Hopt/Merkt Rn 9; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26. Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 53. GKzHGB/Steitz Rn 1; MünchKommHGB/Heidinger Rn 1. Vgl. die insofern etwas umständliche Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 52 und dazu Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 1; Hopt/Merkt Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2; siehe als Beispiel aus der Rspr. KG – 22 W 57/18, NJW-RR 2018, 1311 mit Verweis auf den gesetzgeberischen Willen gem. § 11 Abs. 1 S. 1 PartGG. 17 MünchKommHGB/Heidinger Rn 4; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke § 17 Rn 126; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 31; für e.V. BayObLGZ 1990, 71 (76) = NJW-RR 1990, 996; OLG Köln NJW-RR 1997, 1531; OLG Frankfurt/M NJW-RR 2002, 176; OLG Hamm NZG 1999, 994; BayObLGZ 1998, 226 = NJW 1999, 297. 18 Vgl. OLG Stuttgart Rpfleger 2000, 336; MünchKommHGB/Heidinger Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 18
chen und Verwechselungen vorzubeugen, ist freilich eine eindeutige Abgrenzung auch nicht erforderlich.19 Die Kennzeichnungseignung zielt in erster Linie darauf, dass die Firma als Name geeig- 8 net sein muss.20 Es muss sich daher um eine lesbare21 und aussprechbare (artikulierbare)22 Bezeichnung handeln.23 Fragwürdig sind deswegen insbes. Bild-, Satz- und Sonderzeichen sowie u.U. Buchstaben- und Zahlenkombinationen (näher Rn 9 ff). Die abstrakte Unterscheidungskraft zielt dagegen stärker auf eine Individualisierung des Unternehmensträgers ab, um Verwechselungen mit anderen Firmen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise vorzubeugen.24 Im Blick hierauf sind insbes. Branchen- und Gattungsbezeichnungen sowie allgemeinsprachliche, umgangssprachliche und geographische Begriffe problematisch (näher Rn 16 ff). Zu beachten ist bei alledem, dass es hinsichtlich der Frage, welche Bezeichnungen zur Kennzeichnung geeignet sind und Unterscheidungskraft besitzen, auf die Verkehrsanschauung ankommt und diese im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfen ist.25 Was gestern noch als unaussprechlich galt (z.B. „@“), ist es heute nicht mehr („æt“). Im Blick hierauf sowie angesichts der gesetzlich angestrebten Liberalisierung ist unter Berücksichtigung des gebotenen Verkehrsschutzes ein eher großzügiger Maßstab anzulegen.
II. Problemfelder 1. Bild-, Satz- und Sonderzeichen Während Bildzeichen und sonstige graphische Darstellungen als Marke (§ 3 Abs. 1 MarkenG) 9 oder geschäftliche Bezeichnung (§ 5 Abs. 2 MarkenG) Schutz genießen können, sind sie als Firma nicht geeignet, weil sie nicht lesbar und als solche nicht aussprechbar sind. Zeichen wie „♥“ oder „♪“ können zwar mit Worten („Herz“ bzw. „Note“) beschrieben, aber eben nicht selbst gelesen und ausgesprochen werden. Zu Recht beanstandet wurden daher auch Sonderzeichen wie „*“, „#“, „=“ und „//“.26 Als Firmenbestandteile zulässig sind hingegen die wortersetzenden Zeichen „&“ und „+“, weil sie im Verkehr ohne weiteres als Abkürzungen für „und“ verstanden und ausgesprochen werden.27 Seit jeher zulässig ist ferner die Verwendung von Kommata, insbes. zur Abtrennung mehrerer Personennamen28 sowie Bindestrichen, insbes. bei Doppelnamen („Müller-Lüdenscheidt“). Neuerdings werden allerdings auch andere Satzzeichen wie „?“, „!“, „:“ und „.“ mit der bemerkenswerten Begründung zugelassen, dass Satzzeichen offensichtlich
19 So i.E. auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 9; ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Hopt/ Merkt Rn 5; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 19; zur Ergänzungswirkung von Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft s. auch GKzHGB/Steitz Rn 20. 20 Hopt/Merkt Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 20, 32. 21 Statt „lesbar“ ist oft „wörtlich“ zu lesen, so Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11, s. auch KG Berlin DB 2000, 1857 (1858): wörtliche Bezeichnung. Das scheint jedoch ein Relikt aus dem alten Firmenrecht zu sein. 22 BGH ZIP 2009, 168; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 20, 32. 23 So etwa auch Hopt/Merkt Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 15; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1078). 24 BayObLG NJW-RR 2003, 1544; GKzHGB/Steitz Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 25 So auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 14; ebenso BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 32. 26 BGH ZIP 2022, 792; BGHZ 14, 155; BayObLG NJW 2001, 2337; KG GmbHR 2000, 1101; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 37. 27 BGH ZIP 2009, 168; BGHZ 135, 257 (bzgl. der Partnerschaft); BayObLG NJW 1996, 3016; BayObLG NJW 2001, 2337; GKzHGB/Steitz Rn 15; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 37; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 28 Anstelle anderer GKzHGB/Steitz Rn 15. 55
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nicht ausgesprochen werden sollen.29 Auch das Grad-Zeichen „o“ in der Firma wird als eindeutiges und aussprechbares Zeichen für zulässig gehalten.30 Im Gegensatz dazu ist die Bedeutung des Zeichens „#“ deart vielfältig (Doppelkreuz, Raute oder Rautenzeichen, Hash oder Hashtag),31 dass eine Verwendung in der Firma weiterhin unzulässig bleiben sollte.32 10 Kontrovers wurde ferner die Zulässigkeit des „@“-Zeichens beurteilt. Nach früher herrschender Meinung soll es weder in Alleinstellung (z.B. „@-GmbH“) noch als Firmenbestandteil (z.B. „Shopping@Berlin AG“) Verwendung finden dürfen,33 weil die Aussprache als „æt“ noch keine Verkehrsgeltung erlangt habe.34 Angesichts der Verbreitung des Internet bzw. der E-Mail hat sich das inzwischen geändert.35 Dass für das @-Zeichen neben der Aussprache als „æt“ weiterhin umgangssprachliche Bezeichnungen wie „Klammeraffe“ kursieren, ist demgegenüber ebenso ohne Belang, wie die unterschiedliche Bedeutung des Zeichens zu anderen Zeiten oder in anderen Kulturen. Als modische Schreibweise des Buchstaben „a“ (z.B. „Conr@d AG“)36 kann das @-Zeichen dagegen auch deswegen nicht verwendet werden, weil kein Anspruch auf eine bestimmte graphische Darstellung der Firma besteht (Rn 12).37 Auch in Alleinstellung ist das @-Zeichen weiterhin unzulässig, weil ihm hierfür die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. Rn 14).
2. Schriftart und Schriftbild 11 Als Schriftart dürfen nur lateinische Buchstaben Verwendung finden, weil nur sie von durchschnittlichen Verkehrsteilnehmern gelesen und ausgesprochen werden können (s. auch Rn 57). Das gilt selbst für die Anfangsbuchstaben des griechischen Alphabets. Unzulässig ist deswegen eine „α-GmbH“, zulässig dagegen eine „Alpha-GmbH“.38 An das bei der Anmeldung verwendete Schriftbild ist das Registergericht nicht gebunden, 12 sondern entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen mit welchem Schriftbild die Firma eingetragen wird; denn das Schriftbild hat keine namens- und daher auch keine firmenrechtliche Bedeutung.39 Auch Groß- und Kleinschreibung (z.B. „Conrad“, „CONRAD“ oder „conrad“) sind daher firmenrechtlich irrelevant.40 Anders kann dies markenrechtlich zu beurteilen sein, vgl. §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2 MarkenG.41
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BayObLG NJW 2001, 2337 (2338); GKzHGB/Steitz Rn 15; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 36. LG München I Beschl. v. 29.11.2007– 17 HK T 20361/07, nv. S. Doppelkreuz (Schriftzeichen) – Wikipedia. AA MünchKommHGB/Heidinger Rn. 12, wonach eine Zulässigkeit des Rautezeichens in Zukunft ggf. in Frage kommen kann. 33 Röhricht/v. Westphalen/Ammon/Ries4 Rn 16 mwN. 34 Gegen eine Eintragungsfähigkeit ins Handelsregister BayObLG NJW 2001, 2337; OLGR Braunschweig 2001, 31. 35 LG Berlin Beschl. v. 13.1.2004 - 102 T 122/03; LG Cottbus CR 2002, 134; ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 14; Mankowski MDR 2001, 1124; ders. EWiR § 18 HGB 1/01; Wagner NZG 2001, 802, Wachter GmbHR 2001, 477; sowie Mellmann NotBZ 2001, 228; GKzHGB/Steitz Rn 15 mwN; Hintzen Rpfleger 2003, 337 (339); BeckOGK HGB/Lüken/ Natzel Rn 38; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 36 Beispiel von MünchKommHGB/Heidinger Rn 15; so auch GKzHGB/Steitz Rn 15; vgl. auch KG NJW-RR 2001, 173; OLG Braunschweig WRP 2001 zum Wettbewerbsrecht, 287 „Met@box AG“; BayObLG NJW 2001, 2337 „D@B-GmbH“; LG Leipzig NotZ 2002, 112 „@toll GmbH“. 37 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 14 ff; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel § 18 Rn 39; KG GmbHR 2000, 1101 = NJW-RR 2001, 173, s.a. Lösler NotBZ 2000, 417; BayObLGZ 1978, 18 = Rpfleger 1978, 218. 38 GKzHGB/Steitz Rn 15. 39 KG GmbHR 2000, 1101 = NJW-RR 2001, 173; GKzHGB/Steitz Rn 15; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Krafka/ Kühn/Krafka/Kühn RegisterR Rn 173, 206, 216; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 42. 40 Kögel Rpfleger 2000, 255 (259); MünchKommHGB/Heidinger Rn 16. 41 Ströbele/Hacker MarkenG § 3 Rn 6 ff, § 5 Rn 21 ff; v. Schultz MarkenR § 3 Rn 5 ff. Burgard
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3. Buchstabenkombinationen Nach altem Firmenrecht waren Buchstabenkombinationen als Firma nur eingeschränkt zulässig.42 13 Nach neuem Firmenrecht sind sie hingegen nur ausnahmsweise unzulässig.43 Es kann nämlich kein Zweifel darüber bestehen, dass jede Buchstabenkombination lesbar und aussprechbar ist.44 Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Buchstabenkombination als Ganzes (z.B. „TUI“) oder nur ihre einzelnen Buchstaben (z.B. „BASF“) aussprechbar sind, ob es sich um eine Abkürzung handelt oder zumindest ursprünglich gehandelt hat (z.B. „TUI AG“ für ehemals „Touristik Union International AG“) oder ob die Buchstabenkombination – wie die genannten Beispiele – Verkehrsgeltung erlangt hat oder nicht (z.B. „NIP GmbH“, „KSD GmbH“, „IMD GmbH“).45 Problematisch sind lediglich zwei Fallgruppen: Wird nur ein Buchstabe in Alleinstellung 14 verwendet (z.B. „X-GmbH“) so fehlt es zwar richtigerweise nicht an der Kennzeichnungseignung,46 da auch ein einziger Buchstabe les- und aussprechbar ist, wohl aber an der erforderlichen abstrakten Unterscheidungskraft.47 Eine Aneinanderreihung von Buchstaben ist hingegen hinreichend unterscheidungskrätfig, wie nun auch der BGH entschieden hat.48 Das gilt auch für Buchstabenkombinationen ohne erkennbaren Sinn.49 Ebenfalls nicht an der Kennzeichnungseignung50 und auch nicht immer an der abstrakten Unterscheidungskraft51 fehlt es bei der Aneinanderreihung des Buchstaben „A“ (z.B. „AAA AAA AAA AB Livesex-TV“52 oder „A.A.A.A.A.A.“).53 Eine solche Firma ist jedoch rechtsmissbräuchlich und daher nicht eintragungsfähig, wenn die Aneinanderreihung keinen Sinn hat außer sicherzustellen, dass die Firma in allen möglichen Verzeichnissen am Anfang steht.54
4. Zifferkombinationen Ähnlich wie bei Buchstabenkombinationen verhält es sich richtigerweise bei Zifferkombinatio- 15 nen:55 Sie sind jedenfalls zur Kennzeichnung geeignet, da sie lesbar und aussprechbar sind. 42 BGHZ 11, 214 (217); BGH NJW 1954, 388 (KfA); BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 46; GKzHGB/Steitz Rn 12. 43 BGH ZIP 2009, 168; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 49; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12, 15; GKzHGB/ Steitz Rn 12; MünchKommHGB/Heidinger 17 ff, vgl. auch BGHZ 145, 279 (280 ff); OLG Frankfurt OLG-Report 1998, 381; OLG Köln MMR 2000, 161; aA OLG Celle DB 2006, 1950. 44 BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 49; BGH ZIP 2009, 168; zum Markenrecht BGH GRUR 2001, 344; aA Celle NJWRR 1999, 543; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; ebenso zum Markenrecht OLG Köln MMR 2000, 161. 45 Beispiele von Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 50 f; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1078); Kögel Rpfleger 2000, 255 (256 f), s.a. BGH ZIP 2009, 168. 46 Kritisch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; s. auch Kögel Rpfleger 2000, 255 (256). 47 Ebenso zum MarkenR BPatG München Beschl. v. 20.4.2005 – 28 W (pat) 404/03 zum Buchstaben „V“; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 54; aA zum MarkenR noch BPatG München Beschl. v. 17.10.2000 – 33 W (pat) 40/99 zum Buchstaben „V“; Möller DNotZ 2000, 830 (833). 48 BGH NJW-RR 2009, 327 – HM & A; s. ebenso schon OLG Hamm ZIP 2008, 791 = FGPrax 2008, 78. 49 AA AG Koblenz BeckRS 2014, 125808 – „MGCMDR Ventures UG“; MünchKommHGB/Heidinger Rn 22. 50 So aber OLG Frankfurt NZG 2002, 588 f; zum Firmenrecht vor der Handelsrechtsreform OLG Celle DB 1999, 40; wie hier Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; MünchKommHGB/Heidinger Rn 22. 51 So aber zum Firmenrecht vor der Handelsrechtsreform OLG Celle DB 1999, 40; wie hier Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 13. 52 OLG Celle DB 1999, 40. 53 OLG Frankfurt NJW 2002, 2400. 54 OLG Frankfurt NJW 2002, 2400; ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 22; GKzHGB/Steitz Rn 14; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 56; vgl. ferner Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13. 55 Sehr streitig Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1078); Canaris Handelsrecht § 10 Rn 17; wohl ähnlich Bülow DB 1999, 269 (270); K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2167); abl Kögel BB 1998, 645 (646); ders Rpfleger 2000, 255 (256); Müther GmbHR 1998, 1058 (1060). 57
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Insbes. müssen sie nicht als Wörter ausgeschrieben werden. Zulässig wäre also nicht nur „siebenundvierzig-elf“ oder „eins-eins-eins“,56 sondern auch „4711“57 oder „111“.58 Anerkannt ist Letzteres freilich nur für Ziffern als Firmenbestandteil (z.B. „Sat 1“, „tm 3“).59 In diesem Fall aber auch dann, wenn sich der beabsichtigte Sinn nur aus der korrekten Aussprache der Ziffer in einer fremden Sprache ergibt (z.B. „4 you“ oder „B2B“)60 – oder für Ziffern in Kombination mit anderen Zeichen (z.B. „1 & 1“ oder „1 + 2“).61 Dagegen kann es bei reinen Zifferkombinationen eher noch als bei Buchstaben an der abstrakten Unterscheidungskraft fehlen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof in einer markenrechtlichen Entscheidung selbst der Ziffer „1“ in Alleinstellung hinreichende Unterscheidungskraft zugemessen.62 Die Entscheidung sollte aber nicht auf das Firmenrecht übertragen werden.63 Hier genügen auch zwei Ziffern in Alleinstellung64 („12“; anders aber mglw., wenn die Zahl ausgeschrieben ist, z.B. „elf“65) und andere wenig prägnante66 Zifferkombinationen (z.B. „149“, wohl aber „123“) nicht dem Erfordernis der Unterscheidungskraft,67 solange sie keine Verkehrsgeltung (z.B. durch eine vorherige Verwendung als Marke oder Geschäftsbezeichnung) erlangt haben (wie z.B. „4711“). Letzteres sowie die gegenüber Buchstabenkombinationen strengere Beurteilung resultiert aus der Verkehrsanschauung.
C. Abstrakte Unterscheidungskraft (Abs. 1 Hs. 1) I. Begriff und Abgrenzung 16 Während die Kennzeichnungseignung sich auf die Namensfunktion der Firma bezieht, zielt die abstrakte Unterscheidungskraft auf ihre Individualisierungsfunktion (Rn 8): Die Bezeichnung muss abstrakt, d.h. allgemein betrachtet, geeignet sein, den mit der Firma benannten Unternehmensträger von anderen Unternehmensträgern zu unterscheiden.68 Ebenso wie im Marken- bzw. Kennzeichenrecht, dem diese Voraussetzung entlehnt ist und wo ihr zentrale Bedeutung zukommt (§§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 2, 8 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3, 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3, 97 Abs. 1, 127 Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2, 143 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3 lit. b, Nr. 5, 143a Abs. 1 Nr. 3, 144 Abs. 1 Nr. 2 56 Das ist wohl unstreitig, Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; MünchKommHGB/Heidinger Rn 23; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 52. 57 Vgl. BGH GRUR 1990, 711 (713). 58 Ablehnend wohl HKzHGB/Ruß Rn 5; Kögel BB 1998, 1645 (1646); GKzHGB/Steitz Rn 13 mit Beispielen; bei einer alleinigen Nennung von Ziffern oder Zahlen zweifelnd Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; wie hier die Kennzeichnungseignung bejahend MünchKommHGB/Heidinger Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14 mit Beispielen; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1078). 59 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; GKzHGB/Steitz Rn 13; siehe aus der Rspr. KG – 12 W 51/13, NZG 2013, 1153: (…) „weil die Zahl allein nicht hinreichend individualisierend sondern beliebig wirkt“ (…). 60 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 17; Hauser BuW 1999, 109 (110). 61 Nach Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14 sowie MünchKommHGB/Heidinger Rn 24 sind diese bereits eingetragen worden; siehe auch BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 52. 62 BGH GRUR 2002, 970 (zu Tabakerzeugnissen); aA zu Rundfunksendern BGH GRUR 2000, 608; offengelassen BGH GRUR 2000, 231 (232). 63 S. auch Ströbele/Hacker MarkenG § 5 Rn 40 mwN, wonach die markenrechtliche Unterscheidungskraft nicht ohne weiteres mit der namensmäßigen Unterscheidungskraft i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG gleichgesetzt werden kann. 64 So auch KG Beschl. v. 17.5.2013 – 12 W 51/13, NZG 2013, 1153 für eine nur aus zwei Ziffern (23 GmbH) bestehende Firma; dazu Juretzek GRUR-Prax 2013, 464. 65 Bsp. nach Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3, ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14 mw Bsp. 66 BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn. 52; MünchKommHGB/Heidinger HGB Rn 23. 67 AA MünchKommHGB/Heidinger Rn 23. 68 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; MünchKommHGB/Heidinger Rn 25; HKzHGB/Ruß Rn 5; Hopt/Merkt Rn 5. Burgard
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MarkenG), erfordert dies eine ausreichende Eigenart, so dass die Bezeichnung von dem Verkehr als individualisierender Herkunftshinweis auf den Unternehmensträger verstanden wird. Zu beachten ist jedoch die Unterschiedlichkeit der Zwecke und Rechtsfolgen des Firmen- und Kennzeichenrechts: Während es bei § 18 Abs. 1 um die Frage geht, ob die Unterscheidungskraft ausreicht, um einen Rechtsträger nach der Verkehrsanschauung hinreichend zu individualisieren, geht es im Kennzeichenrecht um die Frage, ob eine Bezeichnung derart unterscheidungskräftig ist, dass an ihr ein Ausschließlichkeitsrecht begründet wird bzw. begründet werden kann. Dort ist daher auch ein Freihaltebedürfnis zu berücksichtigen, ein Gesichtspunkt der hier richtigerweise außer Betracht zu bleiben hat (näher Rn 18). Dementsprechend unterschiedlich sind die Rechtsfolgen: Während hier eine mangelnde Unterscheidungskraft die Unzulässigkeit der Firma zur Folge hat, führt eine mangelnde Unterscheidungskraft dort lediglich dazu, dass ihr der Schutz des Kennzeichenrechts versagt wird. Und weiter: Während hier eine „Heilung“ der Unzulässigkeit der Firma grundsätzlich nicht möglich und ihre Führung verboten ist, kann der Schutz dort nachträglich durch Erlangung von Verkehrsgeltung infolge von Benutzung erworben werden (s. Anh. II zu § 37 Rn 14 ff). Diese Unterschiede gebieten, den Begriff der Unterscheidungskraft im Firmenrecht tendenziell großzügiger zu handhaben als im Recht der Unternehmenskennzeichen (Im Markenrecht kommen hingegen weitere Unterschiede hinzu, so dass dort teilweise noch geringere Anforderungen an die Unterscheidungskraft gestellt werden als sie hier zu stellen sind.69). Unstreitig nicht erforderlich ist, dass die Firma den Unternehmensträger konkret benennt, 17 wie es das alte Firmenrecht in § 18 Abs. 1 a.F. für den Einzelkaufmann forderte bzw. versuchte. Vielmehr ist nach neuem Firmenrecht auch dem Einzelkaufmann die Führung von Sach- und Phantasiefirmen gestattet. Der Individualisierung des Unternehmensträgers dient dabei auch sein Sitz, weswegen in einem weiteren Schritt die konkrete Unterscheidbarkeit gem. § 30 zu prüfen ist (Rn 19). Und die konkrete Identifizierung des Unternehmensträgers erfolgt dann durch Einsicht in das Handelsregister, was durch die nach § 37a erforderlichen Angaben erleichtert wird. Im Markenrecht wird von der Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) das Bestehen 18 eines Freihaltebedürfnisses (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG) unterschieden. Beide Erfordernisse überschneiden sich zwar, sind jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Schutzzwecke gesondert und unabhängig voneinander zu prüfen.70 Mit dem Erfordernis des Fehlens eines Freihaltebedürfnisses wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass bloß beschreibende Zeichen oder Angaben i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG von jedermann frei verwendet werden können.71 Das ist deswegen erforderlich, weil dort die Begründung eines Ausschließlichkeitsrechts in Frage steht. Ob auch im Firmenrecht ein Freihaltebedürfnis anzuerkennen ist, wird unterschiedlich beurteilt.72 Das ist nicht nur deswegen abzulehnen, weil dieses Merkmal keine Erwähnung im Gesetz gefunden hat. Entscheidend ist vielmehr, dass im Firmenrecht insofern gar kein Freihaltebedürfnis besteht, weil es hier nicht um die Begründung eines Ausschließlichkeitsrechts geht. Vielmehr ist die Führung und Eintragung identischer oder ähnlicher Firmen nur im Rahmen des § 30 ausgeschlossen. Richtigerweise kann das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses daher nicht einmal im Rahmen der Prüfung des Bestehens abstrakter Unterscheidungskraft Berücksichtigung finden, zumal im Markenrecht anerkannt ist, dass wegen ei69 70 71 72
S.o. Rn 15 mit Fn 57, 58. BGHZ 167, 279 (283) mwN. BGHZ 167, 278 (293) (Fußball WM 2006) mwN. Dafür BayObLG NJW-RR 2003, 1544; MünchKommHGB/Heidinger Rn 26; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hopt/Merkt Rn 7; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 59; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17, 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; s.a. Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 4 Rn 6b; aA mit Hinweis auf die Unterschiede von Firmenrecht einerseits und Wettbewerbs- und Markenrecht andererseits HKzHGB/Ruß Rn 5, wohl auch GKzHGB/Steitz Rn 16 ff. Den Unterschied zwischen Firmen- und Kennzeichenrecht betont auch BGH NJW 1991, 2023 ff. 59
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nes möglichen Freihalteinteresses keine erhöhten Anforderungen an das Vorliegen der Unterscheidungskraft gestellt werden dürfen.73 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass auch bei dem Schutz von geschäftlichen Bezeichnungen i.S.d. § 5 MarkenG ein Freihaltebedürfnis geprüft wird (näher Anh. II zu § 37 Rn 15). Im Gegenteil: Denn dort führt das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses zum einen lediglich zu einer Verringerung des Schutzumfangs und kann zum anderen durch Verkehrsgeltung überwunden werden.74 Beide Aspekte können im Firmenrecht keine – bzw. im Blick auf die Verkehrsgeltung allenfalls ausnahmsweise75 – Berücksichtigung finden. Die Anerkennung eines Freihaltebedürfnisses im Firmenrecht hätte daher bspw. zur Folge, dass man Buchstabenkombinationen nach wie vor die Eintragungsfähigkeit absprechen müsste.76 Von der abstrakten Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 Hs. 2 ist die konkrete Unter19 scheidbarkeit i.S.d. § 30 abzugrenzen, an der es fehlt, wenn sich eine neue Firma nicht von allen anderen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bestehenden und in das Handelsoder Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheidet (näher § 30 Rn 24 ff). Fehlt es bereits an der abstrakten Unterscheidungskraft, kommt es auf die konkrete Unterscheidbarkeit nicht mehr an. Ist hingegen abstrakte Unterscheidungskraft gegeben, kann die Eintragung gleichwohl an der konkreten Unterscheidbarkeit scheitern. Schließlich können sich die abstrakte Unterscheidungskraft i.S.d. Abs. 1 und die Eignung 20 zur Irreführung i.S.d. Abs. 2 überschneiden. Fehlt es freilich bereits an abstrakter Unterscheidungskraft kommt es auf eine Irreführung nicht mehr an.
II. Problemfelder 1. Personenfirmen 21 Ob Personennamen stets unterscheidungskräftig sind77 oder zumindest bei Allerweltsnamen wie Müller, Meier, Schneider, Schmidt die Beifügung des ausgeschriebenen oder wenigstens abgekürzten Vornamens78 oder eines sonstigen Zusatzes erforderlich ist,79 wird unterschiedlich beurteilt.80 Das alte Firmenrecht verlangte nur von Einzelkaufleuten die Bildung der Personenfirma aus mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen, § 18 Abs. 1 a.F. (also z.B. „Peter Müller“).81 Für die OHG und KG genügte hingegen gem. § 19 Abs. 1 bis 3 a.F. die Verwendung des Familiennamens eines persönlich haftenden Gesellschafters mit einem das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutenden Zusatz (z.B. „Müller & Co.“).82 Und auch bei der GmbH war die Bildung einer Perso73 74 75 76
BGHZ 167, 279 (283) mwN. Vgl. BGHZ 74, 1; BGH GRUR 1982, 420; GRUR 1985, 461; GRUR 1998, 165. Zu einer denkbaren Ausnahme s. Rn 15 a.E. („4711“). „Denn es besteht eine verbreitete Übung im Wirtschaftsverkehr, Abkürzungen, vornehmlich Buchstabenkombinationen, zu benutzen, die meist … aus den Anfangsbuchstaben der Firmenbestandteile zusammengesetzt sind. Diese Übung beruht auf dem verbreiteten und anerkennenswerten Bedürfnis des Verkehrs, griffige Abkürzungen zu verwenden, und rechtfertigt es, derartige Buchstabenfolgen jedenfalls weitgehend für die Allgemeinheit freizuhalten“, BGH GRUR 1998, 165. 77 So MünchKommHGB/Heidinger Rn 39; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 65; Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG § 4 Rn 21; Möller Neues Kaufmanns- und Firmenrecht, 1998, 24. 78 So Hopt/Merkt Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 11; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 69. 79 GKzHGB/Steitz Rn 16; Altmeppen GmbHG § 4 Rn 5; Hopt/Merkt Rn 6. 80 Im Kennzeichenrecht verneinend etwa GroßkommUWG/Teplitzky1 § 16 Rn 202; Fezer Markenrecht, 4. Aufl. 2009, § 15 MarkenG Rn. 78; ausf. Goldmann Unternehmenskennzeichen, 4. Aufl., 2018, § 5 Rn 229 ff mwN. 81 Staub/Hüffer4 Rn 14 f. 82 Staub/Hüffer4 § 19 Rn 8. Burgard
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nenfirma nur aus dem Familiennamen eines Gesellschafters zulässig (z.B. „Müller-GmbH“).83 Vor dem Hintergrund des Liberalisierungsanliegens des Gesetzes spricht dies dafür, heute generell nicht mehr die Beifügung eines – ausgeschriebenen oder auch nur abgekürzten – Vornamens zu verlangen.84 Überdies setzt abstrakte Unterscheidungskraft keineswegs Seltenheit oder gar Einzigartigkeit voraus, andernfalls wären viele gebräuchliche Personenfirmen unzulässig. Vielmehr sind Namen oder Bezeichnungen nur ausnahmsweise derart einzigartig, dass sie – ohne Verkehrsgeltung erlangt zu haben – den Schluss auf einen bestimmten Unternehmensträger zulassen. Das verlangt das Erfordernis abstrakter Unterscheidungskraft allerdings auch nicht. Vielmehr ist für die abstrakte Unterscheidungskraft eine ausreichende Eigenart genügend, die abstrakt, d.h. allgemein betrachtet, als individualisierender Herkunftshinweis auf den Unternehmensträger geeignet ist, wobei es entscheidend auf die Verkehrsauffassung ankommt. Im Blick hierauf hat der BGH in einer Entscheidung zu § 5 MarkenG ausgeführt: „Unabhängig von seiner Häufigkeit ist jeder Familienname dazu geeignet und bestimmt, seinen Namensträger individuell zu bezeichnen und damit von anderen Personen zu unterscheiden. Insofern stellt jeder Name ein klassisches Kennzeichnungsmittel dar. Der Verkehr ist daran gewöhnt, dass Personen durch ihren Nachnamen bezeichnet werden und sich selbst mit diesem bezeichnen. Diese Namensfunktion wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es regelmäßig mehr oder weniger viele andere Träger desselben Namens gibt und der Name deshalb nicht eindeutig nur einer bestimmten Person zugeordnet ist. Gegen die Schutzfähigkeit sogenannter Allerweltsnamen spricht deshalb nicht, dass sie für sich allein keine eindeutige Identifikation ihres Trägers ermöglichen.“85 Deswegen käme jedem Familiennamen – wenn auch teilweise nur schwache – Unterscheidungskraft zu.86 Wollte man anders entscheiden, entstünden zudem erhebliche, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Abgrenzungsschwierigkeiten,87 die durch die regional sehr unterschiedliche Verbreitung von Namen noch verschärft würden. Dem ist auch für das Firmenrecht grundsätzlich zuzustimmen, zumal § 30 für eine konkrete Unterscheidbarkeit von aus Allerweltsnamen gebildeten Firmen sorgt. Ob dies freilich auch für Vornamen in Alleinstellung gilt erscheint auf den ersten Blick 22 zweifelhaft, da sie im Verkehr nicht in gleicher Weise zur Individualisierung genutzt werden und daher auch nicht denselben Schutz wie Familiennamen genießen.88 Gleichwohl wird man ebenso entscheiden müssen, und zwar nicht nur, um das Abgrenzungsproblem zwischen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Vornamen zu vermeiden, sondern vor allem auch, weil viele Vornamen auch als Familiennamen gebräuchlich sind (z.B. „Ulrich“, „Burghard“). Hinzuweisen ist allerdings auf zwei weitere Probleme. Zum einen sind eine Vielzahl von Familiennamen Berufsbezeichnungen entlehnt (z.B. 23 Müller, Fleischer, Schneider, Schreiner usw.), die mithin in Alleinstellung als Sachfirma verstanden werden könnten. Als Sachfirma wäre indes eine „Schreiner GmbH“ mangels ausreichender Unterscheidungskraft unzulässig (Rn 25 ff) und zudem irreführend, wenn die GmbH tatsächlich eine Fleischerei betreiben würde (Rn 60 f). In solchen Fällen muss man die Hinzufügung eines Zusatzes verlangen, der das Missverständnis, es handele sich um eine Sachfirma, auszuräumen geeignet ist (z.B. Hinzufügung des Vornamens). Ein solches Missverständnis kann freilich dann nicht entstehen, wenn sich die Schreibweise des Familiennamens von der heutigen Schreibweise der Berufsbezeichnung hinreichend deutlich unterscheidet (z.B. „Becker“ statt „Bäcker“) oder
83 Vgl. zum heutigen Recht MünchKommHGB/Heidinger Rn 39; Rowedder/Schmidt-Leithoff § 4 GmbHG Rn 22; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 11.
84 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7. 85 BGH NJW 2008, 2923 (Hansen-Bau); s. ferner EuGH GRUR 2004, 946 (947) (Nichols). 86 Nach OLG Frankfurt a.M., 6 U 27/16, NZG 2016, 1079 sollen für Vornamen dieselben Regeln gelten wie für weit verbreitete Familiennamen. 87 So auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7 aE. 88 Näher MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 9; Soergel/Heinrich § 12 Rn 93 ff; Staudinger/Habermann § 12 Rn 255; als Beispiel aus der Rspr. vgl. OLG Frankfurt a.M. 6 U 27/16 NZG 2016, 1079, wonach der originären Kennzeichnungskraft nicht entgegensteht, dass ein Vorname vielfach verwendet wird. 61
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der Verkehr den Name regelmäßig nicht als Sachfirma versteht (so etwa „Schäfer“ oder „Müller“). 24 Zum anderen kann sowohl die Firmierung mit einem Allerweltsnamen als auch mit einem ungewöhnlichen Namen zu Verwechselungen mit bekannten Namensträgern führen und daher zur Irreführung geeignet sein (s. auch Rn 43, 56). Zumeist wird dies freilich nur angenommen, wenn die Firma zugleich einen diese Vermutung fördernden Sachbestandteil enthält, also z.B. „Claudia Schiffer Kosmetik GmbH“, „Beckenbauer Fußballartikel GmbH“89 oder „Steffi Graf, Tennismoden e. Kfr.“.90 Indes wird man die Irreführungseignung auch schon dann annehmen müssen, wenn ein solcher Sachbestandteil zwar fehlt, das Unternehmen aber tatsächlich auf dem Gebiet des prominenten Namensträgers tätig ist, also etwa ein Namensvetter des berühmten Rennfahrers unter der Firma „Michael Schumacher GmbH“ ein Autohaus betreibt. Und bei sehr bekannten ungewöhnlichen Namen kann sogar bei fehlender Branchennähe eine Irreführungseignung anzunehmen sein, so bei der Verwendung des bürgerlichen Namens „Andreas Shell“ zu der Firmierung „Shell GmbH“.91
2. Sachfirmen 25 Sachfirma ist jede Firma, die auf den Gegenstand (irgend-)einer unternehmerischen Tätigkeit Bezug nimmt (Vor § 17 Rn 18). Aufgrund dieses beschreibenden Charakters sind sie dem Risiko mangelnder Unterscheidungskraft in erhöhtem Maße ausgesetzt.92 Als Regel kann gelten, dass bloße Gattungs-93, Branchen-, Sach- oder Tätigkeitsbezeichnungen in Alleinstellung keine ausreichende Unterscheidungskraft aufweisen.
26 a) Einzelfälle Firmenrecht. Mangelnde Unterscheidungskraft: „Auskunft“,94 „Autodienst“,95 „Bauland“,96 „Baumaschinen Consulting“,97 „Camping Akademie GmbH“,98 „consulting“,99 „Eisenhandel“,100 „Gebäudereinigungs-GmbH“,101 „Grundbesitz“,102 „Hausverwaltung“,103 „Industrie- und Baubedarf“,104 „Profi-Handwerker“,105 „Stapler-Vermietung GmbH“,106 „Transport-Beton“,107 „VIDEO-RENT“.108 Ausreichende Unterscheidungskraft: „Autodienst89 90 91 92 93
OLG Brandenburg v. 21.10.2002 – 8 Wx 23/02, MittdtschPatAnw 2005, 176. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34; ebenso GKzHGB/Steitz Rn 34. Vgl. BGHZ 149, 191. Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 37; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 71. In seinem Beschluss v. 15.11.2010 – 13 W 890/10, BeckRS 2011, 00914 bejaht allerdings das OLG Dresden die Unterscheidungskraft, wenn sich die Firma aus einer Gattungsangabe als Second-Level-Domain und einer TopLevel-Domain zusammensetzt; kritisch zum Beschluss des OLG Dresden v. 15.11.2010 – 13 W 890/10 Stolz, GRURPrax 2011, 59 (60). 94 LG Aachen ZIP 2007, 1011 (1012). 95 KG NZG 2008, 80 = Rpfleger 2008, 85 f. 96 OLG Dresden GRUR 1997, 68 (69). 97 OLG Oldenburg DB 1990, 519. 98 OLG Rostock v 15.11.2010 – 1 W 47/10, NZG 2011, 1160 (Ls.) = GmbHR 2011, 829. 99 OLG Frankfurt DB 2006, 269 (270). 100 MünchKommHGB/Heidinger Rn 33; ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22 Fn 3. 101 LG Aachen BB-Beilage 9/1971, 15 f. 102 OLG Frankfurt DB 2005, 1732. 103 OLG Frankfurt DB 2008, 1488 (1490 f). 104 OLG Hamm DB 1977, 2179 = OLGZ 1978, 38. 105 BayObLG DB 2003, 2382. 106 OLG Düsseldorf, BB-Beilage 9/1971, 15. 107 OLG Hamm NJW 1961, 2018. 108 BGH NJW 1987, 438. Burgard
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Berlin“,109 „Das Bad GmbH …. alles aus einer Hand“,110 „Floratec“,111 „Informedia Verlags GmbH“,112 „inter-handel“,113 „L-Dachtechnik GmbH“,114 „perspectives consulting“,115 „Planung für Küche und Bad Ltd.“, 116 „Rohrfrei“.117
b) Einzelfälle Kennzeichenrecht. Mangelnde Unterscheidungskraft: „alta moda“,118 „Are- 27 na“ (in Alleinstellung),119 „Bauland“,120 „Bücherdienst“,121 „Business-Radio“,122 „Clever Reisen“,123 „Getränke-Industrie“,124 „Hausbücherei“,125 „Haus der Fliesen“,126 „Herstellerkatalog“,127 „Immobilien-Börse“,128 „Informatik“,129 „Kaufstätten für Alle“,130 „Leasing Partner“,131 „Management-Seminare“,132 „MedConsult“,133 „Mitwohnzentrale“,134 „Motorradland“,135 „Literaturhaus“,136 „Patent“,137 „Printer-Store“,138 „Sat-Shop“,139 „Schwarzwald-Sprudel“,140 „Seetours“,141 „Sicherheit + Technik“,142 „Star Entertainment“,143 „Telekom“,144 „Volksbank“,145 „Weinbörse“.146 Ausreichende Unterscheidungskraft: „arena-berlin“,147 „Blitz-Blank“,148 109 KG NZG 2008, 80. 110 BayObLG NJW-RR 1998, 40: „Wird als Firmenkern der Sachfirma einer GmbH eine Gattungs- oder eine Branchenbezeichnung verwendet, muß ein individualisierender Zusatz beigefügt werden.“ 111 OLG Saarbrücken NJWE-WettR 1999, 258 f. 112 OLG Hamm GRUR 1991, 637. 113 BayObLGZ 1972, 388. 114 OLG Stuttgart Die Justiz 2000, 126. 115 OLG Frankfurt DB 2006, 269 (270). 116 OLG München DB 2007, 2032 (2033). 117 OLG Hamm Urt. v. 19.10.1993 – 4 U 111/93. 118 OLG Frankfurt WRP 1986, 339. 119 KG GRUR-RR 2003, 370. 120 OLG Dresden GRUR 1997, 846 (847). 121 BGH GRUR 1957, 428 (429). 122 OLG Brandenburg WRP 1996, 308. 123 OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 342 (343). 124 BGH GRUR 1957, 426 (427). 125 BGH GRUR 1957, 25 (26). 126 OLG Koblenz OLGR Koblenz 2001, 163 (164). 127 OLG Stuttgart MMR 2002, 754. 128 KG Magazindienst 2002, 1028 (1030). 129 OLG Stuttgart DB 1981, 2428. 130 BGHZ 11, 214 (218). 131 BGH v. 7.3.1991, BGHR UWG § 16 Abs 1 Unterscheidungskraft 4. 132 BGH MDR 1976, 204 (205). 133 OLG Hamm GRUR 1988, 849 (850). 134 OLG Frankfurt GRUR 1991, 251 (252). 135 OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 307. 136 BGH GRUR 2005, 517 (518). 137 BPatG CR 1999, 321. 138 OLG Köln GRUR-RR 2001, 266 (267). 139 LG München I NJW-RR 1998, 978. 140 BGH GRUR 1994, 905 (906). 141 OLG Köln GRUR-RR 2005, 16 (18). 142 OLG Hamburg WRP 1987, 261. 143 BGH GRUR 2005, 873 (874). 144 OLG München MMR 1998, 256 (257). 145 BGH GRUR 1992, 865. 146 OLG Koblenz GRUR 1993, 898 (900). 147 KG GRUR-RR 2003, 370. 148 OLG Hamburg GRUR 1986, 475. 63
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„Capital-Service“,149 „Charme & Chic“,150 „CompuNet“,151 „Computerland“,152 „Datacolor“,153 „DB Immobilienfonds“,154 „Garant-Möbel“,155 „Germania“,156 „Immo-Data“,157 „Impuls“,158 „Interglas“,159 „Interprint“,160 „Maritim“,161 „Med.Needle“,162 „NetCom“,163 „petite fleur“,164 „PicNic“,165 „product-contact“,166 „Rhein-Chemie“,167 „START“,168 „Wach- und Schließ“,169 „Flugplatz Speyer“.170 28 Zu beachten ist dabei, dass unternehmenskennzeichenrechtliche Entscheidungen aus den vorgenannten Gründen (Rn 16, 18) nicht ohne weiteres auf das Firmenrecht übertragbar sind.171 Vielmehr können unternehmenskennzeichenrechtliche Entscheidungen „strenger“ sein (z.B. „Clever Reisen“, s. auch Rn 31) als sie firmenrechtlich ausfallen müssten. Als individualisierende Zusätze kommen neben Personennamen und Phantasiebe29 zeichnungen auch Buchstaben- und Zifferkombinationen in Betracht (Rn 13 ff),172 ferner allgemein-, fremd- und umgangssprachliche sowie geographische Bezeichnungen (z.B. aus dem Firmenrecht „Berlin“,173 „Bodensee“,174 „Germany“,175 „Homburg“,176 „RheinMain“;177 aus dem Kennzeichenrecht „ABC Handels-GmbH“,178 „Altberliner“,179 „arena-berlin“,180 „Flüssiggas Bayern“,181 „Lactan Milchtechnik“,182 „Luma Rohstoffhandel“,183 „Rhein-
149 150 151 152 153 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171
BGH GRUR 1980, 247 (248). BGH GRUR 1973, 265 (266). BGH GRUR 2001, 1161. OLG München GRUR 1990, 699 zu § 16 UWG a.F. BGH GRUR 1990, 1042 (1043). BGH GRUR 2001, 344. BGH GRUR 1995, 156. BGH GRUR 1991, 472 (473). BGH GRUR 1997, 845. OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 340. BGH GRUR 1976, 643 zu § 16 UWG a.F. Hanseatisches OLG Hamburg WRP 1990, 345 zu § 16 UWG a.F. BGH GRUR 1989, 449. OLG Jena GRUR-RR 2003, 111 (112). BGH GRUR 1997, 468 (469). OLG Hamm WRP 1990, 706. BGH GRUR 1993, 923. BGH GRUR 1973, 539 (540). BGH GRUR 1957, 561 (562). OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 8 (9). BGH GRUR 1977, 226. OLG Frankfurt a.M. – 6 U 21/10, GRUR-RR 2011, 216. AA offenbar MünchKommHGB/Heidinger Rn 28; wohl auch Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3 f; wie hier HKzHGB/Ruß Rn 5; Fezer Markenrecht, § 15 Rn 177 f. 172 MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; GKzHGB/Steitz Rn 17. Zu Telefonvorwahlen als unterscheidende Zusätze vgl. OLG Köln NJW-RR 2006, 624 (625). 173 KG NZG 2008, 80. 174 OLG Stuttgart FGPrax 2004, 40 (42). 175 OLG Frankfurt ZIP 2006, 333 (334). 176 BGH ZIP 1992, 1579 (1580). 177 OLG Frankfurt DB 2008, 1488 (1490 f). 178 Kögel BB 1998, 1645(1646); MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 179 BGH GRUR 1999, 492 (494). 180 KG GRUR-RR 2003, 370 (372). 181 OLG München MMR 2003, 397 (398). 182 MünchKommHGB/Heidinger Rn 34 Fn 119; Veismann DB 1966, 99 (100). 183 MünchKommHGB/Heidinger Rn 34 Fn 119; Veismann DB 1966, 99 (100). Burgard
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Chemie“184). In Alleinstellung sind letztere wiederum nicht unterscheidungskräftig (z.B. aus dem Firmenrecht: „International“;185 aus dem Kennzeichenrecht: „Österreich“,186 „Wartburg“;187 ebenso unzulässig „Deutschland AG“ oder „München GmbH“188). Ist ein Zusatz irreführend, hat er für die Beurteilung der Unterscheidungskraft außer Betracht zu bleiben.189 Nicht zur Individualisierung geeignet ist der Rechtsformzusatz.190 Nach diesen Maßstäben zu beurteilen ist auch die Zulässigkeit von Internet-Domains, deren 29a Kern sich in einer Gattungs- oder Branchenbezeichnung erschöpft, z.B. „brillenshop.de GmbH“. Danach ist der Rechtsformzusatz ohnehin nicht zur Individualisierung geeignet. In Alleinstellung wären darüber hinaus weder die Second-Level-Domain „brillenshop“ noch die Top-LevelDomain „.de“ hinreichend unterscheidungskräftig. Anders ist jedoch deren Kombination zu beurteilen, zumal diese Kombination nach den Vergabekriterien der DENIC nur von einem einzigen Domain-Nutzer in Deutschland verwendet werden darf. Internet-Domains sind daher grundsätzlich hinreichend unterscheidungskrätfig.191
3. Phantasiefirmen Phantasiefirmen sind in der Regel unterscheidungskräftig, wenn sie nicht aus allgemein- 30 und umgangssprachlichen Bezeichnungen in Alleinstellung gebildet werden. Auch allgemeinsprachliche Begriffe können allerdings ausnahmsweise unterscheidungskräftig sein, wenn sie ungewöhnlich verwandt werden (z.B. „Spiegel“192). Als firmenrechtlich zulässig beurteilt wurden bspw. „Meditec“193 oder „Multicolor“;194 nicht dagegen „Fun“.195 Als kennzeichenrechtlich zulässig beurteilt wurden „Condux“,196 „de facto“,197 „Geospace“,198 „PLANEX“,199 „SMARTWARE“,200 nicht dagegen „Turbo“.201 Zu bloßen Buchstaben- und Zifferkombinationen Rn 13 ff. Besonders unterscheidungskräftig sind aufgrund ihrer Individualität und Einprägsamkeit 31 Werbeslogans, die als Phantasiebezeichnungen seit der Liberalisierung des Firmenrechtes zulässig sind (z.B. „clever sparen“, „Alles da“).202 Im Kennzeichenrecht wurde hingegen die Unterscheidungskraft einer „Clever Reisen GmbH“ u.a. mit Hinweis auf ein bestehendes Frei184 BGH GRUR 1957, 561 (562); MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; Möller Neues Kaufmanns- und Firmenrecht, 25 (ohne Fundstellennachweise). 185 BGH WM 1991, 364 ff. 186 OLG München GRUR 2006, 686 (687). 187 Thüringer OLG OLG-NL 1999, 181 (182). 188 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22 Fn 3 mwN. 189 OLG Frankfurt DB 2005, 1732 zu „Hessen-Nassauische Grundbesitz Aktiengesellschaft“: „Grundbesitz“ nicht unterscheidungskräftig, „Hessen-Nassau“ mangels realen Bezugs irreführend. 190 HKzHGB/Ruß Rn 4; Oetker/Schlingloff Rn. 12; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn. 74. 191 Wie hier OLG Dresden Rpfleger 2011, 277 – „X-shop-germany.eu“; ebenso für die markenrechtliche Unterscheidbarkeit LG Braunschweig MMR 2007, 195; MünchKommHGB/Heidinger Rn. 37; Scholz/Cziupka GmbHG § 4 Rn. 48; aA LG Köln Rpfleger 2008, 425 = RNotZ 2008, 553; OLG Frankfurt GmbHR 2011, 202; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Ries Rn 18; Seifert Rpfleger 2001, 395 ff; Clausnitzer DNotZ 2010, 345 (350). 192 BGHZ 21, 89; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. 193 BayObLG NJW-RR 2000, 111 (112). 194 OLG Frankfurt WRP 1982, 420 (421). 195 MünchKommHGB/Heidinger Rn 41 (ohne Fundstellennachweis). 196 BGH GRUR 1959, 484. 197 BGH GRUR 2002, 898 (899). 198 OLG Celle OLGR 1994, 200 (201). 199 OLG Hamm GRUR 1994, 742 (743). 200 BPatG Beschl. v. 30.7.2002 – 24 W (pat) 195/99. 201 BGH GRUR 1995, 410; MünchKommHGB/Heidinger Rn 41. 202 Für weitere Beispiele s. Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 9, 17. 65
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haltebedürfnis verneint.203 Keine hinreichende Unterscheidungskraft haben nach Ansicht des Bundespatentgerichts bspw. „WELCH EIN TAG“,204 „MADE IN PARADISE“,205 „Nicht immer, aber immer öfter“206.207 Diese Entscheidungen sind aber nicht auf das Firmenrecht übertragbar. 32 Bei fremdsprachlichen Bezeichnungen (dazu auch Rn 57) ist zu unterscheiden: Haben die angesprochenen Verkehrskreise den fremd-, insbes. englischsprachigen Ausdruck in ihren Wortschatz übernommen, sei es, weil dafür von vornherein kein deutsches Wort in Gebrauch ist oder das fremdsprachliche Wort das entsprechende deutsche Wort verbreitet ersetzt (z.B. Boutique, Consulting, Computer, Marketing, fashion, fast food, Franchising, Haute Couture, Pasta, Software, Trend etc.), dann gelten dieselben Regeln wie für deutsche Bezeichnungen, also insbes. wie für allgemein- und umgangssprachliche Begriffe (Rn 30) sowie für Gattungs-, Branchen-, Sach- und Tätigkeitsbezeichnungen (Rn 25). Ist die Bedeutung der fremdsprachigen Begriffe den angesprochenen Verkehrskreisen dagegen weithin unbekannt, so dass die Begriffe für die angesprochenen Verkehrskreise wie Phantasiebezeichnungen klingen (z.B. Calzolaio, Consilia,208 Cordonnier, Zapatero), dann sind sie als Phantasiefirmen grundsätzlich zulässig.209 Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein und durch Zusätze vermieden werden. Während eine „shoe GmbH“ wegen mangelnder Unterscheidungskraft unzulässig ist, wäre eine „shoe factory GmbH“ (Rn 92) wohl zulässig. Anders wird dies wiederum im Kennzeichenrecht beurteilt: „Printer-Store“,210 „Video-Rent“.211
D. Irreführungsverbot (Abs. 2) 33 Das Irreführungsverbot normiert den firmenrechtlichen Grundsatz der Firmenwahrheit (Vor § 17 Rn 28 ff) und erstrebt einen präventiven Schutz der von der Firma angesprochenen Verkehrskreise. Um die Möglichkeiten einer Firmenbildung durch das Irreführungsverbot nicht übermäßig einzuschränken und das Registerverfahren nicht unangemessen zu verzögern, wurde es durch die Handelsrechtsreform als Reaktion auf eine kleinliche, unübersichtliche und für Betroffene oft auch unverständliche Gerichtspraxis jedoch stark abgeschwächt, nämlich materiell-rechtlich durch die Wesentlichkeitsschwelle (Abs. 2 S. 1, Rn 46) und verfahrensrechtlich durch das Erfordernis der Ersichtlichkeit (Abs. 2 S. 2, Rn 50 ff).212 Dieses Liberalisierungs- und Deregulierungsanliegen des Gesetzes ist bei seiner Auslegung und Anwendung zu beachten. Unter Berücksichtigung des gebotenen Verkehrsschutzes ist daher bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 vorliegt, ein großzügiger Maßstab anzulegen, zumal sich der Verkehr inzwischen darauf eingestellt haben dürfte, dass infolge der Handelsrechtsreform der Informationswert der Firma stark abgenommen hat. Die vormalige Gerichtspraxis darf daher keinesfalls unbesehen fortgeschrieben werden. Einer bloß oberflächlichen Prüfung
203 204 205 206 207
OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 342. BPatG WRP 1998, 893. BPatG GRUR 1994, 217. BPatG 26 W (pat) 7/97. Ebenso unzulässig wegen mangelnder Unterscheidungskraft „FOR YOU“, BPatG GRUR 1997, 279 (280); „LOOK“, BPatG GRUR 1999, 1001; „Test it.“, BGH WRP 2001, 692. 208 BGH GRUR 1985, 72. 209 Zutr. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 24; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 80; ähnlich Canaris Handelsrecht § 10 Rn 22; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1076); Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 12. 210 OLG Köln GRUR-RR 2001, 266. 211 BGH GRUR 1988, 319. 212 Begr RegE, BT-Drucks 13/8444, 53. Burgard
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soll damit allerdings nicht das Wort geredet werden. Der Grundsatz muss vielmehr lauten: In dubio pro libertate!
I. Voraussetzungen des Irreführungsverbots (S. 1) 1. Anwendungsbereich a) Sachlich. Das Irreführungsverbot gilt unmittelbar nur für Firmen i.S.d. HGB. Über die Verwei- 34 sung des § 2 Abs. 2 PartGG gilt es ferner für den Namen einer Partnerschaft.213 Schließlich gilt es analog für Minderfirmen und Geschäftsbezeichnungen (zu diesen Begriffen § 17 Rn 15 ff).214 b) Zeitlich. Uneingeschränkt gilt das Irreführungsverbot für jede Neubildung und Änderung 35 einer Firma (Rn 6). Grundsätzlich gilt es ferner, solange die Firma besteht.215 Eine Firma kann daher nicht nur ursprünglich irreführend sein, sondern auch im Falle unveränderter Firmenführung nachträglich irreführend werden. Zu beachten sind dabei allerdings die Wertungen der §§ 21, 22, 24. Zwar sind diese Vorschriften auf andere als die dort geregelten Sachverhalte nicht analog anzuwenden (s. Rn 37). Mit den Wertungen dieser Vorschriften stünde es jedoch im Widerspruch, wenn jede andere Änderung des Unternehmens oder Unternehmensträgers zur Unzulässigkeit der Firmenführung wegen Irreführungseignung führen würde.216 Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass ein Zwang zur Änderung der Firma einen Eingriff in die Rechte des Inhabers darstellt, der mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein kann und dementsprechend an dem Gebot der Verhältnismäßigkeit zu messen ist. Die Eingriffsschwelle muss daher höher liegen als im Falle des Abs. 2 S. 1, der in erster Linie auf die Neubildung der Firma zugeschnitten ist. Drei Fallgestaltungen sind zu unterscheiden: Erstens kann sich das Unternehmen derart verändern, dass die Firma irreführend wird, 36 z.B.:217 Das Unternehmen wechselt die Branche, wobei es auf eine dementsprechende Änderung des Unternehmensgegenstandes nicht ankommt (Rn 61). Die Größe des Unternehmens stimmt nicht mehr mit Angaben in der Firma überein (Rn 62). Eine geographische Bezeichnung ist nicht mehr gerechtfertigt (Rn 93 ff) usw. Zweitens kann sich der Unternehmensträger derart verändern, dass die Firma irrefüh- 37 rend wird. Das ist freilich unschädlich, wenn einer der in §§ 21, 22 oder 24 geregelten Tatbestände erfüllt ist; denn in diesen Fällen setzt sich der Grundsatz der Firmenbeständigkeit gegenüber dem Grundsatz der Firmenwahrheit durch (Vor § 17 Rn 31 ff). Diese Vorschriften privilegieren freilich vornehmlich Personenfirmen bzw. Firmenbestandteile, die sich auf Personennamen beziehen, und zwar nur insoweit als eine wahre Firma nicht dadurch falsch wird, dass ihr Inhaber den Namen ändert (§ 21) oder ein Inhaber- (§ 22) bzw. Gesellschafterwechsel (§ 24) stattfindet. Im Blick auf andere geschäftliche Verhältnisse lassen die genannten Vorschriften das Irreführungsverbot dagegen grundsätzlich unberührt (vgl. § 22 Rn 99 ff, s.
213 OLG Rostock NZG 2006, 587 (588); BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 91. 214 MünchKommHGB/Heidinger Rn 4; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 91; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 9 f; für e.V. BayOLGZ 1990, 71, 76 = NJW-RR 1990, 996; OLG Köln NJW-RR 1997, 1531; OLG Frankfurt NJW-RR 2002, 176; OLG Hamm NZG 1999, 994; BayObLGZ 1998, 226 = NJW 1999, 297 zu „GbR mbH“; OLG Rostock DB 2006, 1647 zur Partnerschaft. 215 Vgl. LG Frankfurt (Oder) DB 2003, 494 zur Firmenänderung im Liquidationsstadium. 216 So für Änderungen des Unternehmensgegenstandes auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25. 217 MünchKommHGB/Heidinger Rn 48; s. auch die Beispiele bei Weber Das Prinzip der Firmenwahrheit, 110; GKzHGB/Steitz Rn 26 mwN; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 94; zur Konzernfirma nach dem Ende der Unternehmensverbindung Parmentier/Steer GRUR 2003, 196 ff. 67
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aber auch u. Rn 96).218 Insbes. muss der Rechtsformzusatz stets den wahren Verhältnissen entsprechen und muss daher auch im Falle einer Firmenfortführung nach §§ 21, 22, 24 ggf. angepasst werden (§ 22 Rn 87 ff).219 Zu der Frage, ob auch die Fortführung des Titels eines ehemaligen Inhabers gegen das Irreführungsverbot verstößt s. Rn 68. 38 Drittens kann sich die Rechtslage oder die Verkehrsauffassung derart verändern, dass eine Firmenänderung erforderlich ist.220 Schließlich endet das Irreführungsverbot sogar mit dem Erlöschen der Firma (§ 17 Rn 33 ff) 39 insofern nicht, als eine erloschene Firma zwar selbst nicht mehr irreführen kann, wohl aber eine ihr nachgebildete, neue Firma. Wird eine Firma gelöscht, ist sie zwar in dem Sinne „frei“, dass § 30 der Eintragung derselben oder einer ähnlichen Firma am selben Ort nicht mehr entgegensteht. Die Nachbildung einer erloschenen Firma verletzt aber das Irreführungsverbot, wenn für die angesprochenen Verkehrskreise nicht erkennbar ist, dass hinter der neuen Firma auch ein neues Unternehmen bzw. ein neuer Unternehmensträger steckt, vgl. auch § 23.221 Unzulässig ist daher bspw. die Firmierung „Heia – Polstermöbelfabrik“, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, die gelöschte Firma „Heia – Polstermöbelwerkstätten“ sei wieder aufgelebt.222 Welche Zeitspanne zwischen Erlöschen der alten und (Nach-)Bildung der neuen Firma verstrichen sein muss, damit eine Irreführung ausgeschlossen ist, hängt von dem Einzelfall, namentlich der Eigenart und Bekanntheit der alten Firma ab (vgl. auch Anh II zu § 37 Rn 19).
2. Angaben 40 Das Irreführungsverbot erstreckt sich auf alle Firmenbestandteile sowie auf die Firma als Ganzes. Weder die Firma als Ganzes noch irgendein Teil von ihr darf also i.S.d. Abs. 2 S. 1 irreführend sein.223
3. Irreführungseignung 41 Eine Angabe ist zur Irreführung geeignet, wenn sie unrichtige Vorstellungen hervorrufen kann.224 Weder kommt es darauf an, ob eine Irreführung beabsichtigt war,225 noch darauf, ob tatsächlich eine Irreführung eingetreten ist.226 Die bloße Möglichkeit einer Irreführung reicht aus.227
218 BGHZ 53, 65 ff zur Übernahme einer Firmenbezeichnung mit „Dr.“-Titel und Zusatz „& Co“; für weitere Beispiele s. Hopt/Merkt Rn 16 sowie MünchKommHGB/Heidinger Rn 48; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 94. 219 BGHZ 68, 14, 273: Firma einer aus einer KG entstandenen OHG darf Zusatz KG nicht fortführen. 220 Näher MünchKommHGB/Heidinger Rn 49; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 94; differenzierend Bokelmann Firmenrecht Rn 834 ff; Hopt/Merkt Rn 18. Zum Bestandsschutz beim Gebrauch einer – möglicherweise – irreführenden Firma s. AG Hamburg v. 29.4.1982, ZIP 1982, 1067 ff m. Anm. Dürr. 221 BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 97; MünchKommHGB/Heidinger Rn 46 mwN. 222 OLG Hamm Rechtspfleger 1967, 414. 223 Statt aller Hopt/Merkt Rn 9. 224 Hopt/Merkt Rn 9; GKzHGB/Steitz Rn 22; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 7. 225 RGZ 156, 22; BGHZ 22, 88; BayObLG BB 1997, 1707; Hopt/Merkt Rn 13; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 100; GKzHGB/Steitz Rn 22; aA wohl HKzHGB/Ruß Rn 14. 226 Hopt/Merkt Rn 13; GKzHGB/Steitz Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. 227 BGH BB 1973, 60; BayOLG BB 1979, 184; 1993, 458; aus der Lit. statt anderer Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9. Burgard
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Ob eine Irreführung infolge der Firmierung möglich ist, ist aus Sicht der durch die Firma 42 angesprochenen Verkehrskreise (dazu Rn 47 f) zu ermitteln.228 Zwar ist die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nach dem Wortlaut von Abs. 2 S. 1 in erster Linie für die Frage der Wesentlichkeit (Rn 46) maßgeblich.229 Für die Frage der Eignung zur Irreführung auf einen anderen Maßstab abzustellen, wäre jedoch sinnwidrig. Unrichtig ist eine Vorstellung, wenn sie von der wahren Sachlage abweicht. Dabei kommt 43 es grundsätzlich nicht entscheidend darauf an, ob die irreführende Angabe selbst wahr oder unwahr ist. Das ist eine wesentliche Änderung gegenüber dem früheren Rechtszustand, die meist nicht so deutlich hervortritt. Auch eine wahre Angabe kann – ausnahmsweise – irreführend sein, während umgekehrt eine falsche Angabe nicht irreführend sein muss. Gründet beispielsweise ein Namensvetter des berühmten Rennfahrers unter der Firma „Michael Schumacher GmbH“ ein Autohaus, so ist diese Firma zwar wahr, aber gleichwohl irreführend (s. Rn 24). Nennt umgekehrt der berühmte Rennfahrer eine GmbH nach seiner verstorbenen Mutter „Elisabeth Schumacher GmbH“, wäre diese Firma gemessen an den hergebrachten Maßstäben des alten Firmenrechts zwar unwahr, ist aber richtigerweise nicht irreführend. Zwar ist der Umstand, dass der berühmte Rennfahrer Alleingesellschafter der GmbH ist, ein wesentliches geschäftliches Verhältnis. Der Verkehr kann jedoch bei verständiger Würdigung (näher Rn 47) jedenfalls heutzutage nicht mehr erwarten in der Firma über den Inhaber bzw. Gesellschafter informiert zu werden (näher Rn 56, 59). Allenfalls streitet daher eine tatsächliche Vermutung dafür, dass objektiv wahre Angaben nicht irreführend sind, objektiv falsche Angaben dagegen zur Irreführung geeignet sind.230 Dabei muss man sich allerdings bewusst sein, dass die Kategorien „wahr“ und „falsch“ 44 bezogen auf die Angaben i.S.d. Abs. 2 S. 1 genau genommen nicht passen. Bei den Angaben i.S.d. Abs. 2 S. 1 handelt es sich nämlich um Bestandteile eines frei gewählten (Grundsatz der Firmenwahlfreiheit, Vor § 17 Rn 27) Namens (§ 17). Als bloßer Name hat die Firma in erster Linie Identifikationsfunktion und nicht Informationsfunktion. Der Informationsgehalt der Firma wurde durch die Handelsrechtsreform deutlich abgesenkt und tendiert bei Phantasiefirmen gegen Null.231 Mit Ausnahme des Rechtsformzusatzes kennt das neue Firmenrecht des HGB keine inhaltlichen Vorgaben für die Firma mehr. Nur der Rechtsformzusatz muss dementsprechend „wahr“ sein. Alle anderen Angaben sind nicht „wahr“ oder „falsch“, sondern sind allenfalls geeignet „wahre“ oder „falsche“ Vorstellungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen auszulösen. Welche Angaben welche Vorstellungen empirisch tatsächlich auslösen, ist dabei ebenso beständigem, wie verhältnismäßig langsamem Wandel unterworfen.232 Dieser Wandel wird unter anderem von der geänderten Rechtslage angetrieben, bleibt aber teilweise immer noch hinter den Vorstellungen der Handelsrechtsreform zurück. Auch aus diesem Grund ist die Irreführungseignung normativ zu bestimmen (näher Rn 47 f).
4. Geschäftliche Verhältnisse Die unrichtige Vorstellung muss geschäftliche Verhältnisse betreffen. Das sind Umstände, die 45 entweder den Unternehmensträger oder das Unternehmen betreffen. Der Begriff ist denkbar weit auszulegen und dient in erster Linie dazu, private Verhältnisse auszugrenzen.233 228 MünchKommHGB/Heidinger Rn 55; Hopt/Merkt Rn 13; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 100; GKzHGB/Steitz Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5.
229 MünchKommHGB/Heidinger Rn 58; Jacob/Weber ZRP 1997, 152 (154); Wolff DZWiR 1997, 397 (398); Bokelmann GmbHR 1998, 57 (60); HKzHGB/Ruß Rn 12. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35. Vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27. MünchKommHGB/Heidinger Rn 57; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8.
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5. Wesentlichkeit 46 Die geschäftlichen Verhältnisse, über die eine unrichtige Vorstellung hervorgerufen wird, müssen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (dazu Rn 47 ff) wesentlich sein. Diese Wesentlichkeitsschwelle ist – ebenso wie die Ersichtlichkeitsschwelle des Satzes 2 – als Reaktion auf eine kleinliche, unübersichtliche und für Betroffene oft auch unverständliche Gerichtspraxis eingeführt worden.234 Zwar soll an der registerrechtlichen Prüfung der Irreführungsgefahr im Interesse des Verkehrsschutzes festgehalten, der Prüfungsmaßstab aber reduziert werden.235 Ausgeklammert werden sollen Angaben, die zwar zur Irreführung geeignet sind, aber nur geringe wettbewerbliche Relevanz aufweisen, insbes. für die wirtschaftliche Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise nur von untergeordneter Bedeutung sind.236
6. Angesprochene Verkehrskreise 47 Sowohl die Frage der Irreführungseignung (Rn 41 ff) als auch die Frage der Wesentlichkeit (Rn 46) ist aus Sicht der „angesprochenen Verkehrskreise“ zu beurteilen. Das bedeutet zweierlei: 47a Erstens kommt es nicht auf die Möglichkeit der Täuschung Einzelner oder eines nicht unerheblichen Teils der angesprochen Verkehrskreise, sondern auf die objektivierte Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen dieser Kreise bei verständiger Würdigung an.237 Anzulegen ist also ein normativer Maßstab.238 Die subjektive Sicht der angesprochenen Verkehrsteilnehmer ist dementsprechend nicht entscheidend. Empirische Erhebungen (Rn 51) haben daher heute – anders als nach altem Recht239 – nur noch indizielle Bedeutung.240 Sie geben lediglich Aufschluss über das tatsächliche Ausmaß der Täuschungseignung.241 Ergibt sich, dass eine Angabe die überwiegende Mehrzahl der Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise tatsächlich nicht irreführt, dann ist die Täuschungseignung der Angabe tatsächlich nur schwach ausgeprägt, was den Schluss nahe legt, dass die Angabe aus der objektivierten Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen dieser Kreise bei verständiger Würdigung – also normativ betrachtet – nicht zur Irreführung geeignet ist. Ergibt sich umgekehrt, dass eine Angabe die überwiegende Mehrzahl der Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise tatsächlich irreführt, dann ist die Täuschungseignung der Angabe tatsächlich stark ausgeprägt, was den Schluss nahe legt, dass die Angabe auch normativ betrachtet irreführend ist. Gerade in diesem Fall, also bei positiver Feststellung der Irreführungseignung, sind bei der „verständigen Würdigung“ allerdings auch die gesetzlichen Wertungen zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur im Blick auf §§ 21, 22, 24, sondern etwa auch für die Frage, wie eine Personenfirma gebildet werden darf (Rn 56). Insbes. darf das Liberalisierungsanliegen des Gesetzes nicht mit Hilfe des Irreführungsverbots unterlaufen werden. Das gilt freilich auch umgekehrt: Das Irreführungsverbot darf nicht unter Hinweis auf die Liberalisierung des Firmenrechts ausgehebelt werden. Beides ist vielmehr in das rechte Verhältnis zu setzen. Schließlich ist daran zu erinnern, dass selbst eine stark aus234 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 36. 235 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 38. 236 MünchKommHGB/Heidinger Rn 58; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 36. 237 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 53; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; HKzHGB/Ruß Rn 13; Hopt/Merkt Rn 13; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 104; Köhler JZ 1989, 264; OLG Frankfurt a.M. – 20 W 53/18, NZG 2019, 1232. 238 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27; GKzHGB/Steitz Rn 24; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; ausf. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35 ff. 239 S. Staub/Hüffer4 Rn 30. 240 Vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27 a.E. „nicht mehr erforderlich“; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 43; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 110; Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1079). 241 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 110. Burgard
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geprägte Täuschungseignung unschädlich ist, wenn die Wesentlichkeitsschwelle (Rn 46) nicht überschritten wird.242 Gehört das Gericht selbst zu den angesprochenen Verkehrskreisen, bedarf es regelmäßig keines durch Meinungsumfrage untermauerten Sachverständigengutachtens.243 Zweitens ist der normative Maßstab – da das Gesetz nicht auf den Verkehr als Ganzes, son- 48 dern nur auf die „angesprochenen Verkehrskreise“ abstellt – weder einheitlich noch feststehend, sondern variabel, nämlich eben danach, welche Verkehrskreise von der Firma angesprochen werden.244 Von einer Firma angesprochen werden insbes. die aktuellen und potentiellen Kunden, Lieferanten und Wettbewerber des Unternehmens.245 Dabei sind Lieferanten und Wettbewerber in der Regel selbst Unternehmer i.S.d. § 14 BGB oder sogar Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff. Sind auch die Kunden ausschließlich oder überwiegend Unternehmer bzw. Kaufleute, dann setzen sich die angesprochenen Verkehrskreise durchschnittlich aus Rechtsträgern zusammen, denen das Gesetz eine gesteigerte geschäftliche Erfahrung und Aufmerksamkeit zumisst. Das hebt sowohl die Schwelle der Irreführungseignung als auch die Schwelle der Wesentlichkeit an. Beide werden weiter angehoben, wenn sich das Unternehmen auf einem kleinen Markt bewegt, auf dem jeder jeden kennt und die Fluktuation gering ist. Abgesenkt werden die Schwellen dagegen, wenn zu den Kunden des Unternehmens auch Verbraucher i.S.d. § 13 BGB gehören; denn in diesem Fall ist sowohl hinsichtlich der Irreführungseignung als auch hinsichtlich der Wesentlichkeit auf deren verhältnismäßig geringere geschäftliche Erfahrung und Aufmerksamkeit Rücksicht zu nehmen. Auszugehen ist dabei freilich nicht von dem Bild eines geschäftlich völlig unerfahrenen, unverständigen und flüchtigen Verbrauchers, den es vor sich selbst zu schützen gilt, sondern grundsätzlich von einem durchschnittlich sorgfältigen, aufmerksamen, informierten, verständigen und erfahrenen, kurz: mündigen Verbraucher.246 Auch dieser Maßstab kann freilich im Einzelfall variieren, nämlich wenn sich ein Unternehmen vornehmlich an überdurchschnittlich (Bsp. Unternehmer) oder unterdurchschnittlich (Bsp. Asylbewerber) erfahrene Verbraucher wendet. Schließlich können auch regionale Unterschiede zu berücksichtigen sein. Dabei kann diese Variation des Maßstabes dazu führen, dass ähnliche Firmen mal zulässig, mal wegen Verstoßens gegen Abs. 2 S. 1 unzulässig sind. Daher können auch aktuelle firmenrechtliche Entscheidungen nicht unbesehen auf andere Fälle übertragen werden (bei Entscheidungen, die noch zum alten Firmenrecht ergangen sind, ist ohnehin äußerste Vorsicht geboten, vgl. Rn 33, 46, Vor § 17 Rn 12 ff). Die nachstehenden Ausführungen (Rn 56 ff, 65 ff) gehen von der Allgemeinheit als ange- 49 sprochenem Verkehrskreis aus und berücksichtigen daher auch die Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers. Sollten im Einzelfall engere Verkehrskreise angesprochen sein, kann dies daher eine andere Beurteilung rechtfertigen bzw. gebieten.
II. Verfahrensrechtliche Berücksichtigung (S. 2) 1. Ersichtlichkeit Selbst wenn ein Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 vorliegt, darf dies im Verfahren vor dem Registerge- 50 richt nach Abs. 1 S. 2 nur berücksichtigt werden, wenn der Verstoß „ersichtlich ist“. Dabei bezieht sich die – aus § 37 Abs. 3 MarkenG bekannte – Ersichtlichkeitsschwelle nur auf die Irrefüh242 243 244 245
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 40. BGH NJW 2004, 1163 (1164); Oetker Handelsrecht § 4 Rn 54. BayObLG NJW-RR 2000, 111; Hopt/Merkt Rn 13; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 111. BayObLG NJW-RR 1988, 617; 2000, 111; Hopt/Merkt Rn 13; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 111; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 7. 246 BT-Drucks. 13/8444, 53; ausf. zu dieser Frage MünchKommHGB/Heidinger Rn 59 ff; im Ergebnis wie hier Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 40; Hopt/Merkt Rn 13; GKzHGB/Steitz Rn 24; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 27; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9 mwN. 71
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rungseignung i.S.d. Abs. 2 S. 1, nicht auf die nach Abs. 1 erforderliche Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft.247 In Bezug genommen werden jedoch alle Voraussetzungen des Abs. 2 S. 1. Insbes. muss daher auch das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle (Rn 46) ersichtlich sein.248 Anders gewendet will S. 2 zum Ausdruck bringen, dass im Registerverfahren nur evidente Verstöße gegen das Irreführungsverbot des Abs. 2 S. 1, die sich dem Registerrichter ohne Erhebung von Beweisen aufdrängen müssen, einer Eintragung entgegenstehen.249 Damit soll das Eintragungsverfahren beschleunigt und entbürokratisiert werden.250 Liegt kein in diesem Sinne evidenter Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 vor, muss das Registergericht nach Abs. 2 S. 2 daher grundsätzlich eintragen. In beiden Fällen – also sowohl bei einem evident vorliegenden Verstoß als auch ohne – bedarf es in Abweichung von § 26 FamFG (= § 12 FGG a.F.) keiner Durchführung von Ermittlungen oder der Erhebung von Beweisen.251 Das bedeutet freilich nicht, dass das Registergericht Zweifel an der Eintragungsfähigkeit einer Firma hintanstellen müsste. Im Gegenteil! Gem. § 23 S. 2 HRV, § 380 Abs. 2 FamFG hat der Registerrichter in zweifelhaften Fällen ein Gutachten der Industrie- und Handelskammer einzuholen. Ihm steht insofern kein Ermessen, sondern nur die Beurteilung zu, ob ein Fall zweifelhaft ist. Dabei soll nach der Stellungnahme des Bundesrates, auf dessen Initiative hin § 23 S. 2 HRV neu gefasst wurde, ein zweifelhafter Fall immer schon dann vorliegen, wenn der Registerrichter von der bisherigen Praxis abweichen oder eine Frage erstmals entscheiden will.252 Das geht freilich viel zu weit, weil die Liberalisierung des Firmenrechts nicht berücksichtigt wird253 und Abs. 2 S. 2 geradezu konterkariert würde. 51 Auch die IHK darf in ihrer Stellungnahme nicht die hergebrachte Verkehrsauffassung unbesehen fortschreiben, sondern muss die neue liberalisierte Rechtslage berücksichtigen. Zwar kann sie sich wahlweise auf Erfahrungswerte hinsichtlich der Verkehrsauffassung stützen oder empirische Erhebungen zum Begriffsverständnis durchführen.254 Diese haben jedoch nur indizielle Bedeutung. Entscheidend ist der oben beschriebene normative Maßstab (Rn 47). Auch deswegen ist der Registerrichter heutzutage nicht mehr an den Inhalt des Kammergutachtens gebunden.255 Bleibt auch nach Einholung des Kammergutachtens zweifelhaft, ob ein Verstoß gegen 52 Abs. 2 S. 1 vorliegt, muss das Registergericht gem. Abs. 2 S. 2 mangels Ersichtlichkeit die Eintragung vornehmen.256
2. Anwendungsbereich 53 Wie Abs. 2 S. 2 hervorhebt gilt die Ersichtlichkeitsschwelle „im Verfahren vor dem Registergericht“. Die Ersichtlichkeitsschwelle findet daher in drei Fällen Anwendung: Erstens im Verfahren der Eintragung von Firmen (§§ 29, 31 Abs. 1), zweitens im Firmenmissbrauchsverfahren nach
247 Oetker Handelsrecht § 4 Rn 38 a.E. 248 Ebenso HKzHGB/Ruß Rn 25. 249 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 53; ebs. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 29; Oetker/Schlingloff Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69. 250 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 38; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69; GKzHGB/Steitz Rn 37; steht der Eintragung ein behebbares Hindernis entgegen, so ist die Vollzugsreife des Antrags im Wege einer Zwischenverfügung gem. § 382 Abs. 4 FamFG herbeizuführen, vgl. OLG Düsseldorf – I-3 Wx 50/18, NZG 2019, 151. 251 Im Erg. ebenso GKzHGB/Steitz Rn 37; MünchKommHGB/Heidinger Rn 63 mwN. 252 BT-Drucks. 13/8444, 95. 253 Näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41. 254 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 42. 255 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43. 256 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43. Burgard
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§ 37 Abs. 1 und drittens im Amtslöschungsverfahren nach § 395 FamFG (= § 142 FGG a.F.).257 Im Beschwerdeverfahren ist dagegen richtigerweise zu differenzieren. Grundsätzlich kann die Entscheidung des Registergerichts nicht mit der Begründung angefochten werden, der von dem Registergericht angenommene Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 sei nicht ersichtlich i.S.d. Abs. 2 S. 2, etwa weil er nur aufgrund von Ermittlungen des Registergerichts zutage getreten sei.258 Das folgt schon daraus, dass Abs. 2 S. 2 das Registergericht nicht hindert, Ermittlungen durchzuführen. Vielmehr darf das Registergericht Ermittlungen durchführen, muss es anders als nach § 26 FamFG (= § 12 FGG a.F.) jedoch nur im Falle des § 23 S. 2 HRV (Rn 50). Daher hat die Rechtsmittelinstanz – ggf. unter Zugrundelegung von Ermittlungen des Registergerichts – ausschließlich zu prüfen, ob die Firma materiell gegen Abs. 2 S. 1 verstößt.259 Selbst wenn der Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 objektiv nicht ersichtlich i.S.d. Abs. 2 S. 2 ist, kommt es daher hierauf im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht an. Von diesem Grundsatz wird man allerdings dann eine Ausnahme machen müssen, wenn das Registergericht die Eintragung entgegen Abs. 2 S. 2 tatsächlich aufgrund bloßer Zweifel abgelehnt hat und der Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 objektiv nicht ersichtlich i.S.d. Abs. 2 S. 2 ist; denn andernfalls stünde zu befürchten, dass diese Bestimmung leerliefe. Im Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit findet die Ersichtlichkeitsschwelle nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift dagegen keinesfalls Anwendung. Bei der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen etwa nach § 37 Abs. 2 ist die Irreführung daher ohne diese Einschränkung zu ermitteln.
III. Rechtsfolgen 1. Rechtsfolgen des Abs. 2 Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 S. 2 vor, dann darf das Registergericht die Firma nicht 54 eintragen.260 Ohnedies muss das Gericht die Eintragung vornehmen. Erkennt das Gericht den Verstoß gegen das Irreführungsverbot erst nach der Eintragung oder tritt der Verstoß erst nachträglich ein (Rn 35 ff), dann kommen ein Firmenmissbrauchs- (§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 392 FamFG [§ 140 FGG a.F.]) oder ein Firmenlöschungsverfahren (§ 395 FamFG [§ 142 FGG a.F.]) in Betracht,261 s. dazu § 37 Rn 49. Unter Umständen soll auch § 399 FamFG (§ 144a FGG a.F.) eingreifen.262
2. Sonstige Rechtsfolgen Dritte können von dem Inhaber einer irreführenden Firma gem. § 37 Abs. 2 S. 1 und gem. §§ 3, 55 5, 8 UWG (Anh. II zu § 37 Rn 70) Unterlassung verlangen, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.263 In Betracht kommt auch ein Anspruch auf Schadensersatz und eine Gewinnabschöpfung gem. §§ 9, 10 UWG. Zu beachten sind die kurzen Verjährungsfristen des § 11 257 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 70; GKzHGB/Steitz Rn 37; Hopt/Merkt Rn 19 f; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 10.
258 Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 54; s. auch Stellungnahme des Bundesrates bzw. der Bundesregierung BTDrucks. 13/8444, 92, 98; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; aA Begr RegE, 54; OLG Hamm DNotZ 1999, 842 (844); s. ferner Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 71. 259 Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks. 13/8444, 98; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 38; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 71. 260 Diese Entscheidung des Registergerichts ergeht gem. § 382 Abs. 3 FamFG durch Beschluss. 261 Anstelle anderer Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39a; GKzHGB/Steitz Rn 37. 262 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39a. 263 Siehe hierzu als Beispiele aus der Rspr BGH – I ZR 84/16, GWR 2018, 178 sowie BGH – I ZR 180/12, NZG 2014, 839. 73
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UWG. Möglich sind auch Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG (dazu Anh. II zu § 37) sowie subsidiär aus §§ 12, 823 Abs. 1 BGB (dazu Anh. I zu § 37).
IV. Fallgruppen 1. Personenfirma 56 a) Allgemeine Regeln. Die strengen Anforderungen, die vor der Handelsrechtsreform an die Bildung einer Personenfirma gestellt wurden, gelten heute nicht mehr (Vor § 17 Rn 13). Grenze der Zulässigkeit sind allein die Kennzeichnungseigung (selten, s. Rn 57), Unterscheidungskraft (selten, s. Rn 23) und die Irreführungseignung. Nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig sind daher insbes. Abkürzungen des bürgerlichen Namens (z.B. „F. Huber“; „Friedrich H.“, „Fritz Huber“, „F.H.“),264 Weglassen eines Namensteils (wie eines zweiten Vornamens, eines Adelstitels oder des Teils eines Doppelnamens265),266 Abweichungen der Schreibweise (z.B. mit „oe“ statt „ö“)267 oder die Verwendung des Geburtsnamens,268 sofern dergleichen nicht im Einzelfall gegen Abs. 2 S. 1 verstößt (z.B. Abkürzung des Vornamens „Drago“ als „Dr.“, s.u. Rn 67). Unproblematisch ist ferner, den Namen in Klammern zu setzen, zu deklinieren oder zu diminuieren („Fritzchens Fischlokal“) oder in Form eines Adjektivs zu verwenden („Otto Müller’sche Dampfmühle“). Als Phantasiefirmen zulässig ist auch die Verwendung von Kosenamen („Püppis Moden“). Allein schon deswegen können auch Künstlernamen269, Decknamen und Pseudonyme270, Domain-Namen271 oder Namen lang verstorbener Prominenter („Mozart Kaffee“),272 mythologische Namen („Parfümerie Aphrodite“)273 und sonstige Phantasienamen274 („Billy Billig“)275 verwendet werden. Mit anderen Worten muss der in einer Personenfirma verwendete Name grundsätzlich nicht mit dem bürgerlichen Namen des Geschäftsinhabers übereinstimmen. Das gilt nicht nur in Fällen der Firmenfortführung (§§ 22, 24), sondern auch bei der Firmenneubildung,276 und nicht nur für die Firma eines Einzelkaufmanns, sondern auch 264 MünchKommHGB/Heidinger Rn 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6. 265 LG Passau Rpfleger 2000, 397 (zur GmbH); krit. Möller DNotZ 2000, 831 (836); anders vor der Handelsrechtsreform KGJ 27 A, 64 f; Staub/Hüffer4 § 30 Rn 16. 266 MünchKommHGB/Heidinger Rn 66; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 267 MünchKommHGB/Heidinger Rn 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 162; so wohl auch HKzHGB/Ruß Rn 16; ebenso bereits zur früheren Rechtslage Staub/Hüffer4 Rn 9. 268 MünchKommHGB/Heidinger Rn 66. 269 MünchKommHGB/Heidinger Rn 75; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 36; Hachenburg/Heinrich § 4 GmbHG Rn 38; Scholz/Cziupka GmbHG § 4 Rn 63. 270 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; BeckOK HGB/Bömeke Rn 36; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3 Scholz/Cziupka GmbHG § 4 Rn 63; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 4; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, Rn 94 ff, 98. Anders nach früherer Rechtslage s. KG OLGRspr. 40, 178 (179); BayObLG NJW 1954, 1933 m. eingehender Literaturangabe; Staub/Hüffer4 Rn 561 für den Einzelkaufmann; Heymann/Förster Rn 38. 271 Seifert Rpfleger 2001, 396 f. 272 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 182. 273 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32. 274 Dagegen kann auch nicht angeführt werden, dass bei der Zulässigkeit von Phantasienamen § 21 überflüssig wäre, denn solch tiefschürfende Überlegungen hat der Gesetzgeber der Handelsrechtsreform nicht angestellt. Auch für § 5 bleibt nach der Reform richtigerweise kaum ein Anwendungsbereich. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c; GKzHGB/Steitz Rn 34; vgl. OLG München – 31 Wx 415/12, NZG 2013, 108, wonach der Rechtsverkehr nicht erwarten kann, durch den Firmennamen über den bürgerlichen Namen des Inhabers einer Personenfirma informiert zu werden. 275 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c; s.a. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. 276 Im Ergebnis ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. Burgard
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für die Bildung von Gesellschaftsfirmen. Selbst die Firma einer OHG oder KG kann daher heute grundsätzlich aus dem Namen von Nichtgesellschaftern277 oder von Kommanditisten278 gebildet werden (s. auch Rn 59). Insbes. ist damit keine Irreführung über die Stellung des Namensgebers verbunden, weil der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer bei verständiger Würdigung objektiv (Rn 47) allein schon wegen der hergebrachten Regelungen der §§ 22, 24 nicht erwarten kann, dass die Firma Aufschluss über den Geschäftsinhaber bzw. dessen Gesellschafter gibt. Selbst wenn man diese Ansicht nicht teilt, so fehlt es doch an der Wesentlichkeit, sofern durch die Verwendung eines fremden Namens nicht der gute Ruf, den ein Lebender oder unlängst Verstorbener in den angesprochenen Verkehrskreisen genießt, ausgenutzt wird.279 Eine dahingehende Vermutung ist nicht gerechtfertigt.280 Kennt der durchschnittliche Angehörige der angesprochenen Verkehrskreise den Träger des verwendeten Namens nicht, kann auch keine Verwechselung entstehen.281 Wird der „gute Name“ eines Prominenten verwendet, muss dieser auf die Geschicke des Unternehmens allerdings entweder als Gesellschafter oder als leitender Angestellter maßgeblichen Einfluss haben.282 Soll etwa der Name eines bekannten Wissenschaftlers verwendet werden, so genügt es nach hier vertretener Ansicht, wenn dieser die Forschungsund Entwicklungsabteilung des Unternehmens leitet; denn dann bringt er gerade an der für die angesprochenen Verkehrskreise entscheidenden Stelle seine Expertise ein. Als bloßer Gesellschafter hätte er mglw. sogar weniger Einfluss. Ausländische Namen durften schon nach altem Recht verwendet werden, und zwar auch 57 dann, wenn sie nicht als Personennamen erkennbar sind.283 Das gilt heute in Anbetracht der Zulässigkeit der Firmenbildung unter Verwendung eines Phantasienamens (s. auch Rn 69 und Vor § 17 Rn 17) erst recht. Ausländische Namen dürfen deswegen heute grundsätzlich auch „eingedeutscht“ (z.B. „Benedikt Schneider“ statt „Benedetto Sarto“) und deutsche Namen übersetzt werden (also „Benedetto Sarto“ statt „Benedikt Schneider“).284 Ausländische Namen, die nicht in lateinischer Schrift (sondern z.B. in arabisch, chinesisch, japanisch, griechisch oder kyrillisch) gehalten sind, müssen allerdings in lateinische Schrift transkribiert werden, weil sie andernfalls für den Verkehr nicht aussprechbar sind (Rn 11). Das gilt auch für EU-Auslandsgesellschaften. 277 Str., wie hier Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32 f; MünchKommHGB/Heidinger Rn 180 ff, 104 ff; Kögel BB 1997, 793 (796); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c; Hopt/Merkt § 19 Rn 16, 22; OLG Karlsruhe – 11 Wx 15/ 09, RNotZ 2010, 482; OLG Rostock – 1 W 53/14; NZG 2015, 243; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11 f mwN. Danach differenzierend, ob Fehlvorstellungen hinsichtlich der persönlichen Haftung der namentlich bezeichneten Person hervorgerufen werden können Oetker Handelsrecht § 4 Rn 48. Kritisch auch Kiesel/Neises/Plewa/Ponoleit/Rolfes/Wurster DNotZ 2015, 740, 754 f. Das OLG Karlsruhe – 11 Wx 86/13, BeckRS 2013, 21611 stellt klar, dass eine Irreführung diesbezüglich bei der Verwendung des Namens eines Nichtgesellschafters in der Firma einer GmbH bereits ausscheide; siehe hierzu auch OLG Rostock – 1 W 53/14, NZG 2015, 243 mwN, wonach seit der Handelsrechtsreform im Jahre 1998 einzig § 4 GmbHG inhaltliche Vorgaben zur Firmenbildung einer GmbH enthält. 278 Str., wie hier Saarländisches OLG Saarbrücken DB 2006, 1002; MünchKommHGB/Heidinger Rn 105; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 307; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 5 a.E.; Schumacher Handelsrechtsreformgesetz 1998, 65; Hopt/Merkt § 19 Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c; aA Lutter/Welp ZIP 1999, 1081; Jüng ZIP 1998, 677 (682); vgl. auch Bokelmann GmbHR 1998, 57 (59); ders. Das Recht der Firmen- und Geschäftsbezeichnung Rn 595; Kögel BB 1997, 793 (796). Unsicher Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 12 a.E., Nennung des Namens des Kommanditisten kann „zulässig erscheinen“. 279 LG Wiesbaden NJW-RR 2004, 1106; MünchKommHGB/Heidinger Rn 182; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c; s.a. Hopt/Merkt Rn 22. 280 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34. 281 Das übersieht Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13; so besteht nach OLG München – 31 Wx 415/12, FG Prax 2013, 35 keine Irreführung bei der Verwendung des Namens einer tatsächlich nicht existierenden Person; siehe auch OLG Düsseldorf – I-3 Wx 81/16, NZG 2017, 350. 282 LG Frankfurt/O. GmbHR 2002, 966: Gesellschafter oder Geschäftsführer; aA D. Möller NZG 2002, 967 f: Geschäftsführer reicht nicht. 283 BayObLG NJW 1973, 1886. 284 MünchKommHGB/Heidinger Rn 67; aA zur früheren Rechtslage etwa Staub/Hüffer4 Rn 9 und § 17 Rn 9. 75
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Inhabervermerke dürfen auch bei der Neubildung einer Firma verwendet werden („Apotheke zum goldenen Einhorn Inh. Martin Schon“,285 „Reisebüro Klaus, Inhaber Klaus Gor“286), weil sie, wie die Beispiele zeigen, grundsätzlich neutral sind, insbes. nicht als solche den Eindruck einer Firmenfortführung erwecken.287 Ein solcher Eindruck ist überdies dann unschädlich, weil nicht verkehrswesentlich, wenn nicht auf eine tatsächlich existierende bzw. alte Firma Bezug genommen wird.288 Unter dieser Voraussetzung zulässig ist daher auch die Verwendung unterschiedlicher Namen („Reisebüro Schön, Inhaberin Edelgard St-R“289). Irreführend ist dagegen unzutreffenderweise mit „Nachfolger“ oder „vormals“ zu firmieren.290 Dadurch wird nämlich nicht nur der Eindruck erweckt, es würde auf eine alte Firma Bezug genommen, die, weil gut eingeführt, beibehalten wird, sondern auch die Vorstellung erzeugt, als bestünde das Handelsgeschäft bereits seit längerer Zeit. Damit wird insgesamt die Vorstellung einer gewissen Beständigkeit und Seriosität des Unternehmens hervorgerufen, was für die wirtschaftliche Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise von Bedeutung ist.
59 b) Gesellschaftsfirmen. Die Firma einer OHG oder KG muss heute nicht mehr aus dem Namen eines persönlich haftenden Gesellschafters gebildet werden. Zulässig ist freilich nicht nur die Bildung von Sach- und Phantasiefirmen, sondern nach der hier vertretenen Ansicht auch die Verwendung des Namens eines Kommanditisten und grundsätzlich auch eines Nichtgesellschafters (Rn 56). Das stellt zwar die bisherige Rechtslage auf den Kopf und mag daher von manchen als irreführend empfunden werden,291 ist aber gewollte Folge der Handelsrechtsreform und daher vom Verkehr hinzunehmen.292 Wird der Name eines Gesellschafters verwendet, muss er nach allgemeinen Regeln (Rn 56) nicht ausgeschrieben, sondern kann auch abgekürzt werden. Das gilt richtigerweise auch, wenn es sich bei dem Gesellschafter um eine andere Gesellschaft handelt.293 Insbes. kann entgegen einer verbreiteten Meinung294 der Rechtsformzusatz weggelassen werden.295 Dient eine „M. Müller OHG“ als Namensgeberin einer KG, muss sie daher nicht als „M. Müller OHG & Co. KG“ firmieren,296 sondern kann sich auch schlicht „M. Müller KG“ nennen. Eine Irreführung i.S.d. Abs. 2 S. 1 liegt hierin nicht. Das Gleiche gilt, wenn als Namensgeberin eine „M. Müller GmbH“ auftritt, wenn nicht ausnahmsweise den angesprochenen Verkehrskreisen eine natürliche Person gleichen Namens bekannt ist, die ein höheres 285 KG OLGZ 1965, 315 (317); s. auch OLG Köln NJW 1953, 345 ff. 286 BayObLG Rpfleger 1981, 150; s. auch LG Dortmund BB 1971, Beilage 9, 3 f. 287 MünchKommHGB/Heidinger Rn 71; so schon zur früheren Rechtslage OLG Köln NJW 1953, 345 (346); vgl. auch OLG Frankfurt OLGZ 1978, 43 (45); KG OLGZ 1965, 315 (319); OLG Hamm OLGZ 1968, 97 = MDR 1968, 501: „Inhaber“ ist farblos, hat nicht die Bedeutung von „Nachfolger“; Staub/Hüffer4 Rn 6. 288 MünchKommHGB/Heidinger Rn 72. 289 OLG Celle BB 1990, 302. 290 OLG Frankfurt NJW 1969, 330; OLG Hamm MDR 1968, 501; MünchKommHGB/Heidinger Rn 70; zum alten Recht aus der Lit. etwa Staub/Hüffer4 Rn 43 und § 37 Rn 9. 291 Vgl. Kögel BB 1997, 793 (796); Jung ZIP 1998, 677 (682); differenzierend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11 f.; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15c, welche auf die Gefahr der Irreführung hinweisen. 292 MünchKommHGB/Heidinger Rn 104 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 54. 293 Ausf. MünchKommHGB/Heidinger Rn 91 ff, 95 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 19 Rn 54; aA MünchKommHGB/Bokelmann1 Rn 77. 294 So vor der Handelrechtsreform BGHZ 62, 216 (226); 65, 103 (105); 71, 354; BayObLGZ 1978, 40; 1979, 316; OLG Frankfurt BB 1958, 1272; KG Rpfleger 1989, 24 (25); Aschenbrenner Die Firma der GmbH & Co. KG, 31, 36; Staub/ Hüffer4 § 19 Rn 65; nach der Handelsrechtsreform Hopt/Merkt § 19 Rn 15; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 174; vgl. auch OLG Stuttgart BB 2001, 14. 295 MünchKommHGB/Heidinger Rn 91 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33; Scholz/Cziupka GmbhG § 4 Rn 57. 296 So aber vor der Handelsrechtsreform BGHZ 62, 216 (226); 65, 103 (105); 71, 354; BayObLGZ 1978, 40; 1979, 316; OLG Frankfurt BB 1958, 1272; KG Rpfleger 1989, 24, 25; Aschenbrenner Die Firma der GmbH & Co. KG, S. 31, 36; wie hier Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33; MünchKommHGB/Heidinger Rn. 97. Burgard
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Haftungspotential hat als die tatsächlich beteiligte GmbH.297 Ist die GmbH allerdings einzige Komplementärin, dann muss die KG aufgrund von § 19 Abs. 2 als „M. Müller GmbH & Co. KG“ firmieren (s. § 19 Rn 11 ff).298 In allen genannten Fällen zulässig ist ferner statt mit „M. Müller“ mit „M.M.“, also etwa als „M.M. GmbH & Co. KG“ zu firmieren. Dem widerspricht im Beispielsfall auch nicht etwa die Firmenführungspflicht der GmbH;299 denn die Bezeichnung M.M. benennt nicht die GmbH, sondern die KG und kann auch als Phantasiefirma gebildet werden.300 Und der Zusatz „GmbH & Co.“ ist § 19 Abs. 2 geschuldet. In jedem Fall unzulässig ist dagegen ein unmittelbares Aufeinanderfolgen verschiedener Rechtsformzusätze („M. Müller OHG KG“, „M. Müller AG GmbH“, „M. Müller GmbH & Co. KG GmbH“), da der Verkehr hierdurch verwirrt würde, weil er nicht wüsste, welcher Rechtsformzusatz maßgeblich ist (s. auch § 19 Rn 14).301 Auch die Firmierung als „Stiftungs-GmbH“ ist deswegen unzulässig (s. auch u. Rn 74).302 irreführend ist natürlich auch die Firmierung mit einem nicht existierenden Rechtsformzusatz, z.B. EU-GmbH.303
2. Sachfirma a) Allgemeine Regeln. Sachfirma ist jede Firma, die auf den Gegenstand (irgend-)einer unter- 60 nehmerischen Tätigkeit Bezug nimmt (Vor § 17 Rn 18). Eine Sachfirma kann daher auch aus einer Marke gebildet werden.304 Die Grenzen zur Phantasiefirma sind dementsprechend fließend,305 eine Abgrenzung nach der Handelsrechtsreform allerdings auch entbehrlich (Vor § 17 Rn 15). Heute ist daher eine Firma wie „Parkota GmbH“ als Abkürzung für Parfümerie, Kosmetika, Toilettenartikel306 oder „Bauhelf GmbH“ für eine Baumaschinenhandlung307 ohne weiteres zulässig. Vornehmlich ist zweierlei zu beachten: Zum einen besitzen bloße Gattungs-, Branchen-, Sach- oder Tätigkeitsbezeichnungen in Alleinstellung keine ausreichende Unterscheidungskraft i.S.d. Abs. 1 (Rn 25 ff). Und zum Zweiten darf die Sachfirma gem. Abs. 2 S. 1 keine unrichtigen Vorstellungen über den Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit des Handelsgewerbes hervorrufen, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind. Das bedeutet nicht positiv, dass die tatsächlichen Verhältnisse stets zutreffend wiedergegeben werden müssen.308 Ebenso wenig muss der Kern der unternehmerischen Tätigkeit zutreffend erfasst werden.309 Solche positiven Anforderungen sind von dem hergebrachten Verständnis der Sachfirma, wonach diese dem Gegenstand des Unternehmens zu entnehmen war (vgl. etwa § 4
297 MünchKommHGB/Heidinger Rn 93. 298 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33; vgl. auch Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 19 Rn 4. 299 So aber vor der Handelsrechtsreform BayObLG DB 1990, 2013; BayObLG NJW 1973, 371; Staub/Hüffer4 § 19 Rn 46, 55 f; vgl. auch BGHZ 80, 353 (356). 300 Zutr. MünchKommHGB/Heidinger Rn 96. 301 So bereits vor der Handelsrechtsreform OLG Hamm NJW 1966, 2172; OLG Oldenburg Rpfleger 1997, 263; nach der Handelsrechtsreform MünchKommHGB/Heidinger Rn 94; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33, siehe für die „Stiftungs-GmbH“ Wagner NJW 2016, 858 (861); OLG Dresden – 13 W 295/10, NZG 2010, 1237; bei „O … AG – GmbH“ wird etwa der Hinweis auf die Rechtsform nicht hinreichend deutlich. 302 Im Ergebnis ebenso Wagner GmbHR 2016, 858. 303 OLG Dresden GmbHR 2006, 1161 m. Anm Römermann; zust. MünchKommHGB/Heidinger Rn. 166 mwN. 304 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 29; Priester DNotZ 1998, 691 (696). 305 Vgl. BayObLG NJW-RR 2000, 111; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 29. 306 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17 Fn 42; aA zur früheren Rechtslage KG NJW 1958, 1830 (1831); s.a. OLG Hamm GmbHR 1996, 360 ff. 307 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17 Fn 43; aA zur früheren Rechtslage OLG Neustadt NJW 1962, 2208. 308 So aber Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 309 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 29 mwN. 77
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Abs. 1 S. 1 GmbHG a.F.), getragen und daher zu weit gehend.310 Lediglich die negative Anforderung mangelnder Irreführung i.S.d. Abs. 2 S. 1 darf nicht verletzt werden. Den Unterschied zeigt obiges Beispiel einer Baumaschinenhandlung, die als „Bauhelf GmbH“ firmiert. Diese Firma gibt zwar den Kern der unternehmerischen Tätigkeit nicht zutreffend wieder, würde man aufgrund der Silbe „-helf“ dahinter doch wohl keine Handlung vermuten. Eine verkehrswesentliche Irreführung ist damit jedoch nicht verbunden. Zulässig wäre daher auch eine Firmierung als „Antons Futterhaus“, obwohl völlig unklar ist, ob damit beispielsweise eine Gaststätte, eine Lebens- oder Futtermittelhandlung bezeichnet wird. Die Grenze zur Irreführung wäre erst dann überschritten, wenn eine „Bauhelf GmbH“ nichts mit der Baubranche und „Antons Futterhaus“ nicht mit der Nahrungsmittelbranche im weitesten Sinne zu tun hätten. 61 Bei der Neubildung einer Firma kommt eine völlig falsche Wiedergabe des Unternehmensgegenstandes allerdings schon wegen des Interesses des Kaufmanns an der Werbewirksamkeit seiner Firma kaum vor. Im Laufe der Zeit kann sich die unternehmerische Tätigkeit jedoch derart verändern, dass die Firma irreführend wird. In diesem Fall ist das Interesse des Verkehrs, nicht in die Irre geführt zu werden, mit dem Interesse des Kaufmanns an der Beibehaltung seiner eingeführten Firma ins Verhältnis zu setzen. Entscheidend ist das Ausmaß der Irreführung. Hat sich bspw. eine Bürobedarfshandlung im Laufe der Zeit zu einem Computerhandel gewandelt, darf sie die Firma „Müllers Bürobedarf“ richtigerweise fortführen, weil Computer zum Bürobedarf gehören und die Irreführung daher noch hinnehmbar ist. Hat sich hingegen eine Computerin eine Bürobedarfshandlung entwickelt, dann ist die Fortführung der Firma „Müllers Computerhandlung“ dann ausgeschlossen, wenn das Unternehmen tatsächlich keine Auswahl an Computern mehr führt. 62 Praktisch häufiger sind die Fälle, in denen der Inhaber versucht, das Unternehmen in der Firma größer, qualifizierter oder seinen Gegenstand umfassender erscheinen zu lassen als es den Tatsachen entspricht, also etwa eine Bäckerei als „Brotfabrik“ (Rn 92), ein Übersetzungsbüro als „Dolmetscher-Institut“ (Rn 71) oder eine bloße Weinhandlung ohne eigenen Weinanbau und Weinabfüllung als „Weinkellerei“311 zu bezeichnen. Ob ein Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 oder firmenrechtlich unschädliches Wortgeklingel vorliegt, ist in solchen Fällen jeweils im Einzelnen zu prüfen.
63 b) Gesellschaftsfirmen. Besondere Probleme bereitete es nach altem Recht, wenn eine Gesellschaftsfirma unter Verwendung der Firma einer anderen Gesellschaft gebildet werden sollte bzw. musste, die Bestandteile enthält, die eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit („Möbel“), Größe („international“) oder geographische Herkunft („bayerisch“) bezeichnen, die auf das Unternehmen der zu bildenden Firma nicht zutreffen.312 Nach neuem Firmenrecht ist die Lösung derartiger Fälle dagegen einfach, da eine Firma heutzutage nicht mehr unter Verwendung des Namens bzw. der Firma eines (persönlich haftenden) Gesellschafters gebildet werden muss (Vor § 17 Rn 16 f) und Personennamen bzw. Firmen auch abgekürzt verwendet werden dürfen (Rn 56, 59). Es bestehen daher folgende Möglichkeiten: Zum einen kann der Name bzw. die Firma eines anderen Gesellschafters (auch Kommanditisten) oder der Name eines Nichtgesellschafters verwendet werden, sofern Letzteres nicht irreführend ist (Rn 56, 59). Zum Zweiten kann eine neue zulässige Sach- oder Phantasiefirma gebildet werden. Und zum Dritten können die irreführenden Bestandteile der namensgebenden Gesellschaft weggelassen werden, wenn der verbleibende Teil noch den Anforderungen von Abs. 1 genügt. Das 310 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 21; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 4 Rn 10, 36; ähnlich Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12d: „Lockerer Zusammenhang“ reicht aus; s.a. Lutter/Welp ZIP 1999, 1073 (1081 f); Kögel BB 1998, 1645 f; aA BayObLG NZG 1999, 761 (obiter dictum). 311 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 87; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12d; für weitere Beispiele s. GKzHGB/Steitz Rn 29 f. 312 Ausf. MünchKommHGB/Heidinger Rn 95 ff. Burgard
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ist beispielsweise nicht der Fall, wenn sich eine „Bayerische Möbel GmbH“ an der Gründung einer OHG beteiligt, die zwar ebenfalls in der Möbelbranche tätig sein soll, sich aber auf schwedische Möbel spezialisiert; denn in Alleinstellung ist der Gattungsbegriff „Möbel“ nicht unterscheidungskräftig (Rn 25 ff), so dass eine Firmierung als „Möbel OHG“ unzulässig wäre. Beteiligt sich hingegen eine „Luna Möbel GmbH“ an der Gründung einer OHG, die nicht in der Möbelbranche tätig sein soll, kann diese ohne weiteres als „Luna OHG“ firmieren (s. auch Rn 59, aber auch § 30 Rn 29 f). Einer Komplementär-GmbH ist es ferner erlaubt, eine Sachfirma zu bilden, die aus der Tätigkeit der Kommanditgesellschaft abgeleitet ist, sofern im Gesellschaftsvertrag der GmbH festgelegt ist, dass ihr Unternehmensgegenstand die Führung der Geschäfte der KG ist und sie sich nur an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen oder deren Geschäfte führen darf.313
3. Phantasiefirma Phantasiefirmen sind heute allgemein zulässig (Vor § 17 Rn 19). Sie müssen allerdings zur 64 Kennzeichnung geeignet sein (Rn 8 ff) und Unterscheidungskraft besitzen (Rn 30 ff), was freilich nur in wenigen Fallgruppen nicht der Fall ist. Auch eine Irreführung ist regelmäßig nicht gegeben, weil eine Phantasiebezeichnung meist keinen Bezug zu geschäftlichen Verhältnissen hat. Das kann freilich insbes. bei der Verwendung von Silben anders sein, die von den angesprochenen Verkehrskreisen als Bezug auf eine bestimmte unternehmerische Tätigkeit, eine bestimmte Qualifikation oder einen bestimmten Umfang verstanden werden, wie im vorstehenden Beispiel (Rn 60) die Silbe „Bau“ oder Silben wie „med“, „tec“,314 „euro“ (Rn 102 f), „inter“ (Rn 104 f) usw. In solchen Fällen gilt das zur Sachfirma Gesagte (Rn 62).315
4. Firmenbestandteile (Einzelfälle) a) Adelstitel, Adelsprädikate. Adelsbezeichnungen sind nach Art. 109 Abs. 3 S. 2 WeimRV, 65 der gem. Art. 123 Abs. 1 GG als einfaches Gesetz weitergilt, Namensbestandteil.316 Sie wirken irreführend, wenn sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen die unrichtige Vorstellung hervorrufen, es bestehe eine Verbindung zu einer zur Führung der Adelsbezeichnung berechtigten Person oder zu einem Adelsgeschlecht (Rn 56).317 Ein Verstoß gegen § 18 Abs. 2 S. 1 liegt freilich nur vor, wenn diese unrichtige Vorstellung wettbewerbliche Relevanz hat. Das ist der Fall, wenn Adelsbezeichnungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine besondere Wertschätzung genießen z.B. aufgrund Traditionsbewusstseins, Prestige- oder Statusdenkens oder weil sie Adeligen besondere Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten zumessen (z.B. Graf Falkenstein Vermögensverwaltung GmbH). Wer zur Firmierung einen Adelsnamen als Phantasienamen wählt, nimmt offenbar an, dass ihm dies einen Wettbewerbsvorteil verschafft. Diese Annahme muss bei dem Registergericht Zweifel an der Eintragungsfähigkeit der Firma auslösen, denen es nachzugehen hat. Anders ist dies nur, wenn es sich offensichtlich um eine Phantasiebezeichnung wie „Prinzessin auf der Erbse-Betten GmbH“ handelt.
313 MünchKommHGB/Heidinger Rn 109; so auch schon vor der Handelsrechtsreform OLG Köln OLGZ 1979, 277; BayObLGZ 1975, 447 (450) = NJW 1976, 1694; Staub/Hüffer4 § 19 Rn 41; Blumers BB 1977, 970 (973). AA GKzHGB/Steitz Rn 33. AA BayObLG NZG 1999, 761. Palandt/Ellenberger80 § 12 Rn 6; Dumoulin Die Adelsbezeichnung im deutschen und ausländischen Recht, 75 ff. OLG Neustadt/Weinstr. MDR 1963, 138: „Sektkellerei Graf S“, MünchKommHGB/Heidinger Rn 126.
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66 b) Akademische Grade, Amts- und Berufsbezeichnungen. In diesem Bereich sind Rechtsprechung und Literatur seit jeher streng.318 Dabei muss es auch nach der Handelsrechtsreform grundsätzlich bleiben, weil solche Bezeichnungen den Eindruck fachlicher Kompetenz, aber auch ganz allgemein von Seriosität vermitteln, was verkehrswesentliche Eigenschaften sind.319 Akademische Grade wie insbes. der Doktortitel (auch abgekürzt „Dr.“) sowie die Bezeich67 nung Professor320 sind nicht Bestandteil des bürgerlichen Namens,321 können aber ohne Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 in die Firma aufgenommen werden, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss der Namensgeber zur Führung des betreffenden Titels berechtigt sein, was dem Registergericht ggf. nachzuweisen ist.322 Bei ausländischen akademischen Graden bedarf es einer Nostrifikation (Genehmigung) durch das örtlich zuständige Kultusministerium, damit sie im Inland geführt werden dürfen.323 Sie müssen dann grundsätzlich so geführt werden, wie sie verliehen wurden.324 Zweitens muss nach hergebrachter Ansicht der namensgebende Titelträger entweder selbst Geschäftsinhaber oder ein Gesellschafter sein, der die Geschicke des Unternehmens maßgeblich mitbestimmt.325 Dem kann nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden, weil heute grundsätzlich auch Phantasienamen und Namen von Nichtgesellschaftern zur Firmenbildung verwendet werden dürfen (Rn 56, 59). Wird der „gute Name“ eines Dritten verwendet, dann muss der Dritte aber seine mit dem Titel erworbene Kompetenz an maßgeblicher Stelle in das Unternehmen einbringen (Rn 56 a.E.). Und wenn ein Phantasiename verwendet wird, der nicht als solcher erkennbar ist (z.B. „Dr. Friedrich“ – zum Fall, dass es sich ersichtlich um eine Phantasiebezeichnung handelt u. Rn 69), dann muss eine die Geschicke des Unternehmens maßgeblich mitbestimmende Person (das muss richtigerweise nicht der Geschäftsinhaber oder ein maßgeblicher Gesellschafter, sondern kann auch ein leitender Mitarbeiter – z.B. der Geschäftsführer, Chefarzt oder wissenschaftliche Leiter – sein) zur Führung des betreffenden Titels berechtigt sein326 (zum Fall der Firmenfortführung Rn 68). Drittens muss die Angabe der Fakultät (Dr. med., Dr. jur., Dr. phil. etc.) mit in die Firma aufgenommen werden, wenn die Verkehrsauffassung von der Art des Geschäftsbetriebs auf die Fakultätszugehörigkeit des Inhabers schließt.327 Der Inhaber eines pharmazeutischen Betriebs darf deshalb einen juristischen oder philologischen Doktortitel nur mit Fakultätsangabe in der Firma führen.328 Ist jedoch nach der Art des Geschäfts ein derartiger Rückschluss nicht zu erwarten, so kann die Fakultätsangabe nicht gefordert werden.329 Bei
318 S. etwa BGH NJW 1991, 752; BGH WM 1992, 504; Staub/Hüffer4 Rn 39 ff.; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 274. 319 MünchKommHGB/Heidinger Rn 118; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41; GKzHGB/Steitz Rn 32; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 274; Hopt/Merkt Rn 35.
320 Statt anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 62; zur Frage, ob es sich hierbei um einen Titel i.e.S. oder eine Amts- bzw. Dienstbezeichnung handelt näher Hönn ZHR 153 (1989), 386 (390 f). 321 Vgl. § 5 Abs. 2 PAuswG sowie § 4 Abs. 1 PassG; VG München Urt. v. 13.11.2006 – M 25 K 05.354; Palandt/Ellenberger80 § 12 Rn 7; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41. 322 MünchKommHGB/Heidinger Rn 119; s.a. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15a. 323 Hönn ZHR 153 (1989), 386 (392 f, 415); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 63; BeckOGK HGB/Lüken/ Natzel Rn 275. 324 Ausf. Hönn ZHR 153 (1989), 386 (393); Staub/Hüffer4 Rn 39. 325 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 42; GKzHGB/Steitz Rn 32; zum Wettbewerbsrecht BGHZ 53, 65 (68); BGH NJW-RR 1992, 367; OLG Köln FGPrax 2008, 125. 326 BGH GRUR 2021, 746, 751 (Rn 45 ff). 327 BGH LM HGB § 18 Nr. 1; BGHZ 53, 65 (67); GKzHGB/Steitz Rn 32; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 278. 328 OLG München JFG 18, 371; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 62. 329 BGH LM HGB § 18 Nr. 1 (Rundfunkeinzelhandel); OLG München BB 1958, 317; OLG Oldenburg GRUR 1959, 192; OLG Frankfurt OLGZ 1977, 299 = DB 1977, 1253 (Druck und Papier); LG Berlin BB 1961, 1026 (Grundstücksverwaltung). Burgard
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einem Rundfunkeinzelhandelsgeschäft kann der Doktortitel daher selbst dann ohne Fakultätsangabe in die Firma aufgenommen werden, wenn der Inhaber Mediziner ist.330 68 Diese Voraussetzungen gelten nach h.M. entsprechend: – für gesetzlich geschützte Berufsbezeichnungen wie sie sich insbes. im Bereich freier Berufe (z.B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Arzt, Zahnarzt, Apotheker) finden.331 Zur Irreführung geeignet ist dabei auch die unbefugte adjektivische Nutzung einer geschützten Berufsbezeichnung (z.B. „ärztliches Labor“)332 oder die unbefugte Anlehnung an gesetzlich geschützte Berufsbezeichnungen (z.B. „Industrieanwalt“).333 Ebenfalls irreführend ist die unrichtige Verwendung von Singular oder Plural, denn für die angesprochenen Verkehrskreise stellt es einen erheblichen Unterschied dar, ob einer oder mehrere Partner den jeweiligen Beruf ausüben.334 Die Bezeichnung „Rechts- und Patentanwälte“ ist deshalb irreführend, wenn tatsächlich nur ein Rechtsanwalt und ein Patentanwalt als Berufsträger in der Kanzlei tätig sind.335 Gleiches gilt für die Verwendung der Bezeichnung „Fachanwälte“.336 Unzulässig ist auch die singuläre Bezeichung einer Partnerschaftsgesellschaft als „Rechtsanwalts- und Steuerkanzlei“, wenn die Rechtsanwälte ihre jeweiligen Kanzleien an verschiedenen Standorten unterhalten;337 – für den Meistertitel eines Handwerkers, wobei heute auch in diesem Fall nicht mehr verlangt werden kann, dass der Inhaber selbst338 oder bei einer Kommanditgesellschaft der Komplementär339 Meister ist. Nach hier vertretener Ansicht genügt es vielmehr, dass ein Meister an leitender Stelle mitarbeitet;340 – bei einer Firmenfortführung (§§ 22, 24). Das hat nach herrschender Meinung zur Konsequenz, dass entweder der Titel bzw. die Berufsbezeichnung fortgelassen oder ein Nachfolgezusatz beigefügt werden muss, wenn der neue Inhaber bzw. neue Gesellschafter nicht zur Führung des Titels bzw. der Berufsbezeichnung berechtigt ist (s. auch § 22 Rn 94, § 24 Rn 45).341 Dem kann zumindest nach neuem Firmenrecht nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Schon nach altem Recht überzeugte es nicht, dass eine „Dr. Otto Müller Klinik GmbH“ umfirmieren sollte, wenn ihre Geschäftsanteile bspw. von einer Publikumsgesellschaft im Streubesitz erworben werden, obwohl die Klinik weiterhin von einem promovierten (oder gar habilitierten) Chefarzt geleitet wird. Nach neuem Recht reicht es jedenfalls nach hier vertretener Ansicht aus, wenn der fachlich maßgebliche Mitarbeiter über die entsprechende Qualifikation verfügt (vgl. Rn 56 a.E., 67). Noch großzügiger ist seit jüngerem der II. Senat des BGH zu § 24. Danach ist die Verkehrserwartung bei Führung eines Doktortitels in erster Linie auf den Abschluss einer Hochschulausbildung gerichtet, weswegen der Doktortitel bei einer Partnerschaft von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern selbst dann fortgeführt werden dürfe, wenn der einzige Titelträger ausscheide.342 Diese Entscheidungen passen zu der gesellschaftsweit abnehmenden Wertschätzung einer Promo330 BGH LM Nr. 1 = GRUR 1959, 375; Staub/Hüffer4 Rn 39; MünchKommHGB/Heidinger Rn 120 aE; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 43; GKzHGB/Steitz Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 62. 331 GKzHGB/Steitz Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65. 332 Staub/Hüffer4 Rn 40; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65. 333 MünchKommHGB/Heidinger Rn 124; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn. 65. 334 OLG Hamm – 27 W 163/16, BeckRS 2017, 140519. 335 OLG Hamm – 27 W 163/16, BeckRS 2017, 140519. 336 BGH NJW 2007, 2334 (2336). 337 OLG Brandenburg – 7 W 129/15, DStR 2016, 1392. 338 MünchKommHGB/Heidinger Rn 125; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 47. 339 Zur früheren Rechtslage OLG Düsseldorf GRUR 1973, 33; Staub/Hüffer4 Rn 41; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 283. 340 Dahingehend auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 47: Maßgeblicher Einfluss auf das Unternehmen genügt, der auch von einem Kommanditisten ausgehen kann. 341 BGH WM 1992, 504, 506 (zu § 3 UWG); MünchKommHGB/Heidinger 122 mwN. 342 BGH ZIP 2018, 1393, 1439 und 1494. 81
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tion. Ihnen ist allerdings der I. Senat in einem Urteil zu § 5 Abs. 1 UWG entschieden entgegengetreten.343 Danach soll sogar ein klarstellender Zusatz auf dem Praxisschild nicht genügen, um einer Irreführung entgegenzuwirken, wenn dieser Zusatz nicht auch auf dem Briefkasten- und dem Klingelschild angebracht ist. Das ist lebensfremd. Zudem war der Praxisname „Dr. Z.“ entgegen der Ansicht des Gerichts als Phantasiebezeichnung zu erkennen. 69 Ist der Titel ersichtlich Teil eines Phantasienamens ist (z.B. „Professor Düsentrieb“, „Dr. Frankenstein“, „Meister Lampe“), bedarf es selbstredend keiner entsprechenden Qualifikation. Allerdings meinte der I. Senat in der vorgenannten Entscheidung, die Phantasiebezeichnung „Dr. Z.“ für ein zahnmedizinisches Versorgungszentrum könne von erheblichen Teilen der Verbraucher als Namenskürzel eines promovierten Inhabers (miss-)verstanden werden, zumal der Doktor abgekürzt und nicht ausgeschrieben (was man als Synonym für Arzt verstehen könnte) verwendet worden sei.344
70 c) Amtlicher Charakter. Bezeichnungen wie „amtlich“,345 „öffentlich“,346 „städtisch“,347 „kirchlich“,348 „Dienst“,349 „Stelle“,350 „Anstalt“351 oder „Kammer“352 können den Eindruck erwecken, das Unternehmen sei Teil der öffentlichen Verwaltung, von der öffentlichen Hand getragen oder überwacht, nehme deren Aufgaben wahr oder sei in deren Auftrag tätig. Eine Irreführung hierüber ist ggf. wesentlich, weil die angesprochenen Verkehrskreise von einer in diesem Sinne staatlichen Stelle (je nach dem) eine gewisse Objektivität und Selbstlosigkeit, Qualität und Kompetenz sowie eine staatliche Verbürgung oder gar Haftung erwarten. Ob ein solcher Eindruck entsteht, ist in jedem Einzelfall anhand einer Gesamtbetrachtung der Firma zu prüfen. Allein ein Inhaber- oder der Rechtsformzusatz vermag den Eindruck nicht auszuschließen,353 weil auch private Unternehmen im Auftrag der öffentlichen Hand tätig sein können. Deswegen reicht es auch nicht aus, dass der gewerbliche Charakter des Unternehmens offen zu Tage tritt.354 70a Ein Inhaber- oder der Rechtsformzusatz ist aber im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen (s. auch Rn 71). Die Grenzen sind zum Teil fließend und werden nicht immer überzeugend gezogen. Angenommen wurde eine Irreführungseignung etwa bei „Stadtbrauerei“,355 „Stadtbäckerei“,356 „Universitätsverlag“,357 nicht dagegen bei „Universitäts-Buchbinderei“358
343 344 345 346 347 348
BGH GRUR 2021, 746 Rn 27 f, 39 ff. BGH GRUR 2021, 746 Rn 46. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 48 nennt als Beispiel „Amtliches Reisebüro“. V. Locquenghien DJ 1934, 1593; Bokelmann Firmenrecht Rn 250; Staub/Hüffer Rn 44. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 48. LG Bremen BB 1961, 501: „Kirchlicher Kunstverlag“ unzulässig; Namensschutz für „katholisch“ s. BGHZ 124, 173; Hopt/Merkt Rn 34. 349 Bokelmann Firmenrecht Rn 247. 350 Hopt/Merkt Rn 34; Bokelmann Firmenrecht Rn 249. 351 LG Detmold Rpfleger 1999, 333 f. 352 Hopt/Merkt Rn 34; zu § 3 UWG s. Hamm WRP 1991, 497; 1992, 354: „Europäische Handelskammer Gesellschaft“ sowie OLG Dresden Urt. 29.2.2000 – 14 U 3716/99. 353 MünchKommHGB/Heidinger Rn 130. 354 So noch Staub/Hüffer4 Rn 46. 355 KG OLGRspr. 42, 209 f. 356 Offengelassen von BayObLG NJW-RR 1987, 1520 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 48. 357 LG Osnabrück BB Beilage 1975, Nr 12, 18, bestätigt durch OLG Osnabrück BB Beilage 1975, Nr 12 zu Heft 29, 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 49. 358 Vgl. Schmidt di Simoni Börsenbl. f. den dt. Buchhandel 1972, 1420; s. auch Entscheidungsgründe OLG Osnabrück BB Beilage 1975, Nr 12 zu Heft 29, 18; so auch Staub/Hüffer4 Rn 45. Burgard
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oder „Universitäts-Café“.359 Zumindest in den beiden zuerst genannten Fällen dürfte allerdings die Wesentlichkeitsschwelle nicht überschritten sein.360
d) Wissenschaftlicher Charakter. Ähnliches gilt für die Begriffe „Akademie“, „Institut“, 71 „Seminar“ und „Kolleg“. Dabei ergibt sich zum Teil bereits aus der Tätigkeitsangabe, dass es sich nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung handelt (z.B. Beerdigungsinstitut, Eheanbahnungsinstitut, Schönheitsinstitut). Zu fragen ist stets, ob der Eindruck von Wissenschaft erweckt wird, obwohl sie nicht betrieben wird. Die Abgrenzung im Einzelfall ist schwierig. So soll „Meinungsforschungsinstitut“ zulässig,361 „Institut für Marktanalyse“ dagegen unzulässig sein.362 Unzulässig sollen ferner „Institut für Zelltherapie“363 und „Institut für physikalische Therapie“364 sein, was heutzutage bezweifelt werden darf. Ein „Institut für steuerwissenschaftliche Information“ muss dagegen tatsächlich wissenschaftlich sein, aber nicht wegen des Worts Institut sondern wegen des Worts „steuerwissenschaftlich“. Allein die Aufnahme des Namens des Inhabers in die Firma („Alfred-Meyer-Institut für Schädlingsbekämpfung“) vermag angesichts der Bezeichnung mancher wissenschaftlicher Einrichtungen („Alfred-Weber-Institut“, „MaxPlanck-Institut“) die Täuschungseignung nicht auszuschließen.365 Unzulässig ist nach Ansicht des OLG Düsseldorf die Firma „Dolmetscher-Institut e.K.“,366 obwohl der Gegenstand des Unternehmens eher nicht auf eine wissenschaftliche Einrichtung schließen lässt und der Rechtsformzusatz (anders als etwa bei einer GmbH) den Betrieb eines nicht gewerblichen Unternehmens ausschließt.367 Zudem verlangt ein wissenschaftliches Institut eine gewisse Ausstattung mit wissenschaftlichem Personal und Material. Daran fehlt es bei einer gewöhnlichen Facharztpraxis.368 Erst recht bedarf eine „Klinik“ einer personellen und apparativen Mindestausstattung.369 Noch strengere Maßstäbe als für die Bezeichnung „Institut“ sollen für die Bezeichnungen „Akademie“ und „Seminar“ gelten.370
e) Gemeinnützig. Gemeinnützigkeit ist ein Begriff aus dem Steuerrecht (§ 52 Abs. 1 AO), der 72 untechnisch als Oberbegriff für die Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke i.S.d. §§ 51 ff AO (wozu insbes. auch mildtätige und kirchliche Zwecke gehören) verwendet wird. Eine Firmierung als „gemeinnützig“ setzt dementsprechend voraus, dass die Anerkennung der Steuerbegünstigung zum Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister durch die zuständige Steuerbehörde erfolgt ist.371 Dabei kann das Wort „gemeinnützig“ auch abgekürzt und – entgegen der Ansicht
359 360 361 362
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67; MünchKommHGB/Heidinger Rn 130, Fn 400. Ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 48. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 50; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 50. BayOLG v. 10.6.1985 – 3 ZBR 55, 56/85; BayObLGZ 1985, 215 (216); ebs. Unzulässigkeit einer Bezeichnung als Institut für Hochschulzulassungsrecht für einen Verbund von Rechtsanwälten LG Hamburg Urt. v. 15.4.2003 – 312 O 86/03, Magazindienst 2003, 1192; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 50. 363 OLG Düsseldorf WRP 1976, 317 f. 364 MünchKommHGB/Heidinger Rn 132. 365 So aber der Leitsatz des DIHT BB 1949, 654; wie hier Staub/Hüffer4 Rn 48. 366 DB 2004, 1720; vgl. auch OLG Frankfurt/M NJW-RR 2002, 459. 367 AA OLG Düsseldorf DB 2004, 1720; MünchKommHGB/Heidinger Rn 133. 368 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12a; OLG Frankfurt DB 2001, 1664 (1665); vgl. zum Wettbewerbsrecht OLG Düsseldorf WRP 1976, 319; OLG Düsseldorf WRP 1977, 797. 369 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12c; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 244; zum Wettbewerbsrecht Stuttgart WRP 1991, 267. 370 Staub/Hüffer4 Rn 49, aA zur Akademie KG Rpfleger 2005, 199 mwN. 371 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 68; MünchKommHGB/Heidinger Rn 151; OLG Celle Beschl. v. 10.3.1987 – 1 W 8/87; vgl. auch Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 487 Fn 882. 83
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des OLG München372 – dem Rechtsformzusatz beigefügt werden („gGmbH“). Das „g“ mag zwar nicht allgemein verständlich sein, irreführend ist es aber auch nicht, da die wesentliche Information, nämlich der Rechtsformzusatz „GmbH“ verständlich bleibt373 und auch keine verwirrende und deswegen verbotene (Rn 59 a.E.) Doppelung des Rechtsformzusatzes vorliegt. Dies ist mit § 4 S. 2 GmbHG nunmehr auch vom Gesetzgeber so festgelegt. Zulässig ist auch die Firmierung „gUG (haftungsbeschränkt)“.374
73 f) Stiftung. Komplizierter liegen die Dinge bei einer Firmierung als „Stiftung“; denn sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch im Rechtssinne ist dieser Begriff so vielfältig wie die tatsächlichen Erscheinungsformen von „Stiftungen“. Dabei müssen, entgegen einem unter Laien verbreiteten Irrglauben, Stiftungen keineswegs „gemeinnützig“ im vorbezeichneten Sinne (Rn 72) sein, sondern können auch privaten Zwecken, etwa dem Interesse einer Familie oder den Mitarbeitern eines Unternehmens dienen, wenngleich dies in der Praxis hierzulande schon aus steuerlichen Gründen verhältnismäßig selten ist. Die Definition des § 80 BGB n.F. gilt nur für rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, ebenso der Namenszusatz nach § § 82c BGB n.F. von ihnen zu führen sein wird. Daneben gibt es aber auch nichtrechtsfähige Stiftungen (Treuhandstiftungen) sowie Stiftungen des öffentlichen Rechts375 und Stiftungen des Kirchenrechts376 (die wiederum von „öffentlichen“, „kommunalen“ und „kirchlichen“ Stiftungen zu unterscheiden sind, die lediglich besondere Erscheidungsformen der rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts sind). 74 Als Stiftung bezeichnen dürfen sich jedenfalls rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (§§ 80 ff BGB), des öffentlichen Rechts (vgl. § 89 BGB) und des Kirchenrechts. Betreiben sie ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2, handelt es sich um juristische Personen i.S.d. § 33 mit der Folge, dass sie eine Firma führen müssen. Diese hat nach hier vertretener Ansicht einen Rechtsformzusatz zu enthalten, der die Rechtsform zutreffend wiedergibt, also z.B. „Stiftung bürgerlichen Rechts“ (s. § 33 Rn 21 ff, nach § 82c BGB n.F. künftig „eingetragene Stiftung“ oder „e.S.“). Damit ist der Begriff Stiftung Teil eines gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsformzusatzes. Mithin darf er von anderen Rechtsformen nicht verwendet werden, und zwar auch nicht 372 OLG München NJW-Spezial 2007, 127: Abkürzung „gGmbH“ stellt keine zulässige Angabe der Gesellschaftsform dar und kann nicht ins Handelsregister eingetragen werden. Die Anforderungen an den Rechtsformzusatz sind streng zu handhaben, denn das mit der nunmehr geltenden Wahlfreiheit bei der Gestaltung des Firmenkerns verbundene Defizit an Informationskraft erfordert eine entsprechend gestärkte Aussage- und Informationskraft der Firma über die Gesellschafts- und Haftungsverhältnisse. Ebenso LG Bremen Beschl. v. 22.5.2001 – 13 T 18 8/01A. 373 MünchKommHGB/Heidinger Rn 199; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 286; wohl auch Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 497. 374 BGH NJW 2020, 2035 m. Anm Burgard, 2020, 313. 375 Stiftungen des öffentlichen Rechts werden durch Gesetz oder Verwaltungsakt errichtet und/oder sind in das System der staatlichen Verwaltung eingegliedert und nehmen öffentliche Aufgaben wahr, vgl. Art. 1 Abs. 3, 4 BayStG, §§ 17 ff BWStiftG, 3 Abs. 4, 10 RPStiftG, 2 HeStiftG, 3 Abs. 4, 11 SAStiftG, 3 Abs. 3, 13 ThStiftG; aus der Rspr. BVerfGE 15, 46 ff; BGH WM 1975, 198 ff; OVG Berlin Beschl. v. 28.7.1958, VI ER 18.57, EOVGB 5, 102; OLG Celle NdsRPfl 1959, 81; BayVGH BayVBl. 1961, 86; aus der Lit. MünchKommBGB/Weitemeyer § 80 Rn 300 ff; BeckOGK HGB/Lüken/ Natzel Rn 273; Kilian ZSt 2003, 179 ff. Mit der öffentlich-rechtlichen Stiftung nicht zu verwechseln ist die sog. öffentliche Stiftung wie sie manche Landesstiftungsgesetze (§ 2 Abs. 2 HHStiftG, 3 Abs. 3 RPStiftG) definieren. 376 Das sind Stiftungen, die im Rahmen der den Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts in Art 140 GG i.V.m. Art 137 Abs. 3 WRV zugesicherten Organisationsgewalt zur Regelung innerkirchlicher Angelegenheiten gegründet wurden, vgl. BVerfGE 46, 73; näher zu kirchenrechtlichen Stiftungen Soergel/Neuhoff BGB Vor § 80 Rn 46 f mwN. Solche Stiftungen kirchlichen Rechts sind zu unterscheiden von bloßen kirchlichen Stiftungen. Das sind rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen oder bürgerlichen Rechts, die in die kirchliche Organisation eingebunden sind und typischerweise kirchlichen oder karitativen Zwecken dienen, vgl. Art. 21 BayStG, §§ 22 BWStiftG, 2 Abs. 1 BbgStiftG, 16 Abs. 1 BremStiftG, 2 Abs. 3 HHStiftG, 20 Abs. 1 HeStiftG, 11 Abs. 1 MVStiftG, 20 NdsStiftG, 13 NRWStiftG, 3 Abs. 6, 12 RPStiftG, 19 Abs. 1 SaarStiftG, 14 SächsStiftG, 18 Abs. 1 SHStiftG; Soergel/Neuhoff BGB Vor § 80 Rn 55; Hof in Handbuch Stiftungen, 773. Burgard
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in Ergänzung eines anderen gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsformzusatzes (z.B. „StiftungsGmbH“377), weil dies einer verbotenen Doppelung des Rechtsformzusatzes (s. Rn 59 a.E.) gleichkäme. Das gilt auch dann, wenn man vorstehender Ansicht nicht folgt; denn dass die Stiftung (zumindest auch) eine Rechtsform ist, ist unbestreitbar, so dass die Verwendung dieses Begriffs zusammen mit einem anderen Rechtsformzusatz Verwirrung hervorruft und dadurch zugleich die Aussagekraft des gesetzlich vorgeschriebenen Rechtsformzusatzes übermäßig beeinträchtigt.378 Folgt man dieser Ansicht, ist zudem die firmenrechtliche Behandlung unselbständiger Stif- 75 tungen entschieden: Die unselbständige Stiftung selbst ist mangels Rechtsfähigkeit nicht firmenfähig und der Stiftungsträger darf nur dann als Stiftung firmieren, wenn er selbst eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen, öffentlichen oder kirchlichen Rechts ist.
g) Company, Gruppe, Pool, Ring, Team, Union, Verband, Verbund, Vereinigung, Verei- 76 nigte. Diese Zusätze sollen – ohne eine bestimmte Größenordnung anzusprechen – auf den Zusammenschluss mehrerer (gegenwärtig oder ehemals) selbständiger Unternehmen(sträger) hindeuten379 und daher Einzelkaufleuten verwehrt sein.380 Dem ist in dieser Allgemeinheit zu widersprechen: Das Wort „Gruppe“ kann sich insbes. auf einen Konzern i.S.d. § 18 AktG beziehen und würde dann, wenn es als Firma und nicht als bloße Geschäftsbezeichnung (§ 17 Rn 15) geführt wird, wohl so verstanden, dass es das herrschende Unternehmen, also die Konzernspitze, bezeichnet (z.B. „HB Verlagsgruppe GmbH“).381 In diesem Sinne kann es auch von einem Einzelkaufmann geführt werden (z.B. „Max Müller Gruppe e.K.“). Das Wort „Gruppe“ kann aber auch im Sinne einer Mehrzahl von (natürlichen oder juristischen) Personen verstanden werden, die gemeinsam etwas tun (z.B. „Forschungsgruppe Alternative Energien GmbH“ oder „Arbeitsgruppe Vertriebsoptimierung OHG“).382 Dabei können die Handelnden durchaus auch Arbeitnehmer sein, so dass der Begriff in diesem Sinne ebenfalls von einem Einzelkaufmann geführt werden kann.383 „Pool“ meint in erster Linie einen Zusammenschluss (und zwar vor allem im Sinne einer Bündelung von Kräften), kann aber auch im Sinne von Reservoir gebraucht werden. Gegen eine Firma „Maria Müller Babysitterpool e.K.“, die sich mit der Vermittlung von Babysittern befasst, wäre daher nichts einzuwenden. Auch „Ring“ meint Zusammenschluss und zwar insbes. im Sinne einer gegenseitigen Unterstützung. Dabei kann es sich auch um ein Geschäftsmodell handeln. In diesem Fall steht die Bezeichnung auch Einzelkaufleuten offen. Die Aussagekraft ist zudem derart schwach, dass die Firma nicht ohne weiteres irreführend i.S.d. Abs. 2 377 Siehe hierzu eingehend Wagner GmbHR 2016, 858. 378 So auch Wagner GmbHR 2016, 858 (860); vgl. die oben in Fn 347 wiedergegebene Entscheidung des OLG München, NJW-Spezial 2007, 127, wonach nicht einmal eine Firmierung als „gGmbH“ zulässig sein sollte. Kritisch auch Mösl in Dt. Stiftungswesen 1948–66, 191 ff: „denn hier soll doch wohl der Anschein erweckt werden, als ob der Staat die betreffende Einrichtung in seine Obhut genommen hätte und durch seine Aufsicht eine sorgsame Wirtschaftsprüfung und ein Wirken im Interesse der Allgemeinheit garantierte“; Kronke StiftRspr. IV, 41: „Warum eine (auch gemeinnützige) GmbH oder ein e. V. ein schützenswertes Interesse an der Bezeichnung „Stiftung“ haben sollte, ist nicht einsichtig“; siehe auch Wagner NJW 2016, 858 (860): „Anders als bei nicht rechtlich (sondern nur mehr oder weniger scharf umgangssprachlich) geprägten Begriffen (…) ist der Bedeutungsinhalt des Begriffs „Stiftung“ (jedenfalls in erheblichen Teilen) gesetzlich definiert.“ AA OLG Stuttgart NJW 1964, 1231; Erman/Wiese BGB Vor § 80 Rn 9; BeckOK BGB/Backert Vor § 80 Rn 26; MünchKommHGB/Heidinger Rn. 134. Bei einem Verein nach der Vermögensausstattung differenzierend BayObLG NJW 1073, 249; OLG Brandenburg OLGR 2004, 429. 379 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 77; MünchKommHGB/Heidinger Rn 173; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung, Rn 461, 462. 380 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn. 77; Hopt/Merkt Rn 31; Heymann/Förster Rn 73. 381 OLG Jena – 6 W 375/12, NZG 2013, 1270; s. auch LG Lüneburg Beschl. v. 20.6.1976 – 7 T 7/78. 382 Zust. OLG Jena – 6 W 375/12, NZG 2013, 1270. 383 AA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 77; strenger auch OLG Schleswig – 2 W 231/10, NJW-RR 2012, 497; OLG Jena – 6 W 375/12, NZG 2013, 1270. 85
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S. 1 wird, wenn kein Zusammenschluss mehr vorliegt. Das gilt auch für die Begriffe „Union“, „Verbund“ und „Vereinigte“384, die stärker als „Pool“ die Gemeinsamkeit der Zusammengeschlossenen betonen und zudem eine gewisse Größenordnung andeuten. Wegen der schwachen Aussagekraft sind jedoch auch insofern keine strengen Maßstäbe anzulegen,385 zumal Union auch als Etablissementbezeichnung gebräuchlich ist („Union-Theater“). Dagegen dürfen die Bezeichnungen „Verband“ und „Vereinigung“ nur in einer Firma geführt werden, wenn der Zusammenschluss noch fortbesteht. Einzelkaufleute dürfen diese Bezeichnungen daher nicht führen. Da diese Bezeichnungen oft als Namensbestandteil von Vereinen i.S.d. §§ 21 ff BGB gewählt werden, ist zudem darauf zu achten, dass der gewerbliche Charakter des Unternehmensträgers in der Firma deutlich genug hervortritt. „Team“ ist ein völlig unspezifisches Modewort, das sich insbes. auch auf Mitarbeiter beziehen kann und daher jedem Kaufmann als Firmenbestandteil offensteht.386 Gleiches gilt für „Company“.387
77 h) Sozietät. Unter einer Sozietät wird ein Zusammenschluss von Freiberuflern verstanden, und zwar insbes. von Rechtsanwälten zu einer GbR. Daher dürfen weder Einzelkaufleute noch gewerblich tätige Gesellschaften („Sozietät E. & H. OHG“ für eine Gesellschaft, die Kapitalanlagen vermittelt) diese Bezeichnung in ihrer Firma führen.388 Nach § 11 Abs. 1 S. 1 PartGG dürfen die Zusätze „Partnerschaft“ oder „und Partner“ nur von Partnerschaftsgesellschaften geführt werden. Die Verwendung des Begriffs „partners“ in der Firma einer GmbH ist dagegen zulässig, weil er ersichtlich fremdsprachlich ist, als Rechtsfornzusatz einer PartG unzulässig wäre und aufgrund des Rechtsformzusatzes „GmbH“ keine Irreführungsgefahr besteht.389
78 i) Bank, Bankier, Volksbank, Sparkasse, Bausparkasse, Spar- und Darlehenskasse. Es handelt sich um durch §§ 39 f KWG geschützte Bezeichnungen, die nur unter den dort genannten Voraussetzungen in einer Firma geführt werden dürfen. Dabei ist der Schutz der Bezeichnung Sparkasse zu Unrecht in die europarechtliche Diskussion geraten.390 Verwendet werden dürfen die Worte „Bank“, „Bankier“ oder „Sparkasse“ gem. § 41 KWG nur in einem Zusammenhang, der den Anschein ausschließt, dass das betreffende Unternehmen Bankgeschäfte i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 KWG betreibt (z.B. „Bankverlag“, „Datenbank“, „Spielbank“).391 In Zweifelsfällen entscheidet gem. § 42 KWG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (zum Registerrecht s. § 43 KWG). Bei geographischen Firmenzusätzen („Bayerische Bank AG“,392 „Oberhessische Bank“)393 soll nach hergebrachter Ansicht der Eindruck entstehen können, das betreffende Kreditinstitut sei in der Region führend und habe eine überragende Bedeutung. Angesichts des heutigen, den angesprochenen Verkehrskreisen zweifellos bekannten Wettbewerbs in der Kreditwirtschaft, ist diese Ansicht überholt (s. auch Rn 93 ff???).
384 AA RGZ 166, 242; Hopt/Merkt Rn 31. 385 So auch GKzHGB/Steitz Rn 29. 386 Wie hier LG Lüneburg BB 1979, 135 m. diff. Anm. Raab; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn. 267; Hopt/Merkt Rn 31; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 77; MünchKommHGB/Heidinger Rn 173. 387 AA AG Augsburg Rpfleger 2001, 187: „Company e.K.“ unzulässig; ebs. MünchKommHGB/Heidinger Rn. 173. 388 Bokelmann Firmenrecht Rn 236; MünchKommHGB/Heidinger Rn 174; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn. 265; Hopt/Merkt Rn 35, 31; s. auch Größner Lexikon des Firmenrechts, 4 unter Sozietät. Zum Wettbewerbsrecht OLG Karlsruhe WRP 1984, 291. 389 BGH – II ZB 13/20, GmbHR 2021, 704 m. Anm. Hirtz EWIR 2021, 389; aA für „Partners“ KG – 22 W 57/18, NJWRR 2018, 1311 m Anm Cziupka EWIR 2019, 389. 390 S. dazu Geschwandtner/Bach NJW 2007, 129 ff; Brenncke ZBB 2007, 1 ff; Witte/Gregoritza WM 2007, 151 ff. 391 Vgl. auch Größner Lexikon des Firmenrechts, B 2 unter Bank; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 53, 56. 392 BGH BB 1973, 813. 393 BayObLG Rpfleger 1976, 433; zum Wettbewerbsrecht WRP 1975, 296. Burgard
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j) Kapitalanlagegesellschaft, Investmentfond, Investmentgesellschaft. Diese Begriffe 79 sowie Bezeichnungen, in denen diese Begriffe allein oder in Zusammensetzungen mit anderen Worten vorkommen, sind ebenfalls gesetzlich geschützt und dürfen nur unter den in § 3 KAGB genannten Voraussetzungen verwendet werden. §§ 42, 43 KWG gelten gem. § 3 Abs. 5 KAGB entsprechend. Eine Ausnahme analog § 41 KWG sieht das Gesetz nicht vor. Jedenfalls nach heutigem Rechtsstand wurde daher zu Recht gegen die Zulässigkeit einer Firmierung als „Kunstinvest Antiquitätenhandel GmbH“ entschieden.394
k) Börse. Seit dem 1.11.2007 definiert das Gesetz den Begriff „Börse“ (§ 2 Abs. 1 BörsG) und 80 unterscheidet dabei zwischen „Wertpapierbörsen“ und „Warenbörsen“ (§ 2 Abs. 2 und 3 BörsG). Danach sind Börsen lediglich eine besondere Form von „multilateralen Handelssystemen“ i.S.d. § 2 Abs. 8 Nr. 8, §§ 72, 74 WpHG. Gegenbegriff zum multilateralen Handelssystem ist das (vom Gesetz so nicht bezeichnete) unilaterale Handelssystem, bei dem stets nur eine Gegenpartei auftritt, nämlich der vom Gesetz so genannte „systematische Internalisierer“ i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 MiFID II,395 Artt. 12 ff Delegierte Verordnung (EU).396 Weggefallen ist der Begriff der „börsenähnlichen Einrichtung“ i.S.d. § 59 BörsG a.F. Nach § 2 Abs. 1 BörsG sind Börsen teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die nach Maßgabe des Börsengesetzes multilaterale Systeme regeln und überwachen, welche die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Wirtschaftsgütern und Rechten innerhalb des Systems nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringen oder das Zusammenbringen fördern, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Handelsobjekte führt. Dabei sind Wertpapierbörsen gem. § 2 Abs. 2 BörsG Börsen, an denen Wertpapiere und sich hierauf beziehende Derivate i.S.d. § 2 Abs. 3 WpHG gehandelt werden. Zudem können an Wertpapierbörsen auch andere Finanzinstrumente i.S.d. § 2 Abs. 4 WpHG und Edelmetalle gehandelt werden. Warenbörsen sind gem. § 2 Abs. 3 BörsG Börsen, an denen Waren i.S.d § 2 Abs. 5 WpHG und Termingeschäfte in Bezug auf Waren gehandelt werden. Zudem können an Warenbörsen auch Termingeschäfte i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG und die diesen zugrunde liegenden Basiswerte gehandelt werden. Ein multilaterales Handelssystem definiert das Gesetz in § 2 Abs. 8 Nr. 8 WpHG als System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt. Materiell unterscheiden sich Börsen und multilaterale Handelssysteme also nicht.397 Demgegenüber ist ein systematischer Internalisierer gem. § 2 Abs. 8 Nr. 2 b) WpHG ein Unternehmen, das in organisierter und systematischer Weise außerhalb eines organisierten Marktes oder eines multilateralen oder organisierten Handelssystems (§ 2 Abs. 8 Nr. 9 WpHG) Eigenhandel in erheblichem Umfang zur Ausführung von Kundenaufträgen betreibt. Diese Definitionen gelten freilich im Ausgangspunkt nur für das jeweilige Gesetz und sind nicht gesetzlich geschützt. Allerdings 394 BayObLG WM 1984, 1569; ebenso BayObLG DB 1999, 333 (334) zu „Investment Consult“ sowie Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 453; kritisch zur Entscheidung des BayObLG aus dem Jahr 1999 Möller DNotZ 2000, 830 (839); differenzierend MünchKommHGB/Heidinger Rn 138, wonach die Verwendung der Zusätze Kapitalanlage, Investment, Investor und Invest dann gestattet sein soll, wenn es nach dem Zusammenhang ausgeschlossen ist, dass durch ihre Verwendung der Anschein erweckt wird, der Geschäftsbetrieb sei auf die Anlage von Geldvermögen gerichtet. 395 RICHTLINIE 2014/65/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES v. 15.5.2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, ABl. EU 2014 L 173, 349 v. 12.6.2014. 396 DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/565 DER KOMMISSION vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, ABl. EU 2017 L 87, 1 v. 31.3.2017. 397 Vgl. Begr. RefE des BMF v. 14.9.2006, S. 64. 87
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entsprach es schon zuvor herrschender (Verkehrs-)Auffassung, dass zentrales Merkmal von Börsen das systematische Zusammenführen von Angebot und Nachfrage jeweils einer Vielzahl von Personen ist.398 Einzelhandelsgeschäfte durften daher nicht als „Schmuckbörse“,399 „Schuhbörse“,400 „Autobörse“401 oder „Flugbörse“402 firmieren. Dabei wurde freilich übersehen, dass weder Schmuck noch Schuhe, Gebrauchtwagen oder Flüge börsenmäßig handelbare Güter sind. Bei derartigen Geschäften ist daher eine Irreführung ausgeschlossen. Zwar mögen einzelne Verkehrsteilnehmer in diesem Zusammenhang aus dem Begriff „Börse“ auf eine bestimmte Größe, Vielfalt oder einen geringen Preis des Angebots schließen. Der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer wird jedoch bei verständiger Würdigung erkennen, dass es sich nur um eine firmenmäßige Werbung handelt. Eine Irreführung liegt objektiv nicht vor.403 Das gilt entgegen einer verbreiteten Auffassung auch dann, wenn es sich nicht um einen größeren Betrieb mit reichhaltigem Lager und beweglicher Preisbildung handelt.404 Anders kann zu entscheiden sein, wenn der Unternehmensgegenstand börsenmäßig handelbare, d.h. fungible Massengüter betrifft. Dazu zählen nach dem Gesetz insbes. Finanzinstrumente (§ 2 Abs. 4 WpHG, das sind insbes. Wertpapiere und auf sie bezogene Derivate), (Edel-)Metalle, Erze und Legierungen, landwirtschaftliche Produkte sowie Energien wie Strom (§ 2 Abs. 5 WpHG; s. ferner § 2 Abs. 3 Nr. 2 WpHG). Hier ist eine Irreführung über wesentliche geschäftliche Verhältnisse möglich. Die Firma „Goldbörse“ für ein gewöhnliches Einzelhandelsgeschäft ist danach nicht eintragungsfähig.405 Ob das auch für „Blumenbörse“ gilt, erscheint gleichwohl zweifelhaft.
81 l) Versicherung, Versicherungsvermittlung. Nach § 6 Abs. 1 VAG dürfen grundsätzlich nur Versicherungsunternehmen im Sinne von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 VAG sowie deren Verbände die Bezeichnung „Versicherung“, „Versicherer“, „Assekuranz“, „Rückversicherung“, „Rückversicherer“ und entsprechende fremdsprachliche Bezeichnungen sowie Bezeichnungen, in denen eines dieser Worte enthalten ist, in der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszwecks oder zu Werbezwecken führen. Versicherungsvermittler dürfen diese Bezeichnungen nur führen, wenn sie mit einem die Vermittlereigenschaft klarstellenden Zusatz versehen sind. In Zweifelsfällen entscheidet gem. § 6 Abs. 2 VAG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die sodann ihre Entscheidung dem Registergericht mitzuteilen hat. Bei Verstößen gegen den Bezeichnungsschutz hat das Registergericht nach § 6 Abs. 3 VAG i.V.m. §§ 392, 395 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 3 FamFG (§ 140, 142 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 sowie § 143 FGG a.F.) zu verfahren. Ein bloßer Versicherungsvermittler darf sich nicht „Anlageberater“ nennen.406
82 m) Finanz, Finanzierung. Nach herrschender Meinung sollen Firmen wie „Finanz“, „Finanzierung“, „Finanzkontor“, „Finanzgeschäfte“, „Financial Service“ oder „prokredit“ irreführend sein, wenn die betreffenden Unternehmen nicht selbst finanzieren, sondern – mit den Folgen
398 Schwark § 1 BörsG a.F. Rn 2; OLG Zweibrücken BB 1968, 311; OLG Frankfurt BB 1966, 1245; ebenso Heymann/ Förster Rn 56; Staub/Hüffer4 Rn 53: Aufweichungstendenzen sei entgegenzuwirken. OLG Zweibrücken BB 1968, 311. AG Schweinfurt BB 1964, 1144. LG Darmstadt BB 1966, 1245. OLG Frankfurt Rpfleger 1981, 306 f. MünchKommHGB/Heidinger Rn 140; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 469, 483; GKzHGB/Steitz Rn 30; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 58 f. 404 So aber Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 59; ähnlich Hopt/Merkt Rn 30; MünchKommHGB/Heidinger Rn. 141; ferner Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 413. 405 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 140 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 58 f; Wessel/Zwernemann/ Kögel Firmengründung Rn 469, 483. 406 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12d.
399 400 401 402 403
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weiterer Kosten – nur Finanzierungen, insbes. Kredite vermitteln.407 In diesem Fall müsse die Firma vielmehr „Finanzierungsvermittlung“, „Finanzierungsberatung“ oder „Finanzierungsmakler“ lauten.408 Selbst eine Firmierung als „Gesellschaft für Finanzierung und Vermittlung GmbH“ sei bei bloß vermittelnder Tätigkeit unzulässig.409 Stellungnahme: Dem ist nicht zu folgen;410 denn die Firmenbestandteile „Finanz“ oder „Finanzierung“ sind viel zu unspezifisch, um heutzutage bei verständiger Würdigung noch konkrete Vorstellungen über den Unternehmensgegenstand hervorzurufen. Das wird auch deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie „fein“ § 1 KWG Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Finanzunternehmen, Finanzholding-Gesellschaften, Anbieter von Nebendienstleistungen usw. voneinander abgrenzt und wie heterogen trotzdem die Geschäfte sind, die jede dieser verschiedenen Unternehmensarten betreiben kann. Zudem definiert § 1 Abs. 3 KWG u.a. bestimmte Arten von Beratungs- und Darlehensvermittlungsunternehmen als „Finanzunternehmen“. Dabei genießen nur die in Rn 78 f genannten Begriffe Bezeichnungsschutz, so dass es nicht angeht über Abs. 2 S. 1 einen im KWG nicht vorgesehenen Schutz für „Finanz“-Firmen einzuführen. Schließlich muss der Unternehmensgegenstand heutzutage nicht mehr aus der Firma hervorgehen (Rn 60 sowie Vor § 17 Rn 18). Unzutreffend ist es daher auch, die Firma „Vermögensbildungsgesellschaft“ für eintragungsunfähig zu halten, weil offen bleibe, was Gegenstand des Unternehmens sei.411 Unter dem Gesichtspunkt der Irreführung problematisch ist lediglich, wenn ein Bauträger unter „X.-FinanzBeratungs-GmbH“ firmiert und im Geschäftsverkehr diese Firma überdies zu „X.-Finanz-GmbH“ verkürzt;412 denn hinter diesen Bezeichnungen würde wohl niemand ein Bauträgergeschäft vermuten, wenngleich Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 VO 575/2013/EU413 immerhin die Verwaltung von Immobilien als Beispiel für (Finanz-) Nebenleistungen nennt.
n) Treuhand. Ähnliche Erwägungen gelten für den Firmenbestandteil „Treuhand“. Nach herr- 83 schender Meinung soll die uneingeschränkte Verwendung der Bezeichnung „Treuhand“ irreführend sein, wenn lediglich Treuhandaufgaben im erlaubnisfreien Bereich übernommen werden, weil dann die vom Publikum erwarteten „Kernstücke“ einer treuhänderischen Tätigkeit – nämlich die Anlage und Verwaltung fremden Vermögens in eigenem Namen sowie die Beratung in Wirtschafts-, Steuer- und Rechtsangelegenheiten – gerade nicht vorliegen.414 Dementsprechend sei bei Unternehmen, die in der Firma den Bestandteil „Treuhand“ führten und als Unternehmensgegenstand „Treuhandgeschäfte aller Art“ angeben, darauf zu achten, dass alle erforderlichen Genehmigungen (nach dem KWG, dem Rechts- und Steuerberatungsgesetz sowie der Wirtschaftsprüferordnung) vor Eintragung vorgelegt werden.415 Dabei fielen folgende Tätigkeiten unter den allgemeinen 407 AG Hamburg BB 1977, 1116; LG Düsseldorf BB 1979, 905; LG Nürnberg Rpfleger 1996, 251; ausf. Nachw. bei Dürr ZIP 1982, 1067 (1068); vgl. auch Bokelmann Firmenrecht Rn 264 ff; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 481; 486; Größner Lexikon des Firmenrechts, F 9 unter Finanz-, Finanzberatung, Finanzierung, Finanzierung und Vermittlung, Finanzierungsgesellschaft, Finanzierungsbank und Finanzierungsinstitut; vgl. ferner Firmenfibel des DIHT 1992, 19; GKzHGB/Steitz Rn 30; s.a. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12d auch für die Bezeichnung „Kredit“. 408 MünchKommHGB/Heidinger Rn 147. 409 AG Rotenburg BB 1977, 462. 410 Ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12b. 411 So aber MünchKommHGB/Heidinger Rn 147. 412 LG Regensburg Rpfleger 1983, 278 f; MünchKommHGB/Heidinger Rn 147. 413 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (CRR), ABl. EU 2013, L 176, 1, zuletzt geändert durch Durchführungsverordnung (EU) 2021/1043 der Kommission vom 24. Juni 2021, ABl. 2021 L 225, 52. 414 RGZ 99, 23 (29 ff); OLG Frankfurt BB 1980; BayObLG BB 1989, 728; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 83; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12d. 415 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 83; MünchKommHGB/Heidinger Rn 205. 89
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Treuhandbegriff: Anlage und Verwaltung von Vermögen Dritter im eigenen Namen (z.B. Übernahme von Testamentsvollstreckung, Vertretung von Pfandgläubigern und Inkasso von Teilschuldverschreibungen), Fürsorge für bedrängte Gläubiger, Sanierung von Unternehmen, Revision von Büchern und Bilanzen fremder Unternehmen, Wirtschaftsberatung und Beratung in Steuer- und Vermögensangelegenheiten.416 Mit klarstellenden Zusätzen wie „Bau-Treuhand“ oder „ImmobilienTreuhand“ könne jedoch eine Irreführung vermieden werden.417 Stellungnahme: Diese Ansicht beruht auf der überholten Rechtslage, ja überspannt diese sogar, wonach bei Sachfirmen der Unternehmensgegenstand im Kern richtig wiedergegeben werden musste (Rn 60, Vor § 17 Rn 18). Heute darf eine Sachfirma dagegen nur nicht gegen Abs. 2 S. 1 verstoßen. Selbst die uneingeschränkte Bezeichnung „Treuhand“ evoziert jedoch bei verständiger Würdigung keineswegs die Vorstellung, dass alle Arten treuhänderischer Tätigkeiten aktuell von dem betreffenden Unternehmen angeboten werden, zumal wenn die Bezeichnungen „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“ bzw. „Steuerberatungsgesellschaft“ fehlen, vgl. § 31 WPO, § 53 StBerG. Wollte man anderer Ansicht sein, wären Gattungsbezeichnungen nicht nur in Alleinstellung (Rn 25), sondern oft auch als Firmenbestandteil unzulässig, nämlich immer schon dann, wenn das betreffende Unternehmen nicht alle Produkte der betreffenden Gattung anbietet. Bspw. wäre also die Firma „Müller’s Bürobedarf“ unzulässig, wenn das Unternehmen nicht jeden Bürobedarf decken kann. Das ist selbstredend absurd. Gerade im Blick auf die Bezeichnung „Treuhand“ kommt hinzu, dass es einen allgemein anerkannten Begriff der „Treuhand“ oder treuhänderischer Tätigkeit nicht gibt.418 Vielmehr werden hierunter ganz unterschiedliche Rechtsinstitute und – wie vorstehende Aufzählung beispielhaft zeigt – Dienstleistungen verstanden. Kleinster gemeinsamer Nenner ist lediglich, dass fremde Vermögensinteressen berührt sind. Eine Irreführung liegt daher selbst bei einer uneingeschränkten Verwendung der Bezeichnung „Treuhand“ nur dann vor, wenn das Unternehmen nicht im Bereich der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen einschließlich dahingehender Beratung tätig ist.
84 o) Revision, Buchführung. Zwar ist die Bedeutung des Begriffs Revision sehr vielfältig und kann sich etwa auch auf eine technische Überholung beziehen. Ohne klarstellenden Zusatz wird der Begriff im Handelsverkehr jedoch – soweit es um die Betrauung unternehmensexterner Personen, also nicht um die sog. „interne Revision“ geht – im Sinne einer Überprüfung (nicht nur, aber) vor allem des Jahresabschlusses durch Außenstehende verstanden. Nachdem hierzu in erster Linie Wirtschaftsprüfer befugt sind (vgl. § 319 Abs. 1 HGB), versteht der kaufmännische Verkehr den Firmenbestandteil „Revision“ als Hinweis auf eine Wirtschaftsprüfertätigkeit.419 Ein Unternehmen, dass als „X. Revisions- und Treuhand GmbH, Steuerberatungsgesellschaft“ firmiert, ist daher irreführend, wenn die Gesellschaft nur Steuerberater und keine Wirtschaftsprüfer beschäftigt. Dem stehen auch nicht § 31 WPO, § 53 StBerG entgegen, wonach eine Gesellschaft, die zur Wirtschaftsprüfung bzw. Steuerberatung befugt ist, in ihrer Firma die Bezeichnung „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“ bzw. „Steuerberatungsgesellschaft“ zu führen hat; denn die Irreführungseignung geht im Beispielsfall gerade nicht von dem zutreffenden Zusatz „Steuerberatungsgesellschaft“, sondern von dem Firmenbestandteil „Revision“ aus. Ebenso ist die Bezeichnung „Buchführung und Unternehmensberatung“ als Firma unzulässig, wenn die Gesellschaft nicht zur Steuerberatung befugt ist; denn nur in diesem Fall darf das Unternehmen seine Kunden umfassend bei der Buchführung betreuen, was nicht jedermann bekannt sein dürfte.420 Der Begriff Buchführung ist insoweit erheblich spezifischer als der Begriff Treuhand. 416 RGZ 99, 23; KGJ 42 A 155 (156). 417 MünchKommHGB/Heidinger Rn 205; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 83; Hopt/Merkt Rn 35. 418 Palandt/Ellenberger80 Vor § 104 Rn 25; Gernhuber JuS 1988, 355; Singhof/Seiler/Schlitt Mittelbare Beteiligungen, Rn 493; Beuthien ZGR 1974, 26 (29); Eden Treuhandschaft an Unternehmen und Unternehmensanteilen, 22 ff; s.a. Henssler AcP 196 (1996), 37 (41 ff). 419 Ausf. MünchKommHGB/Heidinger Rn 202 mwN; ebs. LG Bielefeld WPK Magazin 2004, Nr. 3, 44. 420 Zutr. OLG Düsseldorf BB 1983, 399. Burgard
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p) Technik, Technologie. Infolge der zunehmenden Technisierung hat der Bedeutungsgehalt 85 der Worte „Technik“ und „Technologie“ abgenommen. Ihre Verwendung setzt heutzutage kein über handwerkliches Können hinausgehendes „gehobenes Wissen“ mehr voraus.421 Das zeigt auch die Entwicklung der Rechtsprechung.422 Vielmehr handelt es sich um eine ausdrucksschwache Bezeichnung, deren Verwendung in einer Firma regelmäßig nur noch verlangt, dass sich das Unternehmen überhaupt mit Fragen beschäftigt, die von den angesprochenen Verkehrskreisen als „technisch“ verstanden werden (unzulässig also bei einer reinen Vermittlungsoder Handelstätigkeit).423 Das gilt auch für „tec“- oder „tech“-Silben im Rahmen von Phantasiefirmen (Rn 64). Allerdings kann der Bedeutungsgehalt durch Wortzusammensetzungen mehr oder weniger stark eingegrenzt werden, z.B. „Bürotechnik“, „Elektrotechnik“, „Datentechnik“, „Heizungstechnik“, „Medizintechnik“ oder „Meditec“424 usw. Demgegenüber ist das Wort „Systemtechnik“ wiederum nichts sagend.425 q) Bau. Das Wort „Bau“ weist nach zutreffender Ansicht auf ein bauausführendes Unterneh- 86 men hin.426 Daher dürfen bloße Baustoffhändler diese Bezeichnung nicht ohne klarstellenden Zusatz (etwa „Baumarkt“) verwenden,427 s. aber auch o. Rn 60 (zu „Bauhelf“). Irreführend ist auch die Firma „Grundstücks- und Kapitalvermittlungsgesellschaft, Bau und Finanz mit beschränkter Haftung“, wenn der Gegenstand des Unternehmens sich auf die „Vermittlung von Grundstücken und Kapitalien“ beschränkt und daher nichts mit einer Bauausführung zu tun hat.428
r) Großhandel, Markt, Großmarkt, Supermarkt, Verbrauchermarkt. Der Begriff „Großhan- 87 del“ bezieht sich nicht auf einen bestimmten Geschäftsumfang (i.S. eines hohen Umsatzes oder großen Geschäftslokals), sondern auf die Handelsstufe, wobei ein Direkthandel in untergeordnetem Umfang nicht ausgeschlossen ist.429 Die Bezeichnungen „Markt“, „Großmarkt“, „Supermarkt“ und „Verbrauchermarkt“ beziehen sich heute430 sämtlich auf Einzelhandelsgeschäfte mit einer gewissen Größe und Angebotsvielfalt. Selbstbedienung wird dabei nicht vorausgesetzt.431
421 So noch Leitsatz DIHT BB 1981, 2090; vgl. dort auch die Entscheidungsnachweise für „Küchentechnik“, „Bürotechnik“, „Datentechnik“, „Funk- und Nachrichtentechnik“, „Hyper-Dämmtechnik“ und „Zerspannungstechnik“; Staub/Hüffer4 Rn 70; Bokelmann Firmenrecht Rn 231; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 494; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 82; Hopt/Merkt Rn 35; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12c; wie hier MünchKommHGB/Heidinger Rn 204; GKzHGB/Steitz Rn 30. 422 LG Oldenburg BB 1976, 153: Der Firmenzusatz „-technik“ bei bloßen Reparaturbetrieben kann geeignet sein, über die Leistungsfähigkeit zu täuschen; BayObLGZ 1981, 88 (93 ff) „Dämmtechnik“ irreführend bei einfacher Montage wärmedämmender Baustoffe; OLG Frankfurt OLGZ 1981, 417 „Bürotechnik“ für Reparatur elektronischer Schreibmaschinen zulässig. 423 MünchKommHGB/Heidinger Rn. 204. 424 AA BayObLG NJW-RR 2000, 111: bloßer Phantasiezusatz ohne einer Sachfirma vergleichbaren Bedeutungsgehalt, m. zust Anm. K. Schmidt JuS 2000, 497; HKzHGB/Ruß Rn 18; zu Recht ablehnend Möller DNotZ 2000, 831 (837). 425 MünchKommHGB/Heidinger Rn 204; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 434. 426 MünchKommHGB/Heidinger Rn 139; GKzHGB/Steitz Rn 30; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 251. 427 OLG Hamm BB 1975, Beil. Nr. 12, S. 16; GKzHGB/Steitz Rn 30; Hopt/Merkt Rn 33. 428 AG Oldenburg BB 1968, 312; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 57; Heymann/Förster Rn 55. 429 KG JW 1930, 1409; OLG Hamm NJW 1963, 863; Haberkorn Firma, Firmenwahrheit, Firmenzusätze, 50, 51; Heymann/Förster Rn 71; Hopt/Merkt Rn 29; Bokelmann Firmenrecht Rn 212; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 74, MünchKommHGB/Heidinger Rn 171. 430 Zu älteren Anschauungen Bokelmann Firmenrecht Rn 210 ff; ebenfalls einschränkend Staub/Hüffer4 Rn 69. Neuere Anschauungen z.B. BGH GRUR 1983, 779 zu § 3 UWG; Hopt/Merkt Rn 30. 431 MünchKommHGB/Heidinger Rn 172; Hopt/Merkt Rn 30; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 246; aA Staub/Hüffer4 Rn 69. 91
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88 s) Lager, Hof, Magazin, Speicher. Diese Begriffe sollten nach früherem Verständnis auf eine besonders große Lagerhaltung und damit eine besondere Leistungsfähigkeit des Unternehmens hinweisen und waren daher gewöhnlichen Einzelhandelsgeschäften verwehrt.432 Dieses Verständnis hat sich gewandelt. Ob „Teppichlager“, „Getränkehof“, „Bücher-Magazin“ oder „Möbelspeicher“ – mehr als ein durchschnittliches Einzelhandelsgeschäft der jeweiligen Branche ist heute nicht mehr zu erwarten.433 Das ist nur dann anders, wenn die Begriffe eine Verstärkung erfahren. Ein „Großlager“ muss daher tatsächlich über eine überdurchschnittliche Lagerhaltung verfügen. Und Begriffe wie „Zentrallager“ oder „Verkaufslager“ können den Eindruck von Hersteller- oder Großhandelspreisen erwecken.434
89 t) Zentrale, Zentrum, Center. Ähnlich verhält es sich mit diesen Begriffen. Auch sie wurden früher als Hinweis auf eine bestimmte Größe und Bedeutung des Unternehmens verstanden.435 Davon kann heute keine Rede mehr sein. Vielfach wird damit überhaupt kein Größenanspruch verbunden („Fitness-Center“; „Mitfahrerzentrale“),436 im Übrigen nur noch eine gewisse Angebotsbreite (so richtigerweise bei „Bildungszentrum“,437 „Küchen-Center“,438 „Reha-Zentrum“439) erwartet.440 Strenger sieht das der BGH. Danach ist ein Bedeutungswandel beim Begriff „Zentrum“ nicht im selben Maß wie beim Begriff „Center“ festzustellen. Vielmehr weise der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz nach wie vor auf eine besondere Bedeutung und Größe eines Unternehmens hin oder wird jedenfalls vom Verkehr (zu dem sich die Richter regelmäßig selbst zählen) auf einen solchen Tatsachenkern zurückgeführt.441
90 u) Haus, Studio, Palast. Auch der Begriff „Haus“ setzt heute442 nicht mehr eine bestimmte Größe oder (örtliche) Bedeutung des Unternehmens voraus, sondern steht grundsätzlich jedem Kaufmann zur Benutzung frei.443 Das gilt auch in der Kombination mit einer Ortsangabe („Möbelhaus A-Stadt“).444 Irreführend kann allerdings die Bezeichnung „Häuser“ sein, wenn nicht mehrere Geschäftslokale vorhanden sind. Irreführend können ferner Branchenzusätze sein,
432 Leitsatz DIHT 1968, BB 1968, 439. 433 MünchKommHGB/Heidinger Rn 178 mwN. 434 BGH GRUR 1974, 225 m. Anm. Bauer; OLG Köln GRUR 1962, 363; BeckOK HGB/Börneke Rn 60. Aus diesem Grund wurden früher auch die Bezeichnungen „Magazin“ (OLG Neustadt BB 1963 325; LG Oldenburg BB 1964, 1143) und „Speicher“ (LG Oldenburg a.a.O.; AG Delmenhorst BB 1964, 1144) als unzulässig angesehen. 435 Heymann/Förster Rn 85; Staub/Hüffer4 Rn 73; Bokelmann Firmenrecht Rn 219 ff; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 515; zu „Zentrale“ und „Zentrum“ eingehend Haberkorn Firma, Firmenwahrheit, Firmenzusätze, S. 33 ff und zum Wettbewerbsrecht ders. WRP 1966, 306. 436 Vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 86, MünchKommHGB/Heidinger Rn 207 mwN; HKzHGB/Ruß Rn 20; ebenso Hopt/Merkt Rn 30 aber zudem auf den Einzelfall abstellend; aA OLG Frankfurt – 20 W 411/12, NJW-RR 2015, 727 mwN „(…) wonach ein Bedeutungswandel für den Begriff „Zentrum“ nicht im selben Maße festzustellen sei (…) der Begriff „Zentrum“ im Grundsatz immer noch als Charakterisierung für ein Unternehmen von einer besonderen Größe und Bedeutung verstanden werde“. 437 OLG Koblenz WRP 1990, 125 f zu § 3 UWG. 438 Erhebliche Zweifel äußernd BGH NJW 1987, 63 f (zu § 3 UWG). 439 OLG Hamm WRP 1992, 576 f (zu § 3 UWG). 440 Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 515; Firmenfibel DIHT 1992, 19; Hopt/Merkt Rn 30. 441 BGH – I ZR 104/10, NJW-RR 2012, 1066; ebs OLG Frankfurt – 2 W 441/12, NJW-RR 2015, 727. 442 Zu früheren Ansichten Leitsatz des DIHT BB 1969, 418; Haberkorn Firma, Firmenwahrheit, Firmenzusätze, 39 ff; Größner Lexikon des Firmenrechts, 2 ff; Hopt/Merkt Rn 30; Staub/Hüffer4 Rn 65; s. auch Bokelmann Firmenrecht, Rn 205 ff. 443 Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 511; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 49; GKzHGB/Steitz Rn 30; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 13. 444 AA Hopt/Merkt Rn 30. Burgard
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wenn diese allzu weit gefasst sind (z.B. „Haus der Gesundheit“ für eine schlichte Apotheke).445 Die Auffassung des OLG Frankfurt, wonach sich eine Gesellschaft nicht „Auktionshaus“ nennen dürfe, weil die Erlaubnis nach § 34b GewO nur natürlichen Personen erteilt werde,446 ist aufgrund der Änderung dieser Vorschrift überholt. Der Begriff „Studio“ ist heute gleichfalls ohne Gehalt.447 Die Bezeichnung „Palast“ setzt dagegen nach wie vor eine überdurchschnittliche Größe voraus.
v) Fach, Fachhandel, Fachgeschäft, Spezialgeschäft. Diese Bezeichnungen weisen auf 91 eine bestimmte Spezialisierung hin, wobei der Kunde neben einem fachgerechten Leistungsangebot (bei Handelsunternehmen muss das Sortiment zumindest die wichtigsten Hersteller umfassen) vor allem auch eine fachkundige Beratung erwarten darf. Ohnedies ist die Firmierung irreführend.448 w) Fabrik, Werk, Industrie, Factory. Mit diesen Begriffen ist die Vorstellung einer industriel- 92 len, d.h. nicht nur handwerklichen Herstellung, Be- oder Verarbeitung von Gütern verbunden, und zwar bei den Begriffen „Fabrik“ und „Werk“ die Vorstellung einer einzelnen Fertigungsstätte von gewisser Größe,449 bei den Begriffen „Werke“ und „Industrie“ die Vorstellung einer Gesamtheit von mehreren großen Fertigungsstätten,450 sofern das Wort „Industrie“ nicht als bloße Branchenangabe („Metallindustrie“) verwandt wird.451 An die Größe eines „Werks“ oder einer „Fabrik“ dürfen freilich keine überspannten Erwartungen geknüpft werden. Je nach Branche kann es sich auch um verhältnismäßig kleine Einheiten handeln (z.B. Sägewerk, Möbelfabrik).452 Selbst wenn aber die Verwendung dieser Begriffe im Einzelfall zur Irreführung geeignet sein sollte, wird die bloße Größe eines Betriebes oft kein wesentliches geschäftliches Verhältnis i.S.d. Abs. 2 S. 1 darstellen.453 Abs. 2 S. 1 wäre allerdings verletzt, wenn das Unternehmen überhaupt keine Fertigung, sondern etwa Handel betreibt, oder die Fertigung lediglich handwerklich erfolgt.454 Anders verhält es sich mit dem modischen Begriff „Factory“. Er hat keinerlei Bedeutungsgehalt und kann auch von Handelsunternehmen (z.B. „Shoe Factory“ für ein Schuhgeschäft) oder Dienstleistungsunternehmen (z.B. „Beer Factory“ für eine Gaststätte) verwendet werden.
x) Geographische Zusätze aa) Einführung. Früher wurde die Zulässigkeit geographischer Bezeichnungen streng gehand- 93 habt. Grundsätzlich musste zweierlei zusammenkommen: Erstens ein Bezug (insbes. Sitz bzw. Tätigkeitsbereich) des Unternehmens zu dem in der Firma bezeichneten Gebiet und zweitens 445 BVerwG NJW 1992, 588 f; aA MünchKommHGB/Heidinger Rn 177. 446 OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 671; § 34b Abs. 3 S. 1 GewO i.d.F. v. 1.1.1987, gültig bis 31.9.1995, erlaubte die Erlaubniserteilung für Versteigerungsgewerbe nur an natürlichen Personen. 447 OLG Stuttgart NJW-RR 87, 739; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12c; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 245. 448 OLG München BB 1959, 251; OLG Stuttgart BB 1974, 196 f; Hopt/Merkt Rn 32; Staub/Hüffer4 Rn 57; Bokelmann Firmenrecht, Rn 214; GKzHGB/Steitz Rn 29. 449 Vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 60; Hopt/Merkt Rn 29. 450 Anders Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 61; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 47; GKzHGB/ Steitz Rn 29; Hopt/Merkt Rn 29. 451 MünchKommHGB/Heidinger Rn 143. 452 Statt aller Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 60 mwN. 453 Ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12e; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 47; MünchKommHGB/Heidinger Rn 144. 454 MünchKommHGB/Heidinger Rn 144 aE. 93
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eine besondere Bedeutung des Unternehmens in dem Gebiet.455 Diese zweite Voraussetzung ließ sich freilich schon vor der Handelsrechtsreform kaum noch halten. Bereits 1969 hat der BGH zu Recht darüber nachgedacht, ob nicht infolge der zunehmenden europäischen Integration ein „Bedürfnis auch für kleinere Firmen besteht, zur Unterscheidung der Nationalität das Wort deutsch zu verwenden.“456 Und 1989 hat er entschieden, dass keine Vermutung und kein Erfahrungssatz besteht, wonach eine in einem Firmennamen verwendete Ortsangabe vom Verkehr als Behauptung einer führenden oder besonders maßgeblichen Stellung verstanden wird. Vielmehr bedürfe es für die Annahme eines solchen Verständnisses in jedem Einzelfall ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte.457 Seither hat einerseits der Bedeutungsgehalt von geographischen Angaben infolge inflationären Gebrauchs weiter abgenommen. Zugleich wurde andererseits das Irreführungsverbot durch die Handelsrechtsreform abgeschwächt (Rn 33). Die Rechtsprechung aus der Zeit vor der Handelsrechtsreform kann daher keinesfalls ohne weiteres fortgeschrieben werden. Im Einzelnen:
94 bb) Ortsangaben. Meinungsstand: Nach wohl h.M. soll eine Ortsangabe in der Firma regelmäßig auf den Sitz des Unternehmens hinweisen.458 Das gelte besonders, wenn die Ortsangabe hinter dem Rechtsformzusatz stehe (also z.B. „Weinhandlung GmbH Mainz“).459 Die Firma sei daher zur Irreführung geeignet, wenn der Sitz an einem anderen Ort liege, selbst wenn dies Folge einer Sitzverlegung sei.460 Eine Ausnahme sei insofern nur im Blick auf Großstädte zu machen. In diesem Fall reiche es aus, wenn sich der Tätigkeitsbereich auf die Großstadt erstrecke und der Sitz in deren Wirtschaftsgebiet liege.461 Insbes. wenn die Ortsangabe in attributiver Form verwendet werde (z.B. „Mainzer Weinhandlung GmbH“) liege darin überdies die Behauptung einer Allein-, Spitzen- oder Sonderstellung.462 Diese Sonderstellung müsse zum Zeitpunkt der Handelsregistereintragung gegeben sein. Dass eine solche Stellung erst für die Zukunft erstrebt werde, reiche auch bei Neugründungen nicht aus463 (näher dazu Rn 99). Nach der Gegenansicht liegt in einer Ortsangabe dagegen lediglich die Behauptung einer wirtschaftlichen Betätigung in dem betreffenden Gebiet.464 Eine Spitzen- oder Sonderstellung müsse nicht vorliegen. Allenfalls könne die Verwendung der Ortsangabe mit einem bestimmten Artikel (also „Die Mainzer Weinhandlung GmbH“) als Alleinstellungsbehauptung verstanden werden.465 455 Zu diesen Voraussetzungen vgl. KG BB 1963, 1397 „Möbelhof Spandau“; OLG Stuttgart BB 1964, 1145 „Gablenberger Fahrschule“; AG Berlin-Charlottenburg BB 1965, 805 „Fleischbearbeitung Wedding“; BayObLGZ 1978, 848 „Chiemgauer Dentallabor“; BayObLG DB 1986, 105; DIHT BB 1967, 1100; Winkler MittBayNot 1970, 73 ff, 82 ff. 456 BGHZ 53, 339, 342. 457 BGH BB 1989, 2350; OLG München DB 2004, 376. 458 BayObLGZ 1992, 234; OLG Hamm Rpfleger 1999, 545; OLG Oldenburg BB 2001, 1373; OLG Stuttgart DB 2001, 697; LG Heilbronn Rpfleger 2002, 158; OLG Stuttgart OLGR Stuttgart 2004, 56, 58; MünchKommHGB/Heidinger Rn 156; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; LG Paderborn – 6 O 9/17, BeckRS 2017, 112175. 459 BayObLG BB 1993, 458; Hopt/Merkt Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68. 460 BayObLGZ 1992, 234; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68. 461 OLG Zweibrücken NJW-RR 1991, 1509; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 54; OLG Hamm – 27 W 57/13 mwN für den Fall, dass die Firma keine weiteren Zusätze enthält, die eine Alleinstellung oder eine besondere Bedeutung des firmierenden Unternehmens nahelegt. 462 So noch BayObLGZ 1986, 61 (64 f) „Landshuter Druckhaus“; BayObLG NJW-RR 1986, 839 „Münchener Partyservice“; KG OLGZ 1969, 501 ff „Berliner Wohnungsbauunternehmen“; OLG Stuttgart BB 1982, 576 „Schorndorfer KfzErsatzteile“; aA nunmehr LG Heilbronn Rpfleger 2002, 158. 463 OLG Hamm OLGZ 1983, 284 (285 f);vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 56; sowie Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 69 mwN. 464 GKzHGB/Steitz Rn 31; MünchKommHGB/Heidinger Rn 149; nach OLG Hamm – 27 W 57/13, NZG 2013, 996 muss sich indes der Sitz des Unternehmens im engeren Wirtschaftsgebiet der in der Firma angegebenen Großstadt befinden; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 53. 465 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 57. Burgard
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Schließlich wird – auch von Vertretern der h.M. – betont, dass bei Missachtung dieser Grundsätze zwar die Irreführungseignung gegeben sein könne, das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle aber im Einzelfall geprüft werden müsse.466 Stellungnahme: Anerkannt ist, dass Ortsangaben in der Firma auch andere Bezüge als den Sitz oder den geographischen Tätigkeitsbereich des Unternehmens herstellen können. Hauptbeispiel ist ein Bezug zu Produkten des Unternehmens („Müllers Dresdner Stollen“, dazu Rn 108).467 In Betracht kommt aber auch der Gründungssitz („Dresdner Bank“) oder etwa ein Phantasiebezug (z.B. „Dresdner Meisterklasse“, näher Rn 107). Zunächst ist also zu prüfen wie die Ortsangabe aus der objektiven Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise bei verständiger Würdigung zu verstehen ist (Rn 47 ff). Ergibt diese Prüfung, dass die Ortsangabe als Hinweis auf den aktuellen Sitz des Unternehmens zu verstehen ist, so ist die Angabe zwar zur Irreführung geeignet, wenn der Sitz anderwärts liegt. Die Irreführungseignung betrifft jedoch kein wesentliches geschäftliches Verhältnis, wenn die Ortsangabe tatsächlich den oder einen geographischen Tätigkeitsbereich des Unternehmens bezeichnet;468 denn der Unterschied zwischen Sitz und Tätigkeitsbereich ist für die wirtschaftliche Entscheidung der Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Verkehr über den Sitz (außer durch die Eintragung im Handelsregister und der entsprechenden Bekanntmachung) gem. §§ 37a, 125a, § 80 AktG, Art. 25 EWIV-VO, § 25a GenG, § 35a GmbHG, § 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a HGB, § 43 SEAG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCE-VO i.V.m. § 25 SCEAG, § 172 VAG i.V.m. § 37a HGB informiert wird. Aus heutiger Sicht abzulehnen ist daher bspw. eine Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts, wonach eine Ortsangabe in der Firma unzulässig sein sollte, aus der nicht hervorging, dass sie sich nur auf ein bestimmtes Projekt und nicht auf den 50 km entfernten Sitz des Unternehmens bezog.469 Solange das Unternehmen noch an dem in der Firma angegebenen Ort tätig ist oder zumindest bereit und in der Lage ist, weiterhin dort tätig zu sein, muss die Firma daher auch nicht geändert werden, wenn der Sitz verlegt wird. Die gegenteilige Ansicht ist mit den Wertungen der §§ 21, 22, 24 nicht vereinbar, die das Bestandschutzinteresse des Kaufmanns höher bewerten als das Verkehrsschutzinteresse, obwohl die Irreführungsgefahr in diesen Fällen erheblich größer ist (bzw. früher war) als bei einer bloßen Sitzverlegung innerhalb des Tätigkeitsbereichs. Es ist nicht einzusehen, warum ein Kaufmann, der deutschlandweit bspw. unter der Firma „Neustadt Reisebüro e.K.“ oder „Nymphenburg Consulting e.K.“ tätig ist, gezwungen sein soll, seine Firma mit allen nachteiligen Folgen zu ändern, wenn er lediglich den Ort seiner Hauptniederlassung verlegt. Bezieht sich die Ortsangabe weder auf den Sitz noch auf den geographischen Tätigkeitsbereich des Unternehmens, sondern auf etwas anderes, so ist dies statthaft, wenn der anderweitige Bezug hinreichend verständlich ist (Rn 95). Ist der Bezug unklar oder missverständlich, kann dagegen ein Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 vorliegen. Dies bedarf jedoch einer Prüfung im Einzelfall, insbes. auch hinsichtlich des Überschreitens der Wesentlichkeitsschwelle. Ein Verstoß gegen Abs. 2 S. 1 kann auch darauf beruhen, dass die Ortsangabe unpräzise ist. So kann sich die Ortsangabe „Frankfurt“ auf Frankfurt am Main, Frankfurt an der Oder, Frankfurt in Wanzleben oder auf Frankfurt in Markt Taschendorf beziehen. Und „Neustadt“ heißen allein in Deutschland mehr als 50 Orte und Ortsteile. Gleichwohl bedarf es regelmäßig keiner Präzisierung in der Firma; denn zum einen ergibt sich für gewöhnlich aus sonstigen Umständen, welcher Ort gemeint ist, und zum anderen ist dem Verkehr die potentielle Mehrdeutigkeit von Ortsnamen ebenso wie von Personennamen bekannt. Schließlich bedeutete es auch 466 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 57; vgl. auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 69. 467 BGHZ 106, 101 (Dresdner Stollen I); BGH NJW-RR 1990, 744 (Dresdner Stollen II); Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 54; vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 158. 468 OLG Braunschweig GRUR-RS 2021, 05378. 469 BayObLG Beschl. v. 16.7.1992 – 3Z BR 55/92. 95
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eine Überfrachtung der Firma, stets eine Klarstellung zu verlangen, zumal die Firma in erster Linie Namens- und nicht Informationsfunktion hat. Einer Klarstellung bedarf es daher nur, wenn andernfalls die Mehrdeutigkeit ausgenutzt würde (z.B. „Frankfurter Bank“ für ein in Mitteldeutschland tätiges Kreditinstitut mit Sitz in Frankfurt an der Oder, weil Frankfurt am Main das in Deutschland führende Finanzzentrum ist). Dementsprechend dürfen auch Unternehmensträger, die ihren Sitz bspw. in 09322 Amerika, 15859 Philadelphia oder in 83236 Übersee nehmen, die Mehrdeutigkeit dieser Ortsnamen nicht ausnutzen. Statthaft ist schließlich auch die Verwendung mythologischer oder erfundener Ortsnamen, wobei insbes. bei Letzteren darauf zu achten ist, dass der fehlende reale Bezug deutlich wird. 99 Eine besondere Stellung wird durch die Verwendung einer Ortsangabe nicht behauptet, und zwar auch dann nicht, wenn die Ortsangabe in attributiver Form verwandt wird. Dagegen spricht nicht nur die – auch von der Rechtsprechung470 bereits festgestellte – gewandelte Verkehrsanschauung infolge des inflationären Gebrauchs von geographischen Zusätzen, sondern auch die wenig überzeugende Konsequenz, dass sich neue Unternehmen einen geographischen Zusatz gleichsam erst verdienen müssen,471 wohingegen „alte“ Unternehmen zur Änderung ihrer Firma gezwungen wären, wenn sie an Bedeutung verlieren. Allenfalls könnte man in der Verwendung eines bestimmten Artikels („Die Frankfurter Buchhandlung“) eine Alleinstellungsbehauptung erblicken. Der Verkehr erkennt eine solche Firma jedoch als das, was sie ist, nämlich bloße anpreisende Werbung.
100 cc) Deutschland, Deutsch, Germany, German, Germania, National. Für diese Firmenbestandteile gelten die gleichen bzw. ähnliche Grundsätze. Eine besondere Stellung wird durch ihre Verwendung grundsätzlich nicht behauptet.472 Allerdings muss sich der Tätigkeitsbereich des Unternehmens auf große Teile des deutschen Marktes erstrecken,473 wobei es insbes. bei Neugründungen ausreicht, wenn das Unternehmen einen entsprechenden Zuschnitt aufweist. Das trifft regelmäßig auch auf inländische Tochtergesellschaften ausländischer Muttergesellschaften zu („Deutsche Shell“), für die es daher keiner speziellen Erwägungen bedarf.474 Bei Unternehmen mit überwiegend oder zumindest starker grenzüberschreitender Tätigkeit kann die Bezeichnung ferner als Abgrenzung gegenüber ausländischen Mitbewerbern verwendet werden.475 Anders als nach der Vorkriegsrechtsprechung476 muss der Zusatz „deutsch“ jedoch mehr als bloß schmückendes Beiwerk sein.
101 dd) Regionalbezeichnungen. Für geographische Zusätze, die sich auf deutsche Bundesländer oder Regionen beziehen (z.B. Bayerisch, Hessisch, norddeutsch, hanseatisch, Rhein, Main) gilt Vorstehendes entsprechend, wenn sich diese Bezeichnungen nicht – wie in der Praxis häufig – auf Produkte des Unternehmens beziehen (dazu Rn 108). Eine besondere Stellung des Unternehmens in der Region ist daher nicht erforderlich, wohl aber ein Zuschnitt, der eine Tätigkeit für
470 BGH BB 1989, 2350; OLG München DB 2004, 376. 471 S.o. Fn 429. 472 AA OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 297: „Versicherungs-Dienst für das deutsche Handwerk“; HKzHGB/Ruß Rn 24; wie hier Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 71; GKzHGB/Steitz Rn 31 mwN.
473 BGH GRUR 1987, 638 (639); KG GRUR 1999, 1039; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 289. 474 Ebenso BayObLGZ 1958, 253 (255); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 58; GKzHGB/Steitz Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 71; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 290; s.a. BGH GRUR 1982, 239, 240 (zu § 3 UWG). 475 BayObLGZ 1958, 253 (255 Fn 66); BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 291; Huth GRUR 1965, 290 f; Müller GRUR 1971, 141 (143). 476 KG DNotZ 1927, 123; KG JW 1934, 491; vgl. noch Groschuff JW 1936, 1721. Burgard
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große Teile des betreffenden Regionalmarktes erlaubt. Die Bezeichnungen Nord, Süd, West, Ost sollen hingegen keine geographischen Zusätze im firmenrechtlichen Sinne darstellen.477
ee) Europa, Europäisch, Euro-, Eur-, EU-, EG-. Nach früher herrschender Meinung vermittelt 102 eine derartige Firmierung den Eindruck, dass das Unternehmen nach Größe und Marktstellung einen europäischen Zuschnitt hat.478 Auch an dieser Auffassung kann schon wegen der inflationären Verwendung solcher Begriffe und der damit einhergehenden Verwässerung479 nicht festgehalten werden.480 Verlangen kann man heute nur noch, dass das Unternehmen in wenigstens zwei europäischen Ländern tätig ist oder sein will.481 Das gilt auch für Phantasiefirmen mit Euroder Euro-Bestandteil (z.B. „Eurix“ oder „Eurotec“), falls man solchen Bezeichnungen nicht jede Bedeutung abspricht (vgl. Rn 105). Auf einen bestimmten Umfang der grenzüberschreitenden Tätigkeit kommt es nicht an, sofern er nicht nur völlig untergeordnet ist.482 Bei den Abkürzungen „EU-“ und „EG-“ ist überdies zu beachten, dass kein „amtlicher Ein- 103 druck“ entstehen darf (Rn 70). Die von der „Essener-Genossenschafts-Bank“ verwendete Abkürzung „EG-Bank“ war daher zur Irreführung i.S.d. Abs. 2 S. 1 geeignet, weil der unzutreffende Eindruck besonderer Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft erweckt wurde.483 Nämliches würde für eine „EU-Bank“ im Blick auf die Europäische Union gelten. Die Firmierung einer Ltd. als „EU-GmbH“ ist schon deswegen irreführend, weil es eine solche Rechtsform nicht gibt.484
ff) International, interkontinental, kontinental. Für die Führung derartiger Zusätze reicht 104 es heutzutage ebenfalls aus, wenn das Unternehmen grenzüberschreitend tätig ist bzw. sein will und über einen entsprechenden Zuschnitt verfügt. Auf einen besonderen Umfang der grenzüberschreitenden Tätigkeit kommt es mithin nicht an, sofern er nicht nur völlig untergeordnet ist.485 Das entspricht auch der Rechtslage in anderen europäischen Ländern.486 Bei einer Apotheke genügt sogar ein internationales Sortiment und Sprachbeherrschung.487 Ältere, strengere Auffassungen488 sind aus den vorgenannten Gründen überholt. Es ist nicht irreführend, wenn ein Unternehmen, das bereit und in der Lage ist, Umzüge in das benachbarte Ausland zu übernehmen, bspw. als „Max Müller Umzüge International e.K.“ firmiert. Für den Zusatz „interkontinental“ wird man allerdings verlangen müssen, dass die (angestrebte) Tätigkeit zumindest zwei Kontinente umfasst. Im Beispielsfall einer Firma „Max Müller Umzüge Interkontinental e.K.“ reichen hierfür allerdings Umzüge auf die andere Seite des Bosporus oder der Straße von Gibraltar aus.
477 Firmenfibel des DIHT 1992, 2; vgl. dazu auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 70. 478 BGHZ 53, 339 (342) „Euro-Spirituosen“ (zu § 3 UWG); Heymann/Förster Rn 69; Staub/Hüffer4 Rn 62; vgl. auch Firmenfibel des DIHT 1992, 20.
479 OLG Hamm Rpfleger 1992, 203 für „Euro“; OLG Hamm NZG 1999, 994 für „Euro“ und für „European“; krit. zur Begr. Kögel GmbHR 2002, 642 (643). 480 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 165; Hopt/Merkt Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 72 mwN. 481 Ähnlich GKzHGB/Steitz Rn 31; s.a. Hopt/Merkt Rn 26. 482 GKzHGB/Steitz Rn 31; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn. 294; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 72; enger Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14b „grenzüberschreitende Aktivitäten von einigem Gewicht“. 483 OLG Hamm WM 1991, 1953 ff. 484 OLG Dresden GmbHR 2006, 1161 m Anm Römermann; zust. MünchKommHGB/Heidinger Rn. 166 mwN. 485 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14c; vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 73; LG Stuttgart BB 2000, 1213; LG Darmstadt GmbHR 1999, 482 f. 486 MünchKommHGB/Heidinger Rn 169 aE.; s.a. Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 501. 487 BayObLG WRP 2003, 398 (zu § 3 UWG): „Internationale Apotheke“. 488 BayObLG NJW 1973, 37; Hopt/Merkt Rn 26. 97
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Der Zusatz „inter-“ ist dagegen mehrdeutig489 und wird heute insbes. in Phantasiefirmen derart häufig gebraucht („Interart“, „intermedia“, „intertec“), dass er vollkommen inhaltsleer und daher richtigerweise frei verwendbar ist.490 Insbes. bedarf es keiner grenzüberschreitenden Aktivitäten. Der Zusatz „weltweit“ oder „worldwide“ stellt hingegen eine Steigerung gegenüber den 106 Zusätzen „international“ und „interkontinental“ dar und verlangt dementsprechend eine Tätigkeit auf mindestens drei Kontinenten, s. aber auch Rn 107. 105
107 gg) Geographische Phantasiebezeichnungen. Hierher gehören zum einen fiktive oder mythologische Ortsbezeichnungen („Entenhausen“, „Atlantis“, „Mittelerde“) sowie zum anderen reißerische Namen wie „Weltmode“,491 „mondialoffice“492 oder gar „Transuniversum“.493 Angesichts der Zulässigkeit von Phantasiefirmen sind dergleichen Firmenbestandteile zulässig, sofern der erfundene bzw. übertreibende Charakter der Bezeichnung für die angesprochenen Verkehrskreise ersichtlich ist, so dass eine Irreführung ausscheidet.
108 hh) Produktbezogene geographische Zusätze. Bezieht sich ein geographischer Zusatz auf die von dem Unternehmen hergestellten oder gehandelten Produkte ist zuvörderst zu unterscheiden, ob es sich um eine geographische Herkunftsangabe (z.B. Lübecker Marzipan,494 Halberstädter Würstchen,495 Nürnberger Bratwürste,496 Rügenwalder Teewurst,497 Champagner)498 oder um eine Beschaffenheitsangabe, Sorten- oder Gattungsbezeichnung (z.B. Dresdener Stollen,499 Nordhäuser,500 Kölnisch Wasser)501 handelt. Im ersten Fall (z.B. „Müller’s Lübecker Marzipan GmbH“) muss das produzierende Unternehmen tatsächlich seinen Sitz in Lübeck oder seiner näheren Umgebung haben.502 Im zweiten Fall ist der Sitz des Unternehmens dagegen unerheblich. Es kommt daher nicht darauf an, ob eine „Bayerisches Möbelhaus GmbH“ ihren Sitz in Bayern hat oder dort tätig ist. Irreführend i.S.d. Abs. 2 S. 1 wäre es aber, wenn das Möbelhaus keine stilistisch bayerischen Möbel führen würde.503 Deswegen ist es grundsätzlich auch irreführend, wenn eine Sektkellerei eine Firma führt, die auf eine bestimmte Lage hinweist, aus der die Grundweine jedoch nicht oder nicht wenigstens überwiegend hergestellt werden.504 Das ist nur dann anders, wenn die Bezeichnung schon seit langem gut eingeführt ist, so dass für
489 Firmenfibel des DIHT, 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 60; aA BayObLG NJW 1973, 371; OLG Stuttgart NJW-RR 1987, 101: „Intermedia“. 490 Str., so wohl auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 168, es sei denn, es kann eine Verbindung zu „international“ hergestellt werden; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 60; GKzHGB/Steitz Rn 31; differenzierend Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14c; Hopt/Merkt Rn 26. 491 AG Gütersloh BB 1966, 1246 f. 492 OLG Frankfurt 20 W 492/72 v. 30.8.1972, zit. nach Bokelmann Rn 71. 493 AG Leonberg GR 1597/64 v. 2.2.1965, zit. nach DIHT BB 1967, 1100. 494 BGH GRUR 1981, 71. 495 BPatG München Beschl. v. 5.10.2006 – 30 W (pat) 35/04. 496 LG München I Entsch. v. 12.10.2005 – 33 O 5401/05. 497 BGH GRUR 1956, 270 (271). 498 OLG München Urt. v. 6.11.2003 – 29 U 4011/03. 499 BGHZ 106, 101 (Dresdner Stollen I); BGH NJW-RR 1990, 744 (Dresdner Stollen II). 500 RG GRUR 1934, 62. 501 BGH GRUR 1965, 317 (318). 502 OLG Köln GRUR 1983, 385 ff. 503 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 159 mit dem Beispiel einer Firma „Schwarzwälder Bauernspezialitäten“. 504 Vgl. BPatG GRUR 1992, 170 (Schloss Caestrich). Burgard
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die angesprochenen Verkehrskreise die Frage der (von Anfang an anderen) Herkunft der Grundweine keine wesentliche Bedeutung mehr hat.505
y) Produktbezogene Adjektive, Komparative, Superlative. Bei produktbezogenen Adjekti- 109 ven wie „neu“, „gut“, „günstig“ fehlt es regelmäßig an der Eignung zur Irreführung.506 Dass es sich bei solchen Bezeichnungen um bloße Anpreisungen handelt, ist den angesprochenen Verkehrskreisen bewusst, weshalb sie nicht ohne eigene Prüfung auf das Vorliegen solcher Eigenschaften vertrauen. Ähnlich ist dies bei Komparativen und Superlativen wie „besser“, „bester“, „zarteste“, 109a „edelste“. Das BPatG lehnte eine Eignung zur Irreführung bei der Bezeichnung einer Ginsorte als „FINEST“ ab, da trotz Annahme einer qualitativen Spitzengruppenwerbung bei den Verbrauchern keine Assoziationen hervorgerufen wurden, die das Produkt nicht erfüllte.507
z) Alter und Tradition. Altersangaben („seit 1900“, „gegründet 1868“) erwecken den Ein- 110 druck langer Erfahrung und Zuverlässigkeit, Kompetenz und Solidität. Das sind für die angesprochenen Verkehrskreise wesentliche Eigenschaften, so dass derartige Angaben wahr sein müssen, um nicht gegen Abs. 2 S. 1 zu verstoßen. Das gilt nicht nur für sog. „Traditionsprodukte“.508 Das Unternehmen muss daher seit dem genannten Datum ohne nennenswerte Unterbrechung in der betreffenden Branche509 tätig sein. Ist dies der Fall, darf die Firma auch von übernommenen Unternehmen(steilen) geführt werden.510 Bei der Bezeichnung „erste“ ist zweideutig, ob das älteste noch existierende oder beste Unternehmen der betreffenden Branche am Ort gemeint ist. Im zweiten Fall ist die Firma ohne weiteres unzulässig; denn solche Alleinstellungsbehauptungen müssen nachweislich wahr sein.511 Bezeichnungen wie „königlich bayerisch“ und dergleichen erwecken nicht nur den Eindruck eines bestimmten Alters und einer dementsprechenden Tradition, sondern auch einer Beziehung zu dem betreffenden Fürstenhaus. Trifft all das nicht zu, ist die Firma unzulässig.512 Ähnliches gilt für die Nutzung des Namens eines alten, inzwischen ausgestorbenen Adelsgeschlechts („Sektkellerei Graf S.“)513 oder für die Aufnahme des Namens eines renommierten Wissenschaftsverlages, der seine Tätigkeit längst endgültig eingestellt hat, da durch die Verwendung eines berühmten Verlagsnamens eine bestimmte Tradition bzw. ein bestimmtes Renommee suggeriert wird, das tatsächlich nicht besteht.514 Die Bezeichnung als Manufaktur setzt hingegen keine Tradition, wohl aber eine Fertigung voraus.515 a1) Umwelt, umweltfreundlich, Bio, Öko, ökologisch. Mit den Begriffen „Umwelt“ und 111 „umweltfreundlich“ wird ein bestimmter Umweltvorzug assoziiert. Sie haben eine starke emotionale Werbekraft, weswegen Wettbewerbsrelevanz regelmäßig vorliegt. Im Wettbewerbsrecht
505 Vgl. BPatG GRUR 1996, 885 (Schloss Wachenheim) und dazu ausf. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72. 506 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72. 507 BPatGE 22, 240; GRUR 1980, 923 (924 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72. 508 So aber MünchKommHGB/Heidinger Rn 127; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 66 mwN; ähnlich wie diese Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 52 a.E. 509 AA im Blick auf Wein statt Sekt zu § 3 UWG a.F. BGH NJW 1960, 1856. 510 AA zu § 3 UWG a.F. BGH GRUR 1981, 69 („kontinuierliche, organische Entwicklung“ erforderlich). 511 BGH GRUR 1991, 680; Heymann/Förster Rn 52; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 52. 512 BayOLG MDR 1981, 321; MünchKommHGB/Heidinger Rn 126, Fn 383. 513 OLG Neustadt/Weinstr. MDR 1963, 138: „Sektkellerei Graf S“; MünchKommHGB/Heidinger Rn 126. 514 OLG Jena – 2 W 108/17, BeckRS 2017, 149986. 515 MünchKommHGB/Heidinger Rn 126; OLG München GRUR 1989, 620: „älteste Porzellanmanufaktur“. 99
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§ 18
1. Buch. Handelsstand
verlangt die Rechtsprechung daher eine konkrete Benennung des Umweltvorzugs.516 Eine solche konkrete Benennung kann im Rahmen einer Firma nicht geleistet werden.517 Ist das Unternehmen nicht im Bereich des Umweltschutzes, sondern etwa in der Baubranche tätig (z.B. „Gesellschaft für umweltfreundliches Bauen mbH“), so kann das Registergericht den Wahrheitsgehalt dieser Aussage überdies kaum überprüfen. In solchen Fällen wird es daher regelmäßig trotz möglicher Irreführungseignung an der Ersichtlichkeit i.S.d. § 18 Abs. 2 S. 2 mangeln.518 Die Zusätze „Bio“ und „Öko“ bezeichnen Produkte, die ein Unternehmen in natürlichen Verfahren frei von umweltschädlichen oder -belastenden Stoffen produziert. Für Erzeugnisse und Lebensmittel aus ökologischem Landbau ist die VO (EG) 834/2007519 anwendbar.520 Diese erlaubt insbes. den Begriff „ökologisch“ nur für bestimmte Agrarerzeugnisse, die nach bestimmten Produktionsregeln gewonnen wurden. Deren Einhaltung kann sich das Registergericht ggf. nachweisen lassen. Im Handel muss das überwiegende Warensortiment den behaupteten Umweltvorzug aufweisen. Auch das ist nachprüfbar. Andernfalls gilt das zuvor Gesagte.
112 b1) Sonstige Einzelfälle. Der Zusatz „Herstellung und Vertrieb“ setzt nach hergebrachter Rechtsprechung eine zumindest gleichwertige Eigenproduktion voraus.521 Das erscheint heute als zu streng.522 Bei bloßem Handel ist die Bezeichnung jedoch weiterhin unzulässig. Fremdsprachige Bezeichnungen können im Einzelfall den Eindruck eines ausländischen Firmensitzes523 oder einer nicht vorhandenen Internationalität524 vermitteln. Das gilt freilich in der Regel nicht für solche Bezeichnungen, die die angesprochenen Verkehrskreise in ihren Wortschatz übernommen haben oder die ihnen umgekehrt so fremd sind, dass sie als Phantasiebezeichnungen angesehen werden, s. Rn 32. Eine UG darf den Firmenbestandteil Holding auch dann führen, wenn sie zum Eintragungszeitpunkt noch keine Holdingstruktur aufweist, deren Einrichtung aber zeitnah beabsichtigt.525
516 517 518 519
BGH NJW 1996, 1135 (1136). Das übersehen Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 88. Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72. EG-ÖKO-BASISVERORDNUNG (EG) Nr. 834/2007 DES RATES vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91, ABl. Nr. L 189 vom 20.7.2007, 1; zuletzt geändert durch die VO (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013, ABl. Nr. L 158/1 vom 10.6.2013, 1. 520 Sie wird ergänzt durch das Öko-KennzeichenG (BGBl. I 2001, 3441; letzte ÄndVO v. 31.Aug.2015, BGBl. I 1474, 1534) und die Öko-KennzeichenVO (BGBl. I 2002, 589). 521 BGH DB 1976, 143. 522 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 87. 523 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 16. 524 AnwGH NRW NJW 2004, 1538. 525 OLG Frankfurt – 20 W 53/18, NZG 2019, 1232 m Anm Wachter EWiR 2020, 9 f. Burgard
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§ 19 (1) Die Firma muß, auch wenn sie nach den §§ 21, 22, 24 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, enthalten: 1. bei Einzelkaufleuten die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“, „eingetragene Kauffrau“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung, insbesondere „e.K.“, „e.Kfm.“ oder „e.Kfr.“; 2. bei einer offenen Handelsgesellschaft die Bezeichnung „offene Handelsgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung; 3. bei einer Kommanditgesellschaft die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung. (2) Wenn in einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet, muß die Firma, auch wenn sie nach den §§ 21, 22, 24 oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet.
Schrifttum 1. Seit der Handelsrechtsreform Binz/Sorg Die GmbH & Co. KG, 12. Aufl. 2018; Bürkle Die Firmierung der Holding-Unternehmen im Versicherungskonzern, VersR 2002, 291; Gustavus Die Neuregelungen im Gesellschaftsrecht nach dem Regierungsentwurf eines Handelsrechtsreformgesetzes, GmbHR 1998, 17; Jung Firmen von Personenhandelsgesellschaften nach neuem Recht, ZIP 1998, 677; Klöhn/Schaper Grenzüberschreitende Kombination von Gesellschaftsformen und Niederlassungsfreiheit, ZIP 2013, 49; N. Krause gGmbH als unzulässiger Rechtsformzusatz, NJW 2007, 2156; Mehringer Die Doppelkomplementär & Co. KG, NZG 2017, 41; Notthoff Firmierung einer Handelsgesellschaft mit dem Partnerschaftsgesellschaftszusatz, NZG 1998, 123; ders. Haftungsbeschränkung in der GbR durch Firmierung, ZAP 1999, 533; ders. Rechtsformzusatz für Personalhandelsgesellschaften und Einzelkaufleute, ZAP 2003, 449; Paulick Das Ende der gGmbH im Gemeinnützigkeitsrecht? DNotZ 2008, 167; Römermann LG Zweibrücken Beschluss vom 25.2.1998: Sozietat kein täuschender Zusatz für eine Partnerschaftsgesellschaft, NZG 1998, 548; Schulenburg Zur Täuschungseignung des Rechtsformzusatzes in Verbindung mit einem geographischen Zusatz in der Firmierung einer Aktiengesellschaft, NZG 2000, 594; Teichmann Die Auslandsgesellschaft & Co., ZGR 2014, 220; B. D. Ullrich Firmenrechtliche Zulässigkeit des Firmenbestandteils „gGmbH“, NZG 2007, 656; Wachter Firmierung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) & Co. KG, NZG 2009, 1263; Weiler Irreführung über die Rechtsform durch Top-Level-Domains? K&R 2003, 601; R. Wolff Firmierung der GmbH mit partnerschaftlichem Zusatz: Gestaltungsgrenzen und Folgen ihrer Überschreitung, GmbHR 2006, 303; Zimmer Der nicht eingetragene Kaufmann: ein „eingetragener Kaufmann“ im Sinn des § 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB?, ZIP 1998, 2050. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und zu §§ 17, 18.
2. Vor der Handelsrechtsreform Ahrens Die firmenrechtliche Behandlung von Personengesellschaften oder eine natürliche Person als Komplementär auf erster Ebene, DB 1997, 1065; App Die Firma einer OHG, BB 1988, 777; Aschenbrenner Die Firma der GmbH & Co. KG, 1976; Barfuss Die GmbH-Firma als Name des Komplementärs in der Firma der GmbH & Co. KG, GmbHR 1977, 124; Blumers Zur Firma der GmbH & Co. KG, BB 1977, 970; Bokelmann Ausgewählte Fragen des Firmenrechts, Rpfleger 1973, 44; ders. Die abgeleitete Firma der GmbH & Co., GmbHR 1975, 25; ders. Zusätze wie „& Co.“, „& Sohn“, „& Partner“ und „& Gebrüder“ in der Fa. der KG und in abgeleiteten Firmen, MDR 1979, 188; ders. Wichtige Rechtsprechung zum Firmenrecht der GmbH & Co. KG und der GmbH, GmbHR 1983, 236; ders. Die Rechtsprechung zum Firmenrecht der GmbH und der GmbH & Co. KG seit etwa 1980, GmbHR 1987, 177; ders. Der Einblick in das Handelsregister, DStR 1991, 945; ders. Die Rechtsprechung zum Firmenrecht der GmbH und der GmbH & Co. KG seit 1987, GmbHR 1994, 356; Brandes Die Rechtsprechung des BGH zur GmbH & Co. KG und zur Publikumsgesellschaft, WM 1987 Sonderbeilage Nr. 1, 1987; Brodersen Die Beteiligung der BGB-Gesellschaft an Personenhandelsgesellschaften, 1988; Gabbert Firma der Aktiengesellschaft: Zulässige Abkürzung „AG“? DB 1992, 198; Gohl Die abgeleitete Firma der GmbH & Co., ein Beitrag zum Problem der Grundtypenvermischung, Diss. Köln, 1967; Gustavus Beiträge zur Firma der GmbH & Co. KG nach geltendem und zukünftigem Recht, Veröffentlichungen der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin, 1977; ders. Die Praxis der Registergerichte zum Rechtsformhinweis in der abge101 https://doi.org/10.1515/9783111097510-004
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§ 19
1. Buch. Handelsstand
leiteten Firma einer GmbH & Co. KG, GmbHR 1977, 169, 193; ders. Zum geplanten neuen Firmenrecht der beschränkt haftenden Personengesellschaft, GmbHR 1977, 122; Hesselmann Zusatz „GmbH & Co.“ bei fortgeführten Firmen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften nach Umwandlung in eine GmbH & Co., GmbHR 1975, 57; ders. Verpflichtung der Registergerichte zur Eintragung des Zusatzes „GmbH & Co.“ bei abgeleiteter Firma, GmbHR 1976, 36; Klamroth Beteiligung einer BGB-Gesellschaft an einer Personenhandelsgesellschaft, BB 1983, 796; Kornblum Offenlegung der Rechtsform der normalen KG, Rpfleger 1986, 77; Priester Obligatorischer Zusatz „GmbH & Co.“ auch bei abgeleiteter Firma? NJW 1975, 238; Riechen Die Firma der GmbH & Co., DB 1956, 493; Schindhelm/Wilde Die AG & Co. KG, GmbHR 1993, 411; K. Schmidt Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; K. Schmidt Handelsrechtliche Probleme der doppelstöckigen GmbH & Co. KG, DB 1990, 93; Schwintowski Handelsrecht – Die schwierige Firmierung einer GmbH & Co KG, JuS 1984, 123; Skibbe Die „dreistufige“ GmbH & Co. KG im Gesellschafts-, Mitbestimmungs- und Umwandlungsrecht, WM 1978, 890; Sternberg Der Gesellschaftszusatz in der Handelsfirma, 1975; Timm Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Haftungsverfassung, NJW 1995, 3209; Wessel Probleme bei der Firmierung der GmbH & Co., BB 1984, 1710; Winkler Ist die Eintragung einer GmbH unter der abgekürzten Bezeichnung „GmbH“ in das Handelsregister zulässig? GmbHR1969, 77; ders. Zur Firma des Einzelkaufmanns und der Personengesellschaft, MittBayNot 1970, 73, ders. Die Firma der GmbH & Co. KG in der neuen Rechtsprechung des BayObLG, MittBayNot 1978, 98. S. ferner das Schrifttum Vor § 17 und zu §§ 17, 18.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt, Anwendungsbereich
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
B.
Rechtsformzusatz bei Einzelkaufleuten 6 (Abs. 1 Nr. 1)
C.
Rechtsformzusatz bei einer OHG (Abs. 1 9 Nr. 2)
D.
Rechtsformzusatz bei einer KG (Abs. 1 10 Nr. 3)
E.
Rechtsformzusatz bei Fehlen persönlich haftender natürlicher Personen, insbes. bei einer GmbH & Co. KG (Abs. 2)
IV.
Andere Rechtsformen als Komplementäre 18
V.
Andere Zusätze, insbes. „Kommanditgesell25 schaft mit beschränkter Haftung“
VI.
OHG
F.
Übergangsvorschriften für Altfirmen
G.
Rechtsformzusätze bei sonstigen Rechtsträgern
I.
Gesetzlich geregelte Rechtsformzusätze abseits 30 des § 19
II.
Deutsche Rechtsträger ohne gesetzlich geregelte 32 Rechtsformzusätze
III.
Ausländische Rechtsträger
H.
Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen 39 § 19
1
3
5
11
I.
Einführung
II.
Der Zusatz „GmbH & Co. KG“
III.
Zwei- und Mehrstöckige GmbH & Co. KG
28 29
38
14 16
A. Grundlagen I. Norminhalt, Anwendungsbereich 1 Absatz 1 regelt die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes, und zwar für Einzelkaufleute (Nr. 1) und Personenhandelsgesellschaften (Nr. 2 und 3). Ergänzend sieht Abs. 2 vor, dass Burgard
102
§ 19
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
OHG und KG einen die Haftungsbeschränkung kennzeichnenden Zusatz führen müssen, wenn keine natürliche Person persönlich haftet. Die Vorschriften des § 19 gelten nicht nur für die Firmenneubildung, sondern auch für die Firmenfortführung. Bei Firmenfortführung unter Änderung der Rechtsform des Unternehmensträgers ist der Rechtsformzusatz entsprechend der neuen Rechtsform anzupassen (näher § 22 Rn 87 ff) und die Änderung zur Eintragung im Handelsregister anzumelden (näher § 31 Rn 7 ff).1 Das gilt nicht nur für Neufirmen, sondern auch für Altfirmen, die vor dem 1.7.1998 eingetragen waren. Zum Übergangsrecht für Altfirmen s. Rn 29. Für andere Unternehmensträger ist die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes wie 2 schon bisher entweder spezialgesetzlich (§§ 4, 279 Abs. 1 AktG, § 4 GmbHG, § 3 GenG, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, Art. 11 Abs. 1 SE-VO, § 6 VAG, § 2 Abs. 1 PartGG, § 59k BRAO) oder gar nicht geregelt (näher Rn 30 ff).
II. Entstehungsgeschichte § 19 Abs. 1 bis 4 a.F. beruhte auf Art. 17 ADHGB und blieb bis zur Handelsrechtsreform unverän- 3 dert. Diese Vorschriften enthielten genaue Vorgaben für den Firmenkern von Personenhandelsgesellschaften (Zwang zur Führung einer Personenfirma), die infolge der Liberalisierung der Firmenbildung entfallen sind (s. Vor § 17 Rn 13, 16). Dafür müssen heute Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften einen Rechtsformzusatz führen, was früher nur für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften vorgeschrieben war. § 19 Abs. 1 und 2 a.F. verlangte lediglich, dass das Vorhandensein einer Gesellschaft deutlich werden musste. Es musste jedoch nicht erkennbar sein, ob es sich um eine OHG oder KG handelte.2 Und die Abgrenzung gegenüber nichtkaufmännischen Unternehmensträgern erfolgte schlicht dadurch, dass diesen die Führung firmenähnlicher Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen (dazu § 17 Rn 15 ff, 19 ff) untersagt war, was freilich die Verwendung des bürgerlichen Namens nicht ausschloss. Bei einer Firma „A. Huber und Partner“ konnte der Geschäftsverkehr daher nur über das Handelsregister in Erfahrung bringen, ob es sich um eine OHG, KG oder GbR handelte.3 Abs. 5 a.F. wurde in Kodifizierung einer vorangegangenen höchstrichterlichen Rechtspre- 4 chung4 durch die GmbH-Reform von 1980 (BGBl. I 836) angefügt und ist heute in Abs. 2 enthalten (näher Rn 11 ff).
III. Normzweck § 19 hat einen mehrfachen Regelungszweck. Zuvörderst dient die Vorschrift der Transparenz 5 der Rechtsform des Unternehmensträgers und (dadurch) der Haftungsverhältnisse.5 Zugleich dient sie damit der Gläubigerinformation.6 Abs. 2 hat darüber hinaus Warnfunktion.7 Dabei ist der Rechtsformzusatz Teil der Firma und nimmt als solcher Teil an deren Publizität, die durch das Handelsregister (§§ 29, 31), dessen Bekanntmachungen (§ 10) sowie die Pflicht zur Angabe auf Geschäftsbriefen (§ 37a) und zur Information der Vertragspartner (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV, s. dazu § 17 Rn 24) hergestellt wird. Ferner stellt das Erfordernis der Führung eines Rechtsformzusatzes einen Ausgleich für die Liberalisierung der Firmenbildung dar:8 Weil 1 2 3 4 5 6 7 8
GKzHGB/Steitz Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4. Näher Staub/Hüffer4 Rn 18. Vgl. Staub/Hüffer4 Rn 22, 33, § 37 Rn 9 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. BGHZ 62, 216; 65, 103. Hopt/Merkt Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1. Hopt/Merkt Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 10. MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; Oetker/Schlingloff Rn 8; GKzHGB/Steitz Rn 14. Fezer ZHR 161 (1997), 52 (60); Hopt/Merkt Rn 1; GKzHGB/Steitz Rn 1; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 1.
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§ 19
1. Buch. Handelsstand
heute grundsätzlich Wahlfreiheit zwischen Personen-, Sach- und Phantasiefirma besteht, ist die Führung eines Rechtsformzusatzes erforderlich, um „die Minimalfunktion der Firma als Informationsträger über Rechts- bzw. Gesellschaftsform und Haftungsverhältnisse“ zu erhalten.9 Schließlich dient die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes der klaren Unterscheidung zwischen Firmen i.S.d. Handelsrechts einerseits sowie Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen andererseits (§ 17 Rn 20),10 wobei das Bedürfnis für eine solche Unterscheidung infolge der Liberalisierung der Firmenbildung noch zugenommen hat.11
B. Rechtsformzusatz bei Einzelkaufleuten (Abs. 1 Nr. 1) 6 Bei Einzelkaufleuten muss die Firma die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“, „eingetragene Kauffrau“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Als solche Abkürzung schlägt das Gesetz – weil vor der Handelsrechtsreform Rechtsformzusätze für Einzelkaufleute nicht geläufig waren – „e.K.“, „e.Kfm.“ oder „e.Kfr.“ vor. Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend („insbes.“). Der Gesetzgeber wollte der Entwicklung anderer Abkürzungen nicht im Wege stehen.12 Zulässig sind daher etwa auch „eingetr. Kfm.“ oder „e. Kffr.“. Zulässig sind ferner Mischformen zwischen ausgeschriebenen und abgekürzten Bestandteilen, etwa „e. Kauffrau“ oder „eingetragener Kfm.“.13 In der Praxis am weitesten verbreitet ist die geschlechtsneutrale Abkürzung „e.K.“. Zweifelhaft sind lediglich zwei Fragen: 7 Zum einen wirft bereits die Begründung des Regierungsentwurfs die Frage auf, ob für Frauen ein anerkennenswertes Bedürfnis besteht, die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“ zu wählen, z.B. um befürchtete Diskriminierungen auszuschließen. Die Begründung überlässt die Beantwortung der Gerichtspraxis, wobei zu berücksichtigen sei, dass mit der geschlechtsspezifischen Ausgestaltung der Zusätze lediglich eine adäquate Bezeichnung zur Verfügung gestellt werden soll. M.a.W. sollen Kauffrauen nicht von Gesetzes wegen genötigt werden, sich als Kaufmann zu bezeichnen. Zudem stehe für den Geschäftsverkehr regelmäßig die Information über die Rechtsform des Unternehmensträgers und nicht dessen Geschlecht im Vordergrund. Schließlich könne das Problem – das sich auch bei der Firmenfortführung stelle – durch die Wahl der Abkürzung „e.K.“ praktisch gelöst werden.14 In der Literatur wird verbreitet die Ansicht vertreten, eine Frau dürfe auch als „eingetragener Kaufmann“ firmen, weil der Verkehr (auch) diese Bezeichnung als geschlechtsneutral auffasse. Ein Mann dürfe dagegen nicht den Zusatz „eingetragene Kauffrau“ wählen, da dies irreführend sei.15 Diese Differenzierung bezeichnen andere als „gleichheitswidrig“. Vielmehr müsse der Geschlechtsbezug nicht zutreffen, da das Geschlecht von Kaufleuten kein verkehrswesentliches geschäftliches Verhältnis i.S.d. § 18 Abs. 2 sei.16 7a Stellungnahme: Diskriminiert werden können auch Männer. Wer Diskriminierung vermeiden will, muss sich aber nicht des anderen Geschlechts berühmen, sondern kann eine geschlechtsneutrale Bezeichnung wählen.17 Dabei ist die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“ objektiv betrachtet (vgl. § 18 Rn 47) auch deswegen nicht geschlechtsneutral, weil ihr Abs. 1
9 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 37. 10 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 38. 11 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2. 12 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 55. 13 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 55. 14 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 55. 15 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35; Hopt/Merkt Rn 5; HKzHGB/Ruß Rn 4; widersprüchlich Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 2 (Frauen dürften sich als Kaufmann bezeichnen, weil Geschlechtsbezug nicht wettbewerbsrelevant i.S.d. § 18 Abs. 2 sei. Gleichwohl sei Männern die Bezeichnung Kauffrau verwehrt.). 16 Oetker Handelsrecht § 4 Rn 47; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6 mit Fn 4. 17 Sich der hiesigen Ansicht anschließend BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 19
Nr. 1 die Bezeichnung „eingetragene Kauffrau“ gegenüberstellt. Geschlechtsneutral ist jedoch die Abkürzung „e.K.“ bzw. „eK“. Wer gleichwohl einen unzutreffenden Geschlechtsbezug wählt, nimmt offenbar an, dass das Geschlecht des Unternehmensträgers im konkreten Einzelfall ausnahmsweise doch ein verkehrswesentliches geschäftliches Verhältnis i.S.d. § 18 Abs. 2 ist. Diese Annahme muss bei dem Registergericht Zweifel an der Eintragungsfähigkeit der Firma auslösen, denen es nachzugehen hat (§ 18 Rn 50). Zum anderen hat Zimmer das (Schein-)Problem entdeckt, ob Kaufleute (i.S.d. § 1 Abs. 2), 8 die (noch) nicht eingetragen sind, sich in dem Rechtsformzusatz als „eingetragen“ bezeichnen dürfen. Zimmer hält das unter Zustimmung eines Teils der Literatur18 für irreführend. Abs. 1 Nr. 1 sei daher teleologisch zu reduzieren und auf (noch) nicht eingetragene Kaufleute nicht anzuwenden. Zur Kennzeichnung ihres Kaufmannstatus genügten „im Kontext der Firmenführung gegebene Hinweise wie ‚Einzelkaufmann‘ bzw. ‚Einzelkauffrau‘ oder ‚Kaufmann‘ bzw. ‚Kauffrau‘“.19 Stellungnahme: Diese Ansicht widerspricht dem klaren Wortlaut sowie dem Sinn und 8a Zweck des Gesetzes. Ihr kann daher nicht gefolgt werden. Die Bezeichnung „eingetragene(r)“ wurde ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs vom Gesetz gewählt, um den Rechtsbegriff von der bloßen Berufsbezeichnung „Kaufmann“ bzw. „Kauffrau“ abzugrenzen. Es handelt sich also um einen terminus technicus, bei dem eine philologische Auslegung allein nicht weiterführt.20 Vielmehr würde, folgt man der Ansicht Zimmers, die vom Gesetz bezweckte eindeutige Abgrenzung zwischen Rechtsbegriff und Berufsbezeichnung aufgegeben. Für die Bezeichnung als „eingetragene(r)“ Kaufmann/Kauffrau ist es daher unerheblich, ob die Firma bereits im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Das ist auch sachgerecht, weil sich der Rechtsformzusatz auf den Unternehmensträger bezieht, dessen Status sich in den hier in Frage stehenden Fällen des § 1 Abs. 2 durch die Eintragung nicht ändert. Insofern ist die Bezeichnung als „eingetragene(r)“ Kaufmann/Kauffrau trotz fehlender Eintragung objektiv (§ 18 Rn 47) auch nicht irreführend, weil er die Rechtsform entsprechend der gesetzlichen Vorgabe korrekt wiedergibt. Zudem wird die fehlende Eintragung auf Geschäftsbriefen deutlich, da der Kaufmann ohne sie nicht in der Lage ist, eine Registernummer anzugeben. Dass diese Bezeichnung vom Gesetz im Blick auf die hier in Frage stehenden Fälle möglicherweise nicht glücklich gewählt wurde, mag Anlass sein für rechtspolitische Kritik. Eine teleologische Reduktion der Norm mit der Folge ihrer Unanwendbarkeit auf (noch) nicht eingetragene Kaufleute rechtfertigt dies jedoch nicht.21
C. Rechtsformzusatz bei einer OHG (Abs. 1 Nr. 2) Bei einer offenen Handelsgesellschaft muss die Firma die Bezeichnung „offene Handelsgesell- 9 schaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Ein allgemeiner, das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutender Zusatz wie „& Co.“ oder „& Cie.“ genügt heute (s. Rn 3) nicht mehr, ist aber weiterhin zulässig.22 Dementsprechend bedarf es auch dann, wenn die Firma einer OHG unter Verwendung der Namen aller Gesellschafter gebildet wird, eines Rechtsformzusatzes. Dabei enthält das Gesetz anders als bei Einzelkaufleuten
18 Zimmer ZIP 1998, 2050; zust. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn. 7; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Hopt/Merkt Rn 4; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 31 hält die Firmierung zwar für unzutreffend; die Wesentlichkeitsschwelle des § 18 Abs. 2 würde jedoch nicht überschritten. AA Oetker/Schlingloff Rn. 3; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn. 36. 19 Zimmer ZIP 1998, 2050 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7. 20 Zutr. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. 21 Im Ergebnis ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 11; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 3; Oetker/Schlingloff Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. 22 Der Zusatz „und Partner“ ist schon seit 1995 gem. § 2 Abs. 2 PartGG der Partnerschaftsgesellschaft vorbehalten, näher MünchKommHGB/Heidinger Rn 15. 105
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keine Vorschläge wie eine allgemein verständliche Abkürzung des Begriffs „offene Handelsgesellschaft“ lauten kann. Die Begründung des Regierungsentwurfs nennt außer den gebräuchlichen und unzweifelhaft zulässigen Abkürzungen „OHG“ und „oHG“ auch die Abkürzungen „oH“ und „OH“ (denkbar ist ferner „o.H.“), deren Verständlichkeit jedoch seit jeher bezweifelt wird23 und von deren Verwendung man daher Abstand nehmen sollte. Zulässig sind ferner Mischformen zwischen abgekürzter und ausgeschriebener Form wie etwa „offene HG“ oder „o. Handelsgesellschaft“.24 Neben der allgemeinen Verständlichkeit ist bei Abkürzungen und Mischformen das allgemeine Irreführungsverbot (§ 18 Abs. 2) einzuhalten.25
D. Rechtsformzusatz bei einer KG (Abs. 1 Nr. 3) 10 Bei einer Kommanditgesellschaft muss die Firma die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Ein allgemeiner, das Vorhandensein einer Gesellschaft andeutender Zusatz wie „& Co.“ oder „& Cie.“ genügt heute (s. Rn 3) bei der KG (erst recht) nicht mehr, ist aber auch bei ihr – ebenso wie bei der OHG – weiterhin zulässig.26 Als Abkürzung kommt neben der gebräuchlichen „KG“ etwa auch „KommanditG“ oder „Kommanditges“ in Betracht.27 Die Verständlichkeit der Abkürzung „Komm.-Ges.“ wird hingegen von manchen bezweifelt.28
E. Rechtsformzusatz bei Fehlen persönlich haftender natürlicher Personen, insbes. bei einer GmbH & Co. KG (Abs. 2) I. Einführung 11 Nach Abs. 2 muss die Firma einer OHG oder KG, bei der keine natürliche Person persönlich haftet, eine Bezeichnung enthalten, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet. Das gilt ab dem 1.1.2024 auch für eingetragene BGB-Gesellschaften, § 707 Abs. 2 S. 2 BGB i.d.F. des MoPeG (dazu bereits § 17 Rn. 22 ff.). Absatz 2 entspricht inhaltlich § 19 Abs. 5 a.F. Die Änderung des Wortlauts, insbes. das Weglassen von § 19 Abs. 5 S. 2 a.F., hat lediglich klarstellende Bedeutung für mehrstöckige Gesellschaften, bei denen erst auf der dritten oder einer noch höheren Stufe eine natürliche Person persönlich haftet (dazu Rn 16 f). Im Übrigen sollte die alte Rechtslage „im wesentlichen“ fortgeschrieben werden, so dass die bisherige Rechtsprechung zu § 19 Abs. 5, insbes. zu der Frage der Anordnung und Reihenfolge der Rechtsformzusätze auch für die Neufassung gelten sollte.29 In der Praxis hat die Regelung vor allem für die GmbH & Co. KG, also für die Gestaltung Bedeutung, bei der eine GmbH alleinige Komplementärin einer KG ist (zu anderen Gestaltungen Rn 18 ff). 23 Für Verständlichkeit aufgrund einer Befragung verschiedener IHK OLG Hamm NJW 1965, 763 = OLGZ 1965, 122; im Anschluss daran ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 13; HKzHGB/Ruß Rn 6; Hopt/Merkt Rn 12; die Verständlichkeit bezweifelnd dagegen zum alten Recht etwa Staub/Hüffer4 Rn 22; zum neuen Recht Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 37; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 43; GKzHGB/Steitz Rn 5. 24 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 5; Hopt/Merkt Rn 12. 25 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 5; Oetker/Schlingloff Rn 6. 26 Der Zusatz „und Partner“ ist schon seit 1995 gem. § 2 Abs. 2 PartGG der Partnerschaftsgesellschaft vorbehalten, näher MünchKommHGB/Heidinger Rn 15. 27 MünchKommHGB/Heidinger Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; GKzHGB/Steitz Rn 5; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 7; BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 53. 28 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; anders Hopt/Merkt Rn 20; GKzHGB/Steitz Rn 5. 29 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56. Burgard
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Abs. 2 hat Informations- und Warnfunktion.30 Der Verkehr, insbes. die Gläubiger sollen 12 wissen, dass bei der betreffenden Gesellschaft keine natürliche Person persönlich haftet. Die Vorgängernorm § 19 Abs. 5 a.F. wurde durch die GmbH-Reform von 1980 (BGBl. I 836) angefügt und kodifizierte damit eine vorangegangene höchstrichterliche Rechtsprechung.31 Dabei sah § 19a des Regierungsentwurfs zur GmbH-Novelle von 197732 noch eine eigenständige Regelung vor, wonach eine Kommanditgesellschaft mit allseitiger Haftungsbeschränkung eine Personenoder Sachfirma mit dem Zusatz „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“ hätte bilden müssen. Hierdurch sollte das Nebeneinander mehrerer Gesellschaftszusätze verhindert und die Warnfunktion der Firma erhöht werden.33 Dieser Vorschlag scheiterte indes an der mit ihr verbundenen Konsequenz, dass alle Gesellschaften mbH & Co. KG ihre Firma erneut hätten ändern müssen, nachdem infolge der erwähnten BGH-Rechtsprechung gerade erst eine Änderungswelle stattgefunden hatte. Dies veranlasste den Gesetzgeber zu einer inhaltlich verkürzten Regelung,34 die unter Bruch der Systematik an § 19 als Abs. 5 angehängt wurde.35 Wenngleich der Reformgesetzgeber meinte die bisher nach § 19 Abs. 5 geltende Rechtslage 13 „im wesentlichen“ fortzuschreiben (Rn 11), so darf doch nicht verkannt werden, dass die Reform des Firmenrechts auch auf die Firmierung der GmbH & Co. KG erheblichen Einfluss hat. Nach altem Recht ergab sich die Notwendigkeit der Aufnahme des GmbH-Zusatzes in die Firma der KG regelmäßig bereits aus § 19 Abs. 2 a.F. War nämlich – wie zumeist – die GmbH einzige Komplementärin der KG, so musste ihre Firma grundsätzlich36 vollständig, d.h. insbes. auch mit dem Rechtsformzusatz „GmbH“ (§ 4 Abs. 2 GmbHG a.F.) in die Firma der KG aufgenommen werden.37 Der Zusatz „& Co.“ (oder „& Cie.“ oder „& Comp.“) war und ist auch heute noch erforderlich, um nicht zwei Rechtsformzusätze verwirrender Weise aufeinanderfolgen zu lassen (Rn 14). Des Rechtsformzusatzes „KG“ bedurfte es dagegen nach § 19 Abs. 2 a.F. anders als heutzutage nach Abs. 1 Nr. 3 nicht. Vor allem aber kann die Firma der KG nach der Handelsrechtsreform frei, und das heißt hier vor allem: ganz unabhängig von dem Namen bzw. der Firma der Komplementärin gebildet werden.38 Heute kann sich daher hinter der Firma einer GmbH & Co. KG eine Komplementär-GmbH ganz anderen Namens verbergen.39 Und selbst wenn die Firma der Komplementärin (unter Beachtung von § 30, s. Rn 32) zur Firmenbildung der KG verwandt wird,40 dann kann nach neuem Firmenrecht der Rechtsformzusatz der Firma der Komplementärin weggelassen werden.41 Die Regelung des Abs. 2 hat daher eigenständigere und noch größere
30 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Oetker/Schlingloff Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 46; Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56.
31 BGHZ 62, 216; 65, 103. 32 BT-Drucks. 8/1347. 33 Begr RegE BT-Drucks. 7/253, 56; vgl. auch Deutler GmbH-Rdsch. 1977, 73 (76). Kritisch Geßler DB 1977, 1397; Gustavus GmbHR 1977, 122. 34 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 8/3908, 78. Für Beibehaltung der eingebürgerten Bezeichnungen auch die Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks. 8/1347, 69. Vgl. noch Deutler GmbHR 1980, 145 (152). 35 Näher zur Entstehungsgeschichte von § 19 Abs. 5 a.F. Staub/Hüffer4 Rn 2. 36 Zu Ausnahmen etwa hinsichtlich eines etwaigen „Verwaltungs-“Zusatzes Röhricht/v. Westphalen/Ries4 Rn 50 f mwN. 37 Vgl. Staub/Hüffer4 Rn 36, 46. 38 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Oetker/Schlingloff Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 54 f.; OLG Karlsruhe – 11 Wx 15/09, RNotZ 2010, 482 (484); fortgeführt von OLG Karlsruhe – 11 Wx 86/13, GmbHR 2014, 142 (143). 39 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; Oetker/Schlingloff Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 57; GKzHGB/Steitz Rn 22; aA Hopt/Merkt Rn 33. 40 Hierfür gelten allgemeine Regeln, s. Vor § 17 Rn 17, 27. Daher wird zu Unrecht verlangt, der Name der GmbH müsse in diesem Fall noch zu identifizieren sein, so HKzHGB/Ruß Rn 9; denn wenn er nicht zu identifizieren ist, dann handelt es sich lediglich nicht um eine Personenfirma. 41 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 19; aA Hopt/Merkt Rn 33. 107
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Bedeutung als § 19 Abs. 5 a.F., weil ohne sie keine Pflicht zur Aufnahme eines die Haftungsbeschränkung anzeigenden Zusatzes bestünde.42 Zugleich gibt es allerdings auch keinen zwingenden Grund mehr, den Zusatz „GmbH & Co.“ zu wählen. Zwingend ist nach Abs. 1 Nr. 3 nur der Zusatz „Kommanditgesellschaft“ bzw. eine allgemeinverständliche Abkürzung davon (also insbes. „KG“, Rn 10). Daher könnte heute das Reformvorhaben von 1977 verwirklicht und auch eine Firmierung etwa als „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“ zugelassen werden (str., näher Rn 25 ff).
II. Der Zusatz „GmbH & Co. KG“ 14 Wird zur Kennzeichnung der Haftungsbeschränkung wie zumeist der Zusatz „GmbH & Co. KG“ gewählt, so sind nach der Begründung des Regierungsentwurfs43 und herrschender Meinung44 grundsätzlich weiterhin die Restriktionen hinsichtlich der Reihenfolge und Formulierung der Firmenbestandteile zu beachten, die von der Rechtsprechung zum alten Recht aufgestellt wurden: 1. Die Rechtsformzusätze „GmbH“ und „KG“ dürfen, weil dies verwirren würde, nicht direkt aufeinander folgen, sondern müssen durch ein „& Co.“ abgetrennt werden.45 Unzulässig ist daher etwa „GmbH Kommanditgesellschaft“, „GmbH KG“ oder gar „GmbHKG“, wenngleich es dafür Beispiele in der Praxis geben mag.46 Aus diesem Grund unzulässig ist ferner „X KG GmbH & Co.“47 2. Eine Abtrennung der Rechtsformzusätze „GmbH“ und „KG“ durch einen sachlichen Firmenbestandteil ist ebenfalls als irreführend untersagt. Eine Firmierung als „X GmbH Handels KG“ oder als „Y GmbH Holzbau KG“ ist daher unzulässig.48 Das wird in der Literatur zwar heutzutage teilweise bezweifelt,49 ist aber weiterhin sachgerecht,50 weil nicht deutlich wird, ob es sich um eine GmbH oder KG handelt; denn der letzte Rechtsformzusatz ist für die Rechtsform nicht zwingend maßgeblich.51 Zweifelhaft ist freilich auch, ob in den hier fraglichen Fällen der Rechtsformzusatz der KG vorangestellt werden kann (z.B. „Kommanditgesellschaft Union-Bau Altona GmbH & Co.“).52 3. Mit Vorstehendem nicht zu verwechseln ist der Fall, dass zwischen den Angaben „GmbH & Co.“ und „KG“ eine Sachbezeichnung eingeschoben wird, also bspw. „Autohaus Schönhu-
42 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 43 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56. 44 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; HKzHGB/Ruß Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 44; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; krit. GKzHGB/Steitz Rn 20. 45 BGH NJW 1980, 2084; BGH NJW 1981, 342; OLG Stuttgart DB 1977, 711 f; OLG Hamm DB 1987, 1245 f; KG DB 1988, 1689; OLG Stuttgart FGPrax 2001, 28; MünchKommHGB/Heidinger Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 60; Henssler/Strohn/Wamser Rn 6; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 10. 46 Binz/Sorg § 11 Rn 24: „Scharnow-Reisen GmbH KG“. 47 Oetker/Schlingloff Rn 12; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 10; Hopt/Merkt Rn 34. 48 BGH NJW 1980, 2084; BayObLGZ 1973, 75; OLG Stuttgart OLGZ 1977, 301 f. 49 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 61 a.E.; unklar GKzHGB/Steitz Rn 24. 50 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Hopt/Merkt Rn 34; GKzHGB/Steitz Rn 25; Oetker/Schlingloff Rn 12. 51 AA OLG Frankfurt DB 1980, 1208; Grussendorf DNotZ 1954, 94 f; Schmalz Anm. zu OLG Düsseldorf DNotZ 1956, 611 (614); Weipert GmbHR 1954, 26 f, wie hier die hM, MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Hopt/Merkt Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 60 f; GKzHGB/Steitz Rn 25; BeckOK HGB/Bömeke Rn 10; BGH NJW 1980, 2084. 52 Dafür BGHZ 68, 271; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18 a.E.; GKzHGB/Steitz Rn 24 a.E.; dagegen zu Recht OLG Oldenburg Rpfleger 1997, 263; MünchKommHGB/Heidinger Rn 24; Hopt/Merkt Rn 34 a.E.; Oetker/ Schlingloff Rn 12. Burgard
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ber GmbH & Co. Autohandel KG“;53 denn der Zusatz „& Co.“ verdeutlicht, dass es sich bei der GmbH um eine Gesellschafterin der KG handelt.54 Diese Firmierung ist daher zulässig. Wegen verwirrender Häufung von Rechtsformzusätzen unzulässig ist dagegen „Lavatec AG Wäschereimaschinen GmbH & Co. KG“.55 4. Problematisch sind ferner die Fälle einer Verdoppelung des „& Co.“ oder gleichbedeutende Firmenbestandteile, also etwa „K & Co. GmbH & Co. KG“,56 „K & R GmbH & Co. KG“,57 „H.M. & Sohn GmbH & Co.“,58 „X KG Müller und Meier GmbH & Co. KG“.59 Nach der Rechtsprechung sind solche Firmierungen unzulässig, weil der Eindruck entstehen könnte, es gäbe neben der GmbH noch natürliche Personen oder eine weitere Personenhandelsgesellschaft, die hafteten. Auch dem ist im Ergebnis zuzustimmen.60 5. Schließlich sind nach der Rechtsprechung auch Klammerzusätze oder Abtrennungen mit Satzzeichen ungeeignet, die allseitige Haftungsbeschränkung deutlich genug hervortreten zu lassen. Als unzulässig wurden daher etwa „W & R KG – GmbH & Co. KG“61 sowie „X KG. (GmbH & Co. KG)“62 beurteilt. Hier liegt das Problem in der verwirrenden Doppelung des KG-Zusatzes. Als summa dieser Judikatur kann festgehalten werden: Unzweifelhaft zulässig ist allein, an 15 einen Personennamen (also nicht zwei) oder eine Sach- oder Phantasiebezeichnung oder eine Mischung dieser Elemente schlicht die Abkürzung „GmbH & Co. KG“ zu hängen, ohne diese wiederum auseinander zu reißen (Ausnahme oben 3.) oder sonst zu verändern, also z.B. mit „K. Müller GmbH & Co. KG“ zu firmieren. Andere Gestaltungen mögen zwar im Einzelfall zugelassen werden, sicher ist das jedoch nicht.63 Selbst das Weglassen des &-Zeichens (alternativ „u.“ oder „und“)64 wurde beanstandet.65 Nur das „Co.“ kann auch ohne Punkt als „Co“ geschrieben werden oder durch ein „& Cie.“ oder „& Comp.“ (jeweils auch ohne Punkt)66 ersetzt und der Rechtsformzusatz „KG“ gem. Abs. 1 Nr. 3 auch ausgeschrieben werden. Diese geringe Variationsmöglichkeit begründete Hüffer in der 4. Auflage damit, dass sich die Abkürzung „GmbH & Co. KG“ für eine Kommanditgesellschaft mit allseitiger Haftungsbeschränkung in ihrer typischen Erscheinungsform im Sprachgebrauch eingebürgert habe. Das Firmenrecht müsse dieser Sprachgewohnheit Rechnung tragen. Das folge aus dem Grundsatz der Firmenklarheit in Verbindung mit § 19 Abs. 5 a.F. Danach genüge nicht irgendein Hinweis darauf, dass in der Gesellschaft keine natürliche Person unbeschränkt haftet; sondern der Hinweis müsse auch so beschaffen sein, dass er für den Geschäftsverkehr ohne weiteres verständlich ist, weil er die ihm zugedachte Warnfunktion nur dann erfüllen kann. Zudem vertrage es die firmenrechtliche Ordnung nicht, die in den rechtlichen Grundzügen einheitliche Rechtsform der GmbH & Co. KG im Verkehr 53 BayObLG DB 1978, 879; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 61 a.E.; Oetker/Schlingloff Rn 12; MünchKommHGB/Heidinger Rn 23 im Anschluss an BayObLG DB 1978, 879; BayObLGZ 1973, 75 (78); Binz/Sorg § 11 Rn 24 a.E. 54 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18. 55 OLG Stuttgart FGPrax 2001, 28. Ausführlich zur Firmierung in diesen Fällen Mehringer NZG 2017, 41. 56 BGH NJW 1981, 342; ebenso OLG Oldenburg GmbHR 1979, 112 f; aA das vorlegende OLG Frankfurt BB 1980, 960 und OLG Frankfurt OLGZ 1980, 302; kritisch auch Wessel BB 1985, 882 f. 57 OLG Stuttgart BB 1977, 711 f. 58 BGH NJW 1985, 736; heutzutage müsste hier jedenfalls noch ein „KG“ angefügt werden. 59 OLG Hamm DB 1981, 521; OLG Oldenburg DM 1990, 519; LG Köln RPfleger 1977, 62. 60 Ebenso etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19. 61 BGH DB 1979, 1598; i.E. zust. Staub/Hüffer4 Rn 69. 62 BayObLGZ 1978, 40 (42); krit. Winkler MittBayNot 1978, 98 (99). 63 So wohl auch BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 10. 64 OLG Hamm NJW 1966, 2172; BayObLG NJW 1973, 1845; BGH NJW 1980, 2084; Hopt/Merkt Rn 34. 65 OLG Stuttgart BB 1977, 711 f; MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; GKzHGB/Steitz Rn 25. 66 Soweit ersichtlich, haben firmenrechtliche Entscheidungen sämtliche vorstehenden Formulierungen in Schreibweisen mit und ohne Punkt akzeptiert. Eine dahingehende ausdrückliche Anerkennung oder Ablehnung findet sich aber nirgends. 109
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unter wechselnden Bezeichnungen auftreten zu lassen. Nachdem sich diese Rechtsform wesentlich unter der Mitwirkung der Rechtsprechung herausgebildet habe, sei sie auch gehalten und legitimiert, eine einheitliche Bezeichnung durchzusetzen.67 Und diesen Erwägungen kann auch heute noch zugestimmt werden,68 allerdings eben nur für die typische „GmbH & Co. KG“ und nicht für die folgenden atypischen (wenn auch nicht ganz seltenen) Gestaltungen (Rn 16–24).
III. Zwei- und Mehrstöckige GmbH & Co. KG 16 Nach § 19 Abs. 5 S. 2 a.F. war ein die Haftungsbeschränkung kennzeichnender Zusatz ausnahmsweise dann entbehrlich, „wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.“ An diese Bestimmung schloss sich die Frage an, ob sie auch für drei- und mehrstufige GmbH & Co. KG gelten solle69 oder nicht.70 Die Neufassung des Abs. 2 hat sich für Ersteres entschieden,71 obwohl die Schwierigkeit, die natürliche Person herauszufinden bei mehrstufigen Konstruktionen nicht unterschätzt werden darf.72 Sofern also nur auf irgendeiner Stufe eine natürliche Person persönlich haftet, bedarf es des Zusatzes nach Abs. 2 nicht. Haftet dagegen auf keiner Stufe eine natürliche Person persönlich, so müssen alle beteiligten offenen Handelsgesellschaften bzw. Kommanditgesellschaften einen Zusatz gem. Abs. 2 führen. 17 Unklar ist jedoch wie der Zusatz bei mehrstufigen GmbH & Co. KGs auszugestalten ist. Verbreitet wird die Ansicht vertreten, der Zusatz könne auch dann „GmbH & Co. KG“ lauten, wenn an der KG gar keine GmbH als Komplementärin beteiligt sei73 (sondern eine GmbH erst auf höherer Stufe an einer KG als Komplementärin beteiligt ist – ist auf einer höheren Stufe bspw. eine AG als Komplementärin beteiligt, muss es nach dieser Ansicht wohl „AG & Co. KG“ heißen, s. Rn 18). Das ist freilich irreführend; denn es macht doch einen Unterschied, ob eine GmbH – wie man bei dem Zusatz „GmbH & Co. KG“ vermuten muss – oder eine weitere KG oder eine OHG (einzige) Komplementärin der Gesellschaft ist. Zur Klarstellung wäre wünschenswert, dass eine solche KG als „mehrstöckige“, „mehrstufige“ oder „mittelbare GmbH & Co. KG“ firmieren muss – oder auch präziser (je nach dem) als „zweistöckige“ oder „dreistufige GmbH & Co. KG“. Als Alternative kommt eine Firmierung als „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“ in Betracht (dazu Rn 25 ff). Verwirrend und daher unzulässig wäre dagegen eine Firmierung als „GmbH & Co. KG KG“ (vgl. Rn 14).
IV. Andere Rechtsformen als Komplementäre 18 Anstelle einer GmbH können auch andere beschränkt haftende juristische Personen als Komplementäre an einer KG beteiligt sein. In Betracht kommen bspw. Aktiengesellschaften, Vereine und Stiftungen usf. In diesem Fall muss der Zusatz nach Abs. 2 entsprechend ausgestaltet werden, also als „AG & Co. KG“74, „e.V. & Co. KG“,75 „Unternehmergesellschaft (haftungsbe-
Staub/Hüffer4 Rn 66; siehe hierzu ebenso BeckOGK HGB/Lüken/Natzel Rn 69. Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Oetker/Schlingloff Rn 18; Hopt/Merkt Rn 34. Dafür BayObLG DNotZ 1995, 230. So KG DNotZ 1989, 250. Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56. So zu Recht Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17; Bokelmann EWiR 1995, 267. MünchKommHGB/Heidinger Rn 26; ebenso BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 13. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62; Binz/Sorg § 1 Rn 7 sowie ausführlich dazu in § 21; Schindhelm/Wilde GmbHR 1993, 411. 75 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; GKzHGB/Steitz Rn 26; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 9.
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schränkt) & Co. KG“76 oder „Stiftung & Co. KG“77.78 Das lässt sich zwar heute nicht mehr mit § 19 Abs. 2 a.F. begründen. Es ist jedoch ein Gebot der Firmenwahrheit, dass die Gesellschaft in solchen Fällen nicht als „GmbH & Co. KG“ firmiert. Deswegen ist bei einer Stiftung als Komplementärin wegen der Vielfältigkeit der Stiftungsformen (s. § 18 Rn 74) sogar daran zu denken, die Bezeichnung noch zu konkretisieren (also insbes. „Stiftung bürgerlichen Rechts & Co. KG“), s. auch Rn 33 (künftig § 82c BGB n.F.). Ist neben einer GmbH eine andere beschränkt haftende juristische Personen als Komplementärin an einer KG beteiligt, also etwa eine AG, dann besteht Wahlfreiheit,79 ob die KG als „GmbH & Co. KG“ oder als „AG & Co. KG“ firmiert.80 Handelt es sich bei der Komplementärin um eine Vor-GmbH, so ist mit „GmbH i.G. & Co. 19 KG“ zu firmieren. Mit der Eintragung der GmbH in das Handelsregister entfällt der Zusatz „i.G.“.81 S. ferner § 21 Rn 14 ff. Zweifelhaft ist, wie zu verfahren ist, wenn ein ausländischer Rechtsträger mit be- 20 schränkter Haftung einziger Komplementär der KG ist. Eine solche Beteiligung ist nach deutschem Recht82 grundsätzlich zulässig,83 wenngleich in solchen Fällen zu den Rechtsproblemen, die mit der Typenvermischung verbunden sind, die Rechtsprobleme hinzutreten, die aus einer Statutenvermischung resultieren.84 Im Blick auf Abs. 2 kommen vier Möglichkeiten einer Firmierung in Betracht: Erstens könnte man wie in Rn 18 beschrieben verfahren, so dass der Zusatz bspw. lautet 21 „Ltd. & Co. KG“.85 Das war früher wegen § 19 Abs. 2 a.F. zwingend86 und hat auch heute noch auf den ersten Blick den Vorteil von Genauigkeit. Verwechselungen können sich indes dadurch ergeben, dass manche Rechtsformen in verschiedenen Jurisdiktionen gleich bezeichnet oder zumindest gleich abgekürzt werden, sich aber inhaltlich mehr oder weniger stark unterscheiden. Das betrifft nicht nur die deutsche, österreichische, schweizerische und liechtensteinische AG und GmbH, sondern etwa auch die S.A., die es als eine der Aktiengesellschaft vergleichbare 76 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; GKzHGB/Steitz Rn 26; KG – 1 W 244/09, NZG 2009, 1159; Wachter NZG 2009, 1263, zugl. Besprechung v. KG – 1 W 244/09, NZG 2009, 1159. 77 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62; Heymann/Förster HGB Rn 14; zu Unrecht zweifelnd GKzHGB/Steitz Rn 28. 78 Eingehend zu GmbH & Co. KG mit Komplementären anderer Rechtsformen Binz/Sorg §§ 21–23. 79 So auch Mehringer NZG 2017, 41 (44). 80 Zur Thematik von zwei oder mehr beschränkt haftenden Komplementären siehe Mehringer NZG 2017, 41 ff. 81 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62. 82 Im Einzelfall kann eine solche Beteiligung nach ausländischen Recht verboten sein, s. dazu Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; MünchKommHGB/Heidinger Rn 30 mwN. 83 BayObLGZ 1986, 61; 1986, 351; OLG Saarbrücken NJW 1990, 647; LG Stuttgart BB 1993, 1541; aus der Lit. Grothe Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co.“, 1989, 211 ff; Haidinger Die „ausländische Kapitalgesellschaft & Co.“, 94 ff, S. 174 ff; Schmid/Hermesdorf RIW 1990, 707 (715 ff); Kronke RIW 1990, 799 (804); Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 186; MünchKommHGB/Heidinger Rn. 30; Hopt/Roth § 105 Rn 28; Heymann/Förster Rn 15; Bokelmann Firmenrecht Rn 343 ff; ders. BB 1972, 1426; ders. DB 1990, 1021 ff; ders. ZGR 1994, 325 (337); ders. GmbHR 1994, 356 (358); ders. DStR 1991, 945 (950); Wachter GmbHR 2006, 79; Teichmann ZGR 2014, 220, 225 f. mwN; mit Einschränkungen Eidenmüller/Rehm § 4 Rn 51; Binz/Mayer GmbHR 2003, 249 (250); abl. MünchKommBGB/Kindler IntWirtschaftsR Rn 554. 84 Wegen eines solchen „Normenmix“ ablehnend Staudinger/Großfeld IntGesR 1998 Rn 536 ff; ders. IPRax 1986, 351 ff; ders. AG 1987, 261 (263); Großfeld/Strotmann IPRax 1990, 298; Ebenroth/Eyles DB 1988 Beilage 2/88; Ebenroth/ Auer DNotZ 1990, 139; Kaligin DB 1985, 1449; Ebke ZGR 1987, 245 (267 f). Diese Position dürfte im Blick auf EUAuslandsgesellschaften heute nicht mehr haltbar sein. Ebs. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; Wachter GmbHR 2006, 79; Teichmann ZGR 2014, 220 (225 f). 85 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; Hopt/Merkt Rn 27. 86 BayObLG NJW 1986, 3029 f (3032). Die Entscheidung befasst sich im Wesentlichen mit der Frage, ob eine ausländische Gesellschaft, hier konkret eine englische „plc“, Komplementär einer inländischen KG sein kann, was sie bejaht. Die Bezeichnung „& Co. KG“ ergibt sich dann von selbst aus §§ 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 HGB a.F. Ebenso OLG Saarbrücken NJW 1990, 647 für den Fall der Beteiligung einer schweizerischen AG. 111
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1. Buch. Handelsstand
Rechtsform in mehr als 10 europäischen und außereuropäischen Ländern gibt. Zur Klarstellung eine Länderbezeichnung oder einen Länderkürzel zu verlangen, wäre zwar wünschenswert,87 ist aber bei Gesellschaften aus dem EU-Ausland europarechtlich problematisch (Vor § 17 Rn 61)88 und vorliegend auch nicht erforderlich, da es nach Abs. 2 nur auf die Kennzeichnung der Haftungsbeschränkung ankommt. Allerdings wird bei einer „godo kaisha & Co. KG“ (abgekürzt „G.K. & Co. KG“)89 oder eine „Spoločnost’ s ručením obmedzeným & Co. KG“ (abgekürzt „s.r.o. & Co. KG“)90 die Haftungsbeschränkung für den Verkehr nicht ausreichend deutlich.91 Manche Autoren empfehlen daher – zweitens – bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft 22 als alleiniger Komplementärin ebenfalls schlicht mit „GmbH & Co. KG“ zu firmieren.92 Die Bezeichnung „GmbH & Co. KG“ wird von diesen Autoren mithin als Gattungsbegriff für jedwede unter Abs. 2 fallende Konstruktion (s. auch Rn 17) verwendet. Für einen solchen Gebrauch ist die Bezeichnung indes zu konkret. Wer „GmbH & Co. KG“ hört, der denkt nicht daran, dass eine andere Rechtsform als eine deutsche GmbH Komplementärin der KG sein könnte und hat bei dieser Firmierung auch keinen Anlass, sich näher zu erkundigen. Im Blick hierauf geeigneter ist deshalb die dritte Möglichkeit einer Firmierung als „ausländi23 sche Kapitalgesellschaft & Co. KG“ oder „Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts & Co. KG“ oder noch besser und allgemeiner: „Gesellschaft mit Haftungsbeschränkung ausländischen Rechts & Co. KG“. Eine solche Firmierung entspricht dem Grundsatz der Firmenwahrheit, erfüllt wohl die von Abs. 2 intendierte Warnfunktion und veranlasst den Interessierten, im Handelsregister nachzusehen, um was für einen Rechtsträger es sich genau handelt. Der Vorschlag ist indes europarechtlich ebenso bedenklich wie die Einführung von Länderkennzeichnungen (s. Vor § 17 Rn 61). Vorzugswürdig ist deshalb die vierte Möglichkeit einer Firmierung als „Kommanditgesell24 schaft mit beschränkter Haftung“.93
V. Andere Zusätze, insbes. „Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung“ 25 § 19a Abs. 2 des Regierungsentwurfs zur GmbH-Novelle von 197794 sah vor, dass eine Kommanditgesellschaft mit allseitiger Haftungsbeschränkung mit dem Zusatz „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“ firmieren musste. Dieser Vorschlag hatte den Vorzug, eine einfache und klare Lösung für alle Fälle, insbes. auch die Zweifelsfälle (s. Rn 17, 20 ff) anzubieten. Er wurde nur deswegen nicht Gesetz, um die Gesellschaften nicht erneut zu einer Änderung ihrer Firma zu zwingen (Rn 12). Eine solche Konsequenz steht heute nicht zu befürchten. Vielmehr verlangt Abs. 2 lediglich „eine Bezeichnung …, welche die Haftungsbeschränkung kennzeichnet“. Anders als in Abs. 1 Nr. 1 macht das Gesetz dabei keine Vorschläge, wie eine solche Kennzeichnung erfolgen könnte. Die Begründung des Regierungsentwurfs zum Handelsrechtsreformgesetz geht von der Bezeichnung als „GmbH & Co. KG“ aus, ohne diese Bezeichnung jedoch als einzig zulässige zu beschreiben oder die Frage zulässiger anderweitiger Bezeichnungen überhaupt anzusprechen. Im Blick auf die Bezeichnung „GmbH & Co. KG“ wird lediglich vermerkt, dass die
87 GKzHGB/Steitz Rn 29; weitergehend – Zusatz erforderlich – bereits OLG Saarbrücken NJW 1990, 647. 88 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 33; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer Rn 21; GKzHGB/Steitz Rn 29; Teichmann ZGR 2014, 220, 236. 89 Godo kaisha ist die 2006 eingeführte japanische Version der US-amerikanischen limited liability company. 90 Spoločnost’ s ručením obmedzeným ist eine slowakische Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung. 91 I.E. ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 68; GKzHGB/Steitz Rn 29; aA Hopt/Merkt Rn 42 mwN. 92 MünchKommHGB/Heidinger Rn 31; ablehnend etwa Teichmann ZGR 2014, 220, 238 f. 93 I.E. ebenso GKzHGB/Steitz Rn 29; Teichmann ZGR 2014, 220, 239; aA Hopt/Merkt Rn 27: „nur als zusätzlicher Hinweis erlaubt“; unentschieden MünchKommHGB/Heidinger Rn 31: „überdenkenswert, ob der Zusatz […] vorzuziehen ist“. 94 BT-Drucks. 8/1347. Burgard
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bisherige Rechtsprechung über die Reihenfolge und Formulierung der Firmenbestandteile weiterhin zu beachten sei.95 Das schließt nicht aus, andere Kennzeichnungen für die allseitige Haftungsbeschränkung einzuführen. Zwar ist für den typischen Fall im Interesse bestmöglicher Information an der Bezeichnung „GmbH & Co. KG“ festzuhalten.96 Es gibt jedoch auch Fälle, in denen eine Bezeichnung als „GmbH & Co. KG“ irreführend wäre und auch andere Lösungsmöglichkeiten auf Bedenken stoßen (Rn 17, 20 ff). In diesen Fällen kommt eine Bezeichnung als „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“ in Betracht.97 Diese Bezeichnung hat allerdings den Nachteil, dass man sie so verstehen könnte, als ob die KG selbst nur beschränkt haften würde.98 Vorzugswürdig ist daher die Firmierung „Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung“,99 oder „Kommanditgesellschaft haftungsbeschränkt“. Denkbar ist auch „Kommanditgesellschaft mbH“ oder „KG mit beschränkter Haftung“. Zwar mag dem Verkehr bisher noch wenig bekannt sein, was unter diesen Bezeichnungen zu verstehen ist. Allein deswegen verstoßen sie jedoch nicht gegen § 18 Abs. 2, andernfalls wäre trotz des offenen Wortlauts von Abs. 2, der größeren Spielraum für die Firmenwahl lässt,100 jede neue Entwicklung gehemmt.101 Vielmehr muss die Firmierung lediglich der Informationsfunktion des Abs. 1 Nr. 3 und der Warnfunktion des Abs. 2 gerecht werden. Beide Voraussetzungen erfüllen die vorgeschlagenen Firmierungen: Es wird deutlich, dass es sich um eine Kommanditgesellschaft handelt, und es wird deutlich, dass eine Haftungsbeschränkung besteht. Die Abkürzung „KG mbH“ ist jedoch (derzeit noch) zu vermeiden.102 Zwar besteht wohl 26 keine Verwechselungsgefahr mit der GmbH, weil deren Rechtsformzusatz seit über 100 Jahren103 eingeführt und dem Verkehr daher so gut bekannt ist, dass jede Abweichung hiervon sogleich auffällt. Kaum jemand wird daher eine „KG mbH“ für eine schlichte GmbH halten. Auch erfüllt der Zusatz „KG mbH“ die von Abs. 2 intendierte Warnfunktion, weil der Verkehr die Abkürzung „mbH“ zweifellos richtig analog zur GmbH als Hinweis auf eine Haftungsbeschränkung der Gesellschafter versteht. Fraglich ist jedoch, ob der Zusatz „KG mbH“ die Informationsfunktion des Abs. 1 Nr. 3 erfüllt, ob also allgemein verstanden wird, dass diese Abkürzung für eine Kommanditgesellschaft steht. Die Frage ist derzeit wohl zu verneinen, könnte aber in Zukunft zu bejahen sein, wenn sich die ganz oder teilweise ausgeschriebene Version dieser Firmierung größerer Verbreitung als bisher erfreut. Fazit: Bei einer typischen „GmbH & Co. KG“ sollte dieser eingeführte Zusatz verwendet 27 werden.104 Tritt an die Stelle der GmbH eine andere deutsche Rechtsform ist deren Rechtsform zu bezeichnen. In allen anderen Fällen (Rn 17, 20 ff) sind wahlweise die Bezeichnungen „Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung“, „Kommanditgesellschaft haftungsbeschränkt“, „Kommanditgesellschaft mbH“, „KG mit beschränkter Haftung“ oder „KG haftungsbeschränkt“
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Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56. AA GKzHGB/Steitz Rn 21. Dafür auch Rechtsausschuss zu § 19 Abs. 5 a.F., BT-Drucks 8/3908, 78. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20 a.E. Zurückhaltender (zumindest gegenwärtig noch) Oetker/Schlingloff Rn 13 mit dem Hinweis, die Auffassung der Verkehrskreise zu dieser Formulierung zu beobachten; ebs. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20. 100 GKzHGB/Steitz Rn 20. 101 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20. 102 OLG Hamm NJW-RR 1987, 990 („oHG mbH“ unzulässig); BayObLGZ 1998, 226 ff; OLG München NJW-RR 1998, 1728 („GbRmbH“ unzulässig, dazu § 17 Rn 22); aus der Lit. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20; GKzHGB/Steitz Rn 21, 25; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hopt/Merkt Rn 28. 103 BGHZ 62, 230 mit Hinweis auf eine Entscheidung des KG vom 12.6.1908 (KGJ 36 A S. 127 ff). In jenem Beschluss ging das KG bereits zur damaligen Zeit von einem bei Publikum, Behörden und Gerichten eingebürgerten Rechtsformzusatz, auch unter Verwendung der Abkürzung „mbH“, aus. 104 H.M. GKzHGB/Steitz Rn 22; MünchKommHGB/Heidinger Rn 19; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hopt/ Merkt Rn 33; BeckOK HGB/Bömeke Rn 10; Bokelmann GmbHR 1998, 57 (58 f). 113
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1. Buch. Handelsstand
vorzuziehen.105 Die Abkürzung „KG mbH“ ist dagegen derzeit noch problematisch. Zur GbR mit beschränkt haftenden Gesellschaftern, s. § 17 Rn. 22a.
VI. OHG 28 Haftet bei einer OHG keine natürliche Person für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich, gelten vorstehende Grundsätze (Rn 11 ff) entsprechend.
F. Übergangsvorschriften für Altfirmen 29 In der Fassung des Handelsrechtsreformgesetzes lautete Art. 38 EGHGB wie folgt: (1) Die vor dem 1. Juli 1998 im Handelsregister eingetragenen Firmen dürfen bis zum 31. März 2003 weitergeführt werden, soweit sie nach den bisherigen Vorschriften geführt werden durften. (2) Hat die Änderung der Firma eines Einzelkaufmanns oder einer Personenhandelsgesellschaft ausschließlich die Aufnahme der nach § 19 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs in der ab dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung vorgeschriebenen Bezeichnung zum Gegenstand, bedarf diese Änderung nicht der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister. (3) Ein Unternehmen, das auf Grund des § 36 des Handelsgesetzbuchs in der vor dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden brauchte, ist bis zum 31. März 2000 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Für die erste Eintragung eines solchen Unternehmens und seiner Zweigniederlassungen werden Gebühren nicht erhoben.
Diese Vorschrift wurde durch Art. 209 Abs. 6 Nr. 1 des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz (BMJBerG 1) vom 19.4.2006106 mit Wirkung zum 25.4.2006 insgesamt als entbehrlich aufgehoben, obwohl der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen hatte, dass Art. 38 Abs. 2 nach wie vor von Bedeutung sei107.108 Die Vorschrift bewirkte, dass Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften nach dem 31.3.2003 zwar den jeweiligen Rechtsformzusatz in die Firma aufnehmen und die so aktualisierte Firma im Geschäftsverkehr führen, allein diese Änderung aber nicht zur Eintragung in das Handelsregister anmelden mussten.109 Diese Erleichterung diente der Entlastung der Betroffenen und der Registergerichte.110 Sie wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses ohne weitere Begründung111 durch Art. 5 und 12 des Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVRG) vom 23.11.2007112 rückwirkend zum 25.4.2006 als Art. 38 EGHGB wieder eingeführt. Einzelkaufleute und Personengesellschaften sind also erneut nicht mehr gezwungen, allein deswegen eine Änderung ihrer Altfirma zum Handelsregister anzumelden, weil sie den
105 Abschlussbericht des Rechtsausschusses (zur GmbH-Reform) BT-Drucks. 8/3908, 78; OLG Hamm WM 1987, 753 (754) für eine „beschränkt haftende OHG“ mit zust. Anm. Wessel EWiR 1987, 693 (694); Wessel/Zwernemann/Kögel Rdn 325; Binz/Sorg § 11 Rn 23; GKzHGB/Steitz Rn 29; BeckOK HGB/Bömeke Rn 12; zurückhaltender Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20: Geringere Bedenken gegenüber der Bezeichnung „beschränkt haftende Kommanditgesellschaft“; MünchKommHGB/Heidinger Rn 19: kann zumindest für zulässig angesehen werden. 106 BGBl. I, S. 866. 107 BT-Drucks. 16/47, 106 f. 108 Näher zu Art 38 EGHGB und seiner Aufhebung GKzHGB/Steitz Rn 34. 109 Kritisch zu dieser Vorschrift MünchKommHGB/Heidinger Rn 48. 110 BT-Drucks. 13/8444, 70. 111 S. BT-Drucks. 16/5862, 72, 101. 112 BGBl. I, S. 2631. Burgard
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(spätestens seit dem 1.4.2003) nach § 19 Abs. 1 zu führenden Rechtsformzusatz der Altfirma hinzugefügt haben.
G. Rechtsformzusätze bei sonstigen Rechtsträgern I. Gesetzlich geregelte Rechtsformzusätze abseits des § 19 Für die Kapitalgesellschaften hat sich durch die Handelsrechtsreform wenig verändert, s. § 4 30 GmbHG, §§ 4, 279 Abs. 1 AktG. Klargestellt wurde nur, dass statt den Bezeichnungen „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, „Aktiengesellschaft“ bzw. „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ auch eine allgemein verständliche Abkürzung, also insbes. „GmbH“, „AG“ und „KGaA“ gewählt werden kann. Die Bezeichnung als „Aktienbrauerei“ reicht allerdings nicht aus.113 Darüber hinaus enthält § 279 Abs. 2 AktG eine § 19 Abs. 2 entsprechende Regelung. Ist eine GmbH einzige persönlich haftende Gesellschafterin, ist hier die Firmierung als „GmbH & Co. KGaA“ üblich. Für die Vorgesellschaft hat sich die Verwendung der zukünftigen Firma einschließlich des künftigen Rechtsformzusatzes mit der klarstellenden Anfügung „in Gründung“, „i.Gr.“ oder „i.G.“ allgemein durchgesetzt, so dass die vollständige Firma einer Vor-GmbH beispielsweise „Friedrich Müller GmbH i.G.“ lautet.114 Die durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)115 zum 1.11.2008 als Unterform der GmbH eingeführte Unternehmergesellschaft darf nicht den Zusatz „Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ oder „GmbH“ führen, sondern hat sich gem. § 5a Abs. 1 GmbHG n.F. als „Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)“ oder „UG (haftungsbeschränkt)“ zu bezeichnen.116 Die SE muss gem. Art. 11 Abs. 1 SE-VO ihrer Firma den Zusatz „SE“ voran- oder nachstellen. Verfolgt eine Gesellschatf ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke i.S.d. §§ 51 ff. AO, kann sie in ihrer Firma das Wort „gemeinüztig“ verwenden. Statt dessen kann sie ihrem Rechtsformzusatz auch den Buchstaben „g“ voranstellen, und zwar entsprechend § 4 S. 2 GmbHG auch ohne Leerzeichen oder mit Punkt, wenn dadurch die Allgemeinverständlichkeit des Rechtsformzusatzes nicht beeinträchtigt wird.117 „gAG“ ist daher unproblematisch, „ge.V.“ oder „g.e.V.“ dagegen nicht. Für die Firma einer Genossenschaft schreibt § 3 GenG den Rechtsformzusatz „eingetragene 31 Genossenschaft“ oder „eG“ vor. Die Europäische Genossenschaft hat gem. Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO den Zusatz „SCE“ voran- oder nachzustellen. Für den VVaG verlangt § 174 Abs. 2 S. 2 VAG „in der Firma oder in einem Zusatz auszudrücken, dass Versicherung auf Gegenseitigkeit betrieben wird“. Die deutsche EWIV hat nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG der Firma die Bezeichnung „Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung“ oder „EWIV“ voran- oder nachzustellen. Der Name einer Partnerschaft muss gem. § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG den Zusatz „und Partner“ oder „Partnerschaft“ enthalten. Und der Name eines (Ideal-)Vereins i.S.d. § 21 BGB erhält gem. § 65 BGB mit der Eintragung den – verpflichtend zu führenden – Zusatz „eingetragener Verein“, was auch als „e.V.“ abgekürzt werden darf.118 Künftig (ab 1.1.2024) kann sich eine BGB-Gesellschaft in das Gesellschaftsregister eintragen lassen und hat dann den Zusatz „Eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder „eGbR“ zu führen, §§ 707 Abs. 1, 707a Abs. 2 BGB i.d.F. des MoPeG. Ferner werden Stiftungen bürgerlichen Rechts in das Stiftungsregister eingetragen werden und haben dann den Namenszusatz „eingetragene Stiftung“ oder „e.S.“ bzw. „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e. VS.“ zu führen, § 82c BGB n.F (ab 1.1.2026).
113 114 115 116 117 118 115
Oetker Handelsrecht § 4 Rn 36. BGH NJW 1985, 736 (737); MünchKommHGB/Heidinger Rn. 36 mwN. BGBl. I, S. 2026. KG – 1 W 244/09, NZG 2009, 1159; Anm. Omlor/Spies GmbHR 2009, 1282; Wachter NZG 2009, 1263. BGH Beschluss vom 28.4.2020 – II ZB 13/19, npoR 2020, 313 m zust Anm Burgard zur gUG (haftungsbeschränkt). Staudinger/Habermann § 65 BGB Rn 1. Burgard
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II. Deutsche Rechtsträger ohne gesetzlich geregelte Rechtsformzusätze 32 Bei anderen Rechtsformen deutschen Rechts fehlen Vorschriften über Rechtsformzusätze. Das gilt insbes. für den wirtschaftlichen Verein i.S.d. § 22 BGB, den nicht eingetragenen Verein i.S.d. § 54 BGB, alle Arten von Stiftungen (Ausn. Rn 31 a.E.), die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (anders nach §§ 707 Abs. 1, 707a Abs. 2 BGB i.d.F. des MoPeG) sowie im allgemeinen für Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, soweit bei diesen keine spezialgesetzlichen Regelungen getroffen wurden. 33 Dieses Fehl wiegt dann nicht besonders schwer, wenn diese Rechtsträger kein Unternehmen betreiben. In den Fällen des § 33 ist hingegen wie folgt Abhilfe zu schaffen: Nachdem es sich bei den juristischen Personen in den Fällen des § 33 um Kaufleute i.S.d. §§ 1 oder 2 handelt, gelten für sie §§ 17 ff. Alle Kaufleute müssen nach deutschem Recht einen Rechtsformzusatz führen. Für juristische Personen i.S.d. § 33 ergibt sich dies auch aus dem Verweis des § 33 Abs. 4 auf § 37a (s. dort Abs. 1). Die Rechtsformzusätze des § 19 sind jedoch samt und sonders ungeeignet. Das gilt entgegen einer verbreiteten Ansicht119 auch für die Bezeichnung „eingetragener Kaufmann“ oder eine allgemeinverständliche Abkürzung davon (§ 19 Abs. 1 Nr. 1), weil dieser Rechtsformzusatz vom Verkehr als Hinweis auf eine unbeschränkt haftende natürliche Person verstanden und in den Fällen des § 33 daher irreführend sein würde.120 Dieser irreführende Eindruck kann auch nicht ohne weiteres dadurch beseitigt werden, dass ein weiterer, die Rechtsform des Unternehmensträgers klarstellender Zusatz angefügt wird (also bspw. „XY Automobilclub eingetragener Verein, eingetragener Kaufmann“ oder „Stiftung Marienhospital eingetragener Kaufmann“), weil diese Doppelung der Rechtsformzusätze ebenfalls Verwirrung schafft. In entsprechender Anwendung des § 19 (vgl. § 33 Abs. 4 i.V.m. § 37a Abs. 1) und seiner gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen (Rn 30 f) ist daher in den Fällen des § 33 zu fordern, dass der Unternehmensträger seine Rechtsform in der Firma so genau wie möglich bezeichnet, also z.B. als „XY Automobilclub eingetragener Verein“ oder als „Marienhospital rechtsfähige Stiftung des Kirchenrechts“ firmiert. Zwar wird dann nicht schon aus der Firma deutlich, dass es sich um Kaufleute handelt. Das ergibt sich jedoch aus der nach § 37a erforderlichen Angabe des Registergerichts und der Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist. Außerdem ist die Information, es mit einem Kaufmann i.S.d. Handelsrechts zu tun zu haben, in den Fällen des § 33 weniger bedeutsam als die Information, dass eine juristische Person Unternehmensträger ist (eingehend zum Problem der Firmierung von juristischen Personen i.S.d. § 33 dort Rn 21 ff). 34 Betreibt ein nicht eingetragener Verein i.S.d. § 54 BGB im Rahmen des sog. Nebenzweckprivilegs ein Handelsgewerbe (z.B. Gewerkschaften), so ist er als juristische Person i.S.d. § 33 anzusehen und hat entsprechend den vorstehenden Grundsätzen mit dem Rechtsformzusatz „nicht eingetragener Verein“ zu firmieren, näher § 33 Rn 10, 26. Überschreitet er die Grenzen des sog. Nebenzweckprivilegs, so ist er kraft Rechtsformzwangs OHG oder KG121 mit der Folge, dass sich die Anmeldepflicht nach den für diese Rechtsformen geltenden Vorschriften (Rn 9 f) richtet. Die unternehmenstragende GbR muss nur in den Fällen des § 11 Abs. 1 S. 3 PartGG auf 35 ihre Rechtsform hinweisen. Ansonsten kann sie eine Minderfirma und auch einen Rechtsformzusatz führen (dazu § 17 Rn 21), muss dies aber nicht tun. Eine analoge Anwendung des § 19 Abs. 1 kommt in diesem Fall nicht in Betracht, weil die GbR kein Kaufmann ist. Künftig gelten die §§ 707 Abs. 1, 707 Abs. 2 BGB i.d.F. des MoPeG. Die Erbengemeinschaft kann dagegen Kaufmann sein. Gewichtige Stimmen wollen daher 36 § 19 Abs. 1 analog anwenden, allerdings mit unterschiedlichen Ergebnissen: Heidinger befürwor119 MünchKommHGB/Heidinger Rn 44; Hopt/Merkt Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3a; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 33 Rn 6 mit Fn 2; W.-H. Roth FS Lutter, 651 f. 120 Insoweit zutr. MünchKommHGB/Krafka § 33 Rn 12; gegen die Verwendung des Zusatzes „e. K.“ ebenfalls BeckOK HGB/Bömeke Rn 17, § 33 Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 33 Rn 7. 121 K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 25 I 2 b mwN. Burgard
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tet den Zusatz „e.K.“,122 Karsten Schmidt den Zusatz „Erbengemeinschaft“123 und Reuschle den Zusatz „eingetragene Erbengemeinschaft“.124 Stellungnahme: Der bloße Zusatz „e.K.“ ist irreführend, weswegen auch Heidinger zumindest in manchen Fällen den weiteren Zusatz „Erbengemeinschaft“ angefügt wissen will.125 Der Zusatz „e.K. in Erbengemeinschaft“ ist jedoch eine verwirrende Doppelung der Rechtsformzusätze und macht nicht deutlich, dass nunmehr die Erbengemeinschaft und nicht der verstorbene Einzelkaufmann eingetragen ist. Der alleinige Zusatz „Erbengemeinschaft“ verdeutlicht dagegen nicht, dass die Firma einen kaufmännischen Unternehmensträger bezeichnet.126 Vorzugswürdig ist daher der Zusatz „in eingetragener Erbengemeinschaft“. Näher zu den möglichen Gestaltungen § 22 Rn 92. Folgt man mit der hier vertretenen Auffassung der sog. echten Testamentsvollstreckerlö- 37 sung (s. dazu § 27 Rn 76 ff), so führt dies zu einer auf den Nachlass beschränkten Haftung für Neuverbindlichkeiten. Hierauf ist durch einen entsprechenden Zusatz aufmerksam zu machen.127 Dieser sollte bei einem Alleinerben lauten: „e.K. unter Testamentsvollstreckung“, bei einer Erbengemeinschaft „in eingetragener Erbengemeinschaft unter Testamentsvollstreckung“. Zu möglichen Gestaltungen näher § 22 Rn 93. Folgt man hingegen der sog. Vollmachts- oder der sog. Treuhandlösung, bedarf es keines Hinweises auf die Testamentsvollstreckung.
III. Ausländische Rechtsträger Zur Frage des Rechtsformzusatzes bei ausländischen Rechtsträgern, insbes. zum Problem der 38 Herkunftslandangabe, wird auf Vor § 17 Rn 61 verwiesen.
H. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 19 Wer gegen die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes verstößt, gebraucht eine ihm nicht 39 zustehende Firma, so dass § 37 eingreift (näher dort). Auch kann § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG eingreifen. Daneben sind entsprechend dem Sinn und Zweck von Rechtsformzusätzen Rechtsnachteile unter Rechtsscheingesichtspunkten zu besorgen.128 Rechtsformzusätze bezwecken zum einen die Transparenz der Rechtsform des Unterneh- 40 mensträgers und (dadurch) der Haftungsverhältnisse. Sie dienen damit zugleich der Gläubigerinformation. Namentlich § 19 Abs. 2 hat darüber hinaus Warnfunktion (s.o. Rn 5). Dementsprechend kommt eine persönliche Rechtsscheinhaftung in Betracht, wenn ein Hinweis auf die Haftungsbeschränkung unterbleibt und damit dem Gesetz zuwider der Anschein erweckt wird, dem Geschäftspartner hafte zumindest eine natürliche Person mit ihrem Privatvermögen. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Haftungsbeschränkung aus dem Handelsregister ersehen lässt, weil sie sich von Gesetzes wegen bereits aus der Firmierung ergeben soll. Die Haftung trifft nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Angestellte der Gesellschaft, die mit der Firma ohne einen Abs. 2 genügenden Zusatz zeichnen und dadurch das berechtigte Vertrauen des Geschäftspartners auf die Haftung mindestens einer natürlichen Person hervorgerufen haben. Wer diese Rechtsscheinhaftung nicht gegen sich gelten lassen will, muss darlegen und beweisen, dass entweder der Geschäftspartner die Haftungsbeschränkung trotz der unzureichenden Firmierung 122 123 124 125 126 127 128
MünchKommHGB/Heidinger Rn 43. Vgl. K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2168); ders. JZ 2003, 585 (592). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 22 Rn 61. MünchKommHGB/Heidinger Rn 43. Vgl. BT-Drucks. 13/8444, 54. Canaris Handelsrecht § 9 Rn 38. BGHZ 71, 354 (356); BGH NJW 1991, 2627 m. Anm Canaris NJW 1991, 2628 f.; BGH, Urteil vom 5.2.2007 – II ZR 84/05, NJW 2007, 1529 mwN. 117
Burgard
§ 19
1. Buch. Handelsstand
kannte oder kennen musste oder dass die Haftungsbeschränkung für den Geschäftspartner im konkreten Einzelfall keine Rolle gespielt hat.129 41 Zum anderen dient die Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes der klaren Unterscheidung zwischen Firmen i.S.d. Handelsrechts einerseits sowie Geschäftsbezeichnungen und Minderfirmen andererseits (Rn 5, § 17 Rn 20). Durch Weglassen des gebotenen Rechtsformzusatzes kann daher der Anschein erweckt werden, es mit einem Nichtkaufmann zu tun zu haben („Schein-Nichtkaufmann“). Wer einen solchen Anschein erweckt, kann sich daher gem. § 242 BGB dann nicht auf seine Kaufmannseigenschaft berufen, wenn dies für ihn günstig wäre (z.B. als Verkäufer auf die Genehmigungsfiktion des § 377 Abs. 2), sofern der andere auf den Anschein vertraut hat.130
129 BGHZ 64, 11; 71, 354; BGH NJW 1991, 2627 m. Anm Canaris; BGH BB 2012, 2784 m. Anm Wachter; aus der Lit. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 15; BeckOK HGB/Bömeke Rn 19.
130 Oetker Handelsrecht § 4 Rn 31. Burgard
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§ 20 (aufgehoben) Die Firma einer Aktiengesellschaft sowie die Firma einer Kommanditgesellschaft auf Aktien ist in der Regel von dem Gegenstand des Unternehmens zu entlehnen, die erstere Firma hat außerdem die Bezeichnung „Aktiengesellschaft“, die letztere Firma die Bezeichnung „Kommanditgesellschaft auf Aktien“ zu enthalten.
Schrifttum Heinrich Bezeichnung „Aktiengesellschaft“ nun auch für die alten Firmen aus der Zeit vor 1900, BB 1979, 1480.
Im Zuge der Aktienrechtsreform 1937 ist das Aktienrecht aus dem HGB ausgegliedert worden. 1 Die Aufhebung des § 20 erfolgte mit Wirkung zum 1.1.1937 durch § 18 Abs. 1 EGAktG vom 30.1.1937 (RGBl. I 166). An seine Stelle sind für die AG § 4 AktG und für die KGaA § 279 AktG getreten. Dadurch hatte sich allerdings in der Sache nichts geändert. Erst infolge der Handelsrechtsreform ist der Zwang zur Wahl einer Sachfirma entfallen. Nunmehr können nicht nur Personfirmen ohne Vorliegen besonderer Gründe, sondern auch Phantasie- und Mischfirmen gewählt werden (s. Vor § 17 Rn 27). Nach Art. 22 EGHGB durften die AG und die KGaA eine alte Firma, die vor dem 1.1.1900 2 in das Handelsregister eingetragen wurde, auch dann weiterführen, wenn sie den Anforderungen des ehemaligen § 20 HGB nicht entsprach; ausgenommen war die Personenfirma ohne Rechtsformzusatz. Die Vorschrift lautet: Art. 22. Die zur Zeit des Inkrafttretens des Handelsgesetzbuches im Handelsregister eingetragenen Firmen können weitergeführt werden, soweit sie nach den bisherigen Vorschriften geführt werden durften. Die Vorschriften des § 20 des Handelsgesetzbuches über die in die Firma der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien aufzunehmenden Bezeichnungen finden jedoch auf die bei Inkrafttreten des Handelsgesetzbuches für eine solche Gesellschaft in das Handelsregister eingetragene Firma Anwendung, wenn die Firma aus Personennamen zusammengesetzt ist und nicht erkennen läßt, daß eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien die Inhaberin ist.
Aufgrund der Liberalisierung des Firmenrechts (s.o. Rn 1) dürfte die Vorschrift heute keine 3 praktische Bedeutung mehr haben.1 Eine Rechtsänderung hat die Durchführung der sog. Kapitalschutzrichtlinie gebracht. 4 Gem. § 26a EGAktG, der auf das Gesetz zur Durchführung der Zweiten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts vom 13.12.1978 (BGBl. I 1959) zurückgeht, mussten Gesellschaften, die keinen Rechtsformzusatz oder einen anderen Zusatz als „Aktiengesellschaft“ in ihrer Firma führten (namentlich: „Aktienverein“), bis zum 16.6.1980 ihrer Firma den Rechtsformzusatz beifügen bzw. den bisherigen Zusatz ändern;2 für die KGaA gilt die Vorschrift gem. § 26 EGAktG sinngemäß. Sofern die Satzung nicht bis zum Stichtag geändert und die Änderung zum Handelsregister angemeldet wurde, ist ihre Bestimmung über die Firma nichtig (§§ 23 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 5, 281 Abs. 1 AktG). Das Registergericht musste deshalb nach § 397 FamFG (= § 144a FGG a.F.) einschreiten.
1 Hüffer/Koch AktG § 4 Rn 23. 2 Heinrich BB 1979, 1480; Hüffer NJW 1979, 1065 (1070). 119 https://doi.org/10.1515/9783111097510-005
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§ 21 Wird ohne eine Änderung der Person der in der Firma enthaltene Name des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters geändert, so kann die bisherige Firma fortgeführt werden.
Schrifttum Brause Firma eines Einzelkaufmanns und neues Familiennamensrecht, DB 1978, 478; Diederichsen Der Ehe- und Familienname nach dem 1. EheRG, NJW 1976, 1169; ders. Die Neuordnung des Familiennamensrechts, NJW 1994, 1089; ders. Die Reform des Kindschafts- und Beistandsrechts, NJW 1998, 1977; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Loos Namensänderungsgesetz, 2. Aufl. 1996; Raschauer Namensrecht, 1978; Schrom Die abgeleitete Firma (§§ 21– 24 HGB), DB 1964 Beilage 15, Heft 34; Vollmer Die originäre und die abgeleitete Firma, JA 1984, 33; Wagenitz Grundlinien des neuen Familiennamensrechts, FamRZ 1994, 409; Wagenitz/Bornhofen Familiennamensrechtsgesetz, 1994. S. ferner das Schrifttum zu §§ 22–24.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck und -bedeutung
IV.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen, insbes. Erfordernis bisheri8 ger Firmenführung
C.
Rechtsfolgen
D.
Einzelfragen zur Vorgesellschaft
1 12
2 14
3
5
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 § 21 gestattet eine bestehende Firma fortzuführen, wenn sich der in der Firma enthaltene Name des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters geändert hat, ohne dass diese Änderung auf einem Wechsel der betreffenden Person beruht. Eine Pflicht zur unveränderten Firmenfortführung begründet die Vorschrift dagegen nicht.
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Vorschrift, die weder im ADHGB noch im Regierungsentwurf zum HGB enthalten war, beseitigte ein rechtspolitisches Defizit gegenüber §§ 22, 24, da kein Grund ersichtlich ist, warum hier keine Firmenfortführung gestattet sein soll, wenn sie dort erlaubt ist.1 Geändert wurde die Vorschrift seit dem Erlass des HGB erstmals durch die Handelsrechtsreform. Die Worte „der Name des Geschäftsinhabers oder der in der Firma enthaltene Name eines Gesellschafters“ wurden durch die Worte „der in der Firma enthaltene Name des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters“ ersetzt. Dabei handelt es sich nach der Begründung des Regierungsentwurfs um eine Folgeänderung zum neuen Firmenbildungsrecht der §§ 18, 192 und nicht nur – wie man auf den
1 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1. 2 BT-Drucks. 13/8444, 56. Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-006
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§ 21
ersten Blick meinen könnte – um eine bloße redaktionelle Klarstellung,3 da infolge der Zulassung von Sach- und Phantasiefirmen auch für Einzelkaufleute keine zwingende Identität mehr zwischen der Firma und dem bürgerlichen Namen des Geschäftsinhabers besteht. Einen darüber hinausgehenden Inhalt hat die Änderung des Wortlauts der Vorschrift allerdings nicht. Insbes. ist der Normzweck gleich geblieben. Verändert haben sich aber die Bedeutung und der Anwendungsbereich der Norm.
III. Normzweck und -bedeutung § 21 enthält neben §§ 22 und 24 eine Ausprägung des Grundsatzes der Firmenbeständigkeit, 3 dem das Gesetz insoweit Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Firmenwahrheit einräumt.4 Damit soll es dem Unternehmer in den genannten Fällen ermöglicht werden, die eingeführte Firma und den mit ihr verbundenen, insbes. wettbewerblichen Wert weiter zu nutzen. Diesem Interesse des Unternehmers gibt das Gesetz insoweit den Vorzug vor dem Interesse des Rechtsverkehrs an einer wahrheitsgemäßen Information über den Unternehmensträger durch die Firma. Der Unternehmer kann seine Interessen freilich anders bewerten und die Firma jederzeit ändern. Eine Pflicht zur unveränderten Firmenfortführung besteht nicht (Rn 1). Allerdings hat der Grundsatz der Firmenwahrheit infolge der Handelsrechtsreform stark an 4 Bedeutung verloren (Vor § 17 Rn 28 ff). Während § 21 vor der Handelsrechtsreform eine echte Ausnahme gegenüber den Grundregeln der Firmenbildung darstellte und daher eine Namensänderung ohne § 21 eine Firmenänderung nach §§ 18, 19 a.F. erfordert hätte, könnte heute die Firma auch ohne die Regelung des § 21 regelmäßig fortgeführt werden, weil auch eine Firmenneubildung unter Verwendung des alten Namens des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters grundsätzlich zulässig ist (vgl. § 18 Rn 56, 59).5 Eine Grenze hierfür zieht allein das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2, über die § 21 hinweghilft. Die Bedeutung der Vorschrift hat sich damit auf Fälle reduziert, in denen bei einer Namensänderung eine Firmenfortführung an dem Irreführungsverbot scheitern würde – was nur ausnahmsweise denkbar ist.
IV. Anwendungsbereich Dieser geschrumpften Bedeutung steht allerdings ein vergrößerter Anwendungsbereich gegen- 5 über. § 21 gilt nicht nur für die Firma des Einzelkaufmanns, der OHG, KG und GmbH, sondern, weil die Wahl einer Personenfirma liberalisiert wurde, nunmehr auch ohne Einschränkung für die AG und die KGaA (§§ 4, 279 AktG) sowie die Genossenschaft (§ 3 GenG), die Europäische Genossenschaft (Art. 8 Abs. 1 lit. c) ii), 10 Abs. 1 S. 2 SCE-VO6), die Europäische Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1, 11 SE-VO, § 3 SEAG), die deutsche EWIV (§§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG), den VVaG (§§ 172, 210 VAG) und die Partnerschaftsgesellschaft (§ 2 Abs. 2 PartGG);7 künftig zudem für die eingetragene GbR, § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG. Wurde die Firma unter Verwendung des Namens einer natürlichen Person gebildet, kom- 6 men vielerlei Gründe für die Namensänderung in Betracht: Hauptfälle sind die Änderung des Familiennamens bei Eheschließung (§ 1355 Abs. 1 bis 4 BGB), Tod des Ehegatten und Schei3 So BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 13. 4 BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 5; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 1. Manche Autoren (so etwa Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 2) betonen, § 21 würde anders als §§ 22, 24 den Grundsatz der Firmenwahrheit nicht durchbrechen, sondern nur zurückdrängen, weil der Unternehmensträger derselbe bleibt. 5 Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 4. 6 VO (EG) Nr. 1435/2003 DES RATES v. 22.7.2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE), ABl. L 207/1 v. 18.8.2003, 1–24. 7 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3. 121
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1. Buch. Handelsstand
dung (§ 1355 Abs. 5 BGB). Entsprechende Regelungen trifft § 3 LPartG für die Annahme und Aufgabe des Lebenspartnerschaftsnamens. Ferner kann sich der Familienname durch Adoption (§ 1757 BGB) und deren Aufhebung (§ 1765 BGB) sowie in den in §§ 1617a–1618 BGB genannten Fällen ändern. Auch eine Änderung des Vornamens ist bei Adoption (§ 1757 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB) – nicht aber bei deren Aufhebung – sowie aufgrund des Transsexuellengesetzes vom 10.9.1980 (BGBl. I 1654) möglich. Schließlich kann ein Verfahren nach dem NamensänderungsG vom 5.1.1938 (RGBl. I 9) sowie nach dem Minderheiten-Namensänderungsgesetz vom 22.7.1997 (BGBl. II 1406) durchgeführt werden. 7 Der Anwendungsbereich von § 21 ist freilich nicht auf den Namen natürlicher Personen als Namensgeber beschränkt. Vielmehr gilt § 21 auch für Namen von Gesellschaften, Stiftungen und anderen namensfähigen Rechtsträgern, die an anderen Gesellschaften beteiligt sind8 und diesen ihren Namen geben, und zwar auch dann, wenn es sich um Sach- oder Phantasiefirmen handelt.9 Weil § 21 nur von einer Änderung des Namens und nicht auch der Firma spricht, mag es zwar so scheinen, als ob die Bestimmung nur die firmenrechtlichen Folgen der Namensänderung natürlicher Personen regelt.10 Doch ist die Firma der Name des Unternehmensträgers (Vor § 17 Rn 5 ff). Und auch Stiftungen sowie andere Rechtsträger (etwa Vereine, Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Partnerschaftsgesellschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts) sind bekanntlich namensfähig. Ist ein Rechtsträger an einer Gesellschaft beteiligt, so bedeutet eine Änderung seiner Firma oder seines Namens mithin eine Namensänderung im Sinne der Vorschrift, so dass auch in all diesen Fällen eine Firmenfortführung gestattet ist.11 Besondere Bedeutung hatte dies für die GmbH & Co. KG (§ 19 Rn 13). Eine nach der Rechtsnatur des Namensgebers differenzierende Behandlung der Firmenfortführung wäre der Sache nach nicht gerechtfertigt, zumal sie nach heute geltendem Recht ohnehin zumeist zulässig wäre (s.o. Rn 4).
B. Voraussetzungen, insbes. Erfordernis bisheriger Firmenführung 8 Voraussetzung des § 21 ist zuvörderst, dass sich der in der Firma enthaltene Name des Geschäftsinhabers oder eines Gesellschafters geändert hat (dazu Rn 6 f). Diese Änderung darf nicht auf einem Wechsel der betreffenden Person beruhen. Es muss 9 also Personenidentität gegeben sein, sonst greift § 22 bzw. § 24 ein.12 Nachdem § 21 einen Fall der Firmenfortführung regelt, ist weitere Voraussetzung, dass zum 10 Zeitpunkt der Namensänderung bereits eine Firma bestanden hat. Daraus folgt wiederum, dass der Unternehmensträger firmenfähig sein muss und seine Firmenfähigkeit nicht verloren haben darf (dazu § 17 Rn 9 ff). Ist der Unternehmensträger nicht (mehr) firmenfähig, stellt sich die Frage der Firmenfortführung nicht. Wohl aber fragt sich ggf., ob eine Minderfirma (dazu § 17 Rn 19 ff) trotz Namensänderung beibehalten werden darf. In den Grenzen des auch für Minderfirmen geltenden Irreführungsverbots (§ 18 Rn 6, 34) kann man dies ohne weiteres zulassen. Eine analoge Anwendung von § 21 kommt dagegen mangels Handelsregisterpublizität von Minderfirmen nicht in Betracht.13
8 Nicht jeder Rechtsträger kann sich an Gesellschaften beteiligen. So hat bspw. die EWIV die sich aus Art. 3 Abs. 2 lit. b und e VO (EWG) 2137/85 ergebenden Grenzen zu beachten.
9 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; MünchKommHGB/Heidinger Rn 6; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 3; GKzHGB/Steitz Rn 2; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; zweifelnd auch Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 5 m Fn 11. 10 Nur diesen Fall haben offenbar Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3 und HKzHGB/Ruß Rn 1 vor Augen. 11 MünchKommHGB/Heidinger Rn 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 12 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 15; Oetker/Schlingloff Rn. 1, 4. 13 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn. 6. Burgard
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Weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Vorschrift kann dagegen entnommen werden, dass 11 die Firma zum Zeitpunkt der Namensänderung bereits in das Handelsregister eingetragen sein muss.14 Richtig ist allerdings, dass in den Fällen der §§ 2, 3, 105 Abs. 2 vor der Eintragung keine Firma besteht (zur Frage der Vor-Gesellschaft Rn 14 ff). Sind dagegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllt, entsteht die Firma in dem Augenblick, in dem der Kaufmann sie tatsächlich führt (§ 17 Rn 31 f). Und damit ist dann auch das Interesse an der Weiterführung begründet, dessen Schutz § 21 bezweckt. Daraus folgt zugleich, dass die Eintragung der tatsächlich geführten Firma auch dann noch möglich ist, wenn sich der Name des Inhabers inzwischen geändert hat.15
C. Rechtsfolgen Sind die Voraussetzungen des § 21 erfüllt, so eröffnet die Vorschrift ein Wahlrecht. Sie gestattet 12 die Firma fortzuführen, gebietet das aber nicht. Der Firmeninhaber kann die Firma daher auch nach seinem Gutdünken ändern. Streitig ist allerdings, ob er die Firma mit seinem alten Namen fortführen und zugleich mit einem Inhaberzusatz versehen darf, der seinen neuen Namen enthält.16 Richtigerweise ist das grundsätzlich zulässig (näher § 18 Rn 58). Weil keine Pflicht zur Firmenfortführung besteht, hat § 21 nur firmenrechtliche und keine 13 namensrechtliche Bedeutung. Die Vorschrift gibt daher kein Recht zur Firmenfortführung gegenüber Dritten, die namensrechtlich besser berechtigt sind.17
D. Einzelfragen zur Vorgesellschaft Vorgesellschaften, insbes. also die Vor-GmbH und die Vor-AG, sind firmenfähig, wenn sie bereits 14 in diesem Stadium ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 betreiben (§ 17 Rn 14). Ändert sich in diesem Stadium der Name eines Gesellschafters, dessen Name in die Firma der Vorgesellschaft aufgenommen wurde, so gelten allgemeine Regeln (Rn 7, 11): Die Vorgesellschaft darf ihre Firma daher gem. § 21 fortführen. Betreibt die Vorgesellschaft kein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2, dann ist sie zwar nicht 15 firmenfähig, wohl aber namensfähig und kann daher den Kern der künftigen Firma als Minderfirma führen (§ 17 Rn 14). Ändert sich in dieser Situation der Name eines namensgebenden Gesellschafters, so kann die Vorgesellschaft jedenfalls dann ihre Minderfirma nach allgemeinen Regeln fortführen, wenn keine Irreführung i.S.d. § 18 Abs. 2 zu besorgen ist (o. Rn 10 a.E.). Ist – ausnahmsweise – eine Irreführung zu besorgen, kann die Minderfirma gleichwohl fortgeführt werden, wenn § 21 analog eingreift. Zwar ist die Vorschrift auf Minderfirmen grundsätzlich nicht analog anwendbar (s.o. Rn 10). Von diesem Grundsatz wird man aber hier eine Ausnahme zulassen können, wenn und weil die Handelsregisterpublizität durch spätere Eintragung der Firma hergestellt wird (vgl. o. Rn 10). Eine Rolle spielen kann dies bspw. im Blick auf § 30. Die Vorgesellschaft hat neben dem Firmenkern den Rechtsformzusatz der künftigen Firma 16 sowie einen Gründungszusatz (z.B. „i.G.“) zu führen (§ 17 Rn 14, § 19 Rn 30). Wird die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen, so dass sie als juristische Person entsteht, so gehen 14 AA KG RJA 8, 38; wie hier die heute hM, statt anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn. 7.
15 MünchKommHGB/Heidinger Rn 8; Hopt/Merkt Rn 3. 16 Dafür OLG Celle BB 1990, 302 m. abl. Anm. Frey; dagegen MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; Hopt/Merkt Rn 4; § 18 Rn 21; unentschieden GKzHGB/Steitz Rn 1.
17 Allg.M. KG RJA 8, 38; MünchKommHGB/Heidinger Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 9; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 5; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 27; für ein Beispiel (§ 1765 Abs. 1 BGB) GKzHGB/Steitz Rn 5. 123
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alle Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft kraft Gesetzes auf die juristische Person über. Die Vorgesellschaft erlischt liquidationslos.18 Auf die entstandene juristische Person geht damit auch der Name (Firma oder Minderfirma) der Vorgesellschaft über.19 Ein Fall der Firmenfortführung ist dieser Vorgang mithin nicht.20 Vielmehr ändert sich der Name durch die Eintragung: Während die Vorgesellschaft einen Gründungszusatz führen muss, ist dieser in der Firma der entstandenen juristischen Person nicht enthalten. Dieser Unterschied spielt auch bei der GmbH & Co. KG eine Rolle (dazu Rn 19). 17 Früher stellte sich zudem im Blick auf § 4 GmbHG a.F. (und in dessen Grenzen auch im Blick auf § 4 AktG a.F.) die Frage, ob die Gesellschaft mit einer nach § 21 (analog) fortgeführten Firma (Rn 15), also unter Firmierung mit dem alten Namen eines Gesellschafters, eintragungsfähig war.21 Mit der Neufassung von § 4 GmbHG, § 4 AktG hat sich dieses Problem erledigt.22 Heute ist auch eine Neufirmierung unter Verwendung des alten Namens eines Gesellschafters (oder auch des Namen eines alten Gesellschafters, s. auch § 24 Rn 37) in den Grenzen des § 18 Abs. 2 zulässig (Rn 4). Die Vorgesellschaft ist rechtsfähig und kann daher auch Komplementärin einer Komman18 ditgesellschaft sein.23 Als solche ist sie in das Handelsregister einzutragen, und zwar unter der Firma der künftigen Gesellschaft mit einem Gründungszusatz in die Abteilung A.24 Eine Eintragung der noch nicht eingetragenen und daher noch nicht entstandenen juristischen Person in die Abteilung B hat dagegen zu unterbleiben.25 Wird die Gesellschaft sodann in die Abteilung B des Handelsregister eingetragen, wodurch die juristische Person entsteht, ist die Abteilung A hinsichtlich der Komplementärgesellschaft zu berichtigen, d.h. zumindest der Gründungszusatz zu streichen, wenn der Name der Komplementärin im Übrigen unverändert geblieben ist.26 Zugleich kann sich damit die Firma der Kommanditgesellschaft ändern, wenn sie aus der Firma der Komplementärin gebildet wurde, bei der nunmehr der Gründungszusatz entfällt (statt z.B. „ABC GmbH i.G. & Co. KG“ nunmehr „ABC GmbH & Co. KG“). Und diese Änderung ist von der KG gem. § 31 Abs. 1 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.27 Hat eine GmbH & Co. KG ihre Geschäfte bereits mit der Vor-GmbH begonnen, so soll nur 19 die GmbH und nicht die GmbH i.G. in die Abteilung A einzutragen sein, wenn im Zeitpunkt der Eintragung der KG die GmbH bereits in Abteilung B eingetragen ist. Eine nachträgliche Eintragung der Vor-GmbH sei für den Rechtsverkehr bedeutungslos.28 Manche meinen sogar, die nachträgliche Eintragung der GmbH i.G. habe, weil irreführend, zu unterbleiben.29 Angesichts der unterschiedlichen Haftungsverfassung von Vor-GmbH30 und GmbH sollte an dieser Ansicht nicht festgehalten werden. 18 19 20 21 22 23
GKzHGB/Steitz Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. GKzHGB/Steitz Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. GKzHGB/Steitz Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. Dafür mit unterschiedlichen Begründungen LG Berlin JW 1924, 1120; Staub/Hüffer4 Rn 4. Näher dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 12. BGHZ 80, 129 (132); Scholz/K. Schmidt GmbHG § 11 Rn 34, 39, 182; Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 11 Rn 15; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 11 Rn 5, 8, 16; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Blath GmbHG § 11 Rn 80; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn. 8. 24 BGH NJW 1985, 736 (737); Ulmer ZGR 1981, 593 (617); Scholz/K. Schmidt GmbHG § 11 Rn 182; Lutter/Hommelhoff/ Bayer GmbHG § 11 Rn 53; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Blath GmbHG § 11 Rn 80; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn. 8. 25 MünchKommHGB/Heidinger Rn 11. 26 MünchKommHGB/Heidinger Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 8. 27 MünchKommHGB/Heidinger Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11. 28 So BGH NJW 1985, 736 (737). 29 MünchKommHGB/Heidinger Rn 14 im Anschluss an Bokelmann Firmenrecht Rn 651. 30 Die Haftungsverfassung der Vor-GmbH ist sehr streitig, s. dazu Scholz/K. Schmidt GmbHG § 11 Rn 86 ff m zahlr wN; zur Position der Rechtsprechung s. BGHZ 134, 333; 152, 290; 165, 391. Burgard
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Anhang zu § 21 § 200 UmwG Firma oder Name des Rechtsträgers (1)
(2)
(3)
(4)
(5)
1
Der Rechtsträger neuer Rechtsform darf seine bisher geführte Firma beibehalten, soweit sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt. 2Zusätzliche Bezeichnungen, die auf die Rechtsform der formwechselnden Gesellschaft hinweisen, dürfen auch dann nicht verwendet werden, wenn der Rechtsträger die bisher geführte Firma beibehält. Auf eine nach dem Formwechsel beibehaltene Firma ist § 19 des Handelsgesetzbuchs, § 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, §§ 4, 279 des Aktiengesetzes oder § 3 des Genossenschaftsgesetzes entsprechend anzuwenden. War an dem formwechselnden Rechtsträger eine natürliche Person beteiligt, deren Beteiligung an dem Rechtsträger neuer Rechtsform entfällt, so darf der Name dieses Anteilsinhabers nur dann in der beibehaltenen bisherigen oder in der neu gebildeten Firma verwendet werden, wenn der betroffene Anteilsinhaber oder dessen Erben ausdrücklich in die Verwendung des Namens einwilligen. 1 Ist formwechselnder Rechtsträger oder Rechtsträger neuer Rechtsform eine Partnerschaftsgesellschaft, gelten für die Beibehaltung oder Bildung der Firma oder des Namens die Absätze 1 und 3 entsprechend. 2Eine Firma darf als Name einer Partnerschaftsgesellschaft nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes beibehalten werden. 3§ 1 Abs. 3 und § 11 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes sind entsprechend anzuwenden. Durch den Formwechsel in eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erlischt die Firma der formwechselnden Gesellschaft.
Schrifttum Bokelmann Die Firma im Fall der Umwandlung, ZNotP 1998, 265; Kandelhard Die Änderung der Rechtsform des Gewerberaummieters, WuM 1999, 253; Kögel Firmenrechtliche Besonderheiten des neuen Umwandlungsrechts, GmbHR 1996, 168; Limmer Firmenrecht und Umwandlung nach dem Handelsrechtsreformgesetz, NotBZ 2000, 101; Mayer Erste Zweifelsfragen bei der Unternehmensspaltung, DB 1995, 861; Neye Die Änderungen im Umwandlungsrecht nach den handels- und gesellschaftlichen Reformgesetzen in der 13. Legislaturperiode DB 1998, 1649; Perwein Vom Einzelunternehmen in die GmbH, GmbHR 2007, 1214; K. Schmidt Gläubigerschutz bei Umstrukturierungen, ZGR 1993, 366; Timm Einige Zweifelsfragen zum neuen Umwandlungsrecht, ZGR 1996, 247.
Übersicht 1
A.
Einleitung
B.
Firmenfortführung
2
C.
Rechtsformzusätze
D.
Weitere Regelungen
3 4
A. Einleitung Nach § 190 Abs. 1 UmwG kann ein Rechtsträger durch Formwechsel eine andere Rechtsform 1 erhalten. Welche Rechtsträger in welche Rechtsformen wechseln können, ist in § 191 UmwG geregelt. Durch diese Art der Umwandlung bleibt also die Identität des Rechtsträgers gewahrt. Er ändert bloß seine Rechtsform. Ein Anwendungsfall der §§ 21 ff ist dieser Vorgang nicht. Vielmehr zieht § 200 UmwG die firmenrechtlichen Konsequenzen. Diese sind jedoch auf die allgemeinen handelsrechtlichen Regeln abgestimmt.
125 https://doi.org/10.1515/9783111097510-007
Burgard
Anh. § 21
1. Buch. Handelsstand
B. Firmenfortführung 2 Nachdem die Identität des Rechtsträgers gewahrt bleibt, ist es konsequent, dass der Rechtsträger bei Formwechsel gem. § 200 Abs. 1 S. 1 UmwG seine bisherige Firma – genauer: den rechtsformneutralen Firmenkern (s. Rn 3) – beibehalten darf. Dies entspricht zugleich dem Rechtsgedanken der §§ 21 ff, nämlich den Firmenwert nach Möglichkeit zu erhalten. Eine Pflicht zur Firmenfortführung besteht freilich hier ebenso wenig wie bei § 21.
C. Rechtsformzusätze 3 Während die Identität des Rechtsträgers nicht berührt wird, ändert sich durch den Formwechsel dessen Rechtsform. Deswegen ist es ebenfalls konsequent und entspricht allgemeinen handelsrechtlichen Regeln (vgl. § 19 Rn 1 ff, § 22 Rn 87 ff), dass der Rechtsformzusatz entsprechend geändert werden muss. Nach § 200 Abs. 1 S. 2 UmwG muss der bisherige Rechtsformzusatz gestrichen und nach § 200 Abs. 2 UmwG der Rechtsformzusatz der Zielrechtsform hinzugefügt werden.
D. Weitere Regelungen 4 § 200 Abs. 3 UmwG verlangt die Zustimmung eines bei dem Formwechsel ausscheidenden Gesellschafters, dessen Name weiterhin in der Firma verwendet werden soll. Die Regelung entspricht insofern §§ 22, 24 Abs. 2. 5 Für Partnerschaftsgesellschaften gelten nach § 200 Abs. 4 UmwG zum einen § 200 Abs. 1 bis 3 UmwG und zum anderen §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 und 11 PartGG entsprechend. 6 Schließlich bestimmt § 200 Abs. 5 UmwG, dass durch einen Wechsel in die Rechtsform der GbR die Firma der formwechselnden Gesellschaft erlischt. Das folgt daraus, dass die GbR nicht firmenfähig ist (§ 17 Rn 12). Freilich ist die GbR grundsätzlich nicht gehindert, die bisherige Firma ohne Rechtsformzusatz als Minderfirma (dazu § 17 Rn 19 ff) weiterzunutzen. Um eine Irreführung (§ 18 Abs. 2 analog, § 18 Rn 6, 34) zu vermeiden, kann es in diesem Fall zudem geboten sein, in der Minderfirma auf die neue Rechtsform hinzuweisen, also etwa den Zusatz „GbR“ zu führen.
Burgard
126
§ 22 (1) Wer ein bestehendes Handelsgeschäft unter Lebenden oder von Todes wegen erwirbt, darf für das Geschäft die bisherige Firma, auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers enthält, mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen, wenn der bisherige Geschäftsinhaber oder dessen Erben in die Fortführung der Firma ausdrücklich willigen. (2) Wird ein Handelsgeschäft auf Grund eines Nießbrauchs, eines Pachtvertrags oder eines ähnlichen Verhältnisses übernommen, so finden diese Vorschriften entsprechende Anwendung.
Schrifttum 1. Seit der Handelsrechtsreform Andersson-Linström Keine Umfirmierung durch den Insolvenzverwalter, DB 2020, 1666; Barnert Die Personalfirma in der Insolvenz, KTS 2003, 523; Bartels Die Handelsfirma zwischen Namens- und Kennzeichenschutz, AcP 209 (2009), 309; Benner Der neue Streit um die Verwertung der Firma in der Insolvenz, Rpfleger 2002, 342; Bredemeyer Das kaufmännische Einzelunternehmen im Nachlass, ZErb 2013, 294; Busch Zur Firmierung bei einer Firmenfortführung, Rpfleger 1999, 547; J. W. Flume Die Firma als „tradable Asset“, DB 2008, 2011; Heckschen Firmenbildung und Firmenverwertung, NotBZ 2006, 346; Herchen Die Befugnis des Insolvenzverwalters zur Änderung der Firma im Rahmen der übertragenden Sanierung, ZInsO 2004, 1112; Hölters (Hrsg.) Handbuch Unternehmenskauf, 7. Aufl. 2010; Holzapfel/Pöllath Recht und Praxis des Unternehmenskaufs, Rechtliche und steuerliche Aspekte, 15. Aufl. 2012; Janssen/Nickel Unternehmensnießbrauch, 1998; Kämper Testamentsvollstreckung an Personengesellschaftanteilen, RNotZ 2016, 625; Kern Verwertung der Personalfirma im Insolvenzverfahren, BB 1999, 1717; H. Köhler Namensrecht und Firmenrecht, Festschrift Fikentscher, 1998, 494; Kögel Die Änderung der abgeleiteten Firma – ein Riss im Firmenrecht, Rpfleger 2017, 435; Lettl Das Recht zur Fortführung der Firma nach Unternehmensveräußerung, WM 2006, 1841; Lieb (Hrsg.) Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaft, 1999; Meyer Fortführung der Firma der Personenhandelsgesellschaft durch einen Einzelkaufmann, RNotZ 2004, 323; Noack BGH verneint Firmenänderung durch den Insolvenzverwalter, NZG 2020, 257; Parmentier/Steer Die Konzernfirma nach dem Ende der Unternehmensverbindung, GRUR 2003, 196; Picot Unternehmenskauf und Restrukturierung, 4. Aufl. 2013; Rieländer Die Umfirmierung im Insolvenzverfahren, ZHR 184 (2020) 507; Römermann Zur Frage der Firmenfortführung bei Eintragung einer Zweigniederlassung einer englischen Limited nach deutschem Recht, GmbHR 2006, 262; Schultze Die Änderung des Firmennamens bei drohender Insolvenz, DZWIR 2005, 56; Schwerdling Die Stellung des Insolvenzverwalters nach neuem Insolvenz- und Handelsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Firmenrechts, 2000; Steinbeck Die Verwertbarkeit der Firma und der Marke in der Insolvenz, NZG 1999, 133; Uhlenbruck Die Firma als Teil der Insolvenzmasse, ZIP 2000, 401; Weidlich Testamentsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen, NJW 2011, 641; Wertenbruch Die Firma des Einzelkaufmanns und der OHG/KG in der Insolvenz, ZIP 2002, 1931. S. ferner das Schrifttum zu §§ 23, 24.
2. Vor der Handelsrechtsreform Albrecht/Bengsohn Die Unternehmenspacht und ihre Behandlung im Handelsregister, Rpfleger 1982, 361; Bohnen Die Firmierung der GmbH & Co. in der abgeleiteten Firma, NJW 1975, 528; Bokelmann Die abgeleitete Firma der GmbH & Co., GmbHR 1975, 25; ders. Die Veräußerung einer Zweigniederlassung mit abgeleiteter Firma, GmbHR 1978, 265; ders. Zusätze wie „& Co.“, „& Sohn“, „& Partner“ und „& Gebrüder“ in der Firma der Kommanditgesellschaft und in abgeleiteten Firmen, MDR 1979, 188; ders. Die Firma im Konkursverfahren, KTS 1982, 27; ders. Nochmals: Zur Veräußerung einer Zweigniederlassung mit abgeleiteter Firma, GmbHR 1982, 153; ders. Der Gebrauch von Geschäftsbezeichnungen mit Inhaberzusatz durch Nichtkaufleute und Minderkaufleute, NJW 1987, 168; Buchberger Zur Fortführung einer Geschäftsbezeichnung durch eine Fahrschule, Rpfleger 1991, 372; Bußmann Name, Firma, Marke, 1937; Canaris Kollisionen der §§ 16 und 3 UWG mit dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit gem. §§ 22, 24 HGB, GRUR 1989, 711; Emmerich Das Firmenrecht im Konkurs, 1992; Forkel Die Übertragbarkeit der Firma, Festschrift Paulick, 1973 S. 101; J. v. Gierke Firmenuntergang und Firmenverlegung, ZHR 112 (1949), 1; Götting Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1996; Grünberg Die Befugnis zur Bildung einer Ersatzfirma bei Firmenveräußerung im
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Burgard
§ 22
1. Buch. Handelsstand
Konkurs der GmbH, ZIP 1988, 1165; ders. Die Rechtspositionen der Organe der GmbH und des Betriebsrates im Konkurs, 1988; Gustavus Die Praxis der Registergerichte zum Rechtsformhinweis in der abgeleiteten Firma einer GmbH & Co. KG (I), GmbHR 1977, 169, ders. Die Praxis der Registergerichte zum Rechtsformhinweis in der abgeleiteten Firma einer GmbH & Co. KG (II), GmbHR 1977, 193; Haberkorn Firmenwahrheit und Firmenfortführung, WRP 1966, 88; Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, 1982; Hesselmann Zusatz „GmbH & Co.“ bei fortgeführten Firmen von Einzelunternehmen oder Personengesellschaften nach Umwandlung in eine GmbH & Co., GmbHR 1975, 57; ders. Verpflichtung der Registergerichte zur Eintragung des Zusatzes „GmbH & Co.“ bei abgeleiteter Firma, GmbHR 1976, 36; Jansen Die Firma der GmbH im geschäftlichen Verkehr, GmbHR 1963, 163; John Testamentsvollstreckung über ein einzelkaufmännisches Unternehmen, BB 1980, 757; Joussen Die Kompetenz zur Änderung einer GmbH-Firma im Konkurs, GmbHR 1994, 159; Jurick Die abgeleitete Firma einer GmbH & Co., DB 1975, 1397; Köhler Die kommerzielle Verwertung der Firma durch Verkauf und Lizenzvergabe, DStR 1996, 510; Krösser Zur Frage der Fortführung von Firmen mit „Co.“ oder „Dr.“-Zusätzen bei Geschäftsübernahmen, Börsenblatt für den Dt. Buchhandel 1970, 1886; Kuchinke Die Firma in der Erbfolge, ZIP 1987, 681; Lamers Erfordernis des Zusatzes GmbH & Co. bei abgeleiteter Firma?, DB 1974, 1996; Linardatos Eintragung einer Ersatzfirma durch den Insolvenzverwalter ohne vorausgehende Satzungsänderung?, ZIP 2017, 901; Lindacher Firmenbeständigkeit und Firmenwahrheit, BB 1977, 1676; Mittelbach Geschäfts- und Praxisübertragung, 2. Aufl. 1973; Muscheler Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994; Nordemann Zur „Testamentsvollstreckung“ an Handelsgeschäften und in Personalgesellschaften, NJW 1963, 1139; Pabst Wie weit kann eine abgeleitete Firma abgeändert werden? DNotZ 1960, 33; Pöpel Die unwahr gewordene Firma, Irreführungsverbot versus Bestandsschutz, 1995; Priester Obligatorischer Zusatz „GmbH & Co.“ auch bei abgeleiteter Firma? NJW 1975, 238; Quack Der Unternehmenskauf und seine Probleme, ZGR 1982, 350; Raffel Die Verwertbarkeit der Firma im Konkurs, 1995; Riegger Die Veräußerung der Firma durch den Konkursverwalter, BB 1983, 786; Rohnke Firma und Kennzeichen bei der Veräußerung von Unternehmensteilen, WM 1991, 1405; K. Schmidt Die Vor-GmbH als Unternehmerin und als Komplementärin, NJW 1981, 1345; ders. Veräußerung der Firma einer GmbH aus der Konkursmasse, JuS 1983, 310; K. Schmidt/W. Schulz Konkursfreies Vermögen insolventer Handelsgesellschaften?, ZIP 1982, 1015; Schmitz-Herscheid Fortführung einer einzelkaufmännischen Firma, MDB 1995, 785; W. Schulz Veräußerung des Geschäftsbetriebs einer GmbH samt der den Vor- und Familiennamen des Gesellschafters enthaltenden Firma durch den Konkursverwalter, ZIP 1983, 194; Sieveking Abgeleitete Firma einer GmbH & Co. KG, MDR 1974, 904; Sigle/Maurer Umfang des Formzwangs beim Unternehmenskauf, NJW 1984, 2657; Strohm Die Gestattung der Firmenfortführung, Festschrift Ulmer, 1973, 333; Ullmann Firmenrecht und Konkursbeschlag, ZZP 1941, 49; Ulmer Die Kompetenz zur Bildung einer Ersatzfirma bei Firmenveräußerung im Konkurs der GmbH, NJW 1983, 1697; Vollmer Die originäre und die abgeleitete Firma, JA 1984, 333; Wessel Die engen Grenzen der Fortführung einer abgeleiteten Firma, BB 1964, 1365; ders. Nachträgliche Änderung einer abgeleiteten Firma nach § 24 HGB, BB 1965, 1422; ders. Überlegungen zu einer Reform unseres Firmenrechts, BB 1981, 822; Wiedemann Besprechung der Entscheidung BGHZ 62, 216, ZGR 1975, 354; Wiek Der unrichtig gewordene „KG-Zusatz“ in der Firma der OHG, NJW 1981, 105; Winkler Zur Firma des Einzelkaufmanns und der Personengesellschaft, MittBayNot 1970, 73; ders. Firmenrechtliche Probleme bei der Fortführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens oder einer Personengesellschaft durch eine GmbH & Co. KG, DNotZ 1975, 69; M. Wolff Über einige Grundbegriffe des Handelsrechts, Festgabe für Otto Gierke, Bd. II, 1910, 115; Zunft Fortführung der Firma bei Veräußerung des Handelsgeschäfts des Gemeinschuldners, NJW 1960, 1843. S. ferner das Schrifttum zu §§ 23, 24.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Bedeutung der Norm vor und nach der Handels5 rechtsreform
V.
Verhältnis zu § 18 Abs. 2
1 2
3
VI.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen des § 22 Abs. 1
I. 1. 2.
Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts 13 Handelsgeschäft Bestehen des Handelsgeschäfts 14 a) Grundlagen 15 b) Liquidation 16 c) Insolvenz Erwerb des Unternehmenskerns 17 a) Grundlagen
3.
Burgard
9
11
128
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
b)
4. II. 1. 2. 3. III. 1.
2. 3. IV. 1. 2. 3.
V. 1. 2.
VI. 1.
129
Mehrere Unternehmen eines Kauf18 manns c) Haupt- und Zweigniederlassung 20 Erwerbsformen
§ 22
(2)
19
Bisherige Firmenführung 23 Bisherige Firma Rechtmäßigkeit der bisherigen Firmenfüh24 rung 25 Eintragung und Löschung der Firma Einwilligung in die Fortführung Rechtsnatur der Einwilligung, Abgrenzung zum Verpflichtungsgeschäft und der namensrechtli27 chen Gestattung 31 Ausdrückliche Erklärung 32 Zeitpunkt der Einwilligung Die Einwilligungsberechtigung 33 Allgemeines 34 Einzelfirma Gesellschaftsfirma 37 a) Einführung b) Meinungsstand 38 aa) Kapitalgesellschaften bb) Personenhandelsgesellschaf39 ten 40 c) Stellungnahme 41 d) Ergebnis Die namensrechtliche Gestattung 42 Grundlagen Die namensrechtliche Gestattung in Fällen des 48 § 22 a) Erforderlichkeit 49 aa) Meinungsstand 50 bb) Stellungnahme 51 b) Zeitpunkt der Gestattung c) Inhalt und Reichweite der Gestat52 tung 53 d) Rechtsfolgen fehlender Gestattung Sonderfälle Die Verwertung der Firma in der Insolvenz 54 a) Fragestellungen b) Die Firma als Teil der Insolvenzmasse 55 aa) Meinungsstand 56 bb) Stellungnahme c) Mitwirkung der Gesellschafter? 57 aa) Meinungsstand 58 bb) Stellungnahme d) Namensrechtliche Gestattung 59 aa) Grundlagen bb) Meinungsstand (1) Vor der Handelsrechtsre60 form
2.
Nach der Handelsrechtsre61 form 62 cc) Stellungnahme 66 dd) Abgeleitete Firma ee) Exkurs: Bildung einer Ersatz67 firma 68 (1) Meinungsstand 69 (2) Stellungnahme Die Übertragung der Firma durch den Testamentsvollstrecker a) Grundlagen: Fortführung des Unternehmens durch den Testamentsvollstre71 cker b) Folgerungen für die Übertragung der 72 Firma
C.
Rechtsfolgen des § 22 Abs. 1
I.
Keine Pflicht zur Firmenfortführung
II.
Vertragliche Beschränkungen des Rechts zur Firmenfortführung Bedingung, Befristung und Widerrufsvorbe74 halt Sonstige Beschränkungen 75 a) Meinungsstand b) Stellungnahme aa) Wirkung einer Beschränkung der Ein76 willigung 77 bb) Reichweite der Einwilligung cc) Reichweite der namensrechtlichen Ge78 stattung Kündigung aus wichtigem Grund, Rücktritts79 recht 80 a) Meinungsstand 81 b) Stellungnahme
1. 2.
3.
73
III.
Rechte des Veräußerers und des Namensgebers 82 gegen den Erwerber
IV.
Rechte des Erwerbers gegenüber Dritten
V. 1.
Die Art und Weise der Firmenfortführung Der Grundsatz einer unveränderten Fortführung 84 der Firma Zulässige und gebotene Änderungen der fortzuführenden Firma a) Anpassung des Rechtsformzusat87 zes b) Beifügung eines Nachfolgezusat90 zes 96 c) Unwesentliche Firmenänderungen d) Firmenänderungen bei unbestimmten Gesellschaftszusätzen aa) Fortführung der Firma durch einen 97 Einzelkaufmann
2.
83
Burgard
§ 22
3.
VI. 1. 2.
1. Buch. Handelsstand
bb) Fortführung der Firma durch eine Ge98 sellschaft e) Wesentliche Änderungen im Allgemeininteresse 99 aa) Grundsatz 100 bb) Einzelfälle f) Wesentliche Änderungen im Interesse des 101 Inhabers Die Fortführung als Zweigniederlassungsfirma 102 und die Vereinigung von Firmen Erlöschen des Firmenfortführungsrechts 105 Allgemein Erlöschen mangels Weiterführung des Handelsgeschäfts durch den Erwerber? 106 a) Meinungsstand
b)
Stellungnahme
107
D.
Die weitere Firmierung des Veräuße108 rers
E.
§ 22 Abs. 2
I. 1. 2.
Voraussetzungen 110 Das Rechtsverhältnis Die entsprechende Anwendung des 112 Abs. 1
II.
Rechtsfolgen
III.
Die weitere Firmierung des bisherigen Inha115 bers
113
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 § 22 betrifft den endgültigen (Abs. 1) oder vorübergehenden (Abs. 2) Inhaberwechsel und stellt den daran Beteiligten anheim, eine rechtsgeschäftliche Regelung der Firmenfortführung zu treffen.
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Norm geht auf Art. 22 ADHGB zurück und gilt im Kern seither unverändert.1 Auch die Handelsrechtsreform brachte nur eine klarstellende Ergänzung,2 indem die Worte „auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers enthält“ eingefügt wurden. Das schließt nicht aus, dass die Norm im Lichte der Liberalisierung des Firmenrechts teilweise einer modifizierten Auslegung bedarf (s. etwa Rn 49 f).
III. Normzweck 3 Sinn und Zweck von § 22 ist es, dem bisherigen und dem neuen Inhaber die Nutzung und Erhaltung des Firmenwerts zu ermöglichen. Der alte Inhaber kann den Firmenwert realisieren, indem er dem neuen Inhaber die Fortführung der Firma gestattet,3 wodurch dieser den mit der Firma verknüpften Good Will weiternutzen kann. Dass es in erster Linie um die privaten Interessen der Beteiligten am Firmenwert geht, wird schon in der Denkschrift betont4 und dadurch 1 Näher zur Entstehungsgeschichte Marx Firmenrechtliche Grundbegriffe (1912), 10 ff. 2 Vgl. Begr RegE, BT-Drucks. 13/8444, 56. 3 Auch deshalb ist die Ansicht von Canaris Handelsrecht § 10 Rn 34 abzulehnen, wonach § 22 teleologisch dahingehend zu reduzieren sei, dass es der Einwilligung des Veräußerers in die Firmenfortführung durch den Erwerber nicht bedürfe, wenn der Name des Veräußerers nicht in der Firma enthalten sei; ebenfalls die Voraussetzung der Einwilligung bejahend Hopt/Merkt Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 19. 4 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 32 f = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 975. Burgard
130
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 22
bestätigt, dass sie nach Belieben darüber entscheiden können, ob sie von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen oder nicht. Nicht Zweck, sondern bloße Wirkung der Vorschrift ist, dass durch die Firmenfortführung auch die Kontinuität des Unternehmens in der Hand des Erwerbers zum Ausdruck gebracht wird. Die Zulässigkeit der Firmenfortführung beruht auf dem Grundsatz der Firmenbeständig- 4 keit (Vor § 17 Rn 31 ff). Herkömmlich erblickt man darin eine Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit; dieses Prinzip bildet die Regel, jenes die Ausnahme.5 An diesem Verständnis ist nach wie vor festzuhalten;6 denn die Firma ist gem. § 17 Abs. 1 der Name des Kaufmanns (näher Vor § 17 Rn 1 ff), so dass eine unveränderte Firmenfortführung in den Fällen des § 22 den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, dass kein Inhaberwechsel stattgefunden habe. Im Interesse des Erhalts des Firmenwerts ist nicht einmal die Aufnahme eines Nachfolgezusatzes zwingend vorgeschrieben. Allerdings identifiziert der Verkehr die Firma ohnehin in erster Linie mit dem Unternehmen (Vor § 17 Rn 3). Die Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit kann daher auch mit der Erwägung gerechtfertigt werden, dass die Identität des Unternehmens gewahrt bleibt (s. Rn 84). Allerdings ist der Erwerber nicht verpflichtet das Unternehmen (unverändert) fortzuführen (Rn 106 f). Überdies darf zweierlei nicht übersehen werden. Einerseits wurde durch die Handelsrechtsreform das Prinzip der Firmenwahrheit generell zurückgedrängt (Vor § 17 Rn 28 ff), wodurch auch die Bedeutung von § 22 abgenommen hat (näher Rn 5 ff). Andererseits bedeutet die Durchbrechung dieses Prinzips nicht seine völlige Preisgabe (näher Rn 9 ff). Vielmehr wird es in wichtigen Einzelbeziehungen gewahrt, so insbes. im Blick auf den Rechtsformzusatz (näher Rn 87 ff). Auch können Änderungen des Unternehmens zu Firmenänderungen zwingen (Rn 99 f).
IV. Bedeutung der Norm vor und nach der Handelsrechtsreform Vor der Liberalisierung des Firmenrechts war die Bedeutung von § 22 außerordentlich groß. 5 Ohne dieses Privileg hätte ein Inhaberwechsel regelmäßig dazu geführt, dass die bisherige Firma von dem neuen Inhaber wegen des rigiden Firmenbildungsrechts insbes. der §§ 18, 19 a.F. nicht hätte fortgeführt bzw. nicht hätte neu gebildet werden können. § 22 stellte damit eine erhebliche Ausnahme zu den Firmenbildungsvorschriften dar, die es dementsprechend vor Umgehungsversuchen via § 22 zu schützen galt. Das war einer der Gründe, warum im Ausgangspunkt und vom Grundsatz her verlangt wurde und wird, dass Firmen unverändert fortgeführt werden (näher Rn 84 ff). Inhaber, die den Firmenwert erhalten wollten, mussten daher sehr darauf bedacht sein, dieses Privileg nicht zu verlieren. Deswegen wurde viel darum gestritten, ob und welche erforderlichen oder wünschenswerten Änderungen der Firma im Rahmen des § 22 noch zulässig und welche unzulässig waren (näher Rn 87 ff). Infolge der Liberalisierung des Firmenrechts hat § 22 stark an Bedeutung verloren. Das 6 liegt zum einen daran, dass heute niemand mehr gezwungen ist, eine Personenfirma zu bilden, sondern jeder Unternehmensträger (mit Ausnahme von Partnerschaftsgesellschaften) auch eine Sach- oder Phantasiefirma bilden kann (Vor § 17 Rn 27). Zum anderen dürfen nach hier vertretener Ansicht Personenfirmen auch unter Verwendung fremder Namen, insbes. von Nicht- bzw. Nichtmehrgesellschaftern (z.B. von Gründern des Unternehmens) gebildet werden, wenn dies namensrechtlich (§ 12 BGB) und markenrechtlich (§§ 5, 6, 15 MarkenG) zulässig ist und durch die Verwendung des fremden Namens nicht der gute Ruf, den ein Lebender oder unlängst Verstorbener in den angesprochenen Verkehrskreisen genießt, ausgenutzt wird (§ 18 Rn 56, 59).7 5 RGZ 152, 365 (368); BGHZ 58, 322 (324); aus dem Schrifttum statt vieler Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 22 Rn 2; BeckOK HGB/Bömeke § 22 Rn 2 f.; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 7; Lindacher BB 1977, 1676 f mwN. 6 AA K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 103 f. Danach ist die Firmenbeständigkeit eine eigenständige Regel, die durch die Firmenwahrheit begrenzt wird. 7 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 7. 131
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§ 22
1. Buch. Handelsstand
Die herrschende Auffassung ist freilich insofern weniger liberal, weswegen sie die Hauptbedeutung von § 22 nach wie vor in der Fortführung von Personenfirmen sieht. 7 Selbst wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, ist § 22 freilich keineswegs überflüssig. Das zeigt folgende Überlegung: Wäre eine Firmenfortführung nicht gestattet, dann müsste ein bisher nicht kaufmännischer Erwerber eine neue Firma annehmen. Die neue Firma könnte zwar der bisherigen Firma nachgebildet werden, wenn der Veräußerer sie aufgibt bzw. löscht, so dass § 30 nicht entgegensteht, und der Veräußerer, falls es sich um eine Personenfirma handelt und der Veräußerer Namensgeber ist, die Firmenführung namensrechtlich gestattet (Rn 42 ff). Eine solcher „Firmenwechsel“ verstieße aber gegen § 18 Abs. 2, weil dem Verkehr eine in Wirklichkeit fehlende Kontinuität des Unternehmensträgers vorgespiegelt würde. Dabei hinge es insbes. von der Eigenart und Bekanntheit der gelöschten Firma ab, welche Zeitspanne zwischen Erlöschen der alten und (Nach-)Bildung der neuen Firma verstreichen müsste, damit eine Irreführung ausgeschlossen wäre (s. § 18 Rn 39). Ein Erhalt des Firmenwerts auf diesem Wege wäre daher ausgeschlossen. Überdies bewirkt die Firmenfortführung einen Erhalt der Firmenpriorität (Rn 83), die bei einer Firmenneubildung verloren ginge. 8 Fazit: Die bleibende Bedeutung des § 22 besteht also darin, die Erhaltung des Firmenwerts und der Firmenpriorität zu ermöglichen. Dafür wird hingenommen, dass eine Firmenfortführung ohne Nachfolgezusatz geeignet ist, den Verkehr über die Kontinuität des Unternehmensträgers zu täuschen.
V. Verhältnis zu § 18 Abs. 2 9 Vorstehende Überlegungen sind für die Frage des Verhältnisses von § 22 zu § 18 Abs. 2 bedeutsam: Der Grundsatz der Firmenbeständigkeit durchbricht den Grundsatz der Firmenwahrheit nur hinsichtlich des Inhaberwechsels. Zugelassen wird zum einen, dass der Verkehr sich über die Kontinuität des Unternehmensträgers täuscht. Das ist aus zwei Gründen hinnehmbar. Erstens identifiziert der Verkehr die Firma eher mit dem Unternehmen als mit dem Unternehmensträger. Ohne das Unternehmen aber darf die Firma nicht übertragen werden (§ 23). Daher muss wenigstens der Unternehmenskern auf den neuen Inhaber übergehen (näher Rn 17 ff). Zweitens muss der Rechtsformzusatz angepasst werden, wenn er infolge des Inhaberwechsels unrichtig geworden ist (näher Rn 87 ff). Dadurch wird der Verkehr jederzeit über die aktuellen Haftungsverhältnisse informiert. Zugelassen wird zum anderen, dass der Grundsatz der Firmenwahrheit im Blick auf die Personenfirmen bzw. personale Firmenbestandteile durchbrochen wird. In dieser Hinsicht liegt eine Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit freilich nur vor, wenn man nicht der hier vertretenen liberalen Auffassung (o. Rn 6, § 18 Rn 56, 59) folgt. 10 In jeder anderen Hinsicht bleibt der Grundsatz der Firmenwahrheit dagegen unberührt: War die Firma schon vor dem Inhaberwechsel irreführend, darf sie nicht fortgeführt werden (Rn 24). Wird der Rechtsformzusatz infolge des Inhaberwechsels (oder später) unrichtig, muss er geändert werden (Rn 87 ff). Werden Sachbestandteile der Firma unrichtig, müssen sie ebenfalls geändert werden (näher Rn 99 f). Das gleiche gilt für alle sonstigen Firmenbestandteile mit Ausnahme von personalen Bestandteilen. Schließlich ist der Inhaberwechsel in das Handelsregister einzutragen (§ 31 Abs. 1), so dass sich der Verkehr dort jederzeit über den aktuellen Inhaber informieren kann. Nach allem ist die von § 22 bewirkte Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit – vor allem wenn man der hier vertretenen Ansicht zur Zulässigkeit der Firmierung mit Namen von Unternehmensgründern und ehemaligen Gesellschaftern (Rn 6, § 18 Rn 56, 59) folgt – geradezu marginal.
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VI. Anwendungsbereich § 22 gilt für alle Firmen, unabhängig davon, ob es sich um eine Personen-, Sach-, Phantasie- 11 oder Mischfirma handelt,8 und auch unabhängig von der Rechtsform des Unternehmensträgers. Zwar bezieht sich die Bestimmung ihrem Wortlaut nach nur auf die Firma des Einzelkaufmanns. Ihre Geltung für Handelsgesellschaften und Formkaufleute folgt jedoch aus § 6 Abs. 1 und 2 und für den VVaG aus § 172 VAG (Vor § 17 Rn 10). Schließlich gilt § 22 auch für juristische Personen i.S.d. § 33, wenn also spw. eine öffentliche Körperschaft ihr unter einer Firma betriebenes Handelsgeschäft veräußert.9 Hinsichtlich des Namens der Partnerschaft verweist § 2 Abs. 2 PartGG dagegen nur auf § 22 Abs. 1, weil der Gesetzgeber kein Bedürfnis sah, „die Nutzungsüberlassung von Partnerschaften namensrechtlich zu fördern“.10 Diese Entscheidung ist zu Recht auf Kritik gestoßen.11 Ohne Einschränkung gilt § 22 künftig für eingetragene BGB-Gesellschaften, § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG. Besonders geregelt ist die Firmenfortführung bei Verschmelzungsund Spaltungsvorgängen (s. dazu Anh. zu § 22) sowie beim Formwechsel (dazu Anh. zu § 21). Eine analoge Anwendung des § 22 auf Minderfirmen und Geschäftsbezeichnungen 12 (zum Begriff § 17 Rn 15 ff) kommt (abseits des § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG) nicht in Betracht.12 Die Fortführung einer Minderfirma oder Geschäftsbezeichnung ist bei Eintragung daher als Firmenneubildung zu behandeln. Gleichwohl kann der Erwerber nach hier vertretener Ansicht den Namen des Unternehmensgründers grundsätzlich zur Firmenbildung verwenden (§ 18 Rn 56, 59), wenn dieser damit einverstanden ist. Ein Nachfolgezusatz kann allerdings, weil irreführend, nicht in die Firma aufgenommen werden (§ 18 Rn 58).13 Soll dieses Ergebnis vermieden werden, steht es dem Veräußerer frei, vor der Veräußerung eine Eintragung nach § 2 zu bewirken.
B. Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 I. Erwerb eines bestehenden Handelsgeschäfts 1. Handelsgeschäft In seinem unmittelbaren Anwendungsbereich setzt § 22 Abs. 1 den Erwerb eines Handelsge- 13 schäfts voraus. Dabei ist mit dem Terminus „Handelsgeschäft“, anders als in den §§ 343 ff, ein Unternehmen gemeint.14 Das Unternehmen muss von einem Kaufmann i.S.d. §§ 1 ff betrieben werden, weil es in § 22 um die Fortführung einer Firma geht und ein Recht zur Firmenführung nur Kaufleuten zusteht (§ 17 Rn 9 ff). Worauf die Kaufmannseigenschaft beruht, nämlich auf § 1 Abs. 2 oder auf § 2 S. 1, § 3 Abs. 2, § 105 Abs. 2 S. 1 i.V.m. einer Handelsregistereintragung oder auf § 6 i.V.m. einer spezialgesetzlichen Bestimmung (also insbes. § 3 Abs. 1 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG), ist unerheblich. Die Kaufmannseigenschaft muss zum Erwerbszeitpunkt bestehen. Zu beachten ist, dass die Aufgabe des Geschäftsbetriebs bzw. sein Absinken auf kleingewerbliches
8 BeckOK HGB/Bömeke Rn 6. 9 BayObLG OLGR 42, 210; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Hopt/Merkt Rn 1. 10 Begr RegE, BT-Drucks. 12/6152, 12. 11 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; MünchKommBGB/Schäfer § 2 PartGG Rn 21; Meilicke/von Westphalen/Hoffmann/Lenz/Wolff PartGG § 2 Rn 21. 12 Str., wie hier BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421; LG Berlin NZG 2005, 443; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 21; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 5, 15; aA Canaris Handelsrecht § 11 Rn 52; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; wohl auch K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 105 ff.; für eine vermittelnde Ansicht BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 14. 13 Entgegengesetzt Canaris Handelsrecht § 11 Rn 53: Muss Nachfolgezusatz verwenden. 14 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; BeckOK HGB/Bömeke Rn 9. 133
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Niveau bei fehlender Handelsregistereintragung von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften zum Verlust der Kaufmannseigenschaft, der Firmenfähigkeit (§ 17 Rn 10) und damit zum Verlust der Firma führen. In diesen Fällen kann die (Minder-)Firma schon aus diesem Grund nicht i.S.d. § 22 fortgeführt werden (s. schon Rn 12). Liegt eine Eintragung vor, führt dagegen erst die Löschung der Firma gem. §§ 2 S. 3, 31 Abs. 2 bzw. die Vollbeendigung der Handelsgesellschaft zum Verlust der Kaufmannseigenschaft (§ 17 Rn 10).
2. Bestehen des Handelsgeschäfts 14 a) Grundlagen. § 22 Abs. 1 bestimmt ausdrücklich, dass das Handelsgeschäft bestehen muss, und zwar zum Zeitpunkt des Inhaberwechsels. Sinn und Zweck dieses Erfordernisses ist es, eine Umgehung der Firmenbildungsvorschriften einerseits und des Veräußerungsverbots von § 23 andererseits auszuschließen. An dem Bestehen eines Handelsgeschäfts fehlt es daher bei einer bloßen Scheingründung.15 Daran ändert auch eine etwaige Eintragung in das Handelsregister nichts.16 Es gilt zudem das Telos von § 22 (Rn 3) im Blick zu behalten. Wurde mit einem Geschäftsbetrieb noch gar nicht begonnen, kann es auch noch keinen Good Will geben, dessen Nutzung eine Firmenfortführung rechtfertigen würde. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt ist. Solange die Kaufmannseigenschaft fortbesteht (o. Rn 13), schadet dagegen eine bloß vorübergehende Betriebseinstellung nicht, andernfalls würde gerade den Inhabern notleidender Unternehmen die Möglichkeit genommen, einen wesentlichen Vermögenswert zu realisieren. Auch der Verlust des Betriebsvermögens allein rechtfertigt daher nicht die Annahme, das Unternehmen habe aufgehört zu bestehen (zur Veräußerung durch den Insolvenzverwalter vgl. Rn 16). Für die Abgrenzung kommt es auf die sog. Betriebsfähigkeit an: Solange die betriebliche Organisation sowie die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden etc. fortbestehen und daher die Wiederaufnahme der Tätigkeit objektiv möglich erscheint, solange besteht das Handelsgeschäft i.S.d. § 22.17
15 b) Liquidation. Zu unterscheiden ist zwischen der Liquidation des Unternehmens als einem wirtschaftlichen, rechtlich nicht geregelten Vorgang und der Liquidation des Unternehmensträgers als einem gesetzlich geordneten, auf die Vollbeendigung von Gesellschaften abzielenden Verfahren. Zwar kann die Liquidation der Gesellschaft als Unternehmensträgerin mit der Liquidation des Unternehmens tatsächlich zusammenfallen, doch ist die rechtliche Bedeutung beider Vorgänge verschieden.18 Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Beendigung des Unternehmens nicht zugleich die Vollbeendigung der Gesellschaft bedeutet. Für die Liquidation des Unternehmens gelten die in Rn 14 dargestellten Grundsätze, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um das Unternehmen eines Einzelkaufmanns oder einer Gesellschaft (OHG, KG, AG, GmbH) handelt. Entscheidend ist also nicht, wie weit die Verwertung des dem Unternehmen gewidmeten Vermögens oder die Befriedigung der Gläubiger fortgeschritten ist, sondern ob die
15 Beispiel: ROHG 6, 246 (A. W. Faber); RG JW 1927, 1074; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 29; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn. 6. 16 MünchKommHGB/Heidinger Rn 9; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 11 ff; Staub/Hüffer4 Rn 5 und § 23 Rn 8. 17 RGZ 110, 422 (424); RGZ 170, 265 (274); BGHZ 32, 307 (312); BGH NJW 1972, 2123; BGH NJW 1992, 911; BGH BB 1973, 210; KGJ 13, 35 (37); KG JW 1939, 163; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Staub/Hüffer4 Rn 5; Heymann/Förster Rn 6; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. 18 Bei den Personengesellschaften und bei der GmbH kann in der Abwicklung des Unternehmens im Einzelfall ein Auflösungsbeschluss gefunden werden, weil der Beschluss formlos gefasst werden kann und auch die Registereintragung keine konstitutive Bedeutung hat; anders bei der AG, vgl. §§ 262 Abs. 1 Nr. 2, 130 AktG; für die GmbH Baumbach/Hueck/Haas GmbHG § 60 Rn 18 f; vgl. zu der Erforderlichkeit eines Auflösungsbeschlusses bei der AG s. KGJ 45 A, 178 (179); BAG ZIP 1998, 1284 (1286); Hüffer/Koch AktG § 262 Rn 10 f. Burgard
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unternehmerische Tätigkeit wegen Fortdauer des Unternehmenskerns wieder aufgenommen werden kann. Solange das der Fall ist, kann das Unternehmen als „bestehendes Handelsgeschäft“ i.S.d. § 22 mit dem Recht zur Firmenfortführung veräußert werden. Der Eintritt der Gesellschaft selbst, also des Unternehmensträgers, in das Liquidationsstadium steht für sich genommen der Unternehmensveräußerung in keinem Fall im Wege. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die AG und die GmbH bis zur Vollbeendigung ihre rechtliche Identität und damit ihre Firma behalten und deshalb bis zu diesem Zeitpunkt durch Erwerb der Mitgliedschaftsrechte ein dem Unternehmenskauf wirtschaftlich teilweise vergleichbares Ergebnis auch dann noch erzielt werden kann, wenn eine betriebsfähige Wirtschaftseinheit nicht mehr besteht (sog. Mantelverwertung, dazu Rn 22).
c) Insolvenz. Nicht das Unternehmen fällt in die Insolvenz, sondern der Unternehmensträger. 16 Ähnlich wie der Eintritt einer Gesellschaft in das Liquidationsstadium lässt deshalb die bloße Tatsache der Insolvenzeröffnung den Bestand des Unternehmens unberührt und kann folglich den Insolvenzverwalter nicht hindern, das Unternehmen mit der Firma zu veräußern (s. ferner Rn 17 a.E.). Entscheidend für das Bestehen des Unternehmens im Sinne des § 22 ist auch hier, ob die Fortdauer der Betriebsfähigkeit durch den Bestand des Unternehmenskerns gewährleistet ist (Rn 14). Diese Voraussetzung kann selbst nach Beendigung des Insolvenzverfahrens noch erfüllt sein, so dass eine Veräußerung des Unternehmens mit der Firma auch durch den ehemaligen Gemeinschuldner in Betracht kommt.19 3. Erwerb des Unternehmenskerns a) Grundlagen. Damit die Fortführung der Firma durch den Erwerber zulässig ist, muss nach 17 allg. Meinung das ganze Handelsgeschäft übertragen werden.20 Grund dafür ist der Grundsatz der Firmenwahrheit: Zwar wird dieser Grundsatz von § 22 insofern durchbrochen, als die Firma trotz Inhaberwechsels fortgeführt werden darf (Rn 9). Der Verkehr versteht die Firma entgegen § 17 Abs. 1 jedoch weniger als Namen des Kaufmanns denn als Kennzeichnung des Unternehmens (Vor § 17 Rn 3). Eine Fortführung der Firma ohne Kontinuität des Unternehmens wäre daher in doppelter Weise zur Irreführung geeignet. Daraus folgt allerdings zugleich, dass es ausreicht, wenn der Unternehmenskern übertragen wird. Dazu gehören neben den Einrichtungen, die zur Betriebsfähigkeit erforderlich sind, vor allem die – ggf. verschiedenen – Tätigkeitsbereiche, mit denen der Unternehmensträger am Markt auftritt.21 M.a.W. muss der neue Inhaber objektiv in die Lage versetzt werden, die geschäftliche Tradition seines Vorgängers fortzusetzen,22 dessen geschäftliche Leistung nach der Übertragung selbst zu erbringen.23 Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, hängt von der Art des Unternehmens ab. Während es bei einem Unternehmen des Warenhandels ausreichen kann, dass der Erwerber zumindest in die Beziehungen zu Lieferanten und Kunden eingesetzt wird, muss er bei einem Fabrikationsunternehmen in die Verfahrenstechnik eingewiesen, zur Nutzung technischer Schutzrechte befugt und in den Stand versetzt werden, die notwendige Betriebsausrüstung zu gebrauchen. Un19 KG JW 1929, 1059 m. Anm. Saenger. 20 BGH NJW 1991, 1353 (1354); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 8; Heymann/Förster Rn 7; Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/von Westphalen/Haas/Ries Rn 11; MünchKommHGB/Heidinger Rn 15. 21 RGZ 68, 295; RGZ 147, 332 (338); RGZ 169, 133 (136); BGH NJW 1972, 2123; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 11. 22 BGH BB 1977, 1015 f. 23 RGZ 63, 226 (229); 68, 294 (295); BGH JR 1978, 67 f m. Anm. Hommelhoff; BGH NJW-RR 1990, 1318 (1319) zu § 16 UWG; Heymann/Förster Rn 8; MünchKommHGB/Heidinger Rn 15. 135
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erheblich ist dagegen, ob der Erwerber das Unternehmen tatsächlich fortführt oder zur Fortführung auch nur willens ist, da die künftige wirtschaftliche Entwicklung nicht behindert werden und die Berechtigung zur Firmenfortführung schon aus Gründen der Rechtssicherheit nicht nachträglich entfallen soll (näher Rn 106 f). Allerdings können Änderungen des Unternehmens zu Firmenänderungen zwingen (näher Rn 99 f). Nicht notwendig ist der Erwerb sämtlicher Aktiva und Passiva, weil es auf das Unternehmen als Tätigkeitsbereich und nicht als Zusammenfassung von Vermögenswerten ankommt. Es ist daher unschädlich, wenn bspw. Beteiligungen an anderen Unternehmen oder gewerbliche Schutzrechte, die zum Betrieb des Unternehmens nicht erforderlich sind, nicht mitübertragen werden. Auch kann das Unternehmen ohne dazugehörige Verbindlichkeiten und Forderungen erworben werden, wie schon die Regelung des § 25 zeigt.24 Schließlich können auch solche Unternehmensteile bei dem bisherigen Inhaber verbleiben, die aus dem Blickwinkel des Verkehrs das Gesamtunternehmen nicht prägen, sondern nur von untergeordneter Bedeutung sind.25 Davon zu unterscheiden sind Fälle, in denen das Gesamtunternehmen aus mehreren gleichgewichtigen Geschäftsbereichen besteht (ohne dass diese als wirtschaftlich selbständige Unternehmen anzusehen sind, dazu Rn 18 f). Kein Unternehmenserwerb, der zur Firmenfortführung berechtigt, liegt daher vor – Einzelfälle: wenn zum Unternehmen ein Holzverarbeitungsbetrieb und ein Campingplatz mit Einrichtung gehören und die Holzverarbeitung nicht mitübertragen wird;26 wenn beim Veräußerer der Vertrieb von Petroleum und Beleuchtungskörpern vereinigt war und nur einer dieser Geschäftszweige veräußert wird;27 wenn eine Buchhandlung das Sortiments- und das Verlagsgeschäft betreibt und nur die Verlagsabteilung abgegeben wird;28 wenn ein Unternehmen zwischen den Bereichen Verlag und Druckerei geteilt wird;29 wenn nur eine Verkaufsstelle veräußert wird.30 Im Fall der Liquidation oder Insolvenz des übertragenden Unternehmensträgers sind allerdings im Interesse einer wirtschaftlich sinnvollen Verwertung der vorhandenen Vermögenswerte weniger strenge Anforderungen an den Umfang der übertragenen Unternehmensteile zu stellen als wenn der übertragende Unternehmensträger seine werbende Tätigkeit fortsetzen will.31 Zur Firmierung des Veräußerers im Insolvenz- bzw. Liquidationsfall s. Rn 67 ff.
18 b) Mehrere Unternehmen eines Kaufmanns. Von vorstehender Konstellation zu unterscheiden ist der Fall, dass ein Kaufmann mehrere wirtschaftlich selbständige Unternehmen betreibt. Handelt es sich um einen Einzelkaufmann, kann, ja muss er nach herrschender, wenngleich unzutreffender Ansicht diese verschiedenen Unternehmen unter verschiedenen Firmen betreiben (Vor § 17 Rn 39 ff). Jedes von ihnen ist dann als Handelsgeschäft i.S.d. § 22 anzusehen und kann daher separat mit dem Recht zur Firmenfortführung übertragen werden.32 Handelt es sich bei dem Kaufmann dagegen um eine Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft, so kann diese auch nach herrschender Meinung selbst dann nur eine Firma führen, wenn die Gesellschaft mehrere wirtschaftlich selbständige Unternehmen betreibt. In diesem Fall kann nur eines der Unternehmen, mehrere oder alle gemeinsam mit dem Recht zur Firmenfortführung übertragen
24 RG JW 1896, 36; RG JW 1904, 99; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 12; Schlegelberger/Hildebrandt/ Steckhan Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 9; Heymann/Förster Rn 9. 25 RG Warneyer 1933 Nr. 97; BGH WM 1957, 1152; BGH BB 1977, 1015 f. 26 BGH BB 1977, 1015 = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff. 27 RGZ 56, 187. 28 KGJ 13, 28. 29 BGH WM 1957, 1152 (1154 f). 30 OLG München JFG 13, 388. 31 BGH NJW 1991, 1353 (1354); Heymann/Förster Rn 10; BeckOK HGB/Bömeke Rn 12; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 13; Hopt/Merkt Rn 3 f.; kritisch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. 32 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; MünchKommHGB/Heidinger Rn 17; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 11. Burgard
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werden.33 Anders gewendet, kann das Recht zur Fortführung einer Firma nur einmal übertragen werden; denn grundsätzlich (zu Ausnahmen s. sogleich Rn 19) darf eine Firma nicht vervielfältigt werden.
c) Haupt- und Zweigniederlassung. Eine gewisse Ausnahme zu dem Verbot einer Vervielfäl- 19 tigung der Firma folgt allerdings aus dem gewohnheitsrechtlich anerkannten Handelsbrauch, wonach Haupt- und Zweigniederlassungen wegen ihrer organisatorischen Verselbständigung als jeweils selbständige Handelsgeschäfte i.S.d. § 22 anzusehen sind. Das hat zur Folge, dass Haupt- und Zweigniederlassungen jeweils unabhängig voneinander mit dem Recht zur Firmenfortführung übertragen werden können. Es kann also die Hauptniederlassung ohne die Zweigniederlassung und umgekehrt das Zweiggeschäft ohne das Hauptgeschäft mit dem Recht zur Fortführung der (jeweiligen) Firma veräußert werden.34 4. Erwerbsformen Wie der Wortlaut des § 22 klarstellt, kann sich der Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden 20 oder von Todes wegen vollziehen. Als Erwerb unter Lebenden kommt nur ein rechtsgeschäftlicher Erwerb in Betracht; zur Umwandlung vgl. Anh. zu § 22. Zumeist liegt entweder ein Unternehmenskaufvertrag oder ein Gesellschaftsvertrag vor, der den bisherigen Inhaber verpflichtet, das Unternehmen im Rahmen einer Sachgründung einzubringen. In Betracht kommen ferner ein Tausch- oder Schenkungsvertrag sowie ein Vertrag über die Auseinandersetzung einer Miterbengemeinschaft. Die Art des Verpflichtungsgeschäfts ist für § 22 jedoch gleichgültig.35 Unerheblich ist auch, welche Vollzugsgeschäfte notwendig sind. Das richtet sich nach dem Verpflichtungsumfang und der Art des Unternehmens. Entscheidend für die Befugnis zur Firmenfortführung ist allein, dass ein Wechsel des Unternehmensträgers in der Art stattfindet, dass der Erwerber in die Lage versetzt wird, die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers mit der von diesem geschaffenen Wirtschaftseinheit fortzusetzen und umgekehrt dem Veräußerer diese Einheit nicht mehr zur Verfügung steht. Dementsprechend ist ein Übergang des Unternehmensvermögens für § 22 nur insoweit zu fordern, als die Vermögenswerte zur Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit erforderlich sind (Rn 17). Der Erwerb von Todes wegen vollzieht sich im Wege gesetzlicher oder gewillkürter Erbfol- 21 ge. Die Zuwendung in Form eines Vermächtnisses begründet gem. § 2174 BGB dagegen nur eine Forderung des Vermächtnisnehmers gegen den oder die Erben, muss also durch Rechtsgeschäft unter Lebenden umgesetzt werden. Zu den damit verbundenen Fragen, besonders zum Erwerb durch eine Erbengemeinschaft und zur Testamentsvollstreckung, s. § 27 Rn 76 ff, 91 ff, 104 ff. Kein Erwerbstatbestand im Sinne des § 22 ist die Auswechselung sämtlicher Gesell- 22 schafter einer Personenhandelsgesellschaft; denn Inhaber des Unternehmens bleibt die Gesellschaft. Ein Wechsel des Unternehmensträgers findet daher nicht statt. Eine Fortführung der Firma ist mithin unabhängig von den Voraussetzungen des § 22 zulässig.36 Vielmehr greift ggf. § 24 ein. Das Gleiche gilt für den Erwerb sämtlicher Anteile an einer Kapitalgesellschaft, gleichgültig, ob unter Lebenden oder von Todes wegen. Auch bei dem Erwerb einer sog. Vorratsgesellschaft oder einer sog. Mantelgesellschaft kommt es daher für das Recht zur Firmen33 Staub/Hüffer4 § 17 Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18. 34 RGZ 77, 60; BGH DB 1957, 893 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 13; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 35. 35 Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. 36 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 23, wonach zwischen dem Kauf des Unternehmens und dem Kauf von allen Gesellschaftsanteilen zu unterscheiden ist; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. 137
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fortführung nicht auf die Voraussetzungen des § 22 an.37 Die Firma kann daher insbes. selbst dann fortgeführt werden, wenn ein Geschäftsbetrieb nie aufgenommen oder schon lange eingestellt ist.38 Zwar handelt es sich wirtschaftlich betrachtet um eine Neugründung. Entgegen höchstrichterlicher Rechtsprechung39 rechtfertigt das jedoch nicht die Anwendung der kapitalgesellschaftsrechtlichen Gründungsvorschriften.40 Schon gar nicht ist eine Firmenneubildung erforderlich, allenfalls bei einer Sachfirma eine Firmenänderung.41 S. ferner § 23 Rn 16 f.
II. Bisherige Firmenführung 1. Bisherige Firma 23 Nach § 22 darf der Erwerber die „bisherige Firma“ fortführen. Gemeint ist damit die zum Erwerbszeitpunkt tatsächlich geführte Firma. Nicht in Betracht kommt daher eine Fortnutzung früherer Firmen des bisherigen Unternehmensträgers. Von § 22 erfasst werden zudem nur Firmen i.S.d. Handelsrechts (s. auch Rn 11). Minderfirmen von Nichtkaufleuten oder Geschäftsbezeichnungen fallen nicht darunter. Auch aus diesem Grund muss der bisherige Unternehmensträger daher Kaufmann und damit firmenfähig sein. Handelt es sich um einen Kleingewerbetreibenden oder Land- bzw. Forstwirt, muss die Firma daher, damit sie nach § 22 fortgeführt werden kann, im Handelsregister gem. §§ 2, 3 Abs. 2 eingetragen sein. Andernfalls muss der Erwerber eines solchen Unternehmens die Firma nach §§ 18 f neu bilden, wenn er die Handelsregistereintragung herbeiführt (s. schon Rn 12).
2. Rechtmäßigkeit der bisherigen Firmenführung 24 Durfte die Firma von dem bisherigen Unternehmensträger nicht geführt werden, darf sie auch nicht fortgeführt werden. Die Rechtmäßigkeit der bisherigen Firmenführung ist also Voraussetzung für die Firmenfortführung.42 Als ursprüngliche Firma muss die fortzuführende Firma also insbes. den §§ 18, 19 entsprechen. Handelt es sich bei der fortzuführenden Firma selbst bereits um eine fortgeführte Firma, so müssen bei allen vorangegangenen Erwerbsvorgängen die Voraussetzungen des § 22 erfüllt sein.43 Durch den Erwerbsvorgang wird die Rechtswidrigkeit der Firmenführung mithin grundsätzlich nicht geheilt.44 Eine Art „gutgläubigen Firmenerwerb“ gibt es ebenso wenig wie eine Art „Firmenersitzung“: Weder nutzt dem Erwerber ein guter Glaube an die Zulässigkeit der bisherigen Firmenführung, noch nutzt ihm der Umstand, dass die unzulässige Firma über einen langen Zeitraum geführt wurde;45 denn das öffentliche Interesse am Gebrauch rechtmäßiger Firmen schwindet nicht durch Zeitablauf und kann auch nicht durch die wirtschaftliche Bedeutung verdrängt werden, die die unzulässige Firma für ihren Inhaber inzwischen er-
37 Näher dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reschle Rn 10; MünchKommHGB/Heidinger Rn 11; BeckOK HGB/ Bömeke, Rn. 18.
38 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; Staub/Hüffer4 Rn 6. 39 BGHZ 153, 158; BGHZ 155, 318. 40 K. Schmidt NJW 2004, 1345; kritisch ferner mit Unterschieden etwa Priester ZHR 168 (2004), 248; Altmeppen NZG 2003, 145 ff. 41 Unstr., statt aller Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 42 Allg. M., BGHZ 30, 288 (291 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; Hopt/Merkt Rn 7; Oetker/Schlingloff Rn 10; BeckOK HGB/Bömeke Rn 20. 43 RGZ 25, 1 (4 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; Staub/Hüffer4 Rn 16. 44 Staub/Hüffer4 Rn 16; sowie etwa BeckOK HGB/Bömeke Rn 20; HKzHGB/Ruß Rn 7. 45 BGHZ 30, 288 (293); BGH BB 1980, 69 f; OLG Frankfurt a.M. DB 1980, 1210 f; Staub/Hüffer4 Rn 16; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. Burgard
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langt haben mag.46 Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen kommt nur dann in Betracht, wenn zwar der bisherige Unternehmensträger die Firma nicht führen durfte, wohl aber der neue Unternehmensträger dazu berechtigt wäre, dieser also die bisherige Firma auch neu bilden könnte.47 Führt der neue Unternehmensträger unberechtigterweise die rechtswidrige Firma des bisherigen Unternehmensträgers fort, dann ist dieser denselben Unterlassungsbegehren und sonstigen Rechtsfolgen (nach § 37 und anderen Vorschriften) ausgesetzt wie jener.
3. Eintragung und Löschung der Firma Auf die Eintragung der bisherigen Firma in das Handelsregister kommt es nur an, wenn da- 25 von die Firmenfähigkeit des bisherigen Unternehmensträgers abhängt, also insbes. in den Fällen der §§ 2, 3 Abs. 2.48 War der bisherige Unternehmensträger dagegen Kaufmann gem. § 1 Abs. 2, dann kann die bisherige Firma auch dann fortgeführt werden, wenn sie entgegen § 29 nicht in das Handelsregister eingetragen wurde.49 Der Erwerber ist dann gem. § 29 verpflichtet, die Eintragung herbeizuführen. Und der Veräußerer ist verpflichtet, an dem Eintragungsverfahren mitzuwirken.50 Schließlich ist zu bemerken, dass die Handelsregistereintragung eine etwaige Rechtswidrigkeit der Firmenführung ebenfalls nicht zu heilen vermag (Rn 24). Entsprechendes gilt bei Löschung der Firma. Der in der Löschung liegende Registervor- 26 gang ist von dem Erlöschen der Firma als seiner materiell-rechtlichen Folge zu unterscheiden. Nur wenn das materielle Recht die Eintragung zur Firmenvoraussetzung macht, erlischt sie mit der Löschung. Daraus ergibt sich: Wird die Firma von Einzelkaufleuten und von Personenhandelsgesellschaften, die die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllen, zu Unrecht gelöscht, so besteht sie gleichwohl weiter und kann gem. § 22 fortgeführt werden.51 Hängt dagegen das Vorliegen eines Handelsgewerbes von der Eintragung ab (§§ 2, 3 Abs. 2), so bewirkt eine Löschung auch das Erlöschen der Firma, so dass eine Fortführung nicht möglich ist.52 Die unberechtigte Löschung einer Kapitalgesellschaft oder einer Genossenschaft führt nicht zum Erlöschen der Firma. Es handelt sich um Formkaufleute, deren Firmenfähigkeit nicht von dem Bestand oder dem Umfang ihres Unternehmens abhängt und deren Firmen solange fortbestehen wie der Rechtsträger selbst existiert. Deren Existenz endet nach zutreffender herrschender Meinung aber grundsätzlich erst mit Vermögenslosigkeit und Löschung (§ 17 Rn 48).53
III. Einwilligung in die Fortführung 1. Rechtsnatur der Einwilligung, Abgrenzung zum Verpflichtungsgeschäft und der namensrechtlichen Gestattung Das Recht des Unternehmenserwerbers zur Fortführung der Firma hängt davon ab, dass der 27 bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung „ausdrücklich willigen“. Diese Formulie46 BGHZ 30, 288 (293 ff); BGH BB 1980, 69 f = RPfleger 1979, 377; OLG Frankfurt DB 1980, 1210 f. 47 BGH NJW 1985, 736 (737) = WM 1985, 165; OLG Hamm DB 1973, 2034 (2035); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 22 a.E.; Hopt/Merkt Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17.
48 MünchKommHGB/Heidinger Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. 49 RGZ 65, 14 (15); BayObLGZ 1978, 182 (184); BayObLGZ 1988, 344 = NJW-RR 1989, 421; Staub/Hüffer4 Rn 17; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; MünchKommHGB/Heidinger Rn 29.
50 RGZ 65, 14 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23 a.E. 51 MünchKommHGB/Heidinger Rn 30; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 19; Staub/Hüffer4 Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 18.
52 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; Staub/Hüffer4 Rn 18; MünchKommHGB/Heidinger Rn 30. 53 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 30; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; ferner etwa Altmeppen GmbHG § 65 Rn 19 mwN. 139
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rung stammt noch aus Art. 22 ADHGB und besagt nichts über die Rechtsnatur dieser (Ein-)Willigung. Die Rechtsnatur war umstritten. Praktischer Hintergrund des Meinungsstreits war die Frage, ob der Konkursverwalter die Einwilligung gegen den Willen des Gemeinschuldners erteilen kann (dazu Rn 54 ff). Dogmengeschichtlich geht die Kontroverse auf die gleichfalls streitige Beurteilung der Natur des Firmenrechts zurück (dazu § 17 Rn 50). 28 Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts war die Einwilligung in die Firmenfortführung nicht als dinglich wirkende Übertragung des Rechts an der Firma einzuordnen, sondern als bloße schuldrechtliche Gestattung des Firmengebrauchs unter gleichzeitigem Verzicht auf die eigene störende Weiterbenutzung der Firma.54 Im Schrifttum folgte nur eine Mindermeinung55 der Auffassung des RG. Die heute wohl einhellige Lehre ordnet die Einwilligung in die Firmenfortführung dagegen zu Recht als Übertragungsvertrag i.S.d. §§ 398, 413 BGB ein.56 Dem hat sich der BGH nunmehr angeschlossen.57 Der Erwerber wird damit Rechtsnachfolger des Veräußerers hinsichtlich des Firmenrechts. Von diesem dinglich wirkenden Übertragungsvertrag zu unterscheiden ist das kausale 29 Grundgeschäft, durch welches sich der bisherige Inhaber des Firmenrechts zu dessen Übertragung verpflichtet.58 Dieses schuldrechtliche Grundgeschäft wird regelmäßig in dem Vertrag enthalten sein, aufgrund dessen der Erwerber das Handelsgeschäft erwirbt. Zwingend erforderlich ist das jedoch nicht. Schließlich bedarf es neben dem schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag (Rn 29) und dem 30 dinglichen Erfüllungsvertrag (Rn 33 ff) einer weiteren Abrede, nämlich einer vertraglichen Gestattung des Namensgebrauchs (dazu Rn 42 ff).
2. Ausdrückliche Erklärung 31 § 22 setzt eine ausdrückliche Erklärung des bisherigen Firmeninhabers oder seiner Erben voraus. Damit wird die Wahl der Erklärungsmittel nicht beschränkt, namentlich weder eine besondere Form noch der Gebrauch bestimmter Worte verlangt. Vielmehr geht es um die Eindeutigkeit der Willenserklärung.59 Allein in der Verpflichtung zur Übertragung des Unternehmens oder auch in der Übertragung des Unternehmens selbst ist eine solche eindeutige Erklärung nicht zu finden, weil die Übertragung auch ohne das Recht zur Fortführung der Firma erfolgen kann. Auch die bloße Duldung der Firmenfortführung reicht nicht aus.60 Eine hinreichend eindeutige Erklärung liegt aber in der Mitwirkung des bisherigen Inhabers bei der Anmeldung des Inhaberwechsels nach § 31 Abs. 1.61 Wenngleich sich das Ausdrücklichkeitserfordernis lediglich auf die dingliche Übertragung (Rn 27) bezieht, so entspricht es doch dem Interesse des Erwerbers, schon beim Abschluss des Übertragungsvertrags auf eine unzweideutige und dem Registerge-
54 RGZ 9, 104 (106); RGZ 107, 31 (33); vgl. auch KG RJA 5, 186; OLG Nürnberg BB 1966, 1121. 55 Pisko Ehrenbergs Hdb. Bd. II 1, 289; Staub/Würdinger3 Rn 33. 56 BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 23; Staub/Hüffer4 Rn 24; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27; MünchKommHGB/Heidinger Rn 33; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19; Hopt/Merkt Rn 9; Köhler DStR 1996, 510 (511); sowie schon Adler ZHR 85 (1921), 93 (120 ff); Forkel FS Paulick, 101 ff; Strohm FS E. Ulmer, 333 (336). 57 BGH – II ZB 21/17, BGHZ 224, 72 Rn 17 = NJW-RR 2020, 431 = GmbHR 2020, 425 m. Anm. Heckschen; zunächst nur beiläufig in BGHZ 10, 196 (204), wo von einer Übertragung der Firma die Rede. Vgl. aber noch Rn 39. 58 Oetker/Schlingloff Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Staub/Hüffer4 Rn 30; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19. 59 RG SeuffArch 67, 72; RGZ 111, 316 f; RGZ 138, 52 (54); Oetker/Schlingloff Rn 12; Hopt/Merkt Rn 9; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 7; BeckOK HGB/Bömeke Rn 24. 60 KG RJA 5, 185 (187); OLG Düsseldorf HRR 1936 Nr. 407; BGH NJW 1994, 2025 (2026) m. Anm. Dreher EWiR 1994, 693 f; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; HKzHGB/Ruß Rn 8; BeckOK HGB/Bömeke Rn 24. 61 BGHZ 68, 271 (276). Burgard
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richt nachweisbare, also schriftliche Erklärung zu bestehen.62 Die in § 12 vorgeschriebene öffentliche Beglaubigung ist nicht erforderlich, weil die Zustimmung zur Firmenfortführung nicht Bestandteil der Anmeldung des Inhaberwechsels ist.
3. Zeitpunkt der Einwilligung § 183 BGB definiert die Einwilligung als vorherige Zustimmung. Diese Definition kann allerdings 32 schon deshalb nicht für § 22 maßgeblich sein, weil der Wortlaut der Vorschrift auf Art. 22 ADHGB zurückgeht (Rn 2), dem die Terminologie des BGB noch unbekannt war. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 23, der eine selbständige Veräußerung der Firma verbietet, schloss die ältere Rechtsprechung, dass die Einwilligung gleichzeitig mit der Veräußerung erklärt werden muss.63 Die Formulierung täuscht Genauigkeit freilich nur vor, weil die Veräußerung vom Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts über die Einweisung in den Tätigkeitsbereich und die verschiedenen Übertragungshandlungen einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Dem Zweck des § 23 ist Genüge getan, wenn die Einwilligung in die Fortführung der Firma in zeitlichem Zusammenhang mit der Übertragung des Unternehmens erfolgt. Ausreichend und erforderlich ist, dass die Einwilligung in dem Zeitraum vom Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts bis zur Anmeldung des Inhaberwechsels (jeweils einschließlich) erteilt wird.64 Nach der Anmeldung kommt eine Einwilligung jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn das Firmenrecht des Veräußerers zu diesem Zeitpunkt infolge der Unternehmensübertragung bereits erloschen ist (s. § 17 Rn 34, 40 ff).65
IV. Die Einwilligungsberechtigung 1. Allgemeines Gem. § 22 setzt das Recht zur Fortführung der Firma des Weiteren voraus, dass „der bisherige 33 Geschäftsinhaber oder dessen Erben“ die Einwilligung dazu erteilen. Das wirft die Frage auf, wer genau die Einwilligung erteilen muss.
2. Einzelfirma Inhaber eines einzelkaufmännischen Unternehmens ist der Einzelkaufmann. Erfolgt der Unter- 34 nehmenserwerb unter Lebenden, so ist daher allein der Einzelkaufmann berechtigt, die Einwilligung in die Fortführung der Firma zu erteilen. Das ist unstreitig.66 Umstritten ist dagegen, ob auch dann eine Einwilligung seitens des Einzelkaufmanns erfor- 35 derlich ist, wenn sich der Unternehmenserwerb von Todes wegen vollzieht.67 Dafür wird der 62 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 33 will das Ausdrücklichkeitserfordernis sogar auch auf die schuldrechtliche Abrede beziehen.
63 KGJ 12, 22; KGJ 13, 30; KGJ 15, 11; KG JRA 17, 87; auflockernd Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 13 und Staub/Würdinger3 Rn 36. 64 Oetker/Schlingloff Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 29; vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Staub/Hüffer4 Rn 26. 65 Vgl. RGZ 76, 263 (265); MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; BeckOK HGB/Bömeke Rn 25; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 21. 66 Statt aller Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 32. 67 Dafür Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 32; Röhricht/v. Westphalen/Ries Rn 24; Kuchinke ZIP 1987, 681 (683); vgl. auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; dagegen Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 15; Hopt/ Merkt Rn 8. 141
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Wortlaut von § 22 sowie der Umstand geltend gemacht, dass es dem Erblasser möglich sein muss, Verfügungen über die Firmenfortführung zu treffen.68 Das ist allerdings auch nach der Gegenauffassung möglich, nämlich durch eine Auflage gem. § 1940 BGB.69 Auch ist das Wortlautargument nur eingeschränkt überzeugend. Wollte man nämlich die Vorschrift wörtlich nehmen, dann müsste der Erblasser die Einwilligung zur Firmenfortführung durch seine Erben „ausdrücklich“ erteilen, was gewiss nur selten geschieht. Deswegen gehen auch diejenigen, die eine Einwilligung des Erblassers für erforderlich halten, von dem Vorliegen einer Einwilligung aus, wenn der Erblasser seinen entgegenstehenden Willen nicht eindeutig kundgetan hat.70 Im praktischen Ergebnis unterscheiden sich beide Auffassungen daher nicht. 36 Haben die Erben das Unternehmen mitsamt der Firma von Todes wegen erworben, so sind sie nunmehr selbst Inhaber und daher befugt, die Einwilligung in die Firmenfortführung zu erteilen, wenn sie das Unternehmen veräußern. Gleichwohl hat die Formulierung „oder dessen Erben“ nicht nur klarstellende Bedeutung. Enthält die Firma nämlich den Familiennamen und sind nicht alle Familienangehörigen mit der Firmenfortführung einverstanden, so sind die Erben danach gleichwohl zur Erteilung der Einwilligung befugt.71 Erforderlich ist die Zustimmung sämtlicher Miterben, weil sie über Nachlassgegenstände nur gemeinschaftlich verfügen können (§ 2040 Abs. 1 BGB).
3. Gesellschaftsfirma 37 a) Einführung. Inhaber des Unternehmens einer Gesellschaft ist die Gesellschaft selbst. Die Gesellschafter sind nicht Inhaber, und zwar auch nicht bei einer Personenhandelsgesellschaft. Die nach § 22 erforderliche Einwilligung muss daher durch die Gesellschaft erteilt werden. Diese selbst ist jedoch nicht handlungsfähig, sondern wird durch ihr Vertretungsorgan72 im Rechtsverkehr vertreten. Dabei ist die Vertretungsmacht des Vertretungsorgans von Handelsgesellschaften grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar, §§ 126, 161 Abs. 2, §§ 82 Abs. 1 AktG, 37 Abs. 2 GmbHG. Das könnte dafür sprechen, dass die Einwilligung i.S.d. § 22 durch das Vertretungsorgan erteilt werden kann und muss. Allerdings erstreckt sich die organschaftliche Vertretungsmacht nicht auf Grundlagengeschäfte. Diese sind vielmehr entweder den Gesellschaftern vorbehalten oder bedürfen, wenn sie mit einer Vertretungshandlung einhergehen, deren Zustimmung. Das könnte dafür sprechen, dass die Einwilligung in die Firmenfortführung entweder durch die Gesellschafter zu erteilen ist oder nur mit deren Zustimmung erteilt werden kann. Die Frage ist daher umstritten, wobei die Ansichten teilweise danach differenzieren, ob eine Kapital- oder eine Personenhandelsgesellschaft in die Firmenfortführung willigt.
b) Meinungsstand 38 aa) Kapitalgesellschaften. Nach bisher wohl einhelliger Meinung ist bei Kapitalgesellschaften die Einwilligung von der Vertretungsmacht des Vorstandes bzw. der Geschäftsführer gedeckt; denn die Einwilligung sei schlicht ein dingliches Erfüllungsgeschäft gem. §§ 398, 413 BGB (Rn 28). Lediglich der obligatorische Vertrag, in dem sich die Gesellschaft zur Übertragung des Handelsgeschäfts und der Firma verpflichte, bedürfe unter den Voraussetzungen des § 179a AktG (= Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens) der Zustimmung der Hauptversamm68 69 70 71 72
Ausführlich Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33. Hopt/Merkt Rn 8. Röhricht/v. Westphalen/Ries Rn 24; MünchKommHGB/Heidinger Rn 37; Kuchinke ZIP 1987, 681 (683). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 33. Organ in diesem Sinne sind nicht nur Vorstand und Geschäftsführer, sondern auch die vertretungsberechtigten Gesellschafter von Personengesellschaften, K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 10 I 2., 3. F. Burgard
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lung.73 Liege diese nicht vor, handele der Vorstand bei Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts als Vertreter ohne Vertretungsmacht mit der Folge, dass alle dinglichen Verfügungen, die zum Zwecke der Erfüllung des unwirksamen Verpflichtungsgeschäfts vorgenommen wurden, gem. §§ 812 ff BGB rückgängig zu machen seien. Weil bei der GmbH trotz gleicher Interessenlage eine § 179a AktG entsprechende Regelung fehle, sei diese Vorschrift analog anwendbar.74
bb) Personenhandelsgesellschaften. Die heute herrschende, von Hüffer in der 4. Auflage75 39 begründete Meinung will diese kapitalgesellschaftsrechtliche Lösung auf Personenhandelsgesellschaften übertragen, also dort ebenfalls § 179a AktG analog anwenden.76 Das entspricht möglicherweise auch der Sicht des BGH, der in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 ausgesprochen hat, dass der Abschluss dinglicher Rechtsgeschäfte im Rahmen einer Unternehmensveräußerung durch eine KG von der Vertretungsmacht des Komplementärs gedeckt sei. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht sei mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit unvereinbar. Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH allerdings, ob § 361 AktG a.F., der weitgehend der Nachfolgenorm des § 179a AktG n.F. entspricht, analoge Anwendung findet.77 Dagegen hatte die ältere Rechtsprechung angenommen, dass grundsätzlich sämtliche Gesellschafter ihre Einwilligung in die Firmenfortführung erteilen müssten, um dem Erwerber eine Firmenfortführung zu ermöglichen.78 Diese Ansicht findet auch heute noch Anhänger, und zwar mit der Begründung, dass die Einwilligung in die Firmenfortführung ein Grundlagengeschäft sei.79 Dagegen hält die herrschende Meinung eine Zustimmung aller Gesellschafter nur im Liquidationsstadium für erforderlich, weil die Vertretungsmacht der Liquidatoren gem. § 149 S. 2 beschränkt sei.80 Hüffer befürwortet freilich auch insofern eine Rechtsfortbildung entsprechend § 179a AktG.81
c) Stellungnahme. Die herrschende Ansicht ist sowohl für Kapital- als auch für Personen- 40 handelsgesellschaften abzulehnen. Gem. § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG ist die Firma zwingender Inhalt der Satzung. Soll die Firma geändert werden, bedarf es daher einer Satzungsänderung durch die Gesellschafter. Auch bei den Personenhandelsgesellschaften ist die Firma notwendiger Inhalt des Gesellschaftsvertrages und bedarf daher zu ihrer Änderung vorbehaltlich abweichender gesellschaftsvertraglicher Regelungen der Zustimmung aller Gesellschafter, vgl. §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 2 Nr. 2, 108, 161 Abs. 2, 162 Abs. 1.82 Zwar weist Hüffer darauf hin, dass die Einwilligung zur Firmenfortführung selbst keine Firmenänderung beinhal-
73 Staub/Hüffer4 Rn 30; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 34; Heymann/Förster Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27; Hopt/Merkt Rn 9. 74 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 34 a.E.; Heymann/Förster Rn 26; aA BGH – II ZR 364/18, NZG 2019, 505. 75 Staub/Hüffer4 Rn 30 f. 76 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35 f; Hopt/Merkt Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 25; MünchKommHGB/Heidinger Rn 41 f. 77 BGH NJW 1991, 2564 (2565). 78 RGZ 158, 226 (230 f); BGH NJW 1952, 537 (538). 79 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; vgl. auch BGH NJW 1952, 537 (538). 80 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn Rn 37; Staub/Hüffer4 Rn 32; Hopt/Merkt Rn 10; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 44. 81 Staub/Hüffer4 Rn 32. 82 Unabhängig davon, ob das Erfordernis einer gemeinschaftlichen Firma (§ 105 Abs. 1) zwingende Rechtsfolge oder Voraussetzung der Entstehung der Gesellschaft ist, besteht darüber Einigkeit, dass sich die Gesellschafter auf eine (firmenrechtlich zulässige) Firma einigen müssen, s. etwa Hopt/Roth § 105 Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Wertenbruch § 105 Rn 43 f. Die Firma ist damit notwendiger Inhalt des Gesellschaftsvertrages und kann daher nur von den Gesellschaftern geändert werden. 143
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tet, sondern nur zu einer Firmenänderung zwinge.83 Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Eine Firmenänderung besteht nämlich genau betrachtet aus zwei Grundlagenentscheidungen, nämlich der Aufgabe der alten Firma und der Annahme der neuen Firma (§ 17 Rn 33). Dass es sich um zwei Grundlagenentscheidungen handelt fällt lediglich „normalerweise“ deswegen nicht auf, weil sie in einem Beschluss zusammengefasst werden. Im Falle des § 22 können diese Entscheidungen dagegen auseinanderfallen. Durch die Einwilligung wird nämlich die Firma auf den Erwerber gem. §§ 398, 413 BGB übertragen und damit von der Gesellschaft als bisheriger Inhaberin aufgegeben (das gilt auch dann, wenn die Firma ausnahmsweise noch für begrenzte Zeit weitergeführt werden darf, dazu u. Rn 67 ff). Die erforderliche Annahme einer neuen Firma ist in der Einwilligung nicht enthalten. Dass daher ggf. eine weitere Grundlagenentscheidung über die Annahme einer neuen Firma zu treffen ist, ändert jedoch nichts daran, dass bereits die Aufgabe der bisherigen Firma durch Übertragung an den Erwerber eine Grundlagenentscheidung ist, die daher in die Zuständigkeit der Gesellschafter fällt und nicht von der Vertretungsmacht des Vertretungsorgans gedeckt ist. 40a Freilich erkennt auch die herrschende Meinung an, dass die Entscheidung zur Übertragung der Firma nicht von dem Vertretungsorgan allein getroffen werden sollte. § 179a AktG (analog) zwingt jedoch nicht in allen Fällen einer Unternehmensveräußerung zu einer Mitwirkung der Gesellschafter. § 179a AktG setzt nämlich einen Vertrag voraus, durch den sich die Gesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet. Diese Formulierung ist zwar nicht wörtlich zu nehmen. § 179a AktG greift daher auch dann ein, wenn ein unwesentlicher Teil des Vermögens bei der Gesellschaft verbleibt. Zudem bestimmt sich die Frage, was wesentlich und was unwesentlich ist, nicht nach einem Wertvergleich,84 sondern danach, ob die Gesellschaft nach der Übertragung noch ihren bisherigen Unternehmensgegenstand – wenngleich in eingeschränktem Umfang – weiterverfolgen kann.85 Daran muss es aber bei einer Unternehmensveräußerung keineswegs fehlen, wie etwa der Fall BGHZ 83, 122 (Holzmüller) zeigt. Vielmehr ist anerkannt, dass Gesellschaften unter einer Firma mehrere organisatorisch selbständige Unternehmen betreiben (Vor § 17 Rn 39) und dann eines von ihnen mit der Befugnis zur Firmenfortführung veräußern können (Rn 18). Ein Fall des § 179a AktG liegt dann nicht vor, was nach herrschender Meinung zur Folge hätte, dass die Gesellschafter an der Entscheidung zur Übertragung der Firma nicht beteiligt werden müssten. Das aber wäre mit den Wertungen des Gesetzes nicht vereinbar. Des Weiteren wird geltend gemacht, die hier favorisierte Lösung belaste die Sicherheit des Rechtsverkehrs unzuträglich, weil sie die Wirksamkeit eines dinglichen Rechtsgeschäfts von der Beachtung gesellschaftsinterner Kompetenzen abhängig mache.86 Dagegen betreffe § 179a AktG (analog) lediglich das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft. Auch dieses Argument überzeugt nicht, weil der tatsächlich bloß geringfügige Gewinn an Rechtssicherheit die Missachtung der zu Recht bestehenden gesetzlichen Kompetenzordnung nicht rechtfertigt.
41 d) Ergebnis. Entgegen vorherrschender Ansicht ist die Einwilligung i.S.d. § 22 eine Grundlagenentscheidung, die weder bei Kapital- noch bei Personenhandelsgesellschaften von der organschaftlichen Vertretungsmacht gedeckt ist. Bei Kapitalgesellschaften bedarf die Einwilligung eines Beschlusses der Gesellschafter mit satzungsändernder Mehrheit, bei Personenhandelsgesellschaften der Zustimmung aller Gesellschafter, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Eine nach § 179a AktG (analog) ggf. erforderliche Mitwirkung der Gesellschafter bleibt unberührt.
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Staub/Hüffer4 Rn 31. So aber Mertens FS Zöllner, 385 (386 ff). BGHZ 83, 122 (128); Hüffer/Koch AktG § 179a Rn 5 mwN. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 36; vgl. auch BGH NJW 1991, 2561 (2565).
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V. Die namensrechtliche Gestattung 1. Grundlagen Werden die Interessen des Inhabers eines Namens (Namensträger) dadurch verletzt, dass ein 42 anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Inhaber von dem anderen gem. § 12 BGB Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr Unterlassung verlangen. Name i.S.d. Gesetzes ist nicht nur der bürgerliche Name einer natürlichen Person, sondern auch der Name einer juristischen Person oder rechtsfähigen Personenvereinigung, mithin auch die Firma einer Handelsgesellschaft.87 Unternehmenskennzeichen werden freilich vorrangig von §§ 5, 15 MarkenG geschützt (eingehend Anh. I und II zu § 37). Unbefugt ist der Gebrauch eines Namens dann, wenn kein Recht zum Gebrauch des Namens besteht. Ein Recht zum Gebrauch des Namens kann auf Gesetz oder Rechtsgeschäft beruhen. Der Gebrauch des gesetzlich vorgeschriebenen Namens ist deswegen grundsätzlich88 befugt.89 Eine rechtsgeschäftliche Übertragung des bürgerlichen Namens ist, weil er Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, nicht möglich.90 Eine Übertragung der Firma ist nur in den Grenzen der §§ 22 f, also nur zusammen mit dem Handelsgeschäft, für welches sie geführt wird, zulässig (näher Rn 14 sowie Erl. zu § 23). Entsprechendes gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für Unternehmenskennzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG.91 Zulässig ist dagegen eine schuldrechtliche Gestattung des Namensgebrauchs (sog. „Lizenz“), und zwar sowohl im Blick auf den bürgerlichen Namen einer natürlichen Person,92 als auch – in gewissen Grenzen (§ 23 Rn 7 ff) – im Blick auf eine Firma oder ein Unternehmenskennzeichen.93 Streitig und wenig geklärt ist allerdings die Rechtsnatur der namensrechtlichen Gestat- 43 tung. Die wohl überwiegende Meinung sieht darin einen schuldrechtlichen Verzicht,94 andere einen dinglichen Verzicht,95 den Gebrauch des Namens zu verbieten. Dieser Verzichtsgedanke erscheint indes „gekünstelt“ und erklärt unzureichend, dass sich der Lizenznehmer in entsprechender Anwendung des § 986 BGB gegenüber Dritten auf die Priorität der Firma des Lizenzgebers berufen kann.96 Die Konstruktion ist zudem unnötig kompliziert, etwa bei einer inhaltlichen Beschränkung oder Weiterübertragung der Gestattung. Einfacher und schlüssiger ist es demgegenüber, die namensrechtliche Gestattung als schuldrechtliche Befugnis zum Namensgebrauch zu deuten,97 da nur in diesem Fall der Lizenznehmer gegenüber dem Lizenzgeber ein Recht zum Namensgebrauch hat. Praktisch führen die verschiedenen Auffassungen allerdings wohl zu keinen abweichenden Ergebnissen. Firmiert ein Einzelkaufmann mit seinem bürgerlichen Namen, bedarf es hierfür keiner na- 44 mensrechtlichen Gestattung, weil Namens- und Unternehmensträger identisch sind. Will eine juristische Person oder rechtsfähige Personenvereinigung dagegen den Namen eines Mitglieds
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S. nur BGHZ 14, 155; BeckOK BGB/Bamberger § 12 BGB Rn 30. Zu Ausnahmen s. etwa BGHZ 4, 96 (100); BGH NJW 1966, 343; BGHZ 149, 191. BGHZ 29, 256 (263). BGHZ 119, 237 (240); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 23 Rn 5; BeckOK BGB/Bamberger § 12 Rn 60. BGH GRUR 2002, 972 (974); Goldmann Unternehmenskennzeichen, 4. Aufl. 2018, § 15 Rn 22 ff, jeweils mwN. BGHZ 44, 371 (375); BGH NJW 2002, 2093; BeckOK BGB/Bamberger § 12 Rn 60, 65 f. Canaris Handelsrecht § 10 Rn 43; Köhler DStR 1996, 510 (513 ff); Bußmann Name, Firma, Marke, 119 f; Goldmann Unternehmenskennzeichen, 4. Aufl. 2018, § 15 Rn 76 ff mwN; MünchKommHGB/Heidinger § 23 Rn 15. 94 RGZ 74, 312; BGH GRUR 1970, 528; BGH GRUR 1991, 780; BGH GRUR 1993, 574. 95 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 47 f. 96 BGH GRUR 1985, 567; BGH GRUR 1993, 575. 97 BGHZ 119, 237 (242); MünchKommHGB/Heidinger § 23 Rn 12; Köhler FS Fikentscher, 444 (506) mwN; BeckOK BGB/Bamberger BGB § 12 Rn 66; wohl eher einer dinglichen Wirkung zuneigend MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 77 f. 145
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führen, so muss das Mitglied den Namensgebrauch gestatten.98 Das war richtigerweise auch vor der Handelsrechtsreform nicht anders.99 Im Blick auf § 19 Abs. 1 a.F. ergab sich das schon daraus, dass eine OHG aus mindestens zwei Gesellschaftern besteht, nach dieser Vorschrift aber nur der Name eines Gesellschafters in die Firma aufgenommen werden musste, so dass Wahlfreiheit bestand, welche(r) Name(n) zur Firmenbildung verwendet wurde(n). Einen Zwang zur Verwendung eines bestimmten Namens gab es daher lediglich nach § 19 Abs. 2 a.F., wenn eine KG bloß einen einzigen persönlich haftenden Gesellschafter hatte. Auch das bedeutete freilich nur, dass der einzige Komplementär gesetzlich verpflichtet war, der KG den Gebrauch seines Namens zur Firmenbildung zu gestatten. 45 Die Gestattung des Namensgebrauchs zur Firmenbildung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Sie ist, wenn keine anderweitige Abrede vorliegt, in der Vereinbarung des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung über die Firma (vgl. §§ 105 Abs. 1, 161 Abs. 2, § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, § 6 Nr. 1 GenG) zu sehen, die bei Personenhandelsgesellschaften auch durch die Mitwirkung bei der Anmeldung zum Handelsregister (§§ 106 Abs. 2 Nr. 2, 107, 108, 161 Abs. 2) zum Ausdruck kommt,100 vgl. auch § 24 Rn 10 ff. Inhalt und Reichweite der Gestattung unterliegen der Parteivereinbarung. Ist nichts an46 deres bestimmt, so umfasst die Gestattung des Namensgebrauchs zu Firmenzwecken:101 – die Verwendung des Namens zur Bildung der vereinbarten Firma, – die Änderung der Firma nach den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen und gesellschaftsvertraglichen bzw. satzungsrechtlichen Vorschriften, – die Firmenfortführung in den Fällen des § 24 Abs. 1 (näher dazu § 24 Rn 20 ff), – die Verwendung des Namens zur Bildung von Zweigniederlassungsfirmen102 und – die Verwendung des Namens zur Firmenbildung von Tochtergesellschaften103 (s. dazu auch Rn 65, 75 ff sowie § 24 Rn 37). Nicht umfasst ist hingegen nach der Wertung des § 22 im Zweifel die Übertragung der Gestattung des Namensgebrauchs an einen Dritten, der das Handelsgeschäft oder eine Zweigniederlassung samt Firma erwirbt (näher sogleich Rn 48 ff). Überdies endet nach § 24 Abs. 2 die Gestattung mit dem Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters (näher § 24 Rn 7 ff, 26 ff). Schließlich ergibt eine Gesamtbetrachtung von § 22 und § 24 Abs. 2, dass die Erstreckung der Gestattung auf eine Tochtergesellschaft, deren Firma unter Verwendung des Namens des Namensgebers gebildet wurde, im Zweifel mit deren Veräußerung endet;104 denn einerseits gleicht der Fall wirtschaftlich betrachtet der Veräußerung einer Zweigniederlassung samt Firma, andererseits endet die mittelbare Mitgliedschaft des namensgebenden Gesellschafters an der Tochtergesellschaft (s. auch § 24 Rn 38). Zudem führt die Veräußerung einer Tochtergesellschaft ebenso wie die Veräußerung einer Zweigniederlassung mitsamt einer aus dem Namen des Namensgebers gebildeten Firma zu einer sog. Firmenvervielfältigung, die im Zweifel den Interessen des Namensgebers widerspricht. Nachdem Inhalt und Reichweite der namensrechtlichen Gestattung streitig und nicht ab47 schließend geklärt sind, empfiehlt sich in jedem Fall der Abschluss einer möglichst eindeutigen Vereinbarung. In ihr können Inhalt und Reichweite der Gestattung gegenüber den vorge98 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; Oetker/Schlingloff Rn 19; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26; MünchKommHGB/Heidinger Rn 43 aE. 99 Staub/Hüffer4 Rn 33. 100 BGH NJW 1977, 1291; Staub/Hüffer4 Rn 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 26; s. auch o. Fn 80. 101 S. hierzu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38; vgl MünchKommHGB/Heidinger § 23 Rn 15; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 85 f; BeckOK BGB/Bamberger § 12 Rn 67 f; Lettl WM 2006, 1841 (1842 f). 102 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28; Hopt/Merkt Rn 12. 103 Differenzierend Canaris Handelsrecht § 10 Rn 63 ff. 104 BGH WM 1980, 1360; OLG Hamm BB 1991, 86 (87); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; Heidel/ Schall/Lamsa/Ammon Rn 21; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11; aA OLG Frankfurt MDR 1980, 316 (317); Bokelmann GmbHR 1982, 153 (154). Burgard
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nannten Zweifelsregeln eingeschränkt oder erweitert werden. Möglich ist ferner die Vereinbarung von auflösenden Bedingungen, eines Endtermins, eines Widerrufsvorbehalts oder Kündigungsrechts. Schließlich kann die Vereinbarung von den Parteien übereinstimmend auch jederzeit geändert werden, und zwar auch noch, nachdem die Gestattung ausgelaufen ist; denn die Beendigung der Gestattung führt lediglich dazu, dass der weitere Gebrauch der Firma unbefugt erfolgt. Anders als in den Fällen der Rn 74 erlischt die Firma dadurch nicht.
2. Die namensrechtliche Gestattung in Fällen des § 22 Die Einwilligung in die Firmenfortführung i.S.d. § 22 beinhaltet die Übertragung des Firmen- 48 rechts gem. §§ 398, 413 BGB (Rn 27 ff). Sie umfasst nicht die namensrechtliche Gestattung.105 Das hat zwei Gründe. Zum einen ist das Firmenrecht des Unternehmensträgers von dem Namensrecht des Namensgebers zu unterscheiden. Zum anderen kann das Namensrecht – anders als die Firma zusammen mit dem Handelsgeschäft des Unternehmensträgers – nicht übertragen werden (Rn 42).106 Allerdings liegt in der Einwilligung regelmäßig die konkludente Erklärung, mit der Benutzung des Namens durch den Erwerber einverstanden zu sein, weil die erstrebte Rechtfolge „Firmenfortführung“ voraussetzt, dass diese namensrechtlich zulässig ist.107 Von dem Vorliegen einer solchen konkludenten Erklärung kann ohne weiteres freilich nur ausgegangen werden, wenn der Namensträger oder seine Erben entweder selbst die Einwilligung i.S.d. § 22 erteilt haben oder an ihrer Erteilung zustimmend mitgewirkt haben. Andernfalls ist die Gestattung gesondert zu erklären; ebenso, wenn die Gestattung über ihren gewöhnlichen Umfang (Rn 52) hinaus eingeschränkt oder erweitert werden soll. Allerdings ist streitig, ob und in welchen Fällen des § 22 es einer namensrechtlichen Gestattung bedarf.
a) Erforderlichkeit aa) Meinungsstand. Nach der vor der Handelsrechtsreform entwickelten herrschenden Mei- 49 nung bedarf es einer namensrechtlichen Gestattung durch den namensgebenden Gesellschafter nur bei Personenhandelsgesellschaften, nicht dagegen bei Kapitalgesellschaften.108 Begründet wurde und wird diese Ansicht damit, dass es nur bei Personenhandelsgesellschaften einen Zwang zur Bildung von Personenfirmen gab. Nach der Handelsrechtsreform mehren sich hingegen die Stimmen, wonach diese Differenzierung nicht mehr haltbar ist, weil seither grundsätzlich Firmenwahlfreiheit besteht. Daraus könnte man den Schluss ziehen, es bedürfte grundsätzlich überhaupt keiner namensrechtlichen Gestattung mehr, weil diese mit der Zustimmung zur Firmenbildung ohne entgegenstehende Vereinbarungen umfassend erteilt sei.109 Andere meinen hingegen, dass nunmehr auch der namensgebende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft den Namensgebrauch durch den Erwerber gestatten müsste.110 105 MünchKommHGB/Heidinger § 23 Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; BeckOK HGB/Bömeke Rn 31; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19 a.E. 106 Das gilt auch dann, wenn Namensgeber eine Handelsgesellschaft und also der Name, dessen Gebrauch gestattet werden muss, eine Firma ist; denn das Firmenrecht des Namensgebers kann seinerseits nur zusammen mit dessen Handelsgeschäft übertragen werden. 107 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 23 Rn 5 f. 108 Staub/Hüffer4 Rn 33; vgl. auch BGHZ 58, 322; s. zur früheren Rechtslage auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 38; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 44 ff sowie GKzHGB/Steitz Rn 30 jeweils mwN; so auch heute noch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26. 109 Etwa GKzHGB/Steitz Rn 31; vgl. zur Parallelproblematik bei § 24 dort Rn 10. 110 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38; MünchKommHGB/Heidinger Rn 43; BeckOK HGB/Bömeke Rn 32; Hopt/Merkt Rn 9. 147
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50 bb) Stellungnahme. Die Differenzierung der herrschenden Meinung kann aus den genannten Gründen schwerlich aufrecht erhalten werden. Überdies war sie schon nach altem Recht wenig überzeugend, weil auch danach ein Zwang zur Verwendung eines bestimmten Namens nur ausnahmsweise bestand (s. Rn 44). Daraus den Schluss zu ziehen, eine namensrechtliche Gestattung sei nach der Firmenbildung ganz entbehrlich, weil mit der Firmenbildung bereits umfassend erteilt, ist freilich weder mit § 24 Abs. 2 noch mit der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung des Namensrechts vereinbar. Allein zutreffend ist daher die dritte Ansicht (näher zum Ganzen auch § 24 Rn 4, 7 ff). In den Fällen des § 22 bedarf es daher stets einer namensrechtlichen Gestattung durch den Namensgeber. Hat ein Nichtgesellschafter seinen Namen zur Firmenbildung zur Verfügung gestellt – was nach hier vertretener Ansicht grundsätzlich zulässig ist (§ 18 Rn 56, 59) – dann ist von ihm die Gestattung einzuholen.
51 b) Zeitpunkt der Gestattung. Während die Einwilligung i.S.d. § 22 wegen § 23 im Zeitraum vom Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts bis zur Anmeldung des Inhaberwechsels erfolgen muss (Rn 32), ist eine solche zeitliche Restriktion im Blick auf die namensrechtliche Gestattung nicht veranlasst. Sie kann daher auch später erfolgen, etwa nach Erhebung einer Unterlassungsklage gem. § 12 S. 2 BGB im Rahmen eines Prozessvergleichs. Zu beachten ist allerdings, dass Verwirkung eintreten kann.111
52 c) Inhalt und Reichweite der Gestattung. Eine im Rahmen des § 22 erklärte namensrechtliche Gestattung gewährt dem Erwerber des Handelsgeschäfts in erster Linie das Recht, den Namen des Namensgebers in der Firma fortführen zu dürfen. Im Übrigen gelten die Ausführungen der Rn 46 f entsprechend. Das bedeutet insbes., dass der Erwerber entgegen herrschender Meinung (s.u. Rn 75 ff) ohne besondere Vereinbarung im Zweifel nicht berechtigt ist, Dritten den Namensgebrauch zu gestatten. Das entspricht auch der Rechtslage im Markenrecht.112 Anders gewendet darf der Erwerber also seinen Anspruch auf Gestattung des Namensgebrauchs gegen den Namensgeber nicht an Dritte abtreten. Zwar kann er – wenn sich aus der Einwilligung nichts anderes ergibt (Rn 74) – das Handelsgeschäft mitsamt der Firma an einen Dritten veräußern. Der Dritte ist zur Führung der Firma namensrechtlich aber nur befugt, wenn ihm dies der Namensgeber gestattet (s. auch u. Rn 78 und § 24 Rn 38). Vor diesem Hintergrund ist der Fall des § 24 Abs. 1 Fall 1 kritisch zu betrachten. Systematisch gehört er zu § 22 (§ 24 Rn 20). Gleichwohl wird man annehmen dürfen, dass er von der namensrechtlichen Gestattung umfasst wird. Scheidet aber der Einzelkaufmann, dem der Namensgebrauch gestattet wurde, alsbald aus der Gesellschaft aus, so kann hierin eine Umgehung der fehlenden Befugnis zu sehen sein, den Namensgebrauch Dritten zu gestatten.
53 d) Rechtsfolgen fehlender Gestattung. Ohne die Gestattung ist entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht113 zwar nicht die Einwilligung i.S.d. § 22, also die Firmenübertragung unwirksam.114 Führt der neue Firmeninhaber aber die Firma fort, muss er befürchten, von dem Namensgeber nach § 37 Abs. 2, §§ 12, 823 Abs. 1 BGB bzw. §§ 5, 15 MarkenG in Anspruch genommen zu werden, s. auch Rn 82. Im Blick auf diese Rechtsfolge ist dem Erwerber zu raten, die Gestattung des Namensgebers schriftlich einzuholen und dabei auch Inhalt und Reichweite der Gestattung festzulegen (s. bereits Rn 47). Zur Kündigung der Gestattung aus wichtigem Grund s. Rn 79 ff. 111 112 113 114
Vgl. § 21 MarkenG sowie Hopt/Merkt § 17 Rn 36 mwN. Statt anderer Ingerl/Rohnke Markengesetz § 30 Rn 49. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26; Oetker/Schlingloff Rn 19. Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38; Hopt/Merkt Rn 9.
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VI. Sonderfälle 1. Die Verwertung der Firma in der Insolvenz a) Fragestellungen. Hinsichtlich der Verwertung der Firma in der Insolvenz sind folgende mit- 54 einander zusammenhängende Fragen zu unterscheiden: 1. Gehört die Firma mit der Folge zu der Masse, dass der Insolvenzverwalter sie zusammen mit dem Unternehmen durch Veräußerung verwerten kann (Rn 55 f)? 2. Bedarf der Insolvenzverwalter dabei der Mitwirkung der Gesellschafter (Rn 57 f)? 3. Kann der Insolvenzverwalter erforderlichenfalls auch die namensrechtliche Gestattung erklären oder muss diese auch in der Insolvenz durch den Namensgeber erfolgen (Rn 59 ff)? Diese drei Fragen werden in Rechtsprechung und Literatur nicht immer streng genug von einander getrennt, was zu einem uneinheitlichen Meinungsbild beiträgt. Schließlich ist zu klären, ob, wie und von wem im Falle einer Verwertung der Firma in der Insolvenz eine Ersatzfirma zu bilden ist (Rn 67 ff).
b) Die Firma als Teil der Insolvenzmasse aa) Meinungsstand. Das Reichsgericht hatte die Massezugehörigkeit der Firma selbst dann 55 verneint, wenn die Firma nicht den Familiennamen des Gemeinschuldners enthielt, weil die Firma handelsrechtlicher Name des Kaufmanns sei und das Namensrecht als Persönlichkeitsrecht nicht zur Konkursmasse gehöre.115 Die heute herrschende Meinung in Rechtsprechung116 und Lehre117 vertritt die gegenteilige Ansicht. Die Firma des Gemeinschuldners gehöre zur Insolvenzmasse, weil das Firmenrecht zumindest auch ein Vermögensrecht sei.
bb) Stellungnahme. Der heute herrschenden Ansicht ist zuzustimmen. Zuvörderst ist die 56 Frage anhand von §§ 35, 36 InsO zu beantworten. Gem. § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört, also auch ein dem Gemeinschuldner gehörendes Handelsgeschäft. Alle dem Geschäftsbetrieb dienenden Vermögensgegenstände gehören daher grundsätzlich zur Masse. Davon sind gem. § 36 Abs. 1 S. 1 InsO allerdings solche Gegenstände ausgenommen, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Zu diesen Ausnahmen könnte auch die Firma zählen, weil sie nicht der Einzelvollstreckung unterliegt.118 Grund hierfür ist jedoch allein § 23: Ohne das Handelsgeschäft kann die Firma nicht übertragen und daher auch nicht gepfändet werden. Und das Handelsgeschäft ist als Sach- und Rechtsgesamtheit nicht pfändbar. Wohl aber unterliegt das Handelsgeschäft der Gesamtvollstreckung, wodurch zugleich der Grund für die Unpfändbarkeit der Firma entfällt. Auch die Firma gehört daher zur Insolvenzmasse. Dem stehen auch keine persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen entgegen. Zwar kann die Firma auch persönlichkeitsrechtliche Züge aufweisen (zur Rechtsnatur der Firma s. § 17 Rn 50). Diese stehen jedoch zumindest im Insolvenzfall hinter dem vermögensrechtlichen Gehalt des Firmenrechts zurück (näher Rn 63 ff).
115 RGZ 9, 104; RGZ 58, 169; RGZ 69, 403; RGZ 70, 226 (229); RGZ 158, 226 (231); vgl. dazu namentlich Ullmann ZZP 62 (1941), 49 ff.
116 BGH – II ZB 21/17,, BGHZ 224, 72 Rn 10; BGHZ 85, 221 (222 f); OLG Düsseldorf ZIP 1989, 457; OLG Hamm DB 2003, 2381. 117 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 66; MünchKommHGB/Heidinger Rn 84; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 31; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 13, § 17 Rn 25; Oetker/Schlingloff Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43; BeckOK HGB/Bömeke Rn 37; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 41 ff; Steinbeck NZG 1999, 133 (134); Kern BB 1999, 1717 (1718); Bartels AcP 209 (2009), 309 (345). 118 BGHZ 85, 222. 149
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c) Mitwirkung der Gesellschafter? 57 aa) Meinungsstand. Aus dem Umstand, dass die Firma zur Insolvenzmasse gehört (Rn 55 f), folgert die vorherrschende Ansicht, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich befugt sei, die Firma ohne Mitwirkung der Gesellschafter zusammen mit dem Handelsgeschäft zu veräußern.119 Zudem bedürfe es weder für die – durch die Übertragung bewirkte (s.o. Rn 40) – Aufgabe der Firma noch für die – richtigerweise erforderliche – Neufirmierung der Gemeinschuldnerin (s.u. Rn 67 ff) der Mitwirkung ihrer Gesellschafter.120 Vielmehr würden die firmenrechtlichen Befugnisse der Gesellschafter wegen des Vermögenswerts der Firma durch die Befugnisse des Insolvenzverwalters verdrängt. Ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters dürften die Gesellschafter daher die Firma grundsätzlich auch nicht ändern.121
58 bb) Stellungnahme. Der herrschenden Ansicht ist uneingeschränkt zuzustimmen. Der Insolvenzverwalter verdrängt nämlich die Gesellschaftsorgane nicht nur in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Geschäftsführungsorgans fallen, sondern auch in Angelegenheiten, für die die Gesellschafter zuständig sind, sofern sie für die Masse von nicht nur untergeordneter Bedeutung sind und die Satzungshoheit der Gesellschafter im Kern unberührt bleibt (s. auch u. Rn 70).122 Könnten die Gesellschafter eine Veräußerung der Firma verhindern, könnte der Insolvenzverwalter das oft einzig wertvolle Vermögensgut der Gesellschaft nicht uneingeschränkt verwerten. Abseits von persönlichkeitsrechtlichen Erwägungen (dazu sogleich Rn 59 ff) ist kein berechtigtes Interesse der Gesellschafter an einer Mitwirkung ersichtlich.
d) Namensrechtliche Gestattung 59 aa) Grundlagen. Gem. § 80 Abs. 1 InsO geht das Recht des Schuldners, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Da die Firma zu der Insolvenzmasse gehört (Rn 55 f), ist der Insolvenzverwalter zur Erteilung der Einwilligung i.S.d. § 22 zuständig. Bei Gesellschaften ist er hierfür auch nicht auf die Mitwirkung der Gesellschafter angewiesen (Rn 57 f). Mit der Einwilligung – durch die das Firmenrecht auf den Erwerber übergeht – nicht zu verwechseln ist jedoch die namensrechtliche Gestattung des Namensgebrauchs durch den Namensgeber (Rn 30), ohne die der Erwerber die Firma nicht führen darf (Rn 53). Diese Gestattung kann jedenfalls nicht von dem Insolvenzverwalter erteilt werden, weil das Namensrecht des Namensgebers nicht zur Insolvenzmasse gehört. Fraglich ist aber, ob es im Insolvenzfall überhaupt einer namensrechtlichen Gestattung bedarf.
bb) Meinungsstand 60 (1) Vor der Handelsrechtsreform. Vor der Handelsrechtsreform differenzierte die herrschende Meinung zwischen Firmen von Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits. Enthielt die Firma eines Einzelkaufmanns oder einer Personenhandelsgesellschaft den bürgerlichen Namen des Kaufmanns bzw. eines Ge119 BGH – II ZB 21/17, BGHZ 224, 72 Rn 10; MünchKommHGB/Heidinger Rn 89 ff; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn. 71; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43 ff; Oetker/Schlingloff Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 33; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn. 52, 54; Herchen, ZInsO 2004, 1112 f; Steinbeck NZG 1999, 133, 136 f; aA Wertenbruch ZIP 2002, 1931 (1939); Benner Rpfleger 2002, 342 (349) mwN. 120 Das OLG München – 31 Wx 38/16, NZG 2016, 837 (838) musste diese Fragen nicht entscheiden. 121 OLG Karlsruhe NJW 1993, 1931; Hopt/Merkt § 17 Rn 47; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 11 ff; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 94. 122 Ulmer NJW 1983, 1697 (1701) mit Beispielen; s.a. MünchKommAktG/Koch § 264 Rn 45 ff. Burgard
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sellschafters, so fehle dem Konkursverwalter die Befugnis, in die Fortführung der Firma durch den Unternehmenserwerber ohne Zustimmung des Namensgebers einzuwilligen. Begründet wurde diese Ansicht damit, dass die Wahl einer Personenfirma gem. §§ 18, 19 a.F. zwingend vorgeschrieben war und dem betreffenden Kaufmann daher andernfalls die Möglichkeit eines wirtschaftlichen Neuanfangs am selben Ort wegen § 30 fehlte. Zudem wurde § 24 Abs. 2 angeführt.123 Bei Kapitalgesellschaften war dagegen schon nach altem Recht die Bildung einer Sachfirma zulässig bzw. geboten (§ 4 GmbHG a.F., § 4 AktG a.F.). Wer gleichwohl seinen Namen für die Firmenbildung zur Verfügung stelle, müsse sich an dieser von ihm getroffenen, auf Kommerzialisierung gerichteten Entscheidung festhalten lassen. Bei Kapitalgesellschaften könne der Konkursverwalter daher auch eine Personenfirma gegen den Willen des Namensgebers verwerten.124
(2) Nach der Handelsrechtsreform. Würde man dieser Argumentation folgen, so führte dies 61 nach neuem Firmenrecht dazu, dass der Insolvenzverwalter die Firma grundsätzlich ohne Zustimmung des Namensgebers verwerten könnte, weil heute bei (fast) allen Unternehmensträgern Wahlfreiheit zwischen der Bildung einer Personen-, Sach- und Phantasiefirma besteht. In der Tat wird diese Position – zumindest im Ergebnis – von einer verbreiteten Meinung vertreten, wobei zur Begründung auch auf die vorrangigen Interessen der Insolvenzgläubiger abgestellt wird.125 Nur bei abgeleiteten Firmen fehle dem Insolvenzverwalter die Verwertungsbefugnis, wenn der Gemeinschuldner aufgrund der Vereinbarung mit seinem Rechtsvorgänger selbst nicht in der Lage gewesen wäre, in die Fortführung der Firma durch einen Dritten zu willigen.126 Andere Autoren wollen dagegen unter Hinweis auf § 24 Abs. 2 an der bisherigen Differenzierung festhalten,127 wobei Canaris diese Position insofern modifiziert, als der Namensgeber bei Einzelfirmen und Firmen von Personenhandelsgesellschaften nur verlangen könne, dass der Erwerber einen Inhaberzusatz führe.128 Schließlich vertreten manche auch die Gegenposition und bestehen wegen der persönlichkeitsrechtlichen Position des Namensgebers stets auf dessen Zustimmung.129 cc) Stellungnahme. Zunächst ist festzuhalten: Nach dem zuvor Gesagten (Rn 54–59) handelt 62 der vorstehende Meinungsstreit richtigerweise nur von der Frage, ob der Namensgeber die Fortführung der mit seinem Namen gebildeten Firma durch den Erwerber auch im Insolvenzfall gestatten muss oder nicht. Diese Frage stellt sich freilich dann nicht, wenn der Namensgeber bereits bei der Firmenbildung (oder später) den Gebrauch seines Namens unbeschränkt oder zumindest auch für den Fall einer Veräußerung des Handelsgeschäfts mitsamt Firma gestattet hat. Von dem Vorliegen einer solchen umfassenden Gestattung ist allerdings ohne dahingehende Vereinbarung im Zweifel nicht auszugehen (Rn 46), und zwar auch nicht bei Kapitalgesellschaften. Diese hergebrachte Differenzierung zwischen Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits war schon nach altem Recht wenig überzeugend und ist heute kaum noch haltbar (Rn 44, 49 f, näher § 24 Rn 4, 7 ff).
123 OLG Düsseldorf BB 1982, 695; OLG Koblenz NJW 1992, 2101 mit zust. Anm. Ackmann EWiR 1991, 1105 f; Staub/ Hüffer4 Rn 36; Heymann/Förster § 17 Rn 2.
124 BGHZ 85, 221 (224); BGHZ 109, 364 (367); vgl. auch BGHZ 58, 322 (323 ff); zustimmend etwa Staub/Hüffer4 Rn 37. 125 Oetker Handelsrecht, § 4 Rn 18; MünchKommHGB/Heidinger Rn 92; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 45; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 25; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 33. 126 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 47; Staub/Hüffer4 Rn 37. 127 Hopt/Merkt § 17 Rn 47, § 25 Rn 12; Wertenbruch ZIP 2002, 1931 (1939). 128 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 66 ff, Rn 72 ff; auch Oetker Handelsrecht, § 4 Rn 19 a.E. (erwägenswert). 129 So Kern BB 1999, 1717 (1719 f); Benner Rpfleger 2002, 342 (349). 151
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Hielte man auch im Insolvenzfall eine Gestattung durch den Namensgeber für im Zweifel erforderlich, hätte dies eine erhebliche Entwertung der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters zur Folge. Bedürfte es dagegen keiner namensrechtlichen Gestattung, müsste der Namensgeber die ungewollte Nutzung seines Namens durch Dritte hinnehmen. Der Kommerzialisierungsgedanke vermag Letzteres nicht zu rechtfertigen; denn die im Rahmen der §§ 22, 24 Abs. 2 von Gesetzes wegen erforderliche namensrechtliche Gestattung soll den Namensgeber gerade davor schützen, dass er ohne besondere Vereinbarung eine unbegrenzte Kommerzialisierung seines Namens hinnehmen muss (s. § 24 Rn 4).130 Allerdings wäre es widersprüchlich, wenn sich der Namensgeber den an seinen Namen gebundenen Firmenwert vorbehalten dürfte, obwohl er mit Mitteln des insolventen Unternehmens geschaffen wurde und daher in der Insolvenz den Gläubigern zusteht. Wollte man anders entscheiden, wäre geradezu eine Spekulation zu Lasten der Gläubiger möglich. Der Namensgeber könnte mit Mitteln des Unternehmens den wirtschaftlichen Wert seines Namensrechts erhöhen, ohne befürchten zu müssen, diesen Mehrwert in der Insolvenz zu verlieren. In der Insolvenz muss daher den wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des Namensgebers gebühren, nicht aber vor seinen persönlichkeitsrechtlichen Interessen. Da dieser Vorrang dem Gläubigerschutz dient, ist er zwingend. Der Namensgeber kann sich über ihn daher nicht mittels privatautonomer Vereinbarung hinwegsetzen, indem er etwa die namensrechtliche Gestattung bei der Firmenbildung ausdrücklich im Sinne der §§ 22, 24 Abs. 2 beschränkt. 64 Folgt man diesen Überlegungen, bedarf es in der Insolvenz im Blick auf die wirtschaftlichen Interessen des Namensgebers keiner namensrechtlichen Gestattung, so dass der Erwerber die Firma insoweit auch ohnedies fortführen darf. Der Namensschutz des Namensgebers wird damit in der Insolvenz eingeschränkt, aber nicht aufgehoben soweit er persönlichkeitsrechtliche Interessen geltend machen kann (also grundsätzlich nur bei Firmen, die aus dem bürgerlichen Namen des Namensgebers gebildet wurden und insbes. nicht bei Sach- und Phantasiefirmen von namensgebenden Gesellschaften, vgl. § 17 Rn 50) und diese übermäßig beeinträchtigt werden. Vielmehr führt die Firmenführung durch den Erwerber – wie sonst auch – zu einer Kollision mit dem Namensrecht des Namensgebers. Während dieser sein Recht sonst aber ohne Vorliegen einer namensrechtlichen Gestattung gem. §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG verteidigen kann (Rn 53), verliert er diese Befugnis im Blick auf die Geltendmachung wirtschaftlicher Interessen gegenüber einem Erwerber (und dessen Rechtsnachfolger), der die Firma aus der Insolvenzmasse erwirbt. Anders gewendet liegt ein Konflikt – insoweit ist Canaris zuzustimmen131 – zwischen Gleichnamigen vor. Ein solcher Konflikt ist durch Interessenabwägung zu lösen.132 Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass dem Erwerber, weil er die Firma aus der Insolvenzmasse erworben hat, hinsichtlich wirtschaftlicher Interessen Vorrang vor dem Namensgeber gebührt, der sich seinerseits auf solche Interessen nicht berufen kann. Hinsichtlich des weiteren Gebrauchs seines Namens hat der Namensgeber daher in Bezug auf wirtschaftliche Interessen Rücksicht auf den Firmeninhaber zu nehmen. Es obliegt daher beispielsweise dem Namensgeber – und nicht etwa wie Canaris meint133 dem Firmeninhaber – einer Verwechselungsgefahr vorzubeugen. Da die wirtschaftlichen Interessen des Firmeninhabers Vorrang genießen und er deswegen insoweit keiner namensrechtlichen Gestattung durch den Namensgeber bedarf, kann er sich den Firmenwert grundsätzlich in jeder Hinsicht zu nutze machen, d.h. vor allem ohne den in Rn 46, 52 genannten Beschränkungen zu unterliegen. Er darf daher insbes. das Handelsgeschäft mitsamt der Firma weiterveräußern, wobei der Zweiterwerber als sein Rechtsnachfolger zur Firmenführung ebenfalls keiner namensrechtlichen Gestattung durch den Namensgeber bedarf. 63
130 Zutr. Barnert KTS 2003, 523 (532). 131 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 70, 76; ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 48. 132 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 70; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 48; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 136 ff. 133 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 70, 76. Burgard
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Die Befugnisse des Erwerbers und seines Rechtsnachfolgers finden Schranken, soweit der 65 Namensgeber persönlichkeitsrechtliche Interessen geltend machen kann und diese übermäßig beeinträchtigt werden. Das bedeutet vor allem zweierlei. Zum einen muss der Namensgeber keine Ausschlachtung seines Namensrechts durch eine sog. Firmenvervielfältigung hinnehmen. Zwar darf der Erwerber Firmen von Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften unter Verwendung des Namens des Namensgebers bilden, ohne auf seine Gestattung angewiesen zu sein, weil andernfalls der Wert seines Firmenrechts übermäßig beeinträchtigt würde. Er kann sie auch mitsamt der Firma veräußern. Von den Erwerbern der Zweigniederlassungen bzw. von den erworbenen Tochterunternehmen kann der Namensgeber dann aber Unterlassung des Gebrauchs seines Namens verlangen, weil eine solche Firmenvervielfältigung seine persönlichkeitsrechtlichen Interessen verletzt. Zum anderen muss es der Namensgeber nicht hinnehmen, wenn der Erwerber oder sein Rechtsnachfolger die Firma und damit zugleich seinen Namen bspw. durch kriminelle Geschäftspraktiken in Verruf bringt.134 In diesem Fall kann er von dem Erwerber oder seinem Rechtsnachfolger ebenfalls Unterlassung des Gebrauchs seines Namens verlangen. Anders als in den Fällen der Rn 79 ff muss er hierfür keine Kündigung aussprechen, weil es vorliegend an einer Gestattungsvereinbarung fehlt.
dd) Abgeleitete Firma. Nach herrschender Meinung ist der Insolvenzverwalter nicht befugt, 66 eine abgeleitete Firma zu veräußern, wenn diese ohne Befugnis zur Weiterveräußerung erworben wurde.135 Dem ist zuzustimmen, näher u. Rn 75 ff. ee) Exkurs: Bildung einer Ersatzfirma. Hat der Insolvenzverwalter die Firma veräußert, fragt 67 sich, ob der Unternehmensträger eine neue Firma bilden muss und wie sie zustande kommt. Lediglich bei Einzelkaufleuten stellt sich diese Frage in der Regel (Ausnahme bei der Veräußerung lediglich eines von mehreren wirtschaftlich selbständigen Unternehmen, s. Rn 18) nicht, weil sie durch die Veräußerung des Handelsgeschäfts ihre Kaufmannseigenschaft verlieren (s. auch u. Rn 115). Dagegen wandeln sich Personenhandelsgesellschaften gem. § 105 Abs. 2 nicht allein wegen der Veräußerung des Handelsgeschäfts in Gesellschaften bürgerlichen Rechts um, solange sie in das Handelsregister eingetragen bleiben. Im Liquidationsfall bleiben sie vielmehr bis zur Vollbeendigung zur Führung einer Firma verpflichtet (§ 17 Rn 46). Dasselbe gilt für Formkaufleute, also insbes. Kapitalgesellschaften (§ 17 Rn 48).
(1) Meinungsstand. Im Wesentlichen werden drei Ansichten vertreten: Erstens: Die Firma der 68 Gemeinschuldnerin dürfe – zumindest mit Einverständnis des Erwerbers – für begrenzte Zeit bis zur Beendigung der Abwicklung fortgeführt werden.136 In Fällen des § 30 müsse allerdings entweder der Firmenerwerber oder die Gemeinschuldnerin einen unterscheidungskräftigen Zusatz in die Firma aufnehmen.137 Zweitens: Die Gemeinschuldnerin müsse eine neue Firma annehmen. Hierfür bedürfe es nach allgemeinen Regeln eines Beschlusses der Gesellschafter.138 Drittens: Zwar bedürfe es der Annahme einer neuen Firma. Diese Ersatzfirma könne der Insol134 AA aber OLG Hamburg HansRZ 1921, Sp. 272, 275 m. Anm. Lehr Sp. 629; Götting Persönlichkeitsrecht als Vermögensrecht, 121 f.
135 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 47; MünchKommHGB/Heidinger Rn 93; Oetker/Schlingloff Rn 23. 136 BGH NJW 1991, 1353 (1354); bestätigt durch BGH Beschl. v. 26.11.2019 – II ZB 21/17, DStR 2020, 299, 301 f.; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Hopt/Merkt Rn 3; MünchKommHGB/Heidinger Rn 95; Leuering NJW 2016, 3265 (3267 f); kritisch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. 137 MünchKommHGB/Heidinger Rn 95; Scholz/K. Schmidt8 § 63 GmbHG Rn 61: unterscheidender (Insolvenz)-Zusatz für die Schlussabwicklung; öOHG AG 2001, 155 (157) = NZG 2000, 1130: Liquidationszusatz genügt. 138 BGH Beschl. v. 26.11.2019 – II ZB 21/17, DStR 2020, 299, 302 ff. 153
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venzverwalter aber erforderlichenfalls auch ohne Mitwirkung der Gesellschaft bilden und zur Eintragung in das Handelsregister anmelden.139
69 (2) Stellungnahme: Die Einwilligung i.S.d. § 22 bewirkt den Übergang des Firmenrechts i.S.d. §§ 398, 413 BGB von dem Veräußerer auf den Erwerber (o. Rn 28). Der Erwerber ist nunmehr berechtigt, nicht aber verpflichtet, die erworbene Firma zu führen. Umgekehrt darf der Veräußerer die Firma grundsätzlich nicht mehr führen, sondern ist verpflichtet eine neue Firma anzunehmen. Die neue Firma muss den allgemeinen Firmenbildungsvorschriften entsprechen. Unter diesen Voraussetzungen kann die neue Firma außerhalb des Anwendungsbereichs von § 30 mit der veräußerten Firma übereinstimmen, sofern dem nicht namens- oder markenrechtliche Vorschriften (§§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG) entgegenstehen. Innerhalb des Anwendungsbereichs von § 30 (bzw. der §§ 5, 15 MarkenG) muss die neue Firma wenigstens einen unterscheidungskräftigen Zusatz enthalten, wofür ein Liquidationszusatz nur ausreicht, wenn der Erwerber zugleich einen Nachfolgezusatz führt.140 Das folgt schon daraus, dass der Liquidationszusatz gem. §§ 153, 269 Abs. 6 AktG, § 68 Abs. 2 GmbHG kein Firmenbestandteil ist.141 Freilich kann der Veräußerer auch seine alte Firma weiterführen, auch wenn er dies, wie gesagt, grundsätzlich nicht darf (vgl. auch § 24 Rn 41). Führt er die Firma unbefugterweise weiter, so greift § 37 Abs. 1 und 2 ein. Vor diesem Hintergrund ist denkbar, dass der Erwerber als neuer Inhaber des Firmenrechts dem Veräußerer gestattet, die Firma weiterzubenutzen.142 Eine solche schuldrechtliche Vereinbarung darf freilich nicht gegen zwingendes Recht, namentlich nicht gegen §§ 18 Abs. 2, 23 und 30 verstoßen, andernfalls greift § 37 Abs. 1 selbst dann ein, wenn der Erwerber sich verpflichtet hat, nicht nach § 37 Abs. 2 vorzugehen. Im Anwendungsbereich des § 30 bedarf es daher der Ergänzung entweder der von dem Veräußerer oder dem Erwerber geführten Firma um einen unterscheidungskräftigen Zusatz. Auf Seiten des Erwerbers besteht dabei allerdings die Gefahr, dass dadurch die Firmenidentität verloren geht (s. Rn 84 ff) und die Ergänzung daher als Firmenneubildung zu behandeln ist. Oft wird daher auf Seiten des Erwerbers nur die Aufnahme eines Nachfolgevermerks in Betracht kommen, der für sich allein jedoch nicht unterscheidungskräftig ist.143 Ausreichend ist dies nur, wenn der Veräußerer zugleich einen Liquidationszusatz annimmt.144 Zudem darf es im Blick auf § 23 nicht zu einer dauerhaften Firmenverdoppelung oder -aufspaltung kommen. Eine Gestattung zur Weiterführung der Firma kommt daher nur als vorübergehende Maßnahme in Betracht, insbes. bis zur Vollbeendigung der Gesellschaft, wenn diese in absehbarer Zeit zu erwarten ist.145 Ist der Erwerber nicht damit einverstanden, dass der Veräußerer die Firma vorübergehend weiternutzt oder war sein Einverständnis auflösend bedingt oder befristet, so muss die veräußernde Gesellschaft eine neue Firma annehmen. 70 Zuständig für eine erforderliche Firmenänderung (bzw. -ergänzung) sind grundsätzlich die Gesellschafter (Rn 40). Im Insolvenzfall geht die Firmenänderungskompetenz nicht auf den Insolvenzverwalter über. Der Insolvenzverwalter wird dadurch nicht an einer effektiven Verwertung der Firma gehindert. Weigern sich die Gesellschafter eine erforderliche Firmenände139 MünchKommAktG/Koch § 264 Rn 19, 56 f mwN. 140 KG JW 1936, 2658; Hopt/Merkt Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 79; vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 60.
141 RGZ 29, 66 (69); Staub/Habersack § 153 Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann § 153 Rn 2; MünchKommHGB/K. Schmidt § 153 Rn 7. 142 BGH Beschl. v. 26.11.2019 – II ZB 21/17, DStR 2020, 299, 301. 143 AA MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 98; wie hier RG DR 1944, 249 (250); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle § 22 Rn 78 f. 144 KG JW 1936, 2658; Hopt/Merkt Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 79; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 61. 145 BGH NJW 1991, 1353 (1354); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Hopt/Merkt Rn 3; MünchKommHGB/Heidinger Rn 99; Henssler/Strohn/Wamser Rn. 19; kritisch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. Burgard
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rung durchzuführen, kann der Erwerber nach § 37 Abs. 2 vorgehen (ggf. auch nach §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG, Rn. 69), andernfalls das Registergericht nach § 37 Abs. 1. Außerdem kann die Firma im Rahmen eines Insolvenzplans geändert werden (§§ 225a Abs. 1, 3, 254a Abs. 1, 2 S. 1 InsO).146
2. Die Übertragung der Firma durch den Testamentsvollstrecker a) Grundlagen: Fortführung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker. Ob 71 der Erblasser einem Testamentsvollstrecker zur Aufgabe machen kann, das im Nachlass befindliche Unternehmen fortzuführen, ist streitig (s. dazu § 27 Rn 77 ff mwN). Das Problem ergibt sich aus der beschränkten Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers: Zwar kann er nach §§ 2206, 2207 BGB Verbindlichkeiten für den Nachlass eingehen, kann aber nicht kraft seines Amtes den Erben mit seinem sonstigen (Privat-)Vermögen verpflichten. Weil er durch seine Amtshandlungen grundsätzlich auch nicht zum persönlichen Schuldner wird, ergibt sich die Frage, ob die Fortführung des Unternehmens unter gleichzeitiger Beschränkung der Haftung auf den Nachlass zulässig ist. Während die sog. echte Testamentsvollstreckerlösung die Frage bejaht,147 wird sie von der hM verneint, weil die Testamentsvollstreckung nicht zu einer Beschränkung der handelsrechtlichen Schuldenhaftung führen dürfe.148 Als Alternativen kommen nach hM allerdings die sog. Vollmachtslösung, die sog. Weisungsgeberlösung und die sog. Treuhandlösung in Betracht.149 Vollmachtslösung bedeutet: Träger des Unternehmens sind die Erben. Sie verschaffen dem Testamentsvollstrecker die ihm nach dem Gesetz fehlende Verpflichtungsmacht, indem sie ihn bevollmächtigen, das Unternehmen in ihrem Namen zu führen. Weisungsgeberlösung heißt: Die Erben treten nach außen selbständig als Gesellschafter auf. Im Innenverhältnis sind sie aber aufgrund einer Auflage im Testament an die Weisungen des Testamentsvollstreckers gebunden. Treuhandlösung heißt: Der Testamentsvollstrecker betreibt das Unternehmen im eigenen Namen und deshalb unter seiner persönlichen Haftung, aber auf Rechnung der Erben. Sind mehrere Testamentsvollstrecker bestellt und als Treuhänder tätig, so bilden sie keine OHG.150 Welche Lösung zu wählen ist, hängt vom Willen des Erblassers ab. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass die Erben auch nach außen hin Träger des Unternehmens sein sollen. Sind sie aber nicht damit einverstanden, dass sie der Testamentsvollstrecker über die Nachlassmittel hinaus persönlich verpflichten kann, und deshalb zur Erteilung der Vollmacht nicht bereit, so kann der Testamentsvollstrecker verlangen, dass sie die Unternehmensführung auf ihn als Treuhänder übertragen. Rechtliche Grundlage ist 146 BGH Beschl. v. 26.11.2019 – II ZB 21/17, DStR 2020, 299 (302 ff) (zur AG); dazu Noack NZG 2020, 257; Hacker NZI 2017, 813; OLG München Beschl. v. 30.5.2016 – 31 Wx 38/16, NZG 2016, 837 (zur GmbH); dazu Linardatos ZIP 2017, 901; a.A. Staub/Burgard5 Rn. 70. BGH Beschl. v. 26.11.2019 – II ZB 21/17, DStR 2020, 299, 304. 147 Mit Unterschieden im Einzelnen Baur FS Dölle I, 1963, 249 ff; Muscheler 389 ff; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 36 ff; Kipp/Coing Erbrecht 14. Bearb. 1990, § 68 III 3 a; Winkler FS Schippel, 1996, 519 (524 ff); Schiemann FS Medicus, 526 ff; Weidlich NJW 2011, 641 (644 ff); Hopt/Merkt § 1 Rn 44; MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 14. 148 Staudinger/Reimann § 2205 BGB Rn 147 ff; BeckOK BGB/Lange § 2205 Rn 27; Röhricht/v. Westphalen/Haas § 1 Rn 82; RGZ 132, 138 (144); BGHZ 12, 100 (102); 24, 106 (112); 35, 13 (17); abl. MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 19 ff mwN. 149 Zur Vollmachtslösung grundlegend RGZ 172, 199 (205) (zur KG); BGHZ 12, 100 (103); BGHZ 35, 13 (15); BGH NJW 1981, 749 (750); BayObLZ 1969, 138; Siebert FS für Hueck, 1959, 321 (330); Lange/Kuchinke § 31 V 7 b); Klussmann BB 1966, 1209 (1211); BeckOK BGB/Lange § 2205 Rn 28; Staudinger/Reimann § 2205 Rn 153 ff; abl. MünchKommBGB/ Zimmermann § 2205 Rn 25 f; zur Treuhandlösung RGZ 132, 138 (142); BGHZ 24, 106 (112); Staudinger/Reimann § 2205 BGB Rn 149 ff; BeckOK BGB/Lange § 2205 Rn 29 ff; John BB 1980, 757 (760 f); Goebel ZEV 2003, 261; krit. Erman/M. Schmidt § 2205 Rn. 22 f.; abl MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 27 f; ausführlich mit Gestaltungshinweisen für die Praxis Kämper RNotZ 2016, 625. 150 BGH NJW 1975, 54. 155
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eine entsprechende Auflage (§§ 2192 ff BGB), die von dem Erblasser notwendig mitgewollt ist, weil die Verwaltungsvollstreckung sonst nicht durchgeführt werden kann. Für die Eintragung in das Handelsregister gilt: Bei der echten Testamentsvollstreckerlösung, der Vollmachtslösung und der Weisungsgeberlösung sind die Erben als Unternehmensträger einzutragen, der Testamentsvollstrecker nach § 53 (analog). Bei der Treuhandlösung ist der Testamentsvollstrecker einzutragen, weil er Unternehmensträger ist. Allerdings leiden alle vorgenannten Lösungen unter Schwächen, weswegen eine Testamentsvollstreckung an Handelsgeschäften zum Teil auch für generell unzulässig gehalten wird.151
72 b) Folgerungen für die Übertragung der Firma. Ob der das Unternehmen fortführende Testamentsvollstrecker oder der oder die Erben die in § 22 vorausgesetzte Einwilligung erteilen müssen, hängt somit davon ab, welcher der vorgenannten Ansichten man folgt bzw. ob die Beteiligten die Vollmachtlösung oder die Treuhandlösung gewählt haben. Hält man eine Testamentsvollstreckung an Handelsgeschäften für generell unzulässig oder wird die Vollmachtslösung gewählt, so ist der Erbe Träger des Unternehmens, so dass die Einwilligung von ihm erteilt werden muss. Sind mehrere Erben vorhanden, müssen alle zustimmen.152 Kommt es dagegen zur Treuhandlösung, so erteilt der Testamentsvollstrecker die Einwilligung.153 Das Firmenrecht kann wegen § 23 nicht bei den Erben verbleiben. Im Innenverhältnis kann die (Weiter-) Übertragung der Firma durch den Testamentsvollstrecker allerdings pflichtwidrig sein. Folgt man mit der hier vertretenen Meinung (§ 27 Rn 83) der echten Testamentsvollstreckerlösung, ist zwar der Erbe Inhaber des Unternehmens. Weil der Testamentsvollstrecker aber nach dem Willen des Erblassers den formellen Inhaber kraft seines Amtes repräsentiert, ist es der Testamentsvollstrecker, der zur Erteilung der Einwilligung berufen ist.154 Anders als im Falle des § 24 Abs. 2 (dort Rn 34) gilt dies auch für die namensrechtliche Gestattung.
C. Rechtsfolgen des § 22 Abs. 1 I. Keine Pflicht zur Firmenfortführung 73 Sind die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 (Rn 13–72) erfüllt, ist der Erwerber berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, die Firma fortzuführen. Da nicht nur Handelsgesellschaften, sondern richtigerweise auch Einzelkaufleuten die gleichzeitige Führung mehrerer Firmen verwehrt ist (Vor § 17 Rn 39 ff), müssen sich Kaufleute, die ein Handelsgeschäft mit dem Recht zur Firmenfortführung erwerben, daher im Ausgangspunkt entscheiden, ob sie ihre bisherige Firma beibehalten oder aufgeben und die Firma des erworbenen Handelsgeschäfts annehmen (zu weiteren Möglichkeiten Rn 102 ff). Ferner steht es jedem Erwerber selbstverständlich frei, mit dem Erwerb des Handelsgeschäfts oder auch später eine neue Firma anzunehmen,155 die dann freilich den Vorschriften über die Bildung neuer Firmen entsprechen muss.156 Macht der Erwerber von sei-
151 RGZ 132, 138 (144); BGHZ 12, 100 (102); 24, 106 (112); 35, 13 (17 f); sowie aus der Literatur MünchKommHGB/ Thiessen § 27 Rn 18 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 27 Rn 12; Oetker/Vossler § 27 Rn 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 27 Rn 15; Brandner FS Stimpel, 1985, 991 (995 ff). 152 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 50; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; MünchKommHGB/Heidinger Rn 26. 153 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 50; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; MünchKommHGB/Heidinger Rn 26. 154 Bondi ZBlHR 1 (1926), 308 (318); Muscheler 418 (421 f). 155 BayObLGZ 1989, 474 (479); OLG Celle BB 1974, 388; LG Fürth BB 1976, 810; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. 156 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. Burgard
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nem Recht zur Firmenfortführung keinen Gebrauch oder nimmt er eine neue Firma an, so erlischt die abgeleitete Firma und kann dann später weder von dem Erwerber noch von dem Veräußerer (etwa in Fällen des Abs. 2) fortgeführt, sondern nur wieder neu gebildet werden, wenn dies nach Firmenbildungsrecht (insbes. auch § 30) zulässig ist. Möglich ist allerdings eine vertragliche Verpflichtung des Erwerbers, die Firma des Veräußerers fortzuführen. Eine derartige Verpflichtung kann aus der Sicht des Veräußerers insbes. im Fall der Verpachtung des Unternehmens (Abs. 2) sinnvoll sein, damit die Firma bis zur Rückübertragung des Unternehmens erhalten bleibt. Weil diese Verpflichtung nur schuldrechtlichen Charakter hat, kann sie nur im Zivilprozess von den Parteien, nicht aber von dem Registergericht durchgesetzt werden.157
II. Vertragliche Beschränkungen des Rechts zur Firmenfortführung 1. Bedingung, Befristung und Widerrufsvorbehalt Die in der Einwilligung und ihrer Annahme liegende Übertragung des Firmenrechts kann befris- 74 tet oder bedingt erfolgen. Dabei ist allerdings die Vereinbarung eines Anfangstermins oder einer aufschiebenden Bedingung nur zulässig, wenn hierdurch der gem. § 23 erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen dem Wirksamwerden der Einwilligung und der Übertragung des Handelsgeschäfts (Rn 32) nicht aufgegeben wird (§ 23 Rn 6).158 Unproblematisch ist dagegen die Vereinbarung eines Endtermins, einer auflösenden Bedingung oder eines Widerrufsvorbehalts.159 Eine solche zeitlich begrenzte Übertragung des Firmenrechts kann aus der Sicht des Veräußerers dann sinnvoll sein, wenn sich der Erwerber als sein Nachfolger erst bewähren soll (s. auch Rn 79 ff).160 Zu beachten ist aber: Wenn die Bedingung eintritt oder die Frist abläuft, erlischt die Firma und fällt nicht etwa an den Veräußerer zurück.161 Infolge des Erlöschens wird eine weitere Firmenführung des Erwerbers mit den Konsequenzen des § 37 unzulässig.162 Bis zu diesem Zeitpunkt können die Beteiligten die Beschränkungen der Firmenübertragung aufheben;163 hiergegen sind auch aus § 23 keine durchgreifenden Bedenken abzuleiten (s. dort Rn 6). Ist das Recht zur Firmenführung dagegen durch Bedingungseintritt oder Zeitablauf erloschen, so kann es durch nachträgliche Vereinbarung nicht wieder hergestellt, verlängert oder übertragen werden. Denkbar ist auch, dass die namensrechtliche Gestattung nur bedingt, befristet oder unter Widerrufsvorbehalt erteilt wird (s. Rn 47).
2. Sonstige Beschränkungen a) Meinungsstand. Nach herrschender Meinung können die Parteien den Umfang der Einwilli- 75 gung selbst festlegen.164 Dabei ist allerdings streitig, ob solche vertraglichen Beschränkungen
157 KG JFG 5, 212; BayObLG ZBlFG 17, 49; OLG Rostock OLGR 41, 193. 158 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30; aA (Vereinbarung aufschiebender Bedingung oder Anfangstermins unzulässig) MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22.
159 RGZ 76, 263 (265); RGZ 102, 17 (22); BayObLG Recht 1912 Nr. 1934. 160 Bondi ZBlFG 11, 357. 161 RGZ 76, 263 (265); MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; Heymann/Förster Rn 22; BeckOK HGB/Bömeke Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22.
162 RGZ 76, 263 (265); MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; BeckOK HGB/Bömeke Rn 26. 163 RGZ 76, 263 (265); OLG Köln RheinArch. 1909, 26 = ZBlFG 9, 630 (LS) m. Anm. Bondi; BeckOK HGB/Bömeke Rn 26; MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; aA KG RJA 17, 84. 164 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 21; Oetker/Schlingloff Rn 20; BeckOK HGB/Bömeke Rn 34; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28, Köhler FS Fikentscher, 1998, 495 (502); Lettl WM 2006, 1841 (1842 f). 157
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des Firmengebrauchs nur obligatorische165 oder dingliche Wirkung entfalten.166 Fehlen ausdrückliche Abreden, sei im Zweifel eine Weiterübertragung des Unternehmens mit der Firma zulässig. Sei nämlich der ursprüngliche Inhaber mit der Führung der Firma durch Dritte überhaupt einverstanden, sei es seine Sache, den Vertrag entsprechend auszugestalten, wenn sich sein Einverständnis nur auf die Person des ersten Erwerbers beziehen soll.167 Auch die Errichtung von neuen Zweigniederlassungen unter der erworbenen Firma sei von der Einwilligung im Zweifel gedeckt, weil darin nur organisatorische, dem weiteren Ausbau des Unternehmens dienende Maßnahmen liegen, die den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Hauptniederlassung nicht aufheben.168 Eine Übertragung von Zweigniederlassungen mitsamt dazugehörigen Firmen an Dritte sei dagegen unzulässig, weil dies zu einer Firmenvervielfältigung führe, mit der der Veräußerer der Firma typischerweise nicht einverstanden sei.169 Ähnliches wie für Zweigniederlassungen gelte schließlich für rechtlich selbständige Tochtergesellschaften: Die Verwendung der Firma für eine von dem Erwerber neu gegründete Tochtergesellschaft sei zulässig, soweit die Neugründung der Errichtung einer von dem Erwerber selbst betriebenen Zweigniederlassung wirtschaftlich vergleichbar sei. Sie sei dagegen unzulässig, soweit die Gründung darauf abzielt, durch anschließende Veräußerung der Mitgliedschaftsrechte bloß den Wert der Firma zu realisieren.170
b) Stellungnahme 76 aa) Wirkung einer Beschränkung der Einwilligung. Durch die Einwilligung wird die Firma gem. §§ 398, 413 BGB mit dinglicher Wirkung auf den Erwerber übertragen (s.o. Rn 28). Beschränkungen hinsichtlich der Weiterveräußerung könnten daher an § 137 BGB zu messen sein. Sie hätten dann allenfalls (§§ 137 S. 2, 140 BGB) schuldrechtliche, aber keine dingliche Wirkung (§ 137 S. 1 BGB). Demgegenüber darf indes nicht verkannt werden, dass § 413 BGB ohne Einschränkung auf § 399 BGB verweist, der als lex specialis § 137 BGB vorgeht. Zudem ist zu bedenken, dass das Firmenrecht ohnehin kraft Gesetzes (§ 23) nicht selbständig übertragbar ist und die Übertragbarkeit des Handelsgeschäfts durch ein Veräußerungsverbot der Firma nicht eingeschränkt wird. Schließlich ist das Firmenrecht kein bloßes Immaterialgüterrecht, sondern weist zum Teil auch persönlichkeitsrechtliche Züge auf (§ 17 Rn 50), was ebenfalls dafür spricht, einem Veräußerungsverbot dingliche Wirkung zuzumessen; denn nur wenn ein Veräußerungsverbot dingliche Wirkung hat, wirkt es auch gegen den Zweiterwerber, gegen den der Erstveräußerer sonst allenfalls namensrechtliche Ansprüche hätte. Im Übrigen bliebe der Erstveräußerer auf einen Schadensersatzanspruch gegen den Ersterwerber beschränkt.
77 bb) Reichweite der Einwilligung. Richtig ist, dass die Parteien die Reichweite der Einwilligung privatautonom festlegen können. Fehlen anderweitige Abreden, ist jedoch entgegen der 165 Dafür etwa Hopt/Merkt Rn 12; Köhler FS Fikentscher, 1998, 494 (505); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11; vgl. auch Lettl WM 2006, 1841 (1842 f) und Köhler DStR 1996, 510 (512).
166 So die wohl inzwischen h.M. Canaris Handelsrecht § 10 Rn 40; ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn 23; Henssler/ Strohn/Wamser Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19, 22; MünchKommHGB/Heidinger Rn 33; Heymann/ Förster Rn 19. 167 BGH DB 1980, 2434 lässt die Frage offen. 168 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28; Heymann/Förster Rn 29. 169 RGZ 67, 94; RGZ 104, 341 (343); BGH LM § 24 HGB Nr. 11 = DB 1980, 2434 (dazu ablehnend Bokelmann GmbHR 1982, 153); vgl. auch OLG Karlsruhe WRP 1978, 830. 170 BGH DB 1980, 2434 (2435); OLG Karlsruhe WRP 1978, 830; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11; differenzierend BeckOK HGB/Bömeke Rn 34. Burgard
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herrschenden Meinung davon auszugehen, dass der Erwerber die Firma als deren neuer Inhaber unbeschränkt nutzen kann und darf. Hinsichtlich einer Weiterveräußerung folgt dies schon aus §§ 137, 399 BGB; denn wenngleich § 399 BGB als lex specialis § 137 BGB vorgeht, so zeigt doch eine Zusammenschau beider Vorschriften, dass Veräußerungsverbote eine Ausnahme darstellen, die – erst Recht wenn sie dinglich wirken – von den Parteien ausdrücklich zu regeln sind. Selbst eine sog. Firmenvervielfältigung ist daher ohne entgegenstehende Abreden grundsätzlich zulässig. Das scheint zwar auf den ersten Blick wegen der persönlichkeitsrechtlichen Züge des Firmenrechts nicht unproblematisch zu sein. Will der Veräußerer eine Ausschlachtung des Firmenwerts durch den Erwerber unterbinden, ist jedoch von ihm zu verlangen, dass er dies ausdrücklich zum Inhalt der Einwilligung macht (und dafür ggf. eine entsprechende Reduktion des Entgelts hinnehmen muss). Außerdem ist er durch das Erfordernis einer namensrechtlichen Gestattung geschützt.
cc) Reichweite der namensrechtlichen Gestattung. Von der Reichweite der Einwilligung 78 zu unterscheiden ist die Reichweite der erforderlichen namensrechtlichen Gestattung. Diese reicht ohne besondere Abreden erheblich weniger weit (Rn 46, 48) als jene. Auch wenn der Namensträger dem Erwerber die Firmenführung gestattet hat und der Erwerber nach dem Inhalt der Einwilligung die Firma weiterveräußern darf, bedeutet dies daher noch nicht, dass auch einem Zweiterwerber die Führung der Firma namensrechtlich gestattet ist. Vielmehr muss der Namensträger entweder dem Ersterwerber das Recht zugestehen, sein durch die Gestattung begründetes schuldrechtliches Recht zum Namensgebrauch abzutreten, oder er muss dem Zweiterwerber unmittelbar den Namensgebrauch gestatten. Das ist zum Schutz der Rechte des Namensgebers sachgerecht, weil ihm nicht zuzumuten ist, dass die Befugnis zum Gebrauch seines Namens ohne sein vorheriges Einverständnis auf einen anderen übergeht. Zu den Rechtsfolgen einer fehlenden namensrechtlichen Gestattung Rn 53.
3. Kündigung aus wichtigem Grund, Rücktrittsrecht Weithin besteht Einigkeit, dass dem Veräußerer auch ohne besondere vertragliche Abrede das 79 Recht zusteht, gegen die Firmenfortführung durch den Erwerber einzuschreiten, wenn der Erwerber die Firma und damit zugleich den Namen des Veräußerers bspw. durch kriminelle Geschäftspraktiken in Verruf bringt171 oder den Veräußerer durch den Namensgebrauch anderweitig erheblich schädigt.172 Streitig ist jedoch, wie dieses Recht zu begründen ist und was es im Einzelnen beinhaltet.
a) Meinungsstand. Verbreitet wird ohne nähere Begründung behauptet, der Veräußerer könne 80 das Firmenführungsrecht aus wichtigem Grund „widerrufen“.173 Die wohl herrschende Lehre begründet dagegen nur für „extreme Ausnahmefälle“ ein Recht zur Untersagung der Firmenführung mit §§ 12, 157, 242 BGB: Der Übertragungsvertrag (Rn 28, 31 ff) bzw. die namensrechtliche Gestattung (Rn 30, 42 ff) sei dahingehend auszulegen, dass der Veräußerer dem Erwerber die 171 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 38 mwN; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 12; ebs. für den Fall der Personenfirma Heymann/Förster Rn 23; MünchKommHGB/Heidinger Rn 46; aA aber OLG Hamburg HansRZ 1921, Sp. 272, 275 m. Anm. Lehr Sp. 629; Götting Persönlichkeitsrecht als Vermögensrecht, S. 121 f; zweifelnd auch Heidel/Schall/ Lamsa/Ammon Rn 17. 172 Vgl. BGH NJW 2002, 2093 (Entzug von Geschäftschancen); s.a. Köhler FS Fikentscher, 507; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 173 So BayObLG NJW 1998, 1160; Hopt/Merkt Rn 11; BeckOK HGB/Bömeke Rn 36; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 12. 159
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Führung der Firma solange untersagen könne, solange er die Firma in „entehrender“ Weise nutze.174 Der BGH erwägt ein Kündungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB.175 Vereinzelt wird schließlich entsprechend urheberrechtlichen Vorstellungen (§ 34 Abs. 3 S. 2 UrhG analog)176 ein Rückrufsrecht angenommen.177
81 b) Stellungnahme. Die zuletzt genannte Ansicht hat sich zu Recht nicht durchsetzen können, weil es hierfür sowohl an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte als auch – wie sich sogleich zeigen wird – an einer Regelungslücke fehlt. Die herrschende Lehre hat den Nachteil, dem Veräußerer „Steine statt Brot“ zu geben; denn mit einer bloß vorübergehenden Untersagung der Firmenführung ist ihm gerade in „Extremfällen“ nicht gedient. Und für einen „Widerruf“ der Willenserklärungen des Veräußerers gibt es keinen gesetzlichen Anhaltspunkt. Allenfalls könnte man daran denken, dem Veräußerer im Wege ergänzender Vertragsauslegung einen Widerrufsvorbehalt (Rn 74) zuzugestehen. Ist dieser Weg nicht gangbar, so kommen als funktional vergleichbare Instrumente ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund gem. § 314 BGB oder ein Rücktrittsrecht gem. § 324 i.V.m § 241 Abs. 2 BGB in Betracht. Dabei zielt das Kündigungsrecht auf die namensrechtliche Gestattung. Die Kündigung ist daher durch den Namensgeber zu erklären. Rechtsfolge einer wirksamen Kündigung ist, dass eine weitere Verwendung der Firma durch den Erwerber namensrechtlich unzulässig wird. Dagegen erfasst der Rücktritt – nach einer (ggf. entbehrlichen) Abmahnung178 – die schuldrechtliche Verpflichtung zur Übertragung des Firmenrechts (Rn 29). Der Rücktritt ist dementsprechend durch den Veräußerer zu erklären. Die Rechtsfolgen des Rücktritts richten sich nach §§ 346 ff BGB, d.h. es sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, also insbes. das Firmenrecht zurückzuübertragen. Auf den Erwerb des Unternehmens hat der Rücktritt hingegen keinen unmittelbaren Einfluss, weil der Unternehmens- und der Firmenerwerb auf unterschiedlichen Vereinbarungen beruhen (s.o. Rn 29, 31). Damit in der isolierten Rückübertragung des Firmenrechts kein Verstoß gegen § 23 vorliegt, darf der Veräußerer von der zurückerworbenen Firma allerdings keinen Gebrauch machen, wodurch die Firma erlischt. Schließlich haben sowohl der Namensgeber als auch der Veräußerer – dieser gem. § 325 BGB auch neben dem Rücktrittsrecht – ggf. einen Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB; der Namensgeber überdies nach §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, weil ein entehrender Gebrauch des Namens nicht von der Gestattung gedeckt ist.
III. Rechte des Veräußerers und des Namensgebers gegen den Erwerber 82 Fehlt es an einer wirksamen Einwilligung oder überschreitet der Erwerber die vertraglich gezogenen Grenzen der Einwilligung kann der Veräußerer bei dem Registergericht mit Aussicht auf Erfolg ein Firmenmissbrauchsverfahren (§ 37 Abs. 1) gegen den (vermeintlichen) Erwerber anregen;179 dieses kann sich auch gegen einen Dritten richten, an den der Erwerber die Firma abredewidrig weiterzuübertragen versucht hat.180 Ferner kann der Veräußerer aus dem Vertrag
174 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 38; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; GKzHBG/Steitz Rn 32; Heymann/ Förster HGB Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12; Köhler FS Fikentscher, S. 494 (506 ff). 175 BGH NJW 2002, 2093 (2095). 176 Dreier/Schulze UrhG5 § 34 Rn 37; BeckOK Urheberrecht/Soppe, 20. Edition Stand 20.4.2018 § 34 Rn 25. 177 Forkel FS Paulick, 101 (115); aA Canaris Handelsrecht § 10 Rn 38. 178 S. zur Entbehrlichkeit der Abmahnung BGH DB 1968, 1575; BGH NJW 1978, 260; Palandt/Grüneberg80 § 324 Rn 4; MünchKommBGB/Ernst § 324 Rn 9. 179 MünchKommHGB/Heidinger Rn 45; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 40; BeckOK HGB/Bömeke Rn 35. 180 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 40; vgl. auch Staub/Hüffer4 Rn 41. Burgard
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mit dem Erwerber Unterlassungs- und ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen. Überschreitet der Erwerber die Grenzen der namensrechtlichen Gestattung, kann der Namensinhaber sowohl aus dem Gestattungsvertrag als auch aus § 37 Abs. 2 S. 1, § 12 BGB bzw. §§ 5, 15 MarkenG Unterlassungsansprüche gegen den Erwerber herleiten, wobei § 12 BGB ggf. von den §§ 5, 15 MarkenG verdrängt wird (näher zu diesen Anspruchsgrundlagen Anh. I und II zu § 37). Unterlassungsansprüche aus den genannten Vorschriften kann der Namensgeber ferner gegen einen Dritten geltend machen, wenn er dessen Firmenführung nicht gestattet hat. Schadensersatzansprüche sind sowohl aus der Gestattungsvereinbarung als auch aus §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG denkbar. Verstößt der Erwerber gegen eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Fortführung der Firma (Rn 73), so kann der Veräußerer seinen Anspruch ebenfalls im Zivilrechtsweg durchsetzen; § 37 Abs. 1 ist dagegen nicht einschlägig.181
IV. Rechte des Erwerbers gegenüber Dritten Wer das Unternehmen mit der Firma erwirbt, tritt als Rechtsnachfolger des Veräußerers 83 (Rn 28) in dessen Rechtsstellung gegenüber Dritten ein. Er erfährt also denselben materiellen Firmenschutz, den der Veräußerer beanspruchen konnte. Namentlich kommt dem Erwerber die von dem Veräußerer erworbene Priorität zugute, und zwar sowohl im Blick auf § 30 als auch im Blick auf § 12 BGB, §§ 5, 6, 15 MarkenG. Nur wenn die Firma wesentlich verändert wird, entscheidet der Moment der Änderung über den Zeitrang.182
V. Die Art und Weise der Firmenfortführung 1. Der Grundsatz einer unveränderten Fortführung der Firma Als Grundsatz gilt: Der Erwerber muss die Firma so fortführen, wie er sie von dem Veräußerer 84 übernommen hat. Er darf – selbst wenn der Veräußerer zustimmt – weder Bestandteile der bisherigen Firma weglassen oder verändern noch Firmenbestandteile hinzufügen. Von vornherein ausgenommen von dieser Regel sind lediglich die Anpassung des Rechtsformzusatzes (dazu Rn 87 ff) und die Hinzufügung eines Nachfolgezusatzes (dazu Rn 91 ff). Grund für den Zwang zu einer unveränderten Firmenfortführung ist, dass dadurch die Kontinuität des Unternehmens trotz Inhaberwechsels dokumentiert werden soll. Anders gewendet: Wenn schon im Interesse der Erhaltung des Firmenwerts eine Täuschung über die Identität des Inhabers hingenommen wird (die Aufnahme eines Nachfolgezusatzes ist nicht zwingend), soll der Verkehr wenigstens nicht im Zweifel darüber gelassen werden, dass es sich um dasselbe Unternehmen handelt (s.o. Rn 4, 9 f). Eine wesentlich umgestaltete Firma würde den Fortbestand des Unternehmens dagegen nicht zum Ausdruck bringen und wäre der Nutzung des Good Will, den § 22 schützen will (Rn 3), gerade nicht dienlich. Schließlich könnte eine wesentliche Umgestaltung als Verfahren zur Bildung neuer, sonst nach § 18 unzulässiger Firmen genutzt werden.183 Schon das Reichsgericht hat freilich erkannt, dass bei der Beurteilung der Gleichheit zweier 85 Firmen „ein die Verkehrsauffassung außer acht lassender Formalismus zu vermeiden ist“.184 Eine buchstabengetreue Fortführung der Firma ist daher nicht erforderlich. Dem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen.185 Erforderlich und ausreichend sei, dass im Rechtsverkehr 181 KG JFG 5, 212 (214); OLG Rostock OLGR 41, 193 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36; vgl MünchKommHGB/Heidinger Rn 45. 182 BGH NJW 1973, 2152. 183 Vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 56. 184 RGZ 113, 306 (309); 145, 274 (279); 162, 121 (123). 185 BGH NJW 1959, 1081. 161
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keine Zweifel an der Identität der bisherigen und der fortgeführten Firma aufkommen.186 Dem ist auch nach der Liberalisierung des Firmenrechts grundsätzlich zuzustimmen.187 Zwar könnten heutzutage die meisten fortgeführten Firmen in derselben Weise auch neu gebildet werden, wenn der Veräußerer sie aufgibt. Die von § 22 bewirkte Durchbrechung des Grundsatzes der Firmenwahrheit geht daher wesentlich weniger weit als früher (vgl. Rn 5 f), so dass manche Bedenken gegen eine Veränderung fortzuführender Firmen obsolet sind. Gerade weil in den meisten Fällen auch eine Neubildung der Firma möglich ist, gibt es aber umso weniger Anlass, das Erfordernis einer unveränderten Firmenfortführung zu lockern; denn wer eine unveränderte Firmenfortführung nicht will, kann heute in den meisten Fällen auf die Möglichkeit einer Firmenneubildung unter Verwendung von Bestandteilen der alten Firma verwiesen werden. Preis hierfür ist allerdings ein Verlust der Priorität (Rn 7 f, 83), was freilich bei einer wesentlichen Umgestaltung der Firma gerade folgerichtig ist. 86 Wenngleich also die fortzuführende Firma im Wesentlichen unverändert bleiben muss, so sind doch manche Veränderungen im Interesse der Firmenwahrheit zulässig, andere sogar geboten. Das betrifft nicht nur die Anpassung des Rechtsformzusatzes (dazu Rn 87 ff) und die Beifügung eines Nachfolgezusatzes (dazu Rn 91 ff), sondern auch andere Firmenbestandteile (näher Rn 96–104). Im Einzelnen:
2. Zulässige und gebotene Änderungen der fortzuführenden Firma 87 a) Anpassung des Rechtsformzusatzes. Seit der Handelsrechtsreform müssen alle Kaufleute gleich welcher Rechtsform einen Rechtsformzusatz in die Firma aufnehmen (s. § 19 Rn 1 f, 30 ff; zum Übergangsrecht § 19 Rn 29). Dieser Rechtsformzusatz muss, wie § 19 Abs. 1 und 2, §§ 4, 279 Abs. 1 und 2 AktG, § 4 GmbHG sowie § 3 GenG klarstellen, auch dann der Rechtsform des Unternehmensträgers entsprechen, wenn die Firma fortgeführt wird. Im Blick auf den Rechtsformzusatz setzt sich also das Prinzip der Firmenwahrheit gegen das Prinzip der Firmenbeständigkeit durch. Haben in den Fällen des § 22 Erwerber und Veräußerer nicht die gleiche Rechtsform, muss der Erwerber daher trotz des Grundsatzes einer unveränderten Firmenfortführung (Rn 84) die Firma entsprechend anpassen. 88 Hierfür stehen dem Erwerber nach herrschender Meinung grundsätzlich zwei Möglichkeiten zu Gebote. Zum einen kann er den bisherigen, jetzt unrichtigen Rechtsformzusatz streichen und an dessen Stelle den nunmehr zutreffenden Rechtsformzusatz mit oder ohne Nachfolgezusatz setzen. Dieser Weg ist bei allen Kombinationen gangbar, also unabhängig davon zulässig, welchen Rechtsformzusatz die fortzuführende Firma bisher hatte und künftig haben muss.188 Wird das Unternehmen einer „TxT GmbH“ von dem Einzelkaufmann „Achim Müller“ übernommen, kann dieser daher die Firma bspw. als „TxT e.K.“, als „TxT, Inh. Achim Müller e.K.“ oder als „TxT Nachf. e.K.“ fortführen.189 Näher zu Nachfolgezusätzen Rn 91 ff. 89 Zum anderen soll es nach herrschender Meinung auch möglich sein, die Firma mit dem bisherigen Rechtsformzusatz fortzuführen und ihr lediglich einen Nachfolgezusatz mit Rechtsformzusatz anzufügen, also etwa als „TxT GmbH Inhaber Achim Müller e.K.“ oder „TxT GmbH
186 BGHZ 44, 116 (120); OLG Hamm NJW-RR 2002, 1330; in der Begründung unrichtig daher LG Augsburg Rpfleger 1999, 449, das nicht differenziert zwischen Firmenfortführung und der im zu entscheidenden Fall zulässigen Neufirmierung; so auch Anm. Busch Rpfleger 1999, 547; OLG Düsseldorf – I-3 Wx 207/18, NZG 2019, 949 (950). 187 H.M., statt anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 57 mwN. 188 MünchKommHGB/Heidinger Rn 67 f; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 17d; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 48. 189 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 58, 60; MünchKommHGB/Heidinger Rn 66; GKzHGB/Steitz Rn 17 sowie Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 37. Burgard
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Nachf. e.K.“ zu firmieren.190 Dem ist zu widersprechen, weil nicht nur ein unmittelbares Aufeinanderfolgen verschiedener Rechtsformzusätze (das ist unstreitig),191 sondern jede Doppelung von Rechtsformzusätzen geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen.192 Lediglich in den Fällen der § 19 Abs. 2, § 279 Abs. 2 AktG ist eine solche Doppelung innerhalb eines eng gesteckten Rahmens (s. § 19 Rn 14 f) hinzunehmen. So könnte die Firmierung „TxT GmbH Inhaber Achim Müller e.K.“ dahin verstanden werden, dass der eingetragene Kaufmann Achim Müller Alleingesellschafter der TxT GmbH als Unternehmensträgerin ist. Eine „TxT GmbH Inhaber Achim Müller KG“ könnte ebenso wie eine „TxT KG Inhaber Achim Müller GmbH“ mit einer GmbH & Co. KG verwechselt werden. Und die Firmierung „TxT GmbH Nachf. e.K.“ könnte dahin interpretiert werden, dass die GmbH Nachfolgerin eines eingetragenen Kaufmanns ist. Schließlich ist zu bedenken, dass selbst bei der Firmierung „Otto Mair e.K. Inhaber Achim Müller e.K.“ Zweifel entstehen könnten, wer der aktuelle Inhaber ist. Das Weglassen des bisherigen Rechtsformzusatzes ist daher auch deswegen sinnvoll, um unmissverständlich anzuzeigen, wer Vorgänger und wer Nachfolger ist: „Richard Neumann Nachfolger Karl Busse e.K.“ ist anders als „Richard Neumann e.K. Nachfolger Karl Busse e.K.“ eindeutig. Um Missverständnissen vorzubeugen ist daher der bisherige Rechtsformzusatz zu streichen und wie in Rn 88 beschrieben zu verfahren. Das gilt, wie die vorgenannten Beispiele zeigen, auch dann, wenn der bisherige Rechtsformzusatz weiterhin richtig ist, es sei denn, es wird auf die Beifügung eines Nachfolgezusatzes verzichtet. Im Blick auf die Erhaltung des Firmenwerts und die Wahrung der Firmenidentität ist die Streichung des bisherigen Rechtsformzusatzes unschädlich, weil der Rechtsformzusatz nach allgemeiner Überzeugung das „Klangbild“ der Firma nicht entscheidend prägt. Es besteht daher auch kein anerkennenswertes Interesse des neuen Inhabers an dem alten Rechtsformzusatz festzuhalten. Und auch den Verkehr interessiert es mitnichten, in welcher Rechtsform das Unternehmen früher geführt wurde. Vielmehr soll er durch den Rechtsformzusatz nach Sinn, Zweck und Wortlaut von § 19 unzweideutig und „allgemein verständlich“ über die Haftungsverhältnisse informiert werden. Es kommt daher nicht alleine auf das Verständnis des Handelsverkehrs, sondern auf das Verständnis der Allgemeinheit an. Schließlich könnte man für die hier vertretene Ansicht § 200 Abs. 1 S. 2 UmwG (dazu Anh. § 21) anführen, wenngleich zuzugeben ist, dass § 18 UmwG (dazu Anh. § 22) keine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält.
b) Beifügung eines Nachfolgezusatzes. Nach § 22 Abs. 1 darf die Firma „mit oder ohne die 90 Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes“ fortgeführt werden. Die Beifügung eines Nachfolgezusatzes ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes also erlaubt, nicht geboten. Der Erwerber kann den Zusatz jederzeit beifügen, einer veränderten Sachlage anpassen193 und auch wieder ablegen.194 Nur ausnahmsweise besteht eine Pflicht zur Führung eines Nachfolgezusatzes (dazu Rn 94 f). Der Nachfolgezusatz ist Firmenbestandteil. Seine Beifügung, Änderung oder Streichung muss also zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet 190 OLG Hamm DB 1999, 1946; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 58; MünchKommHGB/Heidinger Rn 66; Oetker/Schlingloff Rn 35.
191 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 58; Oetker/Schlingloff Rn 34; BeckOK HGB/Bömeke Rn 47; Bokelmann Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen Rn 713; zu den Zusätzen KG und GmbH MünchKommHGB/Heidinger Rn 68; vgl. auch BGH NJW 1981, 342. 192 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 17; BeckOK HGB/Bömeke Rn 47; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 58; Möller DNotZ 2000, 831 (838); aA MünchKommHGB/Heidinger Rn 69 f, der eine Irreführungseignung der hier gegebenen Beispiele unter Hinweis auf die objektive Sicht eines durchschnittlichen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise bei verständiger Würdigung verneint. 193 Wie hier KG JW 1931, 2993; KGJ 53, A 95 f; BayObLG RJA 1, 47; vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 63; Heymann/Förster Rn 35; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 22; BeckOK HGB/Bömeke Rn 45. 194 MünchKommHGB/Heidinger Rn 63; Heymann/Förster Rn 37; Oetker/Schlingloff Rn 36; BeckOK HGB/Bömeke Rn 45. 163
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werden. Er ist jedoch nicht der für die Individualisierung entscheidende Kern der Firma und darf deshalb bei einer Weiterübertragung des Unternehmens mit der Firma wegfallen oder geändert werden, ohne dass der Grundsatz unveränderter Firmenfortführung verletzt würde. Er kann freilich auch beibehalten werden, muss dann aber so geführt werden, dass die wahren Gegebenheiten richtig wiedergegeben werden, was dann zu sehr langen Firmen führt (z.B. „Richard Neumann Nachf. Karl Busse jetzt Otto Müller e.K.“). 91 Bestimmte Gestaltungsformen für den Nachfolgezusatz sieht das Gesetz nicht vor. Je nach Sachlage kann der Zusatz insbes. lauten: Inhaber, Nachfolger, Erben, Söhne, Töchter, Witwe. Zulässig sind auch verkehrsübliche Abkürzungen (Inh., Nachf.). Die Namen des Vorgängers und Nachfolgers dürfen allerdings nicht so zusammengebracht werden, dass Zweifel entstehen, wer der aktuelle Inhaber ist.195 Unzulässig wäre daher etwa „Karl Busse e.K. Inh. Richard Neumann“. Aus diesem Grund ist nach der hier vertretenen Ansicht auch der Rechtsformzusatz der fortzuführenden Firma wegzulassen (Rn 89). Ein zulässiger Nachfolgezusatz liegt ferner in der Verwendung des Wortes „vormals“ oder der Abkürzung „vorm.“ unter Umkehrung der Reihenfolge von Vorgänger und Nachfolger, also statt „Richard Neumann Nachf. Karl Busse e.K.“ „Karl Busse e.K. vorm. Richard Neumann“.196 Auch die Zusätze Erben, Söhne, Töchter, Witwe können vor- und nachgestellt werden. Statt „Richard Neumann Söhne OHG“ kann also auch „Söhne Richard Neumann OHG“ firmiert werden. Das Beispiel zeigt zudem, dass auf die namentliche Nennung des bzw. der Nachfolger verzichtet werden kann, wenn dies nicht irreführend ist. Daher ist „Richard Neumann Nachf. e.K.“ zulässig, „Richard Neumann Inh. e.K.“ dagegen nicht. Mit Inhaberzusatz muss die Firma vielmehr lauten „Richard Neumann Inh. Karl Busse e.K.“. 92 Zur Bezeichnung einer Erbengemeinschaft als Unternehmensträgerin reicht der Nachfolgezusatz „Erben“ richtigerweise nicht aus.197 Vielmehr bedarf es eines Zusatzes, der „in eingetragener Erbengemeinschaft“ lauten sollte (§ 19 Rn 36). Zulässig ist ferner neben diesem Rechtsformzusatz einen Nachfolgezusatz zu führen, wenngleich dies zu unschönen Firmierungen führen kann. Zulässig ist daher bspw.: „Richard Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft“, „Erben Richard Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft“, „Richard Neumann Inhaber Axel und Achim Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft“. Wegen fehlenden Rechtsformzusatzes unzulässig ist dagegen „Richard Neumann Erben“ oder „Axel und Achim Neumann vorm. Richard Neumann“. Unzulässig ist ferner „Axel und Achim Neumann vorm. Richard Neumann e.K.“. In dieser Kombination müsste es vielmehr heißen: „Axel und Achim Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft vorm. Richard Neumann“. Wegen Doppelung von Rechtsformzusätzen unzulässig ist schließlich „Richard Neumann e.K. in eingetragener Erbengemeinschaft“ und „Richard Neumann e.K. Erben eingetragene Erbengemeinschaft“198 oder „Axel und Achim Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft vorm. Richard Neumann e.K.“. 93 Noch komplizierter sind die Verhältnisse bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung. S. zur Frage der Zulässigkeit und rechtlichen Gestaltung zunächst § 27 Rn 76 ff, zur Frage des Rechtsformzusatzes § 19 Rn 37. Danach ist ein auf die Testamentsvollstreckung hinweisender Zusatz erforderlich, wenn man mit der hier vertretenen Meinung der sog. echten Testamentsvollstreckerlösung folgt. Dieser sollte bei einem Alleinerben lauten: „e.K. unter Testamentsvollstreckung“, also vollständig etwa „Richard Neumann e.K. unter Testamentsvollstreckung“ oder „Richard Neumann Nachf. Axel Neumann e.K. unter Testamentsvollstreckung“. Bei einer Erbengemeinschaft muss es richtigerweise heißen „in eingetragener Erbengemeinschaft unter Testamentsvollstreckung“. Bei Verwendung eines Nachfolge- oder Inhaberzusatzes wird die Firma mithin sehr lang, etwa: „Richard Neumann Inhaber Axel und Achim Neumann in eingetragener Erbengemeinschaft unter 195 OLG Celle, BB 1974, 387. 196 RGZ 5, 110 (113); BayObLG OLGR 10, 229; Wessel Rn 451; aA Opet ZHR 49 (1900), 51 (123 Fn. 226): Ursprüngliche Firma mit unterscheidendem Zusatz. 197 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 61; MünchKommHGB/Heidinger Rn 24; AA wohl Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 17 b. 198 AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 61. Burgard
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Testamentsvollstreckung“. Folgt man hingegen der sog. Vollmachts- oder der sog. Treuhandlösung bedarf es keines Hinweises auf die Testamentsvollstreckung. Eine Pflicht zur Beifügung eines Nachfolgezusatzes kann sich aus dem Grundsatz der 94 Firmenwahrheit ergeben. Genannt werden zwei Fälle: Erstens soll die Beifügung eines Nachfolgezusatzes erforderlich sein, wenn die Firma mit dem bisherigen Rechtsformzusatz fortgeführt werden soll und dieser unzutreffend ist.199 Nach hier vertretener Ansicht ist in einem solchen Fall der bisherige Rechtsformzusatz jedoch zu streichen (Rn 89). Zweitens soll die Beifügung eines Nachfolgezusatzes erforderlich sein, wenn die fortzuführende Firma einen akademischen Grad enthält, den der neue Inhaber nicht führen darf.200 Die nicht promovierte Witwe von Dr. Richard Neumann muss danach entweder mit „Dr. Richard Neumann Witwe Ursula Neumann e.K.“ oder, wenn sie einen Nachfolgezusatz vermeiden will, schlicht mit „Richard Neumann e.K.“ firmieren. Nach hier vertretener Ansicht kann sie dagegen auch dann mit „Dr. Richard Neumann e.K.“ firmieren, wenn sie zwar nicht selbst, wohl aber ein maßgeblicher Mitarbeiter promoviert ist (s. § 18 Rn 56 a.E., 67 f). Noch großzügiger ist seit jüngerem der II. Senat des BGH zu § 24. Danach ist die Verkehrserwartung bei Führung eines Doktortitels in erster Linie auf den Abschluss einer Hochschulausbildung gerichtet, weswegen der Doktortitel bei einer Partnerschaft von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern selbst dann fortgeführt werden dürfe, wenn der einzige Titelträger ausscheide (s. aber auch § 18 Rn. 68 a.E.).201 Ferner kann eine Pflicht zur Beifügung eines Nachfolgezusatzes aus dem Übernahmevertrag 95 folgen. Entgegen herrschender Meinung202 hat eine solche Verpflichtung freilich nur schuldrechtliche und ggf. namensrechtliche, nicht aber dingliche Wirkung, es sei denn die Einwilligung wäre durch die Eintragung eines Nachfolgezusatzes aufschiebend bedingt (Rn 74).
c) Unwesentliche Firmenänderungen. Unwesentliche Änderungen der fortzuführenden Firma 96 sind nach allgemeiner Ansicht zulässig (s. schon Rn 85). Die Frage der Wesentlichkeit richtet sich nach dem Klangbild der Firma, wie es sich Auge und Ohr einprägt,203 und ist in jedem Einzelfall zu entscheiden. Entsprechend umfangreich ist die Kasuistik. Beurteilungsmaßstab ist die Verkehrsanschauung. Erlaubt ist das Weglassen eines von dem bisherigen Inhaber geführten Nachfolgezusatzes (Rn 90). Erlaubt – bzw. nach hier vertretener Ansicht sogar geboten – ist ferner das Weglassen des nunmehr unzutreffenden Rechtsformzusatzes der fortzuführenden Firma (Rn 88 f). Kann der Rechtsformzusatz der fortzuführenden Firma beibehalten werden, darf er abgekürzt oder ausgeschrieben werden.204 Unwesentlich sind überdies bloße Änderungen der Schreibweise.205 Zulässig ist deshalb, veraltete Schreibweisen der neuen Rechtschreibung anzupassen oder sonst zu „modernisieren“ (z.B. „f“ statt „ph“). Erlaubt ist auch, von Großbuchstaben auf Kleinbuchstaben überzugehen und umgekehrt.206 Auch dürfen bloße Initialen weggelassen207 oder hinzugefügt werden. Beifügen oder streichen darf man auch Hinweise auf das Gründungsjahr des Unternehmens.208 Eine wesentliche und deshalb nach § 22 nicht zulässige Änderung ist dagegen in der 199 MünchKommHGB/Heidinger Rn 63; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 63; Röhricht v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 42. Vgl. BGHZ 53, 65 (68); BGH NJW 1998, 1150 (1151). BGH ZIP 2018, 1393, 1439 und 1494. Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 72. BGH NJW 1959, 1081; BGHZ 46, 7 (12) (zu § 30); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65. Oetker/Schlingloff Rn 27; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65. OLG Celle OLGZ 1977, 59 (64); Oetker/Schlingloff Rn 27; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 48. 206 OLG Celle BB 1976, 1094 m. Anm. Wessel; Oetker/Schlingloff Rn 27; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65; GKzHGB/Steitz Rn 12. 207 RGZ 113, 307 (309): „Aluminolwerk Sch.“ statt „Aluminolwerke C. Sch.“; GKzHGB/Steitz Rn 12. 208 KG JW 1929, 2155 mwN; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41; GKzHGB/Steitz Rn 12; Oetker/Schlingloff Rn 27.
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Regel das Weglassen von Vor- oder Familiennamen209 sowie die Abkürzung von bisher ausgeschriebenen Namen bzw. im Ausschreiben bisher abgekürzter Namen.210 Aus der Firma „Ida R. e.K.“ darf also nicht die „R-KG“ werden211 und statt der Abkürzung „Th.“ darf nicht „Theodor“ verwandt werden.212 Zum Teil wird allerdings die Ansicht vertreten, dass nach der Handelsrechtsreform Vornamen keine prägende Bedeutung mehr zukomme, weil sie bei einer Neufirmierung nicht mehr in eine Personenfirma aufgenommen werden müssten.213 Das war freilich schon nach § 19 Abs. 3 a.F. nicht erforderlich. Zudem hat die Frage zulässiger Firmenneubildung keinen Einfluss auf die Frage, welche Firmenbestandteile für die Firmenfortführung prägend sind,214 andernfalls müsste man vorliegend etwa auch die Streichung des Nachnamens als zulässig erachten.215 Prägend ist vielmehr regelmäßig die spezifische Kombination. Deswegen darf bei gemischten Firmen weder der Personen- noch der Sach- oder Phantasieteil gestrichen werden.216 Dementsprechend sind umgekehrt auch Anfügungen an die Firma grundsätzlich unzulässig.217 Anders ist in den vorgenannten Fällen nur zu entscheiden, wenn der fortgeführte Firmenteil derart einprägsam ist, dass kein Identitätszweifel möglich ist.218
d) Firmenänderungen bei unbestimmten Gesellschaftszusätzen 97 aa) Fortführung der Firma durch einen Einzelkaufmann. Nach § 19 a.F. war für die Firmierung einer Personenhandelsgesellschaft die Aufnahme eines sog. unbestimmten Gesellschaftszusatzes (wie „& Co.“, „& Cie.“ oder „& Söhne“) oder die Firmierung mit den Namen der persönlich haftenden Gesellschafter (z.B. „Müller & Maier“) erforderlich und ausreichend. Das führte zu der Frage, ob ein Einzelkaufmann derartige Firmen ohne klarstellenden Nachfolgezusatz fortzuführen berechtigt war. Die wohl herrschende Meinung verneinte dies mit der Begründung, dass zur Vermeidung einer Irreführung des Rechtsverkehrs entweder die Streichung des unbestimmten Gesellschaftszusatzes oder die Verkürzung der Firma auf einen einzelnen Namen erforderlich sei; beides sei indes wegen Aufgabe der Firmenidentität unzulässig.219 Dieser Auffassung war schon nach altem Firmenrecht insoweit nicht zu folgen, als die Streichung eines unbestimmten Gesellschaftszusatzes ebenso wenig die Firmenidentität beeinträchtigt wie die Streichung eines Rechtsform- oder eines Nachfolgezusatzes.220 Auch nach neuem Firmenrecht dürfen daher solche unbestimmten Gesellschaftszusätze gestrichen
209 Oetker/Schlingloff Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 44; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65. Anders für den Fall der nachträglichen Änderung einer abgeleiteten GmbH-Firma LG Berlin NJW-RR 1994, 609; ebenfalls anders für den Fall einer Änderung eines eine gemischte Sach- und Personenfirma nicht prägenden Namens OLG Düsseldorf NZG 2019, 949 (950); OLG Hamm NZG 2014, 1397. 210 BGHZ 30, 288; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 65; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39, s. aber auch Rn 44. 211 OLG Hamm NJW 1965, 764. 212 Vgl. KG RJA 4 105. 213 LG Berlin NJW-RR 1994, 609; MünchKommHGB/Heidinger Rn 54; aA GKzHGB/Steitz Rn 12. 214 Ebenso GKzHGB/Steitz Rn 12; Möller DNotZ 2000, 831 (841); Busch Rpfleger 1999, 547; s. aber auch die Begründung zu LG Augsburg Rpfleger 1999, 449; LG Koblenz NJW-RR 2002, 35. 215 So tatsächlich LG Augsburg Rpfleger 1999, 449; LG Koblenz NJW-RR 2002, 35; dagegen zu Recht Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39. 216 MünchKommHGB/Heidinger Rn 55; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 543; zu liberal daher LG Koblenz NJW-RR 2002, 35 = DB 2001, 530. 217 Vgl. BGHZ 44, 116; BayObLG Mitt-RhNotK 1981, 208. 218 Insoweit zutr. LG Berlin NJW-RR 1994, 609; Hopt/Merkt Rn 16. 219 OLG Frankfurt BB 1971, 975 m. Anm. Veismann („& Sohn“); OLG Zweibrücken BB 1975 Beil. 12, 24 („& Söhne“); LG Hannover DB 1978, 789 = Rpfleger 1978, 145 („Gebrüder“); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 49; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 75. 220 BGH NJW 1985, 736 (737); vgl. auch BGHZ 44, 116; im Ergebnis ebenso Staub/Hüffer4 Rn 69 mwN. Burgard
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werden.221 Die Verkürzung der Firma um einen oder mehrere Namen von ehemaligen Gesellschaftern wahrt dagegen nach wie vor nicht die Firmenidentität (vgl. o. Rn 96 sowie § 24 Abs. 2).222 Nach neuem Firmenrecht bedarf es hingegen keines Nachfolgezusatzes mehr. Ausreichend ist vielmehr die Anpassung des – heute auch für Altfirmen von Personenhandelsgesellschaften nach Art. 38 EGHGB (dazu § 19 Rn 29) erforderlichen – Rechtsformzusatzes entsprechend den in Rn 87 ff dargelegten Regeln.223 Die Firma „F. Müller & Co. KG“ kann daher als „F. Müller e.K.“ oder als „F. Müller & Co. e.K.“, die Firma „Müller & Maier OHG“ als „Müller & Maier e.K.“ (nicht aber als „Müller e.K.“ oder als „Müller & Co. e.K.“) fortgeführt werden. Anders ist dies freilich bei einer Neufirmierung, weil in diesem Fall § 18 Abs. 2 ungeschmälert zur Anwendung kommt. Bei einer Firmenneubildung ist es daher einem Einzelkaufmann auch weiterhin versagt, durch die Firmierung mit mehreren Namen oder mit einem unbestimmten Gesellschaftszusatz den Anschein einer Mehrheit von beteiligten Personen zu erwecken.224
bb) Fortführung der Firma durch eine Gesellschaft. Nach dem zuvor Gesagten liegt auf der 98 Hand, dass Personenhandels- und Kapitalgesellschaften heutzutage Firmen, die unbestimmte Gesellschafterzusätze oder den Namen mehrerer Gesellschafter enthalten, ohne weiteres (fort-)führen dürfen. Das gilt auch für Einmann-Kapitalgesellschaften.225 Erforderlichenfalls ist lediglich der Rechtsformzusatz anzupassen.226 e) Wesentliche Änderungen im Allgemeininteresse aa) Grundsatz. Eine wesentliche Änderung der abgeleiteten Firma ist dann zulässig oder we- 99 gen § 18 Abs. 2 sogar geboten,227 wenn sie zur Vermeidung einer Irreführung des Publikums dient.228 Hierher gehören Fälle, in denen die Firma Angaben über Art und Umfang des Geschäfts,229 über den Sitz des Unternehmens230 oder über die Qualifikation des Inhabers231 enthält, die infolge einer Veränderung der Verhältnisse unzutreffend geworden sind. Der BGH setzt eine Veränderung „nach dem Übergang des Geschäfts“ voraus.232 Welcher zeitliche Rahmen damit bezeichnet sein soll, ist zweifelhaft. Einerseits könnten nur solche Veränderungen gemeint sein, die erst im Zuge der Fortführung des Unternehmens eintreten. Andererseits könnten auch 221 MünchKommHGB/Heidinger Rn 66; Hopt/Merkt Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 75; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 51. 222 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 75. 223 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 59, 75; MünchKommHGB/Heidinger Rn 74f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 37; Oetker/Schlingloff Rn 34 f; Meyer DNotZ 2004, 323; anders etwa in anderen Staaten s. Hillebrand Das Firmenrecht in Frankreich, Belgien und Luxemburg, 1975, 29; näher mit weiteren Nachweisen Bokelmann ZGR 1994, 325 (335). 224 OLG Düsseldorf MittRhNotK 2000, 298; zutr. MünchKommHGB/Heidinger Rn 75. 225 MünchKommHGB/Heidinger Rn 79. 226 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 76 f. 227 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 40; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 58 f. 228 Vgl. dazu BGH BB 1957, 943; BGHZ 44, 116; KG DR 1941, 1942 m. Anm. Groschuff; OLG Hamm BB 1960, 959; AG Regensburg DNotZ 1959, 501; Rob. Fischer LM § 24 HGB Nr. 2; Papst DNotZ 1960, 33 (37 f); MünchKommHGB/Heidinger Rn 58; BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 14. 229 OLG Hamm NJW-RR 2002, 1330; LG Hagen GmbHR 1996, 854; OLG Rostock RAuB 1997, 126 = OLG-NL 1997, 184; MünchKommHGB/Heidinger Rn 58; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67; Oetker/Schlingloff Rn 30. 230 MünchKommHGB/Heidinger Rn 58; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 40; s. dazu aber auch § 18 Rn 96. 231 BGHZ 53, 65 (66 f); Oetker/Schlingloff Rn 29; GKzHGB/Steitz Rn 15; zu § 24 BGH ZIP 2018, 1393, 1439 und 1494; s. dazu aber auch o. Rn 94 sowie § 18 Rn 56 a.E., 67 f. 232 BGHZ 44, 116 (119) (sog. „Frankona“ Entscheidung). 167
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Veränderungen angesprochen sein, die schon mit der Übernahme des Unternehmens verbunden sind. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in der zweiten Fallgruppe eine Firmenänderung ausgeschlossen und der Erwerber damit, weil ein Verstoß gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit nicht hingenommen werden könnte, zur Annahme einer neuen Firma gezwungen werden sollte. Richtig ist deshalb die zweite Lösung.233 Zulässig ist freilich nur eine Lockerung, nicht eine Aufgabe der Firmenidentität, weil ansonsten die Gefahr einer Irreführung zur Vermeidung der Gefahr einer anderen Irreführung in Kauf genommen würde. Die geänderte Firma muss daher nach ihrem gesamten Erscheinungsbild noch als die übernommene Firma erkennbar sein. Maßgeblich ist die Verkehrsauffassung. Wird die Firmenidentität aufgegeben oder muss sie wegen § 18 Abs. 2 aufgegeben werden, so handelt es sich um eine Firmenneubildung.234
100 bb) Einzelfälle. Fortführung der Firma „X Polstermöbel- und Matratzenfabrik“ als „X Polstermöbelfabrik“ wegen Aufgabe der Herstellung von Matratzen;235 Fortführung der Firma „A. B. Kalkwerk Walhallastraße“ wegen Sitzverlegung als „A. B. Kalk- und Portlandzementwerk Regensburg-Walhallastraße“;236 Fortführung einer Firma ohne akademischen Grad des vormaligen Inhabers (näher Rn 94). Geht durch den Inhaberwechsel die vorher bestehende Verbindung zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder amtlichen Stellen verloren, ist eine Firmenfortführung ausgeschlossen, wenn die erforderliche Änderung der Firma derart weitgehend ist, dass die Firmenidentität aufgegeben wird und auch eine Klarstellung durch Beifügung eines Nachfolgezusatzes nicht ausreichend ist.237 Ein eindeutiger Nachfolgezusatz ist auch erforderlich, wenn ein Firmenschlagwort auf -AG oder -ag endet und der neue Inhaber keine Aktiengesellschaft ist, da das Schlagwort wegen seiner prägenden Kraft nicht gestrichen werden kann, ohne dass die Befugnis zur Firmenfortführung entfällt.238
101 f) Wesentliche Änderungen im Interesse des Inhabers. Schließlich kann eine wesentliche Änderung der Firma ausnahmsweise auch dann zulässig sein, wenn die Änderung nicht durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt ist, sondern sie lediglich im Interesse des Inhabers liegt. Das setzt jedoch viererlei voraus. Erstens muss die Änderung den Grundsätzen der Firmenbildung entsprechen. Zweitens dürfen keine Zweifel an der Identität der geänderten mit der bisherigen Firma aufkommen. Drittens muss der Inhaber bei objektiver Betrachtung ein sachlich gerechtfertigtes Interesse an der Änderung haben. Und viertens muss dieses Interesse auf einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse beruhen.239 Damit sind hier anders als bei Firmenänderungen im Allgemeininteresse (Rn 99) nur Entwicklungen gemeint, die sich nach dem Erwerb der Firma vollziehen. Diese Einschränkung ist sachgerecht, weil es nicht darum geht, den Spielraum zur Gestaltung der Firma bei ihrem Erwerb zu erweitern; notwendig und legitim ist nur,
233 BGHZ 44, 116 (119); GKzHGB/Steitz Rn 13; MünchKommHGB/Heidinger Rn 58. 234 BGHZ 53, 65 (66 f); GKzHGB/Steitz Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 60; Staub/Hüffer4 Rn 55; vgl BeckOK HGB/Bömeke, Rn. 50.
235 OLG Hamm OLGZ 1967, 94; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67. 236 AG Regensburg DNotZ 1956, 501; vgl. auch KG DR 1941, 1942 m. Anm. Groschuff zur Firmenänderung nach behördlich verfügter Sitzverlegung; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67.
237 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67; MünchKommHGB/Heidinger Rn 59; GKzHGB/Steitz Rn 15; vgl. auch Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 21.
238 MünchKommHGB/Heidinger Rn 61; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67; Staub/Hüffer4 Rn 56. 239 Seit BGHZ 44, 116 allg. Meinung; BayObLG MDR 1981, 849; OLG Hamm OLGZ 1967, 94 (95); LG München NJWRR 1990, 1373; LG Berlin NJW-RR 1994, 609; OLG Hamm NJW-RR 2002, 1330 (1331); Oetker/Schlingloff Rn 30; GKzHGB/Steitz Rn 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 41; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 68; MünchKommHGB/Heidinger Rn 62; zur historischen Entwicklung der Rspr. mwN. Wessel BB 1965, 1422 f; ders. BB 1964, 1354 f. Burgard
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eine Alternative zur Preisgabe der bereits geführten abgeleiteten Firma zu bieten, wenn spätere Entwicklungen deren Änderung erfordern.
3. Die Fortführung als Zweigniederlassungsfirma und die Vereinigung von Firmen Nicht nur Handelsgesellschaften, sondern – richtigerweise – auch Einzelkaufleuten ist die 102 gleichzeitige Führung mehrerer Firmen verwehrt (Vor § 17 Rn 39 ff). Erwerben Kaufleute ein Handelsgeschäft mit dem Recht zur Firmenfortführung, müssen sie sich daher im Ausgangspunkt entscheiden, ob sie ihre bisherige Firma beibehalten oder aufgeben und die Firma des erworbenen Handelsgeschäfts annehmen. Nach diesem Ausgangspunkt müssen sie daher entweder auf den Wert ihrer bisherigen Firma oder auf den Wert der Firma des erworbenen Handelsgeschäfts verzichten. Dieses Dilemma lässt sich dogmatisch einwandfrei nur dadurch auflösen, indem das erworbene Handelsgeschäft als Zweigniederlassung betrieben wird;240 denn die Firma der Zweigniederlassung darf von der des Hauptgeschäfts abweichen, solange die rechtliche Zuordnung zu dem Unternehmensträger deutlich zum Ausdruck kommt (Vor § 17 Rn 44 ff). Erwirbt die „G. Neuenhahn GmbH“ in Jena das Unternehmen „Robert Peitz“ in Camburg und führt sie dieses als Zweigniederlassung fort, so kann mithin für die Zweigniederlassung die Firma „Robert Peitz Filiale der G. Neuenhahn GmbH in Jena“ geführt werden.241 Darüber hinaus erlauben Rechtsprechung242 und – trotz immer wieder betonter Zweifel – 103 herrschende Lehre,243 dass der Erwerber eines Handelsgeschäfts die von ihm bisher geführte Firma mit der von dem Veräußerer übernommenen zu einer gemeinsamen Firma vereinigt.244 Beispielsweise wurde – auf Grundlage von § 19 a.F. – die Vereinigung folgender Firmen zugelassen: „R. K.“ und „D. & Co.“ zu „Vereinigte Dresdner Porzellan-Malereien Gesellschaft mit beschränkter Haftung vormals R. K. und D. & Co.“;245 „Friedrich B.“ und „Aug. D.“ zu „Stralsunder und Richtenberger Kornbranntweinbrennereien vormals Friedrich B. zu Stralsund und Aug. D. zu Richtenberg, Ernst W.“;246 „Fr. L. Fotogroßhandlung“ und „E. E. Photogroßhandlung“ zu „Fr. L. & E. E. FotoGroßhandlung“.247 Das erscheint insofern sachgerecht, als durch eine solche Firmenvereinigung der Erhalt des Firmenwerts beider Firmen ermöglicht wird, ohne den Erwerber zum Betrieb einer Zweigniederlassung zu nötigen. Und den Erhalt des Firmenwerts zu ermöglichen, ist ja gerade der Sinn und Zweck des § 22 (Rn 3). Allerdings wäre nach neuem Firmenrecht eine solche Firmenvereinigung in der Regel nicht nur als Firmenfortführung, sondern auch als Firmenneubildung zulässig. Da dem Erwerber zudem freisteht, ob er die erworbene Firma fortführen will oder nicht, ist heute mehr denn je fraglich, ob es sich – wie die herrschende Meinung annimmt – bei der Firmenvereinigung um einen Sonderfall der Firmenfortführung248 oder um einen Fall der Firmenneubil240 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 46; Baumbach/Hueck/ Fastrich GmbHG § 4 Rn 22; vgl. auch Heinrich Firmenwahrheit und Firmenbeständigkeit, Rn 163. 241 Nach RGZ 113, 213; Staub/Hüffer4 Rn 53; Staub/Burgard5 Rn. 102; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69 soll auch die Firmierung „Robert Peitz Nachf. G. Neuenhahn GmbH in Jena“ zulässig sein. Dem ist mit MünchKommHGB/Heidinger Rn. 72, 102 aus den Vor § 17 Rn. 48a genannten Gründen zu widersprechen. 242 RGZ 152, 368; RGZ 159, 211 (220) = DR 1939, 320 m. Anm. Boesenbeck; OLG Frankfurt OLGZ 1971, 50 = MDR 1970, 13. 243 Staub/Hüffer4 Rn 51; MünchKommHGB/Heidinger Rn 80; Hopt/Merkt Rn 19; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 45. 244 RGZ 152, 368; RGZ 159, 211 (220) = DR 1939, 320 m. Anm. Boesenbeck; OLG Frankfurt OLGZ 1971, 50 = MDR 1970, 13; Ulmer/Habersack/Löbbe/Heinrich GmbHG § 4 Rn 59; Scholz/Cziupka GmbHG § 4 Rn 74; Hopt/Merkt Rn 19; Henssler/Strohn/Wamser Rn 17; HKzHGB/Ruß Rn 15; s. auch GKzHGB/Steitz Rn 16, der nach neuem Firmenrecht keine Firmenvereinigung i.S.d. § 22, sondern eine Firmenneubildung annimmt. 245 OLG Dresden RJA 15, 136. 246 KG RJA 15, 218. 247 OLG Frankfurt OLGZ 1971, 50 = MDR 1970, 513. 248 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 70. 169
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dung249 handelt. Beides kann für den Inhaber wirtschaftlich nachteilig sein. Im ersten Fall müsste man nämlich konsequenterweise auch § 25 für anwendbar halten.250 Im zweiten Fall ginge die Firmenpriorität verloren. Deswegen kann man dem Inhaber auch nicht ohne weiteres unterstellen, durch die Firmenvereinigung die bisherigen Firmen fortführen oder umgekehrt eine neue Firma bilden zu wollen. Richtigerweise wird man daher auf den Einzelfall abstellen müssen. Zu suchen ist zuvörderst nach Anhaltspunkten, ob eine Firmenfortführung oder eine Firmenneubildung gewollt ist. Solche Anhaltspunkte können sich z.B. aus den Rechtsgeschäften zwischen Veräußerer und Erwerber ergeben. Indizien sind ferner eine Eintragung nach § 25 Abs. 2 – wenngleich diese Eintragung auch vorsorglich bei einer Firmenneubildung vorgenommen werden kann251 – oder (selten) eine Bekanntmachung nach § 25 Abs. 3. Fehlen derartige Anhaltspunkte, ist davon auszugehen, dass der Inhaber die für ihn günstigere Gestaltung wählen wollte. Ist die Firmenvereinigung ohnehin als Firmenfortführung i.S.d. § 25 Abs. 1 zu bewerten – was auch der Fall sein kann, wenn eine Änderung das nach § 22 erlaubte Maß überschreitet (s. § 25 Rn 72) –, ist die Firmenvereinigung daher im Blick auf den Erhalt der Firmenpriorität auch als Firmenfortführung i.S.d. § 22 zu bewerten. In den beiden zuerst genannten Beispielsfällen spricht diese Überlegung für eine Firmenfortführung, weil die vereinigten Firmen der Firmierung mit mehrfachen Nachfolgezusätzen ähneln (etwa: „R. K. Nachf. D. & Co. jetzt Vereinigte Dresdner Porzellan-Malereien Gesellschaft mit beschränkter Haftung“, s. Rn 90). Im dritten Beispiel kommt es hingegen darauf an, ob die Firmenbestandteile „Fr. L.“ und „E. E.“ in der Photogroßhandelsbranche derart gut eingeführt sind, dass die angesprochenen Verkehrskreise erkennen, dass es sich um eine Firmenvereinigung aufgrund eines Unternehmenszusammenschlusses handelt und nicht um die neue Firma eines neuen Unternehmens. 104 Ist die Firmenvereinigung als Firmenneubildung anzusehen, erlöschen zugleich die alten Firmen. Bei einer späteren Trennung der Unternehmen können die alten Firmen daher nur neu gebildet, aber nicht als abgeleitete Firmen der wieder getrennten Unternehmen fortgeführt werden. Nach herrschender Lehre gilt das auch dann, wenn die Firmenvereinigung als Firmenfortführung zu bewerten ist; denn die vereinigte Firma sei gleichwohl ein neuer einheitlicher Handelsname.252 Zudem liefe die Gegenansicht auf eine zeitlich gestaffelte Firmenmehrheit hinaus.253 Dem ist nicht zuzustimmen.254 Liegt nämlich ein Fall der Firmenfortführung vor, wird gerade keine neue Firma gebildet. Dementsprechend erlöschen die alten Firmen nicht. Zudem bewirkt die zeitliche Abfolge, dass zu keinem Zeitpunkt eine Firmenmehrheit vorliegt. Vielmehr ist es gerade Sinn und Zweck der Zulassung einer Firmenvereinigung, dass dem Inhaber der Wert beider Firmen erhalten bleibt. Es muss ihm daher ebenfalls erlaubt sein, den Wert dieser Firmen nach Trennung der Unternehmen weiterzunutzen und auch durch Weiterveräußerung mit den getrennten Unternehmen zu realisieren.
VI. Erlöschen des Firmenfortführungsrechts 1. Allgemein 105 Das Recht des Erwerbers zur Fortführung der Firma erlischt: – mit dem Erlöschen der Firma (§ 17 Rn 33 ff) und daher auch – mit einer wesentlichen Änderung der Firma, sofern keine der in Rn 99–104 genannten Ausnahmen eingreift. 249 250 251 252
MünchKommHGB/Heidinger Rn 80; GzHGB/Steitz Rn 16; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 45. Staub/Hüffer4 Rn 52; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 70; aA RGZ 159, 211 (220). LG Berlin NJW-RR 1994, 609. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 70; GKzHGB/Steitz Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 80; Oetker/Schlingloff Rn 31; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon Rn 32; Scholz/Cziupka GmbHG § 4 Rn 74. 253 Staub/Hüffer4 Rn 52; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 70. 254 I.E. wie hier OLG Frankfurt OLGZ 1971, 50 = MDR 1970, 513; Hopt/Merkt Rn 19. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
Dementsprechend erlischt das Recht zur Firmenfortführung ferner, wenn der Erwerber von diesem Recht keinen Gebrauch macht und die erworbene Firma dadurch aufgibt, dass er entweder seine bisherige Firma beibehält oder eine neue Firma (ohne oder nach einer vorübergehenden Firmenfortführung) annimmt;255 denn auch hierdurch erlischt die erworbene Firma. Das Erlöschen der Firma hat der bisherige Inhaber zur Eintragung in das Handelsregister gem. § 31 Abs. 2 anzumelden. Stellt sich die von dem Erwerber geführte Firma nicht als Fortführung der bisherigen Firma dar, so darf sie dementsprechend nicht auf dem bisherigen Registerblatt unter Rötung der Firma des früheren Geschäftsinhabers – also wie eine bloße Firmenänderung – eingetragen werden. Vielmehr sind der Erwerber und dessen Firma auf einem neuen Registerblatt einzutragen.256 105a Schließlich erlischt das Recht zur Firmenfortführung: – mit dem Eintritt einer auflösenden Bedingung oder dem Ablauf eines Endtermins (Rn 74), – für den Ersterwerber mit ihrer Weiterübertragung auf einen Zweiterwerber gem. § 22, – sowie mit einer Rückübertragung auf den Veräußerer im Falle eines Rücktritts (Rn 81). Von diesen Fällen des Erlöschens des Rechts zur Firmenfortführung zu unterscheiden sind Fälle, in denen keine namensrechtliche Gestattung (mehr) vorliegt (dazu Rn 30, 42 ff, 82).
2. Erlöschen mangels Weiterführung des Handelsgeschäfts durch den Erwerber? a) Meinungsstand. Obwohl das Recht zur Firmenfortführung nicht voraussetzt, dass der Er- 106 werber das Handelsgeschäft weiter betreiben will (Rn 17), soll dieses Recht nach einer verbreiteten Meinung auch dann erlöschen, wenn der Erwerber das Handelsgeschäft von vornherein nicht weiterführt, es umgehend weiterveräußert oder es sogleich einem Dritten zur Nutzung überlässt.257 Begründet wird dies damit, dass andernfalls § 23 umgangen werden könnte.258 Selbst eine unmittelbar nach der Übernahme erfolgte grundlegende Umgestaltung des Unternehmens führe zum Erlöschen des Firmenfortführungsrechts, weil nachfolgend – entgegen § 22 – nicht mehr das „bestehende“ Handelsgeschäft fortbetrieben und deshalb das Prinzip der Firmenkontinuität verletzt werde. Lediglich eine allmähliche Umgestaltung des Unternehmens sei unschädlich.259
b) Stellungnahme. Richtig ist, dass die Firma eines nicht eingetragenen Einzelkaufmanns und 107 einer nicht eingetragenen Personenhandelsgesellschaft erlischt, wenn das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht mehr erfordert (§ 1 Abs. 2), das Handelsgewerbe also zum Kleingewerbe absinkt, da der Gewerbetreibende nun nicht mehr firmenfähig (§ 17 Rn 10) und die Firma auch nicht in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 2, 5) (§ 17 Rn 38, 45). Ferner erlischt die Firma eines Einzelkaufmanns, selbst wenn er eingetragen ist, wenn er den Gewerbebetrieb in ein freiberufliches Unternehmen umstellt oder ihn endgültig – also nicht nur vorübergehend – aufgibt (§ 17 Rn 40 ff).260 Ersteres
255 S. zur Abgrenzung zwischen Änderung und Erlöschen der Firma OLG Hamm BB 1977, 967 = DB 1977, 1253 sowie § 31 Rn 17. 256 BayObLGZ 1970, 163. 257 RGZ 46, 150; 56, 187; 63, 226; 64, 129 (132); 169, 133; RG in Recht 1924, Sp 366 Nr. 1319; KG RJA 17, 87; OLG München JFG 113, 337; BGH, WM 1957, 1152 (1154); OLG Hamm OLGZ 1997, 438 (441); Adler ZHR 85, 135 f; J. v. Gierke ZHR 112, 3; Heymann/Förster Rn 49. 258 MünchKommHGB/Heidinger Rn 13. 259 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 73; Heymann/Förster Rn 49; aA MünchKommHGB/Heidinger Rn 13. 260 Etwa OLG Hamm OLGZ 1977, 438 (441 f); Hopt/Merkt § 17 Rn 23; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 48; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 19. 171
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§ 22
1. Buch. Handelsstand
gilt auch für Personenhandelsgesellschaften, nicht aber Letzteres (§ 17 Rn 45 f). Diese Fälle sind freilich wohl nicht gemeint. Eine darüber hinausgehende Obliegenheit zur Weiterführung des Handelsgeschäfts findet dagegen im Gesetz keine Grundlage und ist daher abzulehnen.261 Vielmehr sind die Voraussetzungen für den Erwerb des Rechts zur Firmenfortführung in § 22 abschließend geregelt. Im Blick auf das Handelsgeschäft wird lediglich vorausgesetzt, dass der Kern (Rn 17 ff) eines bestehenden (Rn 14 ff) Handelsgeschäfts erworben wird. Von einer Weiterführung des Handelsgeschäfts ist nicht die Rede. Wird das Handelsgeschäft von vornherein nicht weitergeführt, umgehend weiterveräußert oder sogleich einem Dritten zur Nutzung überlassen, ändert dies insbes. nichts an seinem Erwerb. Vielmehr ist der Erwerb des Handelsgeschäfts Voraussetzung dafür, dass der Erwerber diese Maßnahmen ergreifen kann. Eine Umgehung von § 23 ist darin nur zu sehen, wenn der Erwerber das Handelsgeschäft an den Veräußerer zurücküberträgt oder es gerade ihm zur Nutzung überlässt. Im Übrigen ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Erwerber lediglich an dem Firmenwert interessiert ist, nicht aber an dem Handelsgeschäft. So wird es vielfach gerade in Insolvenzfällen liegen. Anders gewendet würde eine Verwertung der Firma zugunsten der Masse unzuträglich erschwert, wenn der Erwerber das marode Unternehmen – zumal im Wesentlichen zunächst unverändert – fortführen müsste, um nicht das Recht zur Firmenfortführung zu verlieren. Zwar ist es richtig, dass eine Rechtfertigung der Durchbrechung des Prinzips der Firmenwahrheit in den Fällen des § 22 darin gesehen werden kann, dass die Identität des Unternehmens gewahrt bleibt (s. Rn 4, 17). Deswegen muss, wie gesagt, zumindest der Kern des Handelsgeschäfts erworben werden. Das soll den Erwerber jedoch nicht daran hindern, den Unternehmensbetrieb nach dem Erwerb sogleich einzustellen, weiterzuübertragen oder wesentlich umzugestalten, andernfalls stünde das Firmenrecht ohne Not einer optimalen Ressourcenallokation im Wege. Das widerspräche nicht nur den Zielen der Liberalisierung des Firmenrechts, sondern würde auch zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen, weil völlig unklar ist, ab welchem Zeitpunkt die genannten Maßnahmen unschädlich sein sollen (eine Woche, ein Monat, ein Jahr?). Vielmehr wird der Verkehr dadurch geschützt, dass derartige Veränderungen den Erwerber dazu zwingen können, die Firma den neuen Gegebenheiten anzupassen (Rn 87 ff, 99 ff). Ein darüber hinausgehender Schutz ist nicht erforderlich und daher auch von Gesetzes wegen nicht vorgesehen.
D. Die weitere Firmierung des Veräußerers 108 Veräußern Einzelkaufleute ihr Handelsgeschäft mitsamt dem Recht zur Fortführung ihrer Personenfirma, bleiben sie auch dann, wenn der Erwerber von seinem Recht zur Firmenfortführung Gebrauch macht, zur Gründung eines neuen Handelsgeschäfts unter ihrem bürgerlichen Namen befugt. Zu beachten sind allerdings § 30 und §§ 5, 15 MarkenG, so dass sie in der Praxis häufig dazu gezwungen sein werden, einen unterscheidungskräftigen Zusatz in ihre Personenfirma aufzunehmen (s. auch § 24 Rn 40).262 Das gilt auch dann, wenn der Erwerber die von ihm fortgeführte Firma mit einem Nachfolgezusatz führt, andernfalls könnte der Eindruck erweckt werden, das unter dem Nachfolgezusatz geführte Handelsgeschäft sei lediglich eine veräußerte Zweigniederlassung, während das unter der neuen Firma geführte Handelsgeschäft die ursprünglich ältere Hauptniederlassung sei.263 109 Zur weiteren Firmierung von Handelsgesellschaften s. bereits Rn 67 ff sowie Rn 116.
261 BGH NJW 1972, 2123 (Baader-Brezeln); BayObLGZ 1989, 474 (479) = NJW-RR 1990, 869 (869); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 71. 262 OLG Hamm RPfleger 1984, 21; Hopt/Merkt Rn 22; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 59; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 78. 263 RG DR 1944, 249 (250). Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 22
E. § 22 Abs. 2 I. Voraussetzungen 1. Das Rechtsverhältnis Das Firmenrecht kann auch bei einem zeitweiligen Wechsel des Unternehmensinhabers 110 übertragen werden. Darin liegt die wesentliche Aussage des § 22 Abs. 2. Als Beispiel für einen solchen Wechsel nennt das Gesetz die Übernahme des Unternehmens aufgrund eines Nießbrauchs264 oder Pachtvertrags.265 Wird bei einer Betriebsaufspaltung ein Pachtvertrag zwischen Besitz- und Betriebsgesellschaft geschlossen, so ist daher die Fortführung der Firma durch die Betriebsgesellschaft unter den übrigen Voraussetzungen des § 22 zulässig. Die Besitzgesellschaft muss dann einen neuen Namen annehmen. Wählt der Pächter eine neue Firma, so darf der Verpächter nach Ende des Pachtvertrages diese neue Firma mit Zustimmung des Pächters fortführen; denn die Rückgewähr des Unternehmens erfolgt ebenfalls aufgrund eines Pachtvertrags.266 Als „ähnliches Verhältnis“ sah der historische Gesetzgeber das familienrechtliche Nutznie- 111 ßungsrecht des Ehemanns bzw. Vaters am Vermögen der Ehefrau oder der Kinder an.267 Die einschlägigen Vorschriften gelten nicht mehr. Als „ähnliches Verhältnis“ ist heute die Fortführung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker als Treuhänder der Erben268 (s. dazu Rn 71, § 27 Rn 77 ff) sowie der Nutzungspfandvertrag269 anerkannt. Entscheidend ist, dass der Inhaber dem Übernehmer das Unternehmen als Wirtschaftseinheit zur Gewinnerzielung überlässt, so dass der Übernehmer, wenngleich zeitlich beschränkt, als unternehmerischer Nachfolger des Inhabers tätig werden kann. Erforderlich ist also ein Wechsel in der Unternehmensführung.270 Nicht unter Abs. 2 zu subsumieren ist daher ein Ertragsnießbrauch, bei dem der Begünstigte keinen Einfluss auf die Geschäftsführung hat.271 Und nicht dazu gehört ein bloßer Mietvertrag, weil ein Mieter anders als ein Pächter nicht das Unternehmen seines Vertragspartners fortführt, sondern sich mit dessen Betriebseinrichtungen ein eigenes Unternehmen aufbaut. Ein Mieter übernimmt also nur Betriebseinrichtungen und nicht das unternehmerische Tätigkeitsfeld.
2. Die entsprechende Anwendung des Abs. 1 Liegt ein Rechtsverhältnis der in Abs. 2 bezeichneten Art vor, so müssen, damit eine Firmenfort- 112 führung durch den Übernehmer zulässig ist, ferner die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 erfüllt 264 Näher dazu MünchKommBGB/Pohlmann § 1068 Rn 19 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62 ff; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51 ff; BeckOK HGB/Bömeke Rn 55 ff; Bokelmann Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen Rn 682. 265 Näher dazu MünchKommBGB/Harke § 581 Rn 7, 13 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62 ff; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51 ff; Bokelmann Das Recht der Firmen und Geschäftsbezeichnungen Rn 682. 266 RGZ 133, 318 (323). 267 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 36 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 978; Staub/Hüffer4 Rn 80; vgl. RGZ 59, 25 (32); sowie Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 9. 268 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51; Staub/Hüffer4 Rn 80; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 84. 269 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51; Hopt/Merkt Rn 25; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 84; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 9; näher dazu Palandt/Wicke80 §§ 1213 f BGB. 270 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62; Hopt/Merkt Rn 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51; BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 83; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 55. 271 BGH DNotZ 1954, 399 (402); BayObLG BB 1973, 956; Hopt/Merkt Rn 25; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62. 173
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sein. Erforderlich ist daher insbes. erstens, dass der Kern eines bestehenden Handelsgeschäfts übernommen wird und nicht etwa nur einzelne Betriebseinrichtungen wie Maschinen oder Grundstücke (Rn 17 ff). Zweitens muss die fortzuführende Firma von dem bisherigen Inhaber berechtigterweise geführt worden sein (Rn 23 ff). Und drittens muss eine Einwilligung in die Firmenfortführung (Rn 27 ff) durch den Berechtigten (Rn 33 ff) sowie ggf. eine namensrechtliche Gestattung zur Führung der Firma (Rn 42) vorliegen. An der erforderlichen Einwilligung fehlt es, wenn eine GmbH Verpächterin ist und ihre Firma als Namen beibehält.272
II. Rechtsfolgen 113 Ebenso wie Abs. 1 gewährt auch Abs. 2 lediglich ein Recht, begründet aber keine Pflicht zur Firmenfortführung. Eine vertragliche Verpflichtung des Übernehmers ist möglich, kann aber nicht vom Registergericht durchgesetzt werden (Rn 73). Firmenrechtlich zulässig ist die Beifügung eines Nachfolgezusatzes; übernimmt der Verpächter wieder das Unternehmen, kann der Nachfolgezusatz entfallen. Im Übrigen gilt das Prinzip unveränderter Firmenfortführung (Rn 84 ff) auch im Rahmen des Abs. 2. Auch ein lediglich vorübergehender Übergang des Handelsgeschäfts lässt den Übernehmer 114 zum neuen Geschäftsinhaber werden, der als solcher nach Löschung des bisherigen Inhabers in das Handelsregister einzutragen ist.273 Wird das Rechtsverhältnis i.S.d. Abs. 2 durch Zeitablauf, Kündigung usw. beendet, erfolgt die „Rückabwicklung“ der Handelsregistereintragung, an der beide Parteien durch Abgabe der notwendigen Anmeldungen mitzuwirken haben.274 Der Übernehmer ist also im Handelsregister zu löschen und der alte Inhaber wieder als neuer Inhaber einzutragen.275
III. Die weitere Firmierung des bisherigen Inhabers 115 Überträgt ein Einzelkaufmann eines von mehreren wirtschaftlich selbständigen Unternehmen vorübergehend mit dem Recht zur Firmenfortführung (vgl. Rn 18), so muss er eine neue Firma annehmen. Bleibt hingegen infolge der Übertragung kein Handelsgeschäft bei ihm zurück, so verliert er die Firmenfähigkeit (§ 17 Rn 10). Das hindert ihn freilich nicht, ein neues Handelsgewerbe zu gründen, in welchem Fall er ebenfalls eine neue Firma annehmen muss. Zur Annahme einer neuen Firma durch einen Einzelkaufmann s.o. Rn 108. Überträgt eine Personenhandelsgesellschaft ihr Handelsgeschäft vorübergehend mit dem 116 Recht zur Firmenfortführung, so muss sie zur Vermeidung ihrer Verwandlung in eine GbR zumindest für die Dauer der Übertragung eine neue Firma annehmen.276 Sie kann dann gem. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 als lediglich vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaft fortbestehen. Formkaufleute, also insbes. Kapitalgesellschaften, sind in jedem Fall verpflichtet, für die Dauer der Übertragung des Handelsgeschäfts mitsamt dem Recht zur Firmenfortführung eine neue Firma anzunehmen (vgl. § 17 Rn 49).
272 BayObLGZ 1978, 62 (64 f). 273 BayObLGZ 1973, 168 (171); BeckOGK HGB/Burmeister/Fedke Rn 83; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 52; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 62. 274 KG KGJ 39, A 107, A 110; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 52; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 66, 70. 275 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 52; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 65; MünchKommHGB/ Heidinger Rn. 111. 276 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 53; OLG Stuttgart BB 1983, 1688; Heymann/Förster Rn 55; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 64. Burgard
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Anhang zu § 22 § 18 UmwG Firma oder Name des übernehmenden Rechtsträgers (1) Der übernehmende Rechtsträger darf die Firma eines der übertragenden Rechtsträger, dessen Handelsgeschäft er durch die Verschmelzung erwirbt, mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführen. (2) Ist an einem der übertragenden Rechtsträger eine natürliche Person beteiligt, die an dem übernehmenden Rechtsträger nicht beteiligt wird, so darf der übernehmende Rechtsträger den Namen dieses Anteilsinhabers nur dann in der nach Absatz 1 fortgeführten oder in der neu gebildeten Firma verwenden, wenn der betroffene Anteilsinhaber oder dessen Erben ausdrücklich in die Verwendung einwilligen. (3) 1Ist eine Partnerschaftsgesellschaft an der Verschmelzung beteiligt, gelten für die Fortführung der Firma oder des Namens die Absätze 1 und 2 entsprechend. 2Eine Firma darf als Name einer Partnerschaftsgesellschaft nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 des Partnerschafts-gesellschaftsgesetzes fortgeführt werden. 3§ 1 Abs. 3 und § 11 des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes sind entsprechend anzuwenden.
§ 125 UmwG Anzuwendende Vorschriften 1
Auf die Spaltung sind die Vorschriften des Ersten Teils und des Ersten bis Neunten Abschnitts des Zweiten Teils des Zweiten Buches mit Ausnahme des § 9 Abs. 2 und des § 62 Absatz 5, bei Abspaltung und Ausgliederung mit Ausnahme des § 18 sowie bei Ausgliederung mit Ausnahme des § 14 Abs. 2 und der §§ 15, 29 bis 34, 54, 68 und 71 entsprechend anzuwenden, soweit sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt. 2Eine Prüfung im Sinne der §§ 9 bis 12 findet bei Ausgliederung nicht statt. 3An die Stelle der übertragenden Rechtsträger tritt der übertragende Rechtsträger, an die Stelle des übernehmenden oder neuen Rechtsträgers treten gegebenenfalls die übernehmenden oder neuen Rechtsträger.
Schrifttum S. Anh. zu § 21.
Übersicht A.
Firmenfortführung bei Umwandlung
I.
§ 18 Abs. 1 UmwG
1
II.
§ 18 Abs. 2 UmwG
7
III.
§ 18 Abs. 3 UmwG
B.
Firmenfortführung bei Spaltung
9 11
A. Firmenfortführung bei Umwandlung I. § 18 Abs. 1 UmwG Allgemeines. § 18 UmwG ist Spezialvorschrift zu § 22 und ergänzt das Firmenrecht des überneh- 1 menden Rechtsträgers bei der Verschmelzung. Eine Verschmelzung findet gem. § 2 UmwG unter 175 https://doi.org/10.1515/9783111097510-009
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Anh. § 22
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1. Buch. Handelsstand
Auflösung ohne Abwicklung durch Übertragung des Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger auf einen anderen bestehenden Rechtsträger oder des Vermögens zweier oder mehrerer Rechtsträger auf einen neuen Rechtsträger statt. Der übernehmende Rechtsträger hat bei der Verschmelzung grundsätzlich die Möglichkeit seine bisherige Firma unverändert beizubehalten. Trifft er diese Wahl, so erlischt die Firma des übertragenden Rechtsträgers gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Dies gründet darauf, dass die Firma nicht Vermögensbestandteil i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG ist, der durch die Eintragung der Verschmelzung auf den übernehmenden Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen würde.1 § 18 Abs. 1 UmwG ermöglicht es dem übernehmenden Rechtsträger jedoch, statt seiner bisherigen Firma diejenige des übertragenden Rechtsträgers fortzuführen und lässt auf diese Weise den Erhalt des Firmenwerts des übertragenden Rechtsträgers zu. Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 UmwG sind, dass ein übernehmender Rechtsträger im Wege der Verschmelzung i.S.d. § 2 UmwG das Handelsgeschäft des übertragenden Rechtsträgers erwirbt und dieser dessen Firma im handelsrechtlichen Sinne (keine bloße Geschäftsbezeichnung) fortführt. Hinsichtlich der Fortführung der Firma gelten dieselben Anforderungen wie in § 22 (Rn 84 ff). Die Firma ist somit im Wesentlichen unverändert weiterzuführen, es sei denn die Gefahr einer Irreführung i.S.d. § 18 Abs. 2 besteht.2 Bei Fortführung der Firma durch eine Hauptniederlassung des übernehmenden Rechtsträgers sind auch dessen Zweigniederlassungen entsprechend anzupassen. Soll hingegen das Handelsgeschäft des übertragenden Rechtsträgers als Zweigniederlassung weitergeführt werden und die Firma des übertragenden Rechtsträgers fortführen, ohne dass die Hauptniederlassung des übernehmenden Rechtsträgers ihre Firma ändert, so ist ihre Verbindung zur Hauptniederlassung durch entsprechenden Zusatz (dazu Vor § 17 Rn 48) deutlich zu machen.3 Eine Vereinbarung im Verschmelzungsvertrag über die Firmenfortführung ist nicht erforderlich. Anders als § 22 verlangt § 18 Abs. 1 UmwG auch nicht die Zustimmung des übertragenden Rechtsträgers, da dieser durch die Verschmelzung aufgelöst wird und kein Interesse daran haben kann, dass sein Name nicht fortgeführt wird,4 s. aber § 18 Abs. 2 UmwG und dazu Rn 7 f. Ebenso wie § 22 Abs. 1 erlaubt § 18 Abs. 1 UmwG ausdrücklich, dass die Firma auch ohne Nachfolgezusatz gebildet wird. Rechtsfolgen sind, dass der übernehmende Rechtsträger das Recht, aber nicht die Pflicht hat, die Firma des übertragenden Rechtsträgers fortzuführen. Da es sich um eine Firmenfortführung im firmenrechtlichen Sinne handelt, kann sich die fortgeführte Firma gegenüber jüngeren Firmen als die prioritätsältere durchsetzen. Führt der übernehmende Rechtsträger die Firma hingegen nicht fort, so erlischt diese. § 18 UmwG ist neben den Vorschriften des HGB anwendbar. Der übernehmende Rechtsträger kann somit auch jede neue mit §§ 18 f, 30 vereinbare Firma wählen oder den Freiraum des § 22 nutzen und eine vereinigte Firma bilden (Rn 102 f).5
II. § 18 Abs. 2 UmwG 7 Soll der Name einer natürlichen Person, die Anteilsinhaberin an dem übertragenden Rechtsträger ist, in der fortgeführten oder neugebildeten Firma verwendet werden, so bedarf der überneh1 Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 2; Semler/Stengel/Schwanna UmwG4 § 18 Rn 2; s.a. MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 96. Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 5; Semler/Stengel/Schwanna UmwG § 18 Rn 2. Semler/Stengel/Schwanna UmwG § 18 Rn 5; MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 98; Bokelmann ZNotP 1998, 267. Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 4; Semler/Stengel/Schwanna UmwG § 18 Rn 3. Semler/Stengel/Schwanna UmwG § 18 Rn 6 f; Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 19 Rn 64.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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mende Rechtsträger nach § 18 Abs. 2 UmwG der ausdrücklichen Einwilligung des Namensträgers oder dessen Erben. Die Regelung dient dem Schutz des Namensrechts als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und bildet eine Ausnahme zu § 18 Abs. 1 UmwG, der keine Einwilligung verlangt (vgl. Rn 4). Sprachlich lehnt sich § 18 Abs. 2 UmwG mit dem Erfordernis der Einwilligung an die Rege- 8 lung des § 22 Abs. 1 an. Das ist deswegen unglücklich, weil der Terminus hier anders als dort nicht die dingliche Übertragung i.S.d. §§ 398, 413 BGB (s. § 22 Rn 28), sondern ebenso wie in § 24 Abs. 2 (dort Rn 27) die erforderliche namensrechtliche Gestattung i.S.d. Rn 30, 42 ff meint.6 Dabei ist eine solche namensrechtliche Gestattung nach dem Gesetzeswortlaut zwar nur dann erforderlich, wenn die natürliche Person nicht an dem übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist. Dies beruht jedoch darauf, dass der Gesetzgeber für den Fall der Beteiligung des Namensträgers an dem übernehmenden Rechtsträger offenbar davon ausging, der Namensträger gebe seine Zustimmung bereits bei der Entscheidung über die Fortführung der Firma. Ist dies jedoch nicht geschehen, so ist seine Gestattung gleichermaßen einzuholen.7
III. § 18 Abs. 3 UmwG Gem. § 18 Abs. 3 S. 1 UmwG entfaltet § 18 Abs. 1 und 2 UmwG für an einer Verschmelzung betei- 9 ligte Partnerschaftsgesellschaften ebenfalls Geltung. § 18 Abs. 3 S. 1 UmwG hat allerdings lediglich klarstellende Bedeutung, da die Personengesellschaft zu den verschmelzungsfähigen Rechtsträgern gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gehört und aus diesem Grunde bereits dem Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 und 2 UmwG unterfällt. Ist der übernehmende Rechtsträger eine Partnerschaftsgesellschaft, so muss dessen Firma 10 gem. § 18 Abs. 3 S. 2 UmwG die in § 2 Abs. 1 PartGG geregelten Voraussetzungen für Partnerschaftsgesellschaften erfüllen (insbes. Enthalten des Namens mindestens eines Partners, Enthalten des Zusatzes „und Partner“ oder „Partnerschaft“). § 18 Abs. 3 S. 3 UmwG schreibt die entsprechende Anwendung der §§ 1 Abs. 3 und 11 PartGG vor und bestimmt somit, dass eventuelle berufsrechtliche Spezialregelungen sowie Übergangsvorschriften zu beachten sind.
B. Firmenfortführung bei Spaltung § 125 UmwG8 bestimmt die anzuwendenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes bei einer 11 Spaltung i.S.d. § 123 UmwG. Dabei wird hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 18 UmwG zwischen den verschiedenen Arten der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung und Ausgliederung) differenziert. Während § 18 UmwG auf die Aufspaltung Anwendung findet, ist seine Anwendbarkeit für die Abspaltung und Ausgliederung ausgeschlossen. Der Grund hierfür liegt darin, dass allein bei der Aufspaltung der übertragende Rechtsträger erlischt. Er spaltet sein Vermögen auf und überträgt es unter Auflösung insgesamt auf andere bereits bestehende oder neu gegründete Rechtsträger. Eine Firmenfortführung durch die übernehmenden Rechtsträger wird hierdurch ermöglicht und die Anwendung des § 18 UmwG sinnvoll. Streitig ist, ob jeder beliebige, derjenige der den größten Teil des Vermögens übernimmt 12 oder sogar alle der übernehmenden Rechtsträger bei der Aufspaltung zur Firmenfortführung berechtigt sind.9 Der Wortlaut des § 22 stimmt mit dem des § 18 Abs. 1 UmwG darin überein,
6 Das verkennen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 22 Rn 83; wie hier i.E. wohl auch Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 6. 7 Lutter/Decher UmwG § 18 Rn 6. 8 § 125 Satz 1 i.d.F. v. 11.7.2011 mWv 15.7.2011, BGBl. I, 1338. 9 Zum Ganzen MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 100; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon § 22 Rn 37. 177
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Anh. § 22
1. Buch. Handelsstand
dass beide Vorschriften den Erwerb eines Handelsgeschäfts voraussetzen.10 Allein bei Erwerb eines Unternehmens in seinem Kern (§ 22 Rn 17) ist es möglich, dass die Erwartungen des Rechtsverkehrs, der mit der Firmenfortführung eine Unternehmenskontinuität und Geschäftstradition verbindet, erfüllt werden.11 Zur Firmenfortführung kann folglich nur derjenige der übernehmenden Rechtsträger berechtigt sein, der das Handelsgeschäft in seinem Kern erwirbt. Dadurch wird zugleich eine problematische Firmenvervielfältigung vermieden. 13 Demgegenüber erlischt der übertragende Rechtsträger bei der Abspaltung und der Ausgliederung nicht, da lediglich eines oder mehrere Vermögensteile abgespalten bzw. ein Teil des Vermögens ausgegliedert und auf einen oder mehrere bereits bestehende oder neue Rechtsträger übertragen werden. Eine Firmenfortführung durch den oder die übernehmenden Rechtsträger ist daher grundsätzlich nicht möglich.12
10 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 12/6699, 71, BR-Drucks. 75/94, 90 f. 11 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 22 Rn 87; Heidel/Schall/Lamsa/Ammon § 22 Rn 36; Lutter/Teichmann UmwG § 125 Rn 5; aA Kögel GmbHR 1996, 168 (172 f).
12 Vgl. Begr. RegE UmwG BT-Drucks 12/6699, S. 117; Semler/Stengel/Schwanna UmwG § 125 Rn 7, 9; Lutter/Teichmann UmwG § 125 Rn 34, 56; kritisch Mayer DB 1995, 861 (863) der darauf hinweist, dass es bei einer Abspaltung oder Ausgliederung eines Teilbetriebes auch Fälle geben kann, in denen die Firmenfortführung durch den übernehmenden Rechtsträger sinnvoll und interessengerecht ist. In Betracht kommt aber eine Fortführung nach § 22 HGB, § 125 UmwG entfaltet keine Sperrwirkung, Lutter/Lieder UmwG § 131 Rn. 96; Schmitt/Hörtnagl UmwG § 125 Rn 42; Weber DNotI-Report 2014, 188 (189); OLG Hamm Beschl. v. 5.7.2016 – 27 W 42/16, DStRE 2017, 1214 mit. Anm. Juretzek DStR 2017, 1231. Die Anwendbarkeit von § 18 Abs. 1 UmwG auf die Aufspaltung und Abspaltung oder Ausgliederung befürwortet Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 22 Rn 57. Zu den Spaltungsarten und deren Kombination vgl. Kallmeyer DB 1995, 81; zur Bestimmung des Vermögensteils i.S.d. § 123 UmwG vgl. Pickhardt DB 1999, 729. Burgard
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§ 23 Die Firma kann nicht ohne das Handelsgeschäft, für welches sie geführt wird, veräußert werden.
Schrifttum Beater Mantelkauf und Firmenfortführung, GRUR 2000, 119; Heidinger Die wirtschaftliche Neugründung, ZGR 2005, 101; Köhler Die kommerzielle Verwertung der Firma durch Verkauf und Lizenzvergabe, DStR 1996, 510; Möller Lizenzen an Unternehmenskennzeichen, 2006; Pahlow Firma und Firmenmarke im Rechtsverkehr, GRUR 2005, 705; Priester Mantelverwendung und Mantelgründung bei der GmbH, DB 1983, 2291; Schricker Rechtsfragen der Firmenlizenz, Festschrift von Gramm, 1990, 289; Ullmann Die Verwendung von Marke, Geschäftsbezeichnung und Firma im geschäftlichen Verkehr, insbes. des Franchising, NJW 1994, 1255; ders. Zur Bedeutung der gewillkürten Prozeßstandschaft im Warenzeichen- und Wettbewerbsrecht, Festschrift von Gamm, 1990, 315. S. ferner das Schrifttum zu §§ 22, 24.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen
I. 1. 2. 3.
Veräußerung der Firma 5 Veräußerung 6 Bedingte und befristete Übertragung Firmenlizenzen und ähnliche Rechtsgeschäfte 7 a) Verbotene Geschäfte 8 b) Erlaubte Geschäfte
II.
Zurückbehaltung des Handelsgeschäfts
1 2
III. 1. 2. 3. 4. 5.
Umgehungsgeschäfte Scheingründung 14 15 Scheinübertragungen 16 Vorrats-GmbH 17 Mantel-GmbH Aufgabe des Handelsgewerbes durch den Erwer18 ber
C.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
I. 1. 2.
Zivilrechtliche Wirkungen Im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Er19 werber Im Außenverhältnis gegenüber Dritten 20 a) Haftung des Veräußerers 21 b) Haftung des Erwerbers 22 c) Gesamtschuldner
II.
Registerrechtliche Wirkungen
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A. Grundlagen I. Norminhalt § 23 enthält das Verbot der Leerübertragung des Firmenrechts. Die Firma kann nicht losgelöst 1 von dem Unternehmen, sondern nur zusammen mit ihm übertragen werden.
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Burgard
§ 23
1. Buch. Handelsstand
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Norm entspricht inhaltlich Art. 23 ADHGB.1 Ihr Wortlaut wurde seit Erlass des HGB nicht geändert, auch nicht durch das Handelsrechtsreformgesetz.
III. Normzweck 3 Eine Veräußerung der Firma ohne das Unternehmen wäre täuschungsgeeignet, weil die Firma im Publikum, ungeachtet ihrer anderen handelsrechtlichen Bedeutung, als Bezeichnung des Unternehmens selbst aufgefasst wird (Vor § 17 Rn 1 ff, § 17 Rn 5 ff). Das Publikum würde daher über die Identität des Unternehmens getäuscht, wenn die Firma ohne das Unternehmen übertragen werden könnte.2 Indem die Vorschrift einer solchen Täuschung vorbeugen will, bezweckt sie den Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs.3 Deswegen sieht das Handelsrecht ein zulässiges Auseinanderfallen von Firma und Handelsgeschäft in dem Sinne nicht vor, dass das Handelsgeschäft zwar ohne die Firma, die Firma aber nicht ohne das Handelsgeschäft übertragen werden kann. Das bedeutet zugleich, dass das Gesetz ein Interesse an dem Erhalt und der Nutzung des Firmenwerts nur in Verbindung mit dem Handelsgeschäft anerkennt.4 Die Firma ist also insofern akzessorisch zum Handelsgeschäft und – anders als heutzutage Marken (§ 27 MarkenG)5 – mithin kein selbständiges Verkehrsobjekt. Auch gilt im Firmenrecht anders als im Markenrecht nicht die Vermutung des § 27 Abs. 2 MarkenG, nach der von der Übertragung eines Geschäftsbetriebs im Zweifel auch die zu diesem gehörende Marken erfasst werden.6 Vielmehr kann man sagen, dass § 22 die gegenteilige Auslegungsregel enthält:7 Weil die Vorschrift das Recht zur Firmenfortführung von einer ausdrücklichen Einwilligung abhängig macht, kann nicht von der Übertragung des Handelsgeschäfts auf die Übertragung der Firma geschlossen werden (s. § 22 Rn 31).
IV. Anwendungsbereich 4 § 23 gilt für alle Firmen i.S.d. HGB. Nach § 172 S. 1 VAG gilt sie auch für große VVaG, nach § 210 Abs. 1 VAG aber nicht für kleine. Ferner ist sie gem. § 2 Abs. 2 PartGG auf Partnerschaftsgesellschaften entsprechend anzuwenden. Das gilt ab dem 1.1.2024 auch für eingetragene BGB-Gesellschaften, § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG. § 23 findet hingegen keine analoge Anwendung auf Geschäftsbezeichnungen8 und Minderfirmen.9 Bei diesen ist lediglich das allgemeine Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 (analog) zu beachten (s. auch Anh. I zu § 37 Rn 28). Auch auf Marken findet die Vorschrift keine analoge Anwendung,10 s. Rn 3. 1 Näher zur Entstehungsgeschichte Beater GRUR 2000, 119 (121); Pahlow GRUR 2005, 705 (706 f), beide mwN; s. ferner § 22 Rn 2 Fn 1.
2 MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; Heymann/Förster HGB Rn 1; Hopt/Merkt Rn 1. 3 BGH BB 1957, 943 f; BGH GRUR 1967, 89 (92) (Rose) zu § 8 WZG; BGH GRUR 1971, 573 f (Nocado) zu § 8 WZG; BGH NJW 1972, 2123 (Baader-Brezeln); BGH BB 1977, 1015 f = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff; Rob. Fischer ZHR 111 (1948), 18 (21); v. Gierke ZHR 112 (1949), 1 (6 f); BeckOK HGB/Bömeke Rn. 1. 4 BGH GRUR 1957, 44 (45); BGH NJW 1972, 2123; Adler ZHR 85 (1921), 93 (126); Strohm S. 340; Staub/Hüffer4 Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 2, s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 1, 15. 5 Zur Parallelität von § 8 Abs. 1 WZG a.F. Staub/Hüffer4 Rn 2; zur diesbezüglichen Rechtsentwicklung MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2. 6 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1 mit Verweis auf § 17 Rn 5, 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2. 7 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 32. 8 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke, Rn 2; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 23. 9 Koller/Roth/Drüen § 17 Rn 8; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 2. 10 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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B. Voraussetzungen I. Veräußerung der Firma 1. Veräußerung Das gesetzliche Verbot betrifft die Veräußerung der Firma ohne das Unternehmen. Veräußerung 5 bedeutet: Übertragung des Rechts an der Firma durch Vertrag gem. §§ 398, 413 BGB.11 Insoweit ist der Begriff der Veräußerung inhaltsgleich mit der Einwilligung in die Firmenfortführung i.S.d. § 22 Abs. 1 und wie diese auszulegen, vgl. deshalb näher § 22 Rn 27 ff.
2. Bedingte und befristete Übertragung Die Übertragung des Firmenrechts kann befristet oder bedingt erfolgen. Durch die Vereinba- 6 rung eines Anfangstermins oder einer aufschiebenden Bedingung darf allerdings der Zusammenhang zwischen dem Wirksamwerden der Übertragung des Handelsgeschäfts und der Einwilligung nicht zerrissen werden. Der nach § 23 erforderliche sachliche Zusammenhang muss daher durch einen entsprechend engen zeitlichen Zusammenhang gewahrt werden.12 Dem ist Genüge getan, wenn die Einwilligung in der Zeit zwischen dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts und der Anmeldung des Inhaberwechsels (jeweils einschließlich) wirksam wird (§ 22 Rn 32). Abreden, die eine auflösende Bedingung, einen Endtermin oder einen Widerrufsvorbehalt zum Inhalt haben, stehen § 23 nicht entgegen.13 Die Vorschrift schützt den rechtsgeschäftlichen Verkehr nicht vor Schwebezuständen und vergleichbaren Ungewissheiten, sondern lediglich vor der aus einer Übertragung der Firma ohne Handelsgeschäft resultierenden Täuschungsgefahr. Und eine derartige Leerübertragung liegt hier gerade nicht vor. Bis zum Eintritt der Bedingung bzw. Ablauf der Befristung können die Beteiligten zudem die Beschränkungen der Firmenübertragung aufheben und dadurch Firma und Unternehmen endgültig in der Hand des Erwerbers vereinigen. Ein Verstoß gegen § 23 kann daher auch hierin nicht gesehen werden.14 Nur deswegen, weil diese Aufhebung entgeltlich erfolgt, liegt kein verbotener Firmenhandel vor.15 S. zum Ganzen auch § 22 Rn 74.
3. Firmenlizenzen und ähnliche Rechtsgeschäfte a) Verbotene Geschäfte. Der Zweck von § 23, eine Täuschung des Rechtsverkehrs durch eine 7 Übertragung der Firma ohne das Handelsgeschäft zu verhindern, gebietet eine erweiternde Auslegung des Begriffs der Veräußerung. Erfasst werden daher nicht nur dingliche Rechtsgeschäfte, sondern auch alle Arten von schuldrechtlichen Rechtsgeschäften, die es dem Vertragspartner des Firmeninhabers gestatten, dessen Firma ohne das dazugehörige Handelsgeschäft als Firma (also nicht etwa als bloße Marke, dazu Rn 10) zu nutzen. Dem entspricht die korrespondierende 11 Ganz h.M.; statt vieler BeckOK HGB/Bömeke § 17 Rn. 32 mwN. 12 BGH NJW 1991, 1353 (1354); Köhler FS Fikenscher S. 494 (505); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; Staub/Hüffer4 Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3 und 5. 13 Allg. M.; aus der Rspr. RGZ 76, 263 (265 f); RGZ 102, 17 (22); OLG Köln ZBlFG 9, 630; KG RJA 17, 87; OLG Düsseldorf HRR 1936 Nr. 407; aus der Literatur Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14, § 22 Rn 30 f; Heymann/Förster HGB Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 22 Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 5; MünchKommHGB/ Heidinger Rn 14; Hopt/Merkt § 22 Rn 11; Staub/Hüffer4 § 22 Rn 27. 14 RGZ 76, 263 (265); OLG Köln RheinArch. 1909, 26 = ZBlFG 9, 630 (LS) m. Anm. Bondi; aA KG RJA 17, 84; Staub/ Würdinger3 Rn 36. 15 Staub/Hüffer4 Rn 6; aA Staub/Würdinger3 § 22 Rn 36. 181
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Vorschrift des § 22 Abs. 2. Die gegen die Auffassung angeführten markenrechtlich geprägten Argumente16 überzeugen schon deswegen nicht, weil der Gesetzgeber die Firmenrechtslage gerade nicht der geänderten Markenrechtslage angeglichen hat.17 Nicht nur dinglich wirkende Firmenlizenzen (falls solche überhaupt möglich sind),18 sondern auch schuldrechtlich wirkende Firmenlizenzen und ähnliche Rechtsgeschäfte werden daher von § 23 grundsätzlich erfasst (s. aber Rn 8 ff).
8 b) Erlaubte Geschäfte. Wenngleich schuldrechtliche Firmenlizenzen grundsätzlich verboten sind, wird man sie ausnahmsweise zulassen können, wenn der Firmeninhaber mit der Gewährung der Lizenz zugleich und für denselben Zeitraum den Geschäftsbetrieb auf den Lizenznehmer überträgt und sich zugleich verpflichtet, für diese Zeit auf einen Gebrauch der Firma zu verzichten.19 Zwar verbleibt das Firmenrecht in diesem Fall bei dem Firmeninhaber. Mit dieser Einschränkung kommt es aber weder zu einem Auseinanderfallen von Firma und Handelsgeschäft noch zu einer Firmenverdoppelung oder -aufspaltung. Die Täuschungsgefahr, vor der § 23 schützen will (Rn 3), besteht daher hier nicht. Vielmehr wird auf schuldrechtlicher Basis das gleiche Ergebnis erzielt wie im Falle des § 22 Abs. 2. 9 Wie bei § 22 Rn 68 ff näher dargelegt, kann überdies derjenige, der ein Handelsgeschäft mitsamt dem Recht zur Firmenfortführung erwirbt, dem Veräußerer unter Beachtung von § 30 gestatten, die veräußerte Firma zu Liquidationszwecken vorübergehend weiterzuführen. 10 Firmenrechtlich ist ferner nichts dagegen einzuwenden, wenn der Firmeninhaber seine Firma (z.B. „Karl Decker, Säge- und Hobelwerk, Holzhandlung KG“) dadurch wirtschaftlich verwertet, dass er einem anderen gestattet, das – mglw. auch als Marke eingetragene – Firmenschlagwort (im Beispiel „Decker-Holz“) zu anderen Zwecken als einer Firmierung, insbes. zu Werbezwecken zu verwenden. Darin liegt kein Firmenhandel, da die Firma weder mit dinglicher noch mit schuldrechtlicher Wirkung übertragen wird. Es besteht auch keine Gefahr der Firmenverdoppelung oder -aufspaltung, weil der Vertragspartner die Firmenkennzeichnung nicht zur Firmierung verwenden darf. Vielmehr verzichtet der Firmeninhaber in diesem Fall lediglich auf die Geltendmachung der aus seinem Ausschließlichkeitsrecht folgenden Unterlassungsansprüche.20 11 Überdies ist es firmenrechtlich sogar grundsätzlich zulässig, wenn der Firmeninhaber einem anderen gestattet, ein Firmenschlagwort als bzw. in seiner Firma zu benutzen (im Beispiel der Rn 10 also etwa „Decker-Holz GmbH“), solange nur den Anforderungen des § 30 Genüge getan ist.21 Eine Firmenverdoppelung liegt dann nämlich nicht vor. Allerdings kann eine Firmenlizenz im Einzelfall gegen das firmenrechtliche (§ 18 Abs. 2)22 oder das wettbewerbsrechtliche (§§ 5 f UWG)23 Irreführungsverbot, Rechte Dritter (z.B. Namensrecht) oder sonstige Rechtsvorschriften verstoßen. Im Falle einer schuldrechtlich wirksamen Firmenlizenz kann sich der 16 S. Canaris Handelsrecht § 10 Rn 43 mwN; Köhler DStR 1996, 510 (513 ff); Schricker FS v. Gramm, S. 289 ff; Bußmann Name, Firma, Marke, S. 119 f; Pahlow GRUR 2005, 705 ff; MünchKommBGB/Bayreuther § 12 Rn 83.
17 Näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; s. auch K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 56; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Beater GRUR 2000, 119 (122 f, 124). 18 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; Forkel FS Paulick 1973, 101 (103 f); Schricker FS v. Gramm, 289 (295 ff). 19 BGH WM 1985, 1242 (1243 f); Heymann/Förster Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6. 20 BGH NJW 1993, 2236 (2237) („Decker“); BGH GRUR 1970, 528 (531) („Migrol“); BGH GRUR 1991, 780 (781) = WRP 1991, 645 („Transatlantische“); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 21 BGH NJW 1993, 2236 („Decker“); Köhler DStR 1996, 510 (513 ff); kritisch MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 81 mwN. 22 Zu weitgehend Canaris Handelsrecht § 11 Rn 6 (irgendeine Form der Beteiligung erforderlich), näher § 18 Rn 56, 59. 23 BGH GRUR 1970, 528 (531 f) („Migrol“ – keine Täuschung des Verkehrs über bestimmte Qualitätserwartungen, wenn Überwachungsmöglichkeiten des Lizenzgebers zur Vermeidung von Irreführungen bestehen.). Burgard
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Lizenzinhaber gegenüber Dritten analog § 986 Abs. 1 BGB auf die Priorität der Kennzeichnung des Lizenzgebers berufen.24 S. ferner Anh. I zu § 37 Rn 29. Schließlich ist die Einräumung einer solchen schuldrechtlichen Firmenlizenz nicht nur 12 grundsätzlich zulässig, sondern wie die Regelung des § 24 Abs. 2 zeigt (vgl. dort Rn 30), firmenrechtlich sogar geboten, wenn eine Handelsgesellschaft als Namensgeberin einer anderen Handelsgesellschaft auftritt. Das entbindet von der Einhaltung des § 30 freilich ebenfalls nicht (zur GmbH & Co. § 30 Rn 32; zu Tochtergesellschaften § 30 Rn 39).
II. Zurückbehaltung des Handelsgeschäfts Verboten ist die Veräußerung der Firma, wenn nicht auch das mit ihr im Verkehr bezeichnete 13 Unternehmen übertragen wird. Insoweit ergeben sich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 23 aus der Umkehrung der Anforderungen, die § 22 an die Zulässigkeit der Firmenfortführung stellt. Mithin muss das Handelsgeschäft tatsächlich (noch) bestehen (§ 22 Rn 14 ff; ferner u. Rn 14) und zumindest der Kern des Unternehmens erworben werden (§ 22 Rn 17 ff).
III. Umgehungsgeschäfte 1. Scheingründung Wird ein Unternehmen nur zum Schein gegründet, ein Gewerbe also überhaupt nicht betrieben, 14 so entsteht auch keine Firma, sondern nur der Schein einer Firma; das gilt auch dann, wenn die Eintragung in das Handelsregister erlangt wird, weil § 5 (vgl. dort Rn 8 ff) in diesem Fall nicht eingreift. Für die Anwendung des § 23 ist kein Raum, weil der vermeintliche Erwerber ohnehin nichts erhält.25
2. Scheinübertragungen Anders liegt es, wenn eine scheinbare Übertragung des (existenten) Unternehmens die Veräuße- 15 rung der Firma rechtfertigen soll;26 sie fällt unter das Verbot des § 23, weil die Übertragung des Unternehmens nach § 117 BGB nichtig ist.
3. Vorrats-GmbH Kein Fall des § 23 ist die Veräußerung einer sog. Vorrats-GmbH; denn erworben werden in die- 16 sem Fall die Geschäftsanteile und nicht bloß die Firma. Auch eine analoge Anwendung von § 23 kommt nicht in Betracht. Selbst wenn nämlich das wirtschaftliche Interesse des Erwerbers in erster Linie auf den Erwerb der Firma gerichtet sein sollte (was bei den meist farblosen Firmen von Vorratsgesellschaften regelmäßig nicht der Fall ist), so ist jedenfalls eine Täuschung des Rechtsverkehrs ausgeschlossen, weil beim Veräußerer nichts zurückbleibt und es bisher kein Unternehmen gibt, das werbend am Markt aufgetreten ist.27
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Seit BGH NJW 1993, 2236 („Decker“) allg. M. Staub/Hüffer4 Rn 8; aA ROHG 6, 246 f (A. W. Faber): Gleichstellung mit Art. 23 ADHGB; Staub/Würdinger3 Rn 2. Beispiel: RGZ 66, 415 (416); ebenso Staub/Hüffer4 Rn 8; siehe ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn 12. MünchKommHGB/Heidinger Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; kritisch Beater GRUR 2000, 119 (125 f); vgl. Bandes WM 1995, 641.
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4. Mantel-GmbH 17 Nach herrschender Meinung verstößt auch ein Mantelkauf nicht gegen § 23.28 Richtigerweise ist hingegen zu differenzieren:29 Entsprechend den vorstehenden Überlegungen (Rn 16) kommt es nur dann nicht zu einer Täuschung des Rechtsverkehrs, wenn – wie zumeist – die Gesellschaft ihre werbende Tätigkeit schon vor längerer Zeit eingestellt hat.30 Dagegen stellt es eine Umgehung von § 23 dar, wenn eine GmbH zunächst ihr Handelsgeschäft ohne Recht zur Firmenfortführung veräußert und die Gesellschafter anschließend die Geschäftsanteile der nunmehr leeren GmbH mitsamt ihrer Firma an einen Dritten übertragen, solange der Verkehr mit dieser Firma noch konkrete Vorstellungen verbindet; denn in diesem Fall ist eine Täuschung des Rechtsverkehrs vorprogrammiert. Der Fall ähnelt der Problematik der Nachbildung einer kürzlich gelöschten Firma (§ 18 Rn 39).31 S. auch § 24 Rn 17 f.
5. Aufgabe des Handelsgewerbes durch den Erwerber 18 Dagegen greift § 23 weder direkt noch analog ein, wenn ein Kaufmann sein Handelsgeschäft mit dem Recht zur Firmenfortführung veräußert und der Erwerber das Handelsgeschäft anschließend sogleich einstellt, weiterveräußert oder wesentlich verändert (ausf. § 22 Rn 106 f). Deswegen ist auch die Veräußerung eines Handelsgeschäfts mitsamt der Firma durch den Insolvenzverwalter (dazu § 22 Rn 54 ff) selbst dann nicht zu beanstanden, wenn der Erwerber dieses nicht weiterzuführen beabsichtigt.32 Vielmehr sind in der Insolvenz sogar verringerte Anforderungen an den Umfang des Betriebsübergangs zu stellen (§ 22 Rn 17 a.E.).
C. Rechtsfolgen eines Verstoßes I. Zivilrechtliche Wirkungen 1. Im Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber 19 § 23 ist Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB.33 Das nach Maßgabe der Rn 5 ff, 13 ff verbotswidrige Rechtsgeschäft ist daher nichtig, einerlei, ob es dinglich oder lediglich schuldrechtlich wirkt. Der diesen Geschäften zugrunde liegende Verpflichtungsvertrag ist auf eine anfänglich objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Seit der Schuldrechtsreform ist der Vertrag deswegen jedoch nicht mehr gem. § 306 BGB a.F. nichtig, §§ 275, 311a Abs. 1 BGB. Vielmehr hat der Erwerber gem. § 311a Abs. 2 BGB lediglich einen Anspruch auf Schadens- oder Aufwendungsersatz gegen den Veräußerer. Auf den Schadensersatzanspruch muss er sich jedoch gem. § 254 BGB sein Mitverschulden anrechnen lassen, wenn er die auf dem Verstoß gegen § 23 beruhende Unmöglichkeit der Leistung kannte oder schuldhaft nicht erkannt hat.34 Dies kann unter Umständen35 dazu 28 BGHZ 153, 158 (160 ff) = NJW 2003, 892; ferner BGHZ 117, 323 (330) = NJW 1992, 1824 (1825); K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 4 III; Hopt/Merkt Rn 4. Ebenso MünchKommHGB/Heidinger Rn 2 f; GKzHGB/Steitz Rn 2; Beater GRUR 2000, 119 ff. Insoweit aA GKzHGB/Steitz Rn 2. Zutr. Beater GRUR 2000, 119 (125 f); kritisch MünchKommHGB/Heidinger Rn 3; aA BeckOK HGB/Bömeke Rn 13. Auch insoweit kritisch MünchKommHGB/Heidinger Rn 3. RGZ 63, 226 (228); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; MünchKommHGB/Heidinger Rn 17; Heymann/Förster Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 9. 34 MünchKommBGB/Ernst § 311a Rn 68; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 15; P. Huber/Faust Schuldrechtsmodernisierung Kap. 7 Rn 45. 35 § 254 Abs. 1 BGB schreibt vor, dass der Umfang des zu leistenden Ersatzes „von den Umständen“ abhängt, so dass diesen dem jeweiligen Einzelfall entsprechend Rechnung zu tragen ist, s. MünchKommBGB/Ernst § 311a Rn 68.
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führen, dass der Erwerber keinen Anspruch hat, wenn er den Verstoß gegen § 23 kannte. Auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz ist in diesem Falle gem. § 284 BGB ausgeschlossen. Hinsichtlich des Anspruchs des Veräußerers auf die Gegenleistung gelten §§ 275 Abs. 4, 326 BGB. Erwirbt der Erwerber entgegen § 22 Rn 17 ff nur einen Teil des Handelsgeschäfts, so ist eine damit verbundene Firmenübertragung nichtig. Der Veräußerer hat damit nur einen Teil der geschuldeten Leistung erbracht. Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches des Erwerbers ist in diesem Fall § 311a Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 S. 2 BGB, hinsichtlich der Gegenleistung §§ 275, 326 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 i.V.m. § 441 Abs. 3 BGB zu beachten. Zudem kommt ein Rücktritt gem. §§ 275, 326 Abs. 5 i.V.m. § 323 Abs. 5 S. 1 BGB in Betracht. Eine auf die selbständige Übertragung der Firma gerichtete Klage kann keinen Erfolg haben, sofern nicht zumindest der Kern des Handelsgeschäfts schon vor Klageerhebung von dem bisherigen Inhaber auf den Kläger übertragen worden ist.36
2. Im Außenverhältnis gegenüber Dritten a) Haftung des Veräußerers. Nach allgemeinen Zurechnungsregeln (Vor § 17 Rn 1) treffen die 20 Rechtsfolgen von unter einer Firma geschlossenen Rechtsgeschäften deren Inhaber. Firmeninhaber ist vorliegend wegen der Nichtigkeit der Firmenübertragung nach wie vor der Veräußerer. Allerdings wird der Erwerber regelmäßig keine Vertretungsmacht haben, um den Veräußerer zu verpflichten. Eine Haftung des Veräußerers kommt daher nur nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen, also dann in Betracht, wenn er in zurechenbarer Weise den Rechtschein gesetzt hat, selbst aus den vom Erwerber geschlossenen Geschäften verpflichtet zu werden, und der Vertragspartner im Vertrauen hierauf (erforderlich sind also Gutgläubigkeit und Kausalität) kontrahiert hat.37
b) Haftung des Erwerbers. Der Inhaberwechsel ist gem. § 31 Abs. 1 eine in das Handelsregister 21 einzutragende Tatsache. Erfolgen Eintragung und Bekanntmachung, obwohl eine wirksame Firmenveräußerung nicht vorliegt, muss der vermeintliche Firmenerwerber die Registerpublizität gem. § 15 Abs. 3 gegen sich gelten und sich daher so behandeln lassen, als wäre er der Inhaber.38 Ferner kommt nach dem zuvor Gesagten (Rn 20) eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB in Betracht, wenn der Veräußerer das Geschäft nicht genehmigt. Überdies kann sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer nach allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen haften, je nach dem wer von beiden durch sein Verhalten in zurechenbarer Weise den Anschein hervorgerufen hat, selbst durch die unter der Firma geschlossenen Geschäfte verpflichtet zu werden, und der Vertragspartner im Vertrauen hierauf kontrahiert hat.39 Schließlich wird angenommen der Erwerber könne nach § 25 Abs. 1 S. 1 haften.40 Dem ist nicht zuzustimmen.41 Zwar ist richtig, dass es für eine Haftung aus § 25 nicht darauf ankommt, ob die Firma wirksam übertragen wurde und die Firmenführung berechtigt ist (s. § 25 Rn 69). Erforderlich ist aber, dass das Handelsgeschäft tatsächlich auf den Erwerber übergegangen ist (§ 25 Rn 55 ff).
36 RGZ 63, 226 (228 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19; BeckOKHGB/Bömeke Rn. 16; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9; Staub/Hüffer4 Rn 9. 37 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20; allg. zu den Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 131 ff. 38 HM MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 17; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Hopt/Merkt Rn 3; Staub/Hüffer4 Rn 10; Heymann/Förster Rn 8; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20. 39 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20, § 25 Rn 32 ff; für die Möglichkeit einer Rechtsscheinhaftung auch Staub/Hüffer4 Rn 10; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10. 40 Staub/Hüffer4 Rn 10. 41 I.E. ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20. 185
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Insbes. reicht der bloße Rechtsschein eines Geschäftsüberganges zur Begründung einer Haftung aus § 25 Abs. 1 S. 1 nicht aus.42 Gerade an einem Geschäftsübergang fehlt es aber in den Fällen des § 23. In Betracht kommt allenfalls eine Rechtsscheinhaftung (§ 25 Rn 158 f).43
22 c) Gesamtschuldner. Nach dem Vorstehenden ist denkbar, dass dem Gläubiger sowohl Ansprüche gegen den Veräußerer als auch gegen den Erwerber zustehen. Beide haften dann als Gesamtschuldner (§§ 421 ff BGB).
II. Registerrechtliche Wirkungen 23 Die Führung der gem. § 23 nicht erworbenen Firma ist Firmenmissbrauch i.S.d. § 37 Abs. 1. Das Registergericht hat die Firmenführung deshalb nach Maßgabe des § 392 FamFG (§ 140 FGG a.F.) zu untersagen. Ist der Inhaberwechsel fälschlich eingetragen worden, so kommt auch das Verfahren der Amtslöschung nach §§ 395 f FamFG (§§ 142 f FGG a.F.) in Betracht.
42 Hopt/Merkt § 25 Rn 5; MünchKommHGB/Thiessen § 25 Rn 53 ff; Canaris Vertrauenshaftung, 186 f; Schricker ZGR 1972, 121 (154 f). 43 Hopt/Merkt § 25 Rn 5; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 25 Rn 33 f. Burgard
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§ 24 (1) Wird jemand in ein bestehendes Handelsgeschäft als Gesellschafter aufgenommen oder tritt ein neuer Gesellschafter in eine Handelsgesellschaft ein oder scheidet aus einer solchen ein Gesellschafter aus, so kann ungeachtet dieser Veränderung die bisherige Firma fortgeführt werden. (2) Bei dem Ausscheiden eines Gesellschafters, dessen Name in der Firma enthalten ist, bedarf es zur Fortführung der Firma der ausdrücklichen Einwilligung des Gesellschafters oder seiner Erben.
Schrifttum 1. Seit der Handelsrechtsreform Felsner Fortführung der Firma bei Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters nach dem Handelsrechtsreformgesetz, NJW 1998, 3255; Hartmann Zur Abänderbarkeit der gem. § 24 HGB fortgeführten Firma einer Personenhandelsgesellschaft – zugleich eine Anmerkung zum Beschl. des LG Essen v. 14.11.2002, RNotZ 2003, 250; Henssler Zum Namensschutz einer Freiberuflersozietät, NZG 2000, 645; Meyer Fortführung der Firma der Personenhandelsgesellschaft durch einen Einzelkaufmann, RNotZ 2004, 323; Römermann Namensfortführung in der Freiberufler-Sozietät und Partnerschaft, NZG 1998, 121; Sommer Umwandlung einer GbR in eine Partnerschaftsgesellschaft, NJW 1998, 3549; M. Weßling Der Einwilligungsvorbehalt für eine Firmenfortführung bei Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters, GmbHR 2004, 487. S. ferner das Schrifttum zu §§ 22, 23.
2. Vor der Handelsrechtsreform Canaris Kollisionen der §§ 16 und 3 UWG mit dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit gem. §§ 22, 24 HGB, GRUR 1989, 711; Hüffer Das Namensrecht des ausscheidenden Gesellschafters als Grenze zulässiger Firmenfortführung, ZGR 1986, 137; Sieveking Nachträgliche Änderung einer abgeleiteten Firma nach § 24 HGB, BB 1965, 1422; Strohm Die Gestattung der Firmenfortführung, Festschrift E. Ulmer, 1973, 333; Wessel Nachträgliche Änderung einer abgeleiteten Firma nach § 24 HGB, BB 1965, 1422. S. ferner das Schrifttum zu §§ 22, 23.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Bedeutung der Norm vor und nach der Handels5 rechtsreform
V. 1.
2.
B.
Voraussetzungen des Firmenfortführungsrechts
I.
Bestehendes Handelsgeschäft
II.
Kontinuität des Unternehmens
III.
Bisherige Firma
IV. 1.
Anwendungsfälle des § 24 Abs. 1 Die Aufnahme eines Gesellschafters in das Han20 delsgeschäft, Abs. 1 Fall 1 Veränderungen im Gesellschafterbestand, Abs. 1 Fall 2 und 3 a) Eintritt oder Ausscheiden von Gesellschaf21 tern b) Rechtsnachfolge in den Gesellschaftsan23 teil
1 16
2 17
3
Anwendungsbereich Handelsgeschäft und Handelsgesellschaft 7 a) Gesetzeswortlaut 8 b) Meinungsstand 11 c) Stellungnahme 14 Andere Unternehmensträger
187 https://doi.org/10.1515/9783111097510-011
2.
19
Burgard
§ 24
1. Buch. Handelsstand
c) 3. V. 1. 2.
3.
Übernahme sämtlicher Gesellschaftsanteile 24 durch eine Person 25 Statusänderungen von Gesellschaftern
Das Einwilligungserfordernis bei Ausscheiden eines Gesellschafters (Abs. 2) 26 Rechtsnatur der Einwilligung Voraussetzungen des Einwilligungserfordernisses a) Der Name als Firmenbestandteil aa) Natürliche Person als Namensge29 ber bb) Gesellschaften als Namensge30 ber b) Das Ausscheiden des namensgebenden Ge31 sellschafters Erteilung der Einwilligung 32 a) Ausdrückliche Erklärung 33 b) Zeitpunkt der Erklärung
c)
4.
Die Person des Einwilligenden aa) Natürliche Person als Namensge34 ber bb) Gesellschaften als Namensge35 ber cc) Einwilligungsberechtigung in der In36 solvenz des Namensgebers Rechtsfolgen der Einwilligung 37 a) Bei Erteilung 41 b) Bei Versagen
C.
Rechtsfolgen des Firmenfortführungsrechts
I.
Das Recht zur Fortführung der Firma
II. 1. 2. 3.
Art und Weise der Firmenfortführung 43 Grundsätze Aufnahme eines Nachfolgezusatzes Anpassung des Rechtsformzusatzes
42
44 46
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 § 24 Abs. 1 gewährt das Recht zur Fortführung der Firma bei Übergang vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt sowie Veränderungen im Gesellschafterbestand. Bei Ausscheiden eines namensgebenden Gesellschafters macht § 24 Abs. 2 dieses Recht allerdings von dessen ausdrücklicher Einwilligung abhängig. Mit dieser Einwilligung ist hier – anders als bei § 22 (Rn 27 f) – nicht die Übertragung des Firmenrechts i.S.d. §§ 398, 413 BGB, sondern die namensrechtliche Gestattung (§ 22 Rn 30, 42 ff) gemeint (näher Rn 26 ff).
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Norm geht auf Art. 24 ADHGB zurück und gilt im Kern seither unverändert. Auch die Handelsrechtsreform brachte nur eine klarstellende Ergänzung,1 indem an Abs. 1 die Worte „auch wenn sie den Namen des bisherigen Geschäftsinhabers oder Namen von Gesellschaftern enthält“ eingefügt wurden. Allerdings bedarf die Norm aufgrund der Liberalisierung des Firmenrechts teilweise einer modifizierten Auslegung (s. insbes. Rn 7 ff).
III. Normzweck 3 § 24 Abs. 1 dient der Erhaltung des Firmenwerts bei Änderungen im Gesellschafterbestand und ergänzt damit die in §§ 21, 22 getroffene Regelung: Nicht nur Namensänderung und Inhaberwechsel durch Erwerb des Handelsgeschäfts, sondern auch der Übergang vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt sowie Veränderungen im Gesellschafterbestand stehen der Beibehaltung der Firma nicht entgegen. Auch insoweit setzt sich also im Interesse des
1 Begr RegE BT-Drucks. 13/8444, 56 f; BR-Drucks 340/97, 57; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; Roth Die Reform des Handelsstandes, 31, 37. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 24
Firmenwerterhalts das Prinzip der Firmenbeständigkeit gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit durch (dazu weiter Rn 5). § 24 Abs. 2 schützt demgegenüber das Interesse des namensgebenden Gesellschafters, 4 im Falle seines Ausscheidens über die weitere Verwendung seines Namens in der Firma bestimmen zu können. Nach dieser gesetzlichen Regelung erfolgt die Einbringung des Namens nur für die Dauer der Mitgliedschaft. Für eine darüber hinausgehende Nutzung bedarf die Gesellschaft der ausdrücklichen Einwilligung des namensgebenden Gesellschafters oder seiner Erben. Diese kann der Namensgeber freilich schon vor und unabhängig von seinem Ausscheiden erteilen. Damit bewertet das Gesetz nicht die – ebenfalls vorhandenen – wirtschaftlichen, sondern die namens- und persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Gesellschafters hinsichtlich der weiteren Verwendung seines Namens höher als die rein wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft an der Fortführung der Firma. Das ist im Blick auf den hohen Stellenwert des Persönlichkeitsrechts (Art. 1, 2 GG) nicht nur sachgerecht, sondern geradezu geboten. Der namensgebende Gesellschafter kann berechtigte Interessen haben, seinen Namen „mitzunehmen“, nicht nur, um bei einer späteren Unternehmensgründung nicht in der Firmenwahl beschränkt zu sein,2 sondern bspw. auch, um nicht mehr mit der Gesellschaft in Verbindung gebracht zu werden, etwa weil er sich von deren Geschäftspraktiken distanzieren will oder schlicht, weil er Bedenken hat, dass eine Gesellschaft seinen Namen führt, auf deren Geschicke er keinen Einfluss mehr ausüben kann.3 Das Bestehen und die Berechtigung dieser Interessen haben sich durch den Wegfall des Zwangs zur Bildung von Personenfirmen nicht geändert. Eine Streichung von § 24 Abs. 2, wie sie von manchen befürwortet wird,4 würde daher nur dazu führen, dass die Regelung der Frage der Firmenfortführung gänzlich der Parteivereinbarung überlassen bliebe. Das scheint auf den ersten Blick Vorzüge zu haben (Stärkung der Privatautonomie) und zudem keine bedeutende Änderung gegenüber dem Ist-Zustand zu sein, weil schon heute vielfach solche Regelungen getroffen werden. Zu bedenken ist jedoch ferner, dass durch eine Streichung von § 24 Abs. 2 die (auch) persönlichkeitsrechtlichen Interessen des Namensgebers mit den (bloß) wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft auf eine Stufe gestellt würden. Faktisch würde dies sogar zu einer Stärkung der Rechtsposition der Gesellschaft führen, weil die Verhandlungsposition des informierten Namensgebers geschwächt und der uninformierte Namensgeber, der die Tragweite seiner Entscheidung nicht übersieht, vom Gesetz nicht mehr geschützt würde. An § 24 Abs. 2 ist daher auch de lege ferenda festzuhalten.
IV. Bedeutung der Norm vor und nach der Handelsrechtsreform § 24 Abs. 1 hatte schon vor der Liberalisierung des Firmenrechts mit Ausnahme des Übergangs 5 vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt in den meisten Fällen nur klarstellende Bedeutung. Daran hat sich nichts geändert (s.u. Rn 21). Vielmehr hat die Vorschrift aufgrund der Firmenwahlfreiheit (Vor § 17 Rn 27) und der Abschwächung des Grundsatzes der Firmenwahrheit (Vor § 17 Rn 28 ff) weiter an Bedeutung verloren. Das gilt umso mehr, wenn man der hier vertretenen Ansicht folgt, wonach Personenfirmen grundsätzlich auch unter Verwendung der Namen von ausgeschiedenen Gesellschaftern gebildet werden können, wenn die Namensträger hiermit einverstanden (zur namensrechtlichen Gestattung § 22 Rn 42 ff) sind (§ 18 Rn 56, 59).5 In vielen Fällen, in denen früher nur eine (unveränderte) Firmenfortführung geholfen hat, wäre daher heute alternativ eine Firmenneubildung möglich. Wäre aber auch eine Firmenneubildung möglich, dann hat die Firmenfortführung nach § 24 Abs. 1 „nur“ noch den Vor2 BGHZ 58, 322 (325 f); BGH NJW 1989, 1798 (1799); Staub/Hüffer4 Rn 13; vgl. auch Köhler FS Fikenscher 1998, 494 (498 Fn 8).
3 Vgl. BGHZ 32 103 (111); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; Staub/Hüffer4 Rn 13. 4 MünchKommHGB/Heidinger Rn 5; vgl. auch Canaris Handelsrecht § 10 Rn 45. 5 Vgl. auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 6. 189
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§ 24
1. Buch. Handelsstand
teil der Prioritätswahrung gegenüber anderen Firmen.6 Dieser Vorteil darf freilich keineswegs gering geschätzt werden. 6 Dem Bedeutungsverlust von § 24 Abs. 1 steht allerdings ein Bedeutungsgewinn von § 24 Abs. 2 gegenüber; denn infolge der Handelsrechtsreform wurde offenbar, dass der Anwendungsbereich von § 24 richtigerweise erheblich größer ist, als vor der Reform ganz überwiegend angenommen wurde. Das wirkt sich vor allem auf § 24 Abs. 2 aus. Im Einzelnen:
V. Anwendungsbereich 1. Handelsgeschäft und Handelsgesellschaft 7 a) Gesetzeswortlaut. Nach dem Wortlaut von Abs. 1 erfasst § 24 das Handelsgeschäft von Einzelkaufleuten und Handelsgesellschaften. Handelsgesellschaften sind nach der Überschrift des Zweiten Buchs die OHG und KG, einschließlich der GmbH & Co. KG, sowie gem. §§ 3, 278 Abs. 3 AktG, § 13 Abs. 3 GmbHG, Art. 9 Abs. 1 lit. c ii SEVO i.V.m. §§ 1, 3 SEAG, § 3 AktG, § 1 Hs. 2 EWIVAG7 die AG, KGaA, GmbH (einschließlich der sog. Unternehmergesellschaft i.S.d. § 5a GmbHG), SE und deutsche EWiV.
8 b) Meinungsstand. Angesichts dieses eindeutigen Gesetzeswortlauts verwundert es auf den ersten Blick, dass der Anwendungsbereich von § 24 höchst umstritten ist. Weitgehend Einigkeit besteht lediglich darin, dass die Vorschrift Einzelkaufleute sowie die OHG und KG erfasst.8 Bereits die Behandlung der GmbH & Co. KG wird kontrovers beurteilt.9 Die „Hauptkampflinie“ verläuft indes zwischen Gegnern10 und Befürwortern11 einer Anwendung von § 24 auf Kapitalgesellschaften. Letztere gewinnen seit der Handelsrechtsreform an Boden. Argumentativ wird zwischen Abs. 1 und Abs. 2 differenziert. Nach hM ist Abs. 1 auf Kapital9 gesellschaften deswegen nicht anzuwenden, weil deren Identität durch einen Mitgliederwechsel nicht berührt werde.12 Die Gegenansicht trägt vor, dies sei bei Personenhandelsgesellschaften nicht anders, auf die Abs. 1 unstreitig Anwendung fände.13 Abs. 2 soll nach hM für Kapitalgesellschaften nicht gelten, weil nur die Gesellschafter einer 10 Personenhandelsgesellschaft nach § 19 a.F. gezwungen waren, eine Personenfirma zu bilden. Nur diesen müsse daher die Möglichkeit eröffnet werden, bei ihrem Ausscheiden frei darüber zu befinden, ob sie der Gesellschaft die Fortführung der Firma gestatten wollen oder nicht. Die Gesellschafter namentlich einer GmbH seien dagegen bereits bei der Firmenbildung frei und daher nicht in demselben Maße schutzwürdig, zumal sie bei der Überlassung ihres Namens zur Firmenbildung vereinbaren könnten, dass dies nur für die Dauer ihrer Mitgliedschaft gesche6 MünchKommHGB/Heidinger Rn 7. 7 Näher dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8. 8 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Staub/Hüffer4 Rn 2; Hopt/Merkt Rn 1; Heymann/Förster Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 1; GKzHGB/Steitz § 24 Rn 2. 9 Dafür BGHZ 68, 271 (272 f); Heymann/Förster Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3 f; anders offenbar BGHZ 109, 364 (368); OLG Hamm NJW 1982, 586 (587); OLG Düsseldorf NJW 1980, 1980 (1984 f) jeweils für Abs. 2; BeckOK HGB/Bömeke Rn 3 mwN. 10 BGHZ 85, 221 (224 f); BGHZ 58, 323; Weßling GmbHR 2004, 487; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 52; Staub/Hüffer4 Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2, 11, s. aber auch Rn 18 zu § 24 Abs. 2: „die unterschiedliche Behandlung von Kapital- und Personengesellschaften ist nicht mehr zu rechtfertigen.“. 11 LG Köln AnwBl. 2005, 788 f; GKzHGB/Steitz Rn 2; MünchKommHGB/Heidinger Rn 4; Kern BB 1999, 1719; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Heymann/Förster Rn 6 f. 12 Staub/Hüffer4 Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2; HKzHGB/Ruß Rn 2. 13 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Heymann/Förster Rn 6 f; Straube/Schumacher Rn 11. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 24
he.14 Dem hält die neuere Lehre entgegen, dass diese Differenzierung nach der Handelsrechtsreform nicht mehr trage, da nunmehr auch Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften Sach- und Phantasiefirmen wählen könnten.15 Solle Abs. 2 nicht (fast) jegliche Bedeutung verlieren, müsse die Vorschrift daher auch für Kapitalgesellschaften gelten. Andere ziehen dagegen den umgekehrten Schluss und halten Abs. 2 deswegen tatsächlich für mehr oder weniger gegenstandslos.16
c) Stellungnahme. Angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts (Rn 7) bedarf es starker Ar- 11 gumente, um eine einschränkende Auslegung zu rechtfertigen.17 Aus der Teleologie des Gesetzes lassen sich diese nicht gewinnen, da der Zweck sowohl von Abs. 1 (Rn 3) als auch von Abs. 2 (Rn 4) bei allen Handelsgesellschaften gleichermaßen Sinn macht. Allerdings hat Abs. 1 für alle Handelsgesellschaften vornehmlich klarstellende Bedeutung, 12 da ein Gesellschafterwechsel auf deren Identität grundsätzlich (Ausnahme: Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer Personenhandelsgesellschaft) keinen Einfluss hat.18 Vielmehr handelt es sich (mit dieser Ausnahme) lediglich um gesellschaftsinterne Vorgänge (s. auch u. Rn 21). Die Hauptbedeutung von Abs. 1 ist daher in dem Übergang vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt zu erblicken (dazu u. Rn 20, 24). Im Blick auf Abs. 2 ist festzuhalten, dass der hergebrachten Differenzierung, die schon nach 13 altem Recht wenig überzeugend war (s. § 22 Rn 44, 50), durch die Handelsrechtsreform weitgehend die Grundlage entzogen wurde. Sie könnte nur noch für Partnerschaftsgesellschaften (§ 2 PartGG), Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaften mbH (§ 59k Abs. 1 BRAO, § 52k Abs. 1 PatAnwO) sowie möglicherweise für Altfirmen aufrechterhalten werden. Angesichts des Inhalts und Zwecks von Abs. 2 überzeugt ein derart schmaler Anwendungsbereich der Vorschrift freilich nicht. Vielmehr ist es vor dem Hintergrund der – zunehmenden – Bedeutung des Namens- und Persönlichkeitsrechts angemessen, wenn nicht sogar geboten, den Namensgeber nicht nur bei der Firmenbildung, sondern auch bei seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft von Gesetzes wegen die Möglichkeit zu eröffnen, frei darüber zu befinden, ob er damit einverstanden ist, dass die Gesellschaft seinen Namen als Firma oder Firmenbestandteil (weiterhin) führt, obwohl er nach seinem Ausscheiden keinen Einfluss mehr auf deren Geschicke hat (s.o. Rn 4). Das gilt übrigens unterschiedslos, ob der Namensgeber nur sehr kurz (z.B. bald nach der Gründung zerstreiten sich die Gesellschafter) oder sehr lang (z.B. nach 30 Jahren haben sich die Verhältnisse, die für die Entscheidung des Gesellschafters, eine Firmierung mit seinem Namen zu gestatten, grundlegend geändert) Gesellschafter war. In beiden Fällen wäre es nicht angemessen, ihn aufgrund einer einschränkenden Gesetzesauslegung „auf ewig“ an seiner Entscheidung festzuhalten.
14 Grundlegend BGHZ 58, 323 ff; s. ferner BGHZ 85, 221 (224 f); BGH WM 1992, 504 (506); OLG Rostock GmbHR 1997, 1064 (1065); OLG Köln WM 1988, 83; Staub/Hüffer4 Rn 2, 15; ders. ZGR 1986, 137 (148 f); Hopt/Merkt Rn 12; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; HKzHGB/Lamsa/Ammon Rn 3; Schrom DB 1964, Beilage Nr. 15 (34); K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 116 ff.; aA OLG Hamburg OLGR 16, 83; Straube/ Schumacher Rn 11. 15 MünchKommHGB/Heidinger Rn 4; Heymann/Förster Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2, 18; Felsner NJW 1998, 3255 (3256); Kern BB 1999, 1717 (1719); Weßling GmbHR 2004, 487; Barnert KTS 2003, 523 (547); aA Canaris Handelsrecht § 10 Rn 52; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; Straube/Schumacher Rn 4. 16 Mit Unterschieden im Einzelnen Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; Steinbeck NZG 1999, 137 (138); Weßling GmbHR 2004, 487; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 45 ff.; auch MünchKommHGB/Heidinger Rn 4 ff zeigt Sympathie für diese Ansicht, wenngleich er sie im Ergebnis ablehnt. Bedeutung und Anwendungsbereich hält er jedoch für sehr klein; dagegen HKzHGB/Lamsa/Ammon Rn 11. 17 Mit dem Gesetzeswortlaut argumentierten bereits OLG Hamburg OLGR 16, 83; Feine Ehrenberg Hdb. Bd. III 1 S. 87; Groschuff JW 1934, 948. 18 Staub/Hüffer4 Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; BeckOK HGB/Bömeke Rn 1. 191
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§ 24
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2. Andere Unternehmensträger 14 Folgt man vorstehenden Überlegungen, dann ist § 24 zudem auf alle Unternehmensträger anwendbar, die entweder firmenfähig sind oder bei denen das Firmenrecht kraft gesetzlicher Anordnung entsprechende Anwendung findet, also insbes. auf: – Partnerschaftsgesellschaften, § 2 Abs. 2 Hs. 1 PartGG,19 – eingetragene Genossenschaften, §§ 3, 17 Abs. 2 GenG, – Europäische Genossenschaften, Art. 8 Abs. 1 lit. c ii SCEVO i.V.m. § 17 Abs. 2 GenG, – große Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, §§ 172, 210 VAG,20 – Vorgesellschaften, sofern sie firmenfähig sind (dazu § 17 Rn 14).21 Lediglich § 24 Abs. 2 findet auf die Umwandlung einer GbR in eine Partnerschaftsgesellschaft Anwendung, § 2 Abs. 2 Hs. 2 PartGG.22 15 Keine Anwendung findet § 24 auf Unternehmensträger, die nicht firmenfähig sind, oder bei denen die firmenrechtlichen Vorschriften kraft Gesetzes keine Anwendung finden, also insbes. nicht auf: – unternehmenstragende BGB-Gesellschaften23 (außer in Fällen des § 2 Abs. 2 Hs. 2 PartGG; außerdem gilt § 24 künftig für eingetragene GbRs, § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG), – nicht gem. § 2 S. 1 eingetragene Kleingewerbetreibende24 und – kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, § 210 VAG.25 Keine Anwendung findet § 24 schließlich auf die stille Gesellschaft,26 weil sie kein Unternehmensträger ist, und dementsprechend auch nicht auf den Ein- und Austritt stiller Gesellschafter.27 Die Unanwendbarkeit von § 24 hat freilich nur geringe Bedeutung. Insbes. hat die Unanwendbarkeit von Abs. 2 nicht zur Folge, dass Namensgeber keinen namensrechtlichen Schutz genössen und auf diesen Schutz nicht verzichten könnten. Vielmehr gelten allgemeine Regeln (s. § 22 Rn 42 ff).
B. Voraussetzungen des Firmenfortführungsrechts I. Bestehendes Handelsgeschäft 16 Die Firmenfortführung nach § 24 setzt wie die nach § 22 das Bestehen eines Handelsgeschäfts voraus. Dementsprechend sind die gleichen Anforderungen an dieses Tatbestandsmerkmal zu stellen. Auf § 22 Rn 13–16 wird daher verwiesen. 19 BGH NJW 2002, 619; OLG Hamm BeckRS 2017, 152842 ; OLG München NZG 2000, 367; LG Essen RNotZ 2003, 267; zur Umwandlung einer Kommanditgesellschaft in eine Partnerschaftsgesellschaft siehe OLG Hamm – 27 W 24/18, RNotZ 2019, 483 mit zustimmender Anmerkung Zöbeley; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; MünchKommHGB/Heidinger Rn 2, 14; GKzHGB/Steitz Rn 2. 20 Heymann/Förster HGB Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7. 21 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. 22 OLG München NZG 2000, 367; s. auch BayObLG NJW 1998, 1158 (1159); OLG Karlsruhe NJW 1999, 2284; OLG München DB 1999, 2353 (2354); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3. 23 Str., wie hier Begr. RegE zu § 2 Abs. 2 Hs. 2 PartGG, BT-Drucks. 12/6152, 12; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; Möller DNotZ 2000, 830 (840); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; aA OLG Nürnberg NZG 1999, 441; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; s. auch § 22 Rn 12. 24 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; zur alten Rechtslage Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; Staub/Hüffer4 Rn 4. 25 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7. 26 BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Mock § 230 Rn 6; Heymann/Wackerbarth § 230 Rn 3. 27 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2; Staub/Hüffer4 Rn 2; i.E. ebs. Heymann/Förster Rn 7. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 24
II. Kontinuität des Unternehmens Erforderlich ist nach hM ferner, dass die Kontinuität des Unternehmens gewahrt bleibt. Zum 17 Zeitpunkt der Änderung des Gesellschafterbestands müsse das Geschäft im Kern erhalten sein, so dass die bisherige unternehmerische Tätigkeit im Wesentlichen fortgesetzt werden könne.28 Eine Firmenfortführung nach § 24 scheide mithin aus, wenn einem ausscheidenden Gesellschafter der Hauptteil des Unternehmens übertragen oder das Unternehmen geteilt29 oder im Zuge des Eintritts eines neuen Gesellschafters der Gegenstand des Unternehmens so wesentlich verändert werde, dass die fortgeführte Firma nicht mehr das bisherige Handelsgeschäft bezeichne.30 Begründet wird dies mit der Parallelität zu § 22, mit § 23 sowie damit, dass die Fortführung der Firma andernfalls täuschungsgeeignet und daher unzulässig wäre.31 Stellungnahme. Das überzeugt nur mit wesentlichen Einschränkungen. Die Parallelität zu 18 § 22 geht nämlich insoweit fehl, als es dort stets um einen Wechsel des Unternehmensträgers geht, während es hier zu einem Wechsel des Unternehmensträgers nur in den Fällen des Übergangs vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt kommt (s. Rn 12, 20 ff). Auch § 23 ist grundsätzlich – d.h. abseits dieser beiden Fälle sowie von Umgehungsgeschäften – nicht einschlägig, weil die Firma nicht übertragen wird (s. § 23 Rn 5 ff, 17). Das deutet auch die gesetzliche Systematik an (§ 23 steht nicht nach, sondern eben vor § 24). Und eine Täuschungseignung liegt ebenfalls nicht vor, soweit nicht die Firma ohne den Kern des Unternehmens auf einen neuen Unternehmensträger übergeht. Eine Kontinuität des Unternehmens im vorbezeichneten Sinne ist daher nur bei einem Übergang vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt sowie bei Umgehungsgeschäften i.S.d. § 23 Rn 17 erforderlich.
III. Bisherige Firma Das Tatbestandsmerkmal „bisherige Firma“ ist ebenfalls wie in § 22 zu interpretieren, s. daher 19 dort Rn 23 ff. Darüber hinaus ist lediglich anzumerken, dass das Gesetz für die bisherige Firmenführung keine bestimmte Dauer fordert. Daher ist es grundsätzlich zulässig, das Unternehmen mit der Firma unmittelbar nach deren Entstehung in eine Personenhandelsgesellschaft einzubringen und die Firma als den Gesellschaftsnamen fortzuführen, es sei denn, dass damit die Vorschriften über die Firmenneubildung rechtsmissbräuchlich umgangen werden,32 was nach neuem Firmenrecht freilich nur schwer vorstellbar ist.
IV. Anwendungsfälle des § 24 Abs. 1 1. Die Aufnahme eines Gesellschafters in das Handelsgeschäft, Abs. 1 Fall 1 Die Firma darf fortgeführt werden, wenn ein Gesellschafter in das bestehende Handelsgeschäft 20 aufgenommen wird. Dafür ist ohne Bedeutung, ob der bisherige Einzelkaufmann die unbeschränkte persönliche Haftung übernimmt oder in die Kommanditistenrolle zurücktritt. Der Vor28 BGH WM 1957, 1152 (1153 ff); BGH BB 1977, 1015 f = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 10; Staub/Hüffer4 Rn 3 f; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 5; Heymann/Förster Rn 9; Straube/Schumacher Rn 2. 29 BGH WM 1957, 1152 (1153 ff); BGH BB 1977, 1015 f = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 10; Heymann/Förster Rn 9. 30 Staub/Hüffer4 Rn 3; so auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 12. 31 BGH BB 1977, 1015 = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; Staub/ Hüffer4 Rn 3. 32 RG JW 1927 1674; Hopt/Merkt Rn 1 a.E. 193
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§ 24
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gang ist nichts anderes als die Gründung einer OHG oder KG, bei der das bisherige Einzelunternehmen als Sacheinlage eingebracht wird. Weil im Übergang vom Einzelunternehmer zur gesellschaftsrechtlichen Gesamthand trotz teilweiser Personengleichheit ein vollständiger Wechsel des Unternehmensträgers liegt, wäre der richtige Standort der Regelung § 22 Abs. 1 gewesen.33 Im Ergebnis ist die Einordnung in § 24 allerdings nur eine rechtssystematische Ungenauigkeit. Zwar bedarf es nach dieser Vorschrift anders als nach § 22 keiner Einwilligung. Der bisherige Einzelkaufmann erteilt seine Einwilligung (einschließlich der gebotenen namensrechtlichen Gestattung) mit gebotener Unzweideutigkeit jedoch spätestens dann, wenn er als Gesellschafter die OHG oder KG einschließlich der abgeleiteten Gesellschaftsfirma zur Eintragung in das Handelsregister anmeldet (§§ 106 Abs. 2 Nr. 2, 108 Abs. 1, 162 Abs. 1).
2. Veränderungen im Gesellschafterbestand, Abs. 1 Fall 2 und 3 21 a) Eintritt oder Ausscheiden von Gesellschaftern. Sowohl der Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine bereits bestehende OHG oder KG wie auch das Ausscheiden eines bisherigen Gesellschafters stehen der Fortführung der Gesellschaftsfirma nicht entgegen. Diese Variante des § 24 Abs. 1 wurde so verstanden, dass der teilweise Inhaberwechsel der Firmenfortführung nicht entgegensteht.34 Das ist folgerichtig, wenn man mit der früher herrschenden Meinung die Gesellschafter, wenngleich in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, als Inhaber des Gesellschaftsunternehmens betrachtet.35 Mit der heute vorherrschenden und zutreffenden Ansicht über die Natur der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand ist diese Auslegung jedoch nicht vereinbar. Danach sind nicht die Gesellschafter als einzelne Rechtssubjekte Inhaber des Unternehmens; Unternehmensträger ist vielmehr die als Gesamthand strukturierte Organisation, zu der sich die Gesellschafter auf der Basis ihres Vertrags zusammengeschlossen haben.36 Änderungen im Mitgliederbestand berühren ihre rechtliche Identität daher nicht, bewirken also weder einen gänzlichen noch einen teilweisen Inhaberwechsel.37 § 24 Abs. 1 hat deshalb nach dem heutigen Stand der Dogmatik nur noch klarstellende Bedeutung, soweit die OHG oder KG als solche erhalten bleibt:38 Der Name der Gesellschaft kann fortgeführt werden, weil sie ungeachtet der personellen Veränderung Inhaberin des Unternehmens ist. Bei Kapitalgesellschaften und anderen juristischen Personen versteht sich das von selbst. 22 Für den gleichzeitigen Wechsel aller Mitglieder einer Personenhandelsgesellschaft wurde die Auffassung vertreten, es handle sich um einen Unternehmenserwerb im Sinne des § 22 Abs. 1, der durch Anteilsübertragung erfüllt werde. Daraus wurde abgeleitet, alle Altgesellschafter müssten ausdrücklich in die Fortführung der Firma willigen.39 Dem ist nicht zu folgen, weil selbst die Auswechselung aller Gesellschafter die rechtliche Identität der OHG oder KG und damit ihre Befugnis zur Firmenführung unberührt lässt.40 Eine besondere Gestattung der 33 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1, 10a; Pisko Ehrenberg Hdb. Bd. II 1, 304; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 3; K. Schmidt § 12 Rn 117; Staub/Hüffer4 Rn 6; vgl. auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 9. 34 BGHZ 58, 322, 324; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 1; Staub/Würdinger3 Rn 1. 35 Vgl. z.B. BGHZ 34, 293 (296); BGH BB 1977, 1015 f = JR 1978, 67 m. Anm. Hommelhoff; A. Hueck OHG § 3 IV. 36 Flume BGB AT Bd. I 1 (Die Personengesellschaft) § 5, 68 ff und § 7 II, 89 ff; Staub/Ulmer5 § 105 Rn 41 f; MünchKommBGB/Schäfer § 705 Rn 164; Wiedemann Gesellschaftsrecht Bd. I § 5 I 2 a; der Sache nach auch BGHZ 74, 240; HKzHGB/Lamsa/Ammon Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Staub/Hüffer4 Rn 1; vgl. ferner BGHZ 117, 168 (175 ff); BGHZ 116, 86 (88 ff). 37 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19; MünchKommHGB/Heidinger Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11. 38 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19; Staub/Hüffer4 Rn 7. 39 Hommelhoff JR 1978, 69; offen gelassen in BGH BB 1977, 1015 f = JR 1978, 67 f. 40 BGHZ 44, 116; Staub/Hüffer4 Rn 8; Straube/Schuhmacher Rn 4; GKzHGB/Steitz Rn 10; Heymann/Förster Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11, 13. Burgard
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ausscheidenden Gesellschafter ist deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 zu fordern.
b) Rechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil. Die OHG oder KG ist auch dann zur Fort- 23 führung ihrer Firma berechtigt, wenn ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil durch Rechtsgeschäft auf einen Nachfolger überträgt oder wenn der Gesellschaftsanteil durch Erbfolge gem. § 1922 BGB übergeht. Dass § 24 Abs. 1 weder den einen noch den anderen Fall erwähnt, steht nicht entgegen, weil der historische Gesetzgeber die Einzelrechtsnachfolge in den Gesellschaftsanteil41 als Rechtsfigur noch nicht und die Gesamtrechtsnachfolge nur unvollkommen erfasst hatte. Im Blick auf das in Rn 21 f Ausgeführte einzig sinnvoll ist die Bestimmung so auszulegen, dass personelle Veränderungen ohne Rücksicht auf ihre rechtliche Konstruktion der Fortführung der Gesellschaftsfirma nicht entgegenstehen.42 c) Übernahme sämtlicher Gesellschaftsanteile durch eine Person. Das Gesellschaftsun- 24 ternehmen kann mit Aktiven und Passiven ohne Liquidation der Gesellschaft durch einen bisherigen Gesellschafter, aber auch durch einen Dritten übernommen werden. Der Weg liegt im rechtsgeschäftlichen Erwerb sämtlicher Gesellschaftsanteile. Weil in diesen Fällen die Existenz der OHG oder KG endet und der Übernehmer an ihre Stelle tritt, liegt ein Wechsel des Unternehmensträgers vor, freilich auf Grund des Anwachsungsprinzips im Wege der Gesamtrechtsnachfolge und nicht durch Einzelübertragungen. Die firmenrechtliche Behandlung dieses Falles ist nicht zweifelsfrei. Manche halten § 22 Abs. 1 für einschlägig.43 Der BGH hat dagegen im Fall der Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Gesellschafters zu Recht § 24 Abs. 2 angewandt.44 Im Anschluss an die Gründe dieser Entscheidung wollen schließlich andere danach differenzieren, ob die Vereinigung aller Anteile in der Hand eines Gesellschafters oder eines Dritten erfolgt.45 Diese Differenzierung ist zwar schlüssig, aber deswegen nicht überzeugend, weil es keinen rechtserheblichen Unterschied machen kann, ob der Dritte zunächst einen Geschäftsanteil, wodurch er Gesellschafter wird, und dann nach einer „Schamfrist“ die übrigen Geschäftsanteile oder von vornherein alle Geschäftsanteile erwirbt. Vielmehr bringt § 24 Abs. 1 – wenngleich unvollkommen – zum Ausdruck, dass sämtliche Fälle einer Veränderung im Gesellschafterbestand von der Vorschrift erfasst sein sollen.46 Das zeigt sich gerade auch an Abs. 1 Fall 1, der sozusagen die umgekehrte Fallgestaltung ebenfalls § 24 zuordnet, obwohl rechtssystematisch § 22 richtiger gewesen wäre (Rn 20). Und schließlich: Wollen die Gesellschafter partout eine Firmenfortführung durch den Dritten verhindern und steht ihnen hierzu nicht das Instrument des § 24 Abs. 2 zur Verfügung, so können sie entweder vor der Übertragung ihrer Geschäftsanteile die Firma ändern oder den Dritten schuldrechtlich verpflichten, sie nach dem Erwerb aufzugeben. Im Blick auf Kapitalgesellschaften ist endlich darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft auch mit nur einem Gesellschafter unverändert bestehen bleibt, so dass in diesem Fall die Anwendung des § 24 nicht zweifelhaft ist.47
41 Die Zulässigkeit entsprechender Vereinbarungen ist anerkannt, vgl. BGHZ 13, 179; BGHZ 24, 106; BGHZ 44, 229; BGHZ 45, 221; BGHZ 71, 296 (299 f). 42 Straube/Schumacher Rn 3, 5; Staub/Hüffer4 Rn 9, 11; Heymann/Förster Rn 17; Hopt/Merkt Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12. 43 MünchKommHGB/Heidinger Rn 12; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; in der Tendenz auch Staub/Hüffer4 Rn 10; ders. ZGR 1986, 137 (141). 44 BGH NJW 1989, 1798 (1799); BGHZ 92, 79 (82) = NJW 1985, 59 f.; so auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 11. 45 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; GKzHGB/Steitz Rn 10. 46 I. E. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. 47 MünchKommHGB/Heidinger Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21. 195
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3. Statusänderungen von Gesellschaftern 25 Die Statusänderung eines Gesellschafters ist in § 24 ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt. Die Lücke wird häufig dadurch verdeckt, dass nicht nur ein bislang unbeschränkt haftender Gesellschafter oder Einzelkaufmann in die Kommanditistenrolle zurücktritt, sondern gleichzeitig ein neuer Komplementär aufgenommen wird, so dass § 24 Abs. 1 Fall 2 eingreift. Die Statusänderung hatte jedoch selbständige Bedeutung, wie sich vor der Handelsrechtsreform namentlich dann zeigte, wenn ohne weitere personelle Veränderungen ein namensgebender unbeschränkt haftender Gesellschafter Kommanditist wird. Dann fragte sich nämlich, ob die Fortführung der Firma nach § 24 Abs. 1 zulässig oder nach § 19 Abs. 4 a.F. zu beanstanden war.48 Obwohl vom Wortlaut des § 24 Abs. 1 nicht gedeckt, war die Zulässigkeit nicht zweifelhaft, weil sich sonst ein Widerspruch zu der Entscheidung des Gesetzes für den Fall des Ausscheidens des namensgebenden Gesellschafters ergeben hätte. Wenn die Firma selbst in diesem weiter reichenden Fall beibehalten werden darf, dann muss dies auch für das Zurücktreten in die Kommanditistenrolle gelten.49
V. Das Einwilligungserfordernis bei Ausscheiden eines Gesellschafters (Abs. 2) 1. Rechtsnatur der Einwilligung 26 Wie bei § 22 (Rn 28, 30, 33 ff, 42 ff, 54 ff) ausgeführt ist zwischen dem Firmenrecht des Unternehmensträgers und dem Namensrecht des Namensgebers zu unterscheiden. In den Fällen des § 22 geht es um den Erwerb des Handelsgeschäfts mitsamt der Firma (vgl. auch § 23). Neben der Übertragung des Handelsgeschäfts bedarf es daher einer Übertragung des Firmenrechts gem. §§ 398, 413 BGB durch den Inhaber. Diese Übertragung des Firmenrechts bezeichnet § 22 als „Einwilligung“. Die daneben ggf. erforderliche Gestattung des Namensgebrauchs durch den Namensgeber wird von dem Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, was sich nicht nur mit dem Stand der Dogmatik zur Zeit der Formulierung von § 22, sondern auch damit erklären lässt, dass die namensrechtliche Gestattung für gewöhnlich bereits konkludent in der zustimmenden Mitwirkung des Namensgebers an der Übertragung der Firma enthalten ist. 27 § 24 Abs. 2 handelt dagegen nicht von einer Übertragung des Firmenrechts durch den Firmeninhaber, sondern davon, dass der Namensgeber dem Firmeninhaber gestattet, die Firma trotz seines Ausscheidens aus der Gesellschaft fortzuführen. Der Namensgeber soll dadurch Gelegenheit erhalten, die Entscheidung, den Gebrauch seines Namens zur Firmenbildung zu gestatten, anlässlich seines Ausscheidens aus der Gesellschaft noch einmal zu überprüfen (Rn 4). Anders als bei § 22 ist „Einwilligung“ i.S.d. § 24 Abs. 2 daher lediglich die namensrechtliche Gestattung.50 Einer Übertragung des Firmenrechts bedarf es nicht. Einen Nachweis darf das Registergericht daher auch nicht hinsichtlich einer Übertragung, sondern nur hinsichtlich der namensrechtlichen Gestattung verlangen. Zur Rechtsnatur der Gestattung § 22 Rn 43. 28 Einer Einwilligung bedarf es nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2. In den Fällen des § 24 Abs. 1 ist keine Einwilligung erforderlich.51 Das ist im Blick auf Abs. 1 Fall 1 keine Selbstverständlichkeit, aus den dort genannten Gründen aber unschädlich (Rn 20).
48 Staub/Hüffer4 Rn 11. 49 Wie hier OLG Celle BB 1959, 899; s. auch Canaris Handelsrecht § 10 Rn 57, sowie Riegger BB 1983, 787; zweifelnd Bokelmann Rn 488. 50 BeckOK HGB/Bömeke Rn. 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 16; Staub/Hüffer4 Rn 11. 51 Statt anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 9. Burgard
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2. Voraussetzungen des Einwilligungserfordernisses a) Der Name als Firmenbestandteil aa) Natürliche Person als Namensgeber. Grundkonstellation des § 24 Abs. 2 ist, dass der 29 Name einer natürlichen Person zur Bildung der Firma einer Gesellschaft verwandt wurde und diese Person – der Namensgeber oder „Firmenstifter“ – nunmehr aus der Gesellschaft ausscheidet. Unerheblich ist dabei, ob die Gesellschaftsfirma aus dem Vor- und Familiennamen oder nur aus dem Familiennamen des Namensgebers gebildet wurde52 oder ob es sich um eine reine Personen- oder eine Mischfirma handelt, die auch Sach- oder Phantasiebestandteile enthält.53 Erforderlich ist aber, dass die Firma gerade aus dem Namen des jetzt ausscheidenden Gesellschafters gebildet worden ist. Lautet die Firma einer aus Brüdern bestehenden Gesellschaft „Gebrüder G.“, so ist der Name aller Brüder in der Firma enthalten, so dass jeder ausscheidende Bruder seine Einwilligung erteilen muss.54 Lautet die Firma dagegen „Louis B.’s Söhne“, so ist nur der Name des Vaters enthalten, nicht aber der Name der Söhne, so dass diese selbst dann nicht Namensgeber i.S.d. § 24 Abs. 2 sind, wenn sie und nicht der Vater die Gesellschaft gegründet haben.55 Auch bloße Namensübereinstimmung genügt grundsätzlich selbst dann nicht, wenn ein Verwandter des jetzigen Gesellschafters namensgebend war.56 Erben des Namensgebers werden infolge des Erbgangs nicht selbst zum Namensgeber, sondern nur zum Einwilligungsberechtigten i.S.d. § 24 Abs. 2, wobei dieses Recht durch Erteilung oder Versagung der Einwilligung erlischt.57 Daher bedarf es keiner nochmaligen Einwilligung eines gleichnamigen Erben, wenn dieser später selbst aus der Gesellschaft ausscheidet;58 denn eine über Generationen hinweg bestehende Vernichtbarkeit der Firma würde den Wertungen der §§ 21, 22, 24 widersprechen (s. aber Rn 30). Eine „nur von der besonderen Ausgangs- und Interessenlage her gerechtfertigte“59 Ausnahme von diesen Grundsätzen hat der BGH lediglich in einem Fall zugelassen, in dem der gleichnamige Erbe des Firmengründers eine von diesem zulässigerweise abgeleitete Firma, die dessen Familiennamen enthielt, in eine mit einem Dritten neu gegründete Gesellschaft eingebracht hatte.60
bb) Gesellschaften als Namensgeber. Nicht nur natürliche Personen, sondern auch Gesell- 30 schaften können Namensgeber i.S.d. § 24 Abs. 2 sein. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Firma der namensgebenden Gesellschaft wiederum einen Personenbestandteil enthält. Es kann sich auch um eine reine Sach- oder Phantasiefirma handeln.61 Ferner kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Firma der namensgebenden Gesellschaft um eine originäre oder eine abgelei52 BayObLG NJW 1998, 1158 (1159); Staub/Hüffer4 Rn 16; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19. 53 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; MünchKommHGB/Heidinger Rn 14. 54 RGZ 65, 379 (382); Staub/Hüffer4 Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 16. 55 RGZ 156, 363 (366); Staub/Hüffer4 Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 16; Hopt/Merkt Rn 11; Heymann/Förster Rn 20; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9. 56 BayObLG JFG 8, 155 = JW 1931, 2998; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6; MünchKommHGB/Heidinger Rn 16. 57 BGHZ 100, 75; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 49; vgl. MünchKommHGB/Heidinger Rn 19. 58 BGH NJW 1989, 1798 (1800); BGHZ 100, 75 (79); Canaris Handelsrecht § 10 Rn 49; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 26; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; Hopt/Merkt Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19; Heymann/Förster Rn 19. 59 BGH NJW 1989, 1798 (1799 f); BGHZ 100, 75 (80 f). 60 BGHZ 92, 79; dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27; Hüffer ZGR 1986, 137; Schlüter JZ 1986, 151 f; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 120; Schulz JA 1985, 102. 61 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; MünchKommHGB/Heidinger Rn 14; BeckOK HGB/ Bömeke Rn. 22. 197
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tete Firma handelt.62 In diesem Falle kann die Einwilligungsberechtigung daher auch über mehrere Generationen erhalten bleiben.
31 b) Das Ausscheiden des namensgebenden Gesellschafters. Zweite Voraussetzung für die Begründung des Einwilligungserfordernisses ist, dass der Namensgeber (Rn 29 f) aus der Gesellschaft ausscheidet. Dabei ist es unerheblich, worauf das Ausscheiden beruht. Es kommen alle rechtsgeschäftlichen (z.B. Austritt oder Übertragung der Mitgliedschaft) oder gesetzlichen (etwa § 131 Abs. 3) Gründe in Betracht, auch eine Ausschließung durch Urteil (insbes. § 140).
3. Erteilung der Einwilligung 32 a) Ausdrückliche Erklärung. § 24 Abs. 2 fordert wie schon § 22 Abs. 1 eine ausdrückliche Einwilligung. Hier wie dort ist nicht die Wahl eines bestimmten Erklärungsmittels (Form) vorgeschrieben, so dass auch eine konkludente Einwilligung wirksam ist. Gefordert wird vielmehr nur Eindeutigkeit der Erklärung (vgl. § 22 Rn 31). Allein darin, dass der Gesellschafter mit dem Fortbestand der Gesellschaft einverstanden ist, kann die Einwilligung freilich ebenso wenig gefunden werden63 wie in dem Fehlen einer Beschränkung der Namensfortführung bei der Firmenbildung.64 Nicht ausreichend ist auch die bloße Duldung der Firmenfortführung.65 Allerdings kann Verwirkung eintreten.66 Oft wird die Entscheidung BGHZ 68, 271 (276) als Beleg dafür angeführt, dass die Anmeldung des Ausscheidens zusammen mit den verbleibenden Gesellschaftern gem. § 143 Abs. 2 als Einwilligung ausreichen soll.67 Das ist indes nur anzunehmen, wenn die Anmeldung zum Handelsregister tatsächlich eine Einwilligungserklärung enthält.68
33 b) Zeitpunkt der Erklärung. Der Begriff „Einwilligung“ ist hier ebenso wenig wie in § 22 (dort Rn 32) im Sinne von § 183 BGB als vorherige Zustimmung zu verstehen. Die Formulierung geht auf Art. 24 ADHGB von 1861 zurück, dem die Begrifflichkeit des BGB noch unbekannt war. Anders als nach § 22 bedarf es auch keines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Erwerb des Handelsgeschäfts und der Einwilligung, da die Einwilligung nach § 24 Abs. 2 lediglich die namensrechtliche Gestattung beinhaltet und nicht wie nach § 22 die Übertragung des Firmenrechts (Rn 26 f), so dass es zu keinem Konflikt mit § 23 kommen kann. Im Blick auf den Zeitpunkt der Erklärung ist der Begriff „Einwilligung“ in § 24 Abs. 2 vielmehr als Zustimmung i.S.d. § 182 BGB zu verstehen, so dass auch eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) i.S.d. § 184 Abs. 1 BGB ausreichend ist. M.a.W. ist es unerheblich, wann die nach § 24 Abs. 2 erforderliche Einwilligung erklärt wird.69 Sie kann daher bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten sein oder auch als letztwillige Verfügung erklärt werden. Solange sie nicht wirksam erklärt ist, steht dem weiteren Firmengebrauch allerdings das Namensrecht des Namensgebers entgegen.
62 Vgl. OLG München BB 1999, 2422 ff; s.a. zu abgeleiteten Firmen Kögel BB 1998, 1645 (1648 f). 63 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 29; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 21. 64 AA LG Köln AnwBl. 2005, 788 f; wie hier GKzHGB/Steitz Rn 18. 65 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 29 mwN. 66 Vgl. § 21 MarkenG sowie Hopt/Merkt § 17 Rn 36 mwN. 67 Staub/Hüffer4 Rn 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 29 mwN. 68 Gustavus Handelsregisteranmeldungen, 2017, A5 (35). 69 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24; Heymann/Förster Rn 24; Schlegelberger/Hildebrandt/ Steckhan Rn 6. Burgard
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c) Die Person des Einwilligenden aa) Natürliche Person als Namensgeber. Das Gesetz verlangt die Einwilligung des ausschei- 34 denden Gesellschafters oder seiner Erben. Für minderjährige Gesellschafter handelt der gesetzliche Vertreter. Scheidet der namensgebende Gesellschafter infolge Todes aus der Gesellschaft aus, so ist die Einwilligung sämtlicher Miterben erforderlich, allerdings nur dann, wenn der Erblasser nicht selbst zuvor die Einwilligung erteilt hat (z.B. im Gesellschaftsvertrag oder durch letztwillige Verfügung). Ist Nacherbschaft angeordnet, genügt die Einwilligung des oder der Vorerben. § 2113 Abs. 2 BGB greift nicht ein.70 Weil es ein höchstpersönliches Recht der Erben ist, über die Namensverwendung zu entscheiden, kann die Einwilligung nicht durch den Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter an Stelle des Erben erteilt werden71 (s. aber u. Rn 36). bb) Gesellschaften als Namensgeber. Ist namensgebende Gesellschafterin eine Personenge- 35 sellschaft, so ist die Einwilligung des vertretungsberechtigten Gesellschafters oder der Gesellschafter in vertretungsberechtigter Zahl erforderlich und genügend.72 Ist eine Kapitalgesellschaft Namensgeberin, so wird die Einwilligung von den Geschäftsführern bzw. Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl erteilt.73 Bei anderen Rechtsformen (s. Rn 14) ist die Einwilligung dementsprechend ebenfalls durch das jeweils vertretungsberechtigte Organ zu erteilen.74 Ist Namensgeber der ausscheidenden Gesellschaft wiederum ein Mitglied dieser Gesellschaft, so wird man nach dem Grundgedanken des § 24 Abs. 2 neben der Einwilligung der ausscheidenden Gesellschaft überdies die Einwilligung des namensgebenden Gesellschafters fordern müssen.75 cc) Einwilligungsberechtigung in der Insolvenz des Namensgebers. Wird ein Insolvenz- 36 verfahren über das Vermögen des ausscheidenden Gesellschafters eröffnet, fragt sich, ob die Einwilligung durch den Namensgeber76 oder den Insolvenzverwalter77 zu erklären ist oder ob es, wie nach hier vertretener Ansicht im Falle des § 22, überhaupt keiner namensrechtlichen Gestattung bedarf (§ 22 Rn 62 ff). Richtigerweise ist wie folgt zu differenzieren: Ist der namensgebende ausscheidende Gesellschafter eine insolvente Gesellschaft, so fällt deren Firma in die Insolvenzmasse, so dass der Insolvenzverwalter über sie zu verfügen befugt ist (§ 22 Rn 55 f) und daher auch die Einwilligung i.S.d. § 24 Abs. 2 erteilen kann. Ist deren Namensgeber wiederum eine natürliche Person oder andere Gesellschaft, so kann deren Einwilligung (s. Rn 34 a.E.) dagegen im Ausgangspunkt nicht von dem Insolvenzverwalter erteilt werden, weil deren Name nicht zur Insolvenzmasse gehört. Würde man bei diesem Befund stehen bleiben, hätte dies allerdings eine erhebliche Entwertung der Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft zur Folge: Der sich hieraus ergebende Konflikt ist derselbe wie im Falle des § 22 und ist daher entsprechend den dort entwickelten Grundsätzen zu lösen (§ 22 Rn 62 ff).
70 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Staub/Hüffer4 Rn 19; v. Bruch DJZ 1911, 927 f Fn 13. 71 Staub/Hüffer4 Rn 19; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; GKzHGB/Steitz § 24 Rn 18. 72 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 23; GKzHGB/Steitz § 24 Rn 19; Staub/Hüffer4 Rn 20. 73 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 23; GKzHGB/Steitz § 24 Rn 19; Staub/Hüffer4 Rn 20. 74 S. zur Partnerschaftsgesellschaft und zur EWIV Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28. 75 GKzHGB/Steitz Rn 19; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; aA MünchKommHGB/Heidinger Rn 14; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 26. 76 Dafür Staub/Hüffer4 Rn 19; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10. 77 Dafür Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 22 Rn 43; GKzHGB/Steitz Rn 2, jew. mwN. 199
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4. Rechtsfolgen der Einwilligung 37 a) Bei Erteilung. Inhalt und Reichweite der Gestattung unterliegen der Parteivereinbarung. Ist nichts anderes bestimmt, so ist die Einwilligung im Zweifel endgültig78 und umfasst (s. auch § 22 Rn 46, 52, 78): – das Recht zur Firmenfortführung, und zwar auch in den Fällen des § 24 Abs. 1,79 – einen Wechsel der Rechtsform,80 – die Änderung der Firma,81 – die Verwendung des Namens zur Bildung von Zweigniederlassungsfirmen82 und – die Verwendung des Namens zur Firmenbildung von Tochtergesellschaften83 (s. dazu auch Rn 38). Der im Blick auf die beiden zuletzt genannten Punkte abweichenden Meinung ist entgegenzuhalten, dass diese Vorfälle zum normalen Geschäftsverlauf gehören, so dass die Entwicklung der Gesellschaft behindert würde, wenn sie von der Einwilligung nicht umfasst wären. Außerdem gehören Zweigniederlassungsfirmen dem Unternehmensträger, dem die Namensführung gestattet wurde. Und über Tochtergesellschaften übt er immerhin einen beherrschenden Einfluss aus. Die Gesellschaft muss daher nicht damit rechnen, dass die Einwilligung insofern beschränkt ist. Soll sie sich nicht darauf erstrecken, ist daher dem ausscheidenden Gesellschafter zuzumuten, dies zu erklären. 38 Nicht zum normalen Geschäftsverlauf gehört dagegen die Veräußerung des Handelsgeschäfts mitsamt der Firma. Entgegen herrschender Meinung84 erstreckt sich die Einwilligung daher hierauf im Zweifel nicht. Vielmehr hieße es den von § 24 Abs. 2 bezweckten Schutz des Namensgebers entgegen den Wertungen des § 22 zu verkürzen, wenn er – ohne dies vorher bedacht zu haben – hinnehmen müsste, dass die Befugnis zum Gebrauch seines Namens auf einen anderen übergeht. Materiell läge hierin eine Übertragung der Gestattung des Namensgebrauchs an einen Dritten, mit anderen Worten also die Übertragung einer Lizenz, zu der ein Lizenznehmer selbst bei bloßen Immaterialgüterrechten, wie einer Marke,85 nicht ohne dahingehende ausdrückliche Vereinbarung befugt ist. Und hier geht es – zumindest insoweit als der in Frage stehende Name ein bürgerlicher ist – um die Übertragung der Gestattung des Gebrauchs eines fremden Persönlichkeitsrechts. Erst Recht von der Einwilligung nicht umfasst ist die Veräuße78 79 80 81
BGHZ 100, 75 (79 f). Staub/Hüffer4 Rn 21. OLG Celle NJW 2021, 2594; BayObLG NJW 1998, 1158. AA wohl OLG Hamm BB 1991, 86; BayObLG NJW 1998, 1158; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30 (keine Verwendung des Namens zur Bildung einer neuen Firma); sowie BeckOK HGB/Bömeke Rn. 29. Indes ist – wenn keine anderweitige Vereinbarung vorliegt, s. Rn 39 – kein schützenswertes Interesse des Ausgeschiedenen an einer unveränderten Firmenfortführung zu erkennen. Warum, so ist zu fragen, soll ein ausgeschiedener Gesellschafter namensrechtlich verhindern dürfen, dass die Gesellschaft Veränderungen im Gesellschafterbestand etwa durch eine Veränderung der Reihenfolge der Namensnennungen oder durch die Aufnahme neuer Namen in der Firma abbildet, vgl. den Sachverhalt OLG Frankfurt NZG 2005, 925. Auch die Aufnahme von Sach- oder Phantasiebezeichnungen in die Firma erscheint namensrechtlich grds. unbedenklich. Eine andere, hiervon zu unterscheidende Frage ist, ob durch solche Veränderungen die Grenzen einer Firmenfortführung noch eingehalten werden oder es sich um eine Firmenneubildung handelt, dazu Rn 43 ff. Namensrechtlich bedenklich ist allein eine Veränderung des Namens des ausgeschiedenen Gesellschafters (insbes. Änderung der Schreibweise, nicht aber bloße Abkürzung oder Weglassen des Vornamens), und zwar auch dann, wenn sich die Änderung innerhalb der Grenzen einer Firmenfortführung bewegt. 82 OLG Hamm BB 1991, 86; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 24; Staub/Hüffer4 Rn 21; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10: im Zweifel nicht die Neugründung von Zweigniederlassungen. 83 Canaris Handelsrecht § 10 Rn 65; aA wohl OLG Hamm BB 1991, 86; BayObLG NJW 1998, 1158; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 30 (keine Verwendung des Namens zur Bildung einer neuen Firma). 84 BayObLG NJW 1998, 1158; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30; Staub/Hüffer4 Rn 21; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 10. 85 Ströbele/Hacker MarkenG § 30 Rn 76; Bühling GRUR 1998, 196 (199); Fezer MarkenR § 30 Rn 22; v. Schultz/Brandi-Dohrn MarkenR § 30 Rn 53. Burgard
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rung von Zweigniederlassungen mitsamt aus dem Namen des Namensgebers gebildeter Firma; denn dies würde zudem zu einer sog. Firmenvervielfältigung führen.86 Aus demselben Grund ist anzunehmen, dass die Einwilligung in die Bildung der Firma einer Tochtergesellschaft unter Verwendung des Namens des Namensgebers kraft einer auflösenden Bedingung endet, wenn die Gesellschaft nicht mehr mehrheitlich an ihr beteiligt ist oder die Tochtergesellschaft ihr Handelsgeschäft mitsamt der Firma an einen Dritten veräußert.87 Nachdem Inhalt und Reichweite der Einwilligung streitig und nicht abschließend geklärt 39 sind, empfiehlt sich in jedem Fall der Abschluss einer möglichst eindeutigen Vereinbarung. In ihr können Inhalt und Reichweite der Gestattung gegenüber den vorgenannten Zweifelsregeln eingeschränkt oder erweitert werden. Möglich ist ferner die Vereinbarung von auflösenden Bedingungen, eines Endtermins, eines Widerrufsvorbehalts oder Kündigungsrechts. Schließlich kann die Vereinbarung von den Parteien übereinstimmend auch jederzeit geändert werden. Zur Kündigung aus wichtigem Grund s. § 22 Rn 79 ff. Gründet der namensgebende Gesellschafter, der in die Firmenfortführung gewilligt hat, nach 40 seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft eine neue Gesellschaft unter seinem Namen, dann ist er nach dem Recht der Gleichnamigen (Anh. I zu § 37 Rn 33 ff) verpflichtet, in seinem Auftreten, insbes. bei der Bildung der neuen Firma, einen hinreichenden Abstand zu der Firma der Gesellschaft, aus der er ausgeschieden ist, zu halten. Zwar ist ihm nicht verwehrt, sich weiterhin unter seinem bürgerlichen Namen zu betätigen. Ihn trifft aber eine Pflicht zur Rücksichtnahme, weil die Firma der neuen Gesellschaft prioritätsjünger ist als die Firma der Gesellschaft, aus der er ausgeschieden ist.88 Zu den weiteren Folgen des Rechts zur Firmenfortführung s. Rn 42 ff.
b) Bei Versagen. Versagen der ausscheidende Gesellschafter oder seine Erben die erforderli- 41 che Einwilligung, so ist die Fortführung der Firma unzulässig. Das Registergericht hat nach hM gegen den Gebrauch der Firma nach § 37 Abs. 1 einzuschreiten, weil sie der Gesellschaft nicht mehr zustehe.89 Dem ist nicht zu folgen, weil die Unzulässigkeit der Firmenführung nicht aus firmenrechtlichen Vorschriften folgt, sondern auf dem Namensrecht des ausscheidenden Gesellschafters beruht (s. § 37 Rn 9). Bei fehlender oder versagter Einwilligung kann der Namensgeber bzw. seine Erben daher nur nach § 12 BGB, § 37 Abs. 2 sowie ggf. nach §§ 5, 15 MarkenG auf Unterlassung klagen, ggf. auch Schadensersatz verlangen. Die Gesellschaft ist dann gezwungen, eine neue Firma nach allgemeinen Regeln zu bilden. Bisherige Bestandteile der Firma, auf die sich der von Abs. 2 bewirkte Namensschutz nicht bezieht, dürfen, soweit nicht irreführend, in die neue Firma aufgenommen werden. Durch einen Nachfolgezusatz, einen Hinweis auf die früher geführte Firma zu geben („X-OHG vormals Y-OHG“), ist unzulässig, weil auch dieser Zusatz Firmenbestandteil ist, seine Aufnahme in die Firma also der Einwilligung bedarf.
C. Rechtsfolgen des Firmenfortführungsrechts I. Das Recht zur Fortführung der Firma Liegen die Voraussetzungen des § 24 vor, so besteht ein Recht, aber – ebenso wenig wie nach 42 § 22 – keine gesetzliche Pflicht, die Firma fortzuführen.90 Die Gesellschaft kann daher auch 86 87 88 89
Ebenso OLG Hamm BB 1991, 86; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30. Ebenso Canaris Handelsrecht § 10 Rn 65. Vgl. BGH NJW 2002, 2096. MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11. 90 Statt anderer Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. 201
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die Firma – über das im Rahmen einer Firmenfortführung erlaubte Maß hinaus (Rn 43 ff) – ändern, also auch vollkommen umgestalten. Dabei ist sie an die allgemeinen Firmenbildungsvorschriften gebunden. Eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem ausscheidenden Gesellschafter, die Firma fortzuführen, ist zwar möglich, aber ohne Bedeutung für das Registergericht. Sie im Zivilrechtsweg durchzusetzen, ist Sache des Berechtigten (§ 22 Rn 73).91
II. Art und Weise der Firmenfortführung 1. Grundsätze 43 Macht die Gesellschaft von ihrem Recht zur Firmenfortführung Gebrauch, ist sie an den Grundsatz unveränderter Firmenfortführung gebunden.92 Das schließt unwesentliche Änderungen der Firma nicht aus.93 Wesentliche Änderungen sind dagegen grundsätzlich nur zulässig, wenn sie im Allgemeininteresse liegen. Nur ausnahmsweise sind wesentliche Änderungen im Interesse des Inhabers erlaubt. Dazu soll auch die Streichung des Namens eines ausgeschiedenen Gesellschafters (unter Beibehaltung z.B. der Namen schon früher ausgeschiedener Gesellschafter) mangels Einwilligung gem. § 24 Abs. 2 gehören.94 Wird der Name eines neuen Gesellschafters in die Firma aufgenommen, soll die Firmenidentität dagegen nicht mehr gewahrt sein.95 Beides ist richtigerweise stark vom Einzelfall abhängig. Es kommt darauf an, ob die angesprochenen Verkehrskreise die Identität der fortgeführten Firma noch zweifelsfrei erkennen (s. § 22 Rn 99 ff, vgl. auch § 22 Rn 96 f). Selbst aber wenn die Grenzen einer Firmenfortführung überschritten werden, hat dies allerdings nicht zur Folge, dass die Namen der ausgeschiedenen Gesellschafter aus der Firma gestrichen werden müssten.96 Zwar läge eine Firmenänderung vor, die als Firmenneubildung zu behandeln wäre, was den Verlust der Priorität zur Folge hätte. Auch bei einer Firmenneubildung ist jedoch nach hier vertretener Ansicht die Verwendung von Namen ehemaliger Gesellschafter grundsätzlich zulässig, sofern diese einverstanden sind (§ 18 Rn 56, 59), wovon bei Vorliegen einer Einwilligung gem. § 24 Abs. 2 nach hier vertretener Ansicht ebenfalls auszugehen ist (s.o. Rn 37 mit Fn 81). Erlaubt ist ferner die Anfügung eines Nachfolgezusatzes (Rn 44). Geboten ist erforderlichenfalls eine Änderung des Rechtsformzusatzes (Rn 46). Näher zum Ganzen auch § 22 Rn 87 ff. Zu beachten ist, dass sich § 24 nur im Blick auf Änderungen im Gesellschafterbestand gegen den Grundsatz der Firmenwahrheit durchsetzt (Rn 3). Enthält die Firma eine Angabe über das Verwandtschaftsverhältnis der Gesellschafter („X & Söhne“, Gebrüder, Geschwister usw.) und trifft diese Angabe auf den oder die neuen Gesellschafter nicht zu, so darf die Firma daher gleichwohl weitergeführt werden.97 Abseits von Angaben über den Gesellschafterbestand steht aber auch § 24 unter dem Vorbehalt des Irreführungsverbots gem. § 18 Abs. 2. Daher darf weder eine unverändert noch eine mit Änderungen fortgeführte Firma zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise über wesentliche geschäftliche Verhältnisse geeignet sein (dazu § 18 Rn 41 ff), die nicht die geänderte Zusammensetzung des Gesellschafterkreises betreffen. Andernfalls muss die Firma geändert werden. Ist die erforderliche Änderung so weitgehend, dass die Firmenidentität nicht mehr gewahrt ist, erlischt das Recht zur Firmen-
91 KG JFG 5, 212; BayObLG ZBlFG 17, 49; OLG Rostock OLGR 41, 193; siehe ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn. 14. 92 Staub/Hüffer4 Rn 23. 93 Solche können aber im Einzelfall (z.B. Änderung der Schreibweise des Namens des ausgeschiedenen Gesellschafters) namensrechtlich bedenklich sein, s. Fn 81 a.E. 94 AA OLG Hamm NZG 2018, 1355 (zur PartG); wie hier LG Essen DStR 2003, 443 (444); MünchKommHGB/Heidinger Rn 22; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 15; Hartmann RNotZ 2003, 250; GKzHGB/Steitz Rn 17. 95 OLG Frankfurt NZG 2005, 925 (926); GKzHGB/Steitz Rn 17 a.E. 96 So aber OLG Frankfurt NZG 2005, 925 (926); GKzHGB/Steitz Rn 17 a.E. 97 Staub/Hüffer4 Rn 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. Burgard
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fortführung (§ 22 Rn 105), aber nicht ohne weiteres das Recht zur Führung der Namen von ausgeschiedenen Gesellschaftern (s.o. Rn 34 mit Fn 81).
2. Aufnahme eines Nachfolgezusatzes Anders als in § 22 Abs. 1 ist die Verwendung eines Nachfolgezusatzes in § 24 nicht ausdrücklich 44 erwähnt. Ob eine entsprechende Erweiterung der fortgeführten Firma gleichwohl zulässig ist, wird unterschiedlich beurteilt. In der Vorauflage vertrat Hüffer die Ansicht, ein Nachfolgevermerk sei nur zulässig, wenn tatsächlich eine Rechtsnachfolge gegeben sei, also bei Aufnahme eines Gesellschafters in ein bisheriges Einzelunternehmen (Rn 20) und umgekehrt bei Übernahme sämtlicher Gesellschaftsanteile durch eine Person (Rn 24). Andernfalls, also bei einem bloßen Eintritt oder Ausscheiden von Gesellschaftern, liege dagegen kein Wechsel des Unternehmensträgers vor (Rn 21 ff), weswegen in diesen Fällen ein Nachfolgevermerk irreführend und deshalb unzulässig sei.98 Diese Differenzierung wurde bereits zum alten Recht angezweifelt.99 Unter Geltung von § 18 Abs. 2 n.F. kann sie jedenfalls nicht mehr aufrechterhalten werden, weil der Verkehr kaum mit den Feinheiten juristischer Distinktion vertraut sein dürfte. Schon die Irreführungseignung ist daher zweifelhaft. Zumindest aber wird die „Wesentlichkeitsschwelle“ nicht überschritten.100 Nachfolgevermerke dürfen daher grundsätzlich aufgenommen werden, soweit sie nicht ausnahmsweise aus anderen Gründen zur Irreführung geeignet sind. Scheidet der einzige promovierte Gesellschafter aus, bestehen somit hinsichtlich der Fort- 45 führung der „Doktorfirma“ drei Möglichkeiten: Erstens kann der Doktortitel gestrichen werden, weil diese (wesentliche) Änderung der Firma im Allgemeininteresse (nämlich der Firmenwahrheit) liegt. Zweitens kann der Doktortitel beibehalten und durch einen Nachfolgezusatz neutralisiert werden. Und drittens kann nach hier vertretener Ansicht der Doktortitel auch ohne Anfügung eines Nachfolgezusatzes beibehalten werden, wenn ein fachlich maßgeblicher Mitarbeiter promoviert ist (§ 18 Rn 56 a.E., 67 f). Noch großzügiger ist seit jüngerem der BGH. Danach ist die Verkehrserwartung bei Führung eines Doktortitels in erster Linie auf den Abschluss einer Hochschulausbildung gerichtet, weswegen der Doktortitel bei einer Partnerschaft von Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern selbst dann fortgeführt werden dürfe, wenn der einzige Titelträger ausscheide.101 Diese Entscheidungen passen zu der gesellschaftsweit abnehmenden Wertschätzung einer Promotion (s. aber auch § 18 Rn 68 a.E.).
3. Anpassung des Rechtsformzusatzes Änderungen im Gesellschafterbestand können zu einer Änderung der Rechtsform führen: Aus 46 einem Einzelkaufmann kann durch Hinzutreten eines Gesellschafters eine OHG oder KG werden (Rn 20). Bei Übernahme aller Geschäftsanteile durch eine Person (Rn 24) wird aus einer Personenhandelsgesellschaft ein Einzelkaufmann oder – wenn die Person eine Kapitalgesellschaft ist – eine Kapitalgesellschaft. Tritt in eine OHG ein Kommanditist ein, wird sie zur KG, tritt er wieder aus, wird sie erneut zur OHG. Auch ein Statuswechsel von Gesellschaftern (Rn 25) kann zu einem solchen Wechsel von OHG zu KG oder umgekehrt führen. Schließlich kann durch Änderungen im Gesellschafterbestand aus einer KG eine GmbH & Co. KG werden, usw. Diese Änderungen korrekt in der Firma abzubilden bereitete vor der Handelsrechtsreform teilweise 98 Staub/Hüffer4 Rn 24; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 16. 99 MünchKommHGB/Bokelmann1 § 17 Rn 1. 100 MünchKommHGB/Heidinger Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Hopt/Merkt Rn 3. 101 BGH – II ZB 7/17, ZIP 2018, 1393 = NZG 2018, 900 m. Anm. Hirtz EWiR 2018, 487; BGH – II ZB 27/17, ZIP 2018, 1439 = NZG 2018, 1016 m. Anm. Römermann EWiR 2018, 581 und Juretzek DStR 2018, 1942; Bespr. v. Sorg DB 2018, 1975; BGH – II ZB 26/17, ZIP 2018, 1494 = GmbHR 2018, 850 m. Anm. Kleefass EWiR 2018, 709. 203
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Schwierigkeiten.102 Heute ist schlicht § 19 n.F. zu beachten, d.h. der alte unzutreffend gewordene Rechtsformzusatz ist zu streichen und durch den neuen zutreffenden Rechtsformzusatz zu ersetzen (näher § 22 Rn 87 ff und die Erläuterungen zu § 19). Zur Firmenfortführung bei unbestimmten Gesellschaftszusätzen s. § 22 Rn 97 ff.
102 Vgl. Staub/Hüffer4 Rn 25 ff. Burgard
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Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. 2Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf den Erwerber übergegangen, falls der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben. (2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist. (3) Wird die Firma nicht fortgeführt, so haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, insbesondere wenn die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise von dem Erwerber bekanntgemacht worden ist.
Schrifttum Bauwens Haftung nach § 75 AO bei Unternehmenskauf vom Sequester, FR 1988, 384; Beuthien Zu zwei Mißdeutungen des § 25 HGB, NJW 1993, 1737; Bezler/Kapp/Oltmanns Dauerschuldverbindlichkeiten bei Betriebsaufspaltung, BB 1988, 1897; Binz/Rauser Betriebliche Altersversorgung bei Betriebsaufspaltung, BB 1980, 897; Börner § 25 I HGB: Vertragsübertragung kraft Gesetzes, Festschrift Möhring, 1975, 37; Bracker Haftung aus Firmenfortführung, BB 1997, 114; Brockmeier Die Haftung bei Geschäftsübernahme mit Firmenfortführung, insbesondere beim Rückerwerb des Verpächters vom Pächter und bei tatsächlicher und unmittelbarer Aufeinanderfolge von Pächtern, 1990; Bruschke Die Haftung des Betriebsübernehmers nach § 75 AO (Teil I), StB 2008, 327; Bunke/Noack Gläubigerbeteiligung an Sanierungserträgen und Vertragsüberleitung bei übertragender Sanierung in der Gesellschafterinsolvenz, KTS 2005, 129; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 183; ders. Rechtspolitische Konsequenzen aus der geplanten Abschaffung von § 419 BGB für § 25 HGB, ZIP 1989, 1161; ders. Unternehmenskontinuität als Haftungs- und Enthaftungsgrund im Rahmen von § 25 HGB? Festschrift Frotz, 1993 S. 11; Casper Die Haftungsordnung der §§ 25, 28 HGB im Lichte der Handelsrechtsreform, JbJZW 1999, 153; Commandeur/Kleinebrink Betriebs- und Firmenübernahme, 2. Aufl. 2002; Dauner-Lieb Unternehmen in Sondervermögen, 1998; Deschler Handelsregisterpublizität und Verkehrsschutz, Diss. Tübingen 1977; Domke Die Veräußerung von Handelsgeschäften, 1922, Nachdruck 1970; Dorner Die Haftung im Steuerrecht. Grundlagen im Überblick, StB 1997, 470; Fleicher/Körber Due Diligence und Gewährleistung beim Unternehmenskauf, BB 2001, 841; J. W. Flume, Partielle Universalsukzession außerhalb des Spaltungsrechts? Die Österreichische Handelsrechtsreform als Denkanstoß für die §§ 25 ff HGB, ZHR 170 (2006), 737 ff; ders., Vermögenstransfer und Haftung, Diss. Bonn, 2008. Friedrich Geschäftspassiven bei Unternehmensveräußerungen, Diss. Rostock 1934; Froehner Die Haftung des Erwerbers für rückständige Sozialversicherungsbeiträge beim Unternehmenskauf im Rahmen eines Asset Deals, GWR 2015, 202; Gerber Anmeldung und Eintragung eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 II HGB, GmbHR 2010, 1028; Gerlach Die Haftungsanordnung der §§ 25, 28, 130 HGB, 1976; Gotthardt Haftung für Masseschulden bei Übernahme eines Handelsgeschäfts aus der Konkursmasse? BB 1987, 1896; Grote/Weimar Die Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung, NWB Fach 18, 1997, 3511; Grunewald Unerwartete Verbindlichkeiten beim Unternehmenskauf, ZGR 1981, 622; Hadding Der praktische Fall – Handelsrecht – Das vom Erben zurückgenommene kaufmännische Unternehmen, JuS 1995, 611; Hager Die gesetzliche Einziehungsermächtigung, Gedächtnisschrift Helm, 2001, 697; Hausmann Die Bedeutung der Rechtsfolgeanordnung „gelten als“ in § 25 Abs. 1 S. 2 HGB, 1992; ders. Die Rechtsfolgen einer Fortführung von Handelsgeschäft und Firma für die im Betriebe begründeten Forderungen – § 25 I S. 2 HGB, JR 1994, 133; Heckelmann Die Grundlage der Haftung aus Firmenfortführung nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB, Festschrift Bartholomeyczik, 1973, 129; O. v. Gierke Schuldnernachfolge und Haftung kraft Übernahme eines Handelsgeschäftes, Festschrift Martitz, 1911, 72; Heeg Haftet der Betriebsnachfolger für Einkommenssteuerschulden des früheren Inhabers?, DStR 2012, 2159; Henckel Haftung für Verbindlichkeiten eines insolventen Unternehmens wegen Betriebsübergangs, Festschrift Heinsius, 1991, 261; Heinze Anteilsabtretung bei GmbH & CO. KG; Besonderheiten im Handelsregisterverfahren; Fragen des § 25 II HGB, ZNotP 2017, 335; Hölters (Hrsg.) Handbuch des Unternehmens- und Beteiligungskaufs, 5. Aufl. 2002; Holzapfel/ Pöllath Recht und Praxis des Unternehmenskaufs, Rechtliche und steuerliche Aspekte, 11. Aufl. 2003; Hommelhoff/ Schwab Leistungsstörungen beim Unternehmenskauf, Festschrift Zimmerer, 1997, 267; Huber Die Schuldenhaftung beim Unternehmenserwerb und das Prinzip der Privatautonomie, Festschrift Raisch, 1995, 85; A. Hueck Schuldenhaftung bei Vererbung eines Handelsgeschäfts, ZHR 108 (1941), 1; Hüfner/Heinze Haftung des Erwerbers eines Unterneh-
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mens vom Insolvenzverwalter nach § 25 HGB, NZG 2010, 1060; Ihde Die Haftung des Erwerbers des Handelsgeschäftes für die Schulden des Veräußerers nach früherem und jetzigem Recht, Diss. Rostock 1903; Junge Die haftungsrechtlichen Risiken der Betriebsaufspaltung, Festschrift Merz, 1992, 241; Kanzleiter Haftungsgefahren nach § 25 Abs. 1 HGB bei der – angeblichen – Weiterführung eines insolventen Gastronomiebetriebs, DNotZ 2006, 590; Kaubisch/Hilpert BGH: Unanwendbarkeit des § 25 Abs. 1 S. 1 HGB in der Eigenverwaltung, BB 2020, 337; Kiem Das Beurkundungserfordernis beim Unternehmenskauf im Wege des Asset Deals, NJW 2006, 2363; Klausing Nachfolge in ein Unternehmen, JW 1938, 2521; Klein-Blenkers Die Entwicklung des Unternehmenskaufrechts, NZG 2006, 245; Klut Anmerkung zum Urteil des BGH vom 3.12.2019, II ZR 457/18, zur Anwendbarkeit des § 25 HGB auf die Veräußerung eines Handelsgeschäfts in der Insolvenz in Eigenverwaltung, NZI 2020, 288; Korte/Sprißler Haftungsausschluss bei Betriebsverpachtung und deren Beendigung, GStB 2004, 68; Koumantos Erwerberhaftung bei Unternehmensveräußerung. Rechtsvergleichende Studien zur Verdinglichung des Gläubigerrechts, 1955; Koziol Welchen Schulden tritt der Übernehmer eines Vermögens, Unternehmens oder Handelsgeschäfts bei? JBl 1967, 550; Krabbenhöft Übergang von Geschäftsverbindlichkeiten und Geschäftsforderungen beim Erwerb eines Handelsgeschäftes und beim Eintritt eines Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmannes, Rpfleger 1957, 158; Krejci Betriebsübergang und Arbeitsvertrag, 1972; ders. Ist zur Vertragsübernahme bei Unternehmensveräußerung Dreiparteieneinigung erforderlich?, ÖJZ 1975, 449; ders. Unternehmensgesetzbuch statt HGB, Skizze zur österreichischen Handelsrechtsreform, ZHR 170 (2006), 113 ff; ders., Zur Neuregelung des Unternehmensübergangs im österreichischen Unternehmensgesetzbuch, Festschrift Canaris, Bd. 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Köln 1969; Mormann Die Rechtsprechung des BGH zur Haftung aus § 419 BGB und § 25 HGB, WM 1965, 634; Mösbauer Die Steuerhaftung bei Unternehmensveräußerung, BB 1990, Beil. 3; Müller-Feldhammer Die Erwerberhaftung bei rechtsgeschäftlicher Unternehmensübertragung, 2001; Muschalle Die Haftung bei Fortführung eines Handelsgeschäfts, 1995; Neuberger Die Haftung des Erwerbers nach § 25 HGB in der Insolvenz des Veräußerers, ZIP 2020, 606; Nickel Rechtsschein der Fortführung von Handelsgeschäft und/oder Firma, NJW 1981, 102; Nitsche Die Haftung des Geschäftsübernehmers nach § 25 HGB, ÖZW 1976, 40; Nolting Die Umwandlung anwaltlicher Berufsausübungsgesellschaften nach MoPeG und BRAOReform, BB 2021, 1795; Nörr/Scheyhing/Pöggler, Sukzessionen, 2. Aufl., 1999; Paulus Durchbrechung der Grundsätze der eingeschränkten Erwerberhaftung beim Asset-Deal für Insolvenzforderungen aufgrund von § 25 HGB, ZInsO 2011, 162; Picot Unternehmenskauf und Restrukturierung, 3. 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Haftungskontinuität als unternehmensrechtliches Prinzip, ZHR 145 (1981), 2; ders. Was wird aus der Haftung nach § 419 BGB?, ZIP 1989, 1025; ders. Unternehmenskontinuität und Erwerberhaftung nach § 25 Abs. 1 HGB, ZGR 1992, 621; ders. Keine Haftung trotz Fortführung von Unternehmen und Geschäftsbezeichnung, MDR 1994, 133; ders. Unternehmensfortführung ohne Firmenfortführung, JuS 1997, 1069; ders. § 25 Abs. 1 Satz 2 (§ 28 Abs. 1 Satz 2) HGB zwischen relativem Schuldnerschutz und Legalzession, AcP 198 (1998), 516; ders. Übergang von Vertragsverhältnissen nach §§ 25, 28 HGB, Festschrift Medicus, 1999, 555; ders. Die Gesellschafterhaftung bei gescheiterter GmbH-Sachgründung, NJW 2000, 1521; Schmittmann Unternehmensübertragungen in der Krise, StuB 2006, 945; ders. Alles klar bei § 25 HGB?, ZGR 2014, 844; Schricker Probleme der Schuldenhaftung bei Übernahme eines Handelsgeschäfts, ZGR 1972, 121; W. Schröder Die Haftung des Käufers eines Unternehmens aus einem gerichtlichen Vergleichsverfahren nach den §§ 419 BGB und 25 HGB, Diss. Münster 1991; Semler/Volhard (Hrsg.), Arbeitshandbuch für Unternehmensübernahmen, Bd. 1, 2001; Stötter Verbindlichkeiten aus schwebenden Geschäften beim Verkauf eines Handelsgeschäfts, DB 1979, 826; Tenbrock Die betrieb-
Burgard
206
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 25
liche Altersversorgung im Betriebsübergang bei konkurrierenden Versorgungszusagen, 2006; Treffer Haftungsrisiken bei der Gründung einer GmbH-Auffanggesellschaft, GmbHR 2003, 166; Vetter Altschuldenhaftung auf fehlerhafter Vertragsgrundlage, 1995; Unfried Betriebsübergang und Sanierung in der Insolvenz, 2007; Waskönig Rechtsgrund und Tragweite der §§ 25, 28 HGB, Diss. Bonn 1979; Watermeyer Steuerhaftung bei Betriebsübergang, GmbH-StB 2006, 259; Weimar Der Geschäftsübergang mit Firma, MDR 1962, 960; Wernecke Die Haftung für geschäftliche Verbindlichkeiten nach §§ 25 ff HGB, JA 2001, 509; Wessel § 25 HGB – eine gefährliche Vorschrift?, BB 1989, 1625; Wilhelm Die Haftung bei Fortführung eines Handelsgeschäfts ohne Übernahmevertrag mit dem Vorgänger, NJW 1986, 1797; Zerres Inhaberwechsel und haftungsrechtliche Konsequenzen, Jura 2006, 253; Zöllner Wovon handelt das Handelsrecht, ZGR 1983, 82. S. ferner das Schrifttum zu §§ 26–28.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Systematische Einordnung
II.
Norminhalt
III.
Entstehungsgeschichte
IV. 1. 2.
Normzweck 8 Einleitung Meinungsstand 9 a) Gesetzgeber b) Die Rechtsprechung nach Inkrafttreten des 10 HGB c) Schrifttum nach Inkrafttreten des 11 HGB d) Stellungnahme 17 aa) Das Ziel der Auslegung 18 bb) Die einzelnen „Theorien“ cc) Eigene Ansicht 22 (1) Der Gesetzeszweck 28 (2) Legitimation von § 25 (3) Rechtspolitische Bewer32 tung (4) Folgen für die Auslegung von 35 § 25
V. 1.
2. 3.
4.
207
B.
Der Gläubigerschutz bei Fortführung der Firma (Abs. 1 S. 1)
I.
Tatbestandliche Voraussetzungen der Erwerberhaftung 47 Bestehen eines Handelsgeschäfts Führung einer Firma durch den bisherigen Inha49 ber Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden 51 a) Allgemeines b) Zeitlich beschränkter Unternehmenser52 werb 54 c) Weiterverpachtung d) Unwirksamkeit des Erwerbsge55 schäfts 56 e) Fehlen eines Erwerbsgeschäfts 57 f) Erwerb des Unternehmenskerns g) Veräußerung eines von mehreren Unternehmen oder einer Zweigniederlas58 sung Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Er61 werber Fortführung der Firma 64 a) Firma 65 b) Bisherige Firma 66 c) Führung der bisherigen Firma d) Fortführung der bisherigen Firma (Firmen71 kontinuität) 73 e) Einzelfälle zur Firmenkontinuität
1
2 3
Anwendungsbereich und Abgrenzung Analoge Anwendung auf kleingewerbliche Unternehmen a) Gesetzliche Ausgangslage und Meinungs36 stand 37 b) Stellungnahme 41 Abgrenzung zu § 28 Gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge 42 a) Grundsatz 43 b) Anwachsung 44 c) Umwandlungsvorgänge 45 d) Anteilsübertragung 46 Insolvenz
1. 2. 3.
4. 5.
II. 1.
2.
Rechtsfolgen der Erwerberhaftung Gesetzlicher Schuldbeitritt oder gesetzliche Vertragsüberleitung 75 a) Gesetzliche Ausgangslage 76 b) Meinungsstand 77 c) Stellungnahme Inhalt und Umfang der Erwerberhaftung 83 a) Allgemeines b) Geschäftsverbindlichkeiten des früheren In84 habers 85 aa) Geschäftsverbindlichkeiten
Burgard
§ 25
3.
4. 5. 6.
1. Buch. Handelsstand
bb) Bestehen zum Zeitpunkt des Inhaberwechsels 88 (1) Allgemeines 89 (2) Dauerschuldverhältnisse c) Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner 97 aa) Außenverhältnis 98 bb) Innenverhältnis Prozessuale Fragen 99 a) Erkenntnisverfahren 100 b) Zwangsvollstreckung Vom Erwerber begründete Verbindlichkei101 ten 102 Zweiterwerb des Handelsgeschäfts Haftung des Rechtsanwalts bzw. des Notars bei 103 mangelhafter Beratung
C.
Der Schuldnerschutz bei Fortführung der Firma (Abs. 1 S. 2)
I.
Grundlagen
II. 1.
Voraussetzungen Fortführung eines unter Lebenden erworbenen Handelsgeschäfts unter der bisherigen 107 Firma Einwilligung des bisherigen Inhabers oder sei108 ner Erben in die Firmenfortführung
2.
4.
132 Mitteilung 133 Rechtzeitigkeit aa) Ausschluss der Erwerberhaftung 134 (1) Meinungsstand 136 (2) Stellungnahme: bb) Ausschluss des Schuldnerschut139 zes Anderweitig erlangte Kenntnis 140 a) Meinungsstand 141 b) Stellungnahme 142 Verhältnis zu § 15
III.
Rechtsfolgen
E.
Die Schuldenhaftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes (Abs. 3)
I.
Überblick
II.
Haftung kraft handelsüblicher Bekanntma145 chung
III.
Vermögensübernahme (§ 419 BGB a.F.)
IV.
Gesetzlicher Vertragsübergang (§§ 566, 578 f, 148 613a BGB, §§ 95 ff, 122 VVG)
V.
Vertrags- oder Schuldübernahme (§§ 311; 414 ff 149 BGB)
VI.
Betriebsbezogene Steuern (§ 75 AO)
b) c)
3.
104
III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Rechtsfolgen 110 Meinungsstand 111 Stellungnahme 114 Zusammenfassung 115 Erfasste Forderungen Anwendbarkeit des Zessionsrechts 122 Beweisfragen
D.
Abweichende Vereinbarungen (Abs. 2)
I.
Grundlagen
II. 1. 2.
Voraussetzungen 124 Vereinbarung 129 Kundmachung a) Eintragung und Bekanntmachung
143
144
147
150
VII. Rechtsscheinhaftung 152 1. Grundlagen 2. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 1 155 S. 1 a) Anschein der Kaufmannseigen156 schaft 157 b) Anschein der Firmenfortführung c) Anschein der Unternehmensfortfüh158 rung 3. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 1 160 S. 2 161 4. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 2
119
123
130
A. Grundlagen I. Systematische Einordnung 1 Die §§ 25–28 stehen zwar in dem Abschnitt des HGB über die „Handelsfirma“. Sie beinhalten jedoch keine firmenrechtlichen Vorschriften, wie sie die §§ 17–24 und §§ 29–37 zur Zulässigkeit, Fortführung, Eintragung und Änderung der Firma vorsehen. Vielmehr befassen sie sich mit der Frage des Schicksals von Geschäftsverbindlichkeiten und -forderungen bei einem Wechsel des Burgard
208
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 25
Unternehmensträgers, haben also materiell-rechtliche Rechts- und Haftungsfolgen zum Inhalt. Sie stellen damit einen gegenüber dem Firmenrecht selbständigen Regelungskomplex dar, was sich auch bei der Auslegung der Vorschriften niederschlägt. Dabei hat der Gesetzgeber die Bestimmungen der §§ 25–28 in enger Beziehung zueinander gesehen.
II. Norminhalt § 25 betrifft den Erwerb eines Handelsgeschäfts unter Lebenden. Dabei unterscheidet das Gesetz 2 zwei Fälle. Abs. 1 handelt von einer Geschäftsfortführung unter Beibehaltung der bisherigen Firma, Abs. 3 von einer Geschäftsfortführung ohne Beibehaltung der bisherigen Firma. Im ersten Fall haftet der Erwerber gem. Abs. 1 S. 1 für frühere Geschäftsverbindlichkeiten. Zudem vermutet Abs. 1 S. 2 für diesen Fall zugunsten von Altschuldnern einen Übergang von Geschäftsforderungen auf den Erwerber, sofern der Veräußerer der Firmenfortführung zugestimmt hat. Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit, diese Regelungen durch privatautonome Vereinbarung mit Wirkung gegen Dritte abzubedingen, wenn die Vereinbarung in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder dem Dritten mitgeteilt worden ist. Abs. 3 schließlich bestimmt, dass der Erwerber bei einer Geschäftsfortführung ohne Beibehaltung der Firma nur dann für frühere Geschäftsverbindlichkeiten haftet, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund, insbes. eine dahingehende handelsübliche Bekanntmachung vorliegt. Sowohl eine Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten als auch die Vermutung des Übergangs von Geschäftsforderungen kann also nicht nur durch privatautonome Vereinbarung nach Abs. 2, sondern auch schlicht dadurch vermieden werden, dass der Erwerber die bisherige Firma nicht fortführt.
III. Entstehungsgeschichte Bereits vor Erlass des ADHGB wurde die Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäfts für die 3 Verbindlichkeiten des bisherigen Inhabers kontrovers diskutiert. Eine Ansicht – die heute noch bzw. wieder von Karsten Schmidt, wenngleich in veränderter Weise, vertreten wird (s. Rn 14) – sah in dem unter einer Firma betriebenen Handelsgeschäft eine Art juristische Person (universiatis juris), die Inhaberin der Forderungen und Verbindlichkeiten sei. Folglich treffe den Erwerber die Haftung für Altschulden, wenn er das bisherige Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführe.1 Delbrück nahm diesen Ansatz auf, unterschied aber erstmals zwischen Innenund Außenverhältnis und sah in der Firmenfortführung eine Haftungserklärung nach außen,2 eine Ansicht die ebenfalls noch an Bedeutung gewinnen sollte (s. Rn 5, 10, 11). Die Rechtsprechung lehnte dagegen eine Verselbständigung der Firma bzw. des Handelsgeschäfts ab und nahm eine Haftung des Erwerbers zunächst nur an, wenn sich hierfür eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung finden lasse.3 Bei den Beratungen in der Nürnberger Kommission zum ADHGB wurden diese Ansichten kontrovers diskutiert. Nachdem man keine Einigung erzielen konnte, sah man von einer Regelung ab und überließ die Klärung der Frage damit Wissenschaft und Rechtsprechung.4 Nach Erlass des ADHGB wurde in der Literatur versucht, eine zwingende Haftung bei Fir- 4 menfortführung aus Art. 22, 23 ADHGB (= §§ 22, 23 HGB) herzuleiten, wobei erstmals auch der 1 Tabor Beitrag zur rechtlichen Erörterung der Verbindlichkeiten, welche aus dem Eintritt in eine bestehende Handlungsfirma entspringen, 1826, passim; Hassenpflug Elvers Themis 1 (1827), 59 (63 f). 2 Delbrück Die Übernahme fremder Schulden nach gemeinem und preußischem Recht, 1853, 96 f. 3 S. etwa Obertribunal Stuttgart Seuff. Archiv 6 (1853), Nr. 242; Obertribunal Berlin Striehorsls Archiv 11 (1854), 219; OAG Lübeck Seuff. Archiv 11 (1857), Nr. 83. Für wN s. Waskönig Rechtsgrund und Tragweite der §§ 25, 28, Diss Bonn 1979, 59, 179. 4 Protokolle zum ADHGB (1854), 1432 (1439 f). 209
Burgard
§ 25
1. Buch. Handelsstand
Gedanke des Rechtsscheins (s. Rn 10, 11) fruchtbar gemacht wurde: Da eine Firma nur fortführen dürfe, wer auch die Verbindlichkeiten eines Handelsgeschäftes übernehme, erwecke derjenige, der trotz Firmenfortführung die Verbindlichkeiten nicht übernehme, einen Rechtsschein, aus dem er haftet.5 Das Reichsoberhandelsgericht hielt hingegen an der liberalen Linie der Rechtsprechung fest, ließ also grundsätzlich die Parteivereinbarung darüber entscheiden, ob der neue Inhaber Schuldner und Gläubiger werde. Nur einen Haftungstatbestand mit Außenwirkung erkannte das Gericht ohne Rücksicht auf die Parteivereinbarung an: die öffentliche Bekanntmachung des Schuldbeitritts, vornehmlich in öffentlichen Blättern oder durch Zirkulare.6 Diese Bekanntmachung stelle einen „selbständig wirksamen, von der Acceptation des Gesellschaftsgläubigers unabhängigen, obligatorischen Dispositionsakt“ dar und habe als solcher kraft Handelssitte bindende Wirkung.7 Dieser Haftungsgrund findet sich heute in § 25 Abs. 3. 5 Die Rechtsprechung des Reichsgerichts vor Inkrafttreten des HGB ist nicht einheitlich. Während ein Teil der Entscheidungen die Judikatur des ROHG fortsetzte,8 wahrte die ausführlich begründete Entscheidung RGZ 2, 48 vom 9.7.1880 diese Kontinuität nur formal. In diesem Fall lag eine Haftungsübernahme im Innenverhältnis vor, die nicht nach außen bekannt gemacht worden war. Gegen die Weigerung des Erwerbers, den Altgläubigern für die Altschulden einzustehen, führte das Gericht aus, dass bei Übernahme der vorhandenen Aktiven und Passiven die Fortsetzung des Geschäfts unter der Beibehaltung der bisherigen Firma dieselbe Wirkung wie die handelsübliche Bekanntgabe einer passiven Schuldenübernahme habe.9 Das bedeutet: Die Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma wird als Abgabe einer Haftungserklärung an die Öffentlichkeit im Wege schlüssigen Verhaltens aufgefasst (sog. Erklärungstheorie).10 6 Gleichfalls im Jahr 1880 fand der 15. DJT statt. Gegenstand der handelsrechtlichen Abteilung war die Altschuldenhaftung. Der Gutachter sprach sich für eine weitgehende, zwingende Haftung aus, wollte hierfür aber weder die Rechtssubjektivität der Firma bzw. des Handelsgeschäfts anerkennen noch an die Firmenfortführung anknüpfen.11 Die Mehrheit folgte ihm im ersten, aber nicht im letzten Punkt. Sie plädierte in Anschluss an den Referenten für eine gesetzliche Regelung mit zwingender Haftung bei Firmenfortführung, da hierin der Wille zum Ausdruck komme, für die Altschulden haften zu wollen.12 Nachdem auch weitere Jahrzehnte der Diskussion „in dieser wichtigen Frage zu völlig siche7 ren Resultaten nicht gelangt“ sind, sah sich schließlich der Gesetzgeber des HGB veranlasst, Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung durch Schaffung der §§ 25–28 nachzukommen.13 Zur Auswahl standen ihm dabei entsprechend dem referierten Meinungsstand (Rn 3– 6) vornehmlich drei Regelungsmodelle mit verschiedenen Begründungsvarianten: (1) Außenhaftung nur bei Haftungsübernahme durch einzelvertragliche Abrede oder öffentliche Bekanntmachung. Dieses Modell des ROHG ist in § 25 Abs. 2 und 3 Gesetz geworden. (2) Darüber hinaus zwingende Außenhaftung auch bei bloßer Firmenfortführung. Dieses Modell entspricht 5 Thöl Handelsrecht, Bd. I, 4. Aufl. 1862, 116; Anschütz/Völdemdorff ADHGB, 1868, Art. 23 Anm. 23; kritisch dazu aber Regelsberger ZHR 14 (1870), 1 (21 ff); Simon ZHR 24 (1879), 91 (151 ff). Nachweise weiteren Schrifttums bei den Genannten sowie bei Säcker ZGR 1973, 261 (264, 15). Informativ auch Waskönig, 54 ff. 6 ROHG 1, 62; ROHG 2, 46; ROHG 2, 143; ROHG 2, 173; ROHG 3, 182; ROHG 3, 333; ROHG 3, 360; ROHG 4, 5; ROHG 4, 198; ROHG 8, 38; ROHG 11, 149; ROHG 12, 159; ROHG 15, 74; ROHG 16, 271; ROHG 21, 232. 7 ROHG 1, 62 (68). 8 RGZ 8, 64; RGZ 38, 173 (eindeutig auf der Linie des ROHG). 9 Eher beiläufig auf Firmenfortführung abhebend: RGZ 15, 51 (53); nur referierend: RGZ 17, 96. 10 S. ausf. zu dieser Entscheidung Huber FS Raisch, 1995, 85 (94 f). 11 Heinsen Verhandlungen zum 15. DJT, Bd. 1, 1880, 224, 232 ff, 243. 12 Markower Verhandlungen zum 15. DJT, Bd. 2, 1880, 132 f; Schlussabstimmung, 153. Näher zum 15. Dt. Juristentag auch Waskönig, 95 ff. 13 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 36 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 978; siehe ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn. 1. Burgard
210
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 25
§ 25 Abs. 1 S. 1. (3) Zwingende Außenhaftung schon bei bloßer Fortführung des Handelsgeschäfts. Dieses Modell hat der Gesetzgeber in § 28 aufgegriffen. Die gesetzliche Regelung trägt mithin alle Züge eines Kompromisses. Deutlich wird dies auch in der Gesetzesbegründung (s. Rn 9). Damit hat der Gesetzgeber zwar den gesetzlosen Zustand, aber keinesfalls die Diskussion beendet. Obwohl § 25 seither unverändert geblieben ist, hat die Meinungsvielfalt über all die Jahre und Jahrzehnte stetig zugenommen (dazu Rn 10 ff).
IV. Normzweck 1. Einleitung Umstritten ist vor allem der Normzweck, insbes. der Grund für die von § 25 Abs. 1 S. 1 angeord- 8 nete Erwerberhaftung. Umstritten ist freilich auch die praktische Relevanz dieser Kontroverse,14 denn in der Rechtsprechung hat sie nur wenig Bedeutung erlangt. Das ist freilich nicht notwendigerweise ein Vorzug der Rechtsprechung und kann sich überdies ändern. Dabei liegen die Positionen teilweise derart weit auseinander, dass sie in zahlreichen Einzelfragen zu unterschiedlichen Ergebnissen führen (s. etwa Rn 36 ff, 76 ff, 104 ff, 124 ff). Außerdem ist die Kenntnis des Meinungsstandes aus Verständnisgründen hilfreich. Deswegen kann auf eine Darstellung nicht verzichtet werden, auch wenn sie angesichts der Dauer und des Umfangs der Kontroverse auf die Gründzüge beschränkt bleiben muss.
2. Meinungsstand a) Gesetzgeber. Von welchen Erwägungen sich der Gesetzgeber leiten ließ, wird aus der Denk- 9 schrift zum HGB15 deutlich und wird hier im Wortlaut (ergänzt um Absatz- und Satznummern, um eine spätere Bezugnahme zu erleichtern) wiedergegeben, weil diese Erwägungen nicht nur Mittel, sondern ihrerseits Gegenstand der Interpretation sind: „(1) 1Unter welchen Voraussetzungen der Erwerber eines Handelsgeschäfts in die Schulden und Forderungen des bisherigen Inhabers eintritt, ist im Handelsgesetzbuche nicht entschieden; die Berathungen der Nürnberger Kommission haben in dieser Beziehung zu keinem Ergebnisse geführt. 2Auch Rechtsprechung und Wissenschaft sind in dieser wichtigen Frage zu völlig sicheren Ergebnissen nicht gelangt, und es erscheint daher eine gesetzliche Regelung, für welche sich unter Anderen der deutsche Juristentag ausgesprochen hat, geboten. (2) 1Mit der bloßen Uebertragung des Handelsgeschäfts oder deren Kundmachung kann der Eintritt in die Geschäftsschulden und Forderungen nicht verbunden werden; denn es ist zunächst Thatfrage, ob die Parteien dies beabsichtight haben. 2Die Uebertragung eines Handelsgeschäfts setzt, wie allgemein anerkannt wird, den Uebergang der Schulden und Forderungen auf den Erwerber an sich noch nicht nothwendig voraus. 3Anders verhält es sich im Falle der Fortführung der bisherigen Firma. 4Im Verkehr wird vielfach die Firma ohne Rücksicht auf die Person ihres Inhabers als Eigenthümerin des Handlungsvermögens, als Trägerin der durch den Handelsbetrieb begründeten Rechte und Pflichten angesehen. 5Diese Anschauung ist allerdings rechtlich nicht zutreffend; nichtsdestoweniger erscheint es gerechtfertigt, der Verkehrsauffassung, nach welcher der jeweilige Inhaber der Firma als der Berechtigte und Verpflichtete angesehen wird, in Bezug auf die Frage des Ueberganges der Geschäftsschulden und Geschäftsforderungen entgegenzukommen. 6Denn der Erwerber eines Geschäfts, der die Firma, wenngleich mit einem Zusatz, fortführt, erklärt dadurch seine Absicht, in die Geschäftsbeziehungen des früheren Geschäftsinhabers soweit als möglich einzutreten. 7Das Reichsgericht legt auch schon gegenwärtig der Fortführung der Firma in gewissen Beziehungen maßgebenden Einfluß bei.“
14 Vgl. etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1 einerseits und MünchKommHGB/Thiessen Rn 11 andererseits.
15 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 36 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 978 f. 211
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§ 25
1. Buch. Handelsstand
10 b) Die Rechtsprechung nach Inkrafttreten des HGB. Die weitere Rechtsprechung des Reichsgerichts folgte zunächst der Erklärungstheorie und konnte sich dabei einerseits auf vorangegangene Entscheidungen (Rn 5), andererseits (vordergründig) auf die Gesetzesbegründung stützen.16 BGHZ 18, 248, 250 f erweiterte diese Rechtsprechung um den Aspekt des Rechtsscheins. Danach hat die Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma auch eine Rechtsscheinwirkung, und zwar hinsichtlich der Bereitschaft zur Übernahme der Verbindlichkeiten des früheren Inhabers.17 Gelöst wurde damit das schon in der Reichsgerichtsrechtsprechung18 aufgetretene Problem, dass die Haftungserklärung keinen rechtsgeschäftlichen Charakter haben kann. In der Folgezeit stellte die Rechtsprechung mal mehr auf den einen Aspekt,19 mal mehr auf den anderen Aspekt20 ab. Weniger als Rechtsgrund, denn als Rechtfertigung für die Haftung wurde überdies bereits vom Reichsgericht und später auch vom BGH der Gedanke der Vermögensübernahme angeführt, wonach die Haftung notwendige Folge der Vermögensübernahme sei, weil der Erwerber des Vermögens für die Schulden aufkommen soll.21 In manchen, jüngeren Entscheidungen scheint überdies der Gedanke der Haftungskontinuität (dazu Rn 14) auf.22 Bei alledem muss man sich freilich vor Augen führen, dass sich die Rechtsprechung bisher nicht ausführlich mit dem Meinungsstand auseinandergesetzt hat, sondern jeweils nur mit wenigen Bemerkungen oder Sätzen auf den jeweiligen Aspekt abstellt.
11 c) Schrifttum nach Inkrafttreten des HGB. In der Lehre sind alle vorgenannten Aspekte aufgegriffen worden. Vertreter der Erklärungstheorie nehmen ein rechtsgeschäftliches Schuldübernahmeangebot an die Altgläubiger an und verstehen § 25 als zwingende Auslegungsregel zur gesetzlichen Stabilisierung typischen sozialen Verhaltens.23 Vertreter der Rechtsscheintheorie meinen, der Fortbestand der Firma erwecke entweder den Eindruck unveränderter Unternehmensinhaberschaft oder den Eindruck der Bereitschaft zur Übernahme der Verbindlichkeiten des früheren Inhabers, was ein dahingehendes Vertrauen des Rechtsverkehrs rechtfertige.24 Vertreter der sog. Haftungsfondstheorie, die oft auch ergänzend herangezogen wird, begründen die Schuldenhaftung nach § 25 ähnlich wie die nach § 419 BGB a.F. mit der Erwägung, dass den Gläubigern das Vermögen des Schuldners als Objekt ihres Vollstreckungszugriffs erhalten bleiben muss.25 Vertreten werden auch Kombinationslösungen. Nach Schricker liegt § 25 ein kombiniertes Vermögensübernahme- und Verkehrsschutzprinzip zugrunde.26 12 Ferner knüpfen eine Reihe von Autoren an den – ihrer Meinung nach – typischen Inhalt der Vereinbarungen zwischen dem Veräußerer und Erwerber an und sehen in § 25 eine Norm, die diese Vereinbarungen im Innenverhältnis in das Außenverhältnis überträgt (Außenwirkungstheorien). Die Unterschiede im Einzelnen sind freilich beträchtlich. Das von Börner27 ent16 17 18 19 20 21 22
RGZ 149, 25 (28); RGZ 93, 227 (228 f); RGZ 142, 98 (104); RGZ 164, 115 (121). So ausdrücklich BGHZ 22, 234 (239). RGZ 142, 98 (104). BGHZ 38, 44 (47); BGH NJW 1982, 557 (578); BGH NJW-RR 1990, 1251 (1253); BayObLG NJW-RR 1988, 869 (870). BGHZ 29, 1 (3 f) = NJW 1959, 241; BGHZ 31, 321 (328) = NJW 1960, 621; OLG Bremen NJW-RR 1989, 423 (424). RGZ 142, 98 (106); RGZ 135, 104 (108); BGHZ 38, 44 (47). Annäherung an diese Theorie bei BGH NJW 1984, 1186; BGH NJW 1992, 911; s. ferner BayObLGZ 1987, 499 = NJW-RR 1988, 869 f; OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 315 (316); ferner LG Berlin ZIP 1993, 1478. 23 Säcker ZGR 1973, 261 (275). 24 A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (7 f); Krause JZ 1957, 278 (279); Weimar MDR 1962, 960; Fischer Anm. zu BGH LM § 28 HGB Nr. 3; Nickel NJW 1981, 102; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 25 Anm. 1 f; eingehend Schlüter Die Schuldenhaftung bei Geschäftsübernahme, Diss München 1971, 121 f; abw. Muschalle, 92 ff. 25 Morisse, 32 ff, 69 ff; unter Verbindung mit dem Rechtsscheingedanken Schricker ZGR 1972, 121 (150 ff); vgl. auch Heckelmann FS für Bartholomeyczik (1973), 129, 147 (Vermögenshaftungsprinzip sei „in § 25 Abs. 1 BGB mitenthalten“). Aus dem österreichischen Schrifttum vgl. Koziol JBl. 1967, 550 (558 f); Nitsche ÖZW 1976, 40 ff. 26 Schricker ZGR 1972, 121 (151). 27 Festschrift für Möhring (1975), 37 ff. Burgard
212
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wickelte Konzept der Vertragsübernahme knüpft an den Übergang der Forderungen nach § 25 Abs. 1 S. 2 an, der sich als Weiterführung des § 409 BGB darstelle, und begreift die Schuldenhaftung als Seitenstück, das notwendig sei, um die einheitliche Vertragsstellung nicht aufzuspalten. Dieses Konzept hat Lieb aufgegriffen, der es mit der Ansicht von Heckelmann28 kombiniert.29 Danach ist im Innenverhältnis regelmäßig eine Erfüllungsübernahme gewollt, die § 25 Abs. 1 S. 1 in das Außenverhältnis übertrage. Gerlach30 schließlich versteht die gesetzliche Haftungsregelung als Gewährleistung typisierten Vertrauensschutzes auf der Grundlage regelmäßig entsprechender Schuldübernahmevereinbarungen der Parteien zu Gunsten der Gläubiger. Diesem Gedanken hat sich auch Zimmer angeschlossen.31 Die Drittwirkung zu Gunsten der Gläubiger qualifiziert Gerlach als Rechtsfolge eines zwischen den Parteien regelmäßig geschlossenen echten Vertrags zu Gunsten Dritter (§§ 328 ff BGB). Namentlich Hüffer (4. Aufl. Rn 27 ff), Waskönig32 und Casper33 vertreten die Ansicht, § 25 13 diene dem Verkehrsschutz durch Vermeidung von Unklarheiten bei der Abwicklung bestehender Vertragsbeziehungen im Falle der Veräußerung eines Handelsgewerbes.34 Das Gesetz schütze den Verkehr davor, mit dem Erwerber die falsche Partei in Anspruch zu nehmen oder an einen Nichtberechtigten zu leisten. Diese Unsicherheit bei der Vertragsabwicklung sei vor allem dann zu befürchten, wenn der Erwerber eines Handelsgewerbes die Firma fortführt und eine abweichende Vereinbarung dem Rechtsverkehr nicht via § 25 Abs. 2 mitgeteilt habe. Die Haftung ist danach also nicht primäres Ziel der Regelung, sondern nur Reflex der beabsichtigten Vermeidung von Reibungsverlusten bei der Übertragung des Handelsgewerbes. Auf dieser Linie liegt auch die Auffassung von Pahl,35 wonach dem Erwerber über § 25 Abs. 2 eine Informationslast aufgebürdet werde, eine eventuelle Haftungsfreizeichnung durch Vereinbarung mit dem Veräußerer nach außen mitzuteilen, sowie von Huber,36 wonach das Informationsinteresse der Gläubiger geschützt werde. Ferner kann man in diesem Zusammenhang auf diejenigen verweisen, die § 25 mit pragmatischen Zweckmäßigkeitserwägungen des Gesetzgebers begründen.37 K. Schmidt hat diese Ansicht freilich der Banalität geziehen; denn dass es irgendwie um 14 den Schutz des Rechtsverkehrs gehe, erkenne jeder Erklärungsversuch an. Allein darin läge noch keine materielle Rechtfertigung für die Regelungen der §§ 25, 28.38 Er wagt demgegenüber den ganz großen Wurf. Danach sollen die §§ 25, 28 Elemente eines einheitlichen Konzepts der Haftungskontinuität beim Wechsel des Unternehmensträgers sein. Sie sorgten dafür, dass Verbindlichkeiten und Rechtsverhältnisse, die zum Unternehmen gehörten, auch im Fall des Unternehmenswechsels dem jeweiligen Unternehmensträger zugewiesen blieben. Die §§ 25, 28 erzeugten damit diejenigen Rechtsfolgen, die ipso iure gelten würden, wenn das Unternehmen rechtsfähig wäre. Dementsprechend liege in der Unternehmens- und nicht in der Firmenidentität der eigentliche Haftungsgrund, so dass Unternehmensfortführung auch ohne Firmenfortführung haftungsbegründend sei. Den Raum für die danach notwendige Rechtsfortbildung sieht
28 29 30 31
Festschrift für Bartholomeyczik (1973), 129 ff. MünchKommHGB/Lieb2 Rn 9, 81 ff. S. 40 f, 46. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer 2. Aufl. Rn 21; zustimmend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21. 32 S. 41 ff. 33 Casper Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1999, 153 (167 ff). 34 Ähnliche Überlegungen finden sich bei Friedrich Die Haftung des endgültigen Erben und des Zwischenerben bei Fortführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens, 1990, 76 ff; Vetter Altschuldenhaftung auf fehlerhafter Vertragsgrundlage, 1995, 68 ff. 35 Pahl Haftungsrechtliche Fragen versäumter Handelsregistereintragungen, 1987, 223 ff. 36 FS Raisch, 1995, 85 (89 f). 37 So insbes. Heymann/Förster Rn 12; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Vor §§ 25–28 Rn 5. 38 K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 27. 213
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K. Schmidt in dem auslegungsfähigen Begriff des besonderen Verpflichtungsgrundes gem. § 25 Abs. 3.39 15 Canaris hält keine der vorgenannten Erklärungsversuche für überzeugend. Vielmehr sei § 25 Abs. 1 S. 1 völlig verfehlt und entbehre jeden Gerechtigkeitsgehalt, ja sei i.V.m. § 26 verfassungsrechtlich bedenklich. Die Vorschrift schütze den guten Glauben an eine falsche Rechtsansicht, führe zu widersinnigen Ergebnissen, Haftungsgeschenken für Altgläubiger und Haftungsfallen für Erwerber. § 25 Abs. 1 S. 1 gehöre daher abgeschafft und sei, solange dies noch nicht geschehen sei, eng auszulegen.40 Erwähnung verdient schließlich die auf Karsten Schmidt beruhende von Johannes W. Flume 16 entwickelte Auffassung, wonach § 25 als Verfügungstatbestand zu verstehen ist, der auf der Rechtstechnik der (partiellen) Universalsukzession beruht. Die Vorschrift bewirke und bezwecke den Übergang der unternehmensbezogenen Schuldverhältnisse durch Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber.41 Dieser Sichtweise hat sich Thiessen grundsätzlich angeschlossen.42
d) Stellungnahme 17 aa) Das Ziel der Auslegung. Angesichts der skizzierten Entstehungsgeschichte (Rn 3 ff) und der zitierten Gesetzesbegründung (Rn 9) sollte nicht erwartet werden, die eine „Theorie“ zu finden, die § 25 bruchlos zu begründen vermag; denn der Gesetzgeber hat keine Theorie oder einen einzigen Leitgedanken bei seiner Regelung verfolgt, sondern wollte den „Gordischen Knoten“ der unterschiedlichen Meinungen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Privatautonomie der Parteien durchschlagen. Und dieses Verfahren führt notwendigerweise zu keiner bruchlosen Lösung. Das bedeutet freilich nicht, dass – wie Canaris (Rn 15) meint – insbes. § 25 Abs. 1 S. 1 keinen vernünftigen Sinn ergäbe. Wohl aber bedeutet dies, dass der „kleine Fang“ dem „großen Wurf“ vorzuziehen ist. Primäre Aufgabe ist es nicht, eine rechtspolitisch überzeugende Begründung von § 25 zu finden.43 Vielmehr hat schon Hüffer in der Vorauflage (Rn 20) zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Erklärungs-, Rechtsscheins-, Haftungsfonds- und Außenwirkungstheorien darunter leiden, nicht nach dem Zweck der Norm, sondern nach dem Rechtsgrund der Haftung zu fragen. Damit wird eine Fragestellung tradiert, die vor dem Inkrafttreten des HGB berechtigt war, weil das ADHGB eine § 25 entsprechende Vorschrift nicht enthielt. Nach Inkrafttreten von § 25 ist dagegen nicht in erster Linie nach dem Grund der Haftung, sondern nach dem Zweck des Gesetzes zu fragen, wie er insbes. im Wortlaut und der Begründung der Norm zum Ausdruck kommt. Ferner ist zu untersuchen, mit welchen Mitteln das Gesetz seinen Zweck erreichen will und ob sie dafür tauglich sind (dazu Rn 23 ff). Erst danach ist zu fragen, ob Zweck und Mittel legitim sind (Rn 28 ff) und wie die Norm rechtspolitisch zu bewerten ist (Rn 32 ff). Alle drei Fragen sind auseinander zu halten, werden aber zumeist miteinander vermischt.
18 bb) Die einzelnen „Theorien“. Schon angesichts der verfehlten Fragestellung (s. Rn 17) kann es nicht verwundern, dass keine der sog. „Theorien“ zu überzeugen vermag. Dementsprechend konnte sich bisher auch keine dieser „Theorien“ breitflächig durchsetzen. Im Einzelnen: Die sog. 39 K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn. 32 ff; ders. ZHR 145 (1981), 2 f (23); ders. ZIP 1989, 1028 f; ders. DB 1994, 519 f; ders. ZGR 4 (1992), 621 (627); ders. ZGR 2014, 844 ff.
40 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 16 f; ders. FS Frotz 1993, 11 (20 f); vgl. ders. Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), 186. 41 Erstmals in ZHR 170 (2006), 737, insbes. 758 f; sowie nunmehr ausführlich in seiner Dissertation Vermögenstransfer und Haftung, 2008, zusammenfassend 207 ff. 42 MünchKommHGB/Thiessen Rn 23 f. 43 Huber FS Raisch, 1995, 85 f.; vgl. BeckOK HGB/Bömeke Rn. 8. Burgard
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Erklärungstheorie scheint zwar auf den ersten Blick mit (Abs. 2 S. 6) der Gesetzesbegründung übereinzustimmen. Sie passt aber nicht zu der Maßgeblichkeit abweichender Parteivereinbarung gem. § 25 Abs. 2 und erweist sich dadurch als bloße Fiktion. Sie ist daher nach heute wohl einhelliger Lehrmeinung abzulehnen.44 Die sog. Rechtsscheintheorie ist, soweit sie auf dem Anschein unveränderter Unternehmensinhaberschaft aufbaut, zwar nicht schon deshalb verfehlt, weil sie mit der Unerheblichkeit eines Nachfolgezusatzes (gem. § 25 Abs. 1 S. 1 sowie Abs. 2 S. 6 der Gesetzesbegründung) unvereinbar sei;45 denn ein Inhaber- oder Nachfolgezusatz ist, wie in anderem Zusammenhang anerkannt ist (Rn 71, § 22 Rn 91 ff; § 30 Rn 31), kein prägender Bestandteil der Firma und kann daher leicht übersehen werden. Die Einordnung der Erwerberhaftung als Rechtsscheinhaftung ist aber in keiner Variante mit den allgemeinen Voraussetzungen dieses Instituts vereinbar. Insbes. fehlt es regelmäßig an der danach erforderlichen Kausalität (s. Rn 153 f). Auch die Rechtsscheintheorie wird daher von der Lehre ganz überwiegend verworfen.46 Gegen die Haftungsfondstheorie spricht u.a., dass das Gesetz keine Haftungsbeschränkung auf das übernommene Vermögen vorsieht und dass sie weder die Erfordernisse der Fortführung des Handelsgewerbes und der Firma noch die Möglichkeit abweichender Parteivereinbarung schlüssig zu erklären vermag. Die Haftungsfondstheorie wird daher, wenn überhaupt, nur als „Hilfsüberlegung“ angeführt. Allerdings gewinnen diese Erklärungsmodelle auch dann nicht an Überzeugungskraft, wenn man sie miteinander kombiniert. Hinsichtlich der Außenwirkungstheorien ist zu bemerken: Der Ansatz einer Vertragsüber- 19 nahme ist schon mit dem Wortlaut von § 25 Abs. 1 nur schwer vereinbar, weil die Vorschrift genau zwischen der Behandlung von Verbindlichkeiten (S. 1) und Forderungen (S. 2) unterscheidet (näher Rn 76 ff), und zwar nicht nur formal, sondern auch hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen.47 Deswegen kann man sich über diese Unterscheidung auch nicht dadurch hinwegsetzen, dass man sie mit dem damaligen Stand der Dogmatik erklärt, wonach eine Vertragsüberleitung zerlegungstheoretisch und nicht einheitstheoretisch behandelt wurde.48 Gerlachs Konzept eines Vertrags zu Gunsten Dritter widerspricht § 329 BGB.49 Überdies sind alle Außenwirkungstheorien dem Fiktionseinwand ausgesetzt. Das zeigt sich dann besonders deutlich, wenn der Unternehmenskäufer die Verbindlichkeiten, für die er einstehen soll, gar nicht kennt.50 Was die Theorie der Haftungskontinuität von Karsten Schmidt anbelangt, so ist sie mit 20 dem Gesetz schlechthin nicht vereinbar, und zwar weder mit § 25 Abs. 2 noch und vor allem nicht mit der Voraussetzung einer Firmenfortführung,51 die sowohl nach der Begründung als auch nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes unverzichtbar ist. Sie wird daher von der herrschenden Lehre zu Recht de lege lata abgelehnt52 und allenfalls als rechtspolitisch diskussionswürdig erachtet.53 Die Kritik von Canaris ist dagegen in manchen Punkten durchaus verständlich, insgesamt aber überzogen (s. Rn 30, 32).
44 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Staub/Hüffer4 Rn 13; Koziol JBl. 1967, 558; wohl auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 3; MünchKommHGB/Thiessen Rn 12.
45 So aber die hL, etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Staub/Hüffer4 Rn 14; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 11; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13; aA BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4.
46 Statt anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Staub/Hüffer4 Rn 14; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13. 47 Ebenso etwa Canaris Handelsrecht § 7 Rn 39. 48 So aber Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 2008, 119 ff. 49 Ebenso Casper Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1999, S. 153; vgl. Staub/Hüffer4 Rn 16; K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2 (12). 50 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 9. 51 Das konzidiert K. Schmidt höchstselbst, etwa ZGR 2014, 844, 863 f. 52 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Haas/Ries Vor §§ 25–28 Rn 5; Hopt/Merkt Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Oetker/Vossler Rn. 7; BeckOK HGB/Bömeke Rn 6 mwN. 53 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Vor §§ 25–28 Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. 215
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Bedenkenswert ist ferner die von Johannes W. Flume entwickelte Ansicht einer (partiellen) Universalsukzession. Mit dem geltenden Recht ist sie jedoch nicht vereinbar. Das zeigt sich u.a. (s. bereits Rn 19) daran, dass nach dieser Ansicht das Erfordernis der Firmenfortführung überflüssig ist,54 obwohl ihm nach der Gesetzesbegründung zentrale Bedeutung zukommt (s. Abs. 2 der in Rn 9 zitierten Begründung). Ferner räumt Flume selbst ein, dass das Gläubigerschutzinstrumentarium der §§ 25, 26 für eine partielle Universalsukzession unzureichend ist,55 weswegen Thiessen die Nachhaftung als eine Art selbstschuldnerische Bürgschaft ansieht.56 Das ist zwar ein kluger Gedanke, entspricht aber nicht dem Zweck des § 26 (dort Rn. 10). Ferner fehlen Anhaltspunkte für die Prämisse, § 25 wolle Unternehmensübernahmen um den Preis einer Vertragsüberleitung auch gegen den Willen der betroffenen Gläubiger und Schuldner erleichtern. Letzteres ist vielmehr auch rechtspolitisch bedenklich. Am ehesten Gefolgschaft verdienen daher die unter Rn 13 referierten Ansichten.
cc) Eigene Ansicht 22 (1) Der Gesetzeszweck. Der Gesetzgeber wollte mit § 25 vornehmlich dreierlei erreichen, nämlich erstens Schaffung von Rechtssicherheit (s. Abs. 1 der in Rn 9 zitierten Begründung), zweitens Wahrung der Privatautonomie (s. § 25 Abs. 2 sowie Abs. 2 S. 1 und 2 der Begründung) und drittens Verkehrsschutz, insbes. Schutz der Altgläubiger und -schuldner (s. Abs. 2 S. 4 und 5 der Begründung).57 Diese Ziele stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis, welches das Gesetz – sehr geschickt – durch Publizität auflöst.58 Als Publizitätsmittel bedient es sich dabei nämlich nicht nur des Handelsregisters und sonstiger handelsüblicher Bekanntmachungen, sondern auch des Umstandes der Firmenfortführung (vgl. auch Abs. 2 S. 10 der in § 28 Rn 5 zitierten Gesetzesbegründung zu § 28). Dieser Umstand ist für Gläubiger und Schuldner besonders leicht zu erkennen. Zugleich wird die Privatautonomie weiter gestärkt, indem der Erwerber das Eingreifen von § 25 Abs. 1 von vornherein dadurch vermeiden kann, dass er die Firma nicht fortführt. 23 Führt der Erwerber die Firma nicht fort, haftet er gem. § 25 Abs. 3 nur dann für Altverbindlichkeiten, wenn er seine Bereitschaft hierfür in handelsüblicher Weise bekannt macht oder ein anderer besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, also insbes. eine besondere gesetzliche Bestimmung eingreift. Dabei sind aus Sicht des Verkehrs alle drei für die Rechtsfolgen maßgeblichen Umstände (keine Firmenfortführung, handelsübliche Bekanntmachung, Gesetz) leicht zu erkennen, so dass alle drei in Rn 22 genannten Gesetzeszwecke erreicht werden. 24 Führt der Erwerber die Firma fort, kommt es hinsichtlich seiner Haftung für Altverbindlichkeiten sowie für das Schicksal der Altforderungen nach § 25 Abs. 2 ebenfalls zuvörderst auf den Parteiwillen an. Allerdings ist die Parteivereinbarung Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie auf dem dort bezeichneten Weg dem Verkehr bzw. den Altgläubigern und -schuldnern bekannt gemacht wird. Soweit eine ordnungsgemäße Bekanntmachung unterbleibt, greifen zu deren Schutz die Rechtsfolgen des § 25 Abs. 1 ein. Durch diese, von § 15 Abs. 1 bekannte Regelungstechnik wird die erwünschte Publizität durchgesetzt.59 Aus Sicht des Verkehrs bzw. der Betroffe-
54 S. Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 131 ff. Dort heißt es zwar, dass die Firmenfortführung die Unternehmensfortführung signalisiere. Eine Unternehmensfortführung liege aber bereits dann vor, wenn der Erwerber über die hierzu erforderlichen Betriebsmittel verfüge. Und dieser Realakt wiederum bewirke zusammen mit der Einigung zwischen Veräußerer und Erwerber als Gesamtakt, dass die unternehmensbezogenen Schuldverhältnisse auf den Erwerber übergingen. Demgegenüber sieht Thiessen allerdings die Firmenfortführung wie hier (Rn. 22) als Publizitätsmittel an, MünchKommHGB/Thiessen Rn. 26. 55 Zusammenfassend Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 212. 56 MünchKommHGB/Thiessen Rn 26. 57 So auch BeckOK HGB/Bömeke Rn 8. 58 Insoweit zustimmend MünchKommHGB/Thiessen Rn 26, Fn. 120. 59 So auch Huber FS Raisch, 1995, 85 (90). Burgard
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nen sind damit wiederum alle drei für die Rechtsfolgen maßgeblichen Umstände (Firmenfortführung, Kundmachung, Gesetz) leicht zu erkennen, so dass die drei in Rn 22 genannten Gesetzeszwecke auch in diesem Fall erreicht werden. Folgt man diesen Überlegungen, wird zugleich deutlich, dass die Regelung des § 25 aus 25 Sicht des historischen Gesetzgebers geradezu alternativlos war: Hätte der Gesetzgeber auf das Merkmal der Firmenfortführung verzichtet, wäre dieses wichtige Publizitätsmittel weggefallen. Entscheidend wäre es dann allein auf die Fortführung des Handelsgeschäfts angekommen. Das hätte zugleich bedeutet, auf § 25 Abs. 3 zu verzichten, was man aus heutiger Sicht zwar als unschädlich empfinden mag, damals aber bedeutet hätte, offensichtlich mit der Rechtsprechung des ROHG und des RG zu brechen. Das aber wollte der Gesetzgeber wohl soweit wie möglich vermeiden, wie auch Abs. 2 S. 7 der in Rn 9 zitierten Begründung erkennen lässt. Außerdem hatte das Merkmal der Firmenfortführung – abseits seiner von der Begründung geschilderten Verkehrsbedeutung (Abs. 2 S. 4 und 5) – inzwischen eine breite Anerkennung in der Rechtswissenschaft erfahren, nämlich einerseits in manchen Entscheidungen des RG (s. Rn 5) und andererseits durch den Deutschen Juristentag (Rn 6), auf dessen Beschlüsse die Begründung ebenfalls verweist (Abs. 1 S. 2). Angesichts der vorangegangenen Rechtsprechung kam ferner eine zwingende Regel, über 26 die sich die Parteien nicht durch Vereinbarung hinwegsetzen können, nicht in Betracht, zumal dies auch dem liberalen Geist gerade des HGB nicht entsprochen hätte.60 Soll aber der Parteiwille maßgeblich sein (s. Abs. 2 S. 1 und 2 der Begründung), dann wäre als Alternative nur übrig geblieben auf eine gesetzliche Regel entsprechend § 25 Abs. 1 zu verzichten und sich damit unter Aufgabe des Merkmals der Firmenfortführung auf eine Regelung entsprechend § 25 Abs. 3 zu beschränken. Das hätte zwar den Vorzug gehabt, der damaligen Rechtsprechungstradition zu entsprechen (s. Rn 4). Der Sache nach wäre dies jedoch einem Verzicht auf eine Normierung nahe gekommen. Im Blick auf die Bedeutung der Frage und die Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung (s. Abs. 1 S. 2 der Begründung), den inzwischen erreichten Meinungsstand (s. Rn 25) und die geschilderte Verkehrsauffassung (Abs. 2 S. 4 und 5 der Begründung) kam daher aus Sicht des historischen Gesetzgebers eine andere als die in § 25 getroffene Regelung kaum in Betracht. Deswegen kann man natürlich trotzdem sowohl über die Berechtigung der gesetzlichen 27 Regelung, namentlich von § 25 Abs. 1 S. 1, streiten (dazu Rn 28 ff) als auch über deren tieferen Grund nachsinnen und rechtspolitisch andere Vorschläge unterbreiten (dazu Rn 32 ff). All das sind angesichts der Bedeutung der Frage anerkennenswerte Bemühungen, wenngleich Dauer und Ausmaß des Streits um 32 Worte schon etwas verwundern. Nach vorstehenden Ausführungen sollte jedoch außer Streit stehen, was die Gesetzeszwecke sind (Rn 22) und dass der Gesetzgeber nachvollziehbare Gründe (Rn 23–26) für die Regelung hatte.
(2) Legitimation von § 25. Was die Berechtigung der Regelung anbelangt, so steht wohl au- 28 ßer Streit, dass § 25 Abs. 1 S. 2 dem Schuldnerschutz dient und grundsätzlich sinnvoll ist (näher dazu Rn 104 ff). Auch die Berechtigung von § 25 Abs. 2 ist weithin61 unbestritten, soweit kein von der gesetzlichen Regelung völlig verschiedenes Regelungskonzept verfolgt wird (so aber Karsten Schmidt, dazu Rn 14, 20, 34). Und gegen § 25 Abs. 3 ist ebenfalls nichts einzuwenden. Fraglich ist also allein die Legitimation von § 25 Abs. 1 S. 1, wobei diese Frage von der Frage des rechtspolitisch Wünschenswerten (dazu Rn 32 ff) zu trennen ist. 60 S. auch Huber FS Raisch, 1995, 85 (89), der darauf hinweist, dass § 25 in einem entscheidenden Punkt mit den allgemeinen Regeln übereinstimmt: Entscheidend ist in erster Linie die Vereinbarung der Parteien. Und darin, dass der Gesetzgeber an dieser Regel festgehalten hat, sieht er die eigentliche Grundsatzentscheidung des Gesetzes, ebd. 95. 61 Aus rechtspolitischer Sicht aA aber Staub/Hüffer4 Rn 31, der es für inkonsequent hält, dass der von § 25 Abs. 1 erstrebte Verkehrsschutz zur Disposition der Parteien steht, s. dazu Rn 34. 217
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Der Gesetzgeber rechtfertigt § 25 Abs. 1 primär damit, dass der Verkehr den jeweiligen Inhaber der Firma als Verpflichteten und Berechtigten ansehe (Abs. 2 S. 5 der in Rn 9 zitierten Begründung), also wenn man so will, § 17 Abs. 2 missverstehe. Grund dafür ist – wie die Gesetzesbegründung (Abs. 2 S. 4) sehr lebensnah schildert –, dass der Verkehr Firma, Unternehmen und Unternehmensträger nicht hinreichend zu unterscheiden weiß (s. auch Vor § 17 Rn 1 ff). Nun will der Gesetzgeber keineswegs diese falsche Verkehrsanschauung,62 wohl aber die von dem Inhaberwechsel betroffenen Altgläubiger und -schuldner schützen, nämlich davor, den falschen Schuldner in Anspruch zu nehmen bzw. an den falschen Gläubiger zu leisten. Dass die Altschuldner insofern eines besonderen handelsrechtlichen Schutzes bedürfen, wird unter Rn 104 ff näher dargelegt und ist wohl unbestritten. Dass die Altgläubiger ebenfalls, wenngleich in geringerem Ausmaß, schutzbedürftig sind, ist dagegen weniger anerkannt, aber gleichwohl nicht von der Hand zu weisen. Würde man sich § 25 hinwegdenken, mögen zwar die Altgläubiger, wenn sie die Situation zutreffend rechtlich bewerteten, keinen Anlass haben, den Erwerber und damit den Falschen in Anspruch zu nehmen.63 Diese Rechtskenntnis traut ihnen das Gesetz – zu Recht – jedoch nicht zu, zumal die Erwartung, dass der Erwerber als geschäftlicher Nachfolger des bisherigen Inhabers für Altverbindlichkeiten einsteht, auch nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, wie allein schon die 150jährige Diskussion über die Frage erweist (s. auch § 28 Rn 13). Ferner mag es sein, dass sich der Irrtum alsbald aufklären würde, wenn Altgläubiger den Erwerber in Anspruch nähmen.64 Die Gefahr, dass durch die Inanspruchnahme des Falschen für die Altgläubiger mglw. schädliche (z.B. infolge von Verjährung) Verzögerungen und unnötige Kosten entstehen, ist jedoch unbestreitbar. Zudem bestünde die Gefahr, dass Altgläubiger überhaupt nicht tätig würden, weil sie in der irrtümlichen Annahme eines Schuldbeitritts des Erwerbers sich ausreichend gegen die Gefahr gesichert sähen, dass der bisherige Inhaber einige Zeit nach der Veräußerung des Handelsgeschäfts nicht mehr Willens oder in der Lage ist, Altverbindlichkeiten zu begleichen.65 30 Freilich meint Canaris, dass all diese Gefahren keine hinreichende Legitimation für die weitreichende Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 darstellten.66 Das mag man so sehen. Nicht berücksichtigt wird dabei jedoch das wichtigste Anliegen des Gesetzes, nämlich Rechtssicherheit zu schaffen. Und das ist gewisslich eine ausreichende Legitimation, schon gar im Handelsrecht, dem es bekanntlich generell um die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu tun ist.67 Kaum auszudenken, welches Ausmaß die Kontroverse zur Erwerberhaftung ohne gesetzliche Regelung angenommen hätte. Und um Rechtssicherheit zu schaffen, blieb dem Gesetzgeber praktisch keine Regelungsalternative (s. Rn 23 ff). Schließlich darf § 25 Abs. 1 S. 1 nicht isoliert, sondern muss zusammen mit Abs. 2 der Vorschrift betrachtet werden. Dann nämlich wird deutlich, dass in erster Linie die Parteivereinbarung entscheidend ist (s. auch Rn 32) und die Erwerberhaftung nicht zuletzt dazu dient, die Publizität der Haftungsverhältnisse zu gewährleisten (Rn 24). Die Regelung des § 25 Abs. 1 S. 1 ist daher nicht nur nachvollziehbar, sondern auch durch gute Gründe (Schutz der Haftungserwartungen der Altgläubiger, Herstellung von Rechtssicherheit, Publizität der Haftungsverhältnisse) gerechtfertigt. 31 Zusammenfassend ist festzuhalten: § 25 ist eine ganz pragmatische, auf die Verkehrserwartungen abgestimmte Vorschrift ohne dogmatischen Hintergrund, die unter Wahrung der Pri29
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So aber pointiert Canaris Handelsrecht § 7 Rn 18. So Canaris Handelsrecht § 7 Rn 10. So Canaris Handelsrecht § 7 Rn 10. Vgl. Canaris FS Frotz, 11 (18 f). Canaris Handelsrecht § 7 Rn 10. Allgemein hierzu Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Einleitung vor § 1 Rn 5 f; Hopt/Merkt Einl v § 1 Rn 4 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas Einl. Rn 10. Burgard
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vatautonomie der Parteien der Schaffung von Rechtssicherheit und der Publizität der Haftungsverhältnisse im Interesse des Gläubiger- und Schuldnerschutzes dient.68
(3) Rechtspolitische Bewertung. Von der Frage der Legitimation der Regelung ist die Frage 32 ihrer rechtspolitischen Bewertung zu unterscheiden. Gibt es – aus heutiger Sicht – bessere Regelungsalternativen? Canaris plädiert für eine Abschaffung von § 25 Abs. 1 S. 1 unter entsprechender Anpassung von § 25 Abs. 3,69 also sozusagen für die Lösung des ROHG. Heute wäre damit wohl kein Verlust an Rechtssicherheit mehr verbunden, weil in einem solchen Schritt des Gesetzgebers eine klare Absage an § 25 Abs. 1 S. 1 und damit zugleich an dahingehende Rechtsfortbildungsversuche zu sehen wäre.70 Auch ist der Vorwurf von Canaris, § 25 Abs. 1 S. 1 führe zu Haftungsfallen für Erwerber und Zufallsgeschenken für Altgläubiger,71 auf den ersten Blick nicht von der Hand zu weisen. In der Tat beruht der ganze Meinungsstreit wohl nicht zuletzt darauf, dass der Gerechtigkeitsgehalt von § 25 nicht jedermann einleuchtet. Im Blick hierauf ist jedoch zu bedenken: Geht man davon aus, dass sich die Parteien, die ein so bedeutendes Geschäft wie den Erwerb eines vollkaufmännischen Unternehmens in Aussicht nehmen, anwaltlich beraten lassen,72 dann darf, wenn keine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 erfolgt, vermutet werden, dass die Parteien tatsächlich keine von § 25 Abs. 1 abweichende Vereinbarung getroffen haben und daher mit den Rechtsfolgen dieser Vorschrift einverstanden sind. Entsprechend aber die Rechtsfolgen dem Parteiwillen, so muss man sich um deren Gerechtigkeitsgehalt nicht sorgen. Der Gerechtigkeitsgehalt der Vorschrift kann daher allenfalls zweifelhaft sein, wenn der Erwerber nicht oder schlecht beraten war, die Vorschrift des § 25 daher nicht kannte und umso weniger wusste, wie man ihre Rechtsfolgen vermeiden kann. Mangelnde Rechtskenntnis und unzureichende Rechtsberatung sind jedoch allgemeine Lebensrisiken, die das Gesetz dem Bürger nicht immer abnehmen kann, zumal dann nicht, wenn Allgemeininteresse wie Rechtssicherheit und -klarheit, Gläubiger- und Schuldnerschutz in Frage stehen und die Parteien Kaufleute sind. Im Einzelfall mögen daraus unbillig erscheinende Härten entstehen. Und solche treten natürlich vor allem in der Rechtsprechung zu Tage, weil diese stets nur „kranke“ Fälle entscheiden muss, ihr Fallmaterial also keineswegs repräsentativ ist.73 Vielmehr zeigt die relative Seltenheit gerichtlicher Entscheidungen zu § 25, dass die große Mehrheit der Fälle regelgerecht entsprechend dem Parteiwillen verläuft. So gesehen, sollte man auch an dem Gerechtigkeitsgehalt von § 25 nicht zweifeln. Über eine Korrektur des Gesetzes könnte man freilich in anderer Hinsicht nachdenken. Ins- 33 bes. wäre eine klarere Fassung von § 25 Abs. 1 S. 2 unter Verzicht auf das Einwilligungserfordernis wünschenswert (vgl. Rn 108 ff). Erwähnt sei schließlich, dass die Ansicht von Karsten Schmidt auch rechtspolitisch zu ver- 34 werfen ist, zumal er seine These, eine Haftung des jeweiligen Unternehmensträgers für die Schulden des Unternehmens sei wünschenswert, selbst nicht näher begründet.74 Die Folge wäre u.a. eine Abschaffung von § 25 Abs. 2,75 was nicht nur einen erheblichen Eingriff in die Privatau68 Wie hier BeckOK HGB/Bömeke Rn. 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn. 2; ähnlich Oetker/Vossler Rn. 9. anders K. Schmidt, Handelsrecht, § 7 Rn. 22, der hiesige Auffassung als vollendeten „Eklektizismus“ bezeichnet. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 15. Zutr. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 15; aA Casper Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1999, 175. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 3 f, 16. Huber FS Raisch, 1995, 85 (96, 106). Das übersieht Canaris Handelsrecht § 7 Rn 3 ff; ders. FS Frotz, 11 ff. K. Schmidt ZHR 145 (1981), 1 (8); vgl. dazu auch die Kritik von U. Huber FS Raisch, 115; eindringlich Schleifenbaum, 17 f, 41 f. 75 K. Schmidt ZHR 145 (1981), 1 (25); dafür aber auch Staub/Hüffer4 Rn 31; eingehend hierzu MünchKommHGB/ Thiessen Rn 16 f; aA Canaris ZIP 1989, 1161 f; U. Huber FS Raisch, 110 und 114 f; Schleifenbaum, 17 f, 41 f; MüllerFeldhammer, 464 f, 512; differenzierend Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Vor §§ 25–28 Rn 5 „Denkanstöße de lege ferenda“.
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tonomie bedeutete, sondern vor allem den Erwerb von Unternehmen erheblich erschweren und ihre Verpachtung praktisch unmöglich machen würde. Erwägenswerter ist demgegenüber der Vorschlag von Johannes W. Flume einer partiellen Universalsukzession. Doch ist ein Vertragsübergang auch gegen den Willen der betroffenen Gläubiger und Schuldner eine solch einschneidende Rechtsfolge, dass sie auf besonders begründete Ausnahmefälle beschränkt bleiben sollte. Das Interesse an einer Erleichterung von Unternehmensübernahmen reicht zur Rechtfertigung nicht aus, zumal sich unüberwindliche Schwierigkeiten insofern bisher nicht gezeigt haben.
35 (4) Folgen für die Auslegung von § 25. Die hier vertretene Auffassung hilft bei der Auslegung des Gesetzes im Blick auf vielerlei Einzelfragen (s. etwa Rn 53 f, 76 ff, 96, 104 ff, 124 ff, 141), ohne aber in dogmatischer Weise Antworten vorzugeben, die sich von dem Wortlaut des Gesetzes und den Intentionen des Gesetzgebers entfernen. Sie vermeidet dadurch eine allzu einengende oder erweiternde Auslegung, wie sie Konsequenz anderer Auffassungen ist. Während andere Auffassungen bei dem Versuch einer dogmatisch stringenten Auslegung zuweilen die Interessen der Beteiligten aus den Augen verlieren, eröffnet die hier vertretene Auffassung die Möglichkeit zu pragmatischen Kompromissen. Sie liegt damit ganz auf der Linie des Gesetzgebers, der nichts weiter als einen pragmatischen Kompromiss kodifiziert hat.
V. Anwendungsbereich und Abgrenzung 1. Analoge Anwendung auf kleingewerbliche Unternehmen 36 a) Gesetzliche Ausgangslage und Meinungsstand. Angesichts der Tatbestandsmerkmale „Handelsgeschäft“ und Fortführung der bisherigen „Firma“ ist § 25 unmittelbar nur anwendbar, wenn sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber Kaufleute i.S.d. § 1 ff sind. Bei diesem Anwendungsbereich belassen es Rechtsprechung und herrschende Lehre.76 Andere wollen hingegen § 25 analog auch dann anwenden, wenn nur der Erwerber Kaufmann ist.77 Wieder andere lassen eine gewerbliche Tätigkeit der Parteien ausreichen.78 Nach Karsten Schmidt schließlich kommt es nicht einmal auf die Gewerblichkeit des übertragenen Unternehmens an.79
37 b) Stellungnahme. Zwei Fragen sind zu unterscheiden, nämlich erstens, ob das erworbene und fortgeführte Unternehmen ein Handelsgeschäft, und zweitens, ob die fortgeführte Bezeichnung eine „Firma“ sein muss. 38 Hinsichtlich der ersten Frage ist im Ausgangspunkt festzustellen, dass das von § 25 geregelte Sachproblem und die Interessenlage der Beteiligten zwar nicht von der Gewerblichkeit des 76 BGHZ 18, 248 (250); BGHZ 22, 234 (240) = NJW 1957, 179; BGH DB 1964, 1297; BB 1966, 876; NJW 1982, 577; 1992, 112 (113); RGZ 55, 83 (85 f); OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (22); OLG Zweibrücken NJW-RR 1988, 998; OLG Koblenz NJW-RR 1989, 420; OLG Köln ZIP 2001, 975; OLG Brandenburg – 11 U 25/10, BeckRS 2011, 7091; BGH BeckRS 2012, 02218; FG Münster – 4 K 562/09, BeckRS 2012, 95407 unter Hinweis darauf, dass sonst eine unzulässige steuerbegründende Analogie entstünde; OLG Hamm – I-2 29/17, NZG 2018, 33 Rn. 13; OLG Brandenburg – 7 U 44/19, NZG 2020, 1153 (1154); Waskönig, 194 f; Commandeur, 122; Pahl, 228 ff; Wilhelm NJW 1986, 1797 (1798); v. Gierke/Sandrock § 16 I 3 b dd, 221; Heymann/Förster Rn 13; MünchKommHGB/Thiessen Rn 33. 77 Schricker ZGR 1972, 121 (155 f); Schlegelberger/Hildebrand/Steckhan Rn 5; Straube/Schumacher Rn 4; vgl. auch Canaris Handelsrecht § 7 Rn 20; dies hat der BGH ausdrücklich verneint, s. NJW 1992, 112 (113). 78 Staub/Hüffer4 Rn 84 f; de lege ferenda befürwortet dies MünchKommHGB/Thiessen Rn 34. 79 K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 41, § 8 Rn 1 f; ders. ZHR 145 (1981), 2 (21 f); ders. JZ 1974, 219, 220 (hier für die Anwendung auf Mitunternehmer-BGB-Gesellschaften); ders. ZGR 2014, 844 (856 f); zustimmend Ott WuB IV D § 25 HGB 1.92; dagegen Canaris Handelsrecht § 7 Rn 20; s. auch Arnold/Dötsch DStR 2003, 1398 (1403); OLG Köln ZIP 2001, 975. Burgard
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Unternehmens oder der Kaufmannseigenschaft der Parteien abhängen. § 25 Abs. 2 setzt jedoch die Möglichkeit einer Handelsregistereintragung voraus. Angesichts der Nachweisprobleme bei einer bloßen Mitteilung, ist eine Eintragung die einzig zuverlässige Möglichkeit, abweichenden Vereinbarungen im Außenverhältnis zur Wirksamkeit zu verhelfen. Somit markiert die Möglichkeit einer Registereintragung zugleich die Grenze der Möglichkeit einer analogen Anwendbarkeit von § 25. Angesichts von § 2 S. 1 könnte § 25 daher auf den Erwerb von kleingewerblichen Unternehmen analoge Anwendung finden. Zu bedenken ist freilich auch, dass § 2 S. 2 die Eintragung in das Belieben des Kleingewerbetreibenden stellt. Diese Wahlfreiheit würde beeinträchtigt, wenn der Kleingewerbetreibende zur Vermeidung der Haftungsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 gezwungen wäre, die Eintragung zu betreiben. Die Eintragung würde dadurch zu einer Obliegenheit. Auf Seiten des Erwerbers ist daher zu fordern, dass er entweder ohnehin in das Handelsregister eingetragen ist oder aufgrund des Überschreitens der Schwelle des § 1 Abs. 2 (auch infolge des Unternehmenserwerbs) in das Handelsregister eingetragen werden müsste. Weitere Voraussetzung von § 25 Abs. 1 S. 1 ist die Fortführung einer „Firma“. Sie wird nicht 39 bereits durch die Fortführung einer bloßen Geschäftsbezeichnung (zu diesem Begriff § 17 Rn 15 ff) erfüllt (Rn 64).80 Veräußert also „Glücks Hotel e.K.“ das „Hotel Gute Nacht“ kommt es für § 25 nicht darauf an, ob die Geschäftsbezeichnung „Hotel Gute Nacht“, sondern ob die Firma „Glücks Hotel e.K.“ fortgeführt wird. Bei einer analogen Anwendung von § 25 auf Kleingewerbetreibende muss dies mithin entsprechend geltend. § 25 ist daher nur dann analog anwendbar, wenn von dem Veräußerer erstens eine Minderfirma (zu diesem Begriff § 17 Rn 19 ff) geführt wurde (das ist regelmäßig der bürgerliche Name des Kleingewerbetreibenden [z.B. „Alois Glück“], kann aber auch eine Sach-, Phantasie- oder Mischbezeichnung [z.B. „Glücks Hotel“] oder eine Geschäftsbezeichnung sein, wenn diese firmenmäßig, d.h. auch zur Bezeichnung des Unternehmensträgers [z.B. „Hotel Gute Nacht Inh. Alois Glück“] verwendet wird81) und diese Minderfirma zweitens von dem Erwerber als Firma „fortgeführt“ wird (z.B. „Glücks Hotel Inh. Rainer Pech e.K.“). Dabei handelt es sich zwar nicht um eine Firmenfortführung i.S.d. § 22 (s. dort Rn 12), sondern um eine Firmenneubildung. Für die Anwendbarkeit von § 25 spielt dieser Unterschied jedoch keine Rolle, s. Rn 64. Nach allem ist § 25 auf den Erwerb kleingewerblicher Unternehmen nur dann analog anzu- 40 wenden, wenn der Erwerber erstens entweder in das Handelsregister eingetragen ist oder eingetragen werden müsste und zweitens die Minderfirma des Kleingewerbetreibenden „fortführt“, d.h. hier als seine Firma annimmt. Abseits des Vorliegens dieser Voraussetzungen kommt allenfalls eine Haftung unter Rechtsscheingesichtspunkten in Betracht (Rn 156 f). § 2 Abs. 2 PartGG und § 707 Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG verweisen nicht auf § 25.
2. Abgrenzung zu § 28 Eine Abgrenzung zwischen § 25 und § 28 ist insbes. deswegen erforderlich, weil § 25 an die Fir- 41 menfortführung anknüpft, während § 28 eine solche nicht voraussetzt. Dabei ist die traditionelle Abgrenzungsformel, wonach § 25 den vollständigen, § 28 dagegen einen nur teilweisen Inhaberwechsel betrifft,82 zwar ungenau, weil die in den Fällen des § 28 entstehende Personenhandels-
80 OLG Brandenburg – 7 U 44/19, NZG 2020, 1153 (1154); BeckOK HGB/Bömeke Rn 10 mwN; aA zu § 2 a.F. Staub/ Hüffer4 Rn 86. 81 Zur Abgrenzung, wann eine Bezeichnung firmenmäßig oder anderweitig gebraucht wird, kann auf die für Kaufleute geltenden Überlegungen zurückgegriffen werden, s. dazu Rn 67. Zwar unterliegen Kleingewerbetreibende naturgemäß keiner Firmenführungspflicht. Verwenden sie aber eine Geschäftsbezeichnung auch dann, wenn Kaufleute unter ihrer Firma auftreten müssen (dazu näher § 37 Rn 12), dann verwenden sie die Bezeichnung firmenmäßig (für Beispiele vgl. § 37 Rn 24 f). 82 BGH NJW 1982, 577 f; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan § 28 Anm. 1a; siehe hierzu auch Staub/Hüffer4 Rn 87. 221
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gesellschaft ein eigenständiger Unternehmensträger ist.83 Richtiger Kern dieser hergebrachten Auffassung ist aber, dass der Altunternehmer in den Fällen des § 28 an dem neuen Unternehmensträger beteiligt ist, während er sich in den Fällen des § 25 der Unternehmensträgerschaft ganz entledigt. Dieser Unterschied rechtfertigt die gegenüber § 25 weiter gehende Verkehrserwartung, dass auch ohne Firmenfortführung alle Aktiva und Passiva auf den neuen Unternehmensträger übergehen, wenn gegenteilige Vereinbarungen nicht aus dem Handelsregister hervorgehen.84 Entgegen der Ansicht des XI. Senats des BGH85 ist daher § 28 analog auf den Fall der Gründung einer juristischen Person86 unter Einbringung eines bis dahin von einem der Gründungsgesellschafter betriebenen Unternehmens anzuwenden (näher § 28 Rn 22).87 Folgt man dem, ist § 28 ebenfalls analog anzuwenden, wenn das Unternehmen als Sacheinlage im Zuge des Beitritts zu einer bereits bestehenden Gesellschaft (einerlei, ob Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft) eingebracht wird (näher § 28 Rn 23).88 Ferner ist § 28 analog anzuwenden, wenn das Unternehmen von einer Gesellschaft auf eine andere ganz oder teilweise gesellschafteridentische andere Gesellschaft übertragen wird. Zwar wird dies in erster Linie für die Übertragung zwischen Personenhandelsgesellschaften diskutiert,89 muss aber nach dem zuvor Gesagten auch für die Übertragung zwischen ganz oder teilweise gesellschafteridentischen Kapitalgesellschaften gelten.90 Bedeutung hat diese Fallgruppe nicht zuletzt im Falle einer Betriebsaufspaltung. Die Betriebsgesellschaft haftet daher nach § 28,91 wenn deren Unternehmen von der (danach nur noch) Besitzgesellschaft als Sacheinlage eingebracht wurde und die Besitzgesellschaft entweder mehrheitlich an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist oder die Gesellschafter der Betriebsgesellschaft überwiegend mit den Gesellschaftern der Besitzgesellschaft identisch sind (näher § 28 Rn 24). Nur wenn die Betriebsgesellschaft mehrheitlich andere Gesellschafter als die Besitzgesellschafter hat und diese auch nicht mit Mehrheit an jener beteiligt ist, liegt ein Fall des § 25 vor. Von dem Fall einer Betriebsaufspaltung mit Einbringung des Betriebsunternehmens als Sacheinlage streng zu unterscheiden ist der Fall einer Betriebsaufspaltung i.S.d. §§ 123 ff UmwG (dazu Anh zu § 22 Rn 8 ff). 83 Staub/Hüffer4 Rn 91; siehe auch MünchKommHGB/Thiessen Rn 29 ff sowie MünchKommHGB/Thiesen § 28 Rn 10 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11. 84 Staub/Hüffer4 Rn 92 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38 f. 85 BGHZ 143, 327. 86 Ein Fall der Gesamtrechtsnachfolge liegt hier auch dann nicht vor, wenn die Sacheinlage an die Vorgesellschaft geleistet wird. Zwar ist eine juristische Person Gesamtrechtsnachfolgerin ihrer jeweiligen Vorform. Der maßgebliche rechtsgeschäftliche Übertragungsakt liegt jedoch bereits in der Leistung des Unternehmens als Sacheinlage an die Vorgesellschaft; Staub/Hüffer4 Rn 79 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 37. 87 Im Ergebnis ebenso Staub/Hüffer4 Rn 92 f; s. aber auch § 28 Rn 16; MünchKommHGB/Thiessen § 28 Rn 10, § 28 Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; differenzierend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 28 Rn 26 f; für eine Anwendung von § 25 dagegen RGZ 143, 368 (371, 372 f); Hopt/Merkt Rn 2, 4, § 28 Rn 2; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 5; Commandeur, 178. 88 Im Ergebnis ebenso Staub/Hüffer4 Rn 92 f; § 28 Rn 16; MünchKommHGB/Thiessen § 28 Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; differenzierend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 28 Rn 24, 26; für eine Anwendung im Falle des Beitritts zu einer Personenhandelsgesellschaft auch RGZ 105, 101; RGZ 123, 289; Schlegelberger/ Hildebrandt/Steckhan § 28 Rn 5; gegen eine Anwendung im Falle des Beitritts zu einer Personenhandelsgesellschaft Canaris Handelsrecht § 7 Rn 98; Commandeur, 178; Honsell/Harrer ZIP 1983, 259 (263); Hopt/Merkt Rn 2; offen gelassen in BGHZ 157, 361 (368) = NJW 2004, 836; gegen eine Anwendung im Falle des Beitritts zu einer Kapitalgesellschaft BGH NJW 2000, 1193. 89 Für eine Anwendung von § 28 analog in diesem Fall Staub/Hüffer4 Rn 92 f, § 28 Rn 8 f; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 39, § 28 Rn 25; MünchKommHGB/Thiessen § 28 Rn 12. Für eine Anwendung von § 25 dagegen RG DJZ 1913, 466 f; KG JW 1936, 2658; BGH WM 1963, 664 (665); Waskönig, 144 f. 90 So im Ergebnis Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; dagegen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39; dagegen im Ergebnis auch K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 43 ff. 91 MünchKommHGB/Thiessen Rn 121 mwN sowie MünchKommHGB/Thiessen § 28 Rn 10 f; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 40; für eine Anwendung von § 25 dagegen BAG AP HGB § 26 Nr. 1 = DB 1988, 123 (124); BGH NJW 1982, 1647; Bork ZIP 1989, 1369; Reichold ZIP 1988, 551 (554). Burgard
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3. Gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge a) Grundsatz. § 25 Abs. 1 setzt einen Erwerb unter Lebenden voraus, ohne den Erwerbsvorgang 42 selbst näher zu umschreiben. Denkbar ist daher, die Vorschrift auch in Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge anzuwenden, sofern es sich um eine Nachfolge unter Lebenden handelt. Dies würde freilich keinen Sinn ergeben; denn der von § 25 erstrebte Verkehrsschutz ist bereits verwirklicht, wenn sämtliche im Betrieb des Unternehmens begründeten Verbindlichkeiten und Forderungen kraft gesetzlich angeordneter Gesamtrechtsnachfolge auf den Erwerber übergehen. Zudem setzt Abs. 1 die Fortführung der Firma voraus und Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit abweichender Vereinbarungen. Gegenüber einer Gesamtrechtsnachfolge ergäbe sich also keine Verstärkung, sondern eine Abschwächung des Verkehrsschutzes, weswegen § 25 auch nicht ergänzend herangezogen werden kann. In Fällen einer Gesamtrechtsnachfolge ist § 25 daher generell unanwendbar.92
b) Anwachsung. Scheiden bis auf einen alle Gesellschafter aus einer Personenhandelsgesell- 43 schaft aus, so führt dies zu einem Wechsel des Unternehmensträgers; denn anstelle der liquidationslos erlöschenden Gesellschaft wird der letzte Gesellschafter Alleinunternehmer.93 Dies vollzieht sich jedoch nicht im Wege einer Übertragung des Unternehmens, sondern durch Anwachsung, so dass für eine Anwendung des § 25 weder Raum noch Bedürfnis besteht.94 Nachdem der Erwerber als Gesamtrechtsnachfolger der Gesellschaft wie diese haftet, ist die Anwendung des § 25 auch nicht erforderlich, um die Sonderverjährung nach § 159 auszuschließen.95 c) Umwandlungsvorgänge. Gesamtrechtsnachfolge tritt ferner bei einer Verschmelzung (§§ 20 44 Abs. 1 Nr. 1, 36 UmwG), Spaltung (§ 125 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) und einer Vermögensübertragung (§ 176 Abs. 3 S. 1 UmwG) ein, so dass auch in diesen Fällen kein Raum für eine Anwendung von § 25 ist. Bei einer Spaltung zur Aufnahme sind überdies §§ 133 f UmwG zu beachten. Zwar ordnet § 133 Abs. 1 S. 2 UmwG an, dass §§ 25, 26 und 28 unberührt bleiben. Diese Bestimmung hat jedoch keine Bedeutung, weil die §§ 25 ff aus den genannten Gründen hier ohnehin nicht eingreifen.96 Bei einer formwechselnden Umwandlung (§§ 190 ff UmwG) ist § 25 ebenfalls unanwendbar, weil sie die Identität des Unternehmensträgers unberührt lässt. S. ferner Anh. zu § 21 und zu § 22
d) Anteilsübertragung. Kein Fall von § 25 liegt schließlich vor, wenn sämtliche Anteile an 45 einer Gesellschaft auf neue Gesellschafter übertragen werden; denn ein Wechsel des Unternehmensträgers findet hier ebenfalls nicht statt. Die Haftung der alten und neuen Gesellschafter richtet sich daher schlicht nach gesellschaftsrechtlichen Normen. Bei Personenhandelsgesellschaften bleibt die Haftung der Altgesellschafter daher in den Grenzen der §§ 128, 160, 171 ff bestehen. Die Neugesellschafter haften nach §§ 130, 173. 92 Ebenso Staub/Hüffer4 Rn 73; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 13; MünchKommHGB/Thiessen Rn 31.
93 BGHZ 48, 203 (206); BGHZ 50, 307 (309); OLG Frankfurt WM 1967, 103; Staub/Hüffer4 Rn 74; siehe auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 14.
94 Staub/Hüffer4 Rn 73; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35; K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2 (5); Waskönig, 143.
95 So aber RGZ 142, 300 (302); wie hier Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35 mwN. 96 Vgl. OLG Frankfurt DB 2005, 2519 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 36; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn. 14. 223
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4. Insolvenz 46 Veräußert der Insolvenzverwalter das Unternehmen des Gemeinschuldners, findet § 25 nach allgemeiner, wenngleich unterschiedlich begründeter Ansicht, keine Anwendung.97 Das gilt auch bei Veräußerung durch den Schuldner im Insolvenzverfahren bei angeordneter Eigenverwaltung.98 Kein ausreichender Grund hierfür ist, dass eine Veräußerung des Unternehmens mit sämtlichen Verbindlichkeiten, die zum Zusammenbruch des bisherigen Unternehmensträgers geführt haben, nur selten erreichbar ist;99 denn die Haftung kann gem. § 25 Abs. 2 ausgeschlossen werden. Vielmehr kann § 25 deswegen keine Anwendung finden, weil bei einer Übernahme der Unternehmensschulden durch den Erwerber eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger gefährdet würde.100 Der Grund für die Unanwendbarkeit des § 25 ist also ein genuin insolvenzrechtlicher,101 was zugleich ausschließt, die Unanwendbarkeit auf „ähnliche“ Fälle auszudehnen. § 25 bleibt daher anwendbar, wenn: das Unternehmen von einem Sequester veräußert wird;102 das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt wird;103 das insolvente Unternehmen außerhalb der Insolvenz veräußert wird.104 Die demgegenüber von Canaris vorgeschlagene teleologische Reduktion von § 25105 ist daher abzulehnen.106 § 25 Abs. 1 S. 1 greift daher auch ein, wenn der bisherige Inhaber vermögenslos oder insolvent war und ein Altgläubiger dies wusste.107
B. Der Gläubigerschutz bei Fortführung der Firma (Abs. 1 S. 1) I. Tatbestandliche Voraussetzungen der Erwerberhaftung 1. Bestehen eines Handelsgeschäfts 47 § 25 setzt das Bestehen eines Handelsgeschäfts voraus. Bezeichnet ist damit wie in § 22 (vgl. dort Rn 14 ff) ein Unternehmen als eigenständige (s. Rn 60) betriebsfähige Wirtschaftseinheit, die ihrem Inhaber das Auftreten am Markt ermöglicht. Das veräußerte Unternehmen muss kein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 sein, nämlich nicht in den Fällen des § 6 Abs. 2. Der bisherige Inhaber und der Erwerber müssen aber Kaufleute i.S.d. §§ 1 ff sein, weil § 25 von der Fortführung der Firma ausgeht (Rn 49 f, 64 ff) und das Recht zur Firmenführung nur Kaufleuten zukommt (§ 17 Rn 9). Zur Frage analoger Anwendung von § 25 o. Rn 36 ff. 97 Allg. M. BGH ZIP 2020, 263 = NZI 2020, 285 Rn 9 f m Anm Kluth; BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 mit Anm Emmerich; RGZ 58, 166; BAG AP BGB § 419 Nr. 7; BAG AP BGB § 613 a Nr. 85; K. Schmidt ZIP 1980, 328 (337); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41; MünchKommHGB/Thiessen Rn 36; BeckOK HGB/Bömeke Rn 18 mwN; LAG Hamm – 2 Sa 1395/15, ZIP 2016, 2167; OLG Stuttgart – 8 W 139/10, FGPrax 2010, 257 (258) mwN. 98 BGH Urt. v. 3.12.2019 – II ZR 457/18, NZI 2020, 285 m Anm Kluth; Kraack EWiR 2020, 101; Kaubisch/Hilpert BB 2020, 337; K. Schmidt JuS 2020, 463; Meller-Hannich LMK 2020, 428159; Heinze NZG 2010, 1060. 99 So aber etwa RGZ 58, 166 (168); BGHZ 104, 151 (154 f); GKzHGB/Steitz Rn 15. 100 BGH Urt. v. 3.12.2019 – II ZR 457/18, NZI 2020, 285, 286 (Rn. 13); BeckOK HGB/Bömeke Rn 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41 mwN. 101 BGH II ZR 313/87, NJW 1988, 1912 (1913) mwN; OLG Stuttgart – 8 W 139/10, FGPrax 2010, 257 (258). 102 BGHZ 104, 151 (155 ff). Was früher der Sequester war (§ 106 KO), ist heute der vorläufige Insolvenzverwalter. Ob die Entscheidung auch auf ihn zutrifft, wird mit beachtlichen Gründen bestritten, s. Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 11. 103 BGHZ 104, 151 (157); BGH NJW 1992, 911; Heymann/Förster Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43. 104 BGH DB 2006, 444 f; hierzu Lettl WM 2006, 2336; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 42. 105 Canaris FS Frotz, 1993, 11 (26 ff). 106 Näher MünchKommHGB/Thiessen Rn 37 mwN; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 43. 107 BGH NJW 2006, 1002. Burgard
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Vorausgesetzt ist, dass das Unternehmen im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs besteht. 48 Ein Unternehmen im Planungsstadium reicht nicht aus.108 Das Unternehmen besteht, solange es betriebsfähig ist. Wenn der bisherige Inhaber seine unternehmerische Tätigkeit vor der Übertragung eingestellt hat, genügt es für die Anwendung des § 25, dass ihre Wiederaufnahme auf Grund der fortdauernden Betriebsfähigkeit objektiv möglich ist.109 Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Grundlagen des Handelsgeschäfts, vor allem seine innere Organisation und die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden und Lieferanten noch in ausreichendem Maß intakt sind.110 Dies gilt auch dann, wenn mit der Liquidation des Unternehmens begonnen worden ist. Der Eintritt einer Handelsgesellschaft in das Liquidationsstadium berührt den Bestand des Unternehmens für sich genommen ohnehin nicht und steht deshalb der Anwendung des § 25 gleichfalls nicht im Wege. Wegen der Einzelheiten vgl. § 22 Rn 14 ff. Zur Veräußerung durch den Insolvenzverwalter s. Rn 46.
2. Führung einer Firma durch den bisherigen Inhaber Der Veräußerer muss eine Firma führen. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 25 (zur 49 analogen Anwendung der Vorschrift o. Rn 36 ff) muss der Veräußerer daher ein firmenfähiger Rechtsträger, also insbes. Einzelkaufmann oder Handelsgesellschaft sein (näher § 17 Rn 9 ff). Sind die Voraussetzungen des § 1 gegeben, ist es ist für die Anwendung des § 25 jedoch gleichgültig, ob die Firma eingetragen ist oder nicht.111 Auf eine Eintragung kommt es mithin namentlich in den Fällen des § 2 an. Dementsprechend steht auch eine Löschung der Firma im Handelsregister der Anwendung des § 25 nicht entgegen, soweit der Registervorgang nicht, wie in den Fällen des § 2, zugleich das Erlöschen des Handelsnamens bewirkt. Zur Frage unter welchen Voraussetzungen eine Firma geführt wird u. Rn 64 ff. Die Zulässigkeit der Firma spielt anders als bei § 22 (vgl. dort Rn 24) keine Rolle.112 Die 50 Rechtswirkungen des § 25 können also auch dann eintreten, wenn die Firmenführung mit den §§ 18 ff nicht in Einklang stand, das Namensrecht eines anderen verletzte oder gegen Vorschriften des Kennzeichnungsrechts verstieß.113 Das ist sachgerecht, weil die Verkehrserwartung, der § 25 Rechnung tragen will, nicht von der Rechtmäßigkeit der Firmenführung abhängt.
3. Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden a) Allgemeines. § 25 fordert einen Erwerb des Handelsgeschäfts unter Lebenden. Die Haftung 51 der Erben bei Geschäftsfortführung ist in § 27 gesondert geregelt. Um einen Erwerb unter Lebenden handelt es sich freilich auch bei einem Auseinandersetzungsvertrag unter Miterben;114 denn der Erwerb beruht in diesem Fall nicht auf erbrechtlicher Gesamtnachfolge, sondern auf dem Vertrag (näher § 27 Rn 103). Auch der Erwerb aufgrund eines Vermächtnisses fällt unter § 25; denn von Todes wegen wird nur der Anspruch erworben, während seine Erfüllung durch 108 OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (22); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3. 109 BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 mit Anm Emmerich; OLG Oldenburg WM 1985, 1415 (1417); BGH NJW 1987, 1633 = WuB IV D § 25 HGB 1.87 mit Anm.Hüffer; OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 315 = EWiR § 25 HGB 1/91 mit Anm Demharter; OLG München BB 1996, 1682 (1683); Anm Bracker BB 1997, 114; OLG Bremen NJW-RR 1989, 423. 110 BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 mit Anm. Emmerich; OLG München BB 1996, 1682 (1683), Anm. Bracker BB 1997, 114; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 21. 111 OLG Hamm – I-2 U 29/17, NZG 2018, 33; OLG Zweibrücken – 3 W 84/13, NJW-RR 2014, 672 (673); siehe OLG Schleswig – 2 W 30/10, FGPrax 2010, 253 (254): wonach verbleibende Zweifel hinsichtlich der Kaufmannseigenschaft der Eintragung eines Haftungsausschlusses nicht entgegenstehen. 112 RGZ 113, 308; BGHZ 22, 234; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 7. 113 BGHZ 22, 234 (237). 114 RGZ 149, 25 (27). 225
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Rechtsgeschäft unter Lebenden erfolgt (näher § 27 Rn 29, 104 ff). Liegt ein Erwerb unter Lebenden vor, findet § 25 gleichwohl keine Anwendung, wenn das Gesetz Gesamtrechtsnachfolge vorsieht (Rn 42 ff) oder § 28 anzuwenden ist (dazu Rn 41). Abseits von diesen Fällen ist der Rechtsgrund des Erwerbs unerheblich. Neben dem Regelfall des Erwerbs aufgrund eines Kaufvertrages kommt etwa ein Erwerb aufgrund Tausch, Schenkung,115 Treuhandvertrag116 oder Vergleich117 in Betracht.
52 b) Zeitlich beschränkter Unternehmenserwerb. Bildet ein Nießbrauch, ein Pachtvertrag oder ein ähnliches Verhältnis die Grundlage des Erwerbs, wird der neue Inhaber nicht endgültig, sondern nur zeitlich beschränkt zum Unternehmensträger. Auch in Fällen dieser Art findet § 25 Anwendung,118 obwohl die Bestimmung anders als § 22 Abs. 2 den zeitlich beschränkten Unternehmenserwerb nicht erwähnt. Für die Geltung des § 25 spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Vorschrift; denn nach ausdrücklicher Auskunft der Denkschrift (S. 39) haftet der die Firma des Verpächters fortführende Pächter für dessen Geschäftsschulden. Ein zusätzliches Argument folgt aus der Überlegung, dass es für den Erwerb des Unternehmens als einer Wirtschaftseinheit ohnehin nicht in erster Linie auf die Verschaffung von Eigentum an den Bestandteilen des Unternehmensvermögens ankommt, sondern auf die Einweisung in den Tätigkeitsbereich als den Unternehmenskern. Der entscheidende Gesichtspunkt liegt allerdings im Zweck des § 25; denn Gläubiger und Schuldner können nicht erkennen, ob der Unternehmenserwerb nur zeitlich beschränkt erfolgt. Deswegen entsteht in diesem Fall die gleiche Rechtsunsicherheit, die die Vorschrift beseitigen will, wie im Fall des zeitlich nicht beschränkten Erwerbs. Die Anwendbarkeit des § 25 ist deshalb zu Recht fast allgemein anerkannt.119 53 Auch auf den Rückerwerb bei Beendigung des Vertragsverhältnisses ist § 25 anzuwenden; denn für den Schutz außenstehender Dritter vor Inanspruchnahme der falschen Partei als Schuldner oder vor Leistung an die falsche Partei als Gläubiger (vgl. Rn 29) ist auch dies ein Erwerbsfall wie jeder andere. Im Falle einer Kündigung seitens des Pächters fehlt allerdings ein vertraglicher Rahmen für die Vereinbarung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2. Indes kann der Verpächter den Haftungsausschluss vorsorglich bei Abschluss des Pachtvertrages vereinbaren,120 so dass auch dieser Aspekt selbst dann nicht der Anwendbarkeit von § 25 entgegensteht, wenn man nicht der hier vertretenen Auffassung zum Vorliegen einer abweichenden Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 folgt (s.u. Rn 124 ff).
54 c) Weiterverpachtung. Wird das Unternehmen ohne Rückerwerb des Verpächters von diesem weiterverpachtet, soll der weitere Pächter als Nachfolger des bisherigen Pächters ebenfalls nach
115 RAG HRR 1933, 1665; BGH NJW 1987, 1633 = WuB IV D § 25 HGB 1.87 mit Anm. Hüffer; OLG Oldenburg WM 1985, 1415 (1417).
116 RGZ 99, 158; bei offener Treuhand BGH NJW 1982, 1647 (1648); demgegenüber nicht bei verdeckter Treuhand OLG Stuttgart BB 1987, 2184 (2185); aA Henckel FS Heinsius 1991, S. 261 (274 f). 117 RGZ 149, 25 (28). 118 BGH NJW 1982, 1647; BGH NJW 1984, 1186 (1187); OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (23); Brockmeier, 119 f; Deschler, 137 f; Staub/Hüffer4 Rn 81; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 24; Hopt/Merkt Rn 4; Heymann/Förster Rn 21; aA Schricker ZGR 1972, 121 (153 Fn 128); Binz/Rauser BB 1980, 897 (898 f). 119 RGZ 133, 321 f; RGZ 149, 25; KG DJZ 1906, 86; OLG Dresden SächsOLG 40, 254; OLG Köln LZ 1916, 487; OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (23); LG Göttingen NdsRpfl. 1956, 167; BGH NJW 1982, 1647; BGH NJW 1984, 1186 (1187); OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (23); Brockmeier, 119 f; Deschler, 137 f; Staub/Hüffer4 Rn 81; Hopt/Merkt Rn 4; Heymann/Förster Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 26; aA Schricker ZGR 1972, 121 (153 f); Binz/Rauser BB 1980, 897 (898 f). 120 RGZ 133, 318 (323); MünchKommHGB/Thiessen Rn 46; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 25; Brockmeier, 138 f; Muschalle, 190. Burgard
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§ 25 Abs. 1 S. 1 haften.121 Das Gleiche soll bei Auswechselung des Franchisenehmers gelten.122 Das ist deswegen problematisch, weil es dabei an einer vertraglichen Beziehung zwischen dem neuen und dem bisherigen Pächter (bzw. Franchisenehmer) fehlt (s. auch Rn 56), so dass die Abdingbarkeit der Haftung erheblich erschwert wird, wenn man mit dem BGH123 hierfür eine Vereinbarung zwischen dem alten und dem neuen Pächter verlangt; denn an dem Abschluss einer solchen Vereinbarung hat der alte Pächter für gewöhnlich kein Interesse.124 Ohne die (realistische) Möglichkeit eines Haftungsausschlusses gerät indes der Tatbestand des § 25 aus den Fugen (vgl. Rn 22, 30, 34). Mit der herrschenden Lehre wird man daher zumindest in solchen Fällen (i.E. weitergehend Rn 125 f) einen einseitigen Haftungsausschluss zulassen müssen, der dann den formalen Anforderungen des § 25 Abs. 2 genügen muss.125 Zur Weiterveräußerung u. Rn 62.
d) Unwirksamkeit des Erwerbsgeschäfts. Ungültigkeit des Erwerbsgeschäfts steht der An- 55 wendung des § 25 ebenfalls nicht entgegen, und zwar gleichgültig, ob sich der Wirksamkeitsmangel auf das Verpflichtungs- oder die einzelnen Erfüllungsgeschäfte oder auf beide bezieht. Diesem von der h.M.126 getragenen Grundsatz ist entgegen zunehmend kritischer Stimmen127 beizupflichten, weil der Verkehr Mängel des Innenverhältnisses zwischen Veräußerer und Erwerber nicht erkennen kann und § 25 den Verkehr von diesbezüglichen Nachforschungen gerade freistellen will (vgl. auch Rn 52). Das bedeutet freilich umgekehrt: Kennt ein Altgläubiger die Unwirksamkeit, ist er nicht schutzwürdig (vgl. auch Rn 141).128 Außerdem fehlt es an einer Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erwerber, wenn das Handelsgeschäft aufgrund der Unwirksamkeit des Erwerbs alsbald an den bisherigen Inhaber zurückübertragen wird (Rn 62).129 Der schwerwiegendste Einwand gegen die hM ist, der Erwerber sei bei einem unwirksamen Erwerbsgeschäft nicht nur dem Risiko der Insolvenz des Veräußerers im Blick auf die vereinbarte Gegenleistung, sondern auch im Blick auf Regressansprüche, die ihm bei Tilgung von Altverbindlichkeiten zustehen, ausgesetzt. Zu überzeugen vermag dieser Einwand freilich aus mehreren Gründen nicht. Erstens muss der Erwerber das zuletzt genannte Risiko nur tragen, wenn keine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 getroffen und kundgemacht wurde, wobei es auf deren Wirksamkeit wiederum nicht ankommt130 (näher Rn 126). Wurde keine abweichende Vereinbarung kundgemacht, kommt es zweitens nach allgemeinen Regeln auf das 121 BGH NJW 1984, 1186 (1187); Brockmeier, 149 f; K. Schmidt NJW 1984, 1187; Wilhelm NJW 1986, 1797; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27; kritisch Heymann/Förster Rn 22, 18 f; Huber FS Raisch 1995, 98 f. 122 OLG Düsseldorf DB 1992, 833. 123 NGH NJW 1984, 1186 (1187); zustimmend Brockmeier, 156 ff. 124 Näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28. 125 Wilhelm NJW 1986, 1797 (1798); Muschalle, 195 f; MünchKommHGB/Thiessen Rn 50; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 32 a.E.; Canaris FS Frotz 1993, 11 (31); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; wohl auch Huber FS Raisch, 1995, 99. 126 RGZ 93, 227 f; RGZ 149, 25 (28); BGHZ 18, 248 (251 f) = LM § 25 HGB Nr. 4 m Anm Delbrück; BGHZ 22, 234 (239); BGHZ 31, 321 (328) = NJW 1960, 621; OLG Düsseldorf NJW 1963, 545; OLG Nürnberg BB 1970, 1193; OLG Frankfurt NJW 1980, 1397; Hopt/Merkt Rn 5; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6; Staub/Hüffer4 Rn 39 f; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 10; U. Huber FS Raisch, 1995, 85 (97); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4b; BeckOK HGB/ Bömeke Rn 29; Heymann/Förster Rn 25. 127 MünchKommHGB/Thiessen Rn 53; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 32 ff; Düringer/Hachenburg/ Hoeninger Anm. 20; Pahl, 234; Straube/Schuhmacher Rn 6; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6; außerdem insbes. Canaris Vertrauenshaftung, 186 f; ders. Handelsrecht § 7 Rn 24; Schricker ZGR 1972, 121 (154) stellt allein auf die Wirksamkeit der dinglichen Geschäfte ab; Heckelmann FS Bartholomeyczik, 1973, 129 (145 f) lässt den unwirksam Erwerbenden beschränkt mit dem übernommenen Vermögen haften. 128 Heymann/Förster Rn 25 a.E.; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4e. 129 Anders OLG Düsseldorf NJW 1963, 545; Hopt/Merkt Rn 5; wie hier Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10. 130 MünchKommHGB/Thiessen Rn 53; zurückhaltend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82. 227
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Innenverhältnis an, ob dem Erwerber ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den Veräußerer zusteht.131 Steht ihm ein Rückgriffsanspruch zu, trägt er stets, d.h. nicht nur in Fällen der hier fraglichen Art, das Insolvenzrisiko. Im Blick hierauf ist er drittens in den vorliegenden Fällen sogar in gewisser Weise besser abgesichert. Verlangt nämlich der Insolvenzverwalter Herausgabe, kann sich der Erwerber in Höhe der getilgten Verbindlichkeiten entweder auf einen Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen oder etwa im Falle eines Rücktritts Erfüllung seiner Ansprüche Zug-um-Zug verlangen (§ 348 BGB).132 Mithin ist der Erwerber gerade in den vorliegenden Fällen dem Insolvenzrisiko des Veräußerers keineswegs schutzlos ausgeliefert. An der herrschenden Meinung ist mithin festzuhalten. Weitere Ausnahmen sind nur in zwei Fällen zu machen, nämlich erstens, wenn die Nichtigkeit auf Bestimmungen beruht, die dem Schutz des Erwerbers dienen (z.B. §§ 104 ff, 123 BGB)133 und zweitens, wenn die Erwerberhaftung dem Zweck eines gesetzlichen oder behördlichen Veräußerungsverbots zuwiderliefe (z.B. fehlende Devisengenehmigung).134 Abgesehen davon ist ein Verstoß gegen §§ 134, 138 BGB jedoch unerheblich, ebenso Geschäftsunfähigkeit des Veräußerers oder wirksame Anfechtung.135 Verbindlichkeiten des Veräußerers, die wegen seiner Geschäftsunfähigkeit nichtig sind, werden freilich nicht durch Anwendung des § 25 wirksam; der Erwerber haftet aber für die im Betrieb des Geschäfts begründeten Bereicherungsschulden.136
56 e) Fehlen eines Erwerbsgeschäfts. Nach der Rechtsprechung kommt es schließlich überhaupt nicht auf das Vorliegen eines Erwerbsgeschäfts zwischen dem bisherigen und dem neuen Inhaber an.137 Das ist nach dem zuvor Gesagten folgerichtig. Die hiergegen vorgebrachten Bedenken138 überzeugen nicht. Richtig ist zwar, dass § 25 Abs. 1 S. 1 den Erwerb und die Fortführung eines bestehenden Handelsgeschäfts voraussetzt. Die Neugründung eines Unternehmens unter einer ähnlichen oder gleichen Firma erfüllt diese Voraussetzungen nicht. An dem Unternehmenserwerb muss der bisherige Inhaber aber nicht als Veräußerer beteiligt sein. Der Terminus „Erwerb“ ist rechtsgrundneutral (Rn 51) und muss nicht als derivativer Erwerb verstanden werden.139 Allerdings genügt es nicht, dass der Erwerber einzelne Betriebsmittel (etwa Geschäftsräume, Material und Mitarbeiter) des bisherigen Inhabers übernimmt. Das sind vielmehr nur Indizien für eine Unternehmensfortführung. Entscheidend ist, dass die wesentlichen Grundlagen des Handelsgeschäfts noch intakt sind (Rn 47 f) und insoweit übernommen werden, dass der Erwerber als geschäftlicher Nachfolger des bisherigen Inhabers angesehen werden kann (Rn 57 ff, 61 ff). Überdies setzt § 25 im Ausgangspunkt voraus, dass zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 getroffen werden kann. Abweichende Vereinbarung ist jedoch als abweichender Parteiwille zu verstehen, der bereits vorliegt, wenn die Parteien keinen Übergang von Verbindlichkeiten und Forderungen vereinbart haben (u. Rn. 125), was jede von ihnen alleine kundtun kann (Rn 126).140 Muss kein
131 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32. 132 Vgl. BGHZ 150, 353 (359); MünchKommInsO/Huber § 103 Rn 86; HK-InsO/Marotzke § 103 Rn 33; FK-Wegener § 103 Rn 30; Nerlich/Römermann/Balthasar § 103 Rn 15. 133 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Heymann/Förster Rn 23; ähnlich Canaris Handelsrecht § 7 Rn 24. 134 BGHZ 18, 248 = LM § 25 HGB Nr. 4 m Anm Delbrück; wohl aA BeckOK HGB/Bömeke Rn. 30. 135 OLG Düsseldorf NJW 1963, 545. 136 RGZ 93, 227 f. 137 BGHZ 22, 234 (239); BGH WM 1984, 474; BGH WM 1985, 1475; BGH WM 1992, 55 (56); LAG Rheinland-Pfalz – 2 Sa 512/17, Beck RS 2018, 29068; vgl. auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 31. 138 MünchKommHGB/Thiessen Rn 43 mwN; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9. 139 Siehe VGH Mannheim – 2 S 1501/16, BeckRS 2016, 111610 mwN. 140 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 45; Canaris FS Frotz, 1992, 11 (29, 31); Wilhelm NJW 1986, 1797 (1798); im Ergebnis ebenso K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 75 f. Burgard
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Erwerbsgeschäfts zwischen dem bisherigen und dem neuen Inhaber vorliegen, bedarf es insofern auch keiner ergänzenden Rechtsscheinhaftung.141
f) Erwerb des Unternehmenskerns. Ebenso wie bei § 22 (dort Rn 17 ff) wird man auch hier 57 verlangen müssen, dass der Kern des Unternehmens erworben wird.142 Hier folgt das freilich aus anderen Erwägungen, nämlich zuvörderst daraus, dass die Verkehrserwartungen, denen das Gesetz Rechnung tragen will, gerade dadurch begründet werden, dass der Erwerber die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers antritt (Rn 61), wozu er nur bei Erwerb des Unternehmenskerns in der Lage ist. Zudem gilt es Wertungswidersprüche zwischen § 25 und § 22 zu vermeiden. Aus Sicht des Rechtsverkehrs muss sich der Sachverhalt daher als Weiterführung des Unternehmens in seinem wesentlichen Bestand darstellen.143 Übernommen werden müssen mithin die Teile, die den nach außen in Erscheinung tretenden Tätigkeitsbereich bestimmen.144 Dazu gehören die Übernahme der Geschäftsräume,145 von Kunden- und Lieferantenbeziehungen,146 von Warenbeständen, von Teilen des Personals.147 Das Vorliegen nur eines dieser Merkmale reicht grundsätzlich nicht aus, schon gar nicht allein die gleiche Fax- und Telefonnummer,148 auch nicht bei Nutzung der gleichen Büroräume.149 Der bloße Anschein eines Geschäftsübergangs genügt nicht. Allenfalls kommt in solchen Fällen eine Rechtscheinhaftung in Betracht (Rn 158 f). Die für den Rechtsverkehr erkennbare Eigenart des Betriebs muss erhalten bleiben. Ist dies gegeben, dann ist § 25 auch dann anwendbar, wenn einzelne Vermögensbestandteile oder Betätigungsfelder nicht übernommen werden,150 selbst wenn es sich um die wertvolleren Teile des Unternehmens handelt151 oder der Veräußerer mit den ihm verbleibenden Teilen ein Geschäft fortführt.152
g) Veräußerung eines von mehreren Unternehmen oder einer Zweigniederlassung. Be- 58 treibt der Veräußerer als Einzelkaufmann mehrere Unternehmen mit selbständigen Hauptniederlassungen, so ist § 25 anzuwenden, wenn eines der Unternehmen veräußert wird und der Erwerber die Firma fortführt. Dies gilt, wenn für die mehreren Unternehmen mehrere Firmen gebildet sind (s. Vor § 17 Rn 39 ff), ist aber auch dann richtig, wenn der Veräußerer nur eine 141 Aufgrund seiner abweichenden Auffassung folgerichtig anders MünchKommHGB/Thiessen Rn 125 f., wonach zwischen dem Rechtsschein der Firmenfortführung und dem Rechtsschein der Unternehmensfortführung zu trennen ist. 142 RGZ 169, 133 (136); BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 mit Anm Emmerich; OLG München BB 1996, 1682 (1683); Anm Bracker BB 1997, 114; BGHZ 18, 248 (250); BGH NJW 1982, 1647 f.; LG Hamburg – 327 O 434/13, BeckRS 2016, 19561; BGH – II ZR 229/08, NZG 2010, 112; BGH – VIII ZR 321/08, DStR 2009, 2440 (2442); BeckOK HGB/Bömeke Rn 27. 143 BGH DB 2006, 444 (445); OLG München BB 1996, 1682 (1683); Anm Bracker BB 1997, 114; BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 mit Anm Emmerich; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, OLGR Naumburg 1998, 389; LAG Rheinland-Pfalz – 2 Sa 512/17, BeckRS 2018, 29068; OLG Köln – 19 U 127/13, BeckRS 2014, 10932; zum Erwerb nur einzelner Gegenstände vom Insolvenzverwalter siehe: OLG Stuttgart – 8 W 139/10, FGPrax 2010, 257 (258). 144 RGZ 169, 133 (136); OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 965. 145 OLG Düsseldorf NZG 2005, 177. 146 BGH NJW 1986, 581; OLG Celle MDR 1994, 263 f; OLG Schleswig NJW-RR 2004, 421. 147 BGH NJW 2006, 1002 = BGH DB 2006, 444 (445); OLG München BB 1996, 1682 (1683); Anm Bracker BB 1997, 114; bei Gaststätten soll dem OLG Düsseldorf zufolge allerdings grundsätzlich die Übernahme der Gaststättenräume notwendig sein. 148 OLG Hamm NJW-RR 1995, 735. 149 OLG Köln OLGR 2004, 267 (268). 150 RGZ 169, 133 (136); BGH NJW 1992, 911 = WuB IV D § 25 HGB 3.92 m Anm Emmerich; OLG Nürnberg BB 1970, 1193. 151 RGZ 169, 133 (137); vgl. ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn. 27; aA OLG Koblenz NJW-RR 2006, 408. 152 OLG Hamm ZIP 1998, 2092 (2093). 229
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Firma hat und die Firma für das ihm verbliebene Unternehmen (neben dem Erwerber) weiter verwendet;153 denn auf die Zulässigkeit der Firmenfortführung kommt es nicht an (Rn 69). 59 Ist das Unternehmen in Haupt- und Zweigniederlassung gegliedert, so genügt für die Anwendung des § 25 der Erwerb der Haupt- oder einer Zweigniederlassung (zur Zulässigkeit der Firmenfortführung § 22 Rn 19). Das folgt für die Zweigniederlassung aus deren relativer Selbstständigkeit.154 Die Rechtswirkungen des § 25 beschränken sich in diesem Fall freilich auf die in dem Betrieb der erworbenen Haupt- oder Zweigniederlassung begründeten Verbindlichkeiten.155 Einzelfälle: Der Erwerber haftet bei Fortführung der in Hamburg gelegenen Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit Sitz in Weimar nicht für die Verbindlichkeiten einer anderen Gesellschaftsfiliale in Erfurt, und zwar auch dann nicht, wenn der Erwerber eine OHG mit den gleichen Gesellschaftern ist.156 Die Beschränkung einer Prokura auf eine Zweigniederlassung schließt nicht aus, dass der Dienstvertrag des Prokuristen und damit seine Vergütungsansprüche im Betrieb der Hauptniederlassung begründet sind.157 60 Schwierigkeiten bereiten kann die Abgrenzung zwischen Zweigniederlassungen und anderen Unternehmensgliederungen, denen die erforderliche Eigenständigkeit fehlt. Doch handelt es sich dabei nicht um ein spezifisches Problem des § 25, sondern um die richtige Erfassung des Zweigniederlassungsbegriffs; vgl. dazu § 13 Rn 19 ff. Namentlich kommt es auf die Eigenständigkeit nach außen und die entsprechende Organisation an. So genügt es für die Anwendung des § 25, wenn eine als nach außen selbstständiges Maklerunternehmen tätige und entsprechend organisierte Betriebseinrichtung übertragen wird, weil sie Zweigniederlassung ist.158 Umgekehrt mögen die Beteiligten eine betriebliche Einrichtung ohne Buch- und Kassenführung und ohne Bankverbindung Zweigniederlassung nennen; sie ist es nicht, weil ihr die erforderliche Organisation in sachlicher Hinsicht abgeht, und wird es auch nicht durch eine zu Unrecht erfolgte Eintragung im Handelsregister. Ihr Erwerb bietet deshalb keine Basis für die Anwendung des § 25.159
4. Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erwerber 61 Nach dem Wortlaut von § 25 Abs. 1 S. 1 genügt es – anders als nach § 22 Abs. 1 (dort Rn 106 f) – nicht, dass jemand ein Unternehmen erwirbt. Er muss es auch fortführen.160 Das ist konsequent; denn die Verkehrserwartungen, denen das Gesetz Rechnung tragen will, werden gerade dadurch begründet, dass der Erwerber die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers antritt. Das Erfordernis der Unternehmensfortführung kann auch nicht durch die Fortführung der Firma ersetzt werden, weil darin nach Wortlaut und Sinn des Gesetzes eine eigenständige zusätzliche Haftungsvoraussetzung liegt. Fortführen bedeutet eine nach außen in Erscheinung tretende Betätigung, durch die für den Rechtsverkehr erkennbar wird, dass der Erwerber die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers angetreten hat. Dafür spricht etwa die Vornahme von 153 OLG Hamm ZIP 1998, 2092. 154 S. Hopt/Merkt Rn 6. 155 RGZ 64, 129 (132); RGZ 77, 60 (63 f); RGZ 116, 284; RG Warneyer 1937 Nr. 67; RGZ 169, 133 (139); BGH BB 1963, 747; BGH DB 1979, 1033; KG OLGR 4, 146; OLG Hamburg HRR 1929 Nr. 1028; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 68 ff.; BeckOK HGB/Bömeke Rn 20. 156 BGH BB 1963, 747. 157 RAG 17, 324. 158 BGH WM 1979, 576. 159 I.E. BGH NJW 1972 1859. 160 RGZ 169, 133 (136); BGHZ 18, 248 (250); BGH – VIII ZR 192/06, NJW-RR 2009, 820 (821); BGH – III ZR 116/11, NZG 2012, 916 (917); OLG Nürnberg BB 1970, 1193; OLG Zweibrücken – 3 W 84/13, NJW-RR 2014, 672 (673); OLG Stuttgart – 8 W 139/10, FGPrax 2010, 257 (258); MünchKommHGB/Thiessen Rn 57 f.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 46; Hopt/Merkt Rn 6. Burgard
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Handlungen, die in der Regel dem Geschäftsinhaber obliegen,161 die Entfaltung der gleichen Geschäftstätigkeit, die Übernahme von im Rechtsverkehr für das Unternehmen auftretenden Mitarbeitern, vergleichbare Werbemaßnahmen, der Gebrauch desselben Fuhrparks, die Nutzung derselben Geschäftsräume und die Beibehaltung des Telefonanschlusses.162 Zum Tragen kommen hier somit die gleichen bzw. ähnliche Merkmale wie für die Frage des Erwerbs des Unternehmenskerns (Rn 57). Einzelne solcher Maßnahmen reichen mithin auch für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals nicht aus, wohl aber: im Wesentlichen gleiche Geschäftstätigkeit, gleiche Geschäftsräume, gleicher Telefonanschluss.163 Maßgeblich ist das gesamte objektive Erscheinungsbild nach außen im konkreten Einzelfall.164 Unerheblich ist der subjektive Wille des neuen Inhabers. Auch der bloße Rechtsschein einer Unternehmensfortführung reicht nicht aus.165 In Betracht kommt dann allerdings eine Rechtsscheinhaftung des Erwerbers (Rn 158 f). Keine Fortführung des Handelsgeschäfts i.S.d. § 25 liegt vor, wenn das Unternehmen als- 62 bald in eine Gesellschaft eingebracht wird166 (dann ist allerdings § 28 zu prüfen, Rn 41), alsbald weiterveräußert oder weiterverpachtet wird (dann kann allerdings der Zweiterwerber nach § 25 haften) oder – etwa wegen Unwirksamkeit des Erwerbsgeschäfts – an den Veräußerer zurückübertragen wird (dann haftet dieser nach wie vor)167 oder der Geschäftsbetrieb alsbald eingestellt wird.168 Ebenso wenig liegt eine Fortführung des Handelsgeschäfts vor, wenn der Erwerber das Geschäft alsbald wesentlich umgestaltet, also etwa neue Geschäftsräume anmietet, die Werbung umgestaltet, die nach außen auftretenden Mitarbeiter austauscht oder mit anderen Aufgaben betraut und insbes. die Geschäftstätigkeit wesentlich verändert (also erheblich einschränkt, erweitert oder sonst erheblich umgestaltet). Maßgeblich ist auch insofern eine Gesamtbetrachtung im Einzelfall. Bei Gaststätten bspw. gehören die Gaststättenräume zum Kern des Unternehmens, weil sie durch Art, Größe, Lage und Ausstattung ganz entscheidend das Bild bestimmen, das sich der Besucher von dem Betrieb macht.169 Eine bloß allmähliche Umgestaltung des Unternehmens reicht freilich nicht aus. Vielmehr muss der Bruch mit der geschäftlichen Tradition des früheren Inhabers ebenfalls alsbald vorgenommen werden und nach außen deutlich hervortreten. Damit stellt sich die bisher wenig diskutierte Frage, binnen welcher Frist die vorgenannten Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Anwendung von § 25 auszuschließen. Insofern wird man sich an der Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 S. 1 – freilich ohne dessen starre zeitliche Begrenzung – orientieren können.170 Eine Eingliederung des erworbenen Handelsgeschäfts in ein bereits bestehendes Unter- 63 nehmen des Erwerbers hindert das Eingreifen von § 25 nicht grundsätzlich. Zwar müssen sich die erworbenen Wirtschaftsgüter zum Zeitpunkt des Erwerbs als eigenständige betriebsfähige Wirtschaftseinheit darstellen (Rn 47, 60), die Eigenständigkeit muss aber im Rahmen der Fortführung nicht aufrecht erhalten werden. Auch nach außen hin muss das erworbene Unternehmen nicht mehr als selbständig hervortreten.171 Es muss jedoch erkennbar bleiben, dass der neue Inhaber die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers angetreten hat (Rn 61). An161 RGZ 143, 368 (371); RGZ 169, 133 (140). 162 BGH NJW 1986, 581 f; OLG Bremen NJW-RR 1989, 423; OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 424 (425); RGZ 169, 133 (137); Commandeur, 139. 163 BGH DStR 2006, 476; OLG Düsseldorf NJW-RR 2000, 332; differenzierend OLG Köln MDR 2004, 1125. 164 Vgl. BGH – III ZR 116/11, VuR 2012, 482 (483). 165 Vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 870; MünchKommHGB/Thiessen Rn 126; ferner etwa Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 5; aA OLG Frankfurt NJW 1980, 1398. 166 RGZ 143, 368 (371); RGZ 169, 133 (140). 167 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4e. 168 MünchKommHGB/Thiessen Rn 55; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer Rn 46. 169 OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 965. 170 Es finden sich meist nur allgemeine Formulierungen wie „alsbaldig“, MünchKommHGB/Thiessen Rn 55 und Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 46a; „kurz nach dem Erwerb“, Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; oder „umgehend“, Hopt/Merkt Rn 6. 171 So OLG Frankfurt OLGR 2001, 67; MünchKommHGB/Thiessen Rn 56; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15. 231
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ders gewendet darf die Eingliederung nicht zu einem Bruch mit der nach außen hervortretenden geschäftlichen Tradition des bisherigen Inhabers führen (Rn 62). Die vorgenannten Maßstäbe gelten also ungeschmälert.172 Namentlich reicht die bloße Fortführung der Firma nicht aus; denn dies ist ein eigenständiges, zusätzliches Tatbestandsmerkmal.
5. Fortführung der Firma 64 a) Firma. Das Gesetz verlangt die Fortführung der Firma durch den Erwerber. Gemeint ist die Firma als Handelsname des Kaufmanns oder Name der Gesellschaft i.S.d. § 17. Die Weiterverwendung einer Geschäftsbezeichnung (§ 17 Rn 15 ff) genügt demnach für § 25 grundsätzlich nicht;173 und zwar auch nicht im Rahmen einer analogen Anwendung von § 25 (Rn 39).174 Daran ist festzuhalten. Zwar mag dem Verkehr der Unterschied zwischen Firma und Geschäftsbezeichnung nicht bewusst sein (s. Rn 67). Die Fortführung der Firma ist jedoch teleologisch essentiell. Während nämlich Geschäftsbezeichnungen lediglich unternehmensbezogen sind, ist die Firma inhaberbezogen, bezeichnet also den Unternehmensträger. Schuldner der Verbindlichkeiten, für die der Erwerber nach § 25 Abs. 1 S. 1 haftet, ist aber mangels Rechtsfähigkeit nicht das Unternehmen, sondern der Unternehmensträger. Nur an die Firma kann der Verkehr daher die Erwartung knüpfen, ihr jeweiliger Inhaber sei Schuldner (Rn 9, 29). Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit einer Weiterverwendung von Geschäftsbezeichnungen kommen allerdings nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung zwei Ausnahmen in Betracht. Zum einen gibt es Fälle, in denen der bisherige Inhaber eine Geschäftsbezeichnung firmenmäßig verwendet hat, d.h. selbst unter der Geschäftsbezeichnung im Verkehr aufgetreten ist. Das kommt nicht nur bei Kleingewerbetreibenden vor (dazu bereits o. Rn 39), sondern auch bei Kaufleuten, wenn sie damit gegen ihre Firmenführungspflicht verstoßen (vgl. Rn 65 f).175 Führt der Erwerber eine solche firmenmäßig verwendete Geschäftsbezeichnung als eigene Firma (also nicht bloß als Geschäftsbezeichnung) fort, so greift § 25 ein.176 Zum anderen gibt es aber auch den umgekehrten Fall, in dem die Firma des früheren Inhabers bzw. deren Kern als bloße Geschäftsbezeichnung weitergeführt wird (aus der Firma „XYZ GmbH“ wird „XYZ“ als Bezeichnung der übernommenen Gaststätte weiterverwendet). Das ist nach dem zuvor Gesagten richtigerweise kein Fall des § 25;177 denn die Firma des früheren Inhabers wird von dem Erwerber gerade nicht fortgeführt. Das ist auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Erwerber als Kleingewerbetreibender selbst gar keine Firma führt. Vielmehr ist in diesem Fall eine analoge Anwendung von § 25 gerade ausgeschlossen (s. Rn 39 und Rn 65).178 Zur Abgrenzung zwischen der Führung einer Firma und der Verwendung sonstiger Bezeichnungen s. Rn 67.
172 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 46. 173 RGZ 145, 274 (278 f); BGH DB 1964, 129; BGH DB 1964, 1297; OLG Brandenburg MDR 1998, 1299 (1300); OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 965; LG Leipzig – 7 O 3974/09, BeckRS 2010, 16562; LG Bonn NJW-RR 2005, 1559; vgl. aber OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 315 für den firmenmäßigen Gebrauch einer Geschäftsbezeichnung; OLG Brandenburg – 7 U 44/19, NZG 2020, 1153 (1154); FG Münster – 8 K 2496/06, BeckRS 2009, 26027131; FG Münster – 4 K 562/ 09, DStRE 2013, 1393; LG Aachen – 6 S 226/08, BeckRS 2009, 26989; OLG Köln – 20 U 134/10, NZG 2012, 188; BGH – II ZR 140/13, NZG 2014, 459; BFH – VII R 46/13, MittBayNot 2015, 58; OLG Saarbrücken – 5 W 73/17, NZG 2018, 349 f mwN; aus der Lit. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 47; GKzHGB/Steitz Rn 11; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 37; aA K. Schmidt JuS 1997, 1069 ff. 174 BGH – II ZR 140/13, NZG 2014, 459; OLG Brandenburg – 7 U 44/19, NZG 2020, 1153 (1154); FG Münster – 8 K 2496/06, BeckRS 2009, 26027131; FG Münster – 4 K 562/09, DStRE 2013, 1393; LG Leipzig – 7 O 3974/09, BeckRS 2010, 16562; OLG Köln – 20 U 134/10, NZG 2012, 188. 175 Als Beispiel mag der Fall BGH WM 1991, 1078 dienen, s. dazu aber auch § 37 Rn 16 ff. 176 Vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 733 (734); OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 965. 177 AA OLG Düsseldorf GmbHR 1991, 315 (316). 178 Vgl. LG Bonn NJW-RR 2005, 1559. Burgard
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b) Bisherige Firma. Der Erwerber muss die „bisherige“ Firma fortführen. Das ist die Firma 65 desjenigen, der das Handelsgeschäft zuletzt geführt hat. Das ist in der Regel der Veräußerer, kann aber bei Zwischenverkauf (s. Rn 62) auch dessen Rechtsvorgänger oder etwa ein vorheriger Pächter (vgl. Rn 54) sein. Welche Firma der bisherige Inhaber geführt hat, ergibt sich regelmäßig aus dem Handelsregister. Ist der bisherige Inhaber nicht im Handelsregister eingetragen (vgl. Rn 49), kommt es darauf an, welche Firma er tatsächlich geführt hat (vgl. Rn 66). Weicht die eingetragene Firma des bisherigen Inhabers von der Firma ab, die er tatsächlich geführt hat, kommt es nach dem Sinn und Zweck von § 25 auf die tatsächlich geführte Firma an.179 Ist er unter beiden Firmen aufgetreten und im Verkehr bekannt, sind beide Firmen maßgeblich. c) Führung der bisherigen Firma. Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist es im 66 Blick auf die Führung der bisherigen Firma nicht entscheidend, welche Erklärung der neue Inhaber gegenüber dem Registergericht abgegeben, sondern welche Bezeichnung er für sein Auftreten am Markt gewählt und firmenmäßig geführt hat. Insofern komme es darauf an, dass der Verkehr dem Verhalten des Erwerbers entnehme, es handle sich dabei um die von ihm gewählte Firma.180 Das bedeutet im Einzelnen: Zunächst ist anhand der Eintragungen im Handelsregister zu untersuchen, ob eine Firmenfortführung vorliegt. Ist das nicht der Fall, so ist weiter zu fragen, ob sich die eingetragene Firma des neuen Inhabers als Fortführung der tatsächlich geführten Firma (Rn 65) oder einer firmenmäßig verwendeten Geschäftsbezeichnung (Rn 64) des bisherigen Inhabers darstellt. Liegt auch danach keine Firmenfortführung vor, ist schließlich zu ermitteln, ob der neue Inhaber eine von seiner eingetragenen Firma abweichende Bezeichnung für sein Auftreten am Markt gewählt hat, ob er diese Bezeichnung firmenmäßig verwendet hat und ob diese Bezeichnung sich als Fortführung der eingetragenen oder tatsächlich geführten Firma des bisherigen Inhabers oder als Fortführung einer firmenmäßig verwendeten Geschäftsbezeichnung des bisherigen Inhabers darstellt. Insoweit es danach darauf ankommt, ob der bisherige oder der neue Inhaber eine Bezeich- 67 nung firmenmäßig verwendet hat, kommt es nicht darauf an, wie die Verkehrsteilnehmer den Gebrauch der Bezeichnung verstehen; denn der Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer, namentlich der Verbraucher ist bereits die Differenzierung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger nicht geläufig, geschweige denn die Unterschiede zwischen Firma, Geschäftsbezeichnung oder etwa einer Marke (vgl. § 37 Rn 17).181 Vielmehr ist objektiv zu bestimmen, ob die Bezeichnung firmenmäßig geführt wurde. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Kaufleute auch mit anderen Bezeichnungen am Markt, insbes. in der Werbung auftreten, ohne dass immer hinreichend deutlich wird, ob sie die Bezeichnung zur Kennzeichnung des Unternehmens oder seiner gewerblichen Leistungen oder gerade firmenmäßig, also zur Bezeichnung des Unternehmensträgers verwenden. Diese Praxis ist nicht zu beanstanden, soweit keine Firmenführungspflicht besteht. Entscheidend ist daher, ob die Bezeichnung auch bei bestehender Firmenführungspflicht verwendet wird; denn nur dann, wenn der Inhaber eine Bezeichnung bei bestehender Firmenführungspflicht verwendet, steht objektiv fest, dass er sie firmenmäßig gebraucht (ausf. § 37 Rn 12, 16 ff, 22 ff). Dieser objektive Maßstab ist im Blick auf die nach Rn 64 gebotene Abgrenzung erforderlich, andernfalls stünde zu besorgen, dass der Gebrauch einer bloßen Geschäftsbe179 BGH NJW 1987, 1633; OLG Düsseldorf NZG 2005, 176 (177); OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1310 (1311); OLG Saarbrücken BB 1964, 1195 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 48; Staub/Hüffer4 Rn 45. 180 BGH NJW 1987, 1633; siehe auch die Vorinstanz OLG Oldenburg WM 1985, 1415 (1417); BGH NJW 1992, 911 (912); RG WarnR 1937, Nr. 67, S. 151 (155); RGZ 143, 368 (371); OLG Frankfurt NJW 1980, 1397 (1398); OLG Saarbrücken BB 1964, 1195 (1196); Staub/Hüffer4 Rn 45; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 38; Hopt/Merkt Rn 7; Röhricht/von Westphalen/ Haas/Ries Rn 16; Commandeur, 131 f; enger Pahl Haftungsrechtliche Folgen versäumter Handelsregistereintragung und Bekanntmachung, 1987, 232 f; wohl auch Wessel BB 1989, 1625 (1626); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 48; MünchKommHGB/Thiessen Rn 58. 181 Zutr. MünchKommHGB/Krebs § 37 Rn 15. 233
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zeichnung haftungsschädlich wäre. Liegt keine Firmenführung in diesem Sinne vor, kommt allerdings eine Haftung nach Rechtsscheingrundsätzen in Betracht (Rn 157). 68 Der firmenmäßige Gebrauch der Bezeichnung muss ferner von einer gewissen Intensität sein. Einmaliger oder bloß gelegentlicher Gebrauch reicht nicht aus. Rechnung zu tragen ist vor allem der Übergangssituation bei Erwerb des Unternehmens. Kurzfristige Belassung des Firmenschilds, einstweilige Weiterbenutzung von Formularen oder Verpackungsmaterial mit dem Firmenaufdruck sind daher haftungsunschädlich.182 Die Firma muss vielmehr über einen nennenswerten Zeitraum hinweg mit Wissen und Duldung der Geschäftsführung bspw. auf Geschäftsbriefbögen verwandt werden.183 Auf die Zulässigkeit der Firmenführung kommt es für die Haftungsbegründung nicht 69 an.184 Die Voraussetzungen des § 25 können also auch dann vorliegen, wenn die Firma schon als Handelsname des Veräußerers unzulässig war, aber auch dann, wenn sie erst durch den Inhaberwechsel (z.B. Wegfall persönlicher Qualifikation, s. § 18 Rn 68) oder damit einhergehende Veränderungen (z.B. Veränderung des Tätigkeitsbereichs bei geographischen Zusätzen, s. § 18 Rn 93 ff) unzulässig wird. Die Einwilligung des bisherigen Firmeninhabers in die Fortführung ist abweichend von § 22 nicht erforderlich, soweit es nur um die Erwerberhaftung geht (anders nach § 25 Abs. 1 S. 2, s. Rn 108 f). Auch die ihm gegenüber unberechtigte Firmenführung genügt.185 Folgerichtig kommt es auf die Wirksamkeit der erteilten Einwilligung ebenfalls nicht an. Unerheblich ist daher ferner, ob dem Erwerber die Firma übertragen wird, oder ob er sie ohne dies selbst annimmt.186 Auch eine Firmenfortführung durch den bisherigen Inhaber schließt die Haftung nicht aus (Rn 58).187 Die fortgeführte Bezeichnung muss allerdings überhaupt als Firma eines Kaufmanns in Be70 tracht kommen.188 Das bedeutet jedoch nicht, dass eine Firmenführung immer schon dann ausscheidet, wenn eine Bezeichnung ohne Rechtsformzusatz verwendet wird.189 Vielmehr ist zu unterscheiden. Führt ein firmenfähiger Rechtsträger eine Bezeichnung ohne Rechtsformzusatz als Firma (näher Rn 67), ist die Firmierung schlicht unzulässig und hindert ein Eingreifen von § 25 nicht. Führt hingegen ein nicht in das Handelsregister eingetragener Kleingewerbetreibender die Firma des früheren Inhabers ohne Rechtsformzusatz fort, kommt allenfalls eine analoge Anwendung von § 25 in Betracht. Nach hier vertretener Ansicht scheidet freilich in diesem Fall auch eine analoge Anwendung von § 25 aus, weil andernfalls im Blick auf § 25 Abs. 2 ein mit § 2 unvereinbarer Druck zur Eintragung der Firma entstehen würde (Rn 38).
71 d) Fortführung der bisherigen Firma (Firmenkontinuität). Die bisherige Firma wird fortgeführt, wenn der Erwerber sie als eigene Firma im Wesentlichen unverändert führt (Rn 66). Im Wesentlichen unverändert bedeutet, dass eine buchstabengetreue Fortführung nicht erforderlich ist, unwesentliche Änderungen also ein Eingreifen von § 25 nicht ausschließen.190 Das zeigt sich schon daran, dass nach Abs. 1 S. 1 die Beifügung eines Nachfolgezusatzes für die Haftung unerheblich ist. Diese Regelung zeigt zugleich, dass die Ähnlichkeit der bisherigen und der fortgeführten Firma nicht dergestalt sein muss, dass der Anschein der Kontinuität des Unterneh-
182 RGZ 73, 71 (72); BGH NJW 1987, 1633 = WuB IV D § 25 HGB 1.87 mit Anm Hüffer; OLG Köln MDR 1994, 133 mit abl. Anm K. Schmidt = WuB IV D § 25 HGB 1.94 mit Anm. Wilhelm; MünchKommHGB/Thiessen Rn 58; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 49. 183 OLG Hamm NJW-RR 1997, 733 (734). 184 BGHZ 22, 234; BGH NJW 2001, 1352. 185 OLG Koblenz NJW-RR 2006, 409. 186 BGH WM 1982, 555. 187 OLG Hamm ZIP 1998, 2092. 188 BGHZ 22, 234 (237). 189 Dahingehend aber LG Bonn NJW-RR 2005, 1559. 190 VGH Mannheim – 2 S 1501716, BeckRS 2016, 111610 mwN. Burgard
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mensträgers entsteht. Auch geht es nicht um das Hervorrufen einer Verwechselungsgefahr. Vielmehr zeigt die Regelung, dass auch und gerade dann, wenn sich die Firma des Erwerbers aus Sicht des Verkehrs als Weiterverwendung der Firma des bisherigen Inhabers darstellt, eine Firmenfortführung i.S.d. § 25 vorliegt. Das ist Konsequenz der vom Gesetzgeber berücksichtigten Verkehrserwartung, wonach der jeweilige Inhaber einer Firma haftet (Rn 9, 29). Ausreichend, aber auch erforderlich ist daher, dass der Verkehr die von dem Erwerber geführte Firma mit der Firma des bisherigen Inhabers dergestalt identifiziert, dass er in der fortgeführten Firma die Firma des bisherigen Inhabers (wieder-)erkennt.191 Unter diesen Voraussetzungen stehen die Löschung der bisherigen oder die Eintragung einer neuen Firma im Handelsregister der Annahme der Firmenfortführung nicht entgegen.192 Selbst wenn der Erwerber lediglich seine Firma beibehält, diese aber zufällig der Firma des erworbenen Handelsgeschäfts ähnelt, kann dies als Firmenfortführung i.S.d. § 25 zu bewerten sein.193 Voraussetzung ist aber auch und gerade in einem solchen Fall, dass sich die Firma des Erwerbers aus Sicht des Verkehrs als Weiterverwendung der Firma des bisherigen Inhabers darstellt.194 Das ist dann nicht der Fall, wenn den betreffenden Verkehrskreisen das Nebeneinander der beiden ähnlichen Firmen bekannt war; denn dann wissen sie zwischen beiden Firmen zu unterscheiden, so dass sich die Beibehaltung der Firma des Erwerbers nicht als Weiterverwendung der Firma des bisherigen Inhabers darstellt. Andernfalls muss der Erwerber entweder seine bisherige Firma ändern oder nach § 25 Abs. 2 vorgehen. Im Blick auf Abweichungen der Firma des Erwerbers von der Firma des bisherigen Inha- 72 bers gilt zunächst der Grundsatz: Änderungen, die nach § 22 zulässig sind, stehen einer Anwendung des § 25 nicht entgegen.195 Auf die Ausführungen in § 22 Rn 84–104 wird daher verwiesen. Die Umkehrung dieses Grundsatzes gilt hingegen nicht. Die Unzulässigkeit der Firmenänderung nach § 22 schließt also die Erwerberhaftung nach § 25 nicht notwendig aus.196 Die unterschiedlichen Zwecke der Vorschriften (s. § 22 Rn 3 einerseits sowie o. Rn 22–31 andererseits) erfordern insoweit eine eigenständige Auslegung. Hier reicht es deshalb aus, dass der Verkehr in der Firma des Erwerbers die Firma des bisherigen Inhabers (wieder-)erkennt (Rn 71). Zudem ist eine weite, über § 22 hinausgehende Auslegung des Begriffs der Firmenfortführung vorliegend auch insofern unschädlich, als die Beteiligten, wenn sie die Erwerberhaftung ausschließen wollen, auf dem in § 25 Abs. 2 vorgezeichneten Weg für klare Verhältnisse sorgen können. Nach der Rechtsprechung des BGH ist entscheidend, ob der prägende Teil der bisherigen Firma in der neuen Firma beibehalten wird, so dass sich die prägenden Teile beider Firmen nach ihrem Klangbild gleichen197 und deswegen die mit dem erworbenen Unternehmen in Verbindung stehenden Verkehrskreise die neue Firma mit der bisherigen Firma identifizieren.198 Bei Personenfirmen und Personenmischfirmen wird dabei der Beibehaltung des Familiennamens von der Rechtsprechung besonders prägende Bedeutung zugemessen, so dass derjenige, der eine Haftung nach § 25 von vornherein vermeiden will, tunlichst auf die Fortführung eines
191 BGH NJW 1992, 912; OLG Hamm – I-2 U 29/17, NZG 2018, 33; vgl. OLG Hamm – 27 W 23/16, BeckRS 2016, 121408 mwN; OLG Saarbrücken – 5 W 73/17, NZG 2018, 349 f. 192 OLG Celle OLGR 2000, 220; Staub/Hüffer4 Rn 45; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 50. 193 BGH NJW 1987, 1633 (im konkreten Fall allerdings mangels hinreichender Ähnlichkeit abgelehnt, dazu Fn 216). 194 Siehe Mettler MDR 2012, 1005 ff: Zur Weiterverwendung der alten Firma auf der Homepage („Homepagefortführung“). 195 Staub/Hüffer4 Rn 47; MünchKommHGB/Thiessen Rn 61; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 51. 196 LG Berlin ZIP 1993, 1478; Staub/Hüffer4 Rn 47; MünchKommHGB/Thiessen Rn 61; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 52; aA Wessel BB 1989, 1625 (1626); iE ähnlich Scherer DB 1996, 2321 (2325), die eine sehr enge Auslegung des Tatbestandmerkmals Firmenfortführung und damit aber eine Aufgabe der ständigen BGH-Rechtsprechung fordert. 197 BGH NJW 1982, 557 (558); BFH BB 1986, 866. 198 BGHZ 146, 374 f = NJW 2001, 1352; BGH NJW-RR 2004, 1173 = DB 2004, 1204 (1205). Vgl. auch BGH DB 2006, 444 f. 235
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Familiennamens verzichten sollte. Das Weglassen des Vornamens199 oder eines Sachbestandteils200 reicht zur Vermeidung der Haftung jedenfalls nicht aus, ebenso wenig die Änderung201 oder Hinzufügung202 eines Sachbestandteils, wenn das Unternehmen nach der Auffassung der maßgeblichen Verkehrskreise auch schon zuvor in dem betreffenden Geschäftszweig tätig war. In solchen Fällen geht die Rechtsprechung teilweise sehr weit bei der Annahme der Firmenkontinuität, ebenso bei einer Fortführung ungewöhnlicher Phantasiebezeichnungen.203 Umgekehrt ist sie oft (allzu) eng, wenn der Familienname weggelassen wird204 oder in eine Firmenabkürzung umgewandelt wird.205 Freilich ist die Rechtsprechung längst nicht immer einheitlich, ältere Entscheidungen sind manchmal überholt.206
73 e) Einzelfälle zur Firmenkontinuität. Eine Firmenfortführung i.S.d. § 25 wurde bejaht: „Aluminolwerk C. Sch.“ wird zu „Aluminolwerk Sch. & Co.“;207 „Autohaus A. R. Berggarage“ wird zu „Berggarage R. Nachfolger A.A.“;208 „Die Villa, Elegante Inneneinrichtungen GmbH“ wird zu „Die Villa, Ba. B. Inneneinrichtungen“;209 „Druckerei H-St“ wird zu „Druckerei H-St, Inhaber W-F“;210 „Elektro S-Alfred S.“ wird zu „Elektro-S-GmbH“;211 „EWG-Versandschlachterei Josef B, G“ wird zu „Josef B – GmbH“;212 „Franz K. Maschinenfabrik GmbH & Co KG“ in „Franz K. Agrartechnik“;213 „Franz v. A.“ wird zu „v. A. – GmbH & Co. Gaststättenbetriebs- und Vertriebs-KG“;214 „G. Informations…gesellschaft“ wird zu „G. Info Z“;215 „Hans Christian M-GmbH & Co. KG“ wird zu „D. C. M Innenausbau GmbH“;216 „Heinz W. – Fleischwarenfabrik“ wird zu „Heinz W. – Fleischwarenfabrik GmbH“;217 „Kfz-Küpper, Internationale Transporte, Handel mit Kfz-Teilen und Zubehör aller Art“ wird zu „Kfz-Küpper Transport und Logistik GmbH“;218 „Max S. KG“ wird zu „Max S. Inh. Fritz M.“;219 „M-GmbH“ wird zu „M-Textilhandelsgesellschaft mbH“;220 „Tankstelle L-GmbH“ wird zu „Freie Tankstelle, Inhaberin P L“;221 „T. K. (Phantasiename) R. R. S. (Personenname)“ wird zu „T. K. (Phantasiename) D. und C. (Familienname) GmbH“;222 „Top-Fit Sport-Fitness-Center A. B.“ wird zu „Top-Fit Sport-Fitness-Center C. D.“;223 199 200 201 202 203 204
BGH NJW 1986, 581 (582); OLG Bremen NJW-RR 1989, 423 (424); OLG Saarbrücken BB 1964, 1195 (1196). BGH NJW 1983, 2448. BGH NJW-RR 2004, 1173 = DB 2004, 1204 f; OLG Hamm ZIP 1998, 2092 (2094). BGH NJW 1982, 577 (578); OLG Bremen NJW-RR 1989, 423 (424); OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 424. LG Berlin ZIP 1993, 1478 (1479). OLG Stuttgart BB 1969 Beil. 10, 16; OLG Köln MDR 1994, 133 mit abl Anm K. Schmidt; BAG NJW 1955, 1413 f; anders allerdings LG Stuttgart Beschl. v. 22.7.1988 – 4 KfH T 11/88 (unveröffentlicht). 205 RGZ 145, 278; OLG Köln DB 2007, 165. 206 So etwa RGZ 133, 318 (326), wonach das Weglassen des Zusatzes „& Sohn“ der Firmenkontinuität entgegenstehen soll, s. dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 56. 207 RGZ 113, 308 f. 208 OLG Saarbrücken BB 1964, 1195 (1196). 209 OLG Düsseldorf NZG 2005, 176. 210 BGH NJW 1984, 1186. 211 BGH NJW 1986, 581. 212 BGH NJW 1983, 2448. 213 OLG Hamm ZIP 1998, 2092 (2094). 214 BGH NJW 1982, 577 f. 215 OLGR Frankfurt 2001, 67. 216 OLG Bremen NJW-RR 1989, 423 f. 217 BGH WM 1982, 555; vgl. auch RGZ 131, 27. 218 BGH NJW-RR 2004, 1173. 219 BGH WM 1959, 560; vgl. auch RGZ 104, 342. 220 OLG Stuttgart NJW-RR 1989, 424. 221 OLG Köln DB 2007, 165. 222 VG München Beschluss v. 11.8.2005, M 10 S 05.2506. 223 LG Stuttgart Beschluss 22.7.1988 – 4 KfH T 11/88 (unveröffentlicht). Burgard
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„W. & P. PC69 Musikbetrieb GmbH & Co KG“ wird zu „PC69 Diskothek e. K. Inhaberin P. M.“;224 „Zentrie Internationale Möbelhandelsgesellschaft mbH“ wird zu „Zentrie Handels- und Service GmbH“,225 aus der Firma … „Fruchtsäfte“ wird die Firma … „Natursaft“ GmbH als deren prägender Teil;226 „Selekt –Veranstaltungen W.K.e.K.“/“Selekt-Veranstaltungsproduktion GmbH“.227 Dagegen wurde eine Firmenfortführung i.S.d. § 25 verneint: „A. K., Baumaschinen, Im- 74 port und Export“ wird zu „K. Baumaschinen-GmbH“;228 „Bankhaus E. & Co.“ wird zu „Bankhaus F. & Co., vormals E.“;229 „Eugen Mutz & Co.“ wird zu „Eumuco AG“;230 „F-Fleisch GmbH“ wird zu „F & Sohn GmbH“;231 „G. R. & Sohn“ wird zu „G. R.“;232 „Gewebe- und Teppich-Import A. B.“ wird zu „GuTI-GmbH“;233 „I. Werk O., Ing. W. Sch.“ wird zu „I Werk O. GmbH“;234 „Kurier Team X-Stadt, Eigenname“ wird zu „Kurier Team X-Stadt“;235 „Revisions- und Treuhandgesellschaft mbH G, M. und Partner, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Steuerberatungsgesellschaft“ wird zu „GMP GmbH Steuerberatungsgesellschaft Treuhandgesellschaft“;236 „Schaumstoffverarbeitung Betty M.“ wird zu „A., Schaumstoffverarbeitung Bernd M e. K.“;237 „X Fotographische Geräte Karl Meier“ wird zu „X Fotographische Geräte GmbH & Co. KG“.238
II. Rechtsfolgen der Erwerberhaftung 1. Gesetzlicher Schuldbeitritt oder gesetzliche Vertragsüberleitung a) Gesetzliche Ausgangslage. Rechtsfolge von § 25 Abs. 1 S. 1 ist nach dem Wortlaut des 75 Gesetzes eine kumulative Schuldübernahme: Der Erwerber „haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers“. Die Haftung des früheren Inhabers bleibt hiervon im Ausgangspunkt unberührt. § 26 ordnet allerdings unter den dort genannten Voraussetzungen eine Enthaftung des früheren Inhabers an. Mit dem Schicksal der im Betrieb begründeten Forderungen befasst sich § 25 Abs. 1 S. 2.
224 225 226 227 228
BGH NJW 2006, 1002. LG Berlin ZIP 1993, 1479. VGH Mannheim – 2 S 1501/16, BeckRS 2016, 111610. OLG Schleswig – 2 W 192/11, FGPrax 2012, 126 (127). OLG Frankfurt NJW 1980, 1397, mit der Begründung der Zusatz „Export Import“ trage wesentlich zur Individualisierung bei. Das ist – auch angesichts der übrigen Rechtsprechung – nicht haltbar, ebenso Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 56. 229 BGH WM 1964, 296 – kaum haltbar, weil es unerheblich ist, ob der Nachfolgezusatz nach- oder vorangestellt wird, wie hier Staub/Hüffer4 Rn 49; siehe auch MünchKommHGB/Thiessen Rn 61 Fn 262; zust. aber Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 54. 230 RGZ 145, 278. 231 BGH NJW 1987, 1633; die Entscheidung ist allerdings von der oben (bei Fn 181) besprochenen Besonderheit geprägt. Sieht man hiervon ab und geht man weiter davon aus, dass „F“ den gleichen Familiennamen bezeichnet, dann ist dieser Entscheidung nicht zu folgen; denn entgegen der Ansicht von Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 56 aE kann der Verkehr in diesem Fall nicht den Eindruck gewinnen, die „F & Sohn GmbH“ würde sich mit etwas anderem als Fleischhandel befassen, weil die Gesellschaft in eben diesem Geschäftszweig tatsächlich tätig war. 232 RGZ 133, 325; zweifelhaft, so auch GKzHGB/Steitz Rn 10. 233 OLG Bremen NJW 1963, 111. 234 BAG NJW 1955, 1413 f = AP BGB § 613 Nr. 1. 235 MDR 1994, 133 mit abl Anm K. Schmidt = WuB IV D § 25 HGB mit Anm Wilhelm. 236 OLG Köln DB 2007, 165. 237 OLG Düsseldorf DB 2007, 2141. 238 OLG Stuttgart BB 1969 Beil. 10, 16. 237
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76 b) Meinungsstand. Nach traditioneller Lehre hat es bei diesem gesetzlichen Schuldbeitritt sein Bewenden.239 Eine im Vordringen befindliche Meinung sieht hingegen eine gesetzliche Vertragsüberleitung als Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 an. Danach soll der Erwerber in die Rechtsstellung des Veräußerers eintreten, der freilich in den Grenzen des § 26 weiterhin neben dem Erwerber für die Verbindlichkeiten haftet.240 Aus Sicht von Karsten Schmidt ist dies Konsequenz seiner Kontinuitätslehre.241 Andere Autoren, namentlich Manfred Lieb, stützen sich einerseits auf Praktikabilitätserwägungen, insbes. im Blick auf Dauerschuldverhältnisse, andererseits auf die Enthaftungsnorm des § 26, die zur Konsequenz habe, dass der Gläubiger seinen Vertragspartner verliere.242 Zugleich ist diese Auffassung Ausdruck des in Rn 19 beschriebenen dogmatischen Verständnisses von § 25. Die Rechtsprechung hat sich bisher noch nicht abschließend mit dieser Kontroverse auseinandergesetzt, steht aber wohl auf dem Standpunkt der traditionellen Lehre,243 wenngleich sich das Ergebnis einer Entscheidung aus dem Jahr 1996244 besser mit der neueren Ansicht begründen lässt.245
77 c) Stellungnahme. Die neuere Lehre ist abzulehnen. Sie widerspricht dem Sinn und Zweck von § 25 Abs. 1 S. 1 sowie der Konzeption des Gesetzes. Sinn und Zweck von § 25 Abs. 1 S. 1 ist die Schaffung von Rechtssicherheit im Interesse der Altgläubiger (näher Rn 22 ff), nicht die Erleichterung von Unternehmensübernahmen.246 Dem erstrebten Schutz der Altgläubiger widerspräche es, wenn ihnen ohne ihre Zustimmung kraft Gesetzes ein anderer Vertragspartner aufgedrängt würde (s. auch Rn 79). Zwar sollen sich die Gläubiger dagegen durch Widerspruch verwahren können. Diesen müssten sie jedoch analog § 613a Abs. 6 BGB binnen angemessener Frist erheben.247 Zudem ist ein gesetzlicher Vertragsübergang ein Eingriff in die Vertragsfreiheit,248 der durch das erwähnte Widerspruchsrecht zwar abgemildert, infolge der Fristgebundenheit des Widerspruchsrechts aber nicht aufgehoben wird. Das Gesetz sieht einen Vertragsübergang daher nur ausnahmsweise in besonderen Interessenkonstellationen vor, vgl. insbes. §§ 563 ff, 578 f, 593a, 613a, 651e, 1251 Abs. 2 BGB, §§ 95 ff, 122 VVG. Die Rechtsfolge von § 25 Abs. 1 S. 1 ginge damit zugleich darüber hinaus, was die Vertragsparteien ohne Zustimmung des jeweiligen Gläubigers vereinbaren können. Auch das widerspricht der Konzeption des Gesetzes. Weder in der Entstehungsgeschichte noch im Wortlaut, dem – recht verstandenen – Telos oder der Systematik von § 25 Abs. 1 finden sich Anhaltspunkte für eine gesetzliche Vertragsüberleitung. Vielmehr unterscheidet die Vorschrift genau zwischen der Behandlung von Verbindlichkeiten (S. 1) und Forderungen (S. 2). Schließlich ist zu bemerken, dass einem – keineswegs stets bestehenden – 239 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 61; Hopt/Merkt Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; GKzHGB/Steitz Rn 22; Fenyves Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982, S. 60 f; Nitsche ÖZW 1976, 40 (45 f); Habersack JuS 1989, 738 (743); Zöllner ZGR 1983, 82 (89); Commandeur, 151 f; Pahl Haftungsrechtliche Folgen versäumter Handelsregistereintragung und Bekanntmachung, 219; Heymann/Förster Rn 48; Straube/Schumacher Rn 28; Staub/Hüffer4 Rn 50, 95 mwN. 240 MünchKommHGB/Thiessen Rn 81 ff.; Börner FS Möhring, 1975, 45 ff; Waskönig, 118 f; der ebenso wie Kreji ÖJZ 1975, 449 (459), die Vertragsübernahme zwar an die Zustimmung des Veräußerers zur Firmenfortführung knüpft, für eine konkludente Zustimmung jedoch Duldung der Firmenfortführung durch vorsätzliches oder fahrlässiges Nichteinschreiten ausreichen lässt. Ferner Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 2008, 133, aufgrund seines Konzepts einer partiellen Universalsukzession. 241 Vgl. K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 50 ff. und Rn 89 ff. (für „echten Forderungsübergang“ bei fortbestehender Haftung des Altunternehmers). 242 Eingehend MünchKommHGB/Lieb2 Rn 80 ff. 243 Vgl. BGH WM 1990, 1573; BGH NJW 2001, 2251; OLG Köln – 19 U 127/13, BeckRS 2014, 10932. 244 BGH NJW 1996, 2866. 245 S. MünchKommHGB/Lieb2 Rn 89h–89k. 246 Das aber bezweckt MünchKommHGB/Lieb2 Rn 83; wie hier BeckOK HGB/Bömeke Rn 47. 247 Vgl. MünchKommHGB/Thiessen Rn 87. 248 Eindringlich Beuthien NJW 1993, 1737 (1738). Burgard
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Interesse der Beteiligten an einer Vertragsübernahme mit herkömmlichen rechtsgeschäftlichen Mitteln hinreichend Rechnung getragen werden kann (s. Rn 90). Vor dem Hintergrund der Neuregelung des § 26 Abs. 1 S. 1 bedarf allerdings auch die traditi- 78 onelle Lehre einer kumulativen Schuldübernahme der Modifikation. Nach § 26 Abs. 1 S. 1 ist nämlich Folge der Erwerberhaftung nach § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 nicht nur eine zeitlich aufgeschobene Enthaftung des bisherigen Inhabers. Für Verbindlichkeiten, die erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden, ist die Enthaftung vielmehr unmittelbare Folge der Erwerberhaftung (näher § 26 Rn 43). Das führt dazu, dass der Gläubiger bei solchen langfristigen Verbindlichkeiten keine „fünf Jahre Zeit hat, sich auf den Verlust des Vertragspartners einzustellen“.249 Vielmehr hat er kraft Gesetzes bei Verbindlichkeiten, die erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden (z.B. Anspruch auf Rückzahlung eines langfristigen Darlehens250) und die er auch nicht vorher fällig stellen kann (z.B. durch außerordentliche Kündigung), von vornherein nur noch einen Schuldner, nämlich den Erwerber. Von einer kumulativen Schuldübernahme kann in diesen Fällen mithin keine Rede sein. Und auch bei Verbindlichkeiten, die innerhalb von fünf Jahren fällig werden, endet die Haftung des bisherigen Inhabers mit Ablauf dieser Frist. Rechtsfolge von § 25 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 26 ist mithin eine kraft Gesetzes (früher oder später) eintretende Auswechselung des Schuldners. Dieser Schuldnerwechsel wäre nicht nur mit elementaren Prinzipien des Privatrechts unver- 79 einbar und geradezu verfassungsrechtlich bedenklich,251 sondern widerspräche auch dem von § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 erstrebten Schutz der Altgläubiger, wenn diese keine Möglichkeit hätten, den Schuldnerwechsel zu verhindern. Soweit Verbindlichkeiten innerhalb von fünf Jahren fällig werden, ist ihnen dies gem. § 26 Abs. 1 S. 1 insbes. durch gerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche möglich (näher § 26 Rn 23 ff). Das Problem konzentriert sich mithin auf Verbindlichkeiten aus langfristigen Verträgen, die erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden. Im Blick auf solche langfristigen Verbindlichkeiten ist es schon aus den vorgenannten prinzipiellen Erwägungen nicht genügend, den Gläubiger auf die Möglichkeit eines vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsrechts (etwa wegen Bonitätsverschlechterung des Schuldners, vgl. § 490 Abs. 1 BGB) oder auf einvernehmliche Lösungsmöglichkeiten zu verweisen. Zudem ist die Langfristigkeit des Vertrages zumeist Ausdruck einer bestimmten Geschäftserwartung des Gläubigers, die durch dessen Beendigung enttäuscht würde.252 Daher muss dem Gläubiger ein eigenes Recht zustehen, die drohende Auswechselung seines Schuldners zu verhindern. Canaris will deswegen den Gläubigern die Möglichkeit einräumen, auf den Schutz des § 25 80 Abs. 1 S. 1 zu verzichten. Der Verzicht sei unverzüglich nach Kenntnis des Inhaberwechsels dem Erwerber oder dem Veräußerer gegenüber zu erklären, könne aber widerrufen werden, bis sich der Erklärungsadressat mit dem Verzicht einverstanden erklärt habe.253 Das weist in die richtige Richtung, ist aber weder genügend noch schlüssig. Wenn nämlich das Einverständnis des Erklärungsadressaten erforderlich wäre, würde sich die Rechtsstellung des Gläubigers nicht verbessern; denn durch Vereinbarung mit dem Veräußerer ist § 26 ohnehin abdingbar (s. § 26 Rn 35 f), und zwar ohne dass eine solche Vereinbarung unverzüglich geschlossen werden muss. Interpretiert man den Verzicht dagegen als Erlassvertrag i.S.d. § 397 Abs. 1 BGB, könnte dieser nur mit dem Erwerber abgeschlossen werden, um dessen Haftung auszuschließen. Schließlich passt das Erfordernis eines Einverständnisses nicht zu der von Canaris bemühten Parallele zu anderen Schutzvorschriften; denn sowohl im Falle des § 407 BGB als auch im Falle des § 613a Abs. 6 BGB ist der Betreffende nicht auf das Einverständnis des anderen Teils angewiesen, um auf seinen Schutz zu „verzichten“. Vorzugswürdig ist daher § 333 BGB analog heranzuziehen. Das ist wie folgt zu begründen: 249 250 251 252 253 239
So aber Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 60. Eindringlich zu problematischen Fallgestaltungen Canaris FS Odersky, 1996, 753 ff. Canaris FS Odersky, 1996, 753 (757 f, 768 f); ders. Handelsrecht § 7 Rn 39 ff. Näher hierzu Canaris FS Odersky, 1996, 753 (774 f). Canaris Handelsrecht § 7 Rn 53. Burgard
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Die Regelung des § 26 Abs. 1 S. 1 knüpft an die Erwerberhaftung gem. § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 an. Sie greift mithin dann nicht ein, wenn keine Erwerberhaftung besteht. Würde die Erwerberhaftung auf einem zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber rechtsgeschäftlich vereinbarten Schuldbeitritt beruhen – was der von Gesetzes wegen geschützten Verkehrserwartung entspricht (Rn 29) – dann handelte es sich um einen berechtigenden Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB),254 nämlich des Gläubigers. Für einen solchen rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt bedarf es zwar keiner Zustimmung des Gläubigers, weil sich dessen Rechtsstellung – anders als bei einer Schuldübernahme i.S.d. § 414 BGB – nur verbessert. Der Gläubiger kann aber das aus dem Schuldbeitritt folgende Forderungsrecht dem Erwerber gegenüber gem. § 333 BGB zurückweisen, weil niemand zu einem endgültigen Rechtserwerb gegen seinen Willen gezwungen werden soll.255 Folge der Zurückweisung ist, dass das Forderungsrecht als nicht erworben gilt.256 Und eben diese Möglichkeit ist ihm auch im Rahmen des § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 zu gewähren.257 § 38 Abs. 2 des österreichischen Unternehmensgesetzbuchs (UGB) enthält eine ähnliche Regelung. 82 Macht der Gläubiger von seinem Zurückweisungsrecht gem. § 333 BGB analog Gebrauch, kommt die Erwerberhaftung mithin nicht zum Zuge. Zugleich scheidet damit eine Enthaftung des bisherigen Inhabers gem. § 26 aus, so dass der Gläubiger auf diese Weise einen Schuldnerwechsel vermeiden kann. Die gegen § 26 berechtigterweise vorgetragenen Bedenken sind damit gegenstandslos. Das Zurückweisungsrecht besteht hinsichtlich jeder Forderung gesondert, für die der Erwerber haftet. Zu weiteren Einzelheiten des Zurückweisungsrechts s. § 26 Rn 37 ff. 81
2. Inhalt und Umfang der Erwerberhaftung 83 a) Allgemeines. Der Erwerber haftet mit seinem ganzen Vermögen.258 Seine Haftung ist also weder gegenständlich noch summenmäßig (etwa dem Wert nach auf das Handelsgeschäft) beschränkt.259 Die Gläubiger erhalten vielmehr einen neuen Schuldner. Die Schuld des Erwerbers hat grundsätzlich den gleichen Inhalt und die gleiche Beschaffenheit wie die Schuld des bisherigen Inhabers (näher u. Rn 97).260 Eine begonnene Verjährung beispielsweise läuft daher zugunsten beider Schuldner.261 Wenn eine OHG oder KG das Unternehmen erwirbt, erstreckt sich die Gesellschafterhaftung (§§ 128 ff, 161 Abs. 2, 171 ff) auch auf die aus § 25 folgende Gesellschaftsschuld.262
84 b) Geschäftsverbindlichkeiten des früheren Inhabers. Die Haftung des Erwerbers umfasst alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten. Damit grenzt das Gesetz die Erwer254 BGHZ 72, 246 (250). Die Zweifelsregelung des § 329 BGB (BGH WM 1975, 916) greift hier angesichts der Interessenlage und der gesetzlichen Regelung des § 25 nicht ein. 255 MünchKommBGB/Gottwald § 333 Rn 1; Palandt/Grüneberg80 Vor § 414 BGB Rn 2; Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 2. 256 MünchKommBGB/Heinemeyer Vor § 414 Rn 12; Palandt/Grüneberg80 § 333 BGB Rn 3; Erman/Röthel Vor § 414 BGB Rn 13 mwN. 257 Im Anschluss wie hier Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn. 2; ähnlich Canaris Handelrecht § 7 Rn 53 (Recht zum Verzicht auf den Schutz des § 25 Abs. 1 S. 1); „erwägenswert“ Oetker/Vossler § 26 Rn 3 a.E.; ebs. BeckOK HGB/ Bömeke § 26 Rn 4, der darüber hinaus für eine klare gesetzliche Regelung plädiert; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, § 7 Rn 88; MünchKommHGB/Thiessen Rn 88; BeckOGK HGB/Moser § 26 Rn 43. 258 BGH BB 1955, 652. 259 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 37; Staub/Hüffer4 Rn 51; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 62; Hopt/ Merkt Rn 10. 260 RGZ 135, 104 (107); OLG Hamm NJW-RR 1995, 608 (609). 261 RGZ 135, 104 (107); BGH – VIII ZR 423/12, ZIP 2014, 29 Rn 24 m Anm Keil EWiR 2014, 213. 262 RG JW 1911, 158; RGZ 76, 10. Burgard
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berhaftung nach § 25 Abs. 1 S. 1 doppelt ab: Es muss sich um eine Geschäftsverbindlichkeit handeln, und sie muss im Zeitpunkt des Inhaberwechsels bereits begründet sein. Wegen der später, nämlich vom Erwerber selbst eingegangenen Schulden vgl. unten Rn 101.
aa) Geschäftsverbindlichkeiten. Dazu gehören alle Verbindlichkeiten, die sich nicht aus den 85 privaten Beziehungen des Veräußerers ergeben, sondern mit dem Betrieb des Geschäfts derart in innerem Zusammenhang stehen, dass sie als seine natürliche Folge erscheinen.263 Ob eine Privat- oder Geschäftsverbindlichkeit vorliegt, richtet sich nach §§ 343, 344.264 Bei dem Betrieb mehrerer Unternehmen durch den Veräußerer kann die Vermutung des § 344 allerdings nur weiterhelfen, wenn feststeht, dass die Verbindlichkeit zu dem veräußerten Unternehmen gehört.265 Unerheblich ist, ob sich die Verbindlichkeit aus der Bilanz, Buchführung oder Korrespondenz des Veräußerers ergibt oder ob sie dem Erwerber oder wenigstens dem Veräußerer überhaupt bekannt ist.266 Grundsätzlich (Ausnahme Rn 86) unerheblich ist ferner, auf welchem Rechtsgrund die Verbindlichkeiten beruhen (etwa Vertrag, ungerechtfertigte Bereicherung,267 unerlaubte Handlung,268 Wettbewerbsverbot,269 für weitere Einzelfälle Rn 87),270 ebenso ob ihnen eine Gegenleistungspflicht271 gegenübersteht oder nicht, folglich grundsätzlich (s. aber Rn 96) auch, ob eine Gegenleistung dem Erwerber zufließt oder dem Veräußerer verbleibt.272 Streitig ist, ob §§ 25, 26, 28 auch für Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhält- 86 nissen gelten, oder ob diese Vorschriften von § 613a BGB verdrängt werden. Die Frage spielt insbes. im Blick auf die Enthaftung des Veräußerers eine Rolle (§ 26 vs. § 613a Abs. 2 BGB), ist jedoch bereits hier zu entscheiden. Das BAG hat die Anwendbarkeit von § 28 bejaht.273 Dem hat sich die herrschende Lehre auch im Blick auf §§ 25, 26 angeschlossen.274 Lieb hält die Entscheidung dagegen für unvertretbar.275 Dem ist zuzustimmen; denn § 613a BGB ist ersichtlich aufgrund der Entstehungsgeschichte, des Anwendungsbereichs und des Inhalts der Norm eine abschließende Spezialvorschrift. Ob der Erwerber Kaufmann ist (vgl. Rn 36) oder nicht, wäre zudem kein nachvollziehbarer Differenzierungsgrund für eine Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern im Blick auf die Haftung des Veräußerers. Für Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen richtet sich die Haftung des Erwerbers und des Veräußerers daher ausschließlich nach § 613a BGB. Danach rückt der Erwerber kraft Gesetzes und (vorbehaltlich eines Widerspruchs der betroffenen Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 6 BGB) zwingend in die Arbeitgeberstellung ein, während der Veräußerer ebenfalls kraft Gesetzes mit sofortiger Wirkung seine Arbeitgeberstellung verliert und zugleich – abseits des schmalen Bereichs von § 613a Abs. 2 BGB – enthaftet wird. Anwendbar bleiben hingegen §§ 25, 26, 28 hinsichtlich von arbeitsrechtli263 264 265 266 267 268 269 270
RGZ 58, 21; RGZ 76, 7 (10); RGZ 154, 334 (336); RG, JW 1937, 303; BGH WM 1979, 577. RGZ 154, 334 (336); BGH WM 1979, 577. BGH WM 1979, 577. ROHG 8, 385; RGZ 17, 98; RG LZ 1910, 797. RGZ 93, 227 (229). RGZ 15, 51 (54). RGZ 96, 171 (173). Aus der Lit. statt anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 66; MünchKommHGB/Thiessen Rn 66; Hopt/Merkt Rn 23. 271 Dazu Stötter DB 1979, 826. 272 RAG 17, 331 = JW 1937, 1171. 273 BAG ZIP 1990, 939 (942 f) = EzA zu § 28 HGB Nr. 1 mit abl Anm Lieb. 274 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 66; Staub/Hüffer4 Rn 56; Soergel/Raab § 613a BGB Rn 166, 199; MünchHdbArbR/Wank § 141 Rn 12 f.; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 48; vgl MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn 171; Erman/Edenfeld BGB § 613a Rn 68. 275 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 93; ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 111; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; Heymann/Förster Rn 53; Hopt/Merkt § 26 Rn 3; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 66; BeckOK HGB/Bömeke Rn 48. 241
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chen Verbindlichkeiten, die nicht von § 613a BGB erfasst werden, wie insbes. Verbindlichkeiten aus bereits bestehenden Ruhestandsverhältnissen.276 87 Einzelfälle: Als Geschäftsverbindlichkeiten wurden etwa qualifiziert Prozesskosten, wenn sich der Rechtsstreit auf eine Geschäftsschuld bezieht, und zwar auch dann, wenn das Urteil erst nach dem Inhaberwechsel Rechtskraft erlangt;277 Verbindlichkeiten, die zwecks Gründung des Unternehmens eingegangen werden,278 nicht jedoch vor Geschäftsgründung begründete Privatverbindlichkeiten;279 Ansprüche von Arbeitnehmern wegen Fürsorgepflichtverletzungen;280 Abfindungsansprüche eines ausgeschiedenen Gesellschafters;281 Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung;282 delikts- und bereicherungsrechtliche Ansprüche, die ihren Grund im Geschäftsbetrieb haben;283 Schulden aus einer betrieblich begründeten Schuldübernahme;284 sowie aus Wechseln bzw. Wechselprozessen;285 Vermieteransprüche;286 Verbindlichkeiten gegenüber Rechtsanwälten und Steuerberatern etwa wegen Anfertigung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung;287 Verpflichtungen aus Vertragsstrafen, selbst bei Fälligkeit erst nach Geschäftsübergang;288 Ansprüche aus Wettbewerbsverboten oder Abgrenzungsvereinbarungen;289 Verpflichtungen aufgrund von Kartellverträgen oder Vertriebsbindungen;290 ferner ein strafbewehrter Unterlassungsanspruch.291 Wegen betriebsbezogener Steuern vgl. unten Rn 150 f.
bb) Bestehen zum Zeitpunkt des Inhaberwechsels 88 (1) Allgemeines. Die Geschäftsverbindlichkeit muss zum Zeitpunkt des Inhaberwechsels entstanden sein (Rn 84). Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich der Vertragsschluss.292 Ausreichend und erforderlich ist, dass der maßgebliche Rechtsgrund der Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt gelegt ist, also der Vertrag geschlossen, die unerlaubte Handlung begangen, die Klage erhoben ist. Auf die Fälligkeit kommt es nicht an.293 Die Altverbindlichkeit kann auch bedingt oder betagt sein.294 Werden Ansprüche allerdings erst durch Handlungen eines Vertragspartners (z.B. Benutzungshandlungen bei Lizenzverträgen oder Vertragsverletzungen nach Beendigung des Mietverhältnisses) begründet, kommt es auf den Zeitpunkt der Handlung an.295
276 BAG AP § 26 Nr. 1 (Bl. 4); BGB § 613a Nr. 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 66; MünchKommHGB/ Thiessen Rn 111 mwN sowie Rn 66 aE und MünchKommHGB/Thiessen § 26 Rn 8 aE; Lieb ZGR 1985, 124 f; Ulmer BB 1983, 1865 (1869); Hopt/Merkt § 26 Rn 3. 277 RGZ 149, 28. 278 RG Recht 1921, Nr. 2633. 279 BGH WM 1979, 577. 280 RGZ 15, 51 (54). 281 RGZ 154, 334 (336). 282 BGH NJW 1972, 1466 (1467). 283 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 36 f = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 979; RGZ 93, 227, 229 f; RGZ 154, 334 (336); BGH LM Nr. 1 zu § 25 HGB = BB 1953, 1025. 284 K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 38; Straube/Schumacher § 25 Rn 12; BeckOK HGB/Bömeke Rn 48. 285 RGZ 143, 154 (155 f). 286 BGH NJW 1982, 577 (578). 287 OGH SZ Bd. 37 (1964) Nr. 106, 309 (312). 288 OLG Stuttgart Recht 1918 Nr. 1705. 289 RGZ 58, 21 (23); RGZ 96, 171 (173); RG SeuffArch Bd. 76, (1921) Nr. 94, 152. 290 RGZ 76, 7 (10 f). 291 OLG Hamm NJW-RR 1995, 608 (609); BGH NJW 1996, 2866 (2867); Anm K. Schmidt JuS 1997, 565 f. 292 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 64; zu § 128 RGZ 86, 60 (61); RGZ 140, 10 (12); BAG NJW 1978, 391; BAG NJW 1983, 2283; Staub/Hüffer4 Rn 57; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 49; Schlegelberger/K. Schmidt § 128 Rn 51. 293 OLG Köln – 19 U 127/13, BeckRS 2014, 10932. 294 BGH NJW 1990, 1251 (1253). 295 BGH NJW 1990, 1251 (1253); BGH NJW 2001, 2251 (2253). Burgard
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(2) Dauerschuldverhältnisse. Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang die Behandlung von Dauerschuldverhältnissen (s. auch Rn 118). Im Ausgangspunkt maßgeblich ist insofern ebenfalls der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, so dass auch nach dem Inhaberwechsel fällig werdende Forderungen als Altverbindlichkeiten anzusehen sind, für die neben dem bisherigen Inhaber der Erwerber haftet.296 Von diesem Ausgangspunkt aus ist zu unterscheiden: Sofern kein Fall eines gesetzlichen Vertragsübergangs (§§ 566, 578 f, 613a BGB, §§ 95 ff, 122 VVG) vorliegt, können die Beteiligten auf rechtsgeschäftlichem Wege eine Vertragsübernahme vereinbaren, so dass der Erwerber anstelle des bisherigen Inhabers Vertragspartner des Gläubigers wird. Erforderlich ist hierfür entweder eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Erwerber, dem bisherigen Inhaber und dem Gläubiger oder – was vorliegend häufiger sein dürfte – eine zweiseitige Vereinbarung zwischen dem Erwerber und dem bisherigen Inhaber unter Zustimmung des Gläubigers.297 Die erforderlichen Erklärungen können, wenn die Vertragsübernahme formfrei ist,298 nach allgemeinen Regeln auch konkludent, also durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dafür reicht auf Seiten des bisherigen Inhabers und des Erwerbers aus, dass der Erwerber unter Billigung oder zumindest Duldung des bisherigen Inhabers in die Rechte und Pflichten aus dem Dauerschuldverhältnis eintritt, also z.B. die von dem bisherigen Inhaber gemieteten Geschäftsräume bezieht und den Mietzins begleicht. Umgekehrt ist auf Seiten des Gläubigers ein Verhalten erforderlich, das den Schluss zulässt, dass er den Erwerber unter Ausschluss des bisherigen Inhabers als neuen Vertragspartner akzeptiert. Das ist dann anzunehmen, wenn er den Vertrag mit dem Erwerber in jeder Hinsicht durchführt, also z.B. nicht nur die Mietzinszahlungen von dem Erwerber entgegennimmt, sondern auch duldet, dass der Erwerber die Geschäftsräume nutzt299 und das Mietverhältnis betreffende Korrespondenz an ihn richtet.300 In Betracht kommt ferner eine bloße Schuldübernahme. Dabei kann die nach § 415 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Mitteilung an den Gläubiger ebenso konkludent erklärt werden,301 wie die nach § 415 Abs. 1 S. 1 BGB erforderliche Genehmigung des Gläubigers.302 Allein die Erbringung und Entgegennahme der geschuldeten Leistung reichen allerdings weder für das eine noch für das andere303 aus. Vielmehr muss das Verhalten des Gläubigers eindeutig den Schluss zulassen, den bisherigen Schuldner frei zu geben.304 Die rechtsgeschäftlichen Anforderungen sind also ähnlich wie im Falle einer Vertragsübernahme, die Rechtsfolgen dagegen weniger weitgehend. Allerdings kann die Schuldübernahme auch mit einer (konkludenten) Abtretung der Ansprüche gegen den Gläubiger einhergehen. Von einer konkludenten Abtretung der Ansprüche gegen den Gläubiger ist regelmäßig auszugehen, wenn entweder die Gegenleistung nur mittels des erworbenen Unternehmens erbracht werden kann oder nur der Erwerber als Unternehmensträger mit den Leistungen des Gläubigers etwas anfangen kann.305
296 BGH NJW-RR 1990, 1251 (1253); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 64; MünchKommHGB/Thiessen Rn 69 mwN und Rn 82, wonach der Erwerber auch für erst nachträglich entstehende Teilansprüche haftet; OLG Köln – 19 U 127/13, BeckRS 2014, 10932. 297 St. Rspr. BGHZ 142, 23 (30); 137, 255 (259); 96, 302 (308). 298 Näher dazu etwa Erman/Röthel Vor § 414 BGB Rn 7; Palandt/Grüneberg80 § 398 Rn 41 f. jeweils mwN. 299 Nach Canaris Handelsrecht § 7 Rn 41 soll das ausreichen. 300 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 61 mwN. 301 RGZ 125, 100 (104); Erman/Röthel § 415 BGB Rn 5; Palandt/Grüneberg80 § 415 Rn 4; MünchKommBGB/Heinemeyer § 415 Rn 10. 302 RGZ 107, 215 (216); BGH NJW-RR 1996, 1394 (1395); Palandt/Grüneberg80 § 415 Rn 5. 303 RG JW 1937, 1233 f; BGH ZIP 1996, 845; LAG Hamm DB 1990, 939 (940); Köln OLGR 1998, 421; Erman/Röthel § 415 BGB Rn 5a; Prütting/Wegen/Weinreich/H. F. Müller § 415 Rn 4 f.; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. 304 RG JW 1937, 1233 f; BGH ZIP 1996, 845 (846) mwN. 305 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14. 243
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Nach hier vertretener Ansicht ist allerdings auch denkbar, dass der Gläubiger den Schuldbeitritt des Erwerbers gem. § 333 BGB analog zurückweist. In diesem Fall bleibt der bisherige Inhaber nicht nur sein Vertragspartner, sondern auch sein einziger Schuldner (Rn 81 f). 94 Dasselbe Ergebnis können der Erwerber und der bisherige Inhaber herbeiführen, indem sie die Erwerberhaftung insgesamt oder auch nur hinsichtlich des fraglichen Dauerschuldverhältnisses im Wege des § 25 Abs. 2 ausschließen (näher Rn 123 ff). 95 Schließlich kann der bisherige Inhaber als Vertragspartner des Gläubigers das Dauerschuldverhältnis nach den hierfür bestehenden vertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften kündigen. Dazu kann er aufgrund nachvertraglicher Treuepflicht gem. § 242 BGB verpflichtet sein, wenn der Erwerber an der Fortführung des Vertrages kein Interesse mehr hat und von ihm daher die Kündigung verlangt.306 Wird keiner dieser Wege beschritten, ist streitig, welche Folge es hat, wenn der bisherige In96 haber als Vertragspartner des Gläubigers das Dauerschuldverhältnis nach dem Inhaberwechsel derart fortsetzt, dass die Gegenleistung ihm und nicht dem Erwerber zufließt. Meinungsstand: Nach einem Teil der Lehre ist in solchen Fällen eine in die Zukunft fortdauernde Erwerberhaftung nicht gerechtfertigt. Aus Billigkeitsgründen sei vielmehr eine Restriktion des § 25 angezeigt, nach welcher der Erwerber für die nach dem Inhaberwechsel liegenden Zeitabschnitte nur insoweit verpflichtet sei, als er auch Anspruch auf die Gegenleistung habe.307 Nach anderer Ansicht bietet der Wortlaut des § 25 für eine solche Restriktion keine Anhaltspunkte. Sie widerspreche den gesetzlichen Anliegen der Rechtssicherheit und des Gläubigerschutzes. Zudem spiele die Gegenleistung bei anderen Verbindlichkeiten ebenfalls keine Rolle.308 Der BGH hat die Frage bisher nicht entschieden.309 Stellungnahme: Zwar sind die genannten Billigkeitserwägungen auf den ersten Blick nachvollziehbar. Angesichts der in Rn 90 ff aufgezeigten Möglichkeiten rechtfertigen sie jedoch keine Restriktion des § 25, zumal sie dem Sinn und Zweck des Gesetzes, Rechtssicherheit hinsichtlich der Haftungsverhältnisse herzustellen (Rn 22), widerspräche. Außerdem kann die fragliche Gestaltung – also dass der bisherige Inhaber die Gegenleistung weiterhin bezieht, der Erwerber aber dafür aufkommen soll – sogar von den Parteien gewollt sein. Widerspricht diese Art der Vertragsdurchführung hingegen der Parteivereinbarung, dann kann der Erwerber von dem bisherigen Inhaber Unterlassung, Kündigung und Regress verlangen. Ein über all diese Möglichkeiten hinausgehendes Schutzbedürfnis des Erwerbers ist nicht zu erkennen. 93
c) Veräußerer und Erwerber als Gesamtschuldner 97 aa) Außenverhältnis. Auf Grund des gesetzlichen Schuldbeitritts sind Veräußerer und Erwerber Gesamtschuldner.310 Deshalb gilt: Der Gläubiger kann wählen, gegen wen er vorgeht und in welcher Höhe (§ 421 BGB). Veränderungen der Verbindlichkeit eines Schuldners wirken nach dem in § 425 BGB ausgedrückten Grundsatz und in dessen Grenzen (§§ 422–424 BGB) nicht auf die Schuld des anderen, soweit sie nach der Begründung des Gesamtschuldverhältnisses eintreten. Einzelfragen: Eine dem Veräußerer vor dem Inhaberwechsel gewährte Stundung schiebt auch die Fälligkeit der von dem Erwerber geschuldeten Leistung hinaus; eine später vereinbarte Stundung hilft dem Erwerber nicht. Eine zu Gunsten des Veräußerers schon begonnene Verjährung läuft auch zu Gunsten des Erwerbers fort; ist die Verjährung bereits unterbrochen, so wirkt die Unterbrechung auch zu Lasten des Erwerbers; dagegen trifft nach dem Geschäftserwerb eine 306 Beuthien NJW 1993, 1737 (1740); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 61. 307 Staub/Hüffer4 Rn 57; GKzHGB/Steitz Rn 23; Hopt/Merkt Rn 11; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 38; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 91; kritisch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 64.
308 Beuthien NJW 1993, 1737 (1739); BeckOK HGB/Bömeke Rn 50, wonach die Streitfrage überdies von praktisch untergeordneter Bedeutung ist; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer Rn 64 mwN. 309 Offengelassen BGH NJW-RR 1990, 1251 (1253). 310 RGZ 135, 104 (107); siehe BeckOK HGB/Bömeke Rn. 51. Burgard
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neue Unterbrechung nur den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintritt.311 Ein von dem Erwerber abgegebenes Schuldanerkenntnis ist ohne Bedeutung für das Verhältnis zwischen Veräußerer und Gläubiger.312 Eine von dem Gläubiger an den Erwerber erbrachte Leistung hat keine Erlasswirkung im Sinne des § 423 BGB. Sie ist auch nicht deshalb geeignet, den Veräußerer zu befreien, weil der Gläubiger sich durch Aufrechnung hätte befriedigen können. Umgekehrt wirkt eine Aufrechnung des Veräußerers, die er vor dem Inhaberwechsel erklärt hat, auch für den Erwerber schuldbefreiend (§ 422 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Erwerber selbst kann mit einer in der Person des Veräußerers entstandenen Forderung nur aufrechnen, wenn sie auf ihn übergegangen ist.
bb) Innenverhältnis. Im Verhältnis von Veräußerer und Erwerber zueinander entscheidet der 98 zwischen ihnen bestehende Vertrag darüber, wer einen Anspruch auf Freistellung von Verbindlichkeiten oder nach Inanspruchnahme auf Ausgleichung hat. Der vertragliche Ausgleichsanspruch bestimmt auch das Maß des daneben bestehenden Gesamtschuldregresses (§ 426 Abs. 1 BGB). Forderungen befriedigter Gläubiger gehen gem. § 426 Abs. 2 BGB auf den leistenden Gesamtschuldner über, was vornehmlich bei dinglicher Sicherung der Gläubigerforderung praktische Bedeutung erlangt (§§ 401, 412 BGB). 3. Prozessuale Fragen a) Erkenntnisverfahren. Auch nach dem Inhaberwechsel besteht die Passivlegitimation des 99 Veräußerers, weil er Schuldner der von ihm begründeten Verbindlichkeiten bleibt. Ein Fall des § 265 ZPO liegt nicht vor; eine Parteiänderung ist nicht angezeigt.313 Ein gegen den Veräußerer als den einen Gesamtschuldner ergangenes Urteil hat gem. § 425 Abs. 2 BGB keine Rechtskraftwirkung gegen den Erwerber als den anderen (und umgekehrt). Es besteht deshalb auch keine notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO) zwischen Veräußerer und Erwerber. Der Gläubiger kann die Klage zusätzlich gegen den mithaftenden Erwerber richten, und zwar bei Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis gem. § 29 ZPO im Gerichtsstand des Erfüllungsorts;314 denn der Erwerber tritt der Schuld kraft Gesetzes so bei, wie sie besteht. Der Gläubiger muss das Vorliegen aller Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 und die ihm gegenüber zum Zeitpunkt des Geschäftsübergangs im Betrieb begründete Verbindlichkeit beweisen.315
b) Zwangsvollstreckung. Obwohl das gegen den Veräußerer ergangene Urteil keine Rechts- 100 kraftwirkung gegen den Erwerber entfaltet (Rn 99), kann es als gegen ihn vollstreckbar ausgefertigt werden (§ 729 Abs. 2 ZPO).316 Voraussetzung für die Erteilung der titelübertragenden Vollstreckungsklausel ist, dass der Gläubiger den Inhaberwechsel und die Fortführung der Firma
311 RGZ 135, 104 (107 f). 312 OLG Hamburg HansRGZ 1934, B 63. 313 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 68; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 53; MünchKommZPO/Becker-Eberhard § 265 Rn 43; Schilken Veränderungen der Passivlegitimation im Zivilprozeß, 1987, S. 42; Zeuner Verfahrensrechtliche Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB, FS K. H. Schwab 1990, S. 575 (581); Rosenberg/Schwab/Gottwald ZivilprozessR, § 101 Rn 8. 314 OLG Dresden SächsOLG 34, 86. 315 Allg. M., statt aller Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 67. 316 MünchKommHGB/Thiessen Rn 107; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 54; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 68; Staub/Hüffer4 Rn 59. S. auch K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 96, der eine Titelumschreibung verneint und nur eine Titelerweiterung für möglich hält; ebenso Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 24. 245
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durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweist (§ 727 Abs. 1 i.V.m. § 729 ZPO). Vorlage eines Handelsregisterauszugs (§ 9 Abs. 4) genügt. Kann der Nachweis so nicht geführt werden, ist Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel zu erheben (§ 731 ZPO). Wenn die Haftung des Erwerbers nicht aus § 25 Abs. 1 folgt, sondern aus einem besonderen Verpflichtungsgrund (§ 25 Abs. 3), muss der Gläubiger einen gegen den Erwerber selbst gerichteten Titel erwirken,317 es sei denn, dass § 729 Abs. 1 ZPO eingreift.318 In allen Fällen kann der Gläubiger, statt von der Einrichtung der titelübertragenden Klausel Gebrauch zu machen, gegen den Erwerber Leistungsklage erheben.319 Hinsichtlich des Bestandes der Forderung hat ein rechtskräftiges Urteil gegen den Veräußerer Rechtskraftwirkung auch für und gegen den Erwerber. In einem weiteren Prozess sind lediglich die zusätzlichen Haftungsvoraussetzungen des § 25 HGB festzustellen.320
4. Vom Erwerber begründete Verbindlichkeiten 101 Nicht in § 25 geregelt ist die Haftung für Verbindlichkeiten, die der Erwerber selbst nach dem Inhaberwechsel eingeht. Der Erwerber ist Schuldner. Wie weit der Gläubiger auch den Veräußerer in Anspruch nehmen kann, gehört in den Fragenbereich des § 15; denn der Inhaberwechsel ist gem. § 31 Abs. 1 anzumelden, also eine einzutragende Tatsache. Deshalb gilt: Solange der Inhaberwechsel nicht eingetragen und bekannt gemacht ist, haftet der Veräußerer dem Gläubiger für die von dem Erwerber begründeten Verbindlichkeiten, es sei denn, dass er den Wechsel kannte (§ 15 Abs. 1). Erfährt der Gläubiger den Sachverhalt nachträglich, kann er auch den Erwerber in Anspruch nehmen; denn auf die wirkliche Rechtslage darf er sich stets berufen (§ 15 Rn 64). Gläubiger von Verbindlichkeiten, die erst nach Eintragung und Bekanntmachung begründet wurden, können sich dagegen grundsätzlich nur noch an den Erwerber halten (§ 15 Abs. 2).
5. Zweiterwerb des Handelsgeschäfts 102 Führt der (Erst-)Erwerber das Handelsgeschäft fort und veräußert es dann nach einiger Zeit (vgl. Rn 62) an einen Zweiterwerber weiter, so haftet der Zweiterwerber gem. § 25 Abs. 1 S. 1 nicht nur für die Verbindlichkeiten des (Zweit-)Veräußerers (also des Ersterwerbers), sondern auch für die Verbindlichkeiten des früheren Inhabers (also des Erstveräußerers), soweit der Ersterwerber für sie gem. § 25 Abs. 1 S. 1 haftet und keine Enthaftung gem. § 26 Abs. 1 eingetreten ist.321 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ferner, dass sich die Haftung des Zweiterwerbers auch auf Verbindlichkeiten erstreckt, die der Ersterwerber zum Erwerb des Handelsgeschäfts eingegangen ist.322
317 BGH BB 1954, 700; BGH WM 1964, 114; Staub/Hüffer4 Rn 59. 318 Staub/Hüffer4 Rn 59; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 68; dies kann wegen der Aufhebung von § 419 BGB zum 1.1.1999 nur noch für zuvor erfolgte Vermögensübernahmen der Fall sein, vgl. statt aller MünchKommZPO/Wolfsteiner § 729 Rn 5. 319 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO § 729 Rn 2; Staub/Hüffer4 Rn 59; ders. ZZP 85 (1972), 229 ff; Zöller/Seibel ZPO § 729 Rn 11; Thomas/Putzo/Seiler ZPO § 729 Rn 1, 4; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 54. 320 BGH NJW 1957, 420; BGH NJW 1977, 1879; BGH NJW 1984, 793; K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 96. 321 BGH LM Nr. 3 mwN; RG Recht 1921 Nr. 2633; RGZ 129, 186, 187 (zu § 28); sowie etwa Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 7 a.E.; MünchKommHGB/Lieb2 Rn 66. 322 BGH WM 1979, 577. Burgard
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6. Haftung des Rechtsanwalts bzw. des Notars bei mangelhafter Beratung Rechtsanwälte und Notare haben ihre Mandanten über die Voraussetzungen und Rechtsfolgen 103 des § 25 aufzuklären, wenn – gemessen an der Rechtsprechung – Anhaltspunkte für ein Eingreifen dieser Vorschrift bestehen. Hierfür reicht ein bloßer Hinweis auf eine mögliche Haftung nach § 25 Abs. 1 S. 1 nicht aus. Vielmehr gehört dazu auch eine Beratung über die verschiedenen Möglichkeiten einer Haftungsvermeidung, insbes. durch einen Verzicht auf die Fortführung des bisherigen Geschäfts in seinem wesentlichen Kern, durch die Wahl einer anderen Firma oder durch einen Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2. Aufzuzeigen ist dabei ferner der nach den Umständen des Einzelfalls und vor dem Hintergrund der Rechtsprechung „sicherste Weg“ einer Haftungsvermeidung (s. auch Rn 127).323
C. Der Schuldnerschutz bei Fortführung der Firma (Abs. 1 S. 2) I. Grundlagen In Rechtsprechung und Literatur bestehen erhebliche Differenzen, wie die Tatbestandsvoraus- 104 setzungen und Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 2 auszulegen sind, und zwar in fast allen Punkten. Besonders wichtig ist es daher, sich über den Sinn und Zweck der Regelung zu vergewissern: Sie dient ebenso wie § 25 Abs. 1 S. 1 der Beseitigung der Unsicherheit, die infolge des Inhaberwechsels für den Verkehr entsteht (s. Rn 22 ff), und zwar hier im Blick auf die Frage, wer nunmehr Inhaber der im Betrieb begründeten Forderungen ist – nach wie vor der bisherige Inhaber oder der Erwerber. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass ein Übergang der Forderungen (ebenso wie ein Schuldbeitritt) grundsätzlich einer entsprechenden Vereinbarung zwischen bisherigem Inhaber und dem Erwerber bedarf. Je nachdem, ob eine solche Vereinbarung tatsächlich vorliegt, ist hinsichtlich des Schutzbedürfnisses der Schuldner zu unterscheiden: Werden Forderungen von dem bisherigen Inhaber im Wege der erforderlichen Einzelabtre- 105 tung auf den Erwerber übertragen, so findet ein rechtsgeschäftlicher Gläubigerwechsel statt, der sich nach allgemeinen Regeln (§§ 398 ff BGB) richtet. Ein Schutzbedürfnis der betroffenen Schuldner kann dabei – wie bei jeder Abtretung – dann entstehen, wenn sie von der Abtretung nicht erfahren und in Unkenntnis des Gläubigerwechsels an den alten Gläubiger, also hier den vormaligen Inhaber leisten. Dieses Schutzbedürfnis befriedigt § 407 BGB und bedarf daher keiner besonderen handelsrechtlichen Regelung. Danach wird ein Schuldner, der in Unkenntnis des Gläubigerwechsels an den bisherigen Gläubiger leistet, frei. Anders ist die Lage, soweit Geschäftsforderungen nicht auf den Erwerber übertragen wer- 106 den. Hier entsteht ein Schutzbedürfnis der betroffenen Schuldner, wenn sie in Unkenntnis des Inhaberwechsels an den Erwerber leisten. Das kann bei einer Firmenfortführung ohne Nachfolgezusatz leicht passieren, weil die unveränderte Firmierung den Inhaberwechsel nicht erkennen lässt. Aber auch dann, wenn der Inhaberwechsel durch die Aufnahme eines Nachfolgezusatzes deutlich wird, besteht die Gefahr, dass Schuldner an den Erwerber leisten, und zwar nach den Feststellungen des Gesetzgebers schon deswegen, weil der jeweilige Inhaber der Firma nach der Verkehrsanschauung als Berechtigter gilt (Rn 9). Das hieraus entstehende Schutzbedürfnis befriedigt das BGB nicht und war daher handelsrechtlich zu regeln. § 25 Abs. 1 S. 2 ist somit das handelsrechtliche Gegenstück zu § 407 BGB.324 An diesem Sinn und Zweck der Vorschrift hat sich ihre Auslegung auszurichten.
323 S. BGH MittBayNot 2005, 168; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, BRAK-Mitt. 2004, 24; SchleswigHolsteinisches Oberlandesgericht NJW-RR 2004, 417; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht NZG 2005, 89. 324 Vgl. MünchKommHGB/Thiessen Rn 71 f.; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 66; Hopt/Merkt Rn 21; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 33. 247
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II. Voraussetzungen 1. Fortführung eines unter Lebenden erworbenen Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma 107 Voraussetzung von § 25 Abs. 1 S. 2 ist zunächst, dass alle Voraussetzungen von § 25 Abs. 1 S. 1 vorliegen. Insoweit ist auf die Erläuterungen in Rn 47–74 zu verweisen.
2. Einwilligung des bisherigen Inhabers oder seiner Erben in die Firmenfortführung 108 Weitere Voraussetzung von § 25 Abs. 1 S. 2 ist, dass „der bisherige Inhaber oder seine Erben in die Fortführung der Firma gewilligt haben.“ Ihr Sinn und Zweck ist umstritten325 und erschließt sich aus einem Vergleich der Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 1 und 2: Während der von S. 1 angeordnete gesetzliche Schuldbeitritt des Erwerbers den bisherigen Inhaber nicht belastet, hat S. 2 (zumindest) zur Folge, dass der bisherige Inhaber Ansprüche gegen Schuldner verliert, die an den Erwerber leisten. Dieser hat zwar seinerseits das Erlangte nach § 816 Abs. 2 BGB an den bisherigen Inhaber herauszugeben. Der dadurch bewirkte Schuldnerwechsel kann jedoch aus vielerlei Gründen nachteilhaft sein. Und diesen Nachteil soll der bisherige Inhaber nicht erleiden, ohne ihn mitverursacht zu haben, nämlich dadurch, dass er dem Erwerber die Firmenfortführung ermöglicht und damit die Ursache dafür gesetzt hat, dass die Schuldner an den Erwerber statt an ihn geleistet haben. So recht überzeugend ist dieses Telos freilich nicht, weil dadurch der Schuldnerschutz von einem Umstand abhängig gemacht wird, den die Schuldner nicht erkennen können, weswegen die Erwerberhaftung davon zu Recht nicht abhängt. Das ist bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu berücksichtigen. 109 Es reicht daher zur Erfüllung des Einwilligungserfordernisses aus, wenn dem bisherigen Inhaber die Firmenfortführung durch den Erwerber zurechenbar ist.326 Entgegen herrschender Meinung327 ist daher nicht erforderlich, dass die Einwilligung wirksam ist. Der Wirksamkeitsmangel darf nur die Zurechenbarkeit nicht ausschließen, wie etwa bei fehlender Geschäftsfähigkeit.328 Auch ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Unternehmensübertragung und Erteilung der Einwilligung (§ 22 Rn 32) muss nicht gewahrt sein, weil diese Einschränkung nur die selbständige Veräußerung der Firma verhindern soll. Ferner muss weder eine ausdrückliche329 noch eine konkludente Erklärung vorliegen. Vielmehr reicht eine bloße Duldung der Firmenfortführung aus.330 Diese muss nicht auf Kenntnis beruhen;331 denn Kenntnis ist für den Schuldner kaum nachweisbar. Ausreichend ist vielmehr fahrlässige Unkenntnis; denn wenn der bisherige Inhaber zu Lasten seiner Schuldner die Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 2 nicht gegen sich gelten lassen will, ist von ihm zu erwarten, dass er sich von der Firmierung des Erwerbers Kenntnis verschafft. Diese weite Auslegung führt freilich dazu, dass diese Voraussetzung nur im Ausnahmefall Bedeutung erlangt. Das ist freilich ohnehin die Regel, weil ja eine Firmenfortführung von Rechts wegen (§ 22) die Einwilligung des bisherigen Inhabers voraussetzt. Im Übrigen ist diese 325 S. Staub/Hüffer4 Rn 64; MünchKommHGB/Thiessen Rn 63 f.; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 69 mit jeweils unterschiedlichen Deutungen.
326 Ebenso Canaris Handelsrecht § 7 Rn 69. 327 Staub/Hüffer4 Rn 65; MünchKommHGB/Thiessen Rn 64 mwN; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69; Hopt/Merkt Rn 22.
328 Ebenso Canaris Handelsrecht § 7 Rn 69. 329 Das ist anerkannt: Staub/Hüffer4 Rn 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 69; Heymann/Förster Rn 65; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11. 330 Ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 65; so auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 57; GKzHGB/Steitz Rn 27; nach Staub/Hüffer4 Rn 115 handelt es sich dagegen nur um einen Fall veranlassten Rechtsscheins. 331 Vgl. MünchKommHGB/Thiessen Rn 65 aE, auf Kenntnis oder Unkenntnis des Schuldners im Zeitpunkt seiner Leistung kommt es nicht an. Burgard
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weite Auslegung dadurch gerechtfertigt, dass die Schuldner insbes. deswegen erheblich schutzbedürftiger sind als der bisherige Inhaber, weil sich dieser schützen kann, jene hingegen (zumindest bei einer Firmenfortführung ohne Nachfolgezusatz) kaum. Schließlich ist § 25 Abs. 1 S. 2 nach hier vertretener Ansicht (u. Rn 111 ff) anders als nach hM eine reine Schuldnerschutzvorschrift, was die Nachteile für den Veräußerer in engen Grenzen hält, weswegen man an das Einwilligungserfordernis keine hohen Anforderungen stellen muss.
III. Rechtsfolgen 1. Meinungsstand Die Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 2 sind höchst umstritten. Der Streit kreist darum, welche 110 Bedeutung die Worte „gelten … als … übergegangen“ und „den Schuldnern gegenüber“ haben. Vertreten werden insbes. folgende Ansichten, die man in drei Gruppen einteilen kann: (1.) Nach der Denkschrift332 soll es sich um eine Legalzession handeln, nach Karsten Schmidt um eine gesetzlich vertypte Abtretung.333 (2.) Andere sprechen von einer relativen, also nur den Schuldnern gegenüber wirkenden Legalzession334 oder von der Fiktion335 bzw. der unwiderleglichen Vermutung336 einer rechtsgeschäftlichen Forderungsabtretung mit relativer Wirkung. Das ist wohl auch der Standpunkt der Rechtsprechung.337 (3.) Schließlich ist die Ansicht verbreitet, Rechtsfolge sei eine widerlegliche Vermutung mit relativer Wirkung.338 Dabei sind allerdings die Unterschiede im Einzelnen zwischen diesen Meinungsgruppen teils geringer als innerhalb dieser Meinungsgruppen. Einigkeit besteht nur, dass die Rechtsfolge von Abs. 1 S. 2 nicht eintritt, wenn die Voraussetzungen von Abs. 2 vorliegen. Ein wesentlicher Streitpunkt ist dagegen wiederum, wann diese Voraussetzungen herbeigeführt werden müssen, um Wirkung zu entfalten, nämlich unverzüglich nach dem Geschäftsübergang339 oder lediglich vor der Leistung des Schuldners340 (dazu Rn 113, 139). Schließlich stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob auch anderweitig erlangte Kenntnis des Schuldners, dass der Erwerber nicht Forderungsinhaber ist, die Rechtsfolge von Abs. 1 S. 2 ausschließt (dazu Rn 140 f).
2. Stellungnahme Für eine Legalzession könnte die Parallele zur Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 S. 1 sprechen, der 111 ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer entsprechenden Parteivereinbarung einen gesetzlichen Schuldbeitritt herbeiführt, so dass die Parteien gezwungen sind, anderweitige Vereinbarungen im Wege des § 25 Abs. 2 kundzutun. Gegen eine Legalzession spricht indes der Wortlaut der Vorschrift341 und vor allem ihr Sinn und Zweck (dazu Rn 106). Dieser erfordert eine solche weitgehende Rechtsfolge nicht. Das ist auch der entscheidende Einwand gegen die zweite Meinungs332 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 37 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 979. 333 AcP 198 (1998), 516 (529). 334 So v. Gierke/Sandrock § 16 I 3 b bb. 335 So Staub/Hüffer4 Rn 68 f; GKzHGB/Steitz Rn 2. 336 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 74; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 4; Hausmann JR 1994, 133. 337 BGH NJW-RR 1992, 866 (867); OLG München DB 1992, 518 (519). 338 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 67; MünchKommHGB/Thiessen Rn 72; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; Hopt/Merkt Rn 21, 24 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34. 339 So BGH NJW-RR 1992, 866 (867). 340 So OLG München DB 1992, 518 (519); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 74. 341 Näher dazu Canaris Handelsrecht § 7 Rn 64. 249
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gruppe, wenngleich das Wort „gelten“ für eine Fiktion spricht. Der Gesetzeswortlaut zwingt jedoch nicht zu der Annahme, die Fiktion bzw. Vermutung sei unwiderleglich. Im Gegenteil! Die Worte „den Schuldnern gegenüber“ können nämlich nur so verstanden werden, dass der Forderungsübergang zumindest nicht im Verhältnis Veräußerer-Erwerber gilt.342 Auch gegenüber den Gläubigern des Veräußerers tritt die Wirkung des § 25 Abs. 1 S. 2 nach ganz hM nicht ein. Seine Geschäftsforderungen können daher von ihnen gepfändet werden. Entsprechend gehört eine nicht rechtsgeschäftlich übertragene Forderung in der Insolvenz des Veräußerers zu seiner Insolvenzmasse, nicht in der Insolvenz des Erwerbers zu dessen Insolvenzmasse.343 Wenn aber der Erwerber und seine Gläubiger respektieren müssen, dass der Veräußerer weiterhin Forderungsinhaber ist, dann ist kein Grund ersichtlich, warum sich der Erwerber gegenüber dem Schuldner auf die Vorschrift berufen und damit als Forderungsinhaber gerieren können soll.344 Klagt der Erwerber gegen einen Schuldner, muss er vielmehr beweisen, dass er durch Abtretung des Veräußerers Forderungsinhaber geworden ist, ohne sich dabei auf § 25 Abs. 1 S. 2 berufen zu können;345 denn die Vorschrift dient allein dem Schuldnerschutz und beinhaltet weder eine gesetzliche Einziehungsermächtigung346 noch eine Beweislastregel zugunsten des Erwerbers. Kann mithin der Erwerber eine dem Veräußerer zustehende Forderung nicht dem Schuldner gegenüber mit Erfolg geltend machen, steht zugleich fest, dass hierzu allein der Veräußerer berechtigt ist. Allein der Veräußerer kann die Forderung daher auch gegenüber dem Schuldner aufrechnen.347 Jede andere Auffassung führt zu dem absonderlichen Ergebnis, dass zwar ein Gläubiger des 111a Veräußerers eine Forderung pfänden und anschließend gegen den Schuldner durchsetzen könnte, der Veräußerer selbst zu Letzterem aber nicht in der Lage wäre, sondern hierfür der Mitwirkung des Erwerbers bedürfte. Der Erwerber hat freilich keinerlei Interesse, Forderungen des Veräußerers einzuziehen, da er das Erlangte gem. § 816 Abs. 2 BGB herausgeben muss.348 Damit der Veräußerer an sein Geld kommt, müsste man daher den Erwerber für verpflichtet halten, an dem Inkasso zugunsten des Veräußerers mitzuwirken,349 was dieser ggf. zunächst erstreiten müsste. Vernünftigerweise muss daher der Veräußerer berechtigt sein, seine Forderungen gegen seine Schuldner selbst geltend zu machen. Das Wort „gelten“ kann daher nicht anders als im Sinne einer widerleglichen Vermutung zu verstehen sein, weil sich der Veräußerer nur durch ihre Widerlegung auf die wahre Rechtslage berufen und dadurch seine Forderung geltend machen kann. Im Prozess gegen den Schuldner trägt der Veräußerer daher die Beweislast dafür, dass die Forderung bei ihm verblieben ist.350 112 Der Annahme der Widerleglichkeit der Vermutung steht insbes. § 25 Abs. 2 nicht entgegen. Namentlich der BGH ist insofern freilich anderer Auffassung. Danach handelt es sich bei § 25 Abs. 1 S. 2 nicht lediglich um eine schlichte Vermutung, die von dem Veräußerer ohne weiteres und jederzeit mit den üblichen Beweismitteln widerlegt werden könnte. Vielmehr komme dem 342 Ganz hM, statt anderer Staub/Hüffer4 Rn 68; Heymann/Förster Rn 67; Hopt/Merkt Rn 26; aA K. Schmidt AcP 198 (1998), 516, anders wohl auch Hausmann JR 1994, 133 (138). 343 Ganz hM, statt anderer Staub/Hüffer4 Rn 68; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 64 mwN; aA K. Schmidt AcP 198 (1998), 516 (524, 531). 344 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 104; GKzHGB/Steitz Rn 26; Hopt/Merkt Rn 25, 26; Oetker/Vossler Rn 49; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 74; Staub/Hüffer4 Rn 70. 345 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 105; Heymann/Förster Rn 67; Hopt/Merkt Rn 25, 26; aA Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 80 sowie Soergel/Zeiss § 409 BGB Rn 8; Staudinger/Busche § 409 BGB Rn 34. 346 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 68. 347 Vgl. OLG München DB 1992, 518 f; MünchKommHGB/Lieb2 Rn 104; ders. JZ 1992, 518 f; Altmeppen Die Disponibilität des Rechtsscheins, 1993, 124; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14 f; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 76; aA BGHZ JZ 1992, 1028; Staub/Hüffer4 Rn 69; Hausmann JR 1994, 133 f; K. Schmidt AcP 198 (1998), 520 ff. 348 Ganz hM, statt anderer Staub/Hüffer4 Rn 68; Hopt/Merkt Rn 24. 349 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 73. 350 MünchKommHGB/Thiessen Rn 109; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 76. Burgard
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Innenverhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber im Verhältnis zum Schuldner nach § 25 Abs. 2 nur dann Wirksamkeit zu, wenn es nach außen in der dort bestimmten Weise unverzüglich kundgemacht werde.351 Nach dieser Ansicht kann die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 also nur im Wege des § 25 Abs. 2 widerlegt werden. Damit tritt ein Problem zu Tage, das bisher kaum erkannt ist, sich aber stellt, einerlei welcher Ansicht man folgt. Nach § 25 Abs. 2 ist nämlich eine von § 25 Abs. 1 S. 2 abweichende Vereinbarung auch dann wirksam, wenn der Veräußerer sie dem Dritten mitteilt. Hierzu genügt es unstreitig, dass der Veräußerer dem Dritten kundtut, dass die ihn betreffende Forderung nicht auf den Erwerber übergegangen ist. Diese Erklärung ist nicht formbedürftig.352 Sie muss auch nicht gesondert erfolgen, sondern kann etwa mit einer Zahlungsaufforderung verbunden werden, ja sogar in einer Zahlungsaufforderung durch den Veräußerer konkludent enthalten sein. Überdies muss der Veräußerer den Inhalt der Mitteilung, also den fehlenden Forderungsübergang, außerhalb eines Prozesses dem Schuldner gegenüber nicht beweisen.353 Das ist nämlich auch sonst im Rahmen des § 25 Abs. 2 nicht gefordert (Rn 132) und wäre zudem ganz unpraktikabel.354 Außerdem und vor allem besteht hierfür aus Sicht des Schuldners kein Bedürfnis; denn selbst wenn sich die Mitteilung als falsch erweisen sollte, ein Forderungsübergang also tatsächlich vereinbart worden wäre, ist er über § 407 Abs. 1 BGB geschützt. Einerlei welcher Ansicht man zu der Bedeutung der Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 folgt, kann sie der Veräußerer mithin schlicht dadurch widerlegen, dass er dem Schuldner gem. § 25 Abs. 2 mitteilt, er sei weiterhin Forderungsinhaber, ohne hierfür außerhalb eines Prozesses irgendeinen Beweis erbringen zu müssen.355 Vor diesem Hintergrund steht § 25 Abs. 2 der Annahme der Widerleglichkeit der Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 nicht entgegen, sondern bestätigt sie geradezu; denn wenn der Veräußerer außerhalb eines Prozesses die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 durch schlichte Mitteilung an den Schuldner außer Kraft setzen kann, dann kann man innerhalb eines Prozesses von ihm nicht mehr fordern, als den Wahrheitsgehalt der Mitteilung, also die fehlende Abtretung, zu beweisen. Folgt man diesen Überlegungen, erlaubt dies zwei weitere Schlussfolgerungen. Erstens: Ist 113 § 25 Abs. 1 S. 2 eine bloße Schuldnerschutzvorschrift, kann sich der Schuldner auf sie berufen, muss dies aber nicht tun, sondern kann stattdessen die wahre Rechtslage geltend machen.356 Zweitens: Soll § 25 Abs. 1 S. 2 lediglich die mangelnde Kenntnis des Schuldners hinsichtlich der wahren Rechtslage kompensieren, ist es einerlei, wann und wie er von der wahren Rechtslage Kenntnis erlangt. Insbes. muss die Kundgabe nach Abs. 2 nicht unverzüglich nach Geschäftsübergang erfolgen357 (anders im Blick auf Abs. 1 S. 1, s. Rn 134 ff), sondern nur bevor der Schuld-
351 So aber BGH NJW-RR 1992, 866, 867. 352 Hopt/Merkt Rn 14 aE; GKzHGB/Steitz Rn 16. 353 AA mglw. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19 aE sowie Hopt/Merkt Rn 25, der sich dabei jedoch auf eine Ansicht von Canaris Handelsrecht § 7 Rn 72 stützt, die dieser in einem anderen Zusammenhang entwickelt hat, nämlich für die Frage, ob dem Schuldner eine Berufung auf § 25 Abs. 1 S. 2 auch dann versagt ist, wenn er anders als im Wege des § 25 Abs. 2 von der abweichenden Parteivereinbarung positive Kenntnis erlangt hat, dazu Rn 140 f. 354 Nach Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19 aE reicht eine bloße Mitteilung des Veräußerers (da bloße Behauptung) ebenso wenig aus wie die Erhebung einer Zahlungsklage. Vielmehr bedürfe es der Kenntnisverschaffung bzgl. aller Tatsachen, die einen Forderungsübergang ausschließen. Das wäre freilich mehr als nur unpraktikabel, sondern unzumutbar, müsste der Veräußerer danach etwa auch so sensible Unterlagen wie den Unternehmenskaufvertrag offenlegen, und zwar gegenüber allen Schuldnern, denen er die fehlende Abtretung mitteilen will. Allerdings bezieht Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth diese Forderung nur auf den Fall einer Kenntnisverschaffung abseits einer Mitteilung nach § 25 Abs. 2. Indes ist nicht verständlich, worin insofern der Unterschied bestehen soll, sieht man von der Frage der Rechtzeitigkeit der Kundmachung nach Abs. 2 (dazu Rn 113, 139) ab. 355 Wie hier wohl auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34. 356 Hopt/Merkt Rn 26; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 15. 357 AA BGH NJW-RR 1992, 866 (867); wie hier und wohl h.M. in der Lit. BeckOK HGB/Bömeke Rn 62 mwN. 251
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ner leistet358 (Rn 139). Zudem kann die Kenntnis auf anderem als auf dem in § 24 Abs. 2 bezeichneten Wege erlangt werden (näher dazu Rn 140 f).
3. Zusammenfassung 114 Die sich aus vorstehenden Überlegungen ergebenden Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 lassen sich damit wie folgt zusammenfassen: Die Vorschrift beinhaltet eine widerlegliche Vermutung, die nur zugunsten der Schuldner im Verhältnis zum Veräußerer (also dem bisherigen Inhaber) Anwendung findet. Den Schuldnern gegenüber gelten die Forderungen als auf den Erwerber übergegangen, so dass sie auch dann an den Erwerber mit befreiender Wirkung leisten können, wenn der Veräußerer weiterhin wahrer Inhaber der Forderungen ist.359 Dem Erwerber gegenüber gilt diese Vermutung dagegen nicht. Er darf daher, wenn er nicht Forderungsinhaber ist, ohne besondere Ermächtigung durch den Veräußerer von den Schuldnern keine Leistung verlangen und muss Leistungen von Schuldnern gem. § 816 Abs. 2 BGB an den Veräußerer herausgeben. Verlangt der Veräußerer von seinen Schuldnern Leistung, ist hierin eine konkludente Mitteilung i.S.d. § 25 Abs. 2 zu sehen, durch die die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 widerlegt wird. Dabei muss der Veräußerer den Inhalt der Mitteilung, also den fehlenden Forderungsübergang, außerhalb eines Prozesses dem Schuldner gegenüber nicht beweisen. Dafür besteht kein Bedürfnis, weil der Schuldner, wenn sich die Mitteilung als falsch erweisen sollte, ein Forderungsübergang also tatsächlich vereinbart worden ist, über § 407 BGB geschützt ist. Die Kundmachung nach § 25 Abs. 2 kann zu jedem Zeitpunkt vor der Leistung des Schuldners erfolgen.
4. Erfasste Forderungen 115 Erfasst werden von § 25 Abs. 1 S. 2 nur die „in dem Betriebe begründeten Forderungen“. Es muss sich also um Geschäftsforderungen handeln. Darunter sind entsprechend den für die Geschäftsverbindlichkeiten geltenden Grundsätzen (Rn 85 ff) Forderungen zu verstehen, die auf Grund ihres Zusammenhangs mit dem Geschäftsbetrieb als dessen Folge erscheinen. Die §§ 343, 344 sind anzuwenden. Weil es um das Verhältnis zu den Schuldnern geht, entscheidet eine objektive Betrachtung, nicht die subjektive Zweckwidmung des Veräußerers. Auf den Rechtsgrund der Forderung kommt es nicht an; Ansprüche aus unerlaubter Handlung müssen sich jedoch aus betriebsbezogenen Rechts- oder Rechtsgutsverletzungen ergeben. Geschäftsforderungen sind zum Beispiel Forderungen aus Verletzung von Wettbewerbsverboten360 oder auf Zahlung einer Vertragsstrafe.361 116 Übertragbarkeit der Forderung ist in § 25 Abs. 1 S. 2 vorausgesetzt. Der vom Gesetz angestrebte Schuldnerschutz könnte sonst in Widerspruch zu anderen Vorschriften geraten, die im Interesse des Schuldners oder im Allgemeininteresse die Übertragbarkeit ausschließen. Forderungen, die etwa nach §§ 399, 400, 540, 613, 717 BGB nicht abgetreten werden können (zu § 399 BGB beachte aber § 354a), gelten also grundsätzlich nicht als auf den Erwerber übergegangen.362
358 Ebenso OLG München DB 1992, 518 (519); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 74; MünchKommHGB/ Thiessen Rn 96. 359 Nach Canaris Handelsrecht § 7 Rn 75 hat der Schuldner darüber hinaus ebenso wie im Falle des § 407 BGB die Wahl, ob er sich bei Leistung an den Erwerber auf die Schuldbefreiung beruft oder die Leistung von dem Erwerber kondiziert und an den Veräußerer leistet, was etwa bei Bestehen einer Aufrechnungslage in der Insolvenz des Veräußerers für den Schuldner von Nutzen sein kann. 360 RGZ 72, 434; RGZ 96, 171. 361 RGZ 72, 434; RGZ 96, 171. 362 KG HRR 1927, Nr. 1541; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 75; MünchKommHGB/Thiessen Rn 75 mwN; Staub/Hüffer4 Rn 67; Hopt/Merkt Rn 23. Burgard
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Dieser Grundsatz gilt freilich nur insoweit, als seine Anwendung im Einzelfall nicht dazuführen darf, dass der erstrebte Schuldnerschutz in sein Gegenteil verkehrt wird.363 Unberührt bleibt zudem die Möglichkeit einer Vertragsübernahme (Rn 118). Ferner setzt § 25 Abs. 1 S. 2 nach hM voraus, dass die Forderung ohne Wahrung einer 117 besonderen Form übertragen werden kann,364 weswegen die Vorschrift namentlich nicht für Forderungen, die durch Buch- oder Briefhypothek gesichert sind (§ 1154 BGB), gelten soll.365 Andere wollen dagegen § 25 Abs. 1 S. 2 nur dann außer Anwendung lassen, wenn der Schuldner infolge der Formbedürftigkeit bereits ausreichend geschützt ist.366 Bei Dauerschuldverhältnissen mit wiederkehrenden Leistungen greift § 25 Abs. 1 S. 2 je- 118 denfalls hinsichtlich der bereits entstandenen Ansprüche ein. Hinsichtlich künftig zu erbringender Leistungen ist zunächst eine gesetzliche (§§ 566, 578 f, 613a BGB, §§ 95 ff, 122 VVG) oder rechtsgeschäftliche (Rn 90) Vertragsübernahme zu prüfen. Liegt keine Vertragsübernahme vor und können die künftig zu erbringenden Leistungen nur mittels des erworbenen Unternehmens erbracht werden, wird regelmäßig eine (konkludente) Abtretung der Zahlungsansprüche anzunehmen sein,367 so dass § 25 Abs. 1 S. 2 aus diesem Grund nicht eingreift (Rn 105). Ebenso liegt es, wenn der Schuldner die vertragstypische Leistung zu erbringen hat und nur der Erwerber als Unternehmensträger mit ihnen etwas anfangen kann. Ferner greift § 25 Abs. 1 S. 2 nicht ein, soweit die Leistung des Schuldners personenbezogen ist und daher nicht übertragen werden kann (Rn 116). Ansonsten bleibt es bei der Anwendung der Vorschrift.
5. Anwendbarkeit des Zessionsrechts Nach verbreiteter Ansicht sollen die §§ 401 ff BGB analog anwendbar sein, soweit dem nicht das 119 für § 25 Abs. 1 S. 2 zentrale Erfordernis der Unternehmens- und Firmenfortführung entgegensteht. § 410 BGB sei daher nicht anzuwenden, während die §§ 401, 404, 406 bis 408 BGB eingreifen könnten. § 409 BGB schließlich sei nur dann von praktischer Bedeutung, wenn der Veräußerer die Abtretung angezeigt habe, bevor der Inhaberwechsel in das Handelsregister eingetragen sei.368 All dem ist zu widersprechen. Die Ansicht beruht auf Fehlvorstellungen über die Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 2. Zu beachten ist, dass die Vorschrift weder zu einem realen noch zu einem fiktiven Forderungsübergang führt, sondern lediglich eine widerlegliche Vermutung zum Schutz der Schuldner des bisherigen Inhabers enthält (Rn 106, 111 ff). Analoge Anwendung von § 401 BGB bedeutet daher bspw. allenfalls, dass sich auch ein Bürge, der an den Erwerber leistet, auf § 25 Abs. 1 S. 2 berufen kann, nicht aber, dass der Erwerber aus § 401 BGB Rechte herleiten könnte. Weil und soweit der Veräußerer Forderungsinhaber ist und bleibt, sind §§ 402, 403 BGB nicht anwendbar. Analog anwendbar sind dagegen §§ 404, 406 BGB, wenn der Schuldner an den Erwerber leistet bzw. der Erwerber Forderungen geltend macht, obwohl er dazu nicht berechtigt ist. § 407 BGB und § 25 Abs. 1 S. 2 schließen sich gegenseitig aus; denn § 25 Abs. 1 S. 2 ist nur 120 anwendbar, soweit keine Forderungsabtretung vorliegt, es also keinen „neuen Gläubiger“ i.S.d. § 407 BGB gibt (Rn 106). Anders gewendet muss der Erwerber, soweit keine Abtretung vereinbart
363 Vgl. MünchKommHGB/Thiessen Rn 77; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 70; siehe zum Streitstand hinsichtlich der Frage, ob hiervon eine Ausnahme zu machen ist, die Firma ohne Nachfolgezusatz weitergeführt wird BeckOK HGB/ Bömeke Rn. 59. 364 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 75; Staub/Hüffer4 Rn 67; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6. 365 BGH WM 1992, 736 (737); RGZ 118, 354; KGJ 26 A, 135; KG OLGR 45, 203; KG HRR 1926 Nr. 1263; KG Recht 1927 Nr. 41; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 38; Heymann/Förster Rn 71. 366 MünchKommHGB/Thiessen Rn 78; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 71. 367 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14. 368 Staub/Hüffer4 Rn 69, 70; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 78. 253
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wurde, Leistungen an den Veräußerer schon deswegen „gegen sich gelten lassen“, weil weiterhin der Veräußerer und nicht der Erwerber wahrer Forderungsinhaber ist. Wurde hingegen eine Abtretung vereinbart, dann besteht für eine Anwendung von § 25 Abs. 1 S. 2 weder Raum noch Bedürfnis. Vielmehr ist allein § 407 BGB einschlägig. Das gilt entgegen verbreiteter Auffassung369 auch dann, wenn der Schuldner von der Unternehmens- und Firmenfortführung Kenntnis hat oder diese Tatsachen gem. § 15 Abs. 2 i.V.m. § 31 als bekannt gelten; denn Inhaber- und Gläubigerwechsel sind streng voneinander zu trennen. Angesichts der Möglichkeit, dass Forderungen bei dem Veräußerer verblieben sind, folgt nämlich aus dem Inhaberwechsel keineswegs zugleich ein Gläubigerwechsel.370 Der Schuldner kann daher nur dann nicht schuldbefreiend nach § 407 Abs. 1 BGB an den Veräußerer leisten, wenn er die Abtretung und nicht nur den Inhaberwechsel kennt. 121 Weil Inhaber- und Gläubigerwechsel streng zu unterscheiden sind, kann § 409 BGB entgegen vorstehend zitierter Meinung (Rn 119) auch noch nach Eintragung des Inhaberwechsels in das Handelsregister Bedeutung erlangen. Auch § 410 BGB bleibt ungeschmälert anwendbar. Verlangt der Erwerber Leistung, kann der Schuldner daher seine Leistung verweigern (§ 274 BGB), bis der Erwerber ihm entweder gem. § 410 Abs. 1 S. 1 BGB eine Abtretungsurkunde aushändigt (dann ist der Schuldner gem. § 409 Abs. 1 BGB geschützt) oder ihm das Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 2 nachweist (dann ist der Schuldner nach dieser Vorschrift geschützt, Rn 122).
6. Beweisfragen 122 Der Schuldner muss die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 2 beweisen können, wenn er mit befreiender Wirkung an den Erwerber leisten will.371 Die Eintragung des Erwerbers in das Handelsregister unter Beibehaltung der bisherigen Firma ist genügend, und zwar auch für den Nachweis der Einwilligung in die Firmen-fortführung;372 denn deren Erteilung prüft das Gericht vor der Eintragung. Macht der Erwerber eine Forderung geltend, wird der Schuldner zwar frei, wenn die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 2 vorliegen. Aus Sicht des Schuldners reicht es daher aus, wenn er sich von dem Erwerber dessen Voraussetzungen nachweisen lässt (Rn 121 a.E.). Zugunsten des Erwerbers streitet die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 jedoch nicht. Im Prozess muss er daher neben dem Bestehen der Forderung ihre Abtretung beweisen.373 Verlangt der Veräußerer von seinen Schuldnern Leistung, ist hierin eine konkludente Mitteilung i.S.d. § 25 Abs. 2 zu sehen, durch die die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 widerlegt wird. Dabei muss der Veräußerer den Inhalt der Mitteilung, also den fehlenden Forderungsübergang, außerhalb eines Prozesses dem Schuldner gegenüber nicht beweisen. Dafür besteht kein Bedürfnis, weil der Schuldner; wenn sich die Mitteilung als falsch erweisen sollte, ein Forderungsübergang also tatsächlich vereinbart wurde, über § 407 BGB geschützt ist. Im Prozess muss der Veräußerer dagegen beweisen, dass die Forderung nicht abgetreten worden ist (vgl. Rn 112 aE). Dafür reicht der Beweis einer von Abs. 1 S. 2 abweichenden Vereinbarung aus.374
369 Staub/Hüffer4 Rn 70, 71; GKzHGB/Steitz Rn 29; Hausmann JR 1994, 133 (138); Düringer/Hachenburger/Hoeninger Anm. 23. 370 Zutr. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 79; iE auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 79; BeckOK HGB/ Bömeke Rn 55 f. 371 Staub/Hüffer4 Rn 69; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 80. 372 RGZ 66, 417. 373 Zutr. MünchKommHGB/Lieb Rn 105; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 80 sowie Soergel/Zeiss § 409 BGB Rn 8; Staudinger/Busche § 409 BGB Rn 34. 374 MünchKommHGB/Thiessen Rn 100; Oetker/Vossler Rn 54. Burgard
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D. Abweichende Vereinbarungen (Abs. 2) I. Grundlagen § 25 Abs. 1 ist dispositiv. Die Norm greift nur ein, wenn die Parteien keine andere Vereinbarung 123 getroffen haben. Allerdings sind abweichende Vereinbarungen gem. Abs. 2 Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder den Dritten von dem Erwerber oder dem Veräußerer mitgeteilt werden. Sinn und Zweck der Vorschrift sind (s.o. Rn 22 ff, 32): Wahrung der Privatautonomie der Parteien und Schaffung von Rechtssicherheit durch Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Altgläubiger und -schuldner.
II. Voraussetzungen 1. Vereinbarung § 25 Abs. 2 setzt nach seinem Wortlaut zunächst eine „abweichende Vereinbarung“ voraus. Die- 124 ses Tatbestandsmerkmal interpretiert die herrschende Meinung wie folgt: Erforderlich sei ein Vertrag zwischen dem alten und dem neuen Inhaber.375 Eine einseitige Erklärung des Erwerbers genüge regelmäßig (zu Ausnahmen Rn 54, 56) nicht.376 Die Vereinbarung könne, müsse aber nicht Bestandteil des Unternehmenskaufvertrags oder vergleichbarer Abreden sein. Sie müsse allerdings spätestens bei der dinglichen Übertragung des Unternehmens vorliegen.377 Darin komme zum Ausdruck, dass die Übernahme des Unternehmens mit Aktiva und Passiva den vom Gesetz angenommenen Normalfall bilde.378 Inhaltlich müsse die Vereinbarung hinreichend bestimmt sein, also zweifelsfrei erkennen lassen, dass und inwieweit die Haftung des Erwerbers ausgeschlossen werde bzw. Forderungen bei dem bisherigen Inhaber verblieben.379 Für einen Ausschluss der Erwerberhaftung genüge die Abrede einer nur intern wirkenden Erfüllungsübernahme;380 denn daraus folge, dass keiner der Gläubiger Ansprüche gegen den Erwerber haben soll. Nicht ausreichend sei dagegen eine auf das Innenverhältnis beschränkte Verpflichtung des Veräußerers zur Schuldentilgung und Freistellung des Erwerbers; denn eine solche Vereinbarung mache nur vor dem Hintergrund einer bestehenden Erwerberhaftung Sinn.381 Ausreichend sei jedoch die Benennung bestimmter Verbindlichkeiten oder Forderungen, die betroffen oder nicht betroffen sein sollen,382 insbes. durch Verweisung auf ein zu den Registerakten eingereichtes Verzeichnis.383 Es genüge auch die Beschränkung der Haftung auf einen bestimmten Pro-
375 Anstelle anderer Staub/Hüffer4 Rn 96; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 81. 376 RG Recht 1908, Nr. 3890; A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (5); Staub/Hüffer4 Rn 96; Heymann/Förster Rn 73; MünchKommHGB/Thiessen Rn 93; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 81; zweifelnd aber Huber FS Raisch, 1995, 99. 377 A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (5); MünchKommHGB/Thiessen Rn 93; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 81; Staub/Hüffer4 Rn 96; Heymann/Förster Rn 73. 378 Staub/Hüffer4 Rn 96. 379 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82; MünchKommHGB/Thiessen Rn 94; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 40. 380 Staub/Hüffer4 Rn 96; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82; MünchKommHGB/Thiessen Rn 94. 381 BGH DB 1989, 1719. 382 Staub/Hüffer4 Rn 96; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82; MünchKommHGB/Thiessen Rn 94; s. auch BGH WM 2002, 1229. 383 RG JW 1901, 802. 255
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zentsatz,384 mangels Bestimmbarkeit nicht dagegen auf einen globalen Höchstbetrag;385 ebenso wenig der Verweis auf einen Vertrag, der verschiedener Auslegungen fähig ist.386 125 Stellungnahme: Diesen Ausführungen ist insofern zu widersprechen, als sie den unzutreffenden Eindruck erwecken, es sei eine ausdrückliche Vereinbarung über den Ausschluss der Erwerberhaftung bzw. den Ausschluss des Forderungsübergangs erforderlich. Letzteres wäre allenfalls dann schlüssig, wenn man § 25 Abs. 1 S. 2 als Fall einer Legalzession, unwiderleglichen Vermutung oder Fiktion der Forderungsabtretung ansehen würde, was indessen verfehlt ist (Rn 111 ff). Vielmehr setzen sowohl ein Schuldbeitritt als auch ein Forderungsübergang regelmäßig eine entsprechende Vereinbarung voraus. Vereinbaren die Parteien im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages oder einer vergleichbaren Vereinbarung diesbezüglich nichts, dann ist nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre grundsätzlich (d.h. abseits einer ergänzenden Vertragsauslegung im Einzelfall) anzunehmen, dass sie diese Rechtsfolge nicht herbeiführen wollen und damit eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 getroffen haben. Darüber hinaus einen (ausdrücklichen) „Ausschluss“ der Erwerberhaftung bzw. des Forderungsübergangs zu verlangen387 ist daher schief,388 weil den Parteien dadurch ein tatsächlich nicht geäußerter Wille unterstellt wird. Vielmehr betont der BGH zu Recht, dass es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gibt, wonach bei einem Unternehmenskauf, bei dem die Übernahme aller Aktiva vereinbart wurde, auch alle Passiva übernommen würden.389 Ebenso wenig gibt es einen Erfahrungssatz hinsichtlich der Übertragung der Aktiva. Festzuhalten ist daher, dass eine „abweichende Vereinbarung“ i.S.d. § 25 Abs. 2 immer schon dann und insoweit vorliegt, als die Parteien im Rahmen eines Unternehmenskaufvertrages oder einer vergleichbaren Vereinbarung nichts über einen Schuldbeitritt des Erwerbers oder einen Forderungsübergang vereinbart haben. 125a Anders gewendet beruht die Vorstellung, eine ausdrückliche Vereinbarung sei erforderlich, wohl auf der – durch den Normaufbau und Wortlaut beförderten – Annahme, § 25 Abs. 1 stelle die gesetzliche Regel dar, die durch Abs. 2 durchbrochen werde. Dieses Verständnis ist indes verfehlt. Vielmehr ist das Regel-Ausnahme-Verhältnis gerade umgekehrt. Nach der Intention des Gesetzesgebers kommt es in erster Linie auf den Parteiwillen an (s. Abs. 2 S. 1 und 2 der in Rn 9 zitierten Begründung). Demgegenüber soll § 25 Abs. 1 lediglich dann eingreifen, wenn die Parteien ihren Willen nicht in der von Abs. 2 geforderten Weise bekannt machen; denn dann bedürfen die Altgläubiger und -schuldner des gesetzlichen Schutzes. Zugleich wird dadurch Druck auf die Parteien zu einer Bekanntmachung ausgeübt (Rn 24, 30). Kommt es mithin in erster Linie auf den Parteiwillen an und sollen die Rechtsfolgen des Abs. 1 nur eingreifen, wenn der Wille nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht wird, dann müssen die Parteien die Rechtsfolgen des Abs. 1 nicht ausdrücklich ausschließen, sondern nur ihren Willen richtig bekannt machen. Einer hinreichend bestimmten ausdrücklichen Vereinbarung bedarf es daher nur, wenn die Parteien die Haftung für Altverbindlichkeiten bzw. das Schicksal der Altforderungen abweichend von der zivilrechtlichen Ausgangslage regeln wollen. Wollen sie hingegen insofern alles beim Alten belassen (also keine Erwerberhaftung, kein Forderungsübergang), dann brauchen sie gar nichts zu regeln, sondern müssen dies nur auf den von Abs. 2 vorgezeichneten Wegen bekannt machen. 125b Gegen diese Auffassung wird eingewandt, dass Absatz 1 und 2 dann überflüssig wären, weil der Erwerber „Abs. 1 dadurch suspendieren und Abs. 2 dadurch erfüllen [könnte], dass er nicht Staub/Hüffer4 Rn 96; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82; MünchKommHGB/Thiessen Rn 94 aE. RGZ 152, 78. RG JW 1911, 660. So allerdings schon die Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 37 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2., Hb. 1988, 979; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4, 68. 388 So im Blick auf einen nach BGH NJW-RR 1992, 866 (867) erforderlichen „Ausschluss“ des Forderungsübergangs zutr. MünchKommHGB/Lieb2 Rn 101; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 93. 389 BGH WM 2002, 1229 (1231).
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zahlt, der Veräußerer dadurch, dass er fordert.“390 Das ist freilich kein schlüssiger Einwand gegen die vorliegende Auffassung, sondern würde genauso gelten, wenn man eine konkludente oder sogar eine ausdrückliche Vereinbarung für erforderlich hielte, aber als Mittelung i.S.d. Absazt 2 eine bloße Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsaufforderung genügen lassen würde. Das reicht jedoch nicht. Vielmehr muss dem Dritten ausdrücklich mitgeteilt werden, dass der Erwerber für die ihn betreffende Verbindlichkeit nicht haftet bzw. der Veräußerer weiterhin Inhaber der ihn betreffenden Forderung ist (Rn. 132). Zudem muss diese Mittelung grundsäztlich unverzüglich nach der Geschäftsübernahme erfolgen (näher Rn. 133 ff.). Sind diese Anforderungen erfüllt, dann sind allerdings in der Tat die Rechtsfolgen des Abs. 1 „suspendiert“, was freilich exakt den Intentionen des Gesetzes entspricht (Rn 22 ff, 32, 123). Schief ist es daher auch, wenn betont wird, eine einseitige Erklärung des Erwerbers genüge 126 den Anforderungen des § 25 Abs. 2 regelmäßig nicht. Richtig daran ist nur, dass sich der Erwerber und der Veräußerer selbstverständlich nicht einseitig über ihre Parteivereinbarung hinwegsetzen können. Haben die Parteien hingegen gar keine Vereinbarung über einen Schuldbeitritt oder einen Forderungsübergang getroffen, dann können sie diesen von § 25 Abs. 1 abweichenden Parteiwillen jedoch ebenso selbstverständlich einseitig verlautbaren. Dementsprechend genügt nach § 25 Abs. 2 eine einseitige Mitteilung des Erwerbers bzw. des Veräußerers (Rn 132). Damit erklärt sich zugleich die Lösung all derjenigen Fälle, in denen die h.L. ausnahmsweise von dem Erfordernis einer Vereinbarung absieht. Liegt nämlich gar keine Vereinbarung zwischen dem Erwerber und dem bisherigen Inhaber vor – sei es, weil sie unwirksam ist, sei es, weil ein Abschluss realistischerweise nicht möglich ist oder aus sonstigen Gründen fehlt (s. Rn 54 ff) – dann haben die Parteien auch keinen Schuldbeitritt und keinen Forderungsübergang vereinbart, was sie dementsprechend auch einseitig verlautbaren können. Zwar liegt in diesen Fällen – anders als in den Fällen der Rn 125 – überhaupt keine und deswegen – wie man meinen könnte – auch keine von § 25 Abs. 1 abweichende Parteivereinbarung vor. Der Begriff der „Vereinbarung“ im Sinne des § 25 Abs. 2 ist nach dem zuvor Gesagten jedoch im Sinne eines übereinstimmenden Parteiwillens zu verstehen.391 Und dieser Parteiwille weicht immer schon dann von § 25 Abs. 1 ab, wenn und soweit die Parteien keinen Schuldbeitritt und keinen Forderungsübergang vereinbart haben, weil man ihnen andernfalls einen gegenteiligen Willen unterstellen würde. Folgt man diesen Überlegungen, steht zugleich fest, dass die Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 nicht wirksam sein muss;392 denn wenn sie unwirksam ist, liegt kein Parteiwille hinsichtlich eines Schuldbeitritts oder eines Forderungsübergangs und damit ein von § 25 Abs. 1 abweichender Parteiwille vor. Schließlich ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Vereinbarung zu bemerken: Zwar ist es richtig, dass die Parteien ihren Willen für gewöhnlich spätestens zum Zeitpunkt der dinglichen Übertragung abschließend gebildet haben. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum es ihnen versagt sein soll, ihren Willen später zu ändern oder zu konkretisieren. Entscheidend ist daher nicht der Zeitpunkt des Abschlusses der Parteivereinbarung; dieser muss nur vor der Kundmachung liegen. Entscheidend ist vielmehr allein die Rechtzeitigkeit der Kundmachung (dazu Rn 133 ff). Im Blick auf die Beratungspraxis ist allerdings auf ein Urteil des BGH vom 30.9.2004 hinzu- 127 weisen.393 Dort heißt es: „Gerade weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Möglichkeit des Ausschlusses von § 25 Abs. 1 HGB durch einseitige Erklärung fehlte und die Gesellschafter der früheren Betreiber-KG sich weigerten, einer Haftungsfreistellung zuzustimmen, war es unsicher, ob der Ausschluß der Haftungsübernahme auf dem Weg des § 25 Abs. 2 HGB zu erreichen gewesen wäre. Der Beklagte hätte der Klägerin deshalb als sichersten Weg raten müssen, von der Übernahme der
390 MünchKommHGB/Thiessen Rn 93. 391 Ebenso nun BeckOK HGB/Bömeke Rn 69. 392 I.E. zutr. MünchKommHGB/Thiessen Rn 100,123 a.E.; zurückhaltend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 82; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 39. 393 BGH MittBayNot 2005, 168. 257
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Firma abzusehen. Daß er dies versäumt hat, ist ihm anzulasten.“ Näher zur Haftung wegen mangelhafter Beratung Rn 103. 128 Die Haftung des Veräußerers steht nicht zur Disposition der Parteien. Eine Vereinbarung, welche diese Haftung ausschließt, entfaltet also auch dann keine Wirkung gegenüber den Gläubigern, wenn sie nach § 25 Abs. 2 kundgemacht ist. Vielmehr bedarf es dazu der Zustimmung der Gläubiger.394 Umgekehrt ist eine mit ihrer Zustimmung getroffene Vereinbarung auch dann wirksam, wenn sie nicht kundgemacht wird. Entsprechendes gilt für Abreden, welche die Haftung zwar nicht ausschließen, aber in anderer Weise (Stundung, Leistung an Erfüllungs statt usw.) verändern. Kurz: Es gelten allgemeine Regeln.
2. Kundmachung 129 Dritten gegenüber ist eine abweichenden Vereinbarung gem. § 25 Abs. 2 nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von dem Erwerber oder dem Veräußerer dem Dritten mitgeteilt worden ist.
130 a) Eintragung und Bekanntmachung. Die Eintragung erfolgt auf Anmeldung. Nach – zumindest früher – hM ist die Anmeldung gemeinsam von Veräußerer und Erwerber vorzunehmen.395 Dem ist nicht zu folgen. Dahingehende registerrechtliche Vorschriften bestehen nicht. Ein Grund für die hM könnte daher allenfalls darin gesehen werden, dass durch die gemeinsame Anmeldung dem Registergericht die Prüfung erspart wird, ob eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 tatsächlich vorliegt. Indes hat das Registergericht insofern grundsätzlich gar keine Prüfungskompetenz,396 weswegen regelmäßig auch keine Unterlagen einzureichen sind, aus denen sich die abweichende Vereinbarung ergibt. Zwar muss und darf das Registergericht keine offenbar falsche Tatsache eintragen. Auch in anderem Zusammenhang ist jedoch anerkannt, dass das Registergericht die Eintragung einer abweichenden Vereinbarung nur dann ablehnen darf, wenn feststeht, dass die Eintragung keine Rechtswirkung entfalten würde (s. Rn 131). Zwar kann man die Gemeinsamkeit der Anmeldung als Indiz dafür ansehen, dass die Parteien tatsächlich eine abweichende Vereinbarung getroffen haben.397 Umgekehrt gilt dies jedoch nicht. Die Anmeldung nur durch eine Partei ist also keineswegs ein Indiz dafür, dass keine abweichende Vereinbarung vorliegt. Das gilt nicht nur, aber erst Recht, wenn man die vorstehende Ansicht (Rn 125 f) teilt. Zudem sind die Folgen zu bedenken, wenn sich der Veräußerer unberechtigterweise weigert, an der Anmeldung mitzuwirken (etwa um Nachverhandlungen zu erpressen). Angesichts der Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeit der Kundmachung (dazu Rn 134 f) ist dann nämlich zu besorgen, dass der Erwerber trotz Vorliegens einer abweichenden Vereinbarung haftet. Das wäre mit dem Regelungskonzept von § 25 nicht zu vereinbaren. Dem kann man schließlich nicht entgegenhalten, dass sich der Erwerber durch eine schlichte Mitteilung an Dritte schützen könne, die nach dem Wortlaut des Gesetzes unbestritten einseitig erfolgen kann; denn abgesehen von Beweisfragen hilft ihm diese Möglichkeit im Blick auf solche
394 RG SeuffArch. 76, 152. 395 Staub/Hüffer4 98; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 83; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 18; skeptisch aber MünchKommHGB/Thiessen Rn 97. 396 Vgl. KGJ 33 A 127 (128 f); BayObLG Rpfleger 2003, 370; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 42; aA Heymann/ Förster Rn 77 f; zur Reichweite der Prüfungskompetenz des Registergerichts bei Anmeldung einer abweichenden Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 OLG Frankfurt DB 1977, 1889 f; OLG München – 31 Wx 41/08, FGPrax 2008, 169; OLG Köln – 2 Wx 123/09, NZG 2010, 879; OLG Zweibrücken – 3 W 30/13, NZG 2013, 1235; OLG Saarbrücken – 5 W 73/17, NZG 2018, 34. 397 So auch OLG München – 31 Wx 105/10, NJW-RR 2010, 1559. Burgard
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Verbindlichkeiten nichts, von deren Existenz er nichts weiß. Vielmehr belegt eben diese Möglichkeit einer einseitigen Mitteilung, dass es keiner gemeinsamen Anmeldung bedarf.398 Zuständig ist das Gericht der Hauptniederlassung des die Firma fortführenden Rechtsträ- 131 gers,399 also des Erwerbers. Das gilt nach § 13 n.F. heute auch im Blick auf Zweigniederlassungen. Dass sich der Inhaberwechsel nach dem Vertragsinhalt erst mit der Eintragung vollziehen soll, steht weder seiner Eintragung noch der des Haftungsausschlusses entgegen.400 Das Registergericht hat nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung den Haftungsausschluss einzutragen, wenn eine Haftung nach § 25 Abs. 1 „ernsthaft in Betracht kommt“.401 Umgekehrt darf es daher die Anmeldung nur zurückweisen, wenn feststeht, dass die Eintragung der abweichenden Vereinbarung keine Wirkung gegenüber Gläubigern oder Schuldnern entfalten kann.402 Das ist namentlich dann der Fall, wenn die Anmeldung eindeutig verspätet erfolgt403 (näher dazu Rn 133 ff) oder die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 eindeutig nicht vorliegen.404 Ist hingegen ernsthaft in Betracht zu ziehen, dass die Anmeldung noch rechtzeitig erfolgt ist405 oder die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 vorliegen,406 ist die Eintragung vorzunehmen. Die Eintragung erfolgt in Abteilung A des Handelsregisters gem. § 40 Nr. 5 Abs. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe ff HRV in der Spalte 5 Buchstabe b. Für Abteilung B enthält § 43 keine entsprechende Bestimmung. Gleichwohl ist eine Eintragung vorzunehmen,407 und zwar in Spalte 6 Buchstabe b. Für die Bekanntmachung gilt § 10. Die Veröffentlichung ist gem. § 32 HRV unverzüglich zu veranlassen.
b) Mitteilung. Die abweichende Vereinbarung erlangt auch gegenüber demjenigen Gläubiger 132 oder Schuldner Wirkung, dem sie mitgeteilt worden ist. Die Mitteilung ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung; die allgemeinen Vorschriften über Geschäftsfähigkeit, Anfechtung, Zugang usw. sind also entsprechend anzuwenden. Nur der Veräußerer oder der Erwerber kann die Mitteilung machen.408 Eine von der Vorgesellschaft ausgehende Mitteilung wirkt für die entstandene AG oder GmbH.409 Vertretung ist zulässig. Die Mitteilung ist grundsätzlich an den Dritten zu richten. Sie kann aber auch an den Einziehungsberechtigten gemacht werden; denn er gilt kraft seiner Befugnis als zur Entgegennahme der Mitteilung ermächtigt.410 Machen der Veräußerer und der Erwerber Mitteilungen, die einander widersprechen, so genügt es, dass eine von beiden Mitteilungen die Vereinbarung richtig wiedergibt. Befindet sich der Schuldner danach in Ungewissheit über die Person des Gläubigers, so kann er nach § 372 S. 2 BGB hinterlegen. Das ist vor allem dann zu raten, wenn der Veräußerer mitgeteilt hat, der Erwerber sei Forderungsinhaber (vgl. § 409 BGB), während der Erwerber das Gegenteil behauptet. Liegt es dagegen umgekehrt, 398 Im Ergebnis wie hier OLG München ZIP 2008, 1823 (1825). Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 42; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8c; Huber FS Raisch, 99; OHG GesRZ 1990, 46 (47): nur Erwerber. 399 OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1211; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 73. 400 LG Frankfurt Rpfleger 1974, 265 = DNotZ 1975, 235. 401 Zuletzt OLG Saarbrücken – 5 W 73/17, ZIP 2018, 1352; OLG München ZIP 2008, 1823 (1824); OLG Frankfurt FGPrax 2005, 225; BayObLG ZIP 2003, 527; OLG Düsseldorf FGPrax 2003, 233; OLG Hamm ZIP 1998, 2092; OLG Hamm NJW-RR 1994, 1119. 402 Staub/Hüffer4 Rn 98; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 83 f. 403 RGZ 131, 12; BayObLG DB 1984, 1672; RG DR 1941, 1537; OLG Frankfurt OLGZ 1978, 30 = BB 1977, 1571; OLG Hamm ZIP 1998, 2092 (2094). 404 OLG Frankfurt DB 2005 (2519 f). 405 OLG Hamm ZIP 1998, 2092 (2094). 406 Vgl. hierzu OLG Hamm NJW-RR 1999, 396; OLG Frankfurt DB 2001, 1552; MünchKommHGB/Thiessen Rn 95; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 83. 407 OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1120; Staub/Hüffer4 Rn 98. 408 OLG Frankfurt OLGR 21, 375. 409 RGZ 131, 27; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 83. 410 RG Holdheim 13, 103. 259
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kann der Schuldner statt zu hinterlegen auch an den Veräußerer leisten, weil er dann über § 407 BGB geschützt ist. Die Mitteilung muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Nicht erforderlich ist, dass der gesamte Inhalt der abweichenden Vereinbarung mitgeteilt wird. Vielmehr reicht es aus, wenn dem Dritten ausdrücklich mitgeteilt wird, dass der Erwerber für die den Dritten betreffende Verbindlichkeit nicht haftet bzw. der Veräußerer weiterhin Inhaber der den Dritten betreffenden Forderung ist.411 Die Mitteilung ist nicht formbedürftig.412 Ihr müssen keine Belege beigefügt sein, die ihren Inhalt beweisen. Eine bloß beiläufige Erwähnung der Ausschlussvereinbarung in einem gelegentlichen Gespräch reicht aber nicht aus.413
133 c) Rechtzeitigkeit. In welchem Zeitpunkt die Eintragung und Bekanntmachung (Rn 130 f) oder die Mitteilung (Rn 132) erfolgen müssen, um die angestrebte Wirkung gegenüber Dritten zu entfalten, sagt das Gesetz nicht. Die Anforderungen ergeben sich aus den Rechtsfolgen von § 25 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 2 und Abs. 2, dem Zusammenwirken dieser Vorschriften und ihrem Sinn und Zweck. Im Blick hierauf ist richtigerweise zu unterscheiden:
aa) Ausschluss der Erwerberhaftung 134 (1) Meinungsstand. Zur Rechtzeitigkeit der Kundmachung eines Ausschlusses bzw. einer Beschränkung der Erwerberhaftung hat sich unter Zustimmung der Literatur414 eine strenge Judikatur entwickelt. Leitentscheidung ist BGHZ 29, 1.415 Danach ist zwar nicht erforderlich, dass die Eintragung und Bekanntmachung (bzw. die Mitteilung) der Vereinbarung vorher oder gleichzeitig mit der Geschäftsübernahme eingetragen und bekannt gemacht wird. Auch ist es unerheblich, ob sich inzwischen eine Verkehrsauffassung dahin bilden konnte, wonach der Erwerber die Geschäftsverbindlichkeiten übernommen habe. Ausreichend, aber auch erforderlich sei vielmehr, dass der Haftungsausschluss unverzüglich nach der Geschäftsübernahme angemeldet wird und Eintragung und Bekanntmachung sodann in angemessenem Zeitabstand folgen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Vorschrift des § 25 der Rechtssicherheit dient. Sie sei im Leben eines Kaufmanns von größter Bedeutung und stellt für jeden Geschäftskäufer die wesentlichste Rechtsvorschrift dar. Man müsse daher auch im Blick auf die Bedeutung des Haftungsausschlusses für alle Beteiligten von jedem Geschäftsübernehmer verlangen, dass er den ihm nach § 25 Abs. 2 obliegenden Maßnahmen die größte Aufmerksamkeit zuwende.416 Diese Entscheidung wurde von den Instanzgerichten wie folgt konkretisiert: Das Risiko 135 einer verzögerten Eintragung und Bekanntmachung treffe den neuen Inhaber; es komme dabei weder auf dessen Verschulden noch auf ein solches des Registergerichtes an.417 Sind seit dem Wechsel des Unternehmensträgers bis zur Eintragungsreife der Anmeldung des Haftungsausschlusses fünf Monate verstrichen, so sei eine Ablehnung der Eintragung gerechtfertigt.418 Dagegen könne die Eintragung auch dann noch erfolgen, wenn nach unverzüglicher Anmeldung die Eintragung zunächst zu Unrecht abgelehnt worden sei und im Beschwerdewege fünf Monate nach der Anmeldung vorgenommen werde; denn andernfalls würde der Anmelder gegenüber
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Wie hier BeckOGK HGB/Moser Rn. 258. Hopt/Merkt Rn 14 aE; GKzHGB/Steitz Rn 18. OLG Hamm OLGE 21, 374 f; BeckOGK HGB/Moser Rn 258 mwN. GKzHGB/Steitz Rn 18; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19 mwN; Hopt/Merkt Rn 15. Zuvor schon RG JW 1904, 8; RG Recht 1908, Nr. 3890; RGZ 75, 139 (140); RG JW 1911, 660; RG Recht 1931, Nr. 832. 416 BGHZ 29, 1 (6). 417 OLG Frankfurt OLGZ 1978, 30 (31 f); BayObLG WM 1984, 1533 (1534 f); OLG Hamm NJW-RR 1994, 1119; sowie bereits RGZ 131, 12 (14). 418 BayObLG WM 1984, 1533. Burgard
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einer ablehnenden Entscheidung des Registergerichts praktisch rechtlos gestellt.419 Eine Anmeldung drei Wochen nach der Geschäftsübernahme könne noch als unverzüglich angesehen werden.420 Nach RGZ 75, 139 ff war dem Verfahren nach § 25 Abs. 2 nicht genüge getan, weil zehn Wochen nach der Anmeldung der Geschäftsübernahme zum Handelsregister vergangen waren und der Beklagte das Verfahren in dieser Zeit nicht weiter betrieben hatte.
(2) Stellungnahme: Gegen diese Rechtsprechung liegen zwei Einwände nahe. Zum einen könnte 136 man entgegnen, dass sich diese Anforderungen nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Sie klingen allerdings zumindest insofern an, als das Gesetz „nur“ und nicht „erst“ formuliert und damit immerhin zum Ausdruck bringt, dass ein zeitliches Hinausschieben des Wirksamwerdens der Erwerberhaftung nicht in Betracht kommt. Zum anderen könnte man es für unschädlich halten, wenn Gläubiger erst dann, wenn sie den Erwerber in Anspruch nehmen wollen, erfahren, dass dieser nicht haftet;421 denn sie erfahren dann lediglich, dass sie infolge der Geschäftsübernahme keinen zusätzlichen Schuldner gewonnen haben, sondern sich nach wie vor nur an den bisherigen Inhaber halten können. Dies alsbald und nicht erst auf Nachfrage zu erfahren, haben die Gläubiger freilich ein erhebliches Interesse; denn gerade dann, wenn der Erwerber nicht für die Altverbindlichkeiten haftet, mag es aus ihrer Sicht tunlich sein, ihre Forderungen gegen den bisherigen Inhaber so bald wie möglich geltend zu machen. Dabei gibt es nach den Vorstellungen des Gesetzes vornehmlich zwei Wege, um die Gläubiger davon in Kenntnis zu setzen, dass der Erwerber für Altverbindlichkeiten nicht haftet (s. Rn 22 ff), nämlich einerseits durch eine mangelnde Firmenfortführung (in welchem Fall der Erwerber schon kraft Gesetzes nicht haftet) und andererseits eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 (in welchem Fall eine die Erwerberhaftung begründende Parteivereinbarung fehlt). Beide Wege müssen aus Gläubigersicht einigermaßen gleichwertig sein. Deswegen darf die Kundmachung nach § 25 Abs. 2 nicht wesentlich später erfolgen als die Firmenfortführung zu Tage tritt. Das ist auch ein Gebot der Rechtssicherheit und -klarheit. Zuzustimmen ist der Rechtsprechung daher jedenfalls hinsichtlich des Erfordernisses einer unverzüglichen Anmeldung bzw. Mitteilung. Das bedeutet freilich zugleich, dass Verzögerungen, die der Erwerber in Bezug auf die An- 137 meldung oder Mitteilung nicht zu vertreten hat, einem Haftungsausschluss nicht entgegenstehen – so etwa, wenn der Veräußerer bei der Anmeldung treuwidrig nicht mitwirkt (und man dies mit der hM für erforderlich hält, dagegen Rn 130). Bedenklich ist daher, wenn die Rechtsprechung auch solche Verzögerungen für schädlich erachtet, die ohne Zutun des Erwerbers bei der Eintragung und Bekanntmachung auftreten. Zwar erkennt sie an, dass dies jedenfalls dann nicht gilt, wenn die Anmeldung unberechtigterweise zurückgewiesen wurde, sich der Erwerber hiergegen unverzüglich gewandt hat und insgesamt nicht mehr als fünf Monate verstrichen sind. Auch ist zuzugeben, dass das Gesetz einen Anmelder oft mit Rechtsnachteilen bedroht, wenn er nicht für eine schnellstmögliche Eintragung und Bekanntmachung Sorge trägt (z.B. § 15 Abs. 1 und 2). Im Unterschied zu solchen Vorschriften steht hier jedoch nicht nur eine zeitliche Verzögerung des Wirksamwerdens einer Rechtsänderung nach Außen, sondern die Wirksamkeit der Vereinbarung gegenüber Dritten schlechthin in Frage. Im Blick hierauf wäre es unbillig und unverhältnismäßig, wollte man auch solche Verzögerungen bei der Eintragung und Bekanntmachung für schädlich halten, die nicht aus der Sphäre des Erwerbers, sondern aus der Sphäre des Registergerichts stammen.422 Das gilt ohne zeitliche Beschränkung, wenn der Erwerber unverzüglich, sobald Verzögerungen bemerkbar sind, versucht, diesen entgegenzuwirken. 419 OLG Hamm ZIP 1998, 2092; OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1120; BayObLG Rpfleger 2003, 370 (3 Monate). 420 BayObLG WM 1984, 1533 (1534). 421 So das Argument von Canaris Handelsrecht § 7 Rn 10 gegen die hier vertretene Auffassung über den Sinn und Zweck von § 25 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2. Freilich verlangt auch Canaris Handelsrecht § 7 Rn 35 eine unverzügliche Anmeldung. 422 I. E. ebenso Canaris Handelsrecht § 7 Rn 35; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8d; aA RG 131, 14; Hamm NJW-RR 94, 1121; BayObLG ZIP 03, 537; Hopt/Merkt Rn 15. 261
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Namentlich für die Notariatspraxis folgt aus alledem die Notwendigkeit, die Bearbeitung der Anmeldung strikt zu überwachen und Beteiligte, die das Verfahren selbst betreiben wollen, über die Bedeutung des Zeitablaufs zu belehren: Eine verspätete Kundmachung entfaltet keine Wirkung, und zwar auch nicht im Falle der Eintragung.423 Zumindest, wenn sich schon zu Beginn Verzögerungen ergeben oder solche absehbar sind, ist Erwerbern daher zu raten, Altgläubiger sicherheitshalber in nachweisbarer Übermittlungsform den Haftungsausschluss unverzüglich mitzuteilen. Hinsichtlich von Großgläubigern ist dies in jedem Fall ratsam.
139 bb) Ausschluss des Schuldnerschutzes. Nach hM gelten die vorstehenden Anforderungen in gleicher Weise im Blick auf § 25 Abs. 1 S. 2.424 Dem ist aus den genannten Gründen (Rn 113) nicht zu folgen. Vielmehr genügt es zum Schutz des Schuldners, wenn er unmittelbar vor der Leistung erfährt, dass gerade die ihn betreffende Forderung nicht abgetreten worden ist. Ausreichend ist daher, wenn dem Schuldner vor der Leistung entweder die Mitteilung nach § 25 Abs. 2 zugeht oder die abweichende Vereinbarung zuvor in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht worden ist.425 Der Verbleib der Forderungen beim bisherigen Inhaber kann daher zeitlich unbegrenzt kundgetan werden, betrifft aber nur Forderungen, die zum Zeitpunkt der Kundmachung noch nicht beglichen worden sind.
3. Anderweitig erlangte Kenntnis 140 a) Meinungsstand. Nach hM kann die Vereinbarung über den Ausschluss der Haftung oder des Forderungsübergangs nur nach Maßgabe des § 25 Abs. 2 gegenüber Dritten wirksam werden. Eine auf andere Weise erlangte Kenntnis des Dritten ist danach unerheblich.426 Eine andere Auslegung lasse der Wortlaut von § 25 Abs. 2 nicht zu.427 In Kollusionsfällen (denkbar bei Leistung des Schuldners an den Erwerber, § 25 Abs. 1 S. 2) könne man die Grundsätze heranziehen, die in der Rechtsprechung zum Missbrauch unbeschränkter Vertretungsmacht entwickelt worden seien.428 Nach einer gewichtigen Mindermeinung ist die auf andere Weise erlangte Kenntnis des Dritten dagegen nur im Blick auf die Erwerberhaftung unerheblich, nicht aber im Blick auf den Schuldnerschutz.429 Demgegenüber will Canaris eine anderweitig erlangte Kenntnis grundsätzlich in beiden Fällen berücksichtigen.430
141 b) Stellungnahme. Der Wortlaut von § 25 Abs. 2 hilft nicht weiter. Soweit man nämlich der Ansicht ist, er stünde der Erheblichkeit anderweitig erlangter Kenntnis entgegen, könnte man mit gleichem Recht eine Gesetzeslücke annehmen. Entscheidend muss daher der Sinn und Zweck der Vorschrift sein. Dieser ist nach hier vertretener Auffassung vornehmlich darin zu erblicken, das Informationsinteresse der Schuldner und Gläubiger zu befriedigen (Rn 123). Und 423 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8e aE. 424 BGH NJW-RR 1992, 866 (867); Staub/Hüffer4 Rn 100; Heymann/Förster Rn 84; MünchKommHGB/Thiessen Rn 101; GKzHGB/Steitz Rn 30.
425 Ebenso OLG München DB 1992, 518 (519); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 74; MünchKommHGB/ Thiessen Rn 96; GKzHGB/Steitz Rn 30. 426 RG JW 1903, 401; RGZ 75, 139; RG Warneyer 1932 Nr. 13; BGHZ 29, 1 (4); OLG Celle OLGR 2000, 220; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 94; MünchKommHGB/Lieb2 Rn 117; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 77, 86; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8c; Staub/Hüffer4 Rn 101; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 18. 427 Vgl. etwa OVG Münster – 14 A 1347/11, BeckRS 2013, 58408. 428 Staub/Hüffer4 Rn 101; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 77, 86. 429 MünchKommHGB/Thiessen Rn 98; Hopt/Merkt Rn 14, 25; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 52 ff. 430 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 36, 72; iE ebenso Gerlach Die Haftungsordnung der §§ 25, 28, 130 HGB, 1976, 25 f; Gotthardt BB 1987, 1896 (1901). Burgard
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diesem Informationsinteresse ist nicht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 2, sondern grundsätzlich auch dann genügt, wenn ein betroffener Gläubiger oder Schuldner rechtzeitig (Rn. 133 ff.) anderweitig nachweisbar positive Kenntnis von der wahren Sachlage erlangt hat. Vier Fälle sind denkbar. Erstens: Die Parteien haben die Erwerberhaftung, wie der Gläubiger unverzüglich nach dem geschäftsübergang erfahren hat, hinsichtlich seiner Forderung ausgeschlossen, den Ausschluss aber nicht nach § 25 Abs. 2 kundgetan. In diesem seltenen (!) Fall ist kein Grund ersichtlich, warum der Gläubiger den Erwerber in Anspruch nehmen können soll (vgl. auch § 15 Abs. 1) – oder anders gewendet: warum das Gesetz darauf bestehen sollte, dass ein Ausschluss der Erwerberhaftung nur auf dem Wege des § 25 Abs. 2 möglich sein soll. Die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers ist nicht zu erkennen. Zweitens: Die Parteien haben die Erwerberhaftung, wie der Gläubiger weiß, nicht ausgeschlossen. Es liegt aber eine gegenteilige Kundmachung vor. An diese ist der Gläubiger natürlich nicht gebunden, sondern kann den Erwerber in Anspruch nehmen. Drittens: Die Parteien haben, wie der Schuldner weiß, keinen Forderungsübergang vereinbart, dies aber nicht kundgemacht. Im Blick auf solche Fälle wurde bereits ausgeführt, dass dem Schuldner die Berufung auf die wahre Rechtslage nicht verwehrt ist, weil § 25 Abs. 1 S. 2 eine reine Schuldnerschutzvorschrift ist (Rn 113). Der Schuldner kann daher mit befreiender Wirkung an den Veräußerer leisten. Fraglich ist also nur, ob er unter Berufung auf § 25 Abs. 1 S. 2 auch mit befreiender Wirkung an den Erwerber leisten kann. Dafür spricht zwar der Schutzzweck der Vorschrift. Da sich aber der Erwerber nach hier vertretener Ansicht (Rn 111, 114) nicht auf die Vermutung des § 25 Abs. 1 S. 2 berufen kann, muss der Schuldner von Rechts wegen nicht befürchten, von ihm in Anspruch genommen zu werden. Dies entspricht allerdings nicht der Auffassung der hM. Solange sich die hier vertretene Auffassung nicht in der Rechtsprechung durchgesetzt hat, wird man daher zulassen müssen, dass der Schuldner auch an den Erwerber mit befreiender Wirkung leisten kann, wenn er nicht die fehlende Abtretung unschwer beweisen kann.431 Viertens: Die Parteien haben, wie der Schuldner weiß, einen Forderungsübergang vereinbart. Es liegt aber eine gegenteilige Kundmachung vor. Auch in diesem Fall kann der Schuldner mit befreiender Wirkung an den wahren Gläubiger, hier also den Erwerber, leisten. Dagegen hat eine Leistung an den Veräußerer keine befreiende Wirkung;432 denn auf § 407 Abs. 1 BGB kann er sich wegen seiner entgegenstehenden Kenntnis nicht berufen.
4. Verhältnis zu § 15 Nach hM gilt § 15 Abs. 1 bis 3 nicht für die Eintragung und Bekanntmachung der abweichen- 142 den Vereinbarung nach § 25 Abs. 2; denn § 15 setze eine einzutragende, also anmeldungspflichtige Tatsache voraus, die in dem Abschluss der Vereinbarung nicht zu finden sei.433 Wollte man die Vorschrift gleichwohl anwenden, so ergäbe sich ein Widerspruch zu der in § 25 Abs. 2 getroffenen Regelung, weil danach nur die in bestimmter Weise erlangte Kenntnis des Dritten erheblich sei, während es für § 15 auf die Informationsquelle gerade nicht ankomme. Stellungnahme: Der hM ist im Ergebnis zu folgen. Richtig ist, dass die Vereinbarung keine eintragungspflichtige Tatsache ist. Das ergibt sich schon daraus, dass die Parteien statt der Eintragung den Weg einer Mitteilung an die betroffenen Gläubiger und Schuldner wählen können. Ob dieser Umstand allein die Unanwendbarkeit von § 15 zu begründen vermag, muss freilich hier nicht entschieden werden; denn die vorstehenden Ausführungen (Rn 141) zeigen, dass § 25 eigenen Wertungen folgt, die einer starren Anwendung jedenfalls von § 15 Abs. 1 und 3 vorzuziehen ist – was allerdings nicht ausschließt, auch deren Wertungen zu berücksichtigen. Ebenfalls nicht sachgerecht wäre eine Anwendung von § 15 Abs. 2 S. 2, und zwar weder im Blick auf den Aus431 Zutr. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 72; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; Hopt/Merkt Rn 25. 432 AA Staub/Hüffer4 Rn 102. 433 Staub/Hüffer4 Rn 102; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 87; GKzHGB/Steitz Rn 18. 263
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schluss der Erwerberhaftung noch im Blick auf die Kundmachung fehlender Abtretung. Und einer Anwendung von § 15 Abs. 2 S. 1 bedarf es hier nicht.
III. Rechtsfolgen 143 Rechtsfolgen der Kundmachung einer abweichender Vereinbarung nach § 25 Abs. 2 sind: Der Altgläubiger kann den Erwerber des Handelsgeschäfts nicht nach § 25 Abs. 1 in Anspruch nehmen, wohl aber aus besonderen Verpflichtungsgründen i.S.d. § 25 Abs. 3.434 Ist eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den Erwerber erteilt (§ 729 Abs. 2 ZPO), so muss er die haftungsausschließende Vereinbarung im Wege der Erinnerung (§ 732 ZPO) oder der Klauselgegenklage (§ 768 ZPO) geltend machen. Durch Gläubiger (§ 2 AnfG) oder Insolvenzverwalter (§ 129 InsO) ist die Kundmachung nicht anfechtbar.435 Der Schuldner wird durch eine Leistung an den Erwerber von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Veräußerer nicht befreit. Er muss an diesen erneut leisten und kann gegen den Erwerber nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall BGB vorgehen. Zu Beweisfragen oben Rn 122.
E. Die Schuldenhaftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes (Abs. 3) I. Überblick 144 Führt der Erwerber die Firma des Veräußerers nicht fort, so haftet er gem. § 25 Abs. 3 nur, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt. Er ist also nicht schon deshalb Schuldner der Altverbindlichkeiten, weil er die geschäftliche Tradition seines Vorgängers fortsetzt (Unternehmensfortführung). Die abweichende Ansicht von K. Schmidt, wonach die Unternehmensfortführung als besonderer Verpflichtungsgrund im Sinne des § 25 Abs. 3 einzuordnen sein soll,436 ist zu Recht vereinzelt geblieben. Ihr ist aus den genannten Gründen nicht zu folgen (oben Rn 20). Besondere Verpflichtungsgründe sind vielmehr die vertragliche Schuldübernahme, sei sie befreiend (§§ 414 ff BGB) oder kumulativ, die handelsübliche Bekanntmachung der Schuldenübernahme (Rn 145 f), die Rechtsscheinhaftung (Rn 152 ff) und andere haftungsbegründende Vorschriften des Zivil- und Steuerrechts (Rn 147 ff). In der Verweisung auf diese Vorschriften liegt die praktische Hauptbedeutung des § 25 Abs. 3. Sie hat damit vornehmlich klarstellende Bedeutung.
II. Haftung kraft handelsüblicher Bekanntmachung 145 Das Gesetz nennt als Beispiel des besonderen Verpflichtungsgrundes („insbes.“) die Bekanntmachung der Schuldenübernahme in handelsüblicher Weise. Damit knüpft das Gesetz an die in der Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts entwickelten Grundsätze an (oben Rn 4). Es handelt sich also um einen gesetzlich anerkannten Fall haftungsbegründender Erklärung an die Öffentlichkeit. Die Bekanntmachung wirkt deshalb auch dann verpflichtend, wenn ihr eine vertragliche Schuldübernahme nicht zugrunde liegt. Seine vor Inkrafttreten des HGB vorhandene praktische Bedeutung hat dieser Haftungsgrund durch die gesetzliche Anknüpfung der Haftung an die Fortführung der Firma (§ 25 Abs. 1) oder an die Weiterbeteiligung des bisherigen Inhabers als Gesellschafter (§ 28 Abs. 1) eingebüßt. 434 Statt aller Hopt/Merkt Rn 16. 435 Hopt/Merkt Rn 16; Weimar MDR 1964, 567; vgl. auch Commandeur Betriebs-, Firmen- und Vermögensübernahme, Teil III. D.3. 436 K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2 (19). Burgard
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Zum Zuge kommen könnte eine Haftung kraft handelsüblicher Bekanntmachung etwa 146 dann, wenn der Erwerber die Firma nicht fortführen kann oder will, trotzdem aber – z.B. aus Bonitätsgründen – die Haftung übernehmen und verlautbaren will. Handelsüblich sind etwa die Anmeldung zum Handelsregister, Rundschreiben an die betreffenden Gläubiger (z.B. Übernahme von Betriebsrentenverpflichtungen durch Schreiben an die Berechtigten437), Zeitungsanzeigen oder die Veröffentlichung einer Übernahmebilanz, in der die übernommenen Verbindlichkeiten im Einzelnen aufgeführt sind.438 Eine solche Bekanntmachung verpflichtet den Erwerber auch dann, wenn sie den Vereinbarungen im Innenverhältnis nicht entspricht.439
III. Vermögensübernahme (§ 419 BGB a.F.) Eine Haftung nach § 419 BGB a.F. wegen Vermögensübernahme konnte Bedeutung erlangen, 147 wenn die Erwerberhaftung nach § 25 Abs. 1 S. 1 wirksam ausgeschlossen wurde. Die Vorschrift wurde durch Art. 33 Ziff. 16 i.V.m. Art. 110 Abs. 1 EGInsO mit Wirkung vom 1.1.1999 aufgehoben440 und kann daher nur noch für Geschäftserwerbe relevant werden, die vor diesem Zeitpunkt erfolgt sind (Art. 223a EGBGB). Im Blick auf diese allenfalls noch geringe Bedeutung wird auf die Voraufl. Rn 106 ff verwiesen.
IV. Gesetzlicher Vertragsübergang (§§ 566, 578 f, 613a BGB, §§ 95 ff, 122 VVG) Besonderer Verpflichtungsgrund kann ferner ein gesetzlicher Vertragsübergang sein. Dabei trifft 148 § 613a BGB eine eigenständige Regelung, die in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung nach § 25 Abs. 1 S. 1 richtiger-, wenngleich umstrittenerweise ausschließt. Näher dazu o. Rn 86.
V. Vertrags- oder Schuldübernahme (§§ 311; 414 ff BGB) Besondere Verpflichtungsgründe sind auch eine rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme (als 149 Vertrag sui generis, § 311 BGB) oder eine Schuldübernahme (§ 414 ff BGB), s. dazu o. Rn 90 f.
VI. Betriebsbezogene Steuern (§ 75 AO) Eine steuerrechtliche Parallelnorm zu den §§ 25, 28 enthält § 75 AO.441 Die Bestimmung lau- 150 tet: § 75 Haftung des Betriebsübernehmers (1) Wird ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber für Steuern, bei denen sich die Steuerpflicht auf den Betrieb des Unternehmens gründet, und für Steuerabzugsbeträge, vorausgesetzt, dass die Steuern seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahrs entstanden sind und bis zum Ablauf von einem Jahr
437 BAG DB 1998, 2426 f. 438 MünchKommHGB/Thiessen Rn 103; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 90; Heymann/Förster Rn 91. 439 RGZ 38, 173 (176 f); MünchKommHGB/Thiessen Rn 103 aE; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 90; Heymann/Förster Rn 92.
440 BGBl. 1994 I, 2911, 2925, 2952 f; zu den unterschiedlichen Einschätzungen der Bedeutung dieser Gesetzesaufhebung vgl. K. Schmidt ZIP 1989, 1025 f einerseits und Canaris ZIP 1989, 1161 f andererseits. 441 Vgl. OVG Münster – 14 A 1347/11, BeckRS 2013, 58408; Froehner Die Haftung des Erwerbers für rückständige Sozialversicherungsbeiträge beim Unternehmenskauf im Rahmen eines Asset Deals, GWR 2015, 202: auf rückständige Sozialversicherungsbeiträge ist § 75 AO weder direkt noch analog anwendbar. 265
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nach Anmeldung des Betriebs durch den Erwerber festgesetzt oder angemeldet werden. Die Haftung beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Den Steuern stehen die Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen gleich. (2) Absatz 1 gilt nicht für Erwerbe aus einer Insolvenzmasse und für Erwerbe im Vollstreckungsverfahren.
151 Eine „Übereignung“ im Sinne des § 75 Abs. 1 AO liegt vor, wenn der Betriebsübernehmer bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine eigentümerähnliche Herrschaftsstellung erlangt.442 Ob ein Verkehrsgeschäft oder ein gesellschaftsrechtlicher Einbringungsvorgang zugrunde liegt, ist unerheblich. Insoweit entspricht die Vorschrift einer Zusammenfassung der §§ 25 und 28 und ist dementsprechend in beiden Fällen anwendbar. Die Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögen ist demgegenüber § 419 BGB a.F. nachgebildet. Im Blick auf § 75 AO ist dem Erwerber zu raten, vom Veräußerer die Beibringung einer Bescheinigung des Finanzamts über bestehende Betriebssteuerschulden zu verlangen.443
VII. Rechtsscheinhaftung 1. Grundlagen 152 § 25 Abs. 1 S. 1 enthält entgegen verbreiteter Meinung keinen Fall der Rechtsschein- oder Vertrauenshaftung (Rn 18). Das schließt freilich die Anwendung der Rechtsscheingrundsätze nicht aus. Vielmehr stehen § 25 Abs. 1 S. 1 und die Rechtsscheinhaftung zueinander in Konkurrenz, soweit die Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestands und die des gewohnheitsrechtlich gesicherten Instituts nebeneinander vorliegen. Praktische Bedeutung erlangen die Rechtsscheingrundsätze freilich gerade dann, wenn sich die Haftung des Erwerbers nicht schon nach § 25 Abs. 1 S. 1 begründen lässt, sei es, weil einzelne Voraussetzungen der Norm fehlen, sei es, weil die Erwerberhaftung nach § 25 Abs. 2 wirksam abbedungen ist.444 Voraussetzung des Eingreifens der Rechtsscheinhaftung ist erstens, dass das fehlende Tat153 bestandsmerkmal des § 25 Abs. 1 S. 2 dem Anschein nach vorliegt. Das allein reicht freilich keinesfalls aus.445 Vielmehr müssen im Blick auf das nur dem Anschein nach vorliegende Tatbestandsmerkmal sämtliche Voraussetzungen der Rechtsscheinhaftung gegeben sein.446 Der Anschein muss daher zweitens zurechenbar verursacht und drittens dem Dritten bekannt sein. Schließlich muss der Dritte viertens auf den Anschein vertraut447 und fünftens – besonders wichtig – im Vertrauen auf den nur vermeintlich gegebenen Tatbestand disponiert haben. Sein Vertrauen muss also für die von ihm getroffene Disposition ursächlich gewesen sein.448 Eben an dieser zuletzt genannten Voraussetzung wird es in Fällen des § 25 Abs. 1 S. 1 zu154 meist fehlen; denn die Vorschrift ordnet die Haftung für Altverbindlichkeiten, also für solche Verbindlichkeiten an, die bereits zur Zeit der Firmen- und Unternehmensfortführung begründet waren. Mithin entsteht ein möglicher Rechtsschein später als die Verbindlichkeit. Für deren Begründung kann der Anschein daher nicht kausal geworden sein. Zwar kann die erforderliche
442 BFH BStBl. III 1967, 684; BFH WM 1982, 912 (914). 443 Selder Rn 23; näher zur Haftung nach § 75 AO und ihrer Vermeidung etwa Bruschke StB 2008, 327; Watermeyer GmbH-StB 2006, 259; Leibner/Pump DStR 2002, 1689. 444 Staub/Hüffer4 Rn 115; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 98; MünchKommHGB/Thiessen Rn 122. 445 Staub/Hüffer4 Rn 116; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 98; MünchKommHGB/Thiessen Rn 122; anders und deshalb verfehlt OLG Frankfurt NJW 1980, 1397 (1398), vgl. dazu auch Nickel NJW 1981, 102. 446 BGH – III ZR 116/11, NZG 2012, 916 (918); vgl. BayObLG NJW-RR 1988, 868 (870). 447 Das setzt Gutgläubigkeit voraus. Dies wird zwar vermutet. Fahrlässige Unkenntnis schadet jedoch, MünchKommHGB/Thiessen Rn 123 sowie Rn 126. 448 Näher zu den Voraussetzungen einer Rechtsscheinhaftung K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 129 ff.; vgl. MünchKommHGB/Krebs § 15 Rn 82 und Rn 49. Burgard
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Disposition auch in einem Unterlassen bestehen, also hier insbes. in dem Unterlassen einer frühzeitigen Durchsetzung der Forderung gegen den Veräußerer. Auch insofern ist die Möglichkeit einer Kausalität jedoch zweifelhaft. Zu bedenken ist ferner, dass der Gläubiger hierfür beweispflichtig ist. Vorliegend dürfte eine Rechtsscheinhaftung daher schon aus diesen Gründen eine seltene Ausnahme sein.449
2. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 1 S. 1 Gegenstand des Rechtsscheins können die Kaufmannseigenschaft, die Fortführung der Firma, 155 die Unternehmensfortführung und die Einwilligung in die Firmenfortführung sein.
a) Anschein der Kaufmannseigenschaft. Unter diesem Gesichtspunkt kommt eine Rechts- 156 scheinhaftung nur in Betracht, wenn ein Nichtkaufmann eine Bezeichnung firmenähnlich führt, zu deren Verwendung er nicht berechtigt ist.450 Im Blick hierauf ist zu beachten, dass seit der Handelsrechtsreform von 1998 kein Verbot der Führung „firmenähnlicher“ Geschäftsbezeichnungen (z.B. „& Co.“; „und Söhne“) durch Nichtkaufleute mehr besteht. Vielmehr wird die Abgrenzung zwischen der kaufmännischen Firma und der nichtkaufmännischen Minderfirma heute durch die Verpflichtung aller Kaufleute zur Aufnahme von Rechtsformbezeichnungen in die Firma gewährleistet (näher § 17 Rn 20). Allerdings unterliegen auch Nichtkaufleute dem Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2. Eine Minderfirma darf daher nicht das Bestehen eines Handelsgewerbes vortäuschen (§ 17 Rn 21). So deutet die Bezeichnung als „Groß- und Einzelhandel“ auf das Betreiben eines Gewerbes hin, das kleingewerblichen Umfang überschreitet. Dadurch wird nicht nur das Irreführungsverbot verletzt, sondern zugleich der Rechtsschein der Kaufmannseigenschaft hervorgerufen.451 b) Anschein der Firmenfortführung. Das Tatbestandsmerkmal der Firmenfortführung hat 157 mehrere Voraussetzungen, auf die sich ein Anschein beziehen kann. Insbes. kann der Anschein entstehen, der Erwerber führe die bisherige Firma als Firma fort, obwohl er sie rechtlich betrachtet als ein anderes Kennzeichen, insbes. als Geschäftsbezeichnung verwendet (s. Rn 64). Dagegen dürfte eine Rechtsscheinhaftung im Blick auf die Identifizierbarkeit der Firma des Erwerbers mit der Firma des bisherigen Inhabers kaum in Betracht kommen, weil diese Frage ohnehin aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise zu beantworten ist (Rn 71 f).
c) Anschein der Unternehmensfortführung. Insofern ist zuvörderst zu beachten, dass zur 158 Begründung dieses Rechtsscheins Tatsachen erforderlich sind, die über die bloße Firmenfortführung hinausgehen.452 So kann sich der Anschein der Unternehmensfortführung ergeben, wenn zwar tatsächlich einzelne Betriebsmittel erworben und genutzt werden, die aber nicht den
MünchKommHGB/Lieb2 Rn 69; MünchKommHGB/Thiessen Rn 123. MünchKommHGB/Thiessen Rn 124. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 99. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 100; MünchKommHGB/Thiessen Rn 126; aA offenbar MünchKommHGB/Lieb2 Rn 76, dessen Ansicht freilich zur Konsequenz hätte, dass eine Firmenfortführung unter Rechtsscheingesichtspunkten stets haftungsschädlich wäre, z.B. auch dann, wenn der Erwerber das Unternehmen alsbald weiterveräußert (obwohl dies firmenrechtlich zulässig ist, s. § 22 Rn 107). Außerdem dürften die wenigsten Verkehrsteilnehmer die von Lieb vorausgesetzten Kenntnisse über §§ 22, 23 haben; vgl. auch Canaris Handelsrecht § 7 Rn 33, der darauf hinweist, dass der Gläubiger im Vertrauen auf die Haftung des Erwerbers aus § 25 Abs. 1 S. 1 eine Disposition vorgenommen haben muss.
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Kern des Unternehmens ausmachen.453 Dass die Fortführung der Firma in diesem Fall wegen § 23 unzulässig wäre, steht dem Rechtsschein nicht entgegen, weil es für § 25 nicht auf die Zulässigkeit der Firmenführung ankommt (Rn 50, 69). Der Anschein einer Unternehmensfortführung kann ferner bei der Wiederaufnahme der Tätigkeit eines endgültig stillgelegten Geschäfts in Betracht kommen, nämlich wenn der Eindruck erweckt wird, es handele sich um die Fortführung des ursprünglichen.454 Unverzichtbar ist freilich in diesem Fall, dass neue Unternehmensträger die maßgeblichen Betriebsmittel aus der Hand des vormaligen Inhabers erworben hat.455 Auch wird eine Rechtsscheinhaftung kaum in Betracht kommen, wenn das Unternehmen infolge Insolvenz stillgelegt wurde; denn den Altgläubigern kann dies kaum verborgen geblieben sein.456 Ist der Erwerber zu Unrecht in das Handelsregister eingetragen worden (§ 31), weil er das 159 Geschäft tatsächlich zu keinem Zeitpunkt übernommen hat, kann § 15 Abs. 3 zur Anwendung kommen. Auf diese Norm kann eine Haftung des Erwerbers jedoch nicht gestützt werden, wenn der Erwerb lediglich unwirksam war und der Erwerber zumindest vorübergehend (vgl. Rn 62) als Inhaber des Geschäfts aufgetreten ist; denn dann war das Register nicht falsch.457 In diesem Fall gilt vielmehr Rn 55.
3. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 1 S. 2 160 Auch im Blick auf § 25 Abs. 1 S. 2 können sich Rechtsscheinprobleme ergeben. Als Beispiel nennt Hüffer in der Voraufl. Rn 115 den Fall fehlender oder unwirksamer Einwilligung in die Fortführung der Firma. Durch zurechenbare Duldung der Firmenfortführung könne der Veräußerer den Rechtsschein hervorrufen, die Forderungen ständen dem Erwerber zu. Diesen Rechtsschein muss er gegen sich gelten lassen, wenn der Schuldner im Vertrauen darauf an den Erwerber leistet. Nach hier vertretener Ansicht erfüllt dagegen die Duldung der Firmenfortführung bereits das Tatbestandsmerkmal der Einwilligung, s. Rn 108 f. Für einen weiteren, möglichen Anwendungsfall Rn 162.
4. Rechtsschein hinsichtlich § 25 Abs. 2 161 Fraglich ist, ob der Dritte die Kundmachung schlechthin gegen sich gelten lassen muss, wenn die Beteiligten eine von § 25 Abs. 1 abweichende Vereinbarung getroffen und in einer den Anforderungen des § 25 Abs. 2 entsprechenden Weise publiziert haben, oder ob auch in diesen Fällen eine Anwendung der Rechtsscheingrundsätze in Betracht kommt. Ein schutzwürdiges Vertrauen trotz Mitteilung ist kaum denkbar. Anders liegt es aber, wenn für die Kundmachung das Handelsregister benutzt wird. Ebenso wie Eintragung und Bekanntmachung nach § 15 Abs. 2 einer Rechtsscheinhaftung nicht schlechterdings entgegenstehen (§ 15 Rn 90 ff), können sie auch hier im Einzelfall durch Vertrauensschutz überwunden werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine Vertrauenslage geschaffen wurde, die über den Tatbestand des § 25 Abs. 1 hinausgeht.458
453 454 455 456 457 458
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 100. Commandeur/Kleinebrink Rn 1030. MünchKommHGB/Thiessen Rn 126; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn Rn 100. MünchKommHGB/Thiessen Rn 126 aE. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 102; MünchKommHGB/Thiessen Rn 127. K. Schmidt ZHR 145 (1981), 2 (26); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle 103.
Burgard
268
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 25
Nach Canaris459 sollen Eintragung und Bekanntmachung gem. § 25 Abs. 2 dann nicht für 162 den Ausschluss des Schuldnerschutzes nach § 25 Abs. 1 S. 2 genügen, wenn der Erwerber die Firma ohne Nachfolgezusatz fortführt; denn dann dürfe der Schuldner annehmen, dass der Unternehmensinhaber nicht gewechselt habe und hätte daher keinen Anlass, das Handelsregister auf einen etwaigen Inhaberwechsel zu überprüfen. § 15 Abs. 2 S. 1 stünde dieser teleologischen Reduktion des § 25 Abs. 2 nicht entgegen, weil der Verzicht auf einen Nachfolgezusatz einen besonderen Scheintatbestand schaffe, so dass § 15 Abs. 2 S. 1 unanwendbar sei. Dazu ist zweierlei zu bemerken: Zum einen ist zweifelhaft, ob eine Firmenfortführung ohne Nachfolgezusatz einen Vertrauenslage schafft, die über den Tatbestand des § 25 Abs. 1 hinausgeht. Und zum anderen ist zweifelhaft, ob die bloße Einwilligung in die Firmenfortführung als Zurechnungsgrund für einen Rechtsscheintatbestand zu Lasten des Veräußerers ausreicht; denn primär hat der Erwerber den Rechtsschein veranlasst.
459 § 7 Rn 73; ebenso Hopt/Merkt Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 102; BeckOK HGB/Bömeke Rn 79. 269
Burgard
§ 26 (1)
1
Ist der Erwerber des Handelsgeschäfts auf Grund der Fortführung der Firma oder auf Grund der in § 25 Abs. 3 bezeichneten Kundmachung für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten haftbar, so haftet der frühere Geschäftsinhaber für diese Verbindlichkeiten nur, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren fällig und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird; bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten genügt der Erlass eines Verwaltungsakts. 2Die Frist beginnt im Falle des § 25 Abs. 1 mit dem Ende des Tages, an dem der neue Inhaber der Firma in das Handelsregister des Gerichts der Hauptniederlassung eingetragen wird, im Falle des § 25 Abs. 3 mit dem Ende des Tages, an dem die Übernahme kundgemacht wird. 3Die für die Verjährung geltenden §§ 204, 206, 210, 211 und 212 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches sind entsprechend anzuwenden. (2) Einer Feststellung in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art bedarf es nicht, soweit der frühere Geschäftsinhaber den Anspruch schriftlich anerkannt hat.
Schrifttum 1. Zu und seit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz Canaris Die Enthaftungsregelung der §§ 26, 28 Abs. 3 HGB auf dem Prüfstand der Verfassung, Festschrift Odersky, 1996, 753; Eckert Begrenzung der Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter, RdA 1994, 215; Heinemann Zum Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, BuW 1994, 718; Herbert Die Verfassungsmäßigkeit des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes, 1999; Kainz Das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG), DStR 1994, 620; Kapp/Oltmanns/Bezlex Der Entwurf für ein Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – eine halbherzige Lösung, DB 1988, 1937; Kollbach Die Neuregelung der Nachhaftung ausgeschiedener persönlich haftender Gesellschafter, GmbHR 1994, 164; Leverenz Enthält § 160 HGB dispositives Recht? ZHR 160 (1996), 75; Lieb Zum Entwurf eines Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes, GmbHR 1992, 561; ders. Haftungsklarheit für den Mittelstand? Offene (Übergangs-) Fragen nach Erlaß des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes (NHBG), GmbHR 1994, 657; Maier-Raimer Nachhaftungsbegrenzung und neues Verjährungsrecht, DB 2002, 1818; Moll/ Hottgenroth Zur Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft für Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen, RdA 1994, 223; Nitsche Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – Vertragsübergang kraft Gesetzes?, ZIP 1994, 1919; Petersen Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001; Reichold Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, NJW 1994, 1617; ders. § 26 HGB – Verjährungs- oder Enthaftungsnorm?, ZIP 1998, 551; ders. Haftung für Versorgungsverbindlichkeiten nach Firmenfortführung, RdA 2005, 110; K. Schmidt Das neue Nachhaftungsbegrenzungsrecht, ZIP 1994, 243; ders. Zum Verständnis des § 26 HGB, Eine Skizze zur Nachhaftungsbegrenzung, Festschrift Krejci, Bd. I, 2001, 325; K. Schmidt/C. Schneider Haftungserhaltende Gläubigerstrategien beim Ausscheiden von Gesellschaftern bei Unternehmensübertragung, Umwandlung und Auflösung, BB 2003, 1961; Seibert Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – Haftungsklarheit für den Mittelstand, DB 1994, von Steinau-Steinrück Haftungsrechtlicher Arbeitnehmerschutz bei der Betriebsaufspaltung, 1996, 461; Steinbeck Das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, WM 1996, 2041; Waldner Das neue Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, WiB 1994, 297. S. ferner das Schrifttum zu §§ 25, 28.
2. Vor dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz Bezler/Kapp/Oltmanns Dauerschuldverbindlichkeiten bei Betriebsaufspaltung, BB 1988, 1897; dies. Der Entwurf für ein Nachhaftungsbegrenzungsgesetz, DB 1988, 1937; Bork Zur Enthaftung der Besitzgesellschaft bei der Betriebsaufspaltung analog § 26 HGB, ZIP 1989, 1369; Büscher-Klusmann Forthaftung und Regreß ausgeschiedener Personengesellschafter, ZIP 1992, 11; Hönn Dauer- und sonstige Schuldverhältnisse als Problem der Haftung ausgeschiedener Gesellschafter unter Berücksichtigung des Gläubigerschutzes, ZHR 149 (1985), 300; Honsell/Harrer Die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters bei Dauerschuldverhältnissen, ZIP 1986, 341; Kapp/Oltmanns/Bezlex Dauerschuldverbindlichkeiten bei Betriebsaufspaltung: Enthaftung nach § 26 HGB, BB 1988, 1987; Karollus Unternehmerwechsel
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-013
270
§ 26
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
und Dauerschuldverhältnis, ÖJZ 1995, 241, 292; Kiskel Verjährungsprivilegien in Umwandlungsfällen, 1991; LangohrPlato Nachhaftungsbegrenzung und betriebliche Altersversorgung, BB 1990, 486; Lieb Zur Begrenzung der sogenannten Nachhaftung nach Ausscheiden aus der haftungsbegründenden Rechtsposition, ZGR 1985, 124; Markert/ Renaud Keine Enthaftung des Unternehmensveräußerers für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen trotz Firmenfortführung durch den Unternehmenserwerber?, DB 1988, 2358; Priester/K. Schmidt Unbegrenzte Nachhaftung des geschäftsführenden Gesellschafters?, ZIP 1984, 1064; Reichold § 26 HGB – Verjährungs- oder Enthaftungsnorm?, ZIP 1988, 551; Renaud/Marken Keine Haftung des Unternehmensveräußerers für Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen trotz Firmenfortführung durch die Erwerber?, DB 1988, 2358; Rohe Die Haftung des ausgeschiedenen OHG-Gesellschafters aus längerfristigen Schuldverhältnissen der Gesellschaft, Diss. Münster 1975; Säcker/Joost Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf Ruhestandsverhältnisse, DB 1978, 1078; K. Schmidt Gesellschaftsrechtliche Grundlagen eines Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes, DB 1990, 2357; Timmann/Ulmer Die Enthaftung ausgeschiedener Gesellschafter, ZIP 1992, 1; Ulmer/Wiesner Die Nachhaftung ausgeschiedener Gesellschafter aus Dauerschuldverhältnissen – Zur Notwendigkeit richterlicher Rechtsfortbildung im Rahmen von § 159 HGB, ZHR 144 (1980), 393; Ulmer Die zeitliche Begrenzung der Haftung von Gesellschaftern beim Ausscheiden aus einer Personenhandelsgesellschaft sowie bei der Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft, BB 1983, 1865; Wiesner Die Enthaftung persönlich haftender Gesellschafter für Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen, ZIP 1983, 1032. S. ferner das Schrifttum zu §§ 25, 28.
Übersicht 5.
A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Rechtspolitische Bewertung
IV.
Normzweck
V.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen
I.
Überblick
II. 1. 2.
Einzelheiten 18 Fälligkeit der Verbindlichkeit Berechnung der Fünfjahresfrist, § 26 Abs. 1 S. 2 19 a) Fristbeginn 22 b) Fristende Hemmung des Fristablaufs, § 26 Abs. 1 23 S. 3 Feststellung des Anspruchs i.S.d. § 197 Abs. 1 26 Nr. 3 bis 5 BGB, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 1
1
6. 4 7.
3. 4.
9
10
8. 12 9.
Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungshandlung, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 29 Erlass eines Verwaltungsaktes bei öffentlichrechtlichen Verbindlichkeiten, § 26 Abs. 1 S. 1 30 Hs. 2 Schriftliches Anerkenntnis des Anspruchs durch den früheren Geschäftsinhaber, § 26 32 Abs. 2 Ausschluss der Enthaftung durch Vereinbarung 35 a) Grundlagen b) Inhalt, Zeitpunkt und Form der Vereinba36 rung Zurückweisung der Erwerberhaftung, § 333 BGB 37 analog
17 C.
Rechtsfolgen
I. 1. 2. 3.
Enthaftung des früheren Geschäftsinhabers 40 Gegenstand der Enthaftung 42 Zeitpunkt der Enthaftung 45 Rechtsfolge der Enthaftung
II.
Freiwerden von Sicherheiten
III.
Anspruch auf Sicherheitsleistung, § 22 UmwG 49 analog
46
A. Grundlagen I. Norminhalt Unter den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 S. 1 haftet der Erwerber eines Handelsgeschäfts für alle 1 zuvor begründeten Geschäftsverbindlichkeiten (Altverbindlichkeiten) des bisherigen Inhabers 271
Burgard
§ 26
1. Buch. Handelsstand
(Veräußerers). Dieser gesetzliche Schuldbeitritt (§ 25 Rn 75 ff) lässt die Haftung des bisherigen Inhabers für Altverbindlichkeiten unberührt. Beide, Veräußerer und Erwerber, haften als Gesamtschuldner (§ 25 Rn 97 ff). Dasselbe gilt nach § 25 Abs. 3, wenn der Erwerber die Übernahme der Verbindlichkeiten in handelsüblicher Weise bekannt gemacht hat. Vor diesem Hintergrund regelt § 26 die Begrenzung der persönlichen Haftung des früheren Geschäftsinhabers für Altverbindlichkeiten (sog. Nachhaftung) in zeitlicher Hinsicht mittels eines Haftungsausschlusses (sog. Enthaftung). 2 Der Haftungsausschluss wirkt – was für das Verständnis von § 26 wichtig ist, aber durch den allzu komprimierten Wortlaut von § 26 Abs. 1 S. 1 nicht auf den ersten Blick deutlich wird – zu unterschiedlichen Zeitpunkten, je nachdem, wann die Verbindlichkeit fällig wird (näher u. Rn 9, 42 ff): Wird eine Verbindlichkeit vor Ablauf von fünf Jahren fällig – also entweder noch vor Übergang des Handelsgeschäfts oder im anschließenden Fünfjahreszeitraum etwa aufgrund von Dauerschuldverhältnissen –, so kann der Gläubiger den früheren Inhaber innerhalb der Frist grundsätzlich in Anspruch nehmen. Die Enthaftung tritt erst nach Fristablauf ein. Wird eine Verbindlichkeit dagegen erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig, so haftet der frühere Geschäftsinhaber grundsätzlich überhaupt nicht mehr. 3 Während § 26 Abs. 1 S. 1 die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses des bisherigen Inhabers für Altverbindlichkeiten bestimmt, regelt S. 2 den Beginn der Fünfjahresfrist. Abs. 1 Satz 3 verweist wegen der Hemmung der Frist auf bestimmte Vorschriften des allgemeinen Verjährungsrechts. Nach Abs. 2 ist schließlich eine Feststellung des Anspruchs gegen den früheren Geschäftsinhaber entbehrlich, wenn er den Anspruch schriftlich anerkennt.
II. Entstehungsgeschichte 4 Die heutige Fassung von § 26 beruht im Wesentlichen auf dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG).1 Hernach erfolgte nur noch eine Anpassung an die Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz.2 In seiner früheren, vom Inkrafttreten des HGB bis zum 26.3.1994 geltenden Fassung, enthielt § 26 keinen Haftungsausschluss, sondern nur eine Sonderverjährungsfrist zugunsten des bisherigen Inhabers. Diese Sonderverjährung ermöglichte es ihm, sich auch bei Ansprüchen, für die – etwa gem. § 195 BGB a.F. – eine längere Verjährungsfrist galt, spätestens nach Ablauf von fünf Jahren auf Verjährung zu berufen. Diese Verjährungsregelung war dem für Personenhandelsgesellschaften geltenden § 157 a.F. nachgebildet.3 5 Insbes. bei Dauerschuldverhältnissen, bei denen fortlaufend neue Einzelforderungen fällig werden (z.B. Miet- oder Pachtzins, Arbeitslohn, Ruhegeld, Entgelte für Stromlieferungen), konnte diese Regelung zu einer unangemessen langen und dem Normzweck von § 157 a.F. nicht entsprechenden Nachhaftung führen, weil die Sonderverjährung an die Fälligkeit der einzelnen Teilleistungen anknüpft (sog. Endloshaftung). Während das BAG dieses Problem zwar scharf herausgestellt hat, an der Endloshaftung aber zunächst festhielt,4 suchten der BGH und die Literatur es rechtsfortbildend zu lösen. Im Blick auf § 157 a.F. wurde zunächst die sog. Kündigungslösung verfolgt, die auf die Zumutbarkeit einer Kündigung durch den Gläubiger abstellte und aus deren Unterlassen auf das Einverständnis des Gläubigers mit der Enthaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters schloss.5 Das war freilich kein Ansatz, der zu überzeugen vermochte. Von der Literatur 1 Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern (Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – NHBG) vom 18.3.1994, BGBl. I, 560.
2 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – SMG) vom 26.11.2001, BGBl. I 2001, 3137.
3 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 37 = Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 980.
4 Vgl. BAG NJW 1978, 391. 5 BGHZ 70, 132 (135 f) im Anschluss an A. Hueck Recht der OHG, § 29 II, S. 449 Fn 44; ihm folgend etwa Großkomm/ R. Fischer3, § 128 Anm. 53. Burgard
272
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 26
wurde daher eine weitergehende, sog. Enthaftungslösung entwickelt, die dem Ausgeschiedenen nicht nur eine Verjährungseinrede zur Verfügung stellte, sondern einen Haftungsausschluss für solche Teilansprüche gewährte, die erst nach Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden entstehen.6 Dieser Lösung schlossen sich der BGH7 und schließlich auch das BAG8 an. Gleichwohl verblieb eine gewisse Rechtsunsicherheit, zumal angesichts einiger gravierender 6 Streitfragen wie insbes. zur Haftung des sog. geschäftsleitenden Kommanditisten.9 Gefordert wurde daher eine eindeutige Regelung, für die Ulmer10 auf Basis seiner Vorarbeiten bereits 1983 einen Gesetzgebungsvorschlag unterbreitet hatte. Diesem Vorschlag ist die Bundesregierung in der Hauptsache gefolgt.11 Sein Kern bestand in dem Übergang von der Verjährungslösung zu einer reinen (d.h. zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten nicht mehr auf Dauerschuldverhältnisse beschränkten) Enthaftungslösung nach Ablauf von fünf Jahren. Dabei ist es trotz des Widerstands des Bundesrats in einigen wichtigen Punkten12 im Wesentlichen geblieben, vgl. § 160 n.F. In der Literatur war die Übertragung der vorgenannten Rechtsfortbildung auf § 26 (und § 28) 7 seit längerem diskutiert und gefordert worden.13 Insbes. das BAG hatte dies jedoch stets abgelehnt,14 während Rechtsprechung des BGH fehlte. Auch der Regierungsentwurf des NHBG beschränkte sich bewusst auf das Problem des Ausscheidens von Gesellschaftern von Handelsgesellschaften. Der Ausweitung auf die §§ 26, 28 standen die Bundesregierung15 ebenso wie ursprünglich Ulmer16 skeptisch gegenüber. Der Rechtsausschuss des Bundestages entschied sich jedoch schließlich für die Erstreckung der Enthaftungslösung auch auf §§ 26, 28.17 § 26 wurde dementsprechend geändert, § 28 ein neuer Abs. 3 angefügt. Die wichtige und schwierige, aber heute weitgehend erledigte Übergangsproblematik wurde in Art. 35 ff EGHGB („Siebenter Abschnitt. Übergangsvorschriften zum Nachhaftungsbegrenzungsgesetz“) geregelt.18 Sie spielt heute vor allem noch für Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung eine Rolle, was nach der Rechtsprechung des BAG19 weiterhin zu einer „Endloshaftung“ des bisherigen Inhabers führen kann (näher § 28 Rn 60). Der Gesetzgeber hat mit dem Nachhaftungsbegrenzungsgesetz eine umfassende und ab- 8 schließende Regelung getroffen. Der BGH hat daher zu Recht die zu § 159 a.F. entwickelte sog. Kündigungslösung für das neue Recht aufgegeben.20
III. Rechtspolitische Bewertung Während § 160 n.F. weithin auf Zustimmung gestoßen ist,21 wird die Neufassung von § 26 zum Teil 9 heftig kritisiert. Namentlich Canaris sieht zwei elementare privatrechtliche Prinzipien verletzt: Ers6 Grundlegend Ulmer/Wiesner ZHR 144 (1980), 393 ff; s. ferner etwa Wiesner ZIP 1983, 1032; Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1 (3 ff); Hönn ZHR 149 (1985), 300 (303); Lieb ZGR 1985, 124 ff; ders. GmbHR 1992, 561 ff. 7 BGHZ 87, 286; BGH NJW 1983, 2943. 8 Noch offen gelassen in BAGE 42, 312 = DB 1983, 1259 (1260), ausdrücklich bejaht von BAG DB 1988, 123 (124 f). 9 Vgl. dazu die Gesetz gewordene ausdrückliche Klarstellung durch §§ 28 Abs. 3 S. 2, 160 Abs. 3 S. 2. 10 BB 1983, 1865 ff. 11 Begr RegE, BT-Drucks. 12/1868. 12 Vgl. BT-Drucks. 12/1868 Anlage 2 sowie die Gegenäußerung der BReg in Anlage 3. 13 S. etwa Lieb GmbHR 1992, 561 (566 f) mwN. 14 BAGE 88, 229 ff = ZIP 1998, 1973 ff; BAG ZIP 2004, 1227 ff.; siehe die Ausführungen in BeckOK HGB/Bömeke Rn. 2. 15 Begr. RegE BT-Drucks. 12/1868, 7 (unter A. III.). 16 Ulmer BB 1983, 1865 (1868); anders aber Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1 (7 f). 17 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/6569, 11 f. 18 S. hierzu Lieb GmbHR 1994, 657; Steinbeck WM 1996, 2041 jeweils mwN. 19 Eingehend BAG DB 2007, 2658 ff. 20 BGHZ 142, 324 (330 f). 21 Lieb GmbHR 1992, 561; Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1; Lieb GmbHR 1994, 657; Nitsche ZIP 1994, 1919; Reichold NJW 1994, 1617. 273
Burgard
§ 26
1. Buch. Handelsstand
tens bedürfe die Auswechselung eines Schuldners der Zustimmung des Gläubigers. Zweitens dürfe der Verlust eines Anspruches nicht durch Verfristung eintreten, ohne dass der Gläubiger die Möglichkeit habe, seine Forderung gerichtlich geltend zu machen. Er erhebt daher gegen § 26 sogar verfassungsrechtliche Bedenken.22 Diese Kritik halten andere angesichts der Länge der Fünfjahresfrist und der gerade bei Kreditverträgen üblicherweise vereinbarten Möglichkeit der vorzeitigen Lösung des Kreditgebers vom Vertrag bei Zweifeln an der Bonität des Schuldners für überzogen.23 Lediglich die von Canaris24 vorgeschlagene Analogie zu § 22 UmwG (dazu Rn 49) sei im Blick auf das Freiwerden von Sicherheiten (dazu Rn 46 ff) für die von § 26 betroffenen Verbindlichkeiten erwägenswert.25 Damit ist dem Problem jedoch nicht hinreichend Rechnung getragen; denn bei Verbindlichkeiten, die erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden, ist die von § 26 angeordnete Enthaftung unmittelbare Folge der Erwerberhaftung. Bei solchen langfristigen Verbindlichkeiten (z.B. Anspruch auf Rückzahlung eines langfristigen Darlehens26) hat der Gläubiger daher keine „fünf Jahre Zeit […], sich auf den Verlust des Vertragspartners einzustellen“.27 Vielmehr hat er bei solchen Verbindlichkeiten kraft Gesetzes von vornherein nur noch einen Schuldner, nämlich den Erwerber (s. Rn 2). Das kann aus den von Canaris genannten Gründen nicht rechtens sein und widerspricht auch dem von § 25 Abs. 1 S. 1 angestrebten Gläubigerschutz (zum Normzweck dieser Vorschrift § 25 Rn 22 ff). Daher muss dem Gläubiger ein eigenes Recht zustehen, die Auswechselung seines Schuldners zu verhindern. Ein solches Recht ergibt sich nach hier vertretener Auffassung aus § 333 BGB analog (§ 25 Rn 79 ff sowie u. Rn 37 ff).
IV. Normzweck 10 § 26 bezweckt – ebenso wie die Parallelvorschriften der §§ 28 Abs. 3, 160, § 736 Abs. 2 BGB, §§ 45, 56, 133, 157, 224 UmwG28 – einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger an einer Haftung ihres ursprünglichen Schuldners, also hier des bisherigen Geschäftsinhabers, für von ihm begründete (Alt-)Verbindlichkeiten und dessen Interessen an einer zeitlichen Begrenzung dieser Haftung. Die Vorschriften bezwecken weiterhin die Förderung der Attraktivität mittelständischer Unternehmen, indem sie die Haftungsrisiken von Einzelkaufleuten bzw. von Gesellschaftern, die die persönliche Haftung übernehmen, in den erfassten Fällen, hier also bei der Veräußerung eines Handelsgeschäfts, zeitlich begrenzen.29 Vor Augen halten muss man sich freilich die Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen der geregel11 ten Fälle, insbes. von § 26, § 28 Abs. 3 und § 160: Während den Gläubigern infolge von § 26 ihr ursprünglicher Schuldner verloren geht, bewirkt § 28 Abs. 3 „lediglich“ eine Haftungsbeschränkung des ursprünglichen Schuldners (s. § 28 Rn 61), § 160 Abs. 1 nur den Verlust eines Mithaftenden und § 160 Abs. 3 sogar nur die Haftungsbeschränkung eines Mithaftenden. Während in den Fällen des § 160 den Gläubigern ihr ursprünglicher Schuldner – nämlich die Gesellschaft – erhalten bleibt, führen §§ 26, 28 Abs. 3 zu einem Schuldnerwechsel.30 Die gesetzliche Gleichstellung dieser Fälle
22 Canaris FS Odersky, 753 (757 ff, 768 ff); ders. Handelsrecht § 7 Rn 44 ff; zust. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; ebenfalls kritisch, aber zurückhaltender Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2. 23 MünchKommHGB/Thiessen Rn 2; Hopt/Merkt Rn 1. 24 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 49 ff; zust. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. 25 MünchKommHGB/Thiesen Rn 2; K. Schmidt FS Krejci, 325 (332). 26 Eindringlich zu problematischen Fallgestaltungen Canaris FS Odersky, 753 ff. 27 So aber Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 25 Rn 60. 28 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser Vorschriften K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 ff. 29 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 12/6509, 11; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/1868, 7 ff.; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 1. 30 Canaris FS Odersky, 753 (760); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1. Burgard
274
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 26
wegen einer „ähnlich gelagerten Sach- und Interessenlage“31 überzeugt daher nicht.32 Deswegen ist entgegen anders lautender Stimmen in der Literatur33 trotz des übereinstimmenden Normzwecks keine einheitliche Auslegung der genannten Vorschriften geboten.
V. Anwendungsbereich § 26 betrifft auf Grund seiner Bezugnahme nur zwei Fälle, nämlich erstens den Fall einer Erwer- 12 berhaftung aufgrund § 25 Abs. 1 S. 1 und zweitens den Fall einer Erwerberhaftung gem. § 25 Abs. 3 aufgrund handelsüblicher Bekanntmachung. Zum Anwendungsbereich von § 25 s. dort Rn 36 ff. Nur in diesen beiden Fällen greift § 26 zu Gunsten des bisherigen Inhabers ein. Haftet der Erwerber den Gläubigern nicht aufgrund dieser Vorschriften oder lediglich aus einem anderen Rechtsgrund (etwa einem rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt), so ist § 26 nicht anzuwenden. In diesem Fall bleibt es bei einer bloßen Verjährung der Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers nach den allgemeinen Vorschriften. Das ist wohl unstreitig.34 Wenn der Erwerber den Gläubigern allerdings nicht nur nach § 25 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 3, sondern daneben auch – inhaltlich übereinstimmend – aus einem anderen Rechtsgrund (z.B. einem rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt) haftet, soll dem bisherigen Inhaber die Haftungsbegrenzung des § 26 nach herrschender Meinung zugute kommen.35 Dem ist nicht zu folgen. § 26 betrifft nach seinem Wortlaut nur die beiden genannten Fälle. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Fälle der Erwerberhaftung (mit dementsprechend unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen!) kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Rechtfertigung einer Enthaftung des Veräußerers in den Fällen des § 26 ohnehin zweifelhaft ist (Rn 9, 11). Es ist nicht einzusehen, warum es insofern einen Unterschied machen soll, ob der Erwerber nur aus einem anderen Rechtsgrund haftet oder der andere Rechtsgrund neben die Haftung aus § 25 Abs. 1 S. 1 oder Abs. 3 tritt. Nach altem Recht mag die herrschende Auffassung in Ansehung von § 26 Abs. 2 S. 2 a.F. noch vertretbar gewesen sein. Nach neuem Recht ist sie es nicht. Eine teleologische Reduktion von § 26 ist veranlasst, wenn der Erwerber nur mit seinem 13 Privatvermögen, nicht aber mit dem Unternehmensvermögen haftet, weil dieses – zumindest im Wesentlichen – bei dem bisherigen Inhaber verblieben ist, wie z.B. in Fällen einer Betriebsverpachtung. Würde § 26 auch in solchen Fällen eingreifen, würde Haftungsvermeidungsstrategien, wie sie mit einer klassischen Betriebsaufspaltung verfolgt werden können, Vorschub geleistet. Überdies ist eine Enthaftung des bisherigen Inhabers deswegen nicht gerechtfertigt, weil er Inhaber des Betriebsvermögens bleibt.36 Canaris tritt ferner für eine teleologische Reduktion von § 26 in allen Fällen ein, in denen 14 der Anspruch des Gläubigers auf einem arglistigen, vorsätzlichen oder einem eigenen delik31 BT-Drucks. 12/6569, 11. 32 Ebenso Canaris FS Odersky, 753 (760); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; aA die hM etwa Hopt/Merkt Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 6 sowie K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 93, freilich auf der Grundlage seines abweichenden Verständnisses von § 25 (dazu dort Rn 14, 20, 34). 33 Hopt/Merkt Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 6; BeckOGK HGB/Moser Rn 4 mit Verweis auf BGHZ 174, 7 (10 f.) in Fn 11; Oetker/Vossler Rn 8; MünchKommHGB/Thiessen Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Hillmann Rn 6. 34 Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Heymann/Förster Rn 9; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Hillmann Rn 5. 35 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 6; ebenso BeckOGK HGB/Moser Rn 15 sowie in Rn 51; Oetker/Vossler Rn 5; Heymann/Förster Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5; Hopt/Merkt Rn 4 sowie zum alten Recht BGHZ 42, 381 (383 ff) = NJW 1965, 439 (440); Staub/Hüffer4 Rn 5; aA zum alten Recht dagegen etwa Düringer/Hachenburg Anm. 2. 36 H.L. Oetker/Vossler Rn 6; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/v.Westfalen/Haas/ Ries Rn 9; aA Canaris Handelsrecht § 7 Rn 58 f (Analogie zu § 134 Abs. 2 und 3 UmwG); ebenso MünchKommHGB/ Thiessen Rn 16; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 7. 275
Burgard
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tischen Handeln des bisherigen Inhabers beruht.37 Dem ist aus den von ihm genannten Gründen zuzustimmen, soweit eine Anwendung von § 26 dazu führen würde, dass die in diesen Fällen jeweils vorgesehene Verjährungsfrist durch die Enthaftung verkürzt würde (vgl. Rn 16). Eine teleologische Reduktion von § 26 für alle nicht lediglich einen Vertrag flankierenden Fälle einer gesetzlichen Haftung, wie von Canaris gefordert,38 ist dagegen als zu weitgehend abzulehnen; denn solche Ansprüche beruhen häufig auf der Verwirklichung eines Betriebsrisikos, das der frühere Inhaber nach § 26 gerade nicht zeitlich unbeschränkt tragen soll. 15 Speziellere Regelungen gehen § 26 vor. Das gilt entgegen der Auffassung des BAG39 und von Teilen der Literatur40 insbes. für § 613a BGB,41 der für den Fall des Betriebsübergangs eine über § 26 hinausgehende Enthaftung des früheren Betriebsinhabers vorsieht. Das hat zur Folge, dass bei einem Betriebsübergang – von den in § 613a Abs. 2 BGB genannten Ansprüchen abgesehen – die sofortige Enthaftung des Veräußerers eintritt. Soweit arbeitsrechtliche Ansprüche nicht von § 613a BGB erfasst werden (z.B. Ansprüche aus Ruhestandsverhältnissen),42 gilt jedoch § 26 (s. dazu ausf. § 25 Rn 86).43 Die Neufassung des § 26 hat die Sonderverjährung durch eine Enthaftungsregelung ersetzt. 16 Das darf jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass sich der bisherige Inhaber gegenüber dem Gläubiger nur noch auf die Enthaftungsregelung des § 26 n.F. berufen könnte. Daneben besteht vielmehr weiterhin die Möglichkeit, nach allgemeinen Vorschriften die Verjährungseinrede zu erheben, soweit die Verjährungsfrist kürzer ist als die Enthaftungsfrist des § 26.44
B. Voraussetzungen I. Überblick 17 Eine Enthaftung des bisherigen Inhabers hinsichtlich von Altverbindlichkeiten (Rn 1) tritt unter folgenden Voraussetzungen ein: 1. Eröffnung des Anwendungsbereichs von § 26 (Rn 12–14) und 2. Fälligkeit der Verbindlichkeit (Rn 18) erst nach Ablauf von fünf Jahren (zur Fristberechnung Rn 19 ff) und vor Ablauf der Frist a) kein Ausschluss der Enthaftung durch Vereinbarung (Rn 35 ff) und b) keine Zurückweisung der Erwerberhaftung (Rn 37 ff) oder 3. Fälligkeit der Verbindlichkeit vor Ablauf von fünf Jahren und vor Ablauf der Frist a) keine Feststellung des Anspruchs i.S.d. § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB (Rn 26 ff), b) keine Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungshandlung (Rn 29) bzw. 37 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 54; so auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; BeckOGK HGB/Moser Rn 57; ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke Rn 8 sowie MünchKommHGB/Thiessen Rn 12; aA Hopt/Merkt Rn 5; Kainz DStR 1994, 620 (621); Oetker/Vossler Rn 3; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Hillmann Rn 18; HKzHGB/Schall Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 38 Canaris Handelrecht § 7 Rn 57. 39 BAGE 64, 62 = ZIP 1990, 939 m. abl. Anm. Lieb EzA § 28 HGB Nr. 1. 40 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 25 Rn 66; GKzHGB/Steitz Rn 4; Staub/Hüffer4 § 25 Rn 56; MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn 171 f; BeckOGK HGB/Moser Rn 10; HKzHGB/Schall Rn 8; Oetker/Vossler Rn 7; BeckOK HGB/Bömeke Rn 9. 41 MünchKommHGB/Thiessen § 25 Rn 66, 110 f, § 26 Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 7; Hopt/ Merkt Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 42 MünchKommHGB/Thiessen Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 7; BAG DB 1988, 123 (124); BAG DB 1977, 1466 (1467 f); Lieb ZGR 1985, 124 ff; Ulmer BB 1983, 1865 (1869); krit. dagegen Säcker/Joost DB 1978, 1078. 43 Zum Problem der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen im Insolvenzfall Kollbach GmbHR 1994, 164 (166 f); MünchKommHGB/Thiessen Rn 17. 44 MünchKommHGB/Thiessen Rn 12; Eckert RdA 1994, 215 (219). Burgard
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kein Erlass eines Verwaltungsaktes bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten (Rn 30 f) sowie d) kein schriftliches Anerkenntnis des Anspruchs durch den früheren Geschäftsinhaber (Rn 32 ff), e) kein Ausschluss der Enthaftung durch Vereinbarung (Rn 35 ff) und f) keine Zurückweisung der Erwerberhaftung (Rn 37 ff).
II. Einzelheiten 1. Fälligkeit der Verbindlichkeit Die Fälligkeit der Verbindlichkeit bestimmt sich zuvörderst nach den vertraglichen Vereinbarun- 18 gen der Parteien, ansonsten nach den gesetzlichen Fälligkeitsregeln, in den verbleibenden Fällen nach § 271 BGB. Der Gläubiger muss berechtigt sein, die Erfüllung der Forderung innerhalb der Fünfjahresfrist zu verlangen.45
2. Berechnung der Fünfjahresfrist, § 26 Abs. 1 S. 2 a) Fristbeginn. Im Falle des § 25 Abs. 1 S. 1 beginnt die Ausschlussfrist mit dem Ende des 19 Tages, an dem der Erwerber gem. § 31 Abs. 1 in das Handelsregister eingetragen wird; auf den Tag der Bekanntmachung der Eintragung kommt es – merkwürdigerweise – nicht an.46 Hat der Gläubiger auf andere Weise vom Inhaberwechsel erfahren, ist dies für den Fristbeginn gleichfalls unerheblich.47 Im Fall des § 25 Abs. 3 beginnt die Ausschlussfrist mit dem Ende des Tages, an dem die 20 Übernahme der Verbindlichkeiten auf handelsübliche Weise bekannt gemacht wurde. Damit hängt der Fristbeginn von der Art der Kundmachung (dazu § 25 Rn 146) ab. Erfolgt die Kundmachung durch Rundschreiben, ist für jeden einzelnen Gläubiger auf den Zeitpunkt des Zugangs abzustellen.48 Bei einer Zeitungsveröffentlichung ist deren Erscheinungstag maßgeblich.49 Bei Spätschäden tritt Canaris dafür ein, die Frist erst zu dem Zeitpunkt des Schadensein- 21 tritts beginnen zu lassen.50 Dem ist nicht zu folgen. Zwar ist zuzugeben, dass sich Gläubiger in solchen Fällen nur schlecht vor einem unerwünschten Schuldnerwechsel schützen können. Es ist jedoch gerade – grundsätzlich anerkennenswerter – Sinn und Zweck von § 26, den bisherigen Inhaber nach Ablauf von fünf Jahren seit den in Rn 19 f genannten Zeitpunkten aus der Haftung zu entlassen.
b) Fristende. Das Fristende ist nach § 187 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2, 3 BGB zu berechnen. Tritt 22 eine Hemmung (Rn 23 ff) oder Ablaufhemmung (Rn 24) der Frist ein, ist dieser Zeitraum gem.
45 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 12; vgl MünchKommHGB/Thiessen Rn 7. 46 Allg. M., vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; GKzHGB/Steitz Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 13.
47 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; aA BeckOGK HGB/Moser Rn 28; Hopt/Merkt Rn 9; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 7; Oetker/Vossler Rn 8; MünchKommHGB/Thiessen Rn 14; siehe auch BGH NJW 2007, 3784 zu § 160 HGB wonach die Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister nicht konstitutiv sei. 48 Zutr. Staub/Hüffer4 Rn 10; Heymann/Förster Rn 24; ähnlich Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16 (Zeitpunkt des nach dem gewöhnlichen Postlauf zu vermutenden Zugangs). 49 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 50 Canaris Handelrecht § 7 Rn 56. 277
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§ 209 BGB bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen; hierbei ist § 190 BGB zu beachten. § 191 findet auf durch Hemmung oder Ablaufhemmung verlängerte Fristen keine Anwendung.51
3. Hemmung des Fristablaufs, § 26 Abs. 1 S. 3 23 Eine Hemmung des Fristablaufs tritt gem. § 26 Abs. 1 S. 3 in den Fällen des § 204 BGB (Hemmung durch Rechtsverfolgung) und des § 206 BGB (Hemmung bei höherer Gewalt) ein. Die wichtigsten Hemmungsgründe sind danach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB (Erhebung einer Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils), § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB (Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren), § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB (Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess) und § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB (Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren). Insbes. in Fällen, in denen die Forderung erst kurz vor Fristablauf fällig wird, kann der Gläubiger daher den Fristablauf hemmen und damit – vorläufig (Rn 26) – eine Enthaftung des bisherigen Geschäftsinhabers verhindern, in dem er die Forderung auch schon vor Eintritt der Fälligkeit im Wege der Feststellungsklage (§ 256 ZPO) oder der Klage auf zukünftige Leistung (§§ 257 ff ZPO) gerichtlich geltend macht.52 24 Wird die Ausschlussfrist gehemmt, so wird der betreffende Zeitraum entsprechend § 209 BGB in die Ausschlussfrist nicht eingerechnet, so dass die Frist nach Ende der Hemmung (s. dazu insbes. § 204 Abs. 2 BGB) weiterläuft. Während der Hemmung wird also gleichsam „die Uhr angehalten“. Eine Ablaufhemmung ordnet das Gesetz in den Fällen der §§ 210, 211 BGB (Ablaufhemmung bei nicht voll Geschäftsfähigen und in Nachlassfällen) an. Sie bewirkt, dass die Ausschlussfrist vor dem Ablauf der dort bestimmten, weiteren Frist nicht abläuft. 25 Zu beachten ist, dass eine Hemmung der Ablauffrist dem Gläubiger nur zugute kommen kann, wenn der Anspruch vor Ablauf der Fünfjahresfrist fällig wird. Wird der Anspruch erst später fällig, tritt die Enthaftung von vornherein kraft Gesetzes ein (s. bereits o. Rn 2, 9 und u. Rn 28, 34, 43). In diesem Fall kann der Gläubiger die Enthaftung nur auf den in Rn 35 f, 37 ff bezeichneten Wegen verhindern.
4. Feststellung des Anspruchs i.S.d. § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 26 Wird der Anspruch vor Ablauf der Fünfjahresfrist fällig, so kann der Gläubiger den Eintritt der Enthaftung des früheren Geschäftsinhabers zuvörderst dadurch abwenden, dass er den Anspruch vor Fristablauf feststellen lässt. Dabei führt die Geltendmachung des Anspruchs insbes. durch Klageerhebung, Zustellung eines Mahnbescheids oder Anmeldung im Insolvenzverfahren zunächst nur zu einer Hemmung der Ausschlussfrist gem. § 26 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 10 BGB (Rn 23). Die Enthaftung ist erst dann ausgeschlossen, wenn der Anspruch gem. § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB in einer rechtskräftigen Entscheidung (Urteil, Vollstreckungsbescheid), in einem vollstreckbaren Vergleich, in einer vollstreckbaren Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 5 ZPO) oder im Insolvenzverfahren rechtskräftig festgestellt ist. Maßgeblich ist dann die 30jährige Verjährungsfrist des § 197 BGB.53 27 Das Vorstehende gilt auch dann, wenn die rechtskräftige Feststellung bereits vor der Geschäftsübernahme erfolgt ist.54 Anderenfalls wäre der Gläubiger trotz Rechtskraft der Entschei51 52 53 54
Erman/Maier-Reimer § 191 BGB Rn 3 mwN. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. MünchKommHGB/Thiessen Rn 13; Hopt/Merkt Rn 8. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 18; Heymann/Förster Rn 17; Hopt/Merkt Rn 8; ausf. K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1963 f). Burgard
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dung gezwungen, den bisherigen Inhaber erneut zu verklagen. Das erscheint schon aus Rechtskraftgründen ausgeschlossen und wäre ganz und gar unökonomisch. Wird die Forderung dagegen erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist fällig, so kann die Enthaf- 28 tung nicht durch eine vorherige gerichtliche Geltendmachung abgewendet werden.55 Eine Enthaftung tritt selbst dann ein, wenn der Gläubiger bereits vor der Geschäftsübernahme eine rechtskräftige Feststellung erwirkt haben sollte.56
5. Vornahme oder Beantragung einer Vollstreckungshandlung, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 Wird der Anspruch vor Ablauf der Fünfjahresfrist fällig, kann die Enthaftung außer durch die 29 Feststellung des Anspruchs (Rn 26 ff) auch durch die Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungsmaßnahme gehindert werden. Diese durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingefügte Alternative nimmt auf § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB Bezug und hat zur Folge, dass die Fünfjahresfrist neu zu laufen beginnt. Wird allerdings der Antrag zurückgewiesen oder die Vollstreckungsmaßnahme aufgehoben, so gilt der erneute Beginn der Frist gem. § 26 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 212 Abs. 2, 3 BGB als nicht eingetreten.57 Besondere Bedeutung dürfte dieser Alternative allerdings ohnehin nicht zukommen, da Vollstreckungshandlungen einen Titel voraussetzen, der seinerseits bereits die Enthaftung verhindert (Rn 26).
6. Erlass eines Verwaltungsaktes bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 Bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten, die während der Fünfjahresfrist fällig werden, hat 30 der Gläubiger die Wahl. Zum einen kann er den Anspruch gerichtlich geltend machen. Dann gelten die vorstehend erläuterten Regeln. Zum anderen genügt zur Vermeidung der Enthaftung aber auch die schlichte Geltendmachung der Verbindlichkeit durch Verwaltungsakt, § 26 Abs. 1 S. 1 Hs. 2. Zu beachten ist freilich, dass die Vorschrift keine Rechtsgrundlage für den Erlass eines derartigen Verwaltungsaktes ist. Vielmehr stellt sie nur klar, dass dann, wenn ein Anspruch durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden kann, dies im Rahmen des § 26 ausreicht.58 Vorbild der Regelung sind die §§ 53 VwVfG, 52 SGB X.59 Danach gilt: Der bloße Erlass des 31 Verwaltungsaktes führt zunächst nur zu Hemmung des Fristablaufs, so dass sich der bisherige Geschäftsinhaber als Adressat des Verwaltungsaktes gegen ihn mit den gegebenen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen kann. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung. Erst, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, ist die Enthaftung ausgeschlossen. Die Verjährungsfrist beträgt dann 30 Jahre.
7. Schriftliches Anerkenntnis des Anspruchs durch den früheren Geschäftsinhaber, § 26 Abs. 2 Gem. § 26 Abs. 2 ist eine Feststellung im Sinne des § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB nicht erforderlich, 32 soweit der frühere Geschäftsinhaber den Anspruch schriftlich anerkannt hat. Dieses Anerkenntnis dient dazu, dem früheren Geschäftsinhaber den Einwand der Enthaftung zu nehmen und 55 56 57 58 59 279
K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1964); Maier-Raimer DB 2002, 1818 (1820); BeckOK HGB/Bömeke Rn. 16. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 12. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20. Heymann/Förster Rn 19. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 15; MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 36. Burgard
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dem Gläubiger den Fortbestand seiner Ansprüche zu sichern. Seiner Art nach ähnelt das Anerkenntnis i.S.d. § 26 Abs. 2 demjenigen des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB.60 Es genügt deshalb eine einseitige Erklärung des früheren Geschäftsinhabers. Einer Annahme durch den Gläubiger bedarf es nicht. Ein deklaratorisches oder konstitutives (§ 781 BGB) Schuldanerkenntnis wird mithin nicht verlangt.61 Umgekehrt bedeutet dies, dass ein innerhalb der Fünfjahresfrist unter Bezugnahme auf diese Frist abgegebenes Anerkenntnis im Zweifel nur als Erklärung im Sinne des § 26 Abs. 2 auszulegen ist und daher keine weitergehende rechtsgeschäftliche Bedeutung hat.62 Aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf das Anerkenntnis i.S.d. § 26 Abs. 2 (anders als 33 dasjenige des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) der Schriftform (§ 126 BGB). Wegen § 126 Abs. 3 BGB genügt auch die elektronische Form des § 126a BGB. Ein formloses Anerkenntnis führt aber grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss der Enthaftung.63 Das Anerkenntnis muss spätestens vor dem Ablauf der Fünfjahresfrist abgegeben werden. Es kann auch schon vor dem Geschäftsübergang erklärt werden (vgl. Rn 27).64 Ein nach Fristablauf erfolgtes Anerkenntnis kann als konstitutives Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB65 anzusehen sein und den Enthaftungseinwand ausschließen. Wird die Verbindlichkeit erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig, kann die Enthaftung nicht 34 durch ein Anerkenntnis i.S.d. § 26 Abs. 2 verhindert werden.66 In diesem Fall hilft nur – wenn man der in Rn 37 ff vertretenen Meinung nicht folgt – eine Vereinbarung über den Ausschluss der Enthaftung (Rn 34 ff) oder ein nach Geschäftsübergang vereinbartes konstitutives Schuldanerkenntnis.
8. Ausschluss der Enthaftung durch Vereinbarung 35 a) Grundlagen. § 26 ist durch Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und dem früheren Inhaber (nicht aber mit dem Erwerber)67 abdingbar. Das ist im Grundsatz von der herrschenden Lehre anerkannt.68 Die Gegenstimmen sind vereinzelt geblieben.69 Ob sich die Abdingbarkeit bereits aus der Entstehungsgeschichte der Norm ableiten lässt, ist streitig.70 Heute ergibt sie sich jedenfalls mit Deutlichkeit aus § 202 BGB.71 Bezweifelt wird allerdings, dass sich die Abdingbarkeit von § 26 auch auf solche Verbindlichkeiten bezieht, die erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist fällig werden; denn dies sei mit der Schutzfunktion der Ausschlussfrist unvereinbar.72 Dem ist nicht zuzustimmen.73 Zum einen ist kein grundlegender Unterschied zwischen Forde60 61 62 63 64 65
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 16; MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 37, 40. Heymann/Förster Rn 20; Hopt/Merkt Rn 11. Hopt/Merkt Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 16. MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 40. Heymann/Förster Rn 21; Staub/Habersack § 160 Rn 31; K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1964 f). Wie hier BeckOK HGB/Bömeke Rn 21; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 17; MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 39 (deklaratorisches Schuldanerkenntnis). 66 K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1964 f). 67 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 20; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 21; GKzHGB/Steitz Rn 7; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 10. 68 MünchKommHGB/Thiessen Rn 11; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 20; Hopt/Merkt Rn 12; Heymann/Förster Rn 20 f; GKzHGB/Steitz Rn 7; HKzHGB/Ruß Rn 6; K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1964 f). 69 Insbes. Leverenz ZHR 160 (1996), 75 ff und Staub/Habersack § 160 Rn 6 f (beide zu § 160). 70 Dafür MünchKommHGB/Thiessen Rn 11; dagegen Leverenz ZHR 160 (1996), 75 (77 ff); Staub/Habersack § 160 Rn 6 f. 71 MünchKommHGB/Thiessen Rn 11; K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961, 1964. 72 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 13. 73 Oetker/Vossler Rn 14; BeckOK HGB/Bömeke Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1965); wohl auch Hopt/Merkt Rn 12. Burgard
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rungen ersichtlich, die vor und nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden, der eine Einschränkung der Privatautonomie rechtfertigen könnte. Daher ist nicht einzusehen, warum der frühere Geschäftsinhaber nicht auch im Blick auf langfristige Verbindlichkeiten auf den Schutz von § 26 verzichten können soll, zumal es sich um einen Kaufmann handelt und er bei Verhandlungen über einen Ausschluss der Enthaftung durch ein Nachgeben in diesem Punkt möglicherweise anderweitige Vorteile für sich erzielen kann; denn gerade bei solchen langfristigen Verbindlichkeiten können Gläubiger ein erhebliches Interesse an dem Abschluss einer solchen Vereinbarung haben, weil dies der einzige weithin anerkannte Weg ist, bei langfristigen Verbindlichkeiten eine Enthaftung zu verhindern. Zum anderen ist zu bedenken, dass § 26 gerade deswegen berechtigter Kritik ausgesetzt ist (s. Rn 9), weil der Gläubiger bei langfristigen Verbindlichkeiten nach herrschender Meinung (s. aber Rn 37 ff) aus eigenem Recht keine Möglichkeit hat, einen Schuldnerwechsel zu verhindern. Erst recht sollte man ihm daher nicht die Möglichkeit nehmen, wenigstens durch Vereinbarung dem Schuldnerwechsel zu begegnen. Deswegen: Schließt man sich dem ersten Argument nicht an, mag es noch angehen, den Schutz eines ausgeschiedenen Gesellschafters höher zu bewerten als die Privatautonomie; denn im Falle des § 160 geht den Gläubigern „nur“ ein Mithafter verloren. § 26 führt aber zu einer Auswechselung des Schuldners, weswegen hier auch die Gläubigerinteressen verstärkte Berücksichtigung verdienen. § 26 ist daher in jeder Hinsicht abdingbar. Auch eine Verkürzung der Nachhaftung ist denkbar.74
b) Inhalt, Zeitpunkt und Form der Vereinbarung. Inhaltlich muss die Vereinbarung mit hin- 36 reichender Deutlichkeit den Willen der Parteien erkennen lassen, einen Ausschluss der Enthaftung zu bewirken. Ein bloßes Anerkenntnis des bisherigen Geschäftsinhabers genügt namentlich im Blick auf Verbindlichkeiten, die erst nach Ablauf von fünf Jahren fällig werden, nicht (Rn 34).75 Die Vereinbarung kann bereits vor dem Geschäftsübergang, aber auch hernach abgeschlossen werden.76 Aus Gründen der Rechtssicherheit bedarf die Vereinbarung ebenso wie das Anerkenntnis nach § 26 Abs. 2 der Schriftform.77 Streitig ist, ob die Vereinbarung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen getroffen werden kann.78 Dem wird entgegengehalten, eine solche Klausel wäre überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB.79 Das mag im Einzelfall so sein. Gerade bei langfristigen Kredit- und Leasingverträgen, bei denen aus den genannten Gründen ein besonderes Bedürfnis für einen Ausschluss von § 26 besteht, ist das jedoch nicht der Fall. Auch ein Verstoß gegen § 307 BGB liegt aus diesen Gründen nicht vor.80
9. Zurückweisung der Erwerberhaftung, § 333 BGB analog Schließlich kann der Gläubiger nach hier vertretener Auffassung den auf § 25 Abs. 1 S. 1 beru- 37 henden gesetzlichen Schuldbeitritt des Erwerbers gem. § 333 BGB analog zurückweisen (zur Be-
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MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 17. Ausf. K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1965). K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1965). Str., wie hier K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1965); Oetker/Vossler Rn 14; aA BeckOK HGB/Bömeke Rn. 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 20; Hopt/Merkt Rn 12; GKzHGB/Steitz Rn 7. 78 Dafür Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. 79 K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1965). 80 Im Anschluss wie hier Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn. 2; ähnlich Canaris Handelrecht § 7 Rn 53 (Recht zum Verzicht auf den Schutz des § 25 Abs. 1 S. 1); „erwägenswert“ Oetker/Vossler § 26 Rn 3 a.E.; ebs. BeckOK HGB/Bömeke § 26 Rn 4, der darüber hinaus für eine klare gesetzliche Regelung plädiert; a.A. K. Schmidt, Handelsrecht, § 7 Rn 88; MünchKommHGB/Thiessen Rn 88; BeckOGK HGB/Moser § 26 Rn 43. 281
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§ 26
1. Buch. Handelsstand
gründung s. § 25 Rn 78 ff).81 Macht der Gläubiger von diesem Zurückweisungsrecht Gebrauch, kommt die Erwerberhaftung nicht zum Zuge. Zugleich scheidet damit eine Enthaftung des bisherigen Inhabers gem. § 26 aus, so dass der Gläubiger auf diese Weise einen Schuldnerwechsel vermeiden kann. 38 Die Zurückweisung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach der Regel des § 333 BGB dem Versprechenden, vorliegend also dem Erwerber gegenüber abzugeben ist. Wegen der besonderen Interessenlage wird man hier aber auch eine Erklärung an den Veräußerer als genügend anzusehen haben. Wird die Zurückweisung nur einem von beiden erklärt, ist der Erklärungsempfänger gem. § 242 BGB verpflichtet, den jeweils anderen zu informieren.82 Die Zurückweisung kann richtigerweise bereits vor Anfall des Rechts,83 d.h. hier vor dem Geschäftsübergang erklärt werden. Eine Ausschlussfrist ist in § 333 BGB nicht vorgesehen.84 Das Zurückweisungsrecht entfällt 39 aber, wenn der Gläubiger das Forderungsrecht gegenüber dem Erwerber ausdrücklich oder konkludent angenommen und damit auf sein Zurückweisungsrecht verzichtet hat.85 Eine konkludente Annahme liegt insbes. in der Annahme von Leistungen des Erwerbers durch den Gläubiger in Kenntnis des Inhaberwechsels.86 Zudem ist anzunehmen, dass sowohl der Erwerber als auch der Veräußerer dem Gläubiger eine angemessene Erklärungsfrist setzen kann, um die Ungewissheit hinsichtlich der Haftungsverhältnisse zu beseitigen (vgl. auch §§ 516 Abs. 2 S. 1, 2 BGB).87 Lässt der Gläubiger die Erklärungsfrist verstreichen, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung.88 Schließlich entfällt das Zurückweisungsrecht aufgrund von § 26 spätestens mit Ablauf der dort bestimmten Fünfjahresfrist.
C. Rechtsfolgen I. Enthaftung des früheren Geschäftsinhabers 1. Gegenstand der Enthaftung 40 Gegenstand der Enthaftung sind die früheren Geschäftsverbindlichkeiten des Veräußerers (sog. Altverbindlichkeiten). Das sind solche Geschäftsverbindlichkeiten (näher dazu § 25 Rn 84 ff), die vor der Übernahme des Handelsgeschäfts entstanden sind, d.h. deren Rechtsgrundlage bis zu diesem Zeitpunkt gelegt worden ist, auch wenn die einzelnen Verpflichtungen erst später fällig werden. Fraglich ist, auf welchen Zeitpunkt genau abzustellen ist: die Übernahme des Handelsgeschäfts oder die Eintragung des Inhaberwechsels bzw. im Falle des § 25 81 Wie hier Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn. 2; ähnlich Canaris Handelrecht § 7 Rn 53 (Recht zum Verzicht auf den Schutz des § 25 Abs. 1 S. 1), „erwägenswert“ Oetker/Vossler Rn. 3 aE; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4, plädiert für eine klare gesetzliche Regelung; aA MünchKommBGB/Thiessen Rn. 88; BeckOGK HGB/Moser Rn. 43. 82 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 53 will eine solche Mitteilungspflicht dagegen nur dem Erwerber aufbürden; indes zu Unrecht, da auch dieser ein erhebliches Informationsinteresse hat. 83 Str., wie hier Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 8; Soergel/Hadding § 333 BGB Rn 8; Erman/Westermann § 333 BGB Rn 2; MünchKommBGB/Gottwald § 333 Rn 3; aA Palandt/Grüneberg80 § 333 BGB Rn 2; BeckOK BGB/Janoschek § 333 Rn 2. 84 Statt aller Palandt/Grüneberg80 § 333 BGB Rn 2. 85 Allg. M., RGZ 119, 3; MünchKommBGB/Gottwald § 333 Rn 4; Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 10. 86 Vgl. Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 10 mwN. 87 Dafür bedarf es hier keiner diesbezüglichen vertraglichen Vereinbarung zwischen Veräußerer und Erwerber, weil sich der Schuldbeitritt kraft Gesetzes vollzieht. Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 333 BGB ist das anders, s. MünchKommBGB/Gottwald § 333 Rn 4; Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 10 jew mwN. 88 Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 333 BGB ist die Rechtsfolge eines Schweigens streitig, s. Staudinger/Jagmann § 333 BGB Rn 11 mwN. Dort ist freilich auch die Interessenlage komplizierter und die Lösung nicht gesetzlich vorgeprägt. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 26
Abs. 3 die handelsübliche Bekanntmachung der Übernahme der Verbindlichkeiten.89 Richtigerweise kommt es – zumindest im Ausgangspunkt – auf den Zeitpunkt der Übernahme des Handelsgeschäfts an; denn hernach werden die Verbindlichkeiten von dem Erwerber begründet. Solange der Inhaberwechsel noch nicht eingetragen ist, greift allerdings § 15 Abs. 1 zu Lasten des bisherigen Geschäftsinhabers ein. Das führt zu der weiteren Frage, ob § 26 auch für Neuverbindlichkeiten gilt, für die der frühere Geschäftsinhaber über § 15 Abs. 1 in Anspruch genommen werden kann. Dagegen spricht der Wortlaut von § 26, dafür aber Sinn und Zweck der Vorschrift. Im Falle des § 25 Abs. 1 S. 1 betrifft die Enthaftung also alle Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund vor der Eintragung des Inhaberwechsels gem. § 31 gelegt wurde, im Falle des § 25 Abs. 3 kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der Geschäftsübernahme an. Der Rechtsgrund der Geschäftsverbindlichkeit ist grundsätzlich (Ausnahmen Rn 14 f) 41 unerheblich. Grundsätzlich gilt die Enthaftung daher für Geschäftsverbindlichkeiten aus Vertrag oder Gesetz gleichermaßen, auch für deliktische Ansprüche. Ebenso wenig wird zwischen Ansprüchen aus Schuldverhältnissen mit hinausgeschobener Fälligkeit und solchen aus Dauerschuldverhältnissen unterschieden. Erfasst werden also grundsätzlich alle früheren Geschäftsverbindlichkeiten.
2. Zeitpunkt der Enthaftung § 26 bestimmt, dass der frühere Geschäftsinhaber für Altverbindlichkeiten nur haftet, wenn sie 42 vor Ablauf von fünf Jahren fällig sind. Demnach ist hinsichtlich des Zeitpunkts der Enthaftung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung zu unterscheiden: Wenn der frühere Geschäftsinhaber für Altverbindlichkeiten nur haftet, wenn sie vor Ablauf 43 von fünf Jahren fällig sind, so bedeutet dies, dass er für Altverbindlichkeiten, die erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist fällig werden, gar nicht mehr haftet. Bei solchen langfristigen Verbindlichkeiten tritt die Enthaftung mithin schon zu dem Zeitpunkt ein, in dem die Erwerberhaftung einsetzt, im Falle des § 25 Abs. 1 S. 1 also mit dem Zeitpunkt des Geschäftsübergangs90 und im Falle des § 25 Abs. 3 mit dem Zeitpunkt der Kundmachung. Das ist allerdings streitig.91 Die Gegenansicht betont, dass der frühere Geschäftsinhaber nicht vor jeder Vorverlegung der Fälligkeit geschützt sein soll, weswegen die Enthaftung auch bei solchen langfristigen Verbindlichkeiten erst mit dem Ablauf der Fünfjahresfrist eintrete.92 Das ist freilich nur scheinbar ein Gegensatz; denn wenn eine Verbindlichkeit – etwa aufgrund einer außerordentlichen Kündigung des Gläubigers – tatsächlich vor Ablauf der Fünfjahresfrist fällig wird, dann ist eben doch noch keine Enthaftung eingetreten. Mit anderen Worten, sind zwei Zeitpunkte zu unterscheiden, nämlich erstens der Zeitpunkt, in dem die Enthaftung kraft Gesetzes eintritt, und zweitens der Zeitpunkt, in dem tatsächlich feststeht, dass die Enthaftung eingetreten ist. Dieser zweite Zeitpunkt ist endgültig erst mit Ablauf der Frist erreicht. Bei Verbindlichkeiten, die vor Ablauf von fünf Jahren fällig sind, tritt die Enthaftung 44 erst mit dem Ablauf der Fünfjahresfrist ein. Das ist unstreitig.93
89 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 9. 90 Allerdings beginnt die Frist in diesem Fall gem. § 26 Abs. 1 S. 2 erst mit der Eintragung des Inhaberwechsels, so dass frühestens ab diesem Zeitpunkt feststeht, für welche Verbindlichkeiten der frühere Geschäftsinhaber nicht mehr haftet. 91 Wie hier MünchKommHGB/Thiessen Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 7; Heymann/Förster Rn 28; GKzHGB/Steitz Rn 3; HKzHGB/Ruß Rn 6; Hopt/Merkt Rn 5; Staub/Habersack § 160 Rn 17 mwN. 92 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 18; MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas § 160 Rn 8. 93 MünchKommHGB/Thiessen Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Hillmann Rn 18; Hopt/Merkt Rn 8. 283
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§ 26
1. Buch. Handelsstand
3. Rechtsfolge der Enthaftung 45 Die Enthaftung bewirkt das Erlöschen der persönlichen Haftung des früheren Geschäftsinhabers für Altverbindlichkeiten.94 Dem Veräußerer steht damit eine rechtsvernichtende Einwendung zu, die im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen ist.95 Wenn die Enthaftung eingetreten ist, gilt das unterschiedslos, ob die Verbindlichkeiten vor oder nach Ablauf der Fünfjahresfrist fällig geworden sind;96 denn die Frage des Zeitpunkts der Fälligkeit hat nur für die Frage des Zeitpunkts der Enthaftung Bedeutung (Rn 42 ff). Ist die Enthaftung zugunsten des früheren Geschäftsinhabers eingetreten, haftet nur noch der Erwerber für die Altverbindlichkeiten. Der Enthaftung des früheren Inhabers steht eine Tätigkeit als leitender Angestellter im Unternehmen nicht entgegen.97
II. Freiwerden von Sicherheiten 46 Eine vom Gesetzgeber wohl nicht bedachte Folge von § 26 ist, dass der Gläubiger infolge der Enthaftung nicht nur seinen Schuldner, sondern auch etwaige Sicherheiten verliert;98 denn akzessorische Sicherheiten gehen mit der gesicherten Hauptschuld entweder unter (so z.B. eine Bürgschaft, vgl. § 767 Abs. 1 S. 1 BGB) oder auf den Besteller über (so eine Hypothek, s. § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB). Und bei nicht akzessorischen Sicherheiten (z.B. Sicherungseigentum, Grundschuld) erwächst dem Sicherungsgeber bei Erlöschen der Hauptschuld ein Rückgewähranspruch, soweit nichts anderes vereinbart ist.99 Das gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass § 26 einen Schuldnerwechsel bewirkt, vgl. § 418 BGB. Dieses Problem stellt sich bei § 160 HGB nicht, weil Sicherheiten gewöhnlich für die Schuld der Gesellschaft bestellt werden und daher durch die Enthaftung eines ausscheidenden Gesellschafters nicht berührt werden. 47 Zur Lösung dieses Problems kommt zunächst eine Anwendung von § 216 BGB analog in Betracht. Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass die Vorschrift in § 26 Abs. 1 S. 3 nicht genannt ist, wenn man davon ausgeht, dass der Gesetzgeber das Problem nicht gesehen hat und daher eine Gesetzeslücke vorliegt. Beschritte man diesen Weg, würde jedoch das Enthaftungsprivileg letztlich ausgehebelt: Hätte der bisherige Geschäftsinhaber selbst die Sicherheit bestellt, könnte der Gläubiger ihn entgegen § 26 aus der Sicherheit in Anspruch nehmen. Und hätte ein Dritter die Sicherheit bestellt, so hätte dieser regelmäßig einen Rückgriffsanspruch gegen den bisherigen Inhaber.100 48 In Betracht kommt ferner eine Analogie zu § 156 S. 2 UmwG, der § 418 BGB für unanwendbar erklärt.101 Daraus wird im Umwandlungsrecht der Schluss gezogen, Sicherheiten würden auch zugunsten der Ansprüche der Altgläubiger gegen die übernehmende Gesellschaft wir-
94 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 95 GKzHGB/Steitz Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 18; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 22; MünchKommHGB/K. Schmidt § 160 Rn 41.
96 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; Hopt/Merkt Rn 8. 97 Seibert DB 1994, 461 (463); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 98 Canaris Handelrecht § 7 Rn 60; ders. FS Odersky, 753 (760 f); BeckOK HGB/Bömeke Rn 23; Heymann/Förster Rn 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; Petersen Der Gläubigerschutz im Umwandlungsrecht, 2001, 361 f. 99 Erman/Bayer Anhang zu §§ 929–931 BGB Rn 22; Erman/Wenzel § 1191 BGB Rn 66; Canaris Handelrecht § 7 Rn 60; Oetker/Vossler Rn 10; Heymann/Förster Rn 29; BeckOK HGB/Bömeke Rn 23. 100 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 60; ders. FS Odersky, 753 (760 f); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 23. 101 Dafür K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 (1966 f), allerdings aufgrund der besonderen, gleichsam die Rechtsfähigkeit des Unternehmens fingierenden Konzeption von Karsten Schmidt, die zu Recht mehrheitlich nicht geteilt wird, s. § 25 Rn 20. Burgard
284
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 26
ken.102 Das ist jedoch unrichtig. Vielmehr stellt § 156 S. 2 UmwG, wie sich schon aus der systematischen Stellung der Norm ergibt, nur klar, dass die Sicherheiten für die Schuld des Einzelkaufmanns nicht durch den Übergang der Verbindlichkeiten auf die Gesellschaft berührt werden.103 Eine analoge Anwendung von § 156 S. 2 UmwG vermag das Problem des Verlusts der Sicherheiten daher ebenfalls nicht zu lösen.
III. Anspruch auf Sicherheitsleistung, § 22 UmwG analog Eine gewisse Erleichterung – und zwar nicht nur im Falle des Verlustes von Sicherheiten104 – 49 vermag eine analoge Anwendung von § 22 UmwG zu verschaffen.105 Die Vorschrift findet auch im Falle des § 152 UmwG Anwendung (s. §§ 133 Abs. 1 S. 2, 125 UmwG), was Grundlage der Analogie ist. Schuldner des Anspruchs auf Sicherheitsleistung ist wohl der Erwerber.106 Zu beachten ist aber, dass die Voraussetzungen der Vorschrift recht eng sind: schriftliche Anmeldung der Forderungen binnen sechs Monaten nach Eintragung und Bekanntmachung, Sicherheitsleistung nur, wenn Gläubiger keine Befriedigung verlangen können und glaubhaft machen, dass durch den Inhaberwechsel die Erfüllung ihrer Forderung gefährdet wird.
102 Lutter/Karollus UmwG, § 156 Rn 21, § 157 Rn 20; Semler/Stengel/Leonard/Seulen UmwG § 156 Rn 11, § 133 Rn 17, 100 f.
103 104 105 106 285
Zutr. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 61; Petersen S. 361 f. So aber wohl MünchKommHGB/Lieb2 Rn 5a. Ausf. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 49 ff. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 50. Burgard
§ 27 (1) Wird ein zu einem Nachlasse gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortgeführt, so finden auf die Haftung des Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung. (2) 1Die unbeschränkte Haftung nach § 25 Abs. 1 tritt nicht ein, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablaufe von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, eingestellt wird. 2Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften des § 210 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. 3Ist bei dem Ablaufe der drei Monate das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, so endigt die Frist nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist.
Schrifttum Amandi Umstrukturierung zur Vorbereitung eines Generationenwechsels, GmbH-StB 2002, 323; Bolte Der Paragraph 27 des neuen Handelsgesetzbuches, ZHR 51 (1902), 413; Barella Möglichkeit der Haftungsbeschränkung beim Übergang eines Einzelhandelsgeschäftes auf den Erben, DB 1951, 676; Bartholomeyczik Die Haftung des Erben für die neuen Geschäftsverbindlichkeiten, DGWR 1938, 321; Baur Der Testamentsvollstrecker als Unternehmer, Festschrift Dölle, Bd. I, 1963 S. 249; Behnke Das neue Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz, NJW 1998, 3078; Binder Die Rechtsstellung des Erben nach dem deutschen bürgerlichen Gesetz, 1905; Bisle Testamentsvollstreckung im Handels- und Gesellschaftsrecht, DStR 2013, 103; Bringer Auseinandersetzung einer Miterbengemeinschaft als Nachfolgerin eines einzelkaufmännischen Handelsgeschäfts, ZErb 2006, 39; Boehmer Erbfolge und Erbenhaftung, 1927; Bork/Jacoby Das Ausscheiden des einzigen Komplementärs nach § 131 Abs. 3 HGB, ZGR 2005, 611; Brandner Das einzelkaufmännische Unternehmen unter Testamentsvollstreckung, Festschrift Stimpel, 1985, 991; Bredemeyer Das kaufmännische Einzelunternehmen im Nachlass, ZErb 2013, 294; Buchwald Der Betrieb eines Handelsgewerbes in Erben- oder Gütergemeinschaft, BB 1962, 1405; Damrau Die Fortführung des von einem Minderjährigen ererbten Handelsgeschäfts, NJW 1985, 2236; Dauner-Lieb Unternehmen in Sondervermögen, 1998; Demuth Unternehmensnachfolge: Folgen des Ausscheidens eines Gesellschafters und Anwachsung bei Kommanditgesellschaften, BB 2007, 1569; Ebenroth/Fuhrmann Konkurrenzen zwischen Vermächtnis- und Pflichtteilsansprüchen bei erbvertraglicher Unternehmensnachfolge, BB 1989, 2049; Echarti Die vorläufige und die endgültige Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts (§ 27 HGB), LZ 1913, 664; Ernst Haftung des Erben für neue Geschäftsverbindlichkeiten, 1994; Fenyves Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982; R. Fischer Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft, ZHR 144 (1980), 1; R. Frank/ Müller-Dietz Zur Haftung eines Kommanditisten für bisherige Gesellschaftsschulden, wenn dieser den einzigen Komplementär einer zweigliedrigen KG beerbt, JR 1991, 457; Friedrich Die Haftung des endgültigen Erben und des „Zwischenerben“ bei Fortführung eines einzelkaufmännischen Unternehmens, 1990; Fromm Nachlassverwaltung: Eine Bedrohung für mittelständische Unternehmen im Nachlass, ZEV 2006, 298; Funk/Reuter Gesellschafts-, erb- und erbschaftsteuerrechtliche Rechtsprechung im Bereich Unternehmensnachfolge 2004–2006, DStZ 2007, 311; Ge Umfang der Haftung des den alleinigen Komplementär beerbenden Kommanditisten für Altverbindlichkeiten, DStR 1991, 289; Goldstein Die Miterbengemeinschaft als Organisationsform zur Fortführung des ererbten Handelsunternehmens eines Einzelkaufmanns, Diss. Köln 1972; Grote Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung für den Erben eines einzelkaufmännischen Gewerbebetriebs, BB 2001, 2595; Grunewald Haftungsbeschränkungs- und Kündigungsmöglichkeiten für volljährig gewordene Personengesellschafter, ZIP 1999, 597; Habersack Das neue Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger, FamRZ 1999, 1; Hadding Der praktische Fall – Handelsrecht – Das vom Erben zurückgenommene kaufmännische Unternehmen, JuS 1995, 611; Harder/Müller-Freienfels Grundzüge der Erbenhaftung, JuS 1980, 876; Hildebrandt Das Handelsgeschäft als Nachlaßgegenstand, DFG 1937, 153; ders. Die handelsrechtliche Erbenhaftung, DFG 1938, 48; Hohensee Die unternehmenstragende Erbengemeinschaft, 1994; von Hoyenberg Ausgewählte Fragen zum Unternehmertestament, RNotZ 2007, 377; A. Hueck Schuldenhaftung bei Vererbung eines Handelsgeschäfts, ZHR 108 (1941), 1; Hüffer Die Fortführung des Handelsgeschäfts in ungeteilter Erbengemeinschaft und das Problem des Minderjährigenschutzes, ZGR 1986, 603; Johannsen Die Nachfolge in kaufmännischen Unternehmen und Beteiligungen an Personengesellschaften beim Tode ihres Inhabers, FamRZ 1980, 1074; John Testamentsvollstreckung über ein einzelkaufmännisches Unternehmen, BB 1980, 757; Klarner Testamentsvollstreckung bei Betriebsvermögen und Gesellschaftsanteilen im Zivil- und Strafrecht, ZErb 2017, 271; Kretzschmar Die Gestaltung der Haftung der Erben, wenn der Erblasser Einzelkaufmann war oder einer offenen Handelsgesellschaft oder einer KG als Teilhaber angehörte, ZBlFG 1916/17, 1; Laum/Dylla-Krebs Der Minderjährige mit beschränkter Haftung? Festschrift Vieregge, 1995, 513; Lieb Haftungsprobleme beim Übergang des Gesellschaftsvermögens auf einen Kommanditisten, ZGR 1991, 572; ders. (Hrsg.) Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-014
286
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 27
Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaften, 1999; Liebs Offene Fragen der Insolvenz einer zweigliedrigen GmbH & Co KG, ZIP 2002, 1716; Marotzke Haftungsverhältnisse und Probleme der Nachlassverwaltung bei der Beerbung des einzigen Komplementärs durch den einzigen Kommanditisten, ZHR 156 (1992), 17; Muscheler Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung, 1994; Nolte Zur Frage der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung nach Handelsrecht, Festschrift Nipperdey Bd. I, 1965, 667; Nitz Unternehmensnachfolge, BWNotZ 2004, 153; Nordemann Zur „Testamentsvollstreckung“ an Handelsgeschäften und in Personalgesellschaften, NJW 1963, 1139; Progl Die Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten des Unternehmenserben – im Falle der Fortführung des ererbten einzelkaufmännischen Betriebes, ZErb 2006, 181; Reuter Die handelsrechtliche Erbenhaftung, ZHR 135 (1971), 511, Riesenfeld Die Erbenhaftung nach dem bürgerlichen Recht, 1916; Schedhelm Erben im Visier der Steuerfahndung, FR 2007, 937; K. Schmidt Die Erbengemeinschaft nach einem Einzelkaufmann, NJW 1985, 2785; ders. Zur Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts bei minderjährigen Miterben, NJW 1985, 138; ders. Gesetzliche Vertretung und Minderjährigenschutz im Unternehmensprivatrecht, BB 1986, 1238; ders. Zur Haftung des durch Beerbung des einzigen Komplementärs zum Alleininhaber des Gesellschaftsvermögens werdenden Kommanditisten für Gesellschaftsschulden, JZ 1991, 733; ders. Handelsrechtliche Erbenhaftung als Bestandteil des Unternehmensrechts, ZHR 1993, 600; ders. Minderjährigen-Haftungsbeschränkung im Unternehmensrecht, JuS 2004, 361; Schmidt Der Einzelunternehmer – Herausforderung des Handels- und Wirtschaftsrecht, JuS 2017, 809; Schönert Grenzen der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung auf den Nachlass, BWNotZ 2008, 81; Siber Haftung für Nachlaßschulden nach geltendem und künftigem Recht, 1937; Stahl Minderjährigenschutz im Gesellschaftsrecht und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung, 1988; Stegemann Die Vererbung eines Handelsgeschäftes, 1903; Strothmann Einzelkaufmännische Unternehmen und Erbenmehrheit im Spannungsfeld von Handels-, Gesellschafts-, Familien- und Erbrecht, ZIP 1985, 969; Thiele Kindesvermögensschutz im Personalunternehmensrecht nach dem Beschluß des BVerfG vom 13.5.1986, Diss. Köln 1992; Weidlich Testamentsvollstreckung an einem einzelkaufmännischen Unternehmen – Zulässigkeit auf Grund geänderter Gesetzeslage?, NJW 2011, 641; Weimar Die Veräußerung und Vererbung eines Handelsgeschäfts, MDR 1967, 731; Welter Vertragliche Vereinbarungen im Rahmen einer Erbengemeinschaft, MittRhNotK 1986, 140; Werther Der Ausschluß der handelsrechtlichen Erbenhaftung nach Fortführung des ererbten Handelsgeschäfts unter der bisherigen Firma, Diss. Köln 1968; M. Wolf Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch die Erbengemeinschaft, AcP 181 (1981), 480; ders. Vermögensschutz für Minderjährige und handelsrechtliche Haftungsgrundsätze, AcP 187 (1987), 319. S. ferner das Schrifttum zu §§ 25, 28.
Übersicht I. 1.
A.
Grundlagen
I.
Hintergrund der Norm
II.
Norminhalt
III.
Entstehungsgeschichte
IV. 1.
9 Normzweck Meinungsstand 10 a) Gesetzgeber 11 b) Rechtsprechung 12 c) Literatur 16 Stellungnahme
2.
1
6 8
2. 3.
V.
Vermeidung der Unbeschränkbarkeit der Erben19 haftung
VI.
Anwendungsbereich
20
VII. Weiterer Gang der Kommentierung B.
287
22
4. 5.
II. 1. 2. 3.
23 Voraussetzungen Erbe 24 a) Erbschaft und Ausschlagung 27 b) Vor- und Nacherbe 28 c) Scheinerbe 29 d) Vermächtnisnehmer 30 Handelsgeschäft Fortführung des Handelsgeschäfts 31 a) Fortführung durch den Erben b) Fortführung durch Dritte 32 aa) Grundsatz 33 bb) Minderjährige 35 cc) Personen kraft Amtes 36 c) Testamentsvollstrecker 37 Fortführung der Firma Besondere Verpflichtungsgründe (§ 27 Abs. 1 40 i.V.m. § 25 Abs. 3) Rechtsfolgen 41 Allgemeines Frühere Geschäftsverbindlichkeiten 48 Eintragungspflichten
42
Die Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 Burgard
§ 27
1. Buch. Handelsstand
C.
Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2
I. 1. 2.
Anwendbarkeit von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 49 Meinungsstand 52 Stellungnahme
II.
Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 54 Abs. 2 55 Keine Vereinbarung 56 Kundmachung Rechtzeitigkeit 57 a) Meinungsstand 58 b) Stellungnahme 59 c) Einzelheiten
1. 2. 3.
III.
Rechtsfolgen von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 60 Abs. 2
D.
Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 2
I. 1.
61 Voraussetzungen Einstellung der Fortführung des Geschäfts a) Einstellung der werbenden Tätig62 keit b) Nachlassverwaltung und -insol64 venz 65 c) Veräußerung 66 d) Verpachtung e) Einbringung des Geschäfts in eine Gesell67 schaft f) Eingliederung des Geschäfts in ein Unter68 nehmen des Erben Einstellungsfrist 69 a) Frist nach § 27 Abs. 2 S. 1 b) Verlängerung der Frist nach § 27 Abs. 2 S. 2 70 i.V.m. § 210 BGB c) Verlängerung der Frist nach § 27 Abs. 2 S. 3 71 i.V.m. § 1944 BGB
2.
II. 1. 2.
3.
Rechtsfolgen 72 Haftung während der Schwebezeit Haftung bei rechtzeitiger Einstellung 73 a) Grundsatz 74 b) Nachlasserbenschulden 75 Haftung ohne rechtzeitige Einstellung
Fragestellung
II. 1. 2.
Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung 77 Meinungsstand 83 Stellungnahme
III. 1. 2.
Folgen der Testamentsvollstreckung 85 Meinungsstand 88 Stellungnahme
IV.
Beendigung der Testamentsvollstre88a ckung 89 Meinungsstand 90 Stellungnahme
1. 2.
Geschäftsfortführung durch einen Testamentsvollstrecker
Burgard
84
F.
Geschäftsfortführung durch eine Erbengemeinschaft
I. 1. 2. 3.
Grundlagen 91 Vorbemerkung 92 Erbrechtliche Ausgangslage Grundgedanke bei der Anwendung von 93 § 27
II.
Die Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 94 Meinungsstand 96 Stellungnahme
1. 2. III.
Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung nach § 27 Abs. 2, § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 97 Abs. 2
IV.
Haftungsfolgen gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 101 Abs. 1 S. 1
V.
Die Haftung bei Erwerb des Unternehmens im 103 Rahmen der Auseinandersetzung
G.
Andere erbrechtliche Gestaltungen
I.
Zuwendung des Handelsgeschäfts durch Vermächtnis Die Rechtsstellung des Vermächtnisneh104 mers 106 Die Rechtsstellung des Erben
1. 2. II.
E.
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I.
Zuwendung des Handelsgeschäfts durch Schen107 kung von Todes wegen
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A. Grundlagen I. Hintergrund der Norm § 27 ist nur vor dem Hintergrund der erbrechtlichen Ausgangslage zu verstehen. Gem. § 1922 Abs. 1 BGB geht im Wege der Universalsukzession das gesamte Vermögen des Erblassers auf den oder die Erben (zu den besonderen Problemen der Miterbengemeinschaft u. Rn 91 ff) über. Der Erbe wird also Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers. Damit wird er grundsätzlich auch Gläubiger aller Forderungen und Schuldner aller Verbindlichkeiten des Erblassers, und zwar auch dann, wenn die Schulden überwiegen. Für die Nachlassverbindlichkeiten haftet er persönlich und grundsätzlich unbeschränkt (§ 1967 BGB), also nicht nur beschränkt auf den Nachlass, sondern mit seinem gesamten Vermögen. Um diese u.U. sehr nachteilige Rechtsfolge zu vermeiden, stehen dem Erben zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Zum einen kann der Erbe gem. §§ 1944 ff BGB binnen sechs Wochen die Erbschaft ausschlagen, wenn er sie nicht bereits zuvor angenommen hat (§ 1943 BGB), wobei in der einstweiligen Fortführung eines geerbten Handelsgeschäfts allein noch keine konkludente Annahme zu sehen ist.1 Die Ausschlagung bewirkt, dass der Anfall der Erbschaft als nicht erfolgt gilt, § 1953 Abs. 1 BGB. Damit erwirbt der (vormalige) Erbe aus der Erbschaft weder Rechte noch Pflichten, so dass die Ausschlagung einen vollständigen Haftungsausschluss zur Folge hat. Zum anderen kann der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten auf den Nachlass beschränken. Die Beschränkung tritt – abgesehen von der Möglichkeit einer Haftungsvereinbarung mit Gläubigern – bei Anordnung der Nachlassverwaltung und bei Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ein (§§ 1975 ff BGB), womit eine Absonderung des Nachlasses vom sonstigen Vermögen des Erben, die Fremdverwaltung des Nachlasses und der Verlust der Verfügungsbefugnis des Erben verbunden sind. Der Erbe haftet dann nur noch mit den Nachlassgegenständen selbst, aber nicht mehr mit seinem übrigen Vermögen, und zwar auch nicht etwa in Höhe des Nachlasswertes. Allerdings haftet der Erbe den Nachlassgläubigern für eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses bis zur Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, §§ 1978 f BGB. Das gilt nach § 1991 Abs. 1 BGB auch dann, wenn eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse nicht stattfinden kann und der Erbe die Haftungsbeschränkung durch die Einrede der „Dürftigkeit“ gem. §§ 1990, 1992 BGB, § 780 ZPO herbeiführt. Während Nachlassgläubiger einen auf Anordnung der Nachlassverwaltung bzw. Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gerichteten Antrag nur binnen zwei Jahren seit Annahme der Erbschaft stellen können (§ 1981 Abs. 2 S. 2 BGB, §§ 317 Abs. 1, 319 InsO), ist das Antragsrecht des Erben grundsätzlich zeitlich unbeschränkt. Grenzen ergeben sich lediglich in den Fällen der §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1 BGB, in denen und weil das Gesetz eine unbeschränkte Erbenhaftung anordnet, § 2013 BGB. Gegenüber dem einzelnen Nachlassgläubiger tritt überdies eine unbeschränkte Erbenhaftung in den Fällen des § 2006 Abs. 3 BGB ein. Kein Mittel der Haftungsbeschränkung ist dagegen die Inventarerrichtung (§§ 1993 ff BGB), die im Gegenteil zu einer unbeschränkten Haftung des Erben führen kann, §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 3 BGB. Zudem verliert der Erbe die Einrede des § 2014 BGB. Positiv für den Erben ist aber die Vermutung des § 2009 BGB. Für Nachlassgläubiger, die eine Inventarerrichtung beantragen können (§ 1994 BGB), bewirkt die Inventarerrichtung eine Erleichterung der Zwangsvollstreckung in die Nachlassgegenstände und vor allem eine Übersicht über den Nachlassbestand (einschließlich der Nachlassverbindlichkeiten, § 2001 Abs. 1), was insbes. im Blick auf die spätere Beantragung einer Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz vorteilhaft sein kann und es erleichtert, den Erben nach § 1978 BGB verant-
1 RG DJZ 1909, 1329; 1912, 1185; BayObLGZ 4, 60; KG JFG 22, 70; DR 1940, 2007; MünchKommBGB/Leipold § 1943 Rn 4 f; Staudinger/Otte § 1943 BGB Rn 7 ff; Soergel/Stein § 1943 BGB Rn 4; Erman/J. Schmidt § 1943 BGB Rn 3 ff. 289
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wortlich zu machen.2 Das Aufgebot (§§ 1970 ff BGB, §§ 433 ff, 454 ff FamFG) bezweckt in erster Linie, dem Erben einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten zu verschaffen. Es führt zwar ebenfalls keine Haftungsbeschränkung herbei, gibt dem Erben aber die Einreden der §§ 2015, 1973, 1974 BGB.
II. Norminhalt 6 Vor diesem erbrechtlichen Hintergrund bestimmt § 27 Abs. 1, dass der Erbe bei Fortführung eines zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts für frühere Geschäftsverbindlichkeiten nach Maßgabe von § 25 unbeschränkt haftet. Diese Haftungsanordnung, die für sich genommen nur der Regel der §§ 1922, 1967 BGB entspricht, hat zur Folge – und darin liegt die eigentliche Bedeutung der Vorschrift –, dass dem Erben im Blick auf frühere Geschäftsverbindlichkeiten die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung genommen wird.3 Diese Folge tritt nach § 27 Abs. 2 S. 1 allerdings nicht ein, wenn die Fortführung des Geschäfts vor dem Ablauf von drei Monaten, nachdem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, eingestellt wird. § 27 Abs. 2 S. 2 ordnet eine entsprechende Anwendung von § 210 BGB an. Nach § 27 Abs. 2 S. 3 endet die Dreimonatsfrist nicht vor Ablauf der Ausschlagungsfrist. 7 In § 27 nicht geregelt ist dagegen – anders als in § 25 – das Schicksal der Geschäftsforderungen; denn insofern verbleibt es bei der erbrechtlichen Regelung, wonach der Erbe kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt (§ 1922 BGB) und damit gegenüber jedermann Gläubiger wird. Nicht geregelt ist ferner die Haftung des Erben für Neuverbindlichkeiten; denn für diese haftet er nach allgemeinen Regeln ohnehin grundsätzlich unbeschränkt (s. aber Rn 46).
III. Entstehungsgeschichte 8 Das ADHGB enthielt keine § 27 entsprechende Vorschrift. Auch war das Problem der Vererbung eines Handelsgeschäfts im 19. Jahrhundert kaum Gegenstand von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Diskussion.4 Der erste Entwurf des Reichsjustizamtes ordnete in § 21 die Haftung des Erwerbers eines Handelsgeschäfts sowohl für den Fall des Erwerbs unter Lebenden als auch für den von Todes wegen an, wobei § 23 die Haftung für den Fall des Erwerbs von Todes wegen dann ausschloss, wenn das Handelsgeschäft nur „einstweilen für Rechnung des Nachlasses fortgeführt“ wurde. Da dieser Begriff als zu unbestimmt empfunden wurde,5 führte § 25 des zweiten Entwurfs die Dreimonatsfrist ein. Erst in der Reichstagsvorlage wurde die Vorschrift (als § 26) dann so formuliert, wie sie Gesetz wurde. Seither ist die Vorschrift im Wesentlichen unverändert. Lediglich das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.20016 machte infolge der Neugestaltung des Verjährungsrechts eine redaktionelle Folgeänderung von § 27 Abs. 2 S. 2 erforderlich.
2 RGZ 129, 239 (244). 3 Ganz h.L., etwa Staub/Hüffer4 Rn 13; MünchKommHGB/Thiessen Rn 3, 30; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; Hopt/Merkt Rn 1, 4; Heymann/Förster Rn 2; aA aber Friedrich, 101 ff. 4 Näher Bolle ZHR 51 (1902), 413 (415); Friedrich, 67 ff. 5 Vgl. Protokolle über die Beratungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines HGB; Sitzung vom 23.11.1895, VII. = Schubert/Schmiedel/Krampe Bd. 2. 1. Hb., 1988, 306. 6 BGBl. I 2001, 3138. Burgard
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IV. Normzweck Der Normzweck von § 27 ist ähnlich umstritten wie derjenige von § 25, wenngleich die Mei- 9 nungsvielfalt geringer ist. „Dafür“ hat der Streit noch größeren Einfluss auf das Auslegungsergebnis, nämlich insbes. auf folgende Fragen: – Ist der Verweis von § 27 Abs. 1 auf § 25 als Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweis zu verstehen? Im ersten Fall wäre eine Firmenfortführung Voraussetzung der Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung, im zweiten Fall nicht. – Umfasst der Verweis von § 27 Abs. 1 auf § 25 auch Abs. 2 dieser Vorschrift? In diesem Fall könnte Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung auch durch eine gehörige Kundmachung vermieden werden. – Welche Sachverhalte sind als „Einstellung der Geschäftsfortführung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 S. 1 anzusehen? Gehört hierzu etwa auch die Veräußerung, Verpachtung oder die Einbringung des Geschäfts in eine Gesellschaft?
1. Meinungsstand a) Gesetzgeber. Zur Begründung von § 27 nimmt die Denkschrift zunächst auf die in § 25 Rn 9 10 zitierten Überlegungen Bezug, indem es im Anschluss heißt: „Auf diesen Erwägungen beruhen die Vorschriften der §§ 24 [= § 25 HGB] und 26 [= § 27 HGB] des Entwurfs.“7 Sodann wird (hier ergänzt um Satznummern, um eine spätere Bezugnahme zu erleichtern) ausgeführt: „2Wird ein zu einem Nachlasse gehörendes Handelsgeschäft von dem Erben fortgeführt, so finden nach § 26 des Entwurfs auf die Haftung des Erben für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 24 entsprechende Anwendung. 3Falls daher der Erbe die bisherige Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältniß andeutenden Zusatzes beibehält oder die Uebernahme der Verbindlichkeiten des Verstorbenen in handelsüblicher Weise bekannt macht, haftet er für die Geschäftsverbindlichkeiten mit seinem ganzen Vermögen, ohne Rücksicht auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes, wonach die Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten unter gewissen Voraussetzungen auf den Nachlaß beschränkt ist. 4Nach der Bestimmung des Abs. 2 des § 26 sollen jedoch die Wirkungen, welche bezüglich der Geschäftsverbindlichkeiten an die Fortführung des Geschäfts und der Firma geknüpft sind, nicht eintreten, wenn die Fortführung vor dem Ablaufe von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfalle der Erbschaft Kenntniß erlangt hat, eingestellt wird. 5Es würde zu weit gehen, dem Erben schon dann, wenn er nicht alsbald nach dem Tode des Erblassers das Geschäft aufgiebt oder eine neue Firma annimmt, entgegen den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs schlechthin eine unbeschränkte Haftung für die Geschäftsverbindlichkeiten aufzuerlegen. 6Ist der Erbe nicht geschäftsfähig oder nur beschränkt geschäftsfähig und hat er keinen gesetzlichen Vertreter, so finden nach § 26 Abs. 2 auf den Lauf der dreimonatigen Frist die im § 206 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Verjährung getroffenen Bestimmungen entsprechende Anwendung; auch soll die Frist, wenn bei ihrem Ablaufe das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren ist, beispielsweise weil sich der Erbe bei dem Beginne der Ausschlagungsfrist im Auslande befand (Bürgerliches Gesetzbuch § 1944 Abs. 2), nicht vor dem Ablaufe der Ausschlagungsfrist endigen. 7Durch diese Vorschriften gewährt der Entwurf dem Erben ausreichende Zeit, um sich über die endgültige Fortführung der Firma schlüssig zu machen. 8Die Bestimmungen, die der § 24 des Entwurfs für den Fall der Veräußerung eines Geschäfts unter Lebenden hinsichtlich des Ueberganges der im Betriebe des Geschäfts begründeten Forderungen trifft, sind im § 26 nicht für anwendbar erklärt. 9Da die Geschäftsforderungen auf den Erben schon kraft des Erbrechts übergehen, so bedarf es bezüglich derselben keiner besonderen Vorschriften.“8
7 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 36 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 979.
8 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 38 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 980. 291
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11 b) Rechtsprechung. Die Rechtsprechung hat sich – soweit ersichtlich – nur vereinzelt mit dem Zweck von § 27 auseinandergesetzt. In BGHZ 32, 60 (62) heißt es dazu unter Bezugnahme auf die Denkschrift: Indem die Vorschrift „an den äußeren Tatbestand der Geschäfts- und Firmenfortführung die Wirkung der Haftung für Geschäftsschulden knüpft und in diesem Sinne auf die Kontinuität des Unternehmens sowie auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Geschäftsschulden zum Geschäftsvermögen abstellt“, diene sie dem „Interesse der Sicherheit des Handelsverkehrs, insbes. zum Schutz des Vertrauens der beteiligten Verkehrskreise“.
12 c) Literatur. Auch in der Literatur wird verbreitet die Ansicht vertreten, § 27 diene dem Schutz der Haftungserwartungen des Verkehrs.9 Die dabei gesetzten Akzente sind freilich ganz unterschiedlich. Während Hüffer die Vorschrift als Ausprägung des Verbots des venire contra factum proprium ansieht (geschützt würde das Vertrauen des Verkehrs, dass der Erbe auch künftig keine Maßnahmen zur Haftungsbeschränkung ergreife),10 meint Canaris, bezweckt sei die Gleichstellung des Erben mit dem Erwerber eines Handelsgeschäfts.11 13 Zugleich erhebt Canaris freilich schwere Bedenken gegen den Gerechtigkeitsgehalt der Norm. Sie mache Altgläubigern Zufallsgeschenke und stelle Erben Haftungsfallen. Da der Erbe grundsätzlich unbeschränkt hafte, komme § 27 nur dann Bedeutung zu, wenn der Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränken wolle. Dafür habe er nur Anlass, wenn das Unternehmen marode sei. Sei aber das Unternehmen marode, dann sei das Versterben des bisherigen Inhabers aus der Sicht seiner Gläubiger ein Glücksfall; denn nun hätten sie Aussicht aus dem Vermögen des Erben befriedigt zu werden. Der Erbe werde nämlich oft weder von § 27 noch von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens Kenntnis haben und daher zunächst das Naheliegende tun: Weitermachen wie bisher. Dadurch werde § 27 zur Haftungsfalle; denn wenn erst nach Ablauf von drei Monaten das Ausmaß der Verschuldung des Unternehmens an das Licht komme, dann bestehe keine Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung mehr und der überraschte Erbe müsse unbeschränkt mit seinem persönlichen Hab und Gut haften.12 14 Namentlich Reuter, Thiessen und Reuschle sind gegenteiliger Auffassung.13 Danach ist § 27 zum Schutz der Nachlass-, insbes. der Geschäftsgläubiger geboten; denn das Erbrecht genüge nicht den besonderen Anforderungen des Handelsrechts. Insbes. sei der von § 1978 BGB bezweckte Schutz der Nachlassgläubiger vor einer Nachlassschmälerung durch den Erben zwischen dem Erbfall und dem Eintritt einer Haftungsbeschränkung im Falle der Fortführung eines Handelsgeschäfts weitgehend wirkungslos. Zwar sei der Erbe danach verpflichtet, das Handelsgeschäft wie ein Treuhänder zu verwalten. Da er hierbei jedoch einen unternehmerischen Ermessensspielraum habe, könne man ihm nur selten eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung vorwerfen. Das habe zur Folge, dass der Erbe nur ausnahmsweise gem. § 1978 Abs. 1 BGB hafte und zudem meist Aufwendungen zur Befriedigung von Neugläubigern gem. § 1978 Abs. 3 BGB ersetzt verlangen könne. Überdies sei bei einer längerfristigen Fortführung des ererbten Handelsgeschäfts eine unauflösliche Vermögensvermischung zu besorgen, die mit einer nachträglichen Vermögenssonderung und Haftungsbeschränkung kaum vereinbar sei. Mithin bestünde – bliebe es bei der erbrechtlichen Regelung – die Gefahr einer Nachlassschmälerung, die erst durch die zeitliche Begrenzung der Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung nach § 27 minimiert werde. 9 Staub/Hüffer4 Rn 4; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 101; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4.
10 Staub/Hüffer4 Rn 4. 11 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 101 in Anschluss an Friedrich, 83 f mwN; ebenso etwa GKzHGB/Steitz Rn 6. 12 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 102; auch Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1 hält § 27 aus diesen Gründen für rechtspolitisch bedenklich. 13 Reuter ZHR 135 (1971), 511 (520 f); MünchKommHGB/Thiessen Rn 5 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6. Burgard
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Eine völlig andere Position nimmt – einmal mehr – Karsten Schmidt ein. Er sieht den Zweck 15 von § 27 in einer Gleichstellung der Haftung für Alt- und Neuverbindlichkeiten, wobei es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz handele, der auch in § 130 zum Ausdruck komme.14
2. Stellungnahme Die zuletzt genannte Ansicht (Rn 15) überzeugt nicht. Sie ist dem Einwand der petitio principii 16 ausgesetzt und verkennt die rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede zwischen § 27 und § 130.15 Alle übrigen Ansichten (Rn 12–15) haben hingegen Argumente für, aber auch gegen sich. Richtig ist, dass der historische Gesetzgeber den Erben mit dem Erwerber eines Handelsgeschäfts gleichstellen und damit hier wie dort die Haftungserwartung des Verkehrs schützen wollte.16 Richtig ist aber auch, dass der Verkehr dieses Schutzes eigentlich nicht bedarf, weil der Erbe – abseits der Ausschlagung der Erbschaft, die aber auch § 27 nicht unterbindet (s. Abs. 2 S. 3) – in jedem Fall haftet, und zwar prinzipiell auch unbeschränkt (§§ 1922, 1967 BGB).17 Allerdings hat der Erbe nach bürgerlichem Recht grundsätzlich die Möglichkeit seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken und verliert diese Möglichkeit gem. § 2013 BGB nur ausnahmsweise in den Fällen der §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 3 BGB. Und das mit gutem Grund; denn die unbeschränkte Erbenhaftung verschafft den Gläubigern des Erblassers einen Zuwachs an Haftungsmasse (nämlich das sonstige Erbenvermögen) und damit eine bessere Rechtsstellung als vor dem Erbfall.18 Diesen Zuwachs an Haftungsmasse gilt es also für den Fall des § 27 Abs. 1 zu rechtfertigen. Eine Rechtfertigung könnte man in der Parallele zu § 25 Abs. 1 S. 1 sehen; denn danach können sich die Altgläubiger über einen ähnlichen Zuwachs an Haftungsmasse freuen, weil grundsätzlich beide, der Veräußerer und der Erwerber, für Altverbindlichkeiten einzustehen haben (s. § 25 Rn 75 ff). Allerdings kommt der Erwerb hier anders als dort regelmäßig ohne Zutun des Erben zustande. Der Erbe kann sich daher auf den Erwerb nicht vorbereiten und ihn nur durch Ausschlagung abwenden. Deswegen gibt ihm das Erbrecht die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung. Im Blick hierauf ist es zwar richtig, dass die bürgerlichrechtlichen Vorschriften nicht auf die Fortführung eines Handelsgeschäfts zugeschnitten sind (s. Rn 14). Doch dürfen die daraus resultierenden Gefahren für die Gläubiger nicht überschätzt werden. So ist keine schützenswerte Gefahr darin zu erkennen, dass die Haftung nach § 1978 Abs. 1 BGB meist nicht eingreift, weil sich der Erbe im Rahmen des ihm zuzubilligenden Ermessensspielraums (sog. „business judgement rule“, § 93 Abs. 1 S. 2 AktG analog) bewegt; denn es kann nicht Aufgabe des Handelsrechts sein, den Gläubigern auf Kosten des Erben das allgemeine Risiko von wirtschaftlichen Fehlentscheidungen abzunehmen. Und der Gefahr einer Vermögensvermischung beugen erstens die kaufmännischen Buchführungspflichten und zweitens die Rechenschaftspflichten aus § 1978 i.V.m. §§ 666, 259 ff BGB vor. Zudem haben die Nachlassgläubiger die Möglichkeit, die Errichtung eines Inventars zu verlangen, § 1994 BGB (s.o. Rn 5). Schließlich ist bei einer unheilbaren, durch den Erben herbeigeführten Vermögensvermischung daran zu denken, ihm die Berufung auf die erbrechtliche Haftungsbeschränkung gem. § 242 14 K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 ff; ders. Handelsrecht § 8 Rn 129 f. 15 S. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 105; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Oetker/Vossler Rn 3; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 4 im Anschluss an K. Schmidt. 16 Das ergibt sich aus der in Rn 10 eingangs zitierten Bezugnahme. 17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2. 18 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass auch in den Fällen des § 25 mit dem Privatvermögen gehaftet wird; denn § 27 eröffnet den Gläubigern den Zugriff auf das Geschäfts- und das Privatvermögen des Erblassers, die zusammen den Nachlass bilden, und zusätzlich auf das sonstige Erbenvermögen. Ebenfalls kein Gegenargument ist, dass nicht nur die Geschäftsgläubiger auf das Privatvermögen des Erben, sondern auch umgekehrt die Privatgläubiger des Erben auf den Nachlass und damit das Geschäftsvermögen zugreifen können; denn das Prinzip der Nachlassabsonderung, auf dem die erbrechtlichen Beschränkungsmöglichkeiten beruhen, schließt gerade den Zugriff der Privatgläubiger aus. 293
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BGB zu versagen (s.u. Rn 68). Vor diesem Hintergrund erscheinen die durch § 27 verursachten Gefahren für den Erben (s. Rn 13) erheblich größer, zumal – wie man hinzufügen kann – wenn der Erblasser seinen Buchführungspflichten nicht ordnungsgemäß nachgekommen ist und der Erbe einen anderen Beruf ausübt und daher nicht sogleich die Möglichkeit hat, sich in der erforderlichen Intensität um das Erbe zu kümmern, um über die zu ergreifenden Maßnahmen eine informierte Entscheidung treffen zu können. Freilich: Aufgabe des Handelsrechts ist es auch nicht den Erben vor allgemeinen Lebensrisiken wie Rechtsunkenntnis, Zeitmangel und unordentliche Geschäftsführung durch den Erblasser zu bewahren. 17 Aufgabe des Gesetzes ist vielmehr einen angemessenen Interessenausgleich herzustellen. Und eben dies versucht § 27: Während das bürgerliche Recht die Schutzbedürftigkeit des Erben zu Recht größer einschätzt als die Schutzbedürftigkeit der Nachlassgläubiger, sieht dies § 27 umgekehrt. Die dadurch bewirkte Privilegierung der Geschäftsgläubiger gegenüber den Privatgläubigern, die Canaris beklagt,19 kann durch das typisch handelsrechtliche Anliegen des Gesetzes gerechtfertigt werden, im Interesse des Verkehrs möglichst schnell Rechtssicherheit und -klarheit zu schaffen: Alsbald soll in offenkundiger Weise feststehen, ob der Erbe bereit ist, für Altverbindlichkeiten unbeschränkt zu haften, wie es der Regel der §§ 1922, 1967 BGB und der Verkehrserwartung bei Geschäfts- und Firmenfortführung entspricht, oder ob er sich die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung erhalten will.20 Diese Möglichkeit will § 27 dem Erben selbst bei Fortführung des Handelsgeschäfts aber keineswegs abschneiden (s.u. Rn 37, 49 ff, 66 ff). Eine enge Interpretation der Vorschrift, die den Erben praktisch nur die Möglichkeit lässt, das Unternehmen binnen dreier Monate zu liquidieren oder zu veräußern, wenn er einer unbeschränkbaren Haftung entgehen will,21 beruht auf einer Überbewertung der Schutzbedürftigkeit der Gläubiger und berücksichtigt die berechtigten Interessen des Erben nicht hinreichend. Eine solche Interpretation ist zudem ökonomisch nicht sinnvoll, und zwar auch nicht für die Altgläubiger, weil der Erbe durch die Haftungsandrohung von wirtschaftlich mglw. sinnvolleren Alternativen abgehalten würde. Ökonomisch betrachtet soll der Erbe durch die Androhung des Verlusts der erbrechtlichen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten vielmehr nur dazu angehalten werden, das Geschäft nicht einfach weiterlaufen zu lassen, sondern sich innerhalb von drei Monaten über dessen wirtschaftliche Situation Klarheit zu verschaffen und zu entscheiden, wie es weitergehen soll (vgl. Satz 7 der in Rn 10 zitierten Begründung). Dabei wird ihm richtigerweise im Blick auf das Unternehmen keine unumkehrbare Entscheidung (wie Liquidation oder Veräußerung) abverlangt, wofür die Dreimonatsfrist auch zu kurz bemessen wäre. Entscheiden soll er sich vielmehr nur, ob er die unbeschränkte Haftung für Altverbindlichkeiten auf sich nehmen oder ob er sich die Möglichkeit erbrechtlicher Haftungsbeschränkung erhalten will. Und über diese Entscheidung sollen die Gläubiger in Kenntnis gesetzt werden. Dabei ist es für die Gläubiger im Fall des § 27 besonders einfach, sich über die Entscheidung des Erben Klarheit zu verschaffen: Ein Blick ins Handelsregister reicht aus; denn welche Entscheidung der Erbe auch immer im Rahmen des § 27 trifft, sie findet dort ihren Niederschlag. Macht der Erbe von einem der Mittel Gebrauch, sich die Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung zu erhalten (s. Rn 19), so wissen die Gläubiger: Jetzt wird es Zeit, Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen wie z.B. die Beantragung einer Inventarerrichtung gem. § 1994 BGB. 18 Folgt man diesen Überlegungen, dann wird deutlich, dass § 27 tatsächlich ganz ähnliche Gesetzeszwecke verfolgt wie § 25 (s. dort Rn 22 ff), nämlich zusammengefasst: Schaffung von Rechtssicherheit durch Publizität im Interesse des Verkehrs-, insbes. des (Alt-)Gläubigerschutzes unter Wahrung der Privatautonomie des Erben.
19 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 103. 20 Dabei geht das Gesetz, wie S. 7 der (in Rn 10 zitierten) Begründung zeigt, selbstverständlich von einer bewussten und informierten Entscheidung aus.
21 So im Ergebnis etwa MünchKommHGB/Thiessen Rn 24 f, 44 ff. Burgard
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V. Vermeidung der Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung Die im Rahmen des § 27 praktisch wichtigste Frage ist, wie sich ein Erbe die Möglichkeit einer 19 Haftungsbeschränkung auf den Nachlass erhalten kann. Zur Orientierung sei der weiteren Kommentierung daher folgende Übersicht vorangestellt. Vermeiden kann der Erbe die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1, indem er: – die Erbschaft wirksam ausschlägt (dazu Rn 24 ff), weil er dann nicht Erbe geworden ist (§ 1953 Abs. 1 BGB) und deshalb weder §§ 1922, 1967 BGB noch § 27 Anwendung finden. Die Ausschlagung führt mithin zu einem völligen Haftungsausschluss, so dass sich die Frage einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht mehr stellt; – die Firma nicht gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 fortführt (hM, näher Rn 37 ff); – eine Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2 vornimmt (hM, näher Rn 49 ff); – innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Kenntnis des Erbschaftsanfalls die Fortführung des Geschäfts i.S.d. § 27 Abs. 2 einstellt. Als Einstellung der Fortführung des Geschäfts sind anzusehen: • Maßnahmen zur Liquidation des Unternehmens (unstr., s. Rn 62 ff); • Veräußerung des Unternehmens (heute hM, s. Rn 65); • Verpachtung des Unternehmens (anders hM, s. Rn 66); • Einbringung des Unternehmens in eine Gesellschaft (anders hM, s. Rn 67). Zu beachten ist, dass diese Maßnahmen die erbenrechtliche Haftungsbeschränkung nicht selbst herbeiführen. Dies ist vielmehr nur auf den in Rn 3 aufgezeigten Wegen möglich. Das bedeutet zugleich, dass diese Maßnahmen die Möglichkeit eines Verlustes des Beschränkungsrechts nach §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 3 BGB ebenfalls unberührt lassen.
VI. Anwendungsbereich Hinsichtlich des Anwendungsbereichs ist vor allem die analoge Anwendung von § 27 auf klein- 20 gewerbliche Unternehmen fraglich.22 Die Antwort hängt insbes. von den weiteren Fragen ab, ob § 27 – ebenso wie § 25 – die Fortführung der Firma voraussetzt und ob auch hier eine Eintragung entsprechend § 25 Abs. 2 zulässig ist. Beides ist richtigerweise zu bejahen (s. Rn 37 ff, 49 ff), so dass im Blick auf die Frage der analogen Anwendbarkeit von § 27 auf die zu § 25 angestellten Überlegungen verwiesen werden kann (dort Rn 37 ff). Im Ergebnis ist § 27 danach auf den Nachlass kleingewerblicher Unternehmen nur dann ausnahmsweise analog anzuwenden, wenn der Erbe erstens entweder selbst schon im Handelsregister eingetragen ist oder eingetragen werden müsste und er zweitens die Minderfirma des Erblassers „fortführt“, d.h. als seine Firma annimmt. Die Vererbung von Beteiligungen an Personenhandels- und Kapitalgesellschaften wird von 21 § 27 grundsätzlich nicht erfasst. Für erstere gelten §§ 139, 161 Abs. 2, 177. Nach Ansicht des BGH ist § 27 allerdings analog anzuwenden, wenn der vorletzte Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft von dem letzten Gesellschafter beerbt wird und dadurch die Gesellschaft erlischt.23 Bei Minderjährigen ist zudem § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, S. 4–6 BGB zu beachten, der gem. §§ 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 auch für Personenhandelsgesellschaften gilt,24 s. auch Rn 33 f. Auf Part22 Dafür K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 133 f; dagegen die hM MünchKommHGB/Thiessen Rn 41; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 3; Hopt/Merkt Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 7. 23 BGHZ 113, 132; dazu und zu den sich hieraus ergebenden schwierigen Haftungsfragen s. Lieb ZGR 1991, 572; K. Schmidt JZ 1991, 731; Marotzke ZHR 156 (1992), 17; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 4 mwN. Zu beachten ist, dass § 419 BGB a.F. heute keine Anwendung mehr finden kann. 24 Begr RegE, BT-Drucks. 13/5624, 10. 295
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nerschaftsgesellschaften und eingetragene BGB-Gesellschaften fimdet § 27 keine Anwendung, da § 2 Abs. 2 PartGG und § 707 Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG nicht auf die Vorschrift verweisen.
VII. Weiterer Gang der Kommentierung 22 Im Folgenden werden zunächst die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 (B., Rn 23 ff) bzw. i.V.m. § 25 Abs. 3 (Rn 40) und sodann die Ausschlusstatbestände gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 (C., Rn 49 ff) und gem. § 27 Abs. 2 (D., Rn 61 ff) im Einzelnen erläutert. Zugrunde gelegt wird dabei der Grundfall des Vorhandenseins eines Alleinerben. Anschließend werden die Besonderheiten erörtert, die sich aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung (E., Rn 76 ff), bei Bestehen einer Erbengemeinschaft (F., Rn 91 ff) sowie bei anderen erbrechtlichen Gestaltungen (G., Rn 104 ff) ergeben.
B. Die Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 I. Voraussetzungen 23 Die Unbeschränkbarkeit der Haftung des Erben für frühere Geschäftsverbindlichkeiten setzt nach dem Gesetzeswortlaut von § 27 Abs. 1 voraus, dass der Erbe (1.) ein zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts (2.) fortführt (3.), und zwar – i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 – unter der bisherigen Firma (4.).
1. Erbe 24 a) Erbschaft und Ausschlagung. Wer Erbe ist, richtet sich nach den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften. Dabei ist der Grund für die Berufung zum Erben (Gesetz, §§ 1924 ff BGB; Testament, §§ 1937, 2064 ff BGB; Erbvertrag, §§ 1941, 2274 ff BGB) ohne Bedeutung. Auch ist unerheblich, ob eine natürliche oder juristische Person oder der Fiskus (§§ 1936, 2011 BGB, § 780 Abs. 2 ZPO) Erbe ist. Mehrere Erben bilden eine Erbengemeinschaft, §§ 2032 ff BGB (zu den diesbezüglichen Besonderheiten Rn 91 ff). Bei rechtzeitiger (§ 1944 BGB: grundsätzlich sechs Wochen ab Kenntnis des Anfalls der Erbschaft und des Grundes der Berufung) und formgültiger (§ 1945 BGB) Ausschlagung der Erbschaft gilt der Anfall der Erbschaft als nicht erfolgt (§ 1953 Abs. 1 BGB). Die vorübergehende Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erben berührt das Recht 25 zur Ausschlagung nicht; denn in der einstweiligen Fortführung eines geerbten Handelsgeschäfts allein ist noch keine konkludente Annahme i.S.d. § 1943 BGB zu sehen.25 Davon geht auch § 27 Abs. 2 S. 3 aus. Danach ist sogar eine länger als drei Monate andauernde Fortführung unschädlich, sofern noch das Recht zur Ausschlagung besteht (z.B. nach § 1944 Abs. 3 BGB). Während des Laufs der Ausschlagungsfrist (dazu unten Rn 71) kann der (vorläufige) Erbe gem. § 1958 BGB nicht gerichtlich in Anspruch genommen werden. Eine gleichwohl erhobene Klage ist von Amts wegen als unzulässig abzuweisen, weil dem Beklagten die Prozessführungsbefugnis fehlt. Auch eine andere Art gerichtlicher Rechtsverfolgung, etwa ein Arrestantrag, ist in diesem Stadium
25 RG DJZ 1909, 1329; 1912, 1185; BayObLGZ 4, 60; KG JFG 22, 70; DR 1940, 2007; BeckOK HGB/Bömeke Rn 8; MünchKommBGB/Leipold § 1943 Rn 4 f; Staudinger/Otte § 1943 BGB Rn 7 ff; Soergel/Stein § 1943 BGB Rn 4; Erman/ J. Schmidt § 1943 BGB Rn 3 ff. Burgard
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unzulässig.26 Nicht ausgeschlossen ist dagegen, Ansprüche gegen den vorläufigen Erben außergerichtlich geltend zu machen. So wirkt eine vor der Ausschlagung ausgesprochene Mahnung, Nachfristsetzung oder Kündigung gegen den endgültigen Erben (§ 1959 Abs. 3 BGB). Mit der Ausschlagung entfällt jede bürgerlich-rechtliche oder handelsrechtliche Haftung für 26 Erblasserschulden. Unberührt bleibt allerdings die Haftung des Ausschlagenden für solche Verbindlichkeiten, die er bis zur Ausschlagung durch Geschäftsfortführung im eigenen Namen begründet hat. Für diese Verbindlichkeiten hat freilich auch – bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 27 – der nächstberufene Erbe einzustehen; denn die von dem Ausschlagenden begründeten Verbindlichkeiten sind aus Sicht des nächstberufenen Erben frühere Geschäftsverbindlichkeiten (näher Rn 47). Zudem hat der vorläufige Erbe gegen den Nächstberufenen insoweit einen erbrechtlichen Ausgleichsanspruch gem. § 1959 Abs. 1 BGB.27 Schließlich ist zu beachten, dass die Rechtsstellung des Nächstberufenen im Blick auf § 27 selbständig zu beurteilen ist. Die Frist des § 27 Abs. 2 beginnt daher für ihn mit dem Anfall der Erbschaft erneut zu laufen.
b) Vor- und Nacherbe. Erben i.S.d. § 27 sind auch der Vor- und der Nacherbe. Dabei ist auch 27 der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers (§ 2100 BGB). Es liegen zwei Erbfälle vor, so dass § 27 auf beide Anwendung findet. Eine Fortführung des Geschäfts durch den Vorerben wirkt nicht gegen den Nacherben, weil sie ihm nicht zurechenbar ist. Vielmehr entscheidet der Vorerbe allein, ob und unter welcher Firma er das Geschäft fortführt oder nicht. Wird das Unternehmen auch von dem Nacherben fortgesetzt, so verliert er unter den weiteren Voraussetzungen des § 27 das Recht, seine Haftung gem. § 2144 BGB zu beschränken. In diesem Fall haftet der Nacherbe ebenfalls für die von dem Vorerben begründeten Geschäftsverbindlichkeiten (näher Rn 47). c) Scheinerbe. § 27 gilt analog auch für den Scheinerben.28 Aus Sicht des wahren Erben sind 28 die von diesem begründeten Verbindlichkeiten ebenfalls „frühere Geschäftsverbindlichkeiten“ i.S.d. § 27 (näher Rn 47). d) Vermächtnisnehmer. Kein Erbe ist dagegen der Vermächtnisnehmer (§ 1939 BGB). Mit dem 29 Erbfall erhält er vielmehr nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den oder die Erben auf Übereignung des ihm zugedachten Gegenstandes. Da mithin ein rechtsgeschäftlicher Erwerb unter Lebenden vorliegt, findet § 25 Abs. 1 Anwendung (näher Rn 104 ff).29
2. Handelsgeschäft Zum Nachlass des Erblassers muss ein – von ihm betriebenes – Handelsgeschäft gehören. Er- 30 fasst werden also nur einzelkaufmännische Unternehmen i.S.d. §§ 1 ff. In den Fällen der §§ 2, 3 ist daher grundsätzlich eine Eintragung im Handelsregister erforderlich. Zur Frage der analogen Anwendung von § 27 auf nicht eingetragene kleingewerbliche Unternehmen s. bereits Rn 20. 26 RGZ 60, 179. 27 MünchKommBGB/Leipold § 1959 Rn 4; Soergel/Stein § 1959 BGB Rn 5; Staudinger/Mešina § 1959 BGB Rn 6 f; Erman/J. Schmidt § 1959 BGB Rn 4. 28 Friedrich, 219 ff, 226 ff; K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 (618 f); BeckOK HGB/Bömeke Rn. 6; MünchKommHGB/ Thiessen Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Hopt/Merkt Rn 2. 29 Allg. M., Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Hopt/Merkt Rn 2; Heymann/Förster Rn 9; MünchKommHGB/Thiessen Rn 22 mwN auch zu der praktisch wohl kaum bedeutsamen Frage, ob in diesem Fall § 25 Abs. 2 Anwendung finden kann. 297
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Von § 27 grundsätzlich nicht erfasst werden Beteiligungen an Personen- oder Kapitalgesellschaften, dazu o. Rn 21.
3. Fortführung des Handelsgeschäfts 31 a) Fortführung durch den Erben. Ferner verlangt § 27 Abs. 1 die Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erben. Dies ist ebenso wie bei § 25 (s. dort Rn 61 ff) als Fortsetzung der geschäftlichen Tradition des Erblassers zu verstehen.30 Fraglich ist allerdings, ob über die rein tatsächliche Fortführung des Handelsgeschäfts hinaus eine positive Fortführungsentscheidung erforderlich ist.31 Besonders deutlich wird dieses Problem bei der Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft, s. dazu Rn 94 f. Bedürfte es keiner positiven Fortführungsentscheidung, so würde die handelsrechtliche Haftung gem. § 27 Abs. 1 zunächst einmal willensunabhängig eintreten; denn zum einen erfolgt der Anfall des Handelsgeschäfts kraft Erbrechts, wenn der Erbe die Erbschaft nicht ausschlägt, und zum anderen kann der Erbe faktisch ein bestehendes Handelsgeschäft nicht unmittelbar mit dem Erbfall beenden.32 Dieser Haftungsautomatismus ist keineswegs unproblematisch. Gleichwohl verlangt § 27 in Abs. 1 keine positive Fortsetzungsentscheidung, sondern stellt dem Erben in Abs. 2 lediglich frei, die Fortführung des Handelsgeschäfts einzustellen. Das ist damit zu rechtfertigen, dass der Erbe das Handelsgeschäft aus tatsächlichen Gründen zunächst einmal – und sei es nur für kurze Zeit – fortführen (lassen) muss und sein ggf. entgegenstehender Wille für diese Zeit nicht nach Außen in Erscheinung treten kann. Bis der Erbe sich für die Einstellung nach § 27 Abs. 2 oder die endgültige Fortführung entschieden hat, ist sein Wille daher nicht erheblich. Die Fortführung des Handelsgeschäfts i.S.d. Abs. 1 bezeichnet daher einen rein tatsächlichen Vorgang.33 Ein solch weites Verständnis des § 27 Abs. 1, das die Unbeschränkbarkeit der Haftung zunächst praktisch zwangsläufig begründet, bedingt freilich eine entsprechend großzügige Handhabung der Möglichkeiten, die Beschränkbarkeit doch noch herbeizuführen, dazu Rn 37, 49 ff, 66 ff.
b) Fortführung durch Dritte 32 aa) Grundsatz. Der Erbe muss das Handelsgeschäft nicht persönlich fortführen, sondern kann sich hierzu grundsätzlich eines Vertreters bedienen.34 Voraussetzung dafür, dass das Handeln des gesetzlichen oder rechtsgeschäftlich bestellten Vertreters dem Erben zugerechnet wird, ist jedoch nach allgemeinen Regeln (§ 164 Abs. 1 BGB), dass der Vertreter im Namen des Vertretenen, hier also des Erben, auftritt.35
33 bb) Minderjährige. Besondere Probleme bereitet die Minderjährigkeit von Erben eines Handelsgeschäfts. In einer umstrittenen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof minderjährige Angehörige einer Erbengemeinschaft, die ein Unternehmen gem. § 27 fortgeführt hatte, zur Zah-
30 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; MünchKommHGB/Thiesen Rn 15; Heymann/Förster Rn 12; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11. 31 Dies ablehnend etwa Heymann/Förster Rn 12; Hopt/Merkt Rn 1; ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn 9 mwN. 32 K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 (609); MünchKommHGB/Thiessen Rn 15; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 33 K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 (609); MünchKommHGB/Thiessen Rn 15; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11. 34 RGZ 132, 138 (144); BGHZ 30, 391 (395); 35, 13 (19); Staub/Hüffer4 Rn 7; MünchKommHGB/Thiessen Rn 16; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; HKzHGB/Ruß Rn 5. 35 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11. Burgard
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lung von rund 850.000 DM aufgrund von Schuldanerkenntnissen verurteilt, die die Mutter der Minderjährigen bei der Fortführung des Geschäfts auch im Namen der Minderjährigen abgegeben hatte.36 Dabei hatte der II. Senat insbes. eine analoge Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB auf die Fortführung des ererbten Unternehmens abgelehnt.37 Diese Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgrund einer Verfassungsbeschwerde aufgehoben.38 Zur Begründung führte das Gericht zu Recht aus, § 1629 Abs. 1 i.V.m. § 1643 Abs. 1 BGB sei insoweit mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar, als Eltern bei der Fortführung eines zum Nachlass gehörenden Handelsgeschäfts ohne vormundschaftsgerichtliche Genehmigung Verbindlichkeiten zu Lasten ihrer minderjährigen Kinder eingehen könnten, die über den Umfang des ererbten Vermögen hinausgingen.39 Ferner forderte es den Gesetzgeber auf, entweder die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch Minderjährige von einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig zu machen oder eine Haftungsbeschränkung auf das ererbte Vermögen festzulegen.40 Mit Einführung von § 1629a BGB (sowie von § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 2, S. 4–6 BGB, s. Rn 21) 34 durch das am 1.1.1999 in Kraft getretene Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger (MHbeG)41 ist der Gesetzgeber dieser Aufforderung nachgekommen (oder hat dies zumindest versucht).42 Die Vorschrift lautet in der ab dem 1.9.2009 geltenden Fassung43: § 1629a Beschränkung der Minderjährigenhaftung (1) Die Haftung für Verbindlichkeiten, die die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsmacht oder sonstige vertretungsberechtigte Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht durch Rechtsgeschäft oder eine sonstige Handlung mit Wirkung für das Kind begründet haben, oder die auf Grund eines während der Minderjährigkeit erfolgten Erwerbs von Todes wegen entstanden sind, beschränkt sich auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes; dasselbe gilt für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die der Minderjährige gem. §§ 107, 108 oder § 111 mit Zustimmung seiner Eltern vorgenommen hat oder für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, zu denen die Eltern die Genehmigung des Familiengerichts erhalten haben. Beruft sich der volljährig Gewordene auf die Beschränkung der Haftung, so finden die für die Haftung des Erben geltenden Vorschriften der §§ 1990, 1991 entsprechende Anwendung. (2) Absatz 1 gilt nicht für Verbindlichkeiten aus dem selbständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, soweit der Minderjährige hierzu nach § 112 ermächtigt war, und für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse dienten. (3) Die Rechte der Gläubiger gegen Mitschuldner und Mithaftende, sowie deren Rechte aus einer für die Forderung bestellten Sicherheit oder aus einer deren Bestellung sichernden Vormerkung werden von Absatz 1 nicht berührt. (4) Hat das volljährig gewordene Mitglied einer Erbengemeinschaft oder Gesellschaft nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit die Auseinandersetzung des Nachlasses verlangt oder die Kündigung der Gesellschaft erklärt, ist im Zweifel anzunehmen, dass die aus einem solchen Verhältnis herrührende Verbind-
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BGHZ 92, 259. Zust. etwa K. Schmidt NJW 1985, 2785 (2791); Hüffer ZGR 1986, 603 (639). BVerfGE 72, 15. S. zu dieser Entscheidung etwa Reuter AcP 192 (1992), 108; M. Wolf AcP 187 (1987), 319; K. Schmidt BB 1986, 1238; Canaris JZ 1987, 993; Hüffer ZGR 1986, 603. 40 Der BGH hat den Rechtsstreit daraufhin bis zu einer gesetzlichen Neuregelung ausgesetzt, BGH WM 1987, 27. Nach Ablauf von sechs Monaten wurde das Verfahren aufgrund Nichtbetreibens der Parteien als erledigt ausgetragen und nach Aktenordnung weggelegt. Die gegen den Beschluss des BGH gerichtete Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1432/86) wurde vom BVerfG mit Beschluss vom 31.3.1987 mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen. 41 Gesetz v. 25.8.1998, BGBl. I 1998, 2487; Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5624. 42 S. dazu etwa Muscheler WM 1998, 2271; Habersack FamRZ 1999, 1; Grunewald ZIP 1999, 597 ff; K. Schmidt JuS 2004, 361. 43 Durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) wurde in § 1629a Abs. 1 BGB das Wort „Vormundschaftsgericht“ durch „Familiengericht“ ersetzt. Das Gesetz ist am 17.12.2008 im BGBl. I, 2586 verkündet worden und trat am 1.9.2009 in Kraft. 299
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lichkeit nach dem Eintritt der Volljährigkeit entstanden ist; Entsprechendes gilt für den volljährig gewordenen Inhaber eines Handelsgeschäfts, der dieses nicht binnen drei Monaten nach Eintritt der Volljährigkeit einstellt. Unter den in Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen wird ferner vermutet, dass das gegenwärtige Vermögen des volljährig Gewordenen bereits bei Eintritt der Volljährigkeit vorhanden war.
Für Einzelheiten ist auf die einschlägigen Kommentierungen zu verweisen.
35 cc) Personen kraft Amtes. Dem Erben nicht zuzurechnen ist die Fortführung des Unternehmens durch Insolvenzverwalter,44 Nachlassverwalter45 oder Nachlasspfleger.46 Das wird herkömmlich damit begründet, dass diese Personen kraft Amtes und damit ohne Ableitung aus der Rechtsstellung des Erben handelten.47 Nach anderer Auffassung folgt dasselbe Ergebnis daraus, dass die Tätigkeit der genannten Amtspersonen auf Abwicklung ausgerichtet und damit als Einstellung zu werten ist.48 Diese Begründung greift freilich weder bei Nachlasspflegschaft noch bei Testamentsvollstreckung ein und ist daher zu kurz.
36 c) Testamentsvollstrecker. Sehr streitig ist die Rechtslage bei Fortführung des Handelsgeschäfts durch einen Testamentsvollstrecker, s. dazu Rn 76 ff.
4. Fortführung der Firma 37 Im Blick auf die Fortführung der Firma ist streitig, ob § 27 Abs. 1 diese Voraussetzung überhaupt aufstellt. Nach herrschender Meinung folgt diese Voraussetzung aus der Verweisung von § 27 Abs. 1 auf § 25, die sie mithin als Rechtsgrundverweisung versteht.49 Die Gegenansicht vermag hingegen keinen einleuchtenden Grund zu erkennen, warum es für die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 auf die Fortführung der Firma ankommen soll50 und versteht daher die Verweisung auf § 25 als bloße Rechtsfolgenverweisung.51 Diese Gegenansicht ist freilich schon mit dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 kaum zu vereinbaren, da dort hinsichtlich der Haftung des Erben eine entsprechende Anwendung der „Vorschriften des § 25“, also aller in § 25 enthaltenen Regeln angeordnet ist. Ausweislich der Sätze 1, 3, 4, 5 und 7 der in Rn 10 zitierten Gesetzesbegründung widerspricht sie überdies dem Willen des Gesetzgebers und dem – recht verstandenen – Sinn und Zweck von § 27 (s.o. Rn 17 f). Danach ist nämlich die Firmenfortführung zum einen Grundlage der Verkehrserwartung, der Erbe wolle von der Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung keinen Gebrauch machen. Zum zweiten ist die Firmenfortführung ein Publizitätsmittel, um den Altgläubigern eben dies anzuzeigen, während umgekehrt – was noch wichtiger ist – eine wesentliche Änderung der Firma auf den ersten Blick verdeutlicht, dass der Erbe nicht bereit ist, die geschäftliche Tradition des Erblassers ohne die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungs44 BGHZ 35, 13, 17; aA bezüglich des vorläufigen Insolvenzverwalters Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. 45 RGZ 132, 138 (144). 46 Hopt/Merkt Rn 3; MünchKommHGB/Thiessen Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5.
47 Vgl. BGHZ 88, 331 (334); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Heymann/Förster Rn 14. 48 MünchKommHGB/Thiessen Rn 17; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Hopt/Merkt Rn 3. 49 BGHZ 32, 60 (62); Canaris Handelsrecht § 7 Rn 109; MünchKommHGB/Thiessen Rn 24 f; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 97; Heymann/Förster Rn 15; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13; Hopt/Merkt Rn 3; BeckOK HGB/ Bömeke Rn. 14; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5, 10; dezidiert auch GKzHGB/Steitz Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 11; offengelassen aber von BGHZ 113, 132 (135 f). 50 Obwohl an der Voraussetzung der Firmenfortführung festhaltend ebenso Staub/Hüffer4 Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. 51 K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 135 ff; Lieb FS Börner, 747 (760 f); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18. Burgard
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beschränkung fortzuführen. Und zum dritten setzt eine Firmenänderung eine aktive Entscheidung des Erben voraus, womit dem Anliegen des Gesetzes Genüge getan ist, dass der Erbe das Geschäft nicht einfach weiterlaufen lässt, sondern sich mit seinem Erbe auseinandersetzt und entscheidet, wie es weitergehen soll (vgl. Satz 7 der in Rn 10 zitierten Begründung). Setzt § 27 Abs. 1 die Fortführung der Firma voraus, so stellt sich allerdings die weitere Frage, 38 bis zu welchem Zeitpunkt der Erbe eine neue Firma angenommen haben muss, um die Rechtsfolgen dieser Vorschrift zu vermeiden. Die Meinungen sind erneut geteilt. Während eine Auffassung eine unverzügliche Firmenänderung verlangt,52 lässt die Gegenmeinung eine Firmenänderung innerhalb der Frist des § 27 Abs. 2 genügen.53 Zuzustimmen ist der zweiten Auffassung. Das legt zum einen schon die Denkschrift nahe (s. Satz 7 der in Rn 10 zitierten Begründung, wenngleich diese Formulierung auch „untechnisch“ gemeint sein, sich also auf das Unternehmen beziehen könnte). Zum anderen und vor allem folgt dies aus dem Gesetzeszweck; denn einerseits kann sich vor Ablauf von drei Monaten kaum eine schutzwürdige Verkehrserwartung bilden. Und andererseits will § 27 Abs. 2 dem Erben eine Prüfungs- und Überlegungsfrist einräumen, mit der das Erfordernis einer unverzüglichen Firmenänderung unvereinbar ist; denn die Aufgabe der bisherigen, womöglich alteingeführten Firma ist ein schwerwiegenden Schritt, den der Erbe vernünftigerweise nicht zu einem Zeitpunkt gehen kann, in dem er die wirtschaftliche Situation des ererbten Unternehmens noch gar nicht ausreichend überblickt. Ausreichend ist die Anmeldung zum Handelsregister innerhalb der Frist des § 27 Abs. 2. Eintragung und Bekanntmachung müssen sodann in angemessenem Zeitabstand folgen (vgl. § 25 Rn 133 ff sowie u. Rn 57 ff). Wird die Firmenänderung nicht zum Handelsregister angemeldet, muss die Führung der neuen Firma innerhalb der Frist eine solche Intensität erreicht haben, dass der Verkehr das Unternehmen mit der neuen Firma identifiziert. Schließlich stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine Firmenänderung zu stellen 39 sind, um die Rechtsfolgen von § 27 Abs. 1 zu vermeiden. Insofern gilt dasselbe wie bei § 25.54 Auf die dortigen Ausführungen (Rn 71 ff) kann daher verwiesen werden. Da nach der Neufassung von § 18 auch Einzelkaufleuten die Bildung von Sach-, Phantasie- und Mischfirmen gestattet ist, besteht heutzutage selbst bei Namensidentität von Erblasser und Erbe ein großer Spielraum für die Wahl einer neuen Firma.
5. Besondere Verpflichtungsgründe (§ 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 3) Da § 27 Abs. 1 hinsichtlich der Haftung des Erben für Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers 40 auf alle Vorschriften des § 25 verweist (Rn 37), ist auch § 25 Abs. 3 entsprechend anwendbar (so ausdrücklich S. 3 der in Rn 10 zitierten Begründung). Trotz rechtzeitiger (Rn 38) und ausreichender (Rn 39) Veränderung der Firma treten daher die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 ein, wenn ein besonderer Verpflichtungsgrund vorliegt, also insbes. der Erbe die Übernahme der Altverbindlichkeiten in handelsüblicher Weise bekannt macht (s. dazu § 25 Rn 145 f) oder sich der Erbe gegenüber einzelnen Gläubigern vertraglich zur Übernahme verpflichtet. Hinsichtlich anderer Verpflichtungsgründe ist zu betonen, dass weder § 613a BGB noch § 75 AO Anwendung finden.
52 Staub/Hüffer4 Rn 26; Hopt/Merkt Rn 5; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 9. 53 RGZ 56, 196 (199) (obiter dictum); Canaris Handelsrecht § 7 Rn 110; MünchKommHGB/Thiessen Rn 28; Heymann/ Förster Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; GKzHGB/Steitz Rn 12; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 16 sowie schon Bolte ZHR 51 (1902), 413 (447 f); A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (16). 54 Wohl unstr., Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; MünchKommHGB/Thiessen Rn 27; Hopt/Merkt Rn 3; Heymann/Förster Rn 15; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; GKzHGB/Steitz Rn 11 aE; HKzHGB/Ruß Rn 4. 301
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Im Blick auf § 613a BGB bleibt es bei den allgemeinen erbrechtlichen Vorschriften (s. dazu auch Rn 43).55 Das gilt nach § 45 AO grundsätzlich auch für Steuerschulden.56
II. Rechtsfolgen 1. Allgemeines 41 Rechtsfolge von § 27 Abs. 1 ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass „auf die Haftung des Erben für frühere Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung“ finden. Im Blick auf § 25 Abs. 1 S. 1 bedeutet das mithin, dass der Erbe „für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers“, also des Erblassers, haftet. Erbrechtlich betrachtet ist das freilich nach §§ 1922, 1967 BGB ohnehin die Regel. Die Haftungsanordnung des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 wird daher zu Recht so verstanden, dass dem Erben im Blick auf frühere Geschäftsverbindlichkeiten die Möglichkeit genommen wird, eine erbrechtliche Haftungsbeschränkung herbeizuführen (s.o. Rn 1 ff, 6 sowie S. 3 der in Rn 10 zitierten Gesetzesbegründung).57 Bei begründeter Klage eines Nachlassgläubigers wegen einer früheren Geschäftsverbindlichkeit kann er sich daher die beschränkte Erbenhaftung im Urteil nicht vorbehalten lassen (§ 780 ZPO). Eine Nachlassverwaltung oder -insolvenz schließt § 27 Abs. 1 freilich keineswegs aus. Diese Verfahren entfalten lediglich gegenüber den Geschäftsgläubigern keine haftungsbeschränkende Wirkung. Wird ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, so können die Geschäftsgläubiger daher ihre Forderungen in diesem Verfahren anmelden und daneben den Erben mit seinem sonstigen Vermögen in Anspruch nehmen.58 Aus der Perspektive des Erben können diese Verfahren gleichwohl sinnvoll sein, nämlich wenn der Nachlass bereits durch die Privatverbindlichkeiten des Erblassers überschuldet ist. Auch ein Aufgebotsverfahren (§§ 1970 ff BGB) bleibt zulässig, die Wirkung des Ausschlussurteils (§ 1973 BGB) trifft aber die Geschäftsgläubiger nicht. § 1974 BGB ist gegen sie ebenfalls nicht anzuwenden.59 Ebenso wenig stehen dem Erben gem. § 2016 Abs. 1 BGB die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB (Dreimonats-, Aufgebotseinrede) zu. Hinsichtlich früherer Geschäftsverbindlichkeiten haftet der Erbe also unbeschränkt und unbeschränkbar auch mit seinem Privatvermögen. Ob man diese unbeschränkbare Haftung als eine genuin handelsrechtliche versteht60 oder ob man meint, es handle sich um eine kraft Handelsrecht unbeschränkbar gewordene erbrechtliche Haftung,61 was richtiger erscheint, hat keine Bedeutung.
2. Frühere Geschäftsverbindlichkeiten 42 Die Haftung des Erben nach § 27 Abs. 1 bezieht sich nur auf die früheren Geschäftsverbindlichkeiten, also nicht auf die Privatverbindlichkeiten des Erblassers. Für Privatverbindlichkeiten bleibt es mithin bei den erbrechtlichen Vorschriften des BGB, so dass der Erbe die Haftung für diese weiterhin auf den Nachlass beschränken kann (s. schon Rn 41). Zur Abgrenzung von Geschäfts- und Privatverbindlichkeiten s. § 25 Rn 85. 55 MünchKommHGB/Thiessen Rn 29, § 25 Rn 104; GKzHGB/Steitz Rn 14, Vor §§ 25–28 Rn 12. 56 Näher HKzHGB/Ruß/Selder Rn 8 ff. 57 Ganz h.L., etwa Staub/Hüffer4 Rn 13; MünchKommHGB/Thiessen Rn 1, 30; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 21; Hopt/Merkt Rn 4; Heymann/Förster Rn 19; aA aber Friedrich, 101 ff. 58 Wenn zugleich ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben stattfindet, gilt § 331 InsO. 59 Staub/Hüffer4 Rn 15. 60 So K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 ff. 61 Staub/Hüffer4 Rn 13. Burgard
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Frühere Geschäftsverbindlichen sind solche, die der Erblasser zu Lebzeiten bei der Führung des Geschäfts begründet hat. Wie sich auch aus der Verweisung auf § 25 ergibt stimmt der Begriff der „früheren Geschäftsverbindlichkeiten“ i.S.d. § 27 Abs. 1 mithin mit dem Begriff der „im Betriebe begründeten Verbindlichkeiten“ i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 überein. Insofern kann daher auf die Ausführungen zu § 25 (Rn 85 ff) verwiesen werden. Allerdings wurde dort (§ 25 Rn 86) dargelegt, dass Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen nicht §§ 25, 26, 28 unterfallen, weil § 613a BGB diesen Vorschriften gegenüber speziell ist. § 613a BGB gilt jedoch nicht für einen erbrechtlichen Betriebsübergang. Vielmehr bleibt es in diesem Fall bei der Anwendung der erbrechtlichen Vorschriften.62 Mithin erfasst § 27 Abs. 1 anders als § 25 Abs. 1 S. 1 auch Verbindlichkeiten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen. Außerdem ist zu bemerken, dass der Erbe kraft der erbrechtlichen Universalsukzession (§ 1922 BGB) grundsätzlich, d.h. soweit keine Sonderregelungen bestehen, vollständig in die Rechtsstellung des Erblassers einrückt und daher auch Vertragspartner von Dauerschuldverhältnissen wird, die der Erblasser begründet hat. Insofern stellen sich hier die in § 25 Rn 89 ff diskutierten Fragen nicht. Zu den früheren Geschäftsverbindlichkeiten gehören allerdings nur diejenigen Einzelverbindlichkeiten (etwa: Monatsmiete für das Betriebsgrundstück oder Ladenlokal, Leasingraten für betrieblich genutzte Fahrzeuge, Maschinen u.s.w.), soweit sie vor dem Termin entstanden sind, zu dem der Erbe den Vertrag frühestens kündigen kann. Bei Fortsetzung des Vertrags über diesen Termin hinaus wird regelmäßig eine Nachlasserbenschuld (Rn 46) vorliegen, wenn die Gegenleistung des Gläubigers für Nachlasszwecke verwandt wird.63 Die Terminologie des Erbrechts unterscheidet zwischen Nachlassverbindlichkeiten, Nachlasserbenschulden und Nachlassverwaltungsschulden. Die Nachlassverbindlichkeiten (§ 1967 Abs. 1 BGB) unterfallen wiederum in die Erblasserschulden (§ 1967 Abs. 2 Fall 1 BGB) und die Erbfallschulden (§ 1967 Abs. 2 Fall 2 BGB). Danach sind die früheren Geschäftsverbindlichkeiten ein Teil der Erblasserschulden. Nicht zu den früheren Geschäftsverbindlichkeiten gehören nach zutreffender h.M. die Erbfallschulden;64 denn Erbfallschulden sind solche Verbindlichkeiten, die erst aus Anlass des Erbfalls entstehen und „den Erben als solches“ treffen, § 1967 Abs. 2 Fall 2 BGB. Dazu gehören neben den dort genannten Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen auch die Erbfallkosten wie die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) oder die Kosten einer Testamentseröffnung. Es handelt sich also weder um „Geschäfts-“ noch um „frühere“ noch um Verbindlichkeiten des Erblassers. Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der Entscheidung BGHZ 32, 60 ff entnehmen (dazu Rn 11). Gleichfalls nicht zu den früheren Geschäftsverbindlichkeiten gehören die sog. Nachlasserbenschulden;65 denn diese entstehen aus Rechtshandlungen des Erben (wie z.B. bei der Fortführung des Geschäfts während der Frist des § 27 Abs. 2, s. dazu aber Rn 72) und sind daher grundsätzlich seine Eigenschulden, für die er wie jeder andere, der eine Verbindlichkeit eingeht, mit seinem gesamten Vermögen haftet.66 Die Besonderheit von Nachlasserbenschulden ist freilich, dass die Rechtshandlungen des Erben mit dem Erbfall bzw. dem Nachlass oder seiner Abwicklung zusammenhängen und damit zugleich Nachlassverbindlichkeiten darstellen. Tritt eine Haftungssonderung (z.B. durch Nachlassinsolvenz, s.o. Rn 3) ein, so stehen daher den Gläubigern solcher Verbindlichkeiten sowohl das Eigenvermögen des Erben als auch der Nachlass als Haftungsgegenstand zur Verfügung. Letzteres gilt allerdings dann nicht, wenn die Begründung 62 MünchKommHGB/Thiessen Rn 29, § 25 Rn 104 f; GKzHGB/Steitz Rn 14, Vor §§ 25–28 Rn 12; MünchKommBGB/ Müller-Glöge § 613a BGB Rn 63; Erman/S. Edenfeld § 613a BGB Rn 29. 63 Staub/Hüffer4 Rn 17. 64 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22; MünchKommHGB/Thiessen Rn 32; Heymann/Förster Rn 23; aA aber Staub/Hüffer4 Rn 17. 65 Anstelle anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; Hopt/Merkt Rn 5; aA Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 26 f; MünchKommHGB/Thiessen Rn 33; Heymann/Förster Rn 24 f. 66 OLG Köln NJW 1952, 1145. 303
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der Geschäftsschulden unter Berücksichtigung des dem Erben zustehenden unternehmerischen Ermessens (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) nicht einer ordnungsgemäßen Verwaltung i.S.d. § 1978 BGB entspricht.67 47 Nicht mit den Nachlasserbenschulden zu verwechseln sind die sog. Nachlassverwaltungsschulden.68 Diese entstehen zwar ebenso wie jene im Zusammenhang mit der Verwaltung des Nachlasses, hier also durch die Weiterführung des Geschäfts. Begründet werden sie jedoch nicht von dem (endgültigen) Erben oder einem in seinem Namen handelnden Vertreter, sondern von einem Dritten, namentlich einem ausschlagenden Erben oder einem Vorerben. Während im Erbrecht die Nachlasshaftung für Nachlassverwaltungsschulden nach hM nur dann neben die Eigenhaftung des vorläufigen Erben oder des Vorerben tritt, sofern diese Verbindlichkeiten im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung eingegangen worden sind,69 gilt diese Einschränkung für die Haftung nach § 27 Abs. 1 nicht.70 Der endgültige Erbe kann sich daher auf die Nichtordnungsmäßigkeit der Verwaltung durch einen Vorerben oder einen ausschlagenden Erben nur dann berufen, wenn die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 in seiner Person nicht vorliegen (insbes. weil er die ursprüngliche Firma nicht fortgeführt hat oder er die Voraussetzungen des § 27 Abs. 2 oder § 25 Abs. 2 herbeiführt, s. auch o. Rn 26 ff).
3. Eintragungspflichten 48 Die Fortführung des Unternehmens ist nach § 31 Abs. 1 Fall 2 als Inhaberwechsel anmeldepflichtig, wenn die Firma des Erblassers unverändert beibehalten wird. Nimmt der Erbe später einen neuen Handelsnamen an, so handelt es sich um eine Firmenänderung i.S.d. § 31 Abs. 1 Fall 1. Fallen hingegen Inhaberwechsel und Firmenänderung zusammen, so hat der Erbe das Erlöschen der alten Firma gem. § 31 Abs. 2 S. 1 sowie die neue Firma nach § 29 anzumelden (§ 31 Rn 17). Nicht zulässig ist es, die Anmeldung bis zum Ablauf der Frist des § 27 Abs. 2 hinauszuschieben. Die Haftung des Erben tritt freilich auch dann ein, wenn er seiner Anmeldepflicht nicht nachkommt. Umgekehrt dürfen der Anmeldung auch keine haftungsrechtlichen Konsequenzen zum Nachteil des Erben beigelegt werden; denn in der Erfüllung der gesetzlichen Pflicht liegt kein Verzicht auf das in § 27 Abs. 2 gewährte Recht.71
C. Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 I. Anwendbarkeit von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 1. Meinungsstand 49 Neben der Aufgabe der Firma (Rn 37 ff) und der Einstellung der Fortführung des Geschäfts nach § 27 Abs. 2 (dazu Rn 61 ff) ist nach h.L. eine weitere Möglichkeit, den Rechtsfolgen von § 27
67 Näher hierzu Reuter ZHR 135 (1971), 511 (521 f); MünchKommHGB/Thiessen Rn 36 ff mwN. 68 MünchKommHGB/Thiessen Rn 33. 69 RGZ 90, 91; BGHZ 32, 60 (64); BGHZ 110, 176; BGH WM 1993, 1158; BGH WM 1993, 1719 (1720 f); Hopt/Merkt Rn 4; Erman/Horn § 1967 BGB Rn 7a; MünchKommBGB/Küpper § 1967 BGB Rn 12, 16 f; Soergel/Stein § 1967 BGB Rn 16; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 20. 70 BGHZ 32, 60 (66 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20; Hopt/Merkt Rn 5. 71 Staub/Hüffer4 Rn 6. Burgard
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Abs. 1 zu entgehen, eine Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2.72 Begründet wird dies zum einen mit dem Wortlaut von § 27 Abs. 1, wonach „die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung“ finden und nicht nur „die Vorschrift des § 25 Abs. 1 S. 1“. Zum anderen können sich bei gehöriger Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2 keine schützenswerten Haftungserwartungen des Verkehrs bilden. Und zum Dritten bestehe für diese Möglichkeit ein praktisches Bedürfnis, um es dem Erben zu ermöglichen, das Unternehmen fortzuführen, ohne die Firma aufzugeben. Die Gegenauffassung hält § 27 Abs. 1 dagegen entweder für eine bloße Rechtsfolgenverwei- 50 sung oder bezieht die Verweisung nur auf § 25 Abs. 1 und 3, weil nur diese Absätze Bestimmungen über die Haftung für frühere Geschäftsverbindlichkeiten träfen. Ferner macht sie geltend: Erstens würde eine (u.U. bonitätsschädigende) Kundmachung nach § 25 Abs. 2 dem Erben nicht viel nützen, weil sie nach allgemeiner Auffassung unverzüglich und damit vor Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens, die § 27 Abs. 2 ermöglichen wolle, abgegeben werden müsse. Zweitens würde die Möglichkeit, eine gesetzliche Haftungsanordnung durch einfache, einseitige Willenserklärung abwehren zu können, eine ausgesprochene Anomalie darstellen. Drittens stehe die h.L. in erstaunlichem Gegensatz zu der Auslegungsstrenge, die manche ihrer Vertreter in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 übten. Wenn überhaupt, dann seien dort Lockerungen angebracht. Viertens sei § 27 Abs. 2 im Vergleich mit § 25 Abs. 2 zweifellos die speziellere Norm. Neben ihr sei daher nach allgemeinen methodischen Grundsätzen für § 25 Abs. 2 kein Raum. Fünftens enthielten auch die Gesetzesmaterialien keinen Hinweis auf § 25 Abs. 2. Sechstens und vor allem würde die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 2 genau das ermöglichen, was § 27 gerade verhindern wolle, nämlich eine Fortführung des Unternehmens mit zeitlich unbegrenzter Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung. Dies gehe wegen der damit verbundenen Gläubigergefährdung nicht an. Insofern unterschieden sich § 25 und § 27; denn anders als im Fall des § 25 könnten die Altgläubiger hier nicht mehr auf den bisherigen Inhaber, also den Erblasser, zugreifen.73 Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass § 25 Abs. 2 nach seinem Wortlaut eine „Verein- 51 barung“ voraussetze. Eine solche Vereinbarung könne im Erbfall lediglich in einem Erbvertrag sowie (str.) in einem Testament gesehen werden. Der Erbe könne daher den Weg des § 25 Abs. 2 nur beschreiten, wenn der Erblasser ihn dazu in einem Erbvertrag bzw. Testament ermächtigt habe.74
2. Stellungnahme Die zuletzt genannte Ansicht (Rn 51) ist schon deswegen abzulehnen, weil sie zu einer nicht 52 zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung von gesetzlichen und gewillkürten Erben führt. Sie verkennt zudem, dass § 27 Abs. 1 eine „entsprechende Anwendung“ von § 25 anordnet, was Raum für sachgerechte Modifikationen schafft. Diese Ansicht wird daher zu Recht heute nicht mehr vertreten. Gleichfalls nicht zu überzeugen vermag die vorbezeichnete Gegenauffassung (Rn 50). Ge- 53 gen sie spricht schon der Wortlaut von § 27 Abs. 1 (s. Rn 49), wobei die Einschränkung der Verweisung „auf die Haftung des Erben“ lediglich klar stellen soll, dass die Geschäftsforderungen bereits kraft Erbrechts auf den Erben übergehen, so dass es diesbezüglich keiner besonderen Vorschriften bedarf (s.S. 9 der in Rn 10 zitierten Gesetzesbegründung). Abgesehen davon ist eine die Haftung betreffende Vorschrift auch eine solche, die eine Haftungsbeschränkung ermög72 KG DR 1940, 2007 m. zust. Anm. Groschuff; Staub/Hüffer4 Rn 22; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 111; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 102 f; Oetker/Vossler Rn 25; Hopt/Merkt Rn 8; Heymann/Förster Rn 39; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 8; GKzHGB/Steitz Rn 13; grundsätzlich auch MünchKommHGB/Thiessen Rn 46 f, der aber zwei Modifikationen für notwendig erachtet, Rn 48. 73 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 42. 74 Baumbach7 Anm. 2 C; RGRKHGB/Gadow Anm. 6; Düringer/Hachenburg/Hoeniger Anm. 6. 305
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licht. Demgegenüber ist das Schweigen der Gesetzesmaterialien – zumindest für sich genommen – nach allgemeiner Methodenlehre kein zureichendes Argument. Ferner ist es keineswegs außergewöhnlich, dass die Haftungsanordnung des § 27 Abs. 1 bei entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 durch einseitige Erklärung ausgeschlossen werden könnte. Vielmehr erkennen dieselben Autoren,75 die dies hier monieren, im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 25 Abs. 2 an, dass eine einseitige Erklärung ausnahmsweise dann ausreicht, wenn eine Vereinbarung aufgrund der Natur des Sachverhalts nicht möglich ist (s. § 25 Rn 54, 56, weitergehend Rn 125 f). Auch ist § 27 Abs. 2 nur insofern gegenüber den Vorschriften des § 25 speziell, als dem Erben eine Prüfungs- und Überlegungsfrist eingeräumt wird. Wenn diese Frist auch für § 25 Abs. 2 gelten würde, wäre zudem das Argument der eingeschränkten Nützlichkeit einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift vom Tisch (dazu Rn 57 f). Und den zutreffenden Hinweis auf die Möglichkeit einer großzügigen Auslegung von § 27 Abs. 2 befolgen die Autoren selber nicht bzw. nur sehr eingeschränkt.76 Richtig ist auch, dass die Altgläubiger im Falle des § 27 anders als im Falle des § 25 nicht mehr auf den bisherigen Inhaber, also den Erblasser, zugreifen können. An seine Stelle tritt vielmehr der Erbe. Anders als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 25 Abs. 2 eröffnet eine entsprechende Anwendung der Vorschrift dem Erben jedoch nicht die Möglichkeit, eine Haftung für Altverbindlichkeiten ganz auszuschließen, sondern erhält ihm nur die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung auf den Nachlass (s. Rn 60). Schließlich ist es nicht zutreffend, dass § 27 eine Fortführung des Unternehmens mit zeitlich unbegrenzter Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung verhindern wolle. Vielmehr ist dies – wie auch manche Vertreter der Gegenauffassung anerkennen77 – auch durch Aufgabe der Firma des Erblassers möglich (Rn 37). Und wenn der Erbe das Unternehmen ohnehin mit zeitlich unbegrenzter Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung fortführen kann, dann ist kein Grund ersichtlich, warum man ihn hierfür zur Aufgabe der Firma zwingen und ihm nicht den Weg des § 25 Abs. 2 eröffnen sollte. Vielmehr wäre dies wegen des u.U. erheblichen Firmenwerts ökonomisch unsinnig, und zwar auch aus Gläubigersicht. Zu folgen ist daher der herrschenden Lehre.
II. Voraussetzungen von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 54 Die Voraussetzungen, unter denen sich der Erbe die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass in entsprechender Anwendung von § 25 Abs. 2 erhalten kann, weichen nicht unerheblich von den Voraussetzungen im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift ab. Gründe hierfür sind: der anders gelagerte Sachverhalt, die unterschiedlichen Rechtsfolgen (dazu Rn 60) sowie der Sinn und Zweck von § 27, namentlich von Abs. 2 der Vorschrift. Im Einzelnen:
1. Keine Vereinbarung 55 Entgegen einer früher vertretenen Auffassung (Rn 51) ist heute anerkannt, dass es vorliegend keiner von § 27 Abs. 1 abweichenden Vereinbarung zwischen Erblasser und Erbe bedarf (zu den 75 MünchKommHGB/Thiessen § 25 Rn 43; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 25 Rn 28, 45. 76 Nach MünchKommHGB/Lieb2 Rn 32, 49 ff kann der Erbe sich die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung nur erhalten, wenn er das Unternehmen liquidiert oder veräußert. Weder eine Aufgabe der Firma (dazu schon Rn 37) noch eine Verpachtung, Einbringung oder Eingliederung des Unternehmens (dazu Rn 66 ff) reichen seiner Ansicht nach aus. Ebs. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32 ff; aA etwa MünchKommHGB/Thiessen Rn 51 f, der Verpachtung und Einbringung des Unternehmens in eine Gesellschaft als Einstellung des Geschäftes nach § 27 Abs. 2 ansieht. 77 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. Burgard
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Gründen bereits Rn 52). Es obliegt daher allein der Entscheidung des Erben, ob er von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 Gebrauch machen will oder nicht.
2. Kundmachung Die Kundmachung kann durch Eintragung in das Handelsregister und Bekanntmachung oder 56 durch Mitteilung an die Altgläubiger erfolgen. Insofern besteht lediglich die Besonderheit, dass sich die im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 25 Abs. 2 diskutierte Streitfrage, ob die Anmeldung gemeinsam erfolgen muss, hier nicht stellt. Erfolgt die Kundmachung durch Mitteilung an die Altgläubiger ist überdies zu bemerken, dass sich aus ihr in hinreichend bestimmter Weise ergeben muss, dass der Erbe die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 ausschließen will, d.h. sich die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass in Bezug auf die Forderungen des Erklärungsadressaten vorbehält. Abgesehen davon kann auf die Ausführungen zu § 25 Rn 129–132 verwiesen werden.
3. Rechtzeitigkeit a) Meinungsstand. Im unmittelbaren Anwendungsbereich von § 25 Abs. 2 ist im Blick auf 57 den Ausschluss der Erwerberhaftung zu Recht anerkannt, dass die Kundmachung unverzüglich zu erfolgen hat (näher § 25 Rn 134–138). Dieses Erfordernis überträgt die ganz herrschende Meinung auf die entsprechende Anwendung der Vorschrift im Rahmen des § 27. Die Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 könne daher keine Anwendung finden. Zur Begründung wird lediglich ausgeführt, dass hierzu weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialen eine Handhabe böten.78 b) Stellungnahme. Dem ist nicht zu folgen.79 Zunächst einmal ist festzuhalten, dass sich das 58 Erfordernis der Unverzüglichkeit nicht aus dem Wortlaut von § 25 Abs. 2 ergibt. Insofern ist das Schweigen der Gesetzesmaterialien zu dieser Frage nicht verwunderlich, zumal die Begründung zu § 27 ohnehin nicht auf die entsprechende Anwendung von § 25 Abs. 2 eingeht. Beredt ist jedoch die Teleologie. Im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift wird das Erfordernis der Unverzüglichkeit mit den Interessen der Gläubiger sowie mit den Geboten der Rechtssicherheit und -klarheit begründet (s. § 25 Rn 134–138). Diese Begründung ist jedoch auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Vielmehr räumt das Gesetz dem Erben in § 27 Abs. 2 eine dreimonatige Überlegungs- und Prüfungsfrist ein. Das ist sachgerecht, weil der Erbfall für ihn oftmals überraschend eintritt. Im Falle des § 25 können sich die Parteien dagegen im Vorhinein überlegen, wie sie verfahren wollen. Es hieße daher dem Erben Steine statt Brot zu geben, würde man an dem Erfordernis der Unverzüglichkeit festhalten und nicht auch hier die Frist des § 27 Abs. 2 zur Anwendung bringen. Das gilt umso mehr als im Falle einer Erbengemeinschaft eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 für den einzelnen Miterben der praktisch einzig gangbare Weg ist, die Haftungsfolgen des § 27 Abs. 1 auch ohne Zustimmung aller übrigen Miterben zu vermeiden (s. Rn 97 ff). Für die Gläubiger ist damit keine Rechtsunsicherheit verbunden, die über diejenige hinausgeht, die sie nach § 27 Abs. 2 ohnehin zu tragen haben. Ohnehin können sie sich erst nach Ablauf der dort bestimmten Frist auf die Entscheidung des Erben einstellen. Bis dahin besteht ein Schwebezustand (s. Rn 72). Wollte man an dem Erfordernis der Unverzüglichkeit 78 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 112; Staub/Hüffer4 Rn 22; HKzHGB/Ruß/Selder Rn 5; Oetker/Vossler Rn 26. 79 Für die hier vertretene Ansicht auch Heymann/Förster Rn 42; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Thiessen Rn 48; GKzHGB/Steitz Rn 13; MünchKommBGB/Küpper § 1967 Rn 44; vgl. ferner Staudinger/ Dutta § 1967 BGB Rn 59; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 30. 307
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festhalten, würde dieser Schwebezustand nur im Blick auf § 25 Abs. 2 früher beendet. Hierfür ist ein einleuchtender Grund jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr will auch eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 gut überlegt sein, da sie u.U. bonitätsverschlechternd wirkt. Insofern gelten hier die gleichen Erwägungen wie bei der Frage der Rechtzeitigkeit einer Firmenänderung, wofür richtigerweise ebenfalls die Einhaltung der Dreimonatsfrist genügt (Rn 38). Dafür sprechen ferner ökonomische Erwägungen. Hält man nämlich an dem Erfordernis der Unverzüglichkeit fest, dann ist davon auszugehen, dass unvorbereitete Erben faktisch nicht in der Lage sind, von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 Gebrauch zu machen. Um sich die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung zu erhalten, wären sie dann gezwungen, innerhalb der Dreimonatsfrist entweder die Firma aufzugeben (§ 27 Abs. 1) oder die Fortführung des Geschäfts einzustellen (§ 27 Abs. 2). Aus Gläubigersicht wäre damit nichts gewonnen. Vielmehr können beide Entscheidungen für sie ungünstiger sein als eine Fortführung des Unternehmens mitsamt der Firma durch den Erben unter Erhalt der Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung durch Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2. Nach allem bedarf es hier keiner unverzüglichen Kundmachung. Vielmehr reicht es aus, wenn die Frist des § 27 Abs. 2 eingehalten wird. (Man könnte es auch anders sagen: Was unverzüglich, also kein schuldhaftes Zögern ist, definiert vorliegend § 27 Abs. 2.)
59 c) Einzelheiten. Folgt man dieser Auffassung bleibt allerdings zu fragen, ob die Eintragung und Bekanntmachung innerhalb der Frist des § 27 Abs. 2 erfolgen muss oder ob es ausreicht, dass die Anmeldung zum Handelsregister innerhalb dieser Frist erfolgt und die Eintragung und Bekanntmachung sodann in angemessenem Zeitabstand folgen. Zutreffend ist Letzteres, weil andernfalls die Prüfungs- und Überlegungsfrist auf unberechenbare Weise eingeschränkt würde (s. auch Rn 62). Im Blick auf die Eintragung und Bekanntmachung gelten daher die Erläuterungen zu § 25 Rn 134 ff entsprechend.
III. Rechtsfolgen von § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 60 Erfolgt eine rechtzeitige Kundmachung i.S.d. § 25 Abs. 2, so sind die Rechtswirkungen darauf beschränkt, die Haftung gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 auszuschließen. Die bürgerlichrechtliche Haftung für Nachlassverbindlichkeiten bleibt mithin unberührt. Trotz rechtzeitiger Kundmachung haftet der Erbe daher für die Geschäftsschulden des Erblassers weiterhin unbeschränkt. Erhalten bleibt lediglich die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass. Auch diese Möglichkeit entfällt unter den Voraussetzungen der §§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 3 BGB. Unberührt bleibt ferner die Haftung des Erben mit seinem ganzen Vermögen für die von ihm selbst begründeten Verbindlichkeiten (Rn 46).
D. Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gem. § 27 Abs. 2 I. Voraussetzungen 61 Nach § 27 Abs. 2 tritt die unbeschränkbare Haftung des § 25 Abs. 1 nicht ein, wenn der Erbe die Fortführung des Geschäfts einstellt, und zwar innerhalb einer Frist von drei Monaten seit er von der Erbschaft Kenntnis erlangt hat.
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1. Einstellung der Fortführung des Geschäfts a) Einstellung der werbenden Tätigkeit. Unbestritten ist, dass der Erbe die Unbeschränkbar- 62 keit seiner Haftung jedenfalls dadurch abwenden kann, dass er die unternehmerische Tätigkeit aufgibt.80 Fraglich ist allenfalls, ob für die Einhaltung der Frist des § 27 Abs. 2 die Abwicklung bereits beendet sein muss oder ob es ausreicht, dass die werbende Tätigkeit eingestellt wird. Schon der Wortlaut spricht für Letzteres. Gefordert ist nämlich nicht die Einstellung des Geschäfts, sondern nur die Einstellung der Fortführung des Geschäfts. Zudem spricht der Sinn und Zweck der Einstellungsfrist, dem Erben Bedenkzeit einzuräumen, dagegen, die Beendigung der Abwicklung zu verlangen; denn dadurch würde die Frist, wenn sie der Erbe denn überhaupt einhalten könnte, stark und zudem in einer für ihn unberechenbaren Weise verkürzt.81 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein Vormund nach § 1823 BGB ein bestehendes 63 Erwerbsgeschäft des Mündels nicht ohne Genehmigung des Vormundschaftsgerichts auflösen soll. Für die Eltern gibt es dagegen keine entsprechende Bestimmung (vgl. § 1645 BGB). b) Nachlassverwaltung und -insolvenz. Als Einstellung i.S.d. § 27 Abs. 2 ist ferner die Bean- 64 tragung der Nachlassverwaltung (§ 1981 Abs. 1 BGB) sowie der Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens (§ 1980 BGB) zu bewerten. Das folgt gleichermaßen aus dem Ziel (Gläubigerbefriedigung), den Mitteln (Absondern des Nachlasses, Fremdverwaltung) und den Rechtsfolgen (Haftungsbeschränkung) beider Verfahren.82 c) Veräußerung. Streitig ist, ob auch die Veräußerung des Unternehmens durch den Erben als 65 Einstellung der Fortführung des Geschäfts anzusehen ist.83 Der Wortlaut von § 27 Abs. 2 lässt beide Deutungen zu. Zwar verlangt das Gesetz ausdrücklich eine „Einstellung“ der Fortführung des Geschäfts, was für die zuerst genannte Ansicht zu sprechen scheint, da der Zweck einer Veräußerung gerade in der Weiterführung des Geschäfts, nämlich durch den Erwerber liegt. Im Kontext des Abs. 1 kann man die Vorschrift jedoch auch dahingehend verstehen, dass die Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Erben einzustellen ist, was bei der Veräußerung an einen Dritten zweifellos gegeben ist. Dem Wortlaut alleine ist die Lösung daher nicht zu entnehmen. Für die zweite Lesart sprechen aber historische, teleologische und rechtsökonomische Erwägungen. Historisch ist auf die Parallele zu § 25 Abs. 1 S. 1 hinzuweisen. Dort trifft den Erwerber die Haftung unstreitig ebenfalls nicht, wenn er das Geschäft nicht selbst weiterführt, sondern es alsbald weiterveräußert (s. dort Rn 62). Grund dafür ist – zumindest nach den Gesetzesmaterialien84 –, dass der Verkehr allein an die Fortführung des Geschäfts mitsamt der Firma die vom Gesetzgeber geschützte Verkehrserwartung knüpft. Teleologisch ist nach hier vertretener Ansicht (o. Rn 17) zu bemerken, dass der Erbe mit der Veräußerung das Geschäft nicht einfach weiterlaufen lässt, sondern eine klare, zumindest aus dem Handelsregister ersicht80 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23, 27; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 30; MünchKommHGB/ Thiessen Rn 49, 53; Hopt/Merkt Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; HKzHGB/Ruß/Selder Rn 7; GKzHGB/Steitz Rn 17. 81 Staub/Hüffer4 Rn 27; MünchKommHGB/Thiessen Rn 53; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 23. 82 Staub/Hüffer4 Rn 27; Heymann/Förster Rn 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; MünchKommHGB/Thiessen Rn 54; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 31; BeckOK HGB/Bömeke Rn 24. 83 Dafür die heute h.L. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 108; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 100; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 30; MünchKommHGB/Thiessen Rn 50; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32; dagegen Henssler/Strohn/Wamser Rn 4; Staub/Hüffer4 Rn 28 f; sowie die früher vorherrschende Auffassung etwa RGZ 56, 196 (199); alle mwN. Zweifelnd GKzHGB/Steitz Rn 17. 84 S. Abs. 2 S. 3–7 der in § 25 Rn 9 zitierten Begründung, auf die S. 1 der oben in Rn 10 zitierten Begründung Bezug nimmt. 309
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liche Entscheidung trifft, auf die sich die Altgläubiger einstellen können. Mehr verlangt § 27 ihm nicht ab. Zudem wird durch eine Veräußerung die nach Ansicht mancher entscheidende, bei Geschäftsfortführung bestehende Gefahr einer Vermögensvermischung (s. Rn 16) vermieden. Und schließlich ist die Gegenansicht ökonomisch unsinnig, weil durch eine Veräußerung des Geschäfts den Altgläubigern weit besser gedient ist als durch seine Zerschlagung; denn der Liquidationserlös ist im Zweifel erheblich geringer als der Veräußerungserlös. Eine Veräußerung ist daher als „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 anzusehen. Dabei kommt es entgegen teilweise vertretener Ansicht85 nicht darauf an, ob die Veräußerung mit oder ohne Firma erfolgt.
66 d) Verpachtung. Anders als die Veräußerung soll die Verpachtung des Geschäfts auch nach heute herrschender Lehre keine „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 bewirken.86 Das wird vornehmlich mit drei Gesichtspunkten begründet: keine vollständige Trennung des Erben von dem Unternehmensvermögen; erschwerter Zugriff der Altgläubiger auf das verpachtete Unternehmen; Benachteiligung der Altgläubiger gegenüber den Neugläubigern. Das überzeugt nicht: Eine vollständige Trennung des Erben von dem Unternehmensvermögen fordert § 27 nicht. Vielmehr reicht selbst bei Fortführung des Unternehmens durch den Erben die Aufgabe der Firma bzw. eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 aus, um die Rechtsfolge von § 27 Abs. 1 auszuschließen (s. Rn 37, 49 ff). Und im Falle einer Verpachtung führt der Erbe nicht einmal das Unternehmen weiter. Vielmehr trifft er, ebenso wie im Falle einer Veräußerung (Rn 65), eine klare Entscheidung über die Zukunft des Unternehmens, die für die Altgläubiger aus dem Handelsregister ersichtlich ist. Dass diese Entscheidung nicht endgültig ist, steht dem nicht entgegen. Vielmehr hieße es den Erben zu überfordern und seine berechtigten Interessen hintanzustellen, wollte man ihm binnen der ohnehin kurz bemessenen Dreimonatsfrist in jedem Fall eine unumkehrbare Entscheidung über das Schicksal der Firma oder des Unternehmens abverlangen (Rn 17). Möglicherweise bestehende Vollstreckungshindernisse für die Altgläubiger fallen demgegenüber ebenso wenig ins Gewicht wie ihre „Benachteiligung“ gegenüber Neugläubigern, zumal beide Nachteile dann aufgefangen werden, wenn der Pächter – wie im Regelfall – die Firma des Verpächters fortführt und daher den Altgläubigern des Erblassers aus § 25 Abs. 1 S. 1 haftet (§ 25 Rn 52, 102). Schließlich ist nicht einzusehen, warum die Altgläubiger durch den Erbfall besser stehen sollen als sie stünden, wenn der Erblasser das Unternehmen noch vor seinem Tod selbst verpachtet hätte. Und zuletzt: Probleme für Altgläubiger entstehen, wenn überhaupt, vornehmlich bei langfristigen Verbindlichkeiten. Wer solche Verbindlichkeiten eingeht, vermag sich in der Regel vertraglich selbst davor zu schützen, dass ihm aus einem Wechsel des Unternehmensträgers Nachteile entstehen.87 Tut er das nicht, ist er erheblich weniger schutzbedürftig als der vielfach geschäftlich völlig unerfahrene Erbe, den der Erbfall zudem oft unvorbereitet trifft. Nach allem ist auch die Verpachtung des Unternehmens als „Einstellung“ anzusehen.
67 e) Einbringung des Geschäfts in eine Gesellschaft. Dieselben Erwägungen gelten – auch nach der vorherrschenden Gegenansicht – für die Einbringung des Unternehmens in eine (bestehende oder zu diesem Zweck gegründete) Gesellschaft unter Beteiligung des Erben. Auch
85 So noch Heymann/Emmerich4 Rn 20; aA Heymann/Förster Rn 30. 86 Staub/Hüffer4 Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 31; Heymann/Förster Rn 31; GKzHGB/Steitz Rn 15; Oetker/Vossler Rn 22; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 32; Hopt/Merkt Rn 5; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 108; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 51; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke Rn 26 f; K. Schmidt § 8 Rn 153. 87 Die Pointe ist, dass dieses Argument ausgerechnet von denjenigen Autoren übersehen wird, die es zur Rechtfertigung des gesetzlichen Schuldnerwechsels nach § 26 anführen. Wegen der andersartigen Interessenlage überzeugt es dort freilich nicht, s. § 25 Rn 76 ff. Burgard
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dieser Vorgang stellt daher nach hier vertretener Ansicht eine „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 dar.88
f) Eingliederung des Geschäfts in ein Unternehmen des Erben. Selten diskutiert und 68 schwierig zu beantworten ist die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn der Erbe das Handelsgeschäft nicht als selbständiges Unternehmen fortführt, sondern es in ein eigenes, bereits bestehendes Unternehmen eingliedert. Thiessen meint, dies könne nicht als „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 bewertet werden, weil damit zwangsläufig eine Vermögensvermengung einhergehe, die eine spätere (erbrechtliche) Nachlasssonderung kaum noch erlaube. Deswegen bestünde hier – anders als im Fall des § 25 Abs. 1 S. 1 (s. dort Rn 63) – die Notwendigkeit unbeschränkter Haftung.89 Das Argument der Vermögensvermischung ist bei einer solchen Sachverhaltsgestaltung tatsächlich kaum von der Hand zu weisen. Allerdings ist auch nicht zu verkennen, dass in einem solchen Fall die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 nicht (mehr) gegeben sind, weil (und wenn) es an einer Fortführung des Geschäfts (und der Firma) fehlt. In Betracht kommt daher allenfalls eine analoge Anwendung von § 27 Abs. 1. Die Berechtigung einer solchen Analogie ist jedoch zweifelhaft, weil der Sinn und Zweck von § 27 nicht darin besteht, einer Vermögensvermischung vorzubeugen, andernfalls wären sowohl das Erfordernis der Firmenfortführung als auch die Möglichkeit eines Erhalts der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung durch Kundgabe entsprechend § 25 Abs. 2 sachwidrig, was Thiessen freilich eben deshalb annimmt. An dem Erfordernis der Firmenfortführung und einer entsprechenden Anwendung von § 25 Abs. 2 ist aber festzuhalten (s. Rn 17, 37, 49 ff, 98). Überdies ist zu bedenken, dass auch bei einer Liquidation des Unternehmens eine Vermögensvermischung eintreten kann, nämlich insbes. dann, wenn der Erbe nicht das gesamte zum Unternehmen gehörende Vermögen veräußert, sondern Teile davon in sein sonstiges (privates und/oder unternehmerisches) Vermögen überführt. Die Grenzen zwischen einer – unstreitig als „Einstellung“ anzusehenden – Liquidation und der hier in Frage stehenden Sachverhaltsgestaltung können daher fließend sein. Aus all diesen Gründen scheidet eine (analoge) Anwendung von § 27 Abs. 1 auf den vorliegenden Fall aus. Auch eine Eingliederung des Geschäfts in ein Unternehmen des Erben ist daher als „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 anzusehen. Das Problem der Vermögensvermischung kann daher nur über § 1978 i.V.m. §§ 666, 259 ff BGB sowie über §§ 1993 ff BGB gelöst werden. In Fällen einer durch den Erben herbeigeführten unheilbaren Vermögensvermischung kann ferner daran gedacht werden, ihm eine Berufung auf die erbrechtliche Haftungsbeschränkung nach § 242 BGB zu versagen.90
2. Einstellungsfrist a) Frist nach § 27 Abs. 2 S. 1. Grundsätzlich ist dem Erben für die Einstellung der Geschäfts- 69 fortführung eine Dreimonatsfrist gesetzt. Die Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages (§ 187 Abs. 1 BGB), an dem der Erbe von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat. Für das Fristende gilt mithin § 188 Abs. 2 Hs. 1 BGB. Mit der Frist will das Gesetz dem Erben eine angemessene Bedenkzeit einräumen (s.S. 7 der in Rn 10 zitierten Begründung, vgl. ferner Rn 8).
88 I.E. wie hier K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 148 ff; MünchKommHGB/Thiessen Rn 52; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 31; Oetker/Vossler Rn 22.
89 MünchKommHGB/Thiessen Rn 55; ebs. aber ohne Angabe von Gründen Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34. 90 Vgl. zum Tatbestand der Vermögensvermischung im GmbH-Recht BGHZ 125, 366; klargestellt durch BGHZ 165, 85; bestätigt durch BGHZ 173, 246. 311
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70 b) Verlängerung der Frist nach § 27 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 210 BGB. Zum Schutz von nicht voll geschäftsfähigen oder geschäftsunfähigen Erben, die keinen gesetzlichen Vertreter haben – wofür eine bloße tatsächliche Verhinderung, z.B. wegen Krankheit, nicht ausreicht91 –, gilt die Ablaufhemmung des § 210 BGB entsprechend. Für den nicht (voll) Geschäftsfähigen ohne gesetzlichen Vertreter beginnt die Frist somit erst mit Eintritt der Geschäftsfähigkeit bzw. mit Eintritt einer wirksamen Vertretung, wobei die in § 210 S. 1 BGB vorgesehene Frist von sechs Monaten entsprechend S. 2 der Vorschrift durch die Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 S. 1 ersetzt wird.92
71 c) Verlängerung der Frist nach § 27 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 1944 BGB. Die erbrechtliche Ausschlagungsfrist ist dann maßgeblich, wenn sie am Ende der Dreimonatsfrist noch nicht abgelaufen ist. Das ist notwendig, weil in dem gewichtigen Schritt der Unternehmensauflösung die Annahme der Erbschaft zu finden wäre, so dass § 27 Abs. 2 sonst zum vorzeitigen Verlust des Ausschlagungsrechts führen könnte (§ 1943 BGB). Zwar beträgt die Ausschlagungsfrist nach § 1944 Abs. 1 BGB regelmäßig nur sechs Wochen. Auch in diesem Regelfall kann ihr Ende aber nach dem der handelsrechtlichen Dreimonatsfrist liegen, weil § 1944 Abs. 2 BGB den für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkt anders bestimmt als § 27 Abs. 2 S. 1. Namentlich muss zur Kenntnis des Erbanfalls die Kenntnis des Berufungsgrundes (Gesetz, Testament oder Erbvertrag) hinzutreten; das ist wesentlich, wenn mehrere Erbausschlagungen aufeinander folgen. Wenn der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen ist, beginnt die Frist nicht vor der „Bekanntgabe“ der Verfügung (§ 1944 Abs. 2 S. 2 BGB), womit die mündliche (§ 348 Abs. 2 FamFG) oder schriftliche (§ 348 Abs. 3 FamFG) Bekanntgabe gegenüber dem Ausschlagungsberechtigten gemeint ist.93 Zu beachten sind ferner die in § 1944 Abs. 2 S. 3 BGB angeordnete entsprechende Anwendung der §§ 206, 210 BGB und die für den Pflichtteilsberechtigten in § 2306 Abs. 1 BGB getroffene Regelung. Schließlich gilt gem. § 1944 Abs. 3 BGB für die Ausschlagung eine Ausnahmefrist von sechs Monaten, wenn entweder der Erblasser seinen letzten Wohnsitz oder der Erbe bei Fristbeginn seinen Aufenthalt im Ausland gehabt hat.
II. Rechtsfolgen 1. Haftung während der Schwebezeit 72 Wenn der Erbe das Geschäft, ohne von der Möglichkeit des § 25 Abs. 2 Gebrauch zu machen, unter der Firma des Erblassers fortführt und die Frist des § 27 Abs. 2 noch nicht abgelaufen ist, besteht insofern ein Schwebezustand, als ungewiss ist, ob es noch zu einer Haftungsbeschränkung kommen kann oder nicht. Während dieser Schwebezeit hat der Erbe das Recht, die Einreden der §§ 2014, 2015 BGB geltend zu machen und sich entsprechend § 780 ZPO die beschränkte Erbenhaftung vorzubehalten.94 Würde man nämlich allein darauf abstellen, dass es bisher zu einer Einstellung der Geschäftsfortführung nicht gekommen ist und deshalb den Erben auf Klage des Gläubigers ohne Vorbehalt verurteilen, so könnte er eine nachträglich eintretende Haftungsbeschränkung dem Sinn des § 27 Abs. 2 zuwider nicht mehr geltend machen.
91 MünchKommBGB/Grothe § 210 Rn 4; Staudinger/Peters/Jacoby § 210 BGB Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 35.
92 MünchKommBGB/Grothe § 210 Rn 6; Staudinger/Peters/Jacoby § 210 BGB Rn 7; Erman/Schmidt-Räntsch § 210 BGB Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 25; MünchKommHGB/Thiessen Rn 56. 93 BeckOK BGB/Siegmann/Höger § 1944 Rn 7; MünchKommBGB/Leipold § 1944 BGB Rn 17 f; Staudinger/Otte § 1944 BGB Rn 19; Erman/J. Schmidt § 1944 BGB Rn 11. 94 Staub/Hüffer4 Rn 32; Heymann/Förster Rn 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24; Hopt/Merkt Rn 5; GKzHGB/Steitz Rn 19. Burgard
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2. Haftung bei rechtzeitiger Einstellung a) Grundsatz. Wenn der Erbe die Fortführung des Geschäfts vor Ablauf der in § 27 Abs. 2 ge- 73 setzten Frist eingestellt hat, richtet sich seine Haftung auch wegen der Geschäftsschulden nur noch nach den erbrechtlichen Bestimmungen. Danach haftet er zwar grundsätzlich weiterhin unbeschränkt (Rn 1). Bestehen bleibt aber die Möglichkeit einer erbrechtlichen Haftungsbeschränkung auf den Nachlass (Rn 3, 6), und zwar nicht nur für Privat- und Erbfallschulden (Rn 42, 45), sondern auch für frühere Geschäftsverbindlichkeiten (Rn 43). b) Nachlasserbenschulden. Nicht zu den früheren Geschäftsverbindlichkeiten gehören die 74 Nachlasserbenschulden (Rn 46). Von § 27 werden sie daher nicht erfasst. Vielmehr handelt es sich grundsätzlich um Eigenschulden des Erben, für die eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass nicht vorgesehen ist. Für Verbindlichkeiten, die der Erbe während der Schwebezeit bei der Fortführung des Handelsgeschäfts eingegangen ist, haftet er daher grundsätzlich unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen. Um dieser unbeschränkten Haftung zu entgehen, hat der Erbe allerdings die Möglichkeit, eine Haftungsbeschränkung auf den Nachlass mit den Gläubigern zu vereinbaren.95 Die Vereinbarung kann ausdrücklich oder konkludent getroffen werden, wofür es nach der Rechtsprechung des BGH genügt, „wenn der Vertrag erkennbar ohne jede Bezugnahme auf die Person des Erben […] geschlossen worden ist“.96 Darüber hinaus wird verbreitet eine analoge Anwendung von § 139 Abs. 4 gefordert.97 Dem ist nach dem Grundgedanken von § 27 Abs. 298 zuzustimmen. 3. Haftung ohne rechtzeitige Einstellung Führt der Erbe das Geschäft samt der Firma ohne Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2 über 75 die Dreimonatsfrist hinaus fort, so treten die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 endgültig ein, dazu Rn 41.
E. Geschäftsfortführung durch einen Testamentsvollstrecker I. Fragestellung Sehr streitig ist die Rechtslage, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet hat, 76 die – als Verwaltungsvollstreckung – auch ein Handelsgeschäft umfasst. Es stellen sich zwei Fragen, nämlich erstens, ob bzw. in welcher Form Testamentsvollstreckung an Handelsgeschäften überhaupt zulässig ist, und zweitens – wenn man die erste Frage bejaht – ob das Handeln des Testamentsvollstreckers dem Erben mit der Folge zugerechnet werden kann, dass er gem. § 27 Abs. 1 für die Altverbindlichkeiten einzustehen hat.
95 Allg. M., etwa RGZ 146, 343 (346); BGH WM 1968, 798; MünchKommHGB/Thiessen Rn 57; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Zimmer Rn 36.
96 BGH WM 1968, 798 f; zuvor bereits RGZ 146, 343 (346); danach OLG Frankfurt BB 1975, 1319. 97 MünchKommHGB/Thiessen Rn 58; Harms S. 165 f, 168; Hohensee, 241 ff; i.E. auch K. Schmidt ZHR 157 (1993), 600 (613 f); aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Grote BB 2001, 2595 (2598); Ernst, 61 ff; Bartholomeyczik DGW 1938, 321. 98 Hüffer ZGR 1986, 603 (636). 313
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II. Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung 1. Meinungsstand 77 Nach Rechtsprechung99 und herrschender Lehre100 ist die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch den Testamentsvollstrecker auf Grundlage der §§ 2205 ff BGB unzulässig. Begründet wird dies vor allem damit, dass der Testamentsvollstrecker nach den §§ 2206 f BGB nur den Nachlass, nicht aber den Erben mit seinem persönlichen Vermögen verpflichten kann. Die Testamentsvollstreckung würde daher zu einem einzelkaufmännischen Unternehmen „mit beschränkter Haftung“ führen, was mit den zwingenden Voraussetzungen, die das geltende Recht, insbes. das AktG und das GmbHG, für eine Haftungsbeschränkung aufstellt, unvereinbar sei. Als Ersatz werden zwei bzw. drei Lösungen angeboten. Bei der sog. Vollmachtslösung101 wird der Erbe Inhaber des Unternehmens und bevoll78 mächtigt den Testamentsvollstrecker, dieses in seinem Namen, also mit Wirkung auch gegenüber seinem persönlichen Vermögen zu führen. Eine Haftungsbeschränkung tritt danach nicht ein. Gegen diese Lösung werden allerdings schwerwiegende Bedenken vorgetragen. Sie scheitere daran, dass sie eine verdrängende und zudem unwiderrufliche Generalvollmacht voraussetze, was weder mit privatrechtlichen Grundwertungen noch mit den Interessen des Erben vereinbar sei. Dem Erben könne nicht zugemutet werden, durch das von ihm nicht beeinflussbare Handeln des Testamentsvollstreckers, der zudem selbst nicht hafte, unbeschränkt verpflichtet zu werden.102 Aus diesem Grunde bestünden auch erhebliche Bedenken, ob der Erblasser die Vollmachtslösung durch eine Auflage oder Bedingung überhaupt anordnen könne.103 Bei der sog. Treuhandlösung handelt der Testamentsvollstrecker dagegen als Treuhänder 79 des Erben, also im eigenen Namen für dessen Rechnung. Mithin wird er selbst verpflichtet, so dass die Gläubiger ihn in Anspruch nehmen könnten und es ebenfalls nicht zu einer Haftungsbeschränkung kommt.104 Gegen diese Lösung machen Kritiker freilich u.a. geltend: Welcher Treuhänder sei zur Übernahme einer persönlichen und unbeschränkten Haftung bereit, zumal wenn man ihm nur einen auf den Nachlass beschränkten Rückgriffsanspruch gegen den Erben105 einräumte. Würde man ihm aber einen nicht auf den Nachlass beschränkten106 Rückgriffsanspruch einräumen, dann sähe sich die Treuhandlösung denselben Einwänden ausgesetzt wie die Vollmachtslösung.107 99 Grundlegend RGZ 132, 138 (144); s. ferner die Nachweise in Fn 101, 104 sowie etwa BGHZ 12, 100 (102); 24, 106 (112). 100 Anstelle anderer Staub/Hüffer4 Rn 47, Vor § 22 Rn 74 f; MünchKommHGB/Thiessen Rn 18 ff; Oetker/Vossler Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 12; Hopt/Merkt Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15. 101 Grundlegend RGZ 172, 199 (205) (zur KG); BGHZ 12, 100 (103); BGHZ 35, 13 (15); BGH NJW 1981, 749 (750); BayObLGZ 1969, 138; s. zu diesen Entscheidungen auch Muscheler, 342 ff; für die Vollmachtslösung vgl. weiter Siebert FS Hueck, 1959, 321 (330); Klussmann BB 1961, 1209 (1211). 102 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 24; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 32; K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 70 ff; ausf. Muscheler, 345 ff; Dauner-Lieb, 276 ff; MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 25 f; Brandner FS Stimpel, 991 (1002); John BB 1980, 757 (758); Steindorff ZHR 146 (1982), 520; Schopp Rpfleger 1978, 77 (79); Nordemann NJW 1963, 1139 (1140); Erman/M. Schmidt § 2205 BGB Rn 22. 103 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 24; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 32; dafür aber BGHZ 12, 100 (103); BayObLGZ 1969, 138 (141); Ebenroth Erbrecht Rn 693; Winkler Der Testamentsvollstrecker, Rn 314. 104 RGZ 132, 138 (144); BGHZ 24, 106 (112); Staudinger/Reimann § 2205 BGB Rn 149 ff; Soergel/Damrau § 2205 BGB Rn 35; John BB 1980, 757 (760 f); Goebel ZEV 2003, 261; aA aber Baur FS Dölle I, 1963, 249 (252 f); Canaris Handelsrecht § 9 Rn 34. 105 Dafür Siebert FS A. Hueck, 321 (337 f); Soergel/Damrau § 2205 BGB Rn 20; John BB 1980, 757 (761); RGRKBGB/ Kregel § 2218 Rn 9; Mittmann Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch einen Testamentsvollstrecker, 89 ff; diff. Erman/M. Schmidt § 2218 BGB Rn 7; vgl. auch Holzhauer Erbrechtliche Untersuchungen 1973, 15 f. 106 Dafür Brandner FS Stimpel, 991 (1004 f); Staudinger/Reimann § 2205 BGB Rn 151; Vor § 2197 BGB Rn 70; Winkler Der Testamentsvollstrecker, Rn 303, wohl auch BGHZ 12, 100 (104). 107 Canaris Handelsrecht § 9 Rn 34; ausführlich gegen die Treuhandlösung Muscheler, 295 ff, 329 f. Burgard
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Problematisch sei zudem die Zuordnung des Unternehmensvermögens. Zwei Varianten kommen in Betracht: Bei der – eher näherliegenden – bloßen Ermächtigungstreuhand108 (§ 185 BGB) verbleibt das Unternehmensvermögen trotz der Fortführung des Handelsgeschäfts durch den Testamentsvollstrecker und seiner Eintragung im Handelsregister109 bei dem Erben.110 Das hätte allerdings zur Folge, dass die Neugläubiger (ausgerechnet) auf das Unternehmensvermögen nicht unmittelbar zugreifen könnten.111 Die zweite Variante, die sog. Vollrechtstreuhand,112 vermeidet zwar dieses Problem, schafft aber in Bezug auf die Altgläubiger neue Probleme, wenn der Testamentsvollstrecker von einer der nach § 25 gegebenen Möglichkeiten eines Haftungsausschlusses Gebrauch macht (s.u. Rn 86, 106). Zudem setzt diese Lösung die Übertragung des Unternehmensvermögens auf den Testamentsvollstrecker voraus, was kaum dem Willen des Erblassers entsprechen dürfte und – insbes. im Blick auf Grundstücke – umständlich und kostspielig wäre.113 Aufgrund all dieser Bedenken halten manche daher jede Art der Testamentsvollstre- 80 ckung an einem Handelsgeschäft für unzulässig und verweisen den Erblasser auf die Möglichkeit, das Unternehmen auf eine GmbH zu übertragen und sodann hinsichtlich der Verwaltungsrechte Testamentsvollstreckung anzuordnen.114 Die Gegenposition vertritt Karsten Schmidt: Der Erbe werde mit oder ohne Testamentsvollstre- 81 ckung automatisch Unternehmensträger und könne sich dem Tatbestand der Geschäftsfortführung auch nicht dadurch entziehen, dass er sich hinter dem Testamentsvollstrecker verstecke. Jede Geschäftsfortführung durch einen Testamentsvollstrecker sei daher eine Geschäftsfortführung i.S.d. § 27 durch den Erben. Allerdings könne der Testamentsvollstrecker verpflichtet sein, das Unternehmen auf eine Handelsgesellschaft, namentlich eine GmbH, zu übertragen,115 wodurch die Geschäftsfortführung i.S.d. § 27 Abs. 2 eingestellt werde116.117 Schließlich wenden sich manche gegen die in Rn 77 widergegebenen Bedenken der hM und 82 treten für eine sog. „echte Testamentsvollstreckerlösung“ ein.118 Die in Rn 78 f referierten Lösungen überzeugten aus den genannten Gründen nicht. Eine generelle Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung schränkte hingegen den Anwendungsbereich der §§ 2197 ff BGB zu sehr ein, zumal sie konsequenterweise nicht nur für Handelsgeschäfte, sondern für Unternehmen jeder Art gelten müsse119 und auch dann mit dem Gleichheitssatz schwer vereinbar sei. Und die ersatzweise angebotene Übertragung auf eine GmbH führe zu vielerlei Komplikationen (Kosten, steuerliche Nachteile, Haftungsrisiken für den Testamentsvollstrecker). Demgegenüber sei die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass als geltendendes Recht hinzunehmen, zumal hieran niemand Anstoß nehme, wenn Gegenstand der Testamentsvollstreckung kein Unternehmen sei. Die Anordnung von Testamentsvollstreckung sei mithin ein Fall legaler Haftungs108 Vgl. KG JW 1939, 104; BGH NJW 1975, 54 f.; Staudinger/Reimann § 2205 Rn 150. 109 Zur Frage der Eintragung des Testamentsvollstreckers in das Handelsregister s. § 31 Rn 13. 110 Die Treuhandlösung bevorzugen etwa KG JFG 18, 276 (280 f); Erman/M. Schmidt § 2205 BGB Rn 23; Palandt/ Weidlich80 § 2205 BGB Rn 8; Soergel/Damrau § 2205 BGB Rn 21; ablehnend dagegen etwa John BB 1980, 757 (759); Brandner FS Stimpel, 991 (1003 f). 111 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 25; Staudinger/Reimann § 2205 Rn 150 f; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 35; Muscheler, 312 ff, 329. 112 Grundlegend John BB 1980, 757 (760 f). 113 Baur FS Dölle I, 1963, 249 (253 f); Canaris Handelsrecht § 9 Rn 35; kritisch hinsichtlich der Vollrechtstreuhand auch K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 76; Staudinger/Reimann § 2205 Rn 150; Dauner-Lieb, 283 ff; sowie eingehend Muscheler, 331 ff. 114 Heymann/Förster § 1 Rn 81; MünchKommHGB/Thiessen Rn 20; Dauner-Lieb, 312 ff, 326 ff; Windel, 264. 115 K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 76, § 8 Rn 139. 116 K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 148 ff. 117 Mit dieser Lösung sympathisierend Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15 (aE). 118 Mit Unterschieden im Einzelnen Baur FS Dölle I, 1963, 249 ff; Muscheler, 389 ff; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 36 ff; Kipp/Coing Erbrecht14, § 68 III 3a; Winkler FS Schippel, 1996, 519 (524 ff); Schiemann FS Medicus, 526 ff; Weidlich NJW 2011, 641; Hopt/Merkt § 1 Rn 44. 119 So in der Tat Dauner-Lieb, 314. 315
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beschränkung. Das könne insbes. aus drei Gründen hingenommen werden. Zum einen müsse ein Vertragsneugläubiger angesichts der Funktion der Testamentsvollstreckung mit einer Haftungsbeschränkung rechnen, wenn der Testamentsvollstrecker erkennbar für den Nachlass handele (andernfalls hafte er nach allgemeinen Regeln ohnehin persönlich und unbeschränkt). Zum anderen sei die Testamentsvollstreckung analog § 19, § 4 AktG, § 4 GmbHG als Zusatz in die Firma aufzunehmen und analog § 53 in das Handelsregister einzutragen. Und zum Dritten seien entgegen den insoweit erhobenen Einwänden120 normalerweise auch keine unzumutbaren Nachteile für die Altgläubiger zu besorgen.121
2. Stellungnahme 83 Die Vollmachts- und die Treuhandlösung (Rn 78 f) überzeugen aus den genannten Gründen nicht. Deswegen kann auch nicht der Ansicht von Karsten Schmidt (Rn 81) gefolgt werden; denn wenn die (kurze) Frist des § 27 Abs. 2 versäumt wird, führt sie ebenso wie die Vollmachtslösung zu einer unbeschränkbaren Erbenhaftung für das Handeln des Testamentsvollstreckers, was wohl auch bei volljährigen Erben als Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. Rn 33) anzusehen wäre. Die beiden übrigen Lösungen – generelle Unzulässigkeit der Testamentsvollstreckung an Unternehmen und echte Testamentsvollstreckerlösung – erfordern eine weitreichende Rechtsfortbildung. So ist es, um nur ein Argument der echten Testamentsvollstreckerlösung aufzugreifen, keineswegs ausgemacht, dass der Testamentsvollstrecker Insolvenzantrag stellen muss (nach § 317 InsO hat er nur ein Antragsrecht) und widrigenfalls den Gläubigern haftet.122 Nach hM trifft diese Pflicht nämlich den Erben (§ 1980 BGB), der seiner Verantwortung über § 2215 BGB nachkommen kann und muss.123 Dieser Hinweis zeigt freilich zugleich, dass vielerlei Einwände, die gegen die echte Testamentsvollstreckerlösung angeführt werden, allgemeine Unzulänglichkeiten des Testamentsvollstreckungsrechts betreffen, die eben nur bei der Testamentsvollstreckung an Unternehmen besonders deutlich hervortreten. Hieran gilt es – solange der Gesetzgeber nicht tätig wird – rechtsfortbildend zu arbeiten. Die Annahme genereller Unzulässigkeit von Testamentsvollstreckung an Unternehmen würde dagegen nur ein Symptom der Unzulänglichkeit des Gesetzes beseitigen und greift daher – auch rechtspolitisch betrachtet – zu kurz. Schließlich spricht entscheidend für die echte Testamentsvollstreckerlösung, dass nur sie der gesetzlichen Ausgangslage entspricht. Die hieraus folgende Haftungsbeschränkung mag man als Mangel des gesetzten Rechts ansehen. Der Gesetzgeber ist jedoch nicht gezwungen, das Privileg beschränkter Haftung Kapitalgesellschaften vorzubehalten. Vielmehr gibt es gute Gründe für die Zulässigkeit von Testamentsvollstreckung im Allgemeinen und, wie aufgezeigt wurde, zwingende Gründe, den Erben nicht unbeschränkbar mit seinem sonstigen Vermögen für das Handeln des Testamentsvollstreckers einstehen zu lassen. Zu folgen ist daher grundsätzlich der echten Testamentsvollstreckerlösung.
III. Folgen der Testamentsvollstreckung 84 Hält man mit der hier vertretenen Auffassung Testamentsvollstreckung an einem Handelsgeschäft für zulässig, so erhebt sich die weitere Frage, was dies für § 27 bedeutet. Dies wiederum ist auch, aber nicht nur davon abhängig, welcher der vorgenannten Lösungen man folgt. 120 121 122 123
S. Dauner-Lieb, 302 ff; 312 ff. Näher zu diesem Aspekt Canaris Handelsrecht § 9 Rn 39. So aber Canaris Handelsrecht § 9 Rn 39. Palandt/Weidlich80 § 1980 Rn 3; MünchKommBGB/Küpper § 1980 Rn 12; BeckOK BGB/Lohmann § 1980 Rn 5; Staudinger/Dobler § 1980 BGB Rn 20; Erman/Horn § 1980 BGB Rn 5; MünchKommInsO/Siegmann § 317 Rn 7. § 2219 BGB ist zudem nur eine Anspruchsgrundlage zugunsten von Erben und Vermächtnisnehmern. Burgard
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1. Meinungsstand Nach der hier favorisierten echten Testamentsvollstreckerlösung ist der Erbe zwar Inhaber 85 des Unternehmens. § 27 Abs. 1 greift aber nicht zu seinen Lasten ein, weil er das Geschäft nicht selbst fortführt und das Handeln des Testamentsvollstreckers ihm nicht zuzurechnen ist.124 Dementsprechend ist es als Einstellung i.S.d. § 27 Abs. 2 zu bewerten, wenn der Erbe das Geschäft zunächst vorübergehend selbst fortführt bis es der Testamentsvollstrecker in seine Verwaltung übernimmt. Da der Erbe und nicht der Testamentsvollstrecker Inhaber des Geschäfts ist, greift zu dessen Lasten auch nicht § 25 ein. Die herrschende Lehre differenziert: Bei der Vollmachtslösung sei dem Erben die Fortfüh- 86 rung des Geschäfts mit der Folge der Anwendbarkeit von § 27 Abs. 1 zuzurechnen,125 nicht dagegen bei der Treuhandlösung.126 Bei der Treuhandlösung werde vielmehr der Testamentsvollstrecker neuer Unternehmensträger, so dass zugunsten der Erben grundsätzlich § 27 Abs. 2 eingreife, während der Testamentsvollstrecker nach § 25 Abs. 1 S. 1 für Altverbindlichkeiten hafte, wenn er nicht seine Haftung durch Firmenänderung oder im Wege des § 25 Abs. 2 ausschließe. Letzteres führt freilich im Falle einer Vollrechtstreuhand zu dem in Rn 106 geschilderten Problem, weswegen Hüffer in diesem Fall § 27 Abs. 2 zugunsten des Erben ausnahmsweise mit der Folge nicht anwenden will, dass er nach § 27 Abs. 1 unbeschränkbar haftet.127 Nach anderer Ansicht überzeugt vorstehende (Rn 86) Differenzierung nicht; denn der Unter- 87 schied zwischen Vollmachts- und Treuhandlösungen sei rein rechtstechnisch/konstruktiver Natur, so dass die Rechtsstellung der Altgläubiger davon nicht abhängen könne. Aus Gläubigersicht müsste daher § 27 auf beide Fälle gleichermaßen angewendet werden.128 Das entspricht im Ergebnis der Ansicht von Karsten Schmidt (s.o. Rn 81).
2. Stellungnahme Folgt man entgegen der hier vertretenen Auffassung nicht der echten Testamentsvollstreckerlö- 88 sung, so muss am Ausgangspunkt die Überlegung stehen, dass die Vollmachts- und Treuhandlösung nur Ersatzkonstruktionen für die echte Testamentsvollstreckerlösung sind, die vor allem eine auf den Nachlass beschränkte Haftung hinsichtlich von Neuverbindlichkeiten vermeiden sollen. Schon von diesem Ausgangspunkt her erscheint es problematisch, aus diesen Ersatzlösungen Folgen für die Haftung für Altverbindlichkeiten abzuleiten. Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 27 davon ausgeht, dass der Erbe frei über die Fortführung des Unternehmens mitsamt der Firma, die Aufgabe der Firma, die Einstellung i.S.d. § 27 Abs. 2 oder eine Kundmachung entsprechend § 25 Abs. 2 entscheiden kann. Dem würde es widersprechen, wenn der Testamentsvollstrecker gegen den Willen des Erben dessen unbeschränkbare Haftung herbeiführen könnte. Zu differenzieren ist daher nicht nach der Vollmachts- oder Treuhandlösung, sondern danach, ob der Erbe die vorgenannten Maßnahmen ergreifen bzw. den Testamentsvollstrecker dazu anweisen kann (und zwar bei Nichtbefolgung mit der Folge der Haftung des Testamentsvollstreckers nach § 2219 BGB) oder nicht. Ist das nicht der Fall, ist die Geschäftsfortführung durch den Testamentsvollstrecker dem Erben nicht zuzurechnen, so dass dem Erben die erbrechtlichen Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten erhalten bleiben. Neben der Haftung des Erben besteht auch im Falle der Treuhandlösung für eine Haftung des Testamentsvollstreckers aus § 25 kein Bedürfnis, vgl. § 2213 BGB. 124 S. RGZ 132, 138 (144); Hopt/Merkt Rn 3; Muscheler, 417. 125 RGZ 132, 138 (144); BGHZ 12, 100 (103). 126 RGZ 132, 138 (144); Staub/Hüffer4 Rn 8, 47 ff; Hopt/Merkt Rn 3; Oetker/Vossler Rn 13; Staudinger/Reimann Rn 149; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; s. ferner BGHZ 35, 13 (16). 127 Staub/Hüffer4 Rn 49. 128 MünchKommHGB/Thiessen Rn 20. 317
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Selbst bei einer Vollrechtstreuhand wäre eine Haftung des Testamentsvollstreckers für Altverbindlichkeiten nicht sachgerecht, weil er das Unternehmen nicht auf eigene, sondern auf Rechnung des Erben führt.
IV. Beendigung der Testamentsvollstreckung 88a Was bei Beendigung der Testamentsvollstrechung zu gelten hat, ist wiederum streitig.
1. Meinungsstand 89 Bei der Vollmachtslösung stellt sich die Frage nach hL allerdings nicht, weil schon die Geschäftsfortführung durch den Testamentsvollstrecker den Erben zuzurechnen ist, s. Rn 86. Ebenso wenig stellt sich diese Frage daher für die Anhänger der in Rn 87 referierten Ansicht. Nach der Treuhandlösung wechselt dagegen nach Beendigung der Testamentsvollstreckung erneut der Unternehmensträger durch Rechtsgeschäft unter Lebenden (§ 2217 BGB), so dass § 27 Abs. 2 unanwendbar ist und der Erbe ggf. nach § 25 haftet.129 Nach aA soll dagegen § 27 eingreifen, wenn der oder die Erben nach Beendigung der Testamentsvollstreckung das Geschäft von dem Testamentsvollstrecker übernehmen und selbst fortführen.130 Letzteres entspricht der echten Testamentsvollstreckerlösung.131
2. Stellungnahme 90 Der zuletzt genannten Ansicht ist zu folgen. Auf Grundlage der hM ist sie freilich inkonsequent. Danach müsste entsprechend den vorstehenden Grundsätzen (Rn 88) differenziert werden. Ist die Fortführung des Geschäfts durch den Testamentsvollstrecker dem Erben nicht zuzurechnen, weil er nicht die von § 27 vorausgesetzte Entscheidungsfreiheit hat, so gewinnt er diese durch die Beendigung der Testamentsvollstreckung, so dass nunmehr § 27 eingreift. Andernfalls findet § 27 bereits auf die Geschäftsfortführung durch den Testamentsvollstrecker Anwendung.
F. Geschäftsfortführung durch eine Erbengemeinschaft I. Grundlagen 1. Vorbemerkung 91 Mehrere Erben bilden nach den §§ 2032 ff BGB kraft Gesetzes eine gesamthänderisch strukturierte Erbengemeinschaft (§§ 2032 Abs. 1, 2033 Abs. 2 BGB). Mit der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand als einer rechtsfähigen Personengesellschaft ist die Erbengemeinschaft trotz ihrer Gesamthandsstruktur nach herrschender Meinung nicht auf eine Stufe zu stellen.132 Gleichwohl kann eine Erbengemeinschaft ein zum Nachlass gehörendes Unternehmen fortführen, und zwar nach
Staub/Hüffer4 Rn 49 aE; MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 27. KG JW 1937, 2599; Heymann/Emmerich2 Rn 13. Muscheler, 427. BGHZ 30, 391 (397); BGH NJW 1989, 2133 (2134); BGH NJW 2002, 3389 (3390); Staudinger/Bork 100 Jahre BGB (1998), 181 ff, 195; MünchKommBGB/Gergen Vor § 2032 Rn 5; Soergel/M. Wolf Vor § 2032 BGB Rn 4; Ulmer AcP 198 (1998), 113 (124 ff).
129 130 131 132
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ständiger Rechtsprechung133 und herrschender Lehre134 ohne zeitliche Begrenzung. Daraus ergeben sich zum einen besondere Probleme bei der Anwendung von § 27, und zwar sowohl hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Geschäftsfortführung nach Abs. 1 als auch hinsichtlich des Ausschlusstatbestands der Einstellung der Geschäftsfortführung nach Abs. 2. Zum anderen und vor allem stellen sich zahlreiche und schwierige Rechtsfragen bei einer dauerhaften Unternehmensfortführung durch die Erbengemeinschaft. Diese betreffen jedoch nicht § 27, sondern die Vereinbarkeit bzw. Anpassung des Rechts der Erbengemeinschaft an die Erfordernisse des Handelsverkehrs und werden daher hier nicht behandelt.135
2. Erbrechtliche Ausgangslage Die §§ 1967 ff BGB über die Haftung des Erben gelten grundsätzlich auch für Miterben, und zwar 92 für jeden Miterben getrennt. Auch für Miterben gelten daher etwa die §§ 1958, 2014, 2015 BGB. Auch stehen jedem Miterben die gesetzlichen Möglichkeiten zur Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass (s.o. Rn 3) zu Gebote. Ebenso tritt umgekehrt der Verlust der Beschränkungsmöglichkeit für jeden Miterben gesondert ein. Von diesen allgemeinen Grundsätzen enthalten die §§ 2058 ff BGB allerdings einige bedeutende Abweichungen. So können nach § 2062 BGB nur alle Miterben gemeinschaftlich und nur bis zur Teilung eine Nachlassverwaltung nach § 1981 BGB beantragen. Sie scheidet damit als Beschränkungsmittel aus, sobald auch nur ein Miterbe widerspricht oder auch nur ein Miterbe unbeschränkt haftet (§ 2013 Abs. 1 BGB). Die Nachlassinsolvenz kann dagegen von jedem Miterben selbständig beantragt (§ 317 Abs. 1 und 2 InsO) und auch noch nach der Teilung angeordnet werden (§ 316 Abs. 2 InsO). Überdies und vor allem beinhalten die §§ 2058 ff BGB Sonderregelungen über die Haftung der einzelnen Miterben und der Erbengemeinschaft als solcher für Nachlassverbindlichkeiten. Danach haften die Miterben grundsätzlich als Gesamtschuldner für die ganze Forderung (§ 2058 BGB), ausnahmsweise nur anteilig (§§ 2059 Abs. 1 S. 2, 2060 BGB). Überdies können Nachlassgläubiger gem. § 2059 Abs. 2 BGB von sämtlichen Miterben Befriedigung aus dem ungeteilten Nachlass verlangen. Bis zur Teilung haben Gläubiger daher ein Wahlrecht, ob sie im Wege einer sog. Gesamtschuldklage gegen die einzelnen Miterben zwecks Vollstreckung gegen sie persönlich (§ 2058 BGB) oder im Wege der sog. Gesamthandklage, die gegen alle Miterben zu richten ist, gegen die Erbengemeinschaft als solche zwecks Zugriff auf den Nachlass (§ 2059 Abs. 2 BGB) vorgehen wollen. Dieses Wahlrecht hat freilich nur geringe praktische Bedeutung, weil – und das ist die wichtigste Besonderheit – § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass jeder Miterbe bis zur Teilung des Nachlasses die Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten aus seinem sonstigen Vermögen verweigern kann. Dieses besondere Verweigerungsrecht tritt selbständig neben die allgemeinen Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung und kann daher auch ohne Nachlassverwaltung oder Dürftigkeit geltend gemacht werden. Das ist insofern konsequent als eine amtliche Absonderung des Nachlasses hier deswegen entbehrlich ist, weil der Nachlass bis zur Teilung als gesamthänderisches Sondervermögen der Erbengemeinschaft vom Eigenvermögen der einzelnen Miterben getrennt ist. Im Ergebnis haftet daher nicht nur die Erbengemeinschaft als solche, sondern haften
133 ROHGE 11 (1874), 101; 23 (1878), 166; RGZ 10, 101; 35, 17 (19); 132, 138 (143 f); BGHZ 1, 65; BGHZ 17, 299 (301 f); 30, 391 (394 f); 32, 60 (67); 92, 259 (262 ff). 134 So mit Differenzierungen etwa Hüffer ZGR 1986, 603 (609 ff); Staub/Hüffer4 Vor § 22 Rn 73; M. Wolf AcP 181 (1981), 480 (482 ff); K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 25 ff; ausführlich Hohensee, 36 ff, 156 ff, 171 ff; Canaris Handelsrecht § 9 Rn 7 ff; Hopt/Merkt § 1 Rn 37 f; MünchKommHGB/Thiessen Rn 67 f; Strothmann ZIP 1985, 969 (970 ff); aA insbes. Robert Fischer ZHR 144 (1980), 1 ff (Übergang der Erbengemeinschaft zur OHG jenseits der Dreimonatsgrenze des § 27 Abs. 2). 135 S. dazu Canaris Handelsrecht § 9; R. Fischer ZHR 144 (1980), 1 ff; Hohensee Die unternehmenstragende Erbengemeinschaft, 1994; Hüffer ZGR 1986, 603 ff; MünchKommHGB/Thiessen Rn 67 ff; K. Schmidt Handelsrecht § 4 Rn 25 ff; ders. NJW 1985, 2785 ff; Strothmann ZIP 1985, 969 ff; M. Wolf AcP 181 (1981), 480. 319
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auch die einzelnen Miterben – wenn sie sich dies im Prozess gem. § 780 ZPO vorbehalten – bis zur Teilung des Nachlasses grundsätzlich nur mit diesem. Und selbst dann, wenn ein Miterbe für Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet (§§ 1994 Abs. 1 S. 2, 2005 Abs. 1 S. 1, 2006 Abs. 3 BGB), sieht § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB vor, dass ein Gläubiger nur mit dem Teil einer Forderung auf das Eigenvermögen des Miterben zugreifen kann, der dem ideellen Erbanteil des Miterben entspricht.
3. Grundgedanke bei der Anwendung von § 27 93 Seinem Wortlaut nach betrifft § 27 nur die Haftungsfolgen bei Fortführung des Geschäfts durch einen Alleinerben. Gleichwohl ist unbestritten, dass die Vorschrift auch auf eine ungeteilte Erbengemeinschaft Anwendung findet. Dabei muss die Anwendung von dem Prinzip beherrscht sein, dass nach Möglichkeit weder die Geschäftsgläubiger des Erblassers noch die Miterben besser oder schlechter stehen dürfen als wenn das Geschäft an einen Alleinerben gefallen wäre. Das gilt für den Eintritt der Unbeschränkbarkeit und den Erhalt der Beschränkungsmöglichkeit ebenso wie für die Folgen einer unbeschränkbaren Haftung.
II. Die Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 1. Meinungsstand 94 § 27 Abs. 1 setzt u.a. (s. Rn 23 ff) voraus, dass die Erben das Geschäft fortführen. Da die Fortführung des Geschäfts Gegenstand der Verwaltung des Nachlasses i.S.d. § 2038 BGB ist, setzt dies im Grundsatz voraus, dass das Handelsgeschäft von den Erben gemeinschaftlich fortgeführt werden muss. Wird das Geschäft nur von einem Miterben fortgeführt, so ist darin nach Ansicht des BGH nur dann eine Fortführung i.S.d. § 27 durch alle Erben zu sehen, wenn die übrigen Miterben den tätigen Miterben zur Fortführung des Geschäfts ausdrücklich oder stillschweigend bevollmächtigt haben.136 Dabei könne von dem Vorliegen einer stillschweigenden Bevollmächtigung im Allgemeinen bereits dann ausgegangen werden, wenn die übrigen Miterben die Fortführung wissentlich dulden. 95 Diese Fragestellung wird in der Literatur zutreffend dahingehend präzisiert, ob die Fortführung des Geschäfts ein bloßer Realakt sei oder ob es eines Fortführungsbeschlusses durch die Miterben bedürfe.137 Bedürfte es eines Fortsetzungsbeschlusses, so stellt sich die weitere Frage, ob dieser einstimmig zu fassen ist138 oder auch mit Mehrheit gefasst werden kann.139 Letzteres wird wegen der Schutzbedürftigkeit der einzelnen Miterben als bedenklich angesehen.140
2. Stellungnahme 96 Richtig ist, dass die Rechtsfolgen von § 27 Abs. 1 nicht endgültig ohne Zustimmung aller Erben eintreten dürfen. Richtig ist aber auch, dass die einstweilige Fortführung des Geschäfts aus rein tatsächlichen Gründen unvermeidlich ist und daher einen bloßen willensunabhängigen 136 BGHZ 30, 391 (395); BGHZ 32, 60 (67); BGHZ 35, 13 (19); ebenso etwa A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (23 ff); Hüffer ZGR 1986, 603 (613, 625); M. Wolf AcP 181 (1981), 480 (483); Heymann/Förster Rn 47. K. Schmidt NJW 1985, 2785 (2790 f); ders. ZHR 157 (1993), 600 (610 f). So K. Schmidt NJW 1985, 2785 (2790); ders. ZHR 157 (1993), 600 (610 f). So Heintzenberg, 23. Vgl. Hohensee, 153 ff, 176.
137 138 139 140
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Realakt darstellt. Deswegen wurde schon oben ausgeführt, dass es im Rahmen des § 27 Abs. 1 keiner Fortsetzungsentscheidung bedarf (Rn 31). Dementsprechend ist auch hier ein Fortsetzungsbeschluss entbehrlich. Eines Fortsetzungs- oder Einstellungsbeschlusses bedarf es daher erst im Blick auf § 27 Abs. 2.141 Das ändert freilich nichts daran, dass ein einzelner Miterbe wegen § 2038 BGB ohne Zustimmung der übrigen Miterben das Geschäft nicht uneingeschränkt führen kann. Für Verbindlichkeiten, die bei der einstweiligen und später fristgerecht eingestellten Fortführung des Geschäfts begründet werden, gilt überdies das in Rn 73 ff Ausgeführte.
III. Der Erhalt der Beschränkbarkeit der Erbenhaftung nach § 27 Abs. 2, § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die vorübergehende Fortführung des Geschäfts prak- 97 tisch unvermeidlich ist. Das macht freilich die Forderung umso dringlicher, dass jedem einzelnen Miterben die rechtssichere Möglichkeit gegeben sein muss, die Haftungsfolgen des § 27 Abs. 1 zu vermeiden. Grundsätzlich bestehen insofern bei einer Mehrheit von Erben dieselben Möglichkeiten wie bei einem Alleinerben (für einen Überblick Rn 19). Mit Zustimmung aller kann daher jede dieser Maßnahmen beschlossen und umgesetzt werden. Ein bloßer Mehrheitsbeschluss reicht allerdings entgegen der hL weder für eine Firmenänderung noch für eine Einstellung i.S.d. § 27 Abs. 2 aus, da es sich hierbei um außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen und nicht um Maßnahmen der ordnungsgemäßen (d.h. laufenden) Verwaltung i.S.d. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB handelt, vgl. auch § 2040 Abs. 1 BGB.142 Erst recht reicht es nicht aus, wenn ein einzelner Miterbe der weiteren Fortführung des Geschäfts widerspricht; denn das allein bewirkt noch keine Einstellung. Allenfalls könnte man meinen – so ist wohl der BGH (Rn 94) zu verstehen –, dass die Haftungsfolgen des § 27 Abs. 1 in der Person eines der Fortführung widersprechenden Miterben nicht eintreten. Das wäre freilich aus Gläubigersicht ein untragbares Ergebnis, weil sie keine Möglichkeit haben zu erkennen, ob und welche Miterben der Fortführung widersprochen haben. Auch deswegen muss man jedem einzelnen Miterben das Recht zugestehen, eine die Unbeschränkbarkeit der Haftung ausschließende Erklärung i.S.d. § 25 Abs. 2 kundzumachen.143 Zumindest auf diesem Wege (näher dazu Rn 49 ff) kann daher jeder Miterbe die Rechtsfolgen des § 27 Abs. 1 vermeiden. Somit bleibt zu fragen, welche anderen Möglichkeiten einzelnen Miterben gegeben sind. Eine einseitige Kündigung der Mitgliedschaft wie bei einer Personengesellschaft (§ 723 98 BGB, § 132) ist im Recht der Erbengemeinschaft nicht vorgesehen. Es kennt vielmehr nur das Auseinandersetzungsverlangen, das gem. § 2042 BGB jedem Miterben grundsätzlich jederzeit zusteht. Die Auseinandersetzung ist jedoch grundsätzlich auf die Aufhebung der Erbengemeinschaft und damit auf den gesamten Nachlass gerichtet. Die Miterben darauf zu verweisen, ist dann nicht sachgerecht, wenn es dem einzelnen Miterben nur um die Einstellung des Geschäfts i.S.d. § 27 Abs. 2 geht. Mit Zustimmung aller Miterben zulässig ist allerdings auch eine gegenständlich beschränkte – hier also auf das Handelsgeschäft bezogene – Teilauseinandersetzung.144 Sie kann auch gegen den Willen eines Miterben verlangt werden, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist, insbes. eine verständige Verwaltung dies erfordert und dadurch berechtigte Belange der Erbengemeinschaft oder der einzelnen Miterben nicht beeinträch-
141 Ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 62; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 40; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36.
142 AA Staub/Hüffer4 Rn 39; GKzHGB/Steitz Rn 22. 143 Staub/Hüffer4 Rn 37; A. Hueck ZHR 108 (1941), 1 (25); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12; Heymann/Förster Rn 49; GKzHGB/Steitz Rn 20; BeckOK HGB/Bömeke Rn 35. 144 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36 aE; MünchKommHGB/Thiessen Rn 65; MünchKommBGB/Ann § 2042 Rn 14 ff; Soergel/M. Wolf § 2042 BGB Rn 37 ff. 321
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tigt werden.145 Ob auf diesem Wege eine Einstellung der Fortführung des Geschäfts i.S.d. § 27 Abs. 2 ohne Zustimmung aller Miterben erreicht werden kann,146 ist daher sehr zweifelhaft und jedenfalls stark vom Einzelfall abhängig, und zwar schon deshalb, weil jede der in Frage kommenden Maßnahmen (Aufgabe der werbenden Tätigkeit, Veräußerung oder Verpachtung des Handelsgeschäfts, Einbringung in eine Gesellschaft, s. Rn 62 ff) berechtigte Belange der Erbengemeinschaft oder der einzelnen Miterben beeinträchtigen kann. Zudem ist zu bedenken, dass das Auseinandersetzungsverlangen allein noch keine „Einstellung der Fortführung“ des Geschäfts bewirkt. Vielmehr muss die „Einstellung“ i.S.d. § 27 Abs. 2 innerhalb der dort genannten Frist vollzogen werden.147 Dies erweist den Weg einer gegenständlich beschränkten Teilauseinandersetzung als Sackgasse, wenn sich die Miterben nicht einig sind, weil eine Durchsetzung im Klageweg innerhalb dieser Frist praktisch nicht möglich ist. Sind sich die Miterben nicht einig, bleibt im praktischen Ergebnis somit nur der Weg über § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 (Rn 97). Das zeigt erneut, wie richtig und wichtig es ist, diesen Weg zuzulassen (dazu Rn 49 ff), und zwar für jeden Erben einzeln innerhalb der Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2, also entgegen der bisher hM unter Verzicht auf das Erfordernis der „Unverzüglichkeit“ (dazu Rn 57 ff). 99 Im Blick auf die Frist des § 27 Abs. 2 ist fraglich, ob sie für alle Miterben einheitlich oder für jeden Miterben getrennt läuft. Nach hL muss die Frist einheitlich berechnet werden. Dem ist zuzustimmen, weil alle Maßnahmen, die zur Einstellung i.S.d. § 27 Abs. 2 führen, grundsätzlich der Zustimmung aller Miterben bedürfen. Daraus folgt zugleich, dass die Frist nach der Person desjenigen zu berechnen ist, für den die Frist am längsten läuft.148 Stellt die Erbengemeinschaft die Fortführung des Geschäfts innerhalb der Frist des § 27 100 Abs. 2 ein oder ändert sie innerhalb dieser Frist die Firma und liegt kein besonderer Verpflichtungsgrund i.S.d. § 25 Abs. 3 vor, dann haften die Erben nur entsprechend den erbrechtlichen Vorschriften, also beschränkbar und mit dem Leistungsverweigerungsrecht des § 2059 Abs. 1 BGB (s.o. Rn 92). Das gleiche gilt für diejenigen Miterben, die die Haftungsfolgen des § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 im Wege der Kundmachung nach § 25 Abs. 2 ausschließen.
IV. Haftungsfolgen gem. § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 101 Rechtsfolge von § 27 Abs. 1 ist nach dem Wortlaut der Vorschrift, dass „auf die Haftung des Erben für frühere Geschäftsverbindlichkeiten die Vorschriften des § 25 entsprechende Anwendung“ finden. Im Blick auf § 25 Abs. 1 S. 1 bedeutet das mithin, dass der Erbe „für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers“, also des Erblassers, haftet. Bei einem Alleinerben ist das freilich nach §§ 1922, 1967 BGB ohnehin die Regel, weswegen die Haftungsanordnung so zu verstehen ist, dass dem Alleinerben im Blick auf frühere Geschäftsverbindlichkeiten die Möglichkeit genommen wird, eine erbrechtliche Haftungsbeschränkung herbeizuführen (Rn 6). Das muss mithin auch für Miterben gelten, denen somit gleichfalls die allgemeinen erbrechtlichen Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung, wie sie von den §§ 2060 ff BGB vorausgesetzt und teilweise modifiziert werden (s. Rn 92), nicht zugute kommen. Das soll nach hL aber auch bedeuten, dass dem Miterben das Leistungsverweigerungsrecht des § 2059 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht zusteht. Danach kann ein Geschäftsgläubiger des Erblassers
145 RGZ 95, 325; RG JW 1910, 846; RG JW 1919, 42 (43); RG HRR 1929 Nr. 1831; BGH NJW 1985, 51 (52); BGH NJW 1963, 1541; BGH NJW 1963, 1610 (1611); BGH WM 1965, 343 (345); BGH WM 1965, 1155; BGH LM § 1922 Nr 7; KG NJW 1961, 733; OLG Köln NJW-RR 1996, 1352; KG NJOZ 2003, 2609 (2610); MünchKommBGB/Ann § 2042 Rn 19; Soergel/ M. Wolf § 2042 BGB Rn 40. 146 So wohl MünchKommHGB/Thiessen Rn 65; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 41. 147 So auch MünchKommHGB/Thiessen Rn 65. 148 Staub/Hüffer4 Rn 40; MünchKommHGB/Thiessen Rn 66. Burgard
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also gem. § 2058 BGB jeden einzelnen Miterben als Gesamtschuldner in Höhe der gesamten Forderung auch mit seinem Eigenvermögen in Anspruch nehmen.149 Richtig daran ist, dass das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB nicht 102 mehr besteht. Im Blick auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB ist das jedoch zweifelhaft. Danach kann ein Nachlassgläubiger, selbst wenn ein Miterbe für Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet, nur mit dem Teil einer Forderung auf das Eigenvermögen des Miterben zugreifen, der dem ideellen Erbanteil des Miterben entspricht (also bei einer Forderung von 30.000 und einem ideellen Erbanteil von 1/3 nur in Höhe von 10.000).150 Diese Regelung ist ein Kompromiss zwischen der unbeschränkten Haftung und dem Grund der Regelung des § 2059 Abs. 1 S. 1 BGB, der darin besteht, dass der einzelne Miterbe vor der Teilung keine Verfügungsmacht über den Nachlass hat (§ 2040 BGB) und daher auf die Zustimmung der anderen Miterben angewiesen ist, wenn eine Nachlassverbindlichkeit aus dem Nachlass beglichen werden soll.151 In der Tat liegt hierin ein fundamentaler Unterschied zur Lage eines Alleinerben und ist daher auch im Rahmen der Haftung nach § 27 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 ein durchaus beachtlicher Gedanke. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die handelsrechtliche Regelung sei speziell, weil sich der Gesetzgeber ausweislich des Gesetzeswortlauts und der Gesetzesmaterialien über die mit einer Mehrheit von Erben zusammenhängenden Fragen keinerlei Gedanken gemacht hat. Vielmehr ließe sich aus diesem Grund eher das Umgekehrte behaupten. Auch ergäben sich vorliegend für die Geschäftsgläubiger des Erblassers keine unzumutbaren Nachteile, da ihnen als Haftungsmasse zum einen der ungeteilte Nachlass zur Verfügung steht (§ 2059 Abs. 2 BGB). Zum anderen können sie alle Miterben als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen und damit, wenn alle Miterben unbeschränkt haften, auf das Privatvermögen aller Miterben zugreifen. Diese hafteten zwar jeweils nur anteilig, insgesamt aber in voller Höhe der Forderung. Allerdings trägt der Nachlassgläubiger damit das Risiko, dass einer oder mehrere Miterben ausfallen. Das ist jedoch sachgerecht. Es ist nämlich gerade nicht einzusehen, warum mit der Anzahl der Miterben nicht nur die Anzahl der haftenden Vermögen, sondern auch der Umfang der dem Gläubiger zur Verfügung stehenden Haftungsmasse zunehmen soll. Das wäre nicht nur eine ganz und gar unverdiente Besserstellung gegenüber der Lage vor dem Erbfall, sondern auch eine ganz und gar unverdiente Besserstellung gegenüber der Lage bei einem Alleinerben, dessen Insolvenzrisiko der Altgläubiger ja auch tragen muss. Außerdem erscheint die Anwendung von § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB zum Schutz der Miterben erforderlich; denn warum sollen sie hinsichtlich der Geschäftsschulden des Erblassers das Risiko tragen, das einzelne Miterben ausfallen oder ihre Haftung nach § 25 Abs. 2 beschränken. So gesehen liegt eine Anwendung von § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB sogar im Interesse der Gläubiger, weil andernfalls das Risiko von Mit- gegenüber von Alleinerben (über-)proportional größer wäre, was sie – entsprechende Kenntnis vorausgesetzt – erst Recht dazu bewegen müsste, von einer der Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten des § 27 Gebrauch zu machen. Schließlich sei an den eingangs genannten Grundgedanken erinnert (Rn 93), wonach bei einer Erbenmehrheit nach Möglichkeit weder die Geschäftsgläubiger des Erblassers noch die Miterben besser oder schlechter stehen dürfen als wenn das Geschäft an einen Alleinerben gefallen wäre. Nach allem bleibt § 2059 Abs. 1 S. 2 BGB anwendbar.
V. Die Haftung bei Erwerb des Unternehmens im Rahmen der Auseinandersetzung Ein Erwerb durch Rechtsgeschäft unter Lebenden liegt vor, wenn einer der Miterben das 103 Handelsgeschäft auf Grund des Auseinandersetzungsvertrags erwirbt (vgl. § 25 Rn 51). § 25 ist 149 Staub/Hüffer4 Rn 37; Hopt/Merkt Rn 4 aE; GKzHGB/Steitz Rn 20. 150 Prot. V, 515, 516; Erman/Bayer § 2059 BGB Rn 4; MünchKommBGB/Ann § 2059 Rn 16; BeckOK BGB/Lohmann § 2059 Rn 5; Soergel/M. Wolf § 2059 BGB Rn 7; Staudinger/Marotzke § 2059 BGB Rn 5. 151 Prot. V, 871, 874; MünchKommBGB/Ann § 2059 Rn 2 f mwN. 323
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also auf die Haftung des erwerbenden Miterben unmittelbar anwendbar.152 Der in seinem Erwerb liegende Wechsel des Unternehmensträgers ist zudem eine Einstellung der Geschäftsfortführung i.S.d. § 27 Abs. 2 (s.o. Rn 65).153 Eine Vereinbarung und Kundmachung i.S.d. § 25 Abs. 2 zugunsten des erwerbenden Miterben ist möglich. Wenn ein Miterbe als Erwerber gem. § 25 Abs. 1. S. 1 haftet, kommt den anderen Erben § 26 zugute, befreit sie aber nicht von ihrer im Innenverhältnis etwa übernommenen Pflicht.
G. Andere erbrechtliche Gestaltungen I. Zuwendung des Handelsgeschäfts durch Vermächtnis 1. Die Rechtsstellung des Vermächtnisnehmers 104 Der Erwerb des Handelsgeschäfts aufgrund eines Vermächtnisses ist ein Erwerb unter Lebenden, weil er auf einem Vertrag zwischen dem Vermächtnisnehmer und dem oder den Erben beruht. Von Todes wegen erwirbt der Begünstigte nur die Vermächtnisforderung (§ 2174 BGB).154 Weil ein Erwerb unter Lebenden vorliegt, findet § 25 auf den Vermächtnisnehmer unmittelbar Anwendung (§ 25 Rn 51). Mithin kann er auch eine Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 mit den Erben schließen. Zudem kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen die im Geschäftsbetrieb entstandenen Schulden oder Forderungen dem Erben zuweisen. Diese Verfügung erlangt ebenfalls in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 durch Kundmachung Außenwirkung.155 105 Bei Fortführung des Unternehmens ohne die bisherige Firma haftet der Vermächtnisnehmer den Altgläubigern nur aus besonderem Verpflichtungsgrund nach § 25 Abs. 3. Einen solchen Verpflichtungsgrund kann eine Verfügung des Erblassers nicht schaffen.156 Die Verfügung kann den Vermächtnisnehmer nur im Verhältnis zu den Erben verpflichten, die Geschäftsverbindlichkeiten zu tilgen, nicht aber den Gläubigern unmittelbar einen Anspruch gegen den Vermächtnisnehmer geben. Überdies ist an eine analoge Anwendung von § 2166 BGB zu denken (s.u. Rn 106).
2. Die Rechtsstellung des Erben 106 Der Erbe wird ungeachtet seiner Verpflichtung aus dem Vermächtnis Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und damit von Todes wegen Inhaber des Unternehmens. Auf ihn ist daher § 27 anzuwenden. Allerdings liegt in der Übertragung des Unternehmens auf den Vermächtnisnehmer innerhalb der Dreimonatsfrist des § 27 Abs. 2 eine Einstellung der Geschäftsfortführung. Das gilt auch dann, wenn der Vermächtnisnehmer seine Haftung für die Altverbindlichkeiten auf den von § 25 eröffneten Wegen ausschließt. Das führt freilich im Ausgangspunkt zu dem Ergebnis, dass der Vermächtnisnehmer für Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers nicht haftet, und die Haftung der Erben auf den Nachlass beschränkbar ist, obwohl dieser nun um das
152 RGZ 149, 25 (27); RGZ 154, 334 (336 f). 153 AA Staub/Hüffer4 Rn 41. 154 Ausnahme ist die dingliche Wirkung des dem alleinigen Vorerben zugewandten Vorausvermächtnisses, dazu BGHZ 32, 60 (61 f); ebs. Fröhler BWNotZ 2005, 1; aA (nur obligatorische Verpflichtung) Staudinger/Otte § 2150 BGB Rn 4 ff. Zur Rechtsnatur des Vorausvermächtnisses s. auch Sonntag ZEV 1996, 450. 155 Staub/Hüffer4 Rn 43. 156 Staub/Hüffer4 Rn 44. Burgard
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§ 27
Unternehmen geschmälert ist.157 Das ist freilich kein Grund, die Übertragung des Unternehmens auf den Vermächtnisnehmer nicht als Einstellung i.S.d. 27 Abs. 2 zu bewerten,158 weil eben der Nachlass um das Unternehmen geschmälert ist und der Erbe es daher gerade nicht fortführt. Zudem sind die Nachlassgläubiger dadurch in gewissem Maße geschützt, dass ein Vermächtnisnehmer hinter anderen Nachlassgläubigern zurücksteht, §§ 1980 Abs. 1 S. 3, 1992, 2318 BGB, §§ 322, 327, 328 InsO, § 5 AnfG. Ferner wäre es nicht sachgerecht, dem Vermächtnisnehmer die Möglichkeit des Haftungsausschlusses zu nehmen; denn damit stünde er schlechter als ein Erbe, dessen Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten des Erblassers immerhin auf den Nachlass beschränkbar ist. Schließt der Vermächtnisnehmer seine Haftung nach § 25 aus, ist jedoch zu überlegen, § 2166 BGB mit der Folge analog anzuwenden, dass der Vermächtnisnehmer dem Erben gegenüber zur rechtzeitigen Befriedigung der Geschäftsgläubiger des Erblassers insoweit verpflichtet ist, als die Schulden durch den Wert des Unternehmens gedeckt sind.
II. Zuwendung des Handelsgeschäfts durch Schenkung von Todes wegen Der Erwerb des Unternehmens aufgrund einer Schenkung von Todes wegen ist ebenfalls ein 107 Erwerb unter Lebenden. Die Rechtsstellung des Beschenkten richtet sich also unmittelbar nach § 25. Das versteht sich von selbst, wenn die Schenkung noch unter Lebenden vollzogen wird (§ 2301 Abs. 2 BGB), gilt aber auch bei einem noch nicht vollzogenen Schenkungsversprechen (§ 2301 Abs. 1 BGB), weil es für den Versprechensgläubiger nur eine vermächtnisähnliche, auf Verschaffung des Unternehmens gerichtete Forderung begründet und der Erwerbstatbestand erst im Vollzugsgeschäft mit den Erben liegt.159 In diesem Fall stellt sich das vorstehende Problem (Rn 106) mithin in gleicher Weise.
157 Hierbei handelt es sich auch nicht, wie MünchKommHGB/Lieb2 Rn 30 meint, um ein Scheinproblem; denn selbst wenn keine Vereinbarung i.S.d. § 25 Abs. 2 zustande kommt (s. hierzu aber § 25 Rn 125 f), dann kann der Vermächtnisnehmer seine Haftung gleichwohl ausschließen, indem er die Firma des Erblassers nicht fortführt. 158 So aber Staub/Hüffer4 Rn 45. 159 Staub/Hüffer4 Rn 46. 325
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§ 28 1 Tritt jemand als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns ein, so haftet die Gesellschaft, auch wenn sie die frühere Firma nicht fortführt, für alle im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers. 2Die in dem Betriebe begründeten Forderungen gelten den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen. (2) Eine abweichende Vereinbarung ist einem Dritten gegenüber nur wirksam, wenn sie in das Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden ist. (3) 1Wird der frühere Geschäftsinhaber Kommanditist und haftet die Gesellschaft für die im Betrieb seines Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten, so ist für die Begrenzung seiner Haftung § 26 entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, daß die in § 26 Abs. 1 bestimmte Frist mit dem Ende des Tages beginnt, an dem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. 2Dies gilt auch, wenn er in der Gesellschaft oder einem ihr als Gesellschafter angehörenden Unternehmen geschäftsführend tätig wird. 3Seine Haftung als Kommanditist bleibt unberührt.
(1)
Schrifttum Abram Begrenzbare Haftung des Neu-Gesellschafters einer GbR für Alt-Verbindlichkeiten aus beruflicher Pflichtverletzung?, DZWIR 2005, 491; Dötsch Haftung eines neu in die BGB-Gesellschaft eintretenden Rechtsanwalts für Altschulden, ZMR 2007, 117; Eckart/Fest Die entsprechende Anwendung des § 28 HGB auf die Entstehung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, WM 2007, 196; Fenyves Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis, 1982; Grunewald Die Haftung der Gesellschafter einer GbR für Altverbindlichkeiten einer eingebrachten Anwaltskanzlei, JZ 2004, 683; Hannes, von Oertzen ZEV-Report Gesellschaftsrecht/ Unternehmensnachfolge, ZEV 2012, 142; Honsell/Harrer Die Haftung für Altschulden nach §§ 28, 130 HGB bei arglistiger Täuschung, ZIP 1983, 259; J. D. Lange Beratungsprobleme beim Eintritt eines Arztes in eine Einzelpraxis oder bei seiner Aufnahme in eine Gemeinschaftspraxis (Teil 1), ZMGR 2003, 18; Lieb Die Haftung für Altschulden bei „Eintritt“ eines Gesellschafters in ein nicht- oder minderkaufmännisches Unternehmen, Festschrift H. Westermann, 1974, 309; Lindacher Akzessorische Gesellschafterhaftung bei Gesellschaftsschulden nach § 28 HGB, NJG 2002, 113; Löhnig Haftung für die Altschulden des Sozius bei Neugründung einer Sozietät, JA 2004, 508; Möschel Das Außenverhältnis der fehlerhaften Gesellschaft, Festschrift Hefermehl, 1972, 171; Nitz Unternehmensnachfolge, BWNotZ 2004, 153; Perwein Vom Einzelunternehmen in die GmbH, GmbHR 2007, 1214; K. Schmidt Haftungsprobleme der „bürgerlich-rechtlichen Kommanditgesellschaft“, DB 1973, 653 (Teil I), 703 (Teil II); ders. Analoge Anwendung von § 28 HGB auf die Sachgründung freiberuflicher und gewerbetreibender BGB-Gesellschaften?, BB 2004, 785; ders. Haftung des Beitretenden in der GbR, JbFfSt 2004/2005, 316; ders. Die Sozietät als Sonderform der BGB-Gesellschaft, NJW 2005, 2801; Servatius Der Anfang vom Ende der unechten Vorgesellschaft?, NJW 2001, 1696; Vetter Altschuldenhaftung auf fehlerhafter Vertragsgrundlage, 1995; Wälzholz Die unbeschränkte Haftung eintretender Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, NotBZ 2003, 249; Waskönig Rechtsgrund und Tragweite der §§ 25, 28 HGB, Diss. Bonn 1979; Wiesner Die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft, 1988. S. ferner das Schrifttum zu §§ 25–27.
Übersicht 2.
A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III. 1.
Normzweck von § 28 Abs. 1 und 2 4 Vorbemerkung
1 3
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-015
3.
Meinungsstand 5 a) Gesetzgeber 6 b) Rechtsprechung c) Literatur 7 aa) Normzweck analog § 25 bb) Eigenständiger Normzweck 9 Stellungnahme 10 a) Normzweck analog § 25
8
326
§ 28
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
4. 5.
IV. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
b) Eigenständiger Normzweck 11 12 Eigene Auffassung Legitimation und rechtspolitische Bewer16 tung
8.
Anwendungsbereich 18 Fragestellungen 19 Einzelkaufmann 20 Nichtkaufmann 21 Gründung einer BGB-Gesellschaft 22 Gründung einer Kapitalgesellschaft 23 Eintritt in eine bestehende Gesellschaft Übertragung des Geschäfts einer Gesellschaft auf eine ganz oder teilweise personenidentische 24 andere Gesellschaft 25 „Eintretender“
B.
Der Gläubigerschutz nach § 28 Abs. 1 S. 1
I. 1.
Voraussetzungen Entstehung einer Gesellschaft a) Abschluss eines Gesellschaftsver26 trags 27 b) Fehlerhafte Gesellschaftsgründung 28 aa) Unwirksame Gesellschaft 30 bb) Auflösbare Gesellschaft 31 Bestehen eines Geschäfts 34 Einbringung des Geschäfts 35 Fortführung des Geschäfts 36 Einzelkaufmann und „Eintretender“ 37 Entbehrlichkeit der Firmenfortführung
2. 3. 4. 5. 6. II. 1. 2. 3.
Rechtsfolgen 38 Gesetzlicher Schuldbeitritt Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten des bis39 herigen Inhabers 40 Forthaftung des bisherigen Inhabers
41
4. 5. 6.
Haftung beitretender Gesellschafter 42 Haftung für Neuschulden 43 Schuldtitel
C.
Der Schuldnerschutz nach § 28 Abs. 1 44 S. 2
D.
Abweichende Vereinbarungen nach § 28 Abs. 2
I.
Bedeutung der Vorschrift
II.
Voraussetzungen und Rechtsfolgen
E.
Enthaftung nach § 28 Abs. 3
I.
Entstehungsgeschichte
II.
Normzweck
III.
Rechtspolitische Bewertung
IV.
Anwendungsbereich
V.
Voraussetzungen von § 28 Abs. 3
VI.
Rechtsfolgen von § 28 Abs. 3
45 47
50
52 54
55 58 59
VII. Analoge Anwendung bei Gründung einer Kapi63 talgesellschaft F.
Verhältnis zu anderen Vorschriften
I.
Grundsatz
64
II.
§ 613a BGB
65
A. Grundlagen I. Norminhalt § 28 betrifft den Fall des Zusammenschlusses eines Einzelkaufmanns unter Einbringung seines 1 Geschäfts als Sacheinlage mit einem Teilhaber zu einer Personenhandelsgesellschaft (OHG oder KG). Das Gesetz bezeichnet diesen Vorgang irreführenderweise als „Eintritt eines persönlich haftenden Gesellschafters oder Kommanditisten in das Geschäft eines Einzelkaufmanns“. Nach § 28 Abs. 1 S. 1 haftet die Gesellschaft für alle im Betrieb des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers (sog. Altverbindlichkeiten, dazu Rn 26 ff). § 28 Abs. 1 S. 2 vermutet zugunsten von Altschuldnern den Übergang der im Betrieb des bisherigen Geschäftsinhabers begründeten Forderungen (Altforderungen) auf die Gesellschaft (dazu Rn 44). § 28 Abs. 2 räumt privatautonomen Vereinbarungen Vorrang gegenüber den Bestimmungen des Abs. 1 mit Wirkung gegen Dritte ein, wenn die Vereinbarung in das Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder dem Dritten mitgeteilt worden ist (sog. Kundmachung, dazu Rn 45 ff). § 28 Abs. 3 schließlich regelt die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung des früheren Geschäftsinhabers, 327
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wenn dieser Kommanditist wird (dazu Rn 50 ff). In § 28 nicht geregelt ist die Haftung des oder der „Eintretenden“, also der Mitgesellschafter des früheren Geschäftsinhabers für Altverbindlichkeiten (dazu Rn 41). Ferner fehlt eine § 25 Abs. 3 entsprechende Vorschrift, was freilich unschädlich ist, weil diese Vorschrift ohnehin vornehmlich klarstellende Bedeutung hat (s. § 25 Rn 144). 2 § 28 ist den Vorschriften der §§ 25, 26 nachgebildet. Mag man sich auch über Sinn und Unsinn dieser Regelungen streiten (dazu Rn 4 ff), so ist dies doch wenigstens insofern konsequent, als sowohl § 25 als auch § 28 die Folgen eines Wechsels des Unternehmensträgers regeln. Zwar wurde versucht, § 28 als Regelung eines bloß teilweisen Inhaberwechsel zu begreifen.1 Diese Ansicht, die wohl auf Formulierungen der Denkschrift (s. Abs. 2 S. 6 der in Rn 5 zitierten Erwägungen) zurückgeht, ist jedoch nicht mit dem Entwicklungsstand vereinbar, den das Recht der Gesamthandsgesellschaft inzwischen erreicht hat. Danach sind nicht die Gesellschafter, sondern ist die Gesellschaft selbst Trägerin des Unternehmens. Der von § 28 vorausgesetzte „Eintritt“ eines Gesellschafters bewirkt daher ebenso wie im Falle des § 25 einen vollständigen Wechsel des Unternehmensträgers. Der Unterschied zwischen § 28 und § 25, der mit der Formel vom teilweisen Inhaberwechsel betont werden soll, liegt mithin allein in der Weiterbeteiligung des bisherigen Inhabers als Gesellschafter. Dieser Unterschied ist – zumindest nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (s. nochmals Abs. 2 S. 6 der in Rn 5 zitierten Erwägungen) – zugleich Hauptgrund, warum nach § 28 anders als nach § 25 eine Firmenfortführung nicht erforderlich ist. Während also das Bindeglied zwischen dem alten und dem neuen Unternehmensträger bei § 25 die Firma des bisherigen Geschäftsinhabers ist, ist es bei § 28 die Person des bisherigen Geschäftsinhabers. Die teilweise personelle Kontinuität im Falle des § 28 ersetzt damit die nach § 25 erforderliche Firmenkontinuität.2 Dieses Verständnis des in § 28 geregelten Tatbestands sorgt nicht nur für den dogmatischen Einklang der Haftungsvorschrift mit dem zutreffenden Verständnis der gesellschaftsrechtlichen Gesamthand, sondern hat vor allem Bedeutung für die Frage der Abgrenzung von § 25 und § 28 (dazu § 25 Rn 41) und für die – damit zusammenhängende – Frage der analogen Anwendung von § 28 (dazu Rn 18 ff).
II. Entstehungsgeschichte 3 § 28 hat kein Vorbild im ADHGB. Vielmehr wurde § 28 Abs. 1 und 2 als Ergänzung zu § 25 geschaffen, weil § 130 diesen Fall nicht erfasst (näher Rn 5). Insofern teilt § 28 Abs. 1 und 2 seine Entstehungsgeschichte mit § 25 (dort Rn 3 ff). § 28 Abs. 3 wurde durch das Nachhaftungsbegrenzungsgesetz (NachhBG)3 angefügt. Insofern ist hinsichtlich der Entstehungsgeschichte zunächst auf § 26 Rn 4 ff zu verweisen. Die normspezifischen Besonderheiten werden hier unter Rn 50 ff beschrieben.
III. Normzweck von § 28 Abs. 1 und 2 1. Vorbemerkung 4 Hinsichtlich des Normzwecks ist zwischen § 28 Abs. 1 und 2 einerseits und § 28 Abs. 3 andererseits zu unterscheiden. Der Normzweck von § 28 Abs. 3 wird im Zusammenhang mit dieser Vorschrift unter Rn 52 f erläutert. Hier ist zunächst nur auf den Normzweck von § 28 Abs. 1 und 2 einzugehen. Zwei Lager stehen sich gegenüber: Teils wird § 28 Abs. 1 und 2 als Parallelvorschrift 1 So etwa BGH NJW 1982, 577; aus dem Schrifttum bspw. Lieb FS H. Westermann, 1974, 309 (311 ff); Schlegelberger/ Hildebrandt/Steckhan Rn 1a.
2 MünchKommHGB/Thiessen Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2. 3 Gesetz zur zeitlichen Begrenzung der Nachhaftung von Gesellschaftern (Nachhaftungsbegrenzungsgesetz – NachhBG) v. 18.3.1994, BGBl. I, 560. Burgard
328
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zu § 25 verstanden. Die meisten Meinungen zum Normzweck von § 25 (s. dort Rn 10 ff) werden daher auch hier vertreten. Teils wird § 28 Abs. 1 und 2 als selbständige Norm angesehen, dessen Zweck unabhängig von § 25 zu bestimmen ist. Diese Kontroverse geht letztlich auf die Gesetzesbegründung zurück, die teils die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von § 25 und § 28 betont, teils davon unabhängige Erwägungen enthält.
2. Meinungsstand a) Gesetzgeber. Da die Gesetzesbegründung nicht nur Mittel, sondern ihrerseits Gegenstand 5 der Interpretation ist, wird sie hier im Wortlaut (ergänzt um Absatz- und Satznummern, um eine spätere Bezugnahme zu erleichtern) wiedergegeben: „[1] 1Das Handelsgesetzbuch enthält keine Bestimmungen darüber, inwiefern derjenige, welcher in das Geschäft eines Einzelkaufmanns als Gesellschafter eintritt, für die früheren Geschäftsschulden haftet. 2Der Art. 113 (§ 128 des Entwurfs) [= § 130 HGB] bezieht sich nur auf den Fall, dass in eine bereits bestehende Gesellschaft ein neuer Gesellschafter eintritt, und es wird allgemein angenommen, dass die Vorschrift dieses Artikels dann keine Anwendung findet, wenn erst durch den Eintritt eines Theilhabers eine Gesellschaft zu Stande kommt. 3In Wirklichkeit sind indessen die Verhältnisse in beiden Fällen so ähnlich, dass sich eine grundsätzlich verschiedene Behandlung sachlich nicht rechtfertigen läßt. 4Jedenfalls muß, nachdem im Entwurfe der Uebergang der Schulden und Forderungen im Falle der Uebertragung eines Handelsgeschäfts geordnet ist, auch der Fall der Einbringung eines bestehenden Handelsgeschäfts in die gleichzeitig errichtete Gesellschaft eine entsprechende Regelung erfahren. [2] 1Nach dem § 27 des Entwurfs [= § 28 HGB] soll in diesem Falle die Gesellschaft für alle im Betriebe des Geschäfts entstandenen Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers haften, woraus sich von selbst ergiebt, daß auch der eintretende Gesellschafter unbeschränkt oder, falls er Kommanditist wird, bis zum Betrage seiner Einlage haftbar ist. 2 Ingleichen sollen die in dem früheren Betriebe begründeten Forderungen den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen gelten. 3Der Eintritt dieser Rechtsfolgen ist nicht davon abhängig gemacht, dass die Firma des bisherigen Geschäftsinhabers von der Gesellschaft fortgeführt wird. 4Hierin gehen demnach die Vorschriften des § 27 [= § 28 HGB] weiter als diejenigen des § 24 [= § 25 HGB]. 5Die thatsächlichen Verhältnisse rechtfertigen dies zur Genüge. 6Wenn der frühere Geschäftsinhaber selbst das Geschäft als Theilhaber weiterbetreibt, so wird selbst bei Annahme einer neuen Firma die Absicht der Parteien kaum jemals auf eine Trennung der alten und der neuen Geschäftsschulden und Forderungen mit Wirkung nach außen gerichtet sein. 7Eine solche Scheidung würde stets zu Schwierigkeiten und Verwickelungen führen. 8Das Naturgemäße ist, daß die Gesellschaft im Betriebe des Geschäfts die alten Schulden berichtigt und die früher entstandenen Forderungen einzieht. 9Die Gläubiger des bisherigen Einzelkaufmanns dürfen voraussetzen, daß sie sich an das Gesellschaftsvermögen halten können. 10Dazu kommt, daß die Annahme einer neuen Firma hier an sich weniger geeignet ist, die Betheiligten auf einen Wechsel des Trägers der Verbindlichkeiten und Forderungen hinzuweisen; denn als neue Firma muß schon der Name des bisherigen Inhabers mit einem ein Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatze gelten. [3] 1Die Befugnis, durch eine Eintragung in das Handelsregister oder durch eine Mittheilung an die einzelnen Gläubiger oder Schuldner die Haftung für die Schulden und den Uebergang der Forderungen auszuschließen, gewährt der Entwurf in Uebereinstimmung mit der Vorschrift des § 24 [= § 25 HGB] hier gleichfalls. 2Den Uebergang der Schulden und Forderungen zu einer unbedingt zwingenden Folge des Eintritts eines Gesellschafters in das Geschäft eines Einzelkaufmanns zu machen, ist nicht nothwendig. 3Die Vorschrift des § 128 (Art. 113 des Handelsgesetzbuchs) [= § 130 HGB] geht allerdings weiter. 4Dort liegt aber der Schwerpunkt der Frage nicht darin, welche Schulden als Gesellschaftsschulden anzusehen sind, sondern darin, inwieweit die Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden haften.“4
b) Rechtsprechung. Das Reichsgericht stellte zunächst den Gedanken des Haftungsfonds 6 in den Vordergrund.5 In einer späteren Entscheidung begründete es die Haftung der Gesellschaft 4 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 38 f = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 980 f.
5 RGZ 142, 98. 329
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zudem unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung mit der Erwägung, die Berichtigung der bereits entstandenen Verbindlichkeiten durch die Gesellschaft sei das Naturgemäße.6 Der Bundesgerichtshof führte diese Rechtsprechung nur teilweise fort. Einerseits stellt er ebenfalls auf den Haftungsfondsgedanken ab: Da den Gläubigern weder ein Kaufpreis noch das nunmehr gesamthänderisch gebundene Vermögen des ehemaligen Einzelkaufmanns als Befriedigungsobjekt zur Verfügung stünde, müsse § 28 den Altgläubigern den Zugriff auf dieses Vermögen ermöglichen.7 Andererseits hebt er – insoweit wiederum in Anschluss an die Gesetzesbegründung – die Parallele mit § 130 hervor: Für die Haftung des Gesellschafters dürfe es keinen Unterschied machen, ob der Gesellschafter in eine bestehende Gesellschaft eintrete oder ob die Gesellschaft erst durch sein Hinzutreten entstehe.8 Den Rechtsscheingedanken hielt das Gericht dagegen – anders als bei § 25 (s. dort Rn 10) – nicht für maßgeblich.9
c) Literatur 7 aa) Normzweck analog § 25. Einerseits finden sich in der Literatur die im Rahmen von § 25 entwickelten Auffassungen wieder. So begründen Hildebrandt/Steckhan die Haftung mit dem Rechtsscheingedanken. Durch das Verbleiben des bisherigen Alleininhabers in dem Unternehmen werde der Eindruck erweckt, es habe sich in dem Unternehmen nichts geändert.10 Ähnlich hält Merkt die Kontinuität des Unternehmens nach außen durch Fortführung des Handelsgeschäfts für maßgeblich.11 Nach Schricker liegt wie bei § 25 ein kombiniertes Vermögensübernahme- und Verkehrsschutzprinzip der Haftung zugrunde, die äußerlich durch die personelle Kontinuität indiziert werde.12 Zimmer erblickt den Rechtsgrund der Haftung wie bei § 25 in der Notwendigkeit, einer typischerweise intern vereinbarten Schuldübernahme Außenwirkung zu verleihen.13 Hüffer zufolge dient § 28 ebenso wie § 25 dem Schutz der Verkehrserwartung, wonach eigene Forderungen von dem neuen Unternehmensträger erfüllt und eigene Schulden durch Leistung an diesen mit Wirkung gegenüber dem bisherigen Inhaber beglichen werden könnten. Auch hier sei der Verkehrsschutz notwendig, weil die Übernahme des Unternehmens mit Aktiven und Passiven zwar das Übliche, aber eben nicht zwingend sei.14 Andere haben diesen Ansatz aufgegriffen und betonen, es ginge um die Vermeidung von Reibungsverlusten bei der Übertragung des Handelsgewerbes15 und – in Ansehung von Abs. 2 – die Befriedigung des Informationsinteresses der Gläubiger und Schuldner.16 Nach Karsten Schmidt liegen den §§ 25, 28 Elemente eines einheitlichen Konzepts der Haftungskontinuität beim Wechsel des Unternehmensträgers zugrunde.17 Sie erzeugten diejenigen Rechtsfolgen, die ipso iure gelten würden, wenn das Unternehmen rechtsfähig wäre. Johannes W. Flume schließlich hält § 28 ebenfalls für einen Anwendungsfall partieller Universalsukzession.18
6 RGZ 164, 115 (120). 7 BGH NJW 1966, 1917 (1919) = WM 1966, 832 (834). 8 BGH NJW 1966, 1917 (1918) = WM 1966, 832 (834). 9 BGH NJW 1961, 1765 (1766). 10 Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 1a. 11 Hopt/Merkt Rn 1. 12 Schricker ZGR 1972, 121 (151). 13 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer2 Rn 12; ebs. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 12. 14 Staub/Hüffer4 Rn 5; ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. 15 Casper Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1999, 153 (167 ff). 16 Pahl Haftungsrechtliche Fragen versäumter Handelsregistereintragungen, 1987, 223 ff; Huber FS Raisch, 1995, 85 (89 f).
17 K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 32 ff. 18 Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 2008, 133 ff. Burgard
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bb) Eigenständiger Normzweck. Andererseits finden sich Literaturstimmen, die § 28 einen 8 eigenständigen, von § 25 unabhängigen Normzweck verleihen. Aufgegriffen wird zum einen die in der Gesetzesbegründung angesprochene Parallele zu § 130. § 28 ist danach ein Fall antizipierter Gesellschafterhaftung.19 Zum anderen wird die Haftungsfondstheorie gleichsam vollstreckungsrechtlich untermauert. Namentlich Lieb hat die Auffassung entwickelt, § 28 sei zur Vermeidung einer haftungs- und vollstreckungsrechtlichen Benachteiligung der Altgläubiger erforderlich.20 Zwar könnten die Altgläubiger auch in den Gesellschaftsanteil des früheren Einzelkaufmanns vollstrecken. Dies führe jedoch infolge der erforderlichen Kündigung (§ 135) zum einen wenigstens zum Ausscheiden des früheren Einzelkaufmanns aus der eben gegründeten Gesellschaft und würde zum anderen den Gläubigern deswegen nicht einmal ausreichend Sicherheit bieten, weil als Auseinandersetzungsguthaben gem. § 105 Abs. 2, §§ 733 ff BGB nur das zur Verfügung stehe, was nach Befriedigung der neuen Gesellschaftsgläubiger übrig bleibe. Zuzugeben sei allerdings, dass der Gesetzgeber diesen wahren Gesetzeszweck nicht gesehen habe; denn andernfalls hätte er den Haftungsausschluss gem. § 28 Abs. 2 nicht zugelassen. Dies könne jedoch die richtige Erkenntnis nicht verhindern: Sinnwidrig sei nicht die Haftungsanordnung des § 28 Abs. 1, sondern allein der Haftungsausschluss gem. § 28 Abs. 2.21 Schließlich wurde und wird die Auffassung vertreten, § 28 habe keinen vernünftigen Sinn.22
3. Stellungnahme Hinzuweisen ist zunächst noch einmal darauf, dass die meisten der vorgenannten Ansichten 9 fälschlicherweise nach dem Rechtsgrund der Haftung und nicht nach dem Zweck des Gesetzes fragen (s. § 25 Rn 17). Schon aus diesem Grund vermögen sie nicht zu überzeugen und konnten sich daher bislang auch nicht durchsetzen; denn die falsche Fragestellung führt notwendigerweise zu Antworten, die sich vielerlei Einwänden ausgesetzt sehen. Im Einzelnen:
a) Normzweck analog § 25. Gegen die Haftungsfondstheorie spricht, dass das Gesetz keine 10 Haftungsbeschränkung auf das übernommene Vermögen vorsieht und dass sie die Möglichkeit abweichender Parteivereinbarung nicht schlüssig zu erklären vermag.23 Auch die Anreicherung dieses Gedankens mit Verkehrsschutzgesichtspunkten kann diese Mängel nicht ausgleichen. Die Rechtsscheintheorie scheitert auch vorliegend daran, dass regelmäßig eine Vertrauensdisposition fehlt.24 Die Unternehmenskontinuität ist nicht Grund, sondern nur eine von mehreren Voraussetzungen der Haftung und ist zudem nur eingeschränkt erforderlich (s. Rn 35). Die Erstreckung typischer interner Vereinbarungen auf das Außenverhältnis, wie sie auch in der Gesetzesbegründung anklingt (Abs. 2 S. 5 bis 9 der in Rn 5 zitierten Begründung), ist ebenso wie im Falle des § 25 dem Fiktionseinwand ausgesetzt.25 Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Folge einer 19 Säcker ZGR 1973, 261 (280). 20 Lieb FS H. Westermann, 1974, 309 (315 f); MünchKommHGB/Lieb2 Rn 3 f; dahingehend schon BGH NJW 1966, 1917 (1919); Lieb folgend Möschel FS Hefermehl, 1976, 171 (182); Lindacher NZG 2002, 113 (114); auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; ähnlich Beuthien NJW 1993, 1740 f; mit Einschränkungen ferner Canaris Handelsrecht § 7 Rn 83 ff. 21 Hinsichtlich der Streichung von Abs. 2 ebenso K. Schmidt ZHR 145 (1981), 1 (25); Staub/Hüffer4 Rn 6, § 25 Rn 31; dezidiert aA Canaris ZIP 1989, 1161 (1167); ders. Handelsrecht § 7 Rn 84; Säcker ZGR 1973, 261 (280) fordert sogar eine Anpassung der §§ 130, 173 an § 28 Abs. 2. 22 Resignierend Rob. Fischer LM § 28 HGB Nr. 3 a.E.: „vernünftiger Sachgrund … nicht ersichtlich“; früher ebenso Canaris Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 187; ähnlich in jüngster Zeit Kindler JZ 2006, 176 (179 f). 23 Ablehnend auch Staub/Hüffer4 Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Vor §§ 25–28 Rn 5. 24 Ablehnend auch Staub/Hüffer4 Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; GKzHGB/Steitz Rn 2; K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 30. 25 Ablehnend auch Staub/Hüffer4 Rn 4. 331
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intern vereinbarten Schuldübernahme durch die Gesellschaft ist, dass gem. § 128 auch der „eintretende“ Gesellschafter für die Altverbindlichkeiten haften muss (vgl. u. Rn 41). Welches Interesse, so ist zu fragen, sollte er an einer solchen Vereinbarung haben? Die von der Gesetzesbegründung angeführten „Schwierigkeiten und Verwickelungen“ betreffen doch wohl mehr die Altgläubiger und -schuldner, weniger die Gesellschaft oder deren Gesellschafter. Und die personelle Kontinuität, die Zimmer als Vorteil herausstellt, kann sich die Gesellschaft auch ohne die Vereinbarung einer Schuldübernahme zunutze machen. Ebenso wenig überzeugt sein Argument, durch eine Schuldübernahme könne die Gesellschaft die Gefahr ihrer Zerschlagung infolge einer Zwangsvollstreckung in den Anteil des bisherigen Inhabers vermeiden. Im Gegenteil! Verfügt die Gesellschaft nämlich nicht über die Mittel, die Altgläubiger des bisherigen Inhabers zu befriedigen, so droht die Insolvenz. Ist die Gesellschaft oder ein Gesellschafter dagegen willens und in der Lage die Altgläubiger zu befriedigen, dann steht solch edlem Tun auch ohne vorherige Schuldübernahme kein Rechtsgrund entgegen.26 Das Konzept der Haftungskontinuität setzt seine Vereinbarkeit mit § 25 und § 28 voraus. Es ist indes schon mit § 25 unvereinbar (s. dort Rn 20 sowie Rn 34) und entspricht – eingestandenermaßen – auch nicht § 28 Abs. 2. Zudem sind beide Vorschriften nicht als Kompensation der fehlenden Rechtsfähigkeit von Unternehmen konzipiert. Schließlich hat Karsten Schmidt bisher keinen Grund für seine These angegeben, weswegen eine Haftung des jeweiligen Unternehmensträgers für die Schulden des Unternehmens wünschenswert sei.27 Was schließlich das Konzept von Johannes W. Flume anbelangt, so ist es zwar bemerkenswert. Es entspricht aber nicht dem geltenden Recht (s. § 25 Rn 21).
11 b) Eigenständiger Normzweck. Zunächst ist festzuhalten, dass § 28 Abs. 1 und 2 zwar ersichtlich § 25 Abs. 1 und 2 nachgebildet ist. Das hindert die Annahme eines – zumindest partiell – eigenständigen Normzwecks jedoch nicht, wie auch die Gesetzesbegründung verdeutlicht. Die insoweit angestellten Überlegungen überzeugen freilich ebenfalls nicht. Die Parallele zu § 130 mit dem Gedanken einer antizipierten Gesellschafterhaftung28 ist schon deswegen abzulehnen, weil § 28 nur die Haftung der Gesellschaft und gerade nicht die Haftung des „eintretenden“ Gesellschafters regelt. Dessen Haftung ist daher keineswegs einhellig anerkannt und beruht nach herrschender Meinung auf § 128 und nicht – wie nach dieser Ansicht zu erwarten wäre – auf § 130 (s. Rn 41). Und dass § 28 (lediglich) die Haftung des neuen Unternehmensträgers regelt, ist immerhin insofern folgerichtig, als diese Vorschrift ebenso wie §§ 25, 27 gerade an den Wechsel des Unternehmensträgers anknüpft.29 Ebenso wenig ist die Vermeidung einer haftungs- und vollstreckungsrechtlichen Benachteiligung der Altgläubiger als Zweck von § 28 anzusehen. Vielmehr ist dies allenfalls eine Wirkung von § 28 Abs. 1 S. 1. Das zeigt sich schon daran, dass diese Norm gem. § 28 Abs. 2 dispositiv ist.30 Dementsprechend konzediert Lieb, dass seine Ansicht mit § 28 Abs. 2 unvereinbar ist.31 Vermag seine Ansicht aber nur einen Teil der Norm zu erklären, so hat sie allenfalls rechtspolitische Bedeutung.32 Zudem hat Canaris zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass dieser Normzweck kaum mit dem Gerechtigkeitsgebot vereinbar ist.33 Wenn nämlich § 28 Abs. 1 S. 1 der Vermeidung einer Benachteiligung von Altgläubigern diente, wie wäre dann deren Privilegierung gegenüber Privatgläubigern des bisherigen Inhabers
26 Das gilt nach hM gem. § 268 BGB selbst noch nach der Kündigung durch einen Gläubiger, s. Staub/Schäfer § 135 Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lorz § 135 Rn 21 jeweils mwN. 27 Ablehnend auch Staub/Hüffer4 Rn 4; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 13 f mwN. 28 BGH NJW 1966, 1917; Säcker ZGR 1973, 261 (280). 29 Ablehnend auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; vgl. auch MünchKommHGB/Thiessen Rn 11. 30 Huber FS Raisch, 1995, 85 (101). 31 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 3 f; aA Canaris Handelsrecht § 7 Rn 84, der jedoch offenbar nicht hinreichend zwischen der Wirkung und dem Zweck einer Norm unterscheidet. 32 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 33 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 85 f. Burgard
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zu rechtfertigen? Letztlich können diese Fragen jedoch offen bleiben, denn angesichts von §§ 733 Abs. 2, 735 BGB ist nämlich schon zweifelhaft, ob es ohne § 28 Abs. 1 S. 1 überhaupt zu einer Benachteiligung von Altgläubigern käme.34 Auch diese Ansicht ist mithin abzulehnen.35
4. Eigene Auffassung All das bedeutet freilich nicht, dass § 28 Abs. 1 und 2 keinen vernünftigen Sinn hätte. Vielmehr handelt es sich – ebenso wie bei § 25 (dort Rn 31) – um ganz pragmatische, auf die Verkehrserwartungen abgestimmte Vorschriften ohne dogmatischen Hintergrund, die unter Wahrung der Privatautonomie der Parteien der Schaffung von Rechtssicherheit und der Publizität der Haftungsverhältnisse im Interesse des Gläubiger- und Schuldnerschutzes dienen.36 Das entspricht im Ergebnis weitgehend der bereits in der 4 Aufl. von Hüffer begründeten (§ 25 Rn 19 f, 26 ff, § 26 Rn 5 f) und von anderen Autoren37 fortgeführten Ansicht und ist bei § 25 ausführlich dargelegt worden (dort Rn 22 ff). Im Blick auf die Besonderheiten von § 28 erscheinen hier lediglich drei ergänzende Bemerkungen erforderlich: Auch in den Fällen des § 28 geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Verkehrserwartung besteht, wonach Altgläubiger sich an das Gesellschaftsvermögen halten und Altschuldner mit befreiender Wirkung an die Gesellschaft leisten können (Abs. 2 S. 8 und 9 der in Rn 5 zitierten Begründung). Dabei begründet der Gesetzgeber das Bestehen dieser Verkehrserwartung vor allem mit der Annahme, die Gesellschafter würden typischerweise entsprechende Vereinbarungen treffen (Abs. 2 S. 6 und 7 der Begründung). Darüber hinaus kann man den Hinweis auf die Parallele zu § 130 (Abs. 1 S. 2 und 3 der Begründung) und zu § 25 (Abs. 1 S. 4 der Begründung) so verstehen, dass die genannte Verkehrserwartung auch aus anderweitigen Rechtsgründen als berechtigt erscheint. Anders gewendet zeigt die Diskussion über den Zweck bzw. den Rechtsgrund insbes. der Haftung nach § 28 Abs. 1 S. 1, dass sich viele Gründe für eine dahingehende Verkehrserwartung anführen lassen, und zwar unabhängig davon, ob diese Gründe rechtlich oder tatsächlich zutreffen oder nicht; denn für das Bestehen einer Verkehrserwartung spielt ihre Berechtigung gerade keine Rolle. Wäre nämlich die Verkehrserwartung stets berechtigt, bedürfte es keiner gesetzlichen Regel, die die Altgläubiger und -schuldner vor den Folgen einer falschen Erwartung schützen soll. Ebenso wie im Falle des § 25 entsteht also auch im Falle des § 28 durch den Wechsel des Unternehmensträgers im Blick auf die Haftung für Altverbindlichkeiten und die Erfüllung von Altforderungen eine Ungewissheit – nämlich darüber, ob die genannte Verkehrserwartung im Einzelfall zutrifft oder nicht – die das Gesetz im Interesse der Rechtssicherheit und zum Schutz der Altgläubiger und -schuldner zu beseitigen sucht. Die zur Gewährleistung des danach erforderlichen Verkehrsschutzes eingesetzten Mittel sind, ebenso wie bei § 25 Abs. 1 und 2, einerseits eine dispositive gesetzliche Haftung für Altverbindlichkeiten (§ 28 Abs. 1 S. 1) und eine widerlegliche gesetzliche Vermutung des Übergangs der Altforderungen (§ 28 Abs. 1 S. 2) sowie andererseits die Kundmachung anderweitiger Parteivereinbarungen (§ 28 Abs. 2), also Publizität. Damit ist es Aufgabe der Gesellschaft, klare Verhältnisse zu schaffen, wenn sie die Rechtsbeziehungen des bisherigen Inhabers nicht fortsetzen will, und nicht Sache der Altgläubiger und -schuldner, den Inhalt des Gesellschaftsvertrags zu erforschen. Allerdings ist ein wesentlicher Unterschied zwischen § 25 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 zu vermerken. Während das Gesetz dort die Fortführung der Firma verlangt, verzichtet es hier auf dieses Tatbestandsmerkmal. Historisch lässt sich dies zum einen damit erklären, dass sich der Gesetz34 Näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 35 Ablehnend auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; U. Huber FS Raisch, 1995, 85 (101).
36 Im Anschluss ebs. BeckOK HGB/Bömeke Rn. 2. 37 S. § 25 Rn 13 sowie o. Fn 15, 16. 333
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geber im Falle des § 28 anders als bei § 25 nicht an die vorherige Gerichtspraxis des RHOG und RG sowie die Erkenntnisse der Rechtswissenschaft gebunden fühlte, weswegen § 28 auch keine § 25 Abs. 3 entsprechende Vorschrift enthält (vgl. § 25 Rn 26). Zum anderen meinte der Gesetzgeber, dass die Beibehaltung38 der Firma hier als Publizitätsmittel ausscheide, weil als neue Firma schon der Name des bisherigen Inhabers mit einem ein Gesellschaftsverhältnis andeutenden Zusatze gelten müsse (vgl. Abs. 2 S. 10 der Begründung). Das entspricht zwar nicht dem heutigen Erkenntnisstand (s. § 25 Rn 71 f). Richtig ist aber, dass § 28 oft nicht eingreifen würde, wollte man die Fortführung der Firma verlangen, denn mit der Gründung einer Gesellschaft durch Zusammenschluss mit einem Teilhaber geht häufig eine das Merkmal der Firmenfortführung ausschließende Veränderung der Firma einher.39 Schließlich und vor allem hielt der Gesetzgeber die teilweise personelle Kontinuität für ein noch stärkeres Indiz als die Firmenkontinuität (vgl. Abs. 2 S. 6 der bei § 25 Rn 9 zitierten Gesetzesbegründung zu § 25) für den Willen der Parteien, in die Geschäftsbeziehungen des früheren Geschäftsinhabers einzutreten. Deswegen sei es das „Naturgemäße“, dass die Gesellschaft die Altverbindlichkeiten erfülle und die Altforderungen einziehe (s. Abs. 2 S. 5 bis 9 der in Rn 5 zitierten Begründung). Auch diese Anschauung ist lebensnah und begegnet keinen Bedenken.40
5. Legitimation und rechtspolitische Bewertung 16 Ebenso wie § 25 (dort Rn 28 ff) ist § 28 durch die Anliegen des Gesetzgebers gerechtfertigt: Schaffung von Rechtssicherheit, Gläubiger- und Schuldnerschutz, Wahrung der Privatautonomie und Publizität der Haftungsverhältnisse sind samt und sonders legitime Gesetzeszwecke, die § 28 mit vielen anderen Vorschriften teilt. Die Legitimation der Regelung kann daher nicht ernstlich bezweifelt werden. Das wird auch deutlich, wenn man sich die rechtspolitischen Alternativen vor Augen führt. Eine Abschaffung von § 28 Abs. 1 S. 1 hätte zwar wohl keine vollstreckungsrechtliche Be17 nachteiligung für die Altgläubiger zur Folge (s. Rn 11 aE), wohl aber eine vollstreckungsrechtliche Erschwernis. Außerdem würde dies zu Rechtsunsicherheit führen, die nur durch eine generelle Publizität der Parteivereinbarungen behoben werden könnte.41 Schließlich ist § 28 Abs. 1 S. 1 weit weniger als „Haftungsfalle“ geeignet als § 25 Abs. 1 S. 1; denn dass die Gesellschaft für Altverbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers einstehen muss, ist auch für rechtliche Laien erheblich naheliegender als die Haftung nach § 25 Abs. 1 S. 1. Eine Abschaffung von § 28 Abs. 1 S. 1 erscheint daher weder erforderlich noch wünschenswert. Und die Sinnhaftigkeit von § 28 Abs. 1 S. 2 steht wohl ohnehin außer Streit. Damit bleibt zu fragen, ob an § 28 Abs. 2 festgehalten werden sollte. Das ist dringend zu empfehlen. Zwar könnte man meinen, dass der von § 28 Abs. 1 erstrebte Schutz der Altgläubiger und -schuldner nicht zur Disposition der Parteien gestellt werden sollte.42 Durch die hierfür erforderliche Publizität sorgt das Gesetz jedoch für einen angemessenen Ausgleich. Zudem ist zu bedenken, dass eine Abschaffung von § 28 Abs. 2 nicht nur zu einem Verlust von Privatautonomie führen würde, sondern auch ein Hindernis für die Sanierung angeschlagener Unternehmen im Wege der Gründung einer Auffanggesellschaft darstellen könnte.43
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Die Gesetzesbegründung drückt dies freilich umgekehrt aus, was schief ist. Anschaulich Huber FS Raisch, 1995, 85 (101). Ebs. Oetker/Vossler Rn. 5 a.E. Vgl. auch Johannes W. Flume Vermögenstransfer und Haftung, 2008, 125 f. So Staub/Hüffer4 Rn 6, § 25 Rn 31. S. Canaris Handelsrecht § 7 Rn 84.
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IV. Anwendungsbereich 1. Fragestellungen § 28 ist seinem Wortlaut nach auf die Fälle beschränkt, in denen durch einen Personenzusam- 18 menschluss von einem Einzelkaufmann mit einem Teilhaber (oder auch mehreren Teilhabern) eine OHG oder KG entsteht, in die der Einzelkaufmann sein Handelsgewerbe als Sacheinlage einbringt. Das lässt zunächst die Frage entstehen, wer als Einzelkaufmann i.S.d. § 28 anzusehen ist. Fällt darunter z.B. auch eine andere Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft (dazu Rn 19)? Ferner ist zu fragen, ob die Vorschrift analog auch anwendbar ist, wenn ein Nichtkaufmann seinen Gewerbebetrieb in eine OHG oder KG einbringt (dazu Rn 20). Daran schließt sich die Frage an, ob auch die Gründung einer BGB-Gesellschaft (dazu Rn 21) oder einer Kapitalgesellschaft (dazu Rn 22) erfasst wird. Außerdem ist fraglich, ob die Vorschrift nur die Gründung einer Gesellschaft betrifft oder auch den Beitritt in eine bestehende Gesellschaft unter Einbringung eines Geschäfts (dazu Rn 23). Das führt zu der weiteren Frage, wie der Fall einer Übertragung des Geschäfts einer Gesellschaft auf eine ganz oder teilweise personenidentische andere Gesellschaft zu behandeln ist (dazu Rn 24). Im Blick auf die drei zuletzt gestellten Fragen geht es dabei auch um die Abgrenzung zu § 25, die vor allem deswegen erforderlich ist, weil § 25 eine Fortführung der Firma voraussetzt, was § 28 nicht verlangt. Schließlich bleibt zu fragen, wer „Eintretender“ sein kann, nur eine natürliche Person oder auch eine Personengesellschaft oder eine juristische Person (dazu Rn 25)?
2. Einzelkaufmann Der Begriff des Einzelkaufmanns i.S.d. § 28 erfasst nicht nur natürliche Einzelpersonen, die das 19 Geschäft auf eigene Rechnung oder zusammen mit stillen Gesellschaftern betreiben. Auch der als Treuhänder fungierende Testamentsvollstrecker oder eine Erbengemeinschaft (s. § 27 Rn 91) kommen als Einzelkaufleute in diesem Sinne in Betracht.44 Ferner kann auch eine Kapitalgesellschaft, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt, oder eine juristische Person i.S.d. § 33 „Einzelkaufmann“ i.S.v. § 28 sein.45 Das Gleiche gilt für eine Personenhandelsgesellschaft, wenn sie sich an der Gründung einer anderen Personenhandelsgesellschaft unter Einbringung ihres Handelsgewerbes beteiligt.46 Hiervon zu unterscheiden ist die unter Rn 24 zu erläuternde Fallgestaltung. Auf eine Eintragung in das Handelsregister kommt es nicht an, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllt sind.47
3. Nichtkaufmann Streitig ist, ob § 28 Anwendung finden kann, wenn der Gewerbetreibende Nichtkaufmann ist. 20 Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Erstens: Durch den Personenzusammenschluss entsteht lediglich eine BGB-Gesellschaft (dazu Rn 21). Zweitens, davon ist hier zu handeln: Durch den Personenzusammenschluss entsteht eine Personenhandelsgesellschaft. Das kann zum einen dann der Fall sein, wenn durch die von dem neuen Teilhaber zusätzlich 44 Staub/Hüffer4 Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. 45 Staub/Hüffer4 Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; MünchKommHGB/Thiessen Rn 19; aA Düringer/Hachenburg/Hoeniger Rn 3; differenzierend Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4 juristische Person ja, aber nicht AG oder GmbH. 46 MünchKommHGB/Thiessen Rn 19; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 11. 47 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9; GKzHGB/Streitz Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. 335
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eingebrachten Mittel (dabei kann es sich etwa auch um ein ähnliches bisher nichtkaufmännisches Unternehmen handeln, s. Rn 33), das bisher kleingewerbliche Unternehmen zum Handelsgewerbe erstarkt, d.h. nunmehr objektiv kaufmännische Einrichtungen erforderlich sind oder alsbald sein werden.48 In diesem Fall ist eine Anwendung von § 28 von Rechtsprechung49 und Literatur50 anerkannt. Nicht genügend ist aber, wenn das Unternehmen erst später zu einem Handelsgewerbe erstarkt.51 Zudem gehört hierher auch der Fall, dass das Unternehmen kleingewerblich ist und bleibt, die Gesellschafter aber die Gesellschaft alsbald nach ihrer Gründung gem. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 zur Eintragung in das Handelsregister anmelden. In diesem Fall hat der BGH eine Anwendung von § 28 aus Gründen der Rechtssicherheit im Blick auf die einschneidenden Rechtsfolgen von § 28 Abs. 1 S. 1 abgelehnt.52 Dem ist mit der hL53 nicht zu folgen. Zwar ist das Argument der Rechtssicherheit nicht von der Hand zu weisen. Eine gewisse Rechtsunsicherheit ist jedoch im Blick auf die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 unvermeidlich, wie sich schon dann zeigt, wenn ein Einzelkaufmann nicht in das Handelsregister eingetragen ist oder zwar eingetragen ist, das Unternehmen aber, welches er in die Personenhandelsgesellschaft einbringt, möglicherweise inzwischen auf kleingewerbliches Niveau abgesunken ist. Zu bedenken ist freilich auch, dass durch eine analoge Anwendung von § 28 kein unstatthafter Druck auf die Gesellschafter ausgeübt werden darf, eine Eintragung zu betreiben (s. § 25 Rn 38). Es genügt daher nicht, dass die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen werden könnte.54 Erforderlich ist vielmehr, dass die Gesellschafter die Eintragung tatsächlich so rechtzeitig betreiben, dass auch eine Eintragung nach § 28 Abs. 2, wenn sie gleichzeitig betrieben würde, noch Wirkung entfalten könnte (dazu § 25 Rn 133 ff). Das wird nunmehr näher zu begründen sein.
4. Gründung einer BGB-Gesellschaft 21 Gleichfalls streitig ist, ob § 28 analoge Anwendung findet, wenn durch den Personenzusammenschluss lediglich eine BGB-Gesellschaft entsteht. Dabei sind wiederum zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Erstens: Die BGB-Gesellschaft ist nicht eintragungsfähig, insbes. weil das eingebrachte Unternehmen nicht gewerblich tätig ist.55 Zweitens: Die BGB-Gesellschaft wäre nach §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 eintragungsfähig, die Gesellschafter betreiben jedoch keine Eintragung. Der BGH lehnt in solchen Fällen eine analoge Anwendung von § 28 ab.56 Dem stimmt die hL
48 Vgl. BGHZ 32, 307 (311); BayObLG NJW 1985, 983. 49 RG Recht 1924 Nr. 404; RGZ 164, 115; BGH NJW 1966, 1917; BGH WM 1972, 21 (alle zu § 4 a.F.). 50 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13.
51 BGHZ 31, 398 (401); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 52 BGHZ 31, 398 (400). 53 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13 f. 54 AA K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 87 ff; ders. DB 1973, 703 ff; ders. NJW 2005, 2801 (2807); ders. ZGR 2014, 844 (856); Grunewald JZ 2004, 683 f; GKzHGB/Steitz Rn 7; MünchKommHGB/Thiessen Rn 13 f; Lieb FS H. Westermann, 1974, 309 (315 ff); wie hier Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9; Hopt/Merkt Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 55 Gegen eine analoge Anwendung von § 28 auf eine Freiberufler-GbR OLG Schleswig, Urt. v. 11.3.20111 – 17 U 38/ 10, BeckRS 2011, 17644 m. Anm. Schodder EWiR 2012, 115. 56 Vgl. BGHZ 31, 398, 400 (zu § 2 a.F.); 157, 361 (zu einer Rechtsanwaltssozietät); OLG Schleswig – 17 U 38/10, BeckRS 2011, 17644; offengelassen aber in BGHZ 143, 314 (318); anders OLG Naumburg NZG 2006, 712; für eine analoge Anwendung Schodder EWiR 2012, 115 (116). Burgard
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mit Recht zu.57 Für den ersten Fall ergibt sich dies schon daraus, dass eine Eintragung nach § 28 Abs. 2 möglich sein muss, weil eine bloße Mitteilung an Altgläubiger und -schuldner ungleich aufwendiger ist und aus Beweisgründen keine vergleichbare Rechtssicherheit bietet.58 Und für den zweiten Fall folgt dies aus der bereits angeführten Überlegung, dass durch eine analoge Anwendung von § 28 kein unstatthafter Druck auf die Gesellschafter ausgeübt werden darf, eine Eintragung zu betreiben (s. § 25 Rn 38).59 § 107 Abs. 1 i.d.F. des MoPeG ändert daher nichts an dem hier vertretenen Ergebnis, was auch durch § 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG bestätigt wird, der nicht auf § 28 verweist. Die Gegenmeinungen von Karsten Schmidt60 und Manfred Lieb61 beruhen darauf, dass sie aufgrund ihrer Auffassungen zum Normzweck von § 28 die Abdingbarkeit von Abs. 1 der Vorschrift durch Abs. 2 ohnehin für verfehlt halten (s. Rn 7 f). Überdies vermeinen sie ein – freilich ganz unterschiedliches – allgemeines Prinzip zu erkennen, weswegen Lieb § 28 sogar für deplaziert hält und die Vorschrift lieber bei §§ 705 BGB ff angesiedelt sähe. Diese Auffassungen sind indes, wie bereits ausgeführt wurde (Rn 11), u.a. gerade deswegen abzulehnen, weil die Möglichkeit der Abdingbarkeit der Rechtsfolgen von § 28 Abs. 1 essentieller Normbestandteil ist.
5. Gründung einer Kapitalgesellschaft Ob die Einbringung eines Unternehmens im Rahmen der Gründung einer Kapitalgesellschaft 22 (oder bei einer Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage, vgl. Rn 23) zur Haftung der aufnehmenden Gesellschaft nach § 28 führen kann, ist ebenfalls umstritten. Der BGH hat die Frage in jüngerer Zeit verneint und sich dabei auf den Wortlaut der Norm und – ohne näheren Nachweis – auf die Entstehungsgeschichte berufen.62 Der Wortlaut der Norm verbietet freilich nur ihre unmittelbare Anwendung. Und die Entstehungsgeschichte spricht eher für eine Gesetzeslücke. Die Gesetzesbegründung erwähnt den Fall nämlich nicht, sondern konzentriert sich bei den §§ 25 ff ganz generell lediglich auf die Grundfälle. Das spricht dafür, dass die Einbringung eines einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft den Gesetzesverfassern gar nicht in den Sinn gekommen ist, zumal die Einbringung in eine Aktiengesellschaft typologisch eher fern liegt und die GmbH gerade erst das Licht der Welt erblickt hatte.63 Mithin kommt es in erster Linie darauf an, ob die Interessenlage eher mit § 25 oder mit § 28 vergleichbar ist. Nach hier vertretener Ansicht (Rn 13) ist daher zu fragen, ob auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unter Einbringung des Handelsgeschäfts die Verkehrserwartung begründen kann, die Gesellschaft würde für Altverbindlichkeiten des bisherigen Gesellschafters haften und die Altforderungen einziehen. Diese Frage stellen, heißt sie zu bejahen; denn ein Unterschied zwischen der Beteiligung an einer Personenhandelsgesellschaft und einer Kapitalgesellschaft ist insofern nicht zu erkennen. Entscheidend ist allein das Vorliegen personeller Teilidentität.64 Dafür muss allerdings die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft eine gewisse Größenordnung erreichen, 57 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 9; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 5; Hopt/Merkt Rn 2; differenzierend Staub/Hüffer4 Rn 27, der eine analoge Anwendung des § 28 nur für GbR ablehnt, die nicht gewerblich tätig sind, weil sonst der Rahmen des Handelsrechts verlassen werde; ebenso Fest WM 2007, 196. 58 Das übersieht Staub/Hüffer4 Rn 27; wie hier Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 5; Heymann/Förster Rn 18; aA Schodder EWiR 2012, 115 (116). 59 Ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. 60 K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 87 ff. 61 Lieb FS H. Westermann, 1974, 309 (315 ff); ferner MünchKommHGB/Lieb2 Rn 9 f. 62 BGHZ 143, 314 (318); zuvor schon RGZ 143, 368 (371, 373); statt vieler ebenso BeckOK HGB/Bömeke Rn 6 mwN. 63 Ähnlich Staub/Hüffer4 Rn 30. 64 I.E. ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 10, 13, 21; Lieb JZ 2000, 1010; GKzHGB/Steitz Rn 4; Staub/Hüffer4 Rn 11, 30; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; ebenfalls die Anwendung des § 28 auf Kapitalgesellschaften ablehnend Hopt/Merkt Rn 2; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 104; ders. ZHR 145 (1981), 2 (14). 337
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weil sich andernfalls die personelle Teilidentität nicht nach außen manifestiert, was Grundlage der Verkehrserwartung ist.65 Eine Beteiligung an der Geschäftsführung reicht in jedem Fall aus,66 ist aber umgekehrt nicht stets erforderlich.67 Das zeigt sich schon daran, dass es bei der Beteiligung an einer Personengesellschaft ausreicht, wenn der bisherige Geschäftsinhaber Kommanditist wird, vgl. § 28 Abs. 3. Auch an die Größenordnung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft dürfen daher keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Eine Beteiligung i.H.v. 10 % wird man daher als ausreichend, aber auch erforderlich anzusehen haben, vgl. auch die Wertung der § 39 Abs. 5 InsO n.F., § 6a AnfG n.F.68 Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, greift § 25 ein, wenn die Gesellschaft die Firma des bisherigen Inhabers fortführt.
6. Eintritt in eine bestehende Gesellschaft 23 In der Literatur umstritten ist ferner die Anwendbarkeit von § 28, wenn das Handelsgeschäft in eine bereits bestehende Gesellschaft eingebracht wird.69 Eine unmittelbare Anwendung scheidet freilich auch in diesem Falle aus, weil § 28 nach seinem Wortlaut die Entstehung einer Personenhandelsgesellschaft durch Beitritt eines Dritten voraussetzt. § 28 ist jedoch analog anzuwenden.70 Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber bewusst keine diesbezügliche Regelung getroffen hat, fehlen. Auch die §§ 130, 173 sind nicht einschlägig, weil sie lediglich die Haftung des beitretenden bisherigen Geschäftsinhabers anordnen, es hier jedoch in erster Linie um die Haftung der aufnehmenden Gesellschaft geht. Neben der planwidrigen Regelungslücke ist auch Interessenidentität gegeben; denn aus Sicht des Verkehrs macht es keinen Unterschied, ob die Gesellschaft neu gegründet wird oder bereits besteht. Erforderlich ist nur, dass sich die personelle Teilidentität nach außen manifestiert, s. dazu Rn 22. Ob die bestehende Gesellschaft, der der bisherige Geschäftsinhaber beitritt, eine Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft ist, macht unter dieser Voraussetzung nach dem zuvor Ausgeführten ebenfalls keinen Unterschied.
7. Übertragung des Geschäfts einer Gesellschaft auf eine ganz oder teilweise personenidentische andere Gesellschaft 24 Hier geht es um den Fall, dass eine aus A, B und C bestehende Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft das von ihr betriebene Handelsgewerbe auf eine andere Gesellschaft überträgt, an der ebenfalls A, B und C oder etwa A, B und D beteiligt sind. Der BGH will auf diesen Fall lediglich § 25 anwenden, was eine Firmenfortführung voraussetzt.71 Dem kann nicht gefolgt werden;72 denn auch für diese Fallkonstellation ist die teilweise oder gar vollständige Personenidentität prägend. Freilich kann § 28 nicht direkt, sondern ebenfalls nur analog angewandt werden. Das
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Ähnlich Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 26 f. Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 26. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27. Die Vorschriften beruhen darauf, dass der Gesetzgeber erst bei Erreichen dieses Schwellenwerts von einer mitunternehmerischen Beteiligung ausgeht. 69 Dafür Staub/Hüffer4 § 25 Rn 93 f und § 28 Rn 30; MünchKommHGB/Thiessen § 25 Rn 30 f und § 28 Rn 11; Lieb Dauerschuldverhältnisse, 31; ders. FS Börner, 758 f; Gerlach, 60; dagegen Canaris Handelsrecht § 7 Rn 98; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9; Commandeur, 178; Honsell/Harrer ZIP 1983, 259 (263 Fn 48); Hopt/Merkt Rn 3; Heymann/Förster Rn 23; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 99 ff. 70 Eine Haftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten beitretender Gesellschafter kann dagegen nicht auf eine analoge Anwendung des § 28 gestützt werden, BGH – II ZR 7/09, ZIP 2010, 2042 (2043). 71 BGH WM 1963, 664 (665); ebenso Waskönig, 144 f. 72 MünchKommHGB/Thiessen Rn 12; Gerlach Die Haftungsanordnung der §§ 25, 28, 130 HGB, 1976, 60; Staub/ Hüffer4 Rn 30, § 25 Rn 91 ff. Burgard
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ist gerechtfertigt, weil eine Regelungslücke besteht und die Interessenlage aufgrund der (teilweisen) Personenidentität vergleichbar ist.
8. „Eintretender“ An die Person des „Eintretenden“ stellt das Gesetz keine Anforderungen.73 Es muss sich nicht 25 um eine natürliche Person, geschweige denn einen Kaufmann handeln. Eintretender kann daher auch eine Personenhandelsgesellschaft oder eine juristische Person sein.74 Auch mehrere Personen können „eintreten“.75 Unerheblich ist ferner, ob der bisherige Geschäftsinhaber oder der „Eintretende“ persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist wird. § 28 ist daher auch auf die Gründung bzw. den Beitritt zu einer GmbH & Co. KG anwendbar.76
B. Der Gläubigerschutz nach § 28 Abs. 1 S. 1 I. Voraussetzungen 1. Entstehung einer Gesellschaft a) Abschluss eines Gesellschaftsvertrags. § 28 Abs. 1 S. 1 setzt voraus, dass durch den Ein- 26 tritt als persönlich haftender Gesellschafter oder als Kommanditist in das Geschäft eines Einzelkaufmanns eine Gesellschaft entsteht. Erforderlich ist daher zunächst der – ausdrückliche oder konkludente – Abschluss eines Gesellschaftsvertrages zwischen dem oder den „Eintretenden“ und dem bisherigen Geschäftsinhaber, durch den eine OHG oder KG gegründet wird. Dabei ist es ausweislich des Wortlauts von § 28 Abs. 1 und 3 unerheblich, ob der „Eintretende“ oder der bisherige Geschäftsinhaber persönlich haftender Gesellschafter oder Kommanditist wird. Richtigerweise analog anwendbar ist § 28 insbes. auf die Gründung einer Kapitalgesellschaft (Rn 22) sowie auf den Eintritt des bisherigen Geschäftsinhabers in eine bestehende Personenhandelsoder Kapitalgesellschaft (Rn 23), nicht dagegen auf die Gründung einer BGB-Gesellschaft (Rn 21). Erforderlich ist die tatsächliche Gründung einer Gesellschaft. Bei Kapitalgesellschaften genügt das Entstehen einer Vorgesellschaft.77 Bloße Vorbereitungen, die nicht zum Abschluss gekommen sind, reichen für die Begründung einer Haftung der zukünftigen Gesellschaft dagegen nicht aus.78 b) Fehlerhafte Gesellschaftsgründung. Bei § 25 (Rn 55) wurde aufgezeigt, dass die Unwirk- 27 samkeit des Erwerbsgeschäfts die Haftung des Erwerbers grundsätzlich unberührt lässt. Fraglich ist, ob das vorliegend entsprechend gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag fehlerhaft ist. Richtigerweise ist zu unterscheiden:
aa) Unwirksame Gesellschaft. Ist keine Gesellschaft entstanden – etwa weil überhaupt kein 28 Gesellschaftsvertrag geschlossen wurde oder schwerwiegende Nichtigkeitsgründe vorliegen
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Staub/Hüffer4 Rn 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 25; MünchKommHGB/Thiessen Rn 20. Staub/Hüffer4 Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19. Staub/Hüffer4 Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 19. Staub/Hüffer4 Rn 13; MünchKommHGB/Thiessen Rn 20; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 25. AA BGHZ 143, 314 (318 f); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Heymann/Förster Rn 14. Burgard
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(z.B. Geschäftsunfähigkeit des Eintretenden, Verstoß gegen § 134 BGB)79 –, fehlt es bereits an dem Haftungsobjekt. Eine inexistente Gesellschaft kann nicht haften.80 Auch der Anschein eines Eintritts kann eine Haftung nach § 28 nicht begründen.81 29 In Betracht kommt daher allenfalls eine Haftung der vermeintlichen Gesellschafter nach §§ 28, 128 in Verbindung mit den allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen. Das Reichsgericht hatte eine solche Haftung angenommen, wenn die Gesellschaft trotz Unwirksamkeit eingetragen, bekannt gemacht und in Vollzug gesetzt wurde.82 Der BGH ist dem mit Zurückhaltung begegnet.83 Die Literatur hält eine solche Rechtsscheinhaftung teils für möglich,84 lehnt sie jedoch heute überwiegend ab.85 Letzterem ist zuzustimmen; denn eine Haftung des „Eintretenden“ über § 128 ist auch in Verbindung mit den allgemeinen Rechtsscheingrundsätzen nur möglich, wenn die Altverbindlichkeiten nach § 28 auf die Gesellschaft übergegangen sind. Das ist hier aber gerade nicht der Fall, weil es keine Gesellschaft gibt. Die Altgläubiger können sich daher im Falle einer unwirksamen Gesellschaft nur an den bisherigen Geschäftsinhaber halten.
30 bb) Auflösbare Gesellschaft. Führen die Gründungsmängel nicht zur Nichtigkeit der Gesellschaft, sondern lassen nach der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft das Entstehen der Gesellschaft unberührt, so kommt ihre Auflösung nur für die Zukunft in Betracht.86 In diesem Fall ist daher nach Rechtsprechung87 und herrschender Lehre88 § 28 uneingeschränkt anwendbar. Für Altverbindlichkeiten haften danach nicht nur die fehlerhafte Gesellschaft, sondern über § 128 auch ihre Gesellschafter. Andere halten Letzteres für ein ungerechtfertigtes Gläubigergeschenk und lehnen daher eine Haftung des „Eintretenden“ ab.89 Grundsätzlich zuzustimmen ist der hM. Zwar wurde die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft vor allem im Interesse der Neugläubiger begründet. Der Schutzzweck von § 28 trifft aber auch auf den Fall einer fehlerhaften Gesellschaft zu. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist allerdings dann zu machen, wenn die Fehlerhaftigkeit der Gesellschaft auf Normen beruht, die dem Schutz des „Eintretenden“ dienen, und dessen Haftung nach §§ 28, 128 mit dem vorrangigen Individualschutz nicht vereinbar ist.
2. Bestehen eines Geschäfts 31 Ferner setzt § 28 voraus, dass der bisherige Inhaber („Einzelkaufmann“, s. dazu Rn 19) ein bisher von ihm betriebenes Unternehmen („das Geschäft“) als Einlage in die neue Gesellschaft 79 S. aus der Rechtsprechung bspw. BGHZ 17, 160; 62, 234; 75, 214; 97, 243. Ob und unter welchen Voraussetzungen solche Gründe zur Nichtigkeit der Gesellschaft oder nach den Regeln der fehlerhaften Gesellschaft nur zu ihrer Auflösbarkeit führen ist allerdings streitig; dagegen etwa Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht, § 6 III 3; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Wertenbruch § 105 Rn 255 f, jeweils mwN. 80 Ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 24; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 81 BGH WM 1964, 296 (298); Hopt/Merkt Rn 3, sowie die Vorgenannten. 82 RGZ 89, 97 (98); 142, 98 (106). 83 BGH WM 1961, 917 (918 f); BGH WM 1964, 296 (298). 84 Hopt/Merkt Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 6; unklar Staub/Hüffer4 Rn 12. 85 MünchKommHGB/Thiessen Rn 24, 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20 f; zweifelnd Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18. 86 Grundlegend RGZ 165, 193 (201 ff); BGHZ 3, 285 (287 ff); näher Staub/Hüffer4 § 105 Rn 327 ff, 334 ff. 87 BGH NJW 1972, 1466 (1467). 88 Staub/Hüffer4 Rn 12; Hopt/Merkt Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22 f; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 90. 89 MünchKommHGB/Lieb2 Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18. Burgard
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einbringt. Das Unternehmen muss daher bereits vor der Einbringung bestanden haben – ein Unternehmen im Planungsstadium reicht daher nicht aus – und darf nicht zuvor vollständig aufgelöst oder eingestellt worden sein. Die Voraussetzungen des § 28 sind daher nicht erfüllt, wenn der bisherige Geschäftsinhaber nach endgültiger Auflösung des Unternehmens nur noch einige restliche Betriebsmittel auf die Gesellschaft überträgt und mit dem „Eintretenden“ ein neues Unternehmen gründet.90 Vielmehr muss das Unternehmen im Wesentlichen als lebendes Ganzes in die Gesellschaft eingebracht worden sein. Auch hier muss also der Erwerb einer betriebsfähigen Wirtschaftseinheit vorliegen (näher § 25 Rn 48, § 22 Rn 14 ff).91 Unter diesen Voraussetzungen schadet ein Ruhen des Unternehmens nicht.92 § 28 ist auch dann anzuwenden, wenn der bisherige Inhaber mehrere von ihm betriebene 32 Unternehmen einbringt. Bringt er nur eines von mehreren Unternehmen ein, ist für die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen von § 28 nur auf das eingebrachte Unternehmen abzustellen. Auf die in diesem Unternehmen entstandenen Verbindlichkeiten ist dann also die Haftung beschränkt. Welches von mehreren Unternehmen eingebracht wurde, ist erforderlichenfalls durch Auslegung zu ermitteln.93 Ferner erfasst § 28 den Fall der Vereinigung mehrerer Unternehmen von mehreren Ge- 33 sellschaftern in der neuen Gesellschaft, wenn also mehrere Gesellschafter jeweils eines oder mehrere Unternehmen in die Gesellschaft einbringen.94 Die Vorschrift ist also auch dann anwendbar, wenn nicht nur B als Gesellschafter in das Geschäft des A eintritt, sondern zugleich A als Gesellschafter in das Unternehmen des B; denn in diesem Fall liegen die Voraussetzungen des § 28 gleichsam doppelt vor. Die Gesellschaft haftet dann für die Geschäftsverbindlichkeiten von A und B. Das gilt freilich nur dann, wenn beide Unternehmen von der Gesellschaft fortgeführt werden (s. Rn 35), also nicht, wenn A oder B oder beide aus Anlass der Gesellschaftsgründung ihr bisheriges Geschäft aufgeben.
3. Einbringung des Geschäfts Das bestehende Geschäft muss von seinem bisherigen Inhaber in die Gesellschaft eingebracht 34 worden sein. Das setzt ebenso wenig wie bei § 25 (dort Rn 52, 57) eine Übertragung des Geschäftsvermögens (Substanzübertragung) voraus. § 28 ist daher insbes. auch auf Fälle einer bloßen Betriebsaufspaltung bzw. Betriebspacht anzuwenden.95 Bei einer Betriebsaufspaltung durch Spaltung gem. den §§ 124 ff UmwG sind allerdings die Haftungsregelungen der §§ 133, 134 UmwG zu beachten.
4. Fortführung des Geschäfts Die Fortführung des eingebrachten Unternehmens durch die Gesellschaft fordert der Gesetzes- 35 wortlaut anders als bei § 25 nicht ausdrücklich. Von einem „Eintritt in das Geschäft“ kann indes nicht die Rede sein, wenn es nicht auf die eine oder andere Weise fortgeführt wird. Das Erforder-
90 MünchKommHGB/Thiessen Rn 15. 91 MünchKommHGB/Thiessen Rn 15; iE ebenso Staub/Hüffer4 Rn 9; Heymann/Förster Rn 25; vgl. auch Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21.
92 BGH WM 1955, 1315. Zu weitgehend ist allerdings, wenn in Anschluss an die Bemerkung des BGH in WM 1961, 917 (918) formuliert wird, es reiche aus, wenn das ruhende Unternehmen „nicht mehr als einen Firmenmantel darstellt“. 93 BGHZ 31, 397 (399) = NJW 1960, 624 = LM Nr. 3 m. zust. Anm. Fischer; BGH NJW 1961, 1765; RG LZ 1907, 822. 94 MünchKommHGB/Thiessen Rn 16; Staub/Hüffer4 Rn 15; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 99 ff. 95 MünchKommHGB/Thiessen Rn 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 23; Heymann/Förster Rn 27; aA nur Schricker ZGR 1972, 121 (153 f Fn 128). 341
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nis der Geschäftsfortführung ergibt sich also aus den beiden zuvor genannten Voraussetzungen der Einbringung eines bestehenden Geschäfts in die Gesellschaft und ist daher allgemein anerkannt.96 Bei einer sofortigen Stilllegung oder Veräußerung des Geschäfts greift § 28 daher nicht ein,97 wohl aber wenn dies erst nach einer Geschäftsfortführung erfolgt.98 Nicht erforderlich ist ferner, dass das Unternehmen im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird.99 Die Gegenmeinung100 beruht wohl auf einer Parallele zu § 25 (s. dort Rn 61 ff) und überschätzt damit die Bedeutung der Unternehmenskontinuität im vorliegenden Fall. Während es bei § 25 darauf ankommt, dass der Erwerber für den Rechtsverkehr durch die erforderliche Unternehmens- und Firmenkontinuität erkennbar die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers angetreten hat, weil hierauf die von dem Gesetz geschützte Erwartung des Verkehrs einer Haftung des Erwerbers beruht, gründet diese Verkehrserwartung hier lediglich auf der Einbringung des bestehenden Geschäfts in die Gesellschaft und der personellen Teilidentität. Die Gesellschaft muss daher nicht die geschäftliche Nachfolge des bisherigen Inhabers antreten und daher auch nicht das Geschäft im Wesentlichen unverändert fortführen. Das ist auch deswegen sachgerecht, weil § 28 andernfalls vielfach leerliefe, da mit dem „Eintritt“ eines Teilhabers erheblich öfter als in den Fällen des § 25 eine wesentliche Veränderung, insbes. Erweiterung des Unternehmens verbunden ist.101 Das gilt vor allem – aber nicht nur – im Fall der Vereinigung mehrerer Unternehmen (Rn 33) und der hiermit in der Regel verbundenen Umgestaltung. Dementsprechend haftet die Gesellschaft den Altgläubigern aller eingebrachten Unternehmen ohne Rücksicht darauf, welche organisatorischen Maßnahmen die Gesellschaft bezüglich der einzelnen Unternehmen trifft, also auch bei erheblichen Veränderungen. Deshalb genügt die Fortführung von wesentlichen Unternehmensteilen, auch als Zweigniederlassung, als unselbständige Betriebsabteilung oder Sparte. Wollte man in solchen Fällen annehmen, dass die Haftung der Gesellschaft entfiele, würde dies dem Schutzinteresse der Gläubiger nicht gerecht.
5. Einzelkaufmann und „Eintretender“ 36 Inhaber des eingebrachten Geschäfts muss nach dem Gesetzeswortlaut ein Einzelkaufmann sein, s. dazu bereits Rn 19 f. An die Person des „Eintretenden“ stellt das Gesetz dagegen keine besonderen Anforderungen, s. dazu bereits Rn 25.
6. Entbehrlichkeit der Firmenfortführung 37 Anders als § 25 setzt § 28 keine Firmenfortführung voraus. Vielmehr ersetzt die nach § 28 erforderliche teilweise personelle Kontinuität die nach § 25 erforderliche Firmenkontinuität, s. schon Rn 2. Die Rechtsfolgen des § 28 treten also auch dann ein, wenn die bisherige Firma (bei Vereinigung von Unternehmen: die bisherigen Firmen) gelöscht wird und die Gesellschaft eine neue Firma annimmt.
96 KG OLGE 21, 375; aus der Lit. bspw. MünchKommHGB/Thiessen Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; Hopt/Merkt Rn 4; BeckOK HGB/Bömeke Rn 14.
97 GKzHGB/Steitz Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; i.E. ebenso MünchKommHGB/Thiessen Rn 17. 98 Hopt/Merkt Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7. 99 Außer den Vorgenannten etwa Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; so auch BeckOK HGB/Bömeke Rn. 14 mwN. 100 RG Recht 1924, Sp. 140 f Nr. 404; LG Hamburg MDR 1971, 929 f; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 87; Hopt/Merkt Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 2. 101 MünchKommHGB/Thiessen Rn 17. Burgard
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II. Rechtsfolgen 1. Gesetzlicher Schuldbeitritt § 28 Abs. 1 ordnet die Haftung der Gesellschaft für alle im Betrieb des eingebrachten Unterneh- 38 mens entstandenen Verbindlichkeiten an. Da die Haftung des bisherigen Inhabers zunächst unverändert bestehen bleibt (Rn 40), handelt es sich wie bei § 25 um einen gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. § 25 Rn 75).102 Der bisherige Inhaber und die Gesellschaft haften als Gesamtschuldner. Der auch bei § 28 vorgeschlagenen Auslegung als Vertragsüberleitungsnorm103 kann aus den bei § 25 Rn 77 angeführten Gründen nicht zugestimmt werden. Auch der BGH hat sich – zumindest im Blick auf Mietverhältnisse – gegen die Rechtsfolge einer Vertragsüberleitung entschieden: Die durch Eintritt eines Gesellschafters in den Betrieb eines Einzelkaufmanns entstehende Gesellschaft könne ohne Zustimmung des Vermieters nicht in das vom bisherigen Einzelkaufmann begründete Mietverhältnis eintreten.104 Im Ausgangspunkt (s. aber § 25 Rn 90 sowie unten Rn 40) bleibt der bisherige „Einzelkaufmann“ daher Vertragspartner. Will ein Gläubiger die Enthaftung des bisherigen Inhabers verhindern, kann er überdies nach hier vertretener Auffassung das aus dem gesetzlichen Schuldbeitritt folgende Forderungsrecht der Gesellschaft gegenüber gem. § 333 BGB analog zurückweisen (s. § 25 Rn 81 f, § 26 Rn 37 ff sowie u. Rn 54).
2. Haftung für Geschäftsverbindlichkeiten des bisherigen Inhabers Die Haftung der Gesellschaft beschränkt sich auf die im Geschäftsbetrieb des bisherigen Inha- 39 bers entstandenen Altverbindlichkeiten; das sind die Verbindlichkeiten, die im Betrieb des Geschäfts vor dem Wechsel des Unternehmensträgers entstanden sind. Entstehung der Verbindlichkeiten genügt; Fälligkeit ist also nicht erforderlich. Kenntnis der Verbindlichkeiten oder Möglichkeit der Kenntnisnahme ist nicht vorausgesetzt. Die Gesellschaft haftet also auch für Schulden, die nicht aus der Buchführung oder der Korrespondenz zu ersehen sind. Eine Haftung für Privatverbindlichkeiten des früheren Einzelkaufmanns ist dagegen nicht vorgesehen. Ebenso wenig besteht eine Haftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten des „Eintretenden“, es sei denn, dieser brächte ebenfalls ein Geschäft in die Gesellschaft ein (s. Rn 33); dann haftet die Gesellschaft auch für Altverbindlichkeiten, die vor der Einbringung im Betrieb dieses Geschäfts entstanden sind.105
3. Forthaftung des bisherigen Inhabers In Bezug auf die Weiterhaftung des „früheren Geschäftsinhabers“ enthält § 28 keine besondere 40 Regelung. Gesondert – aber nicht abschließend – geregelt ist nur seine Enthaftung, nämlich in § 28 Abs. 3 (dazu Rn 50 ff). Daraus folgt zugleich, dass das Gesetz, soweit es nichts anderes bestimmt, die persönliche Forthaftung des bisherigen Geschäftsinhabers für Altverbindlichkeiten als selbstverständlich voraussetzt.106 Der bisherige Inhaber haftet daher einerseits als ursprüngli102 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 28; Heymann/Förster Rn 31; Hopt/Merkt Rn 5; BeckOK HGB/Bömeke Rn. 16; BGH WM 1989, 1219. 103 MünchkommHGB/Thiessen Rn 30; K. Schmidt FS Medicus, 559 ff; ausdrücklich aA Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 29. 104 BGH NJW 2001, 2251 (2252); sonst aber offengelassen s. auch BGH NJW 2004, 836 (837). 105 Zum Vorstehenden MünchKommHGB/Thiessen Rn 28, § 25 Rn 66 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; GKzHGB/Steitz Rn 11. 106 MünchKommHGB/Thiessen Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 30; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 30. 343
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cher Schuldner unmittelbar aus der jeweiligen Anspruchsnorm, andererseits ggf. als Gesellschafter der neuen Gesellschaft über § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. den jeweils einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Diese Haftung endet zum einen nach allgemeinen Regeln (z.B. Erfüllung, Verjährung), zum anderen in Fällen einer gesetzlich angeordneten (und vertraglich nicht ausgeschlossenen, s. § 26 Rn 35 f) Enthaftung. Außer in § 28 Abs. 3 ist eine Enthaftung u.a. in § 160 sowie insbes. in § 613a BGB (dazu Rn 65 f) geregelt. Dagegen haftet der bisherige Inhaber – abseits besonderer Vereinbarungen – selbstverständlich nicht für Verbindlichkeiten für Altschulden neu eintretender Gesellschafter.107
4. Haftung beitretender Gesellschafter 41 Ebenfalls in § 28 nicht geregelt ist die Haftung des beitretenden Gesellschafters. Für den gesetzlich geregelten Fall der Gründung einer Personenhandelsgesellschaft sah sie der Gesetzgeber jedoch als selbstverständliche Folge der Haftung der Gesellschaft an (s. Abs. 2 S. 1 der in Rn 5 zitierten Begründung). Die Haftung beitretender Gesellschafter für Altverbindlichkeiten ergibt sich in diesem Fall also aus § 28 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 128 bzw. bei Begründung einer Kommanditistenstellung i.V.m. §§ 171 ff.108 Diese Haftung wird teilweise als ungerechtfertigtes Geschenk an die Gläubiger,109 teilweise aber auch als sachliche Rechtfertigung der Möglichkeit des Haftungsausschlusses nach § 28 Abs. 2 angesehen.110 Bei Gründung einer Kapitalgesellschaft (s. Rn 22) haftet der beitretende Gesellschafter den Altgläubigern jedenfalls grundsätzlich nicht.
5. Haftung für Neuschulden 42 Nicht in § 28 geregelt ist schließlich die Haftung für Neuschulden, also für Verbindlichkeiten, die erst nach Gründung der Gesellschaft begründet wurden. Insofern gelten allgemeine Regeln.
6. Schuldtitel 43 Auf das Gesellschaftsvermögen kann gem. § 124 Abs. 2 nur auf Grund eines gegen die Gesellschaft gerichteten vollstreckbaren Schuldtitels zugegriffen werden. Liegt gegen den bisherigen Inhaber bereits ein Vollstreckungstitel vor, kann der Gläubiger in entsprechender Anwendung von § 729 Abs. 2 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung (Vollstreckungsklausel) gegen die Gesellschaft verlangen;111 die gesamtschuldnerische Haftung ist im Titel anzuführen. Wegen § 129 Abs. 4 kann dagegen eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels nicht gegen die übrigen Gesellschafter erteilt werden; sie müssen neu verklagt werden.112
107 BGH NZG 2010, 3720. 108 HM BGH NJW 1966, 1917 (1918); NJW 1972, 1466 (1467); OLG Celle OLGZ 1981, 1; MünchKommHGB/Thiessen Rn 31; Hopt/Merkt Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 31; Oetker/Vossler Rn 19; Koller/Kindler/Roth/Drüen/ Roth Rn 11; aA Lieb FS H. Westermann, 1974, 309 (311 f); ferner Möschel FS Hefermehl 1972, 180 ff; Canaris Handelsrecht § 7 Rn 92 ff mwN; ders. ZIP 1989, 1161 (1167). 109 So etwa MünchKommHGB/Thiessen Rn 31 mwN; ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11. 110 So Heymann/Förster Rn 34. 111 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 32; Staub/Hüffer4 Rn 21; Hopt/Merkt Rn 5; Heymann/Förster Rn 33; offengelassen durch BGH Rpfleger 1974, 260. 112 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 32; MünchKommHGB/Thiessen Rn 34; Staub/Hüffer4 Rn 23; K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 96; aA OLG Kiel HRR 1931 Nr. 2081; Hopt/Merkt Rn 5; Düringer/Hachenburg/Hoeniger Anm. 7; Stein/Jonas/Münzberg § 729 Rn 8. Burgard
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C. Der Schuldnerschutz nach § 28 Abs. 1 S. 2 Liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 S. 1 vor (Rn 26–37), so bestimmt § 28 Abs. 1 S. 2 44 ähnlich wie § 25 Abs. 1 S. 2, dass die im Betrieb des bisherigen Inhabers begründeten Forderungen (Altforderungen) den Schuldnern gegenüber als auf die Gesellschaft übergegangen gelten. Die Vorschrift hat nur für den Fall Bedeutung, dass die Altforderungen nicht schon rechtsgeschäftlich auf die neue Gesellschaft übertragen worden sind. Auch in diesem Fall sollen die Schuldner mit befreiender Wirkung an die Gesellschaft leisten können. Ein „Forderungsübergang“ wird damit richtigerweise nicht bewirkt.113 Vielmehr handelt sich ebenso wie bei § 25 Abs. 1 S. 2 lediglich um eine widerlegliche Vermutung (ausf. § 25 Rn 110 ff). Da nach § 28 Abs. 1 S. 1 keine Firmenfortführung erforderlich ist, bedarf es nach § 28 Abs. 1 S. 2 – anders als nach § 25 Abs. 1 S. 2 (dort Rn 108 f) – auch keiner Einwilligung in die Firmenfortführung.
D. Abweichende Vereinbarungen nach § 28 Abs. 2 I. Bedeutung der Vorschrift § 28 Abs. 2 bestimmt, dass von den Rechtsfolgen des § 28 Abs. 1 abweichende Vereinbarungen 45 Dritten gegenüber nur wirksam sind, wenn sie im Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder von einem Gesellschafter dem Dritten mitgeteilt worden sind. Die Vorschrift stellt somit zum einen klar, dass die Parteien im Innenverhältnis vereinbaren können, welche Aktiva und Passiva auf die neue Gesellschaft übergehen sollen. Zum anderen bestimmt sie, dass eine solche im Innenverhältnis getroffene Vereinbarung im Außenverhältnis nur bei gehöriger Kundmachung wirksam ist. Unter diesen Voraussetzungen stellt sie damit die Regelungen des § 28 Abs. 1 auch im Außenverhältnis zur Disposition der Parteien. Damit zeigt § 28 Abs. 2 wie schon § 25 Abs. 2, dass das Gesetz nicht einem Prinzip der Haftungskontinuität folgt, sondern im Grundsatz von der Maßgeblichkeit vertraglicher Regelung ausgeht und sich auf die Gewährung des gerade deshalb notwendigen Verkehrsschutzes beschränkt (s. Rn 12 ff). Nicht dispositiv ist freilich die nach anderen Vorschriften (§ 419 BGB a.F., § 613a BGB, § 75 AO) begründete Haftung (s. Rn 64 ff). Die Berechtigung der Abdingbarkeit der Haftung nach § 28 Abs. 1 S. 1 durch § 28 Abs. 2 wird 46 seit einiger Zeit in Frage gestellt. Teilweise wird eine teleologische Reduktion der Vorschrift „auf Null“ vorgeschlagen. Nur so könne dem von § 28 Abs. 1 S. 1 bezweckten, dringend erforderlichen Gläubigerschutz hinreichend Rechnung getragen werden. Das gelte insbes. für den Bereich der übertragenden Selbstsanierung.114 Dem ist nach dem vorgenannten Sinn und Zweck der Vorschrift (Rn 12 ff, 45) nicht zu folgen.
II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen Hinsichtlich der Voraussetzungen und Rechtsfolgen abweichender Vereinbarungen kann im We- 47 sentlichen auf die Erläuterungen zu § 25 Abs. 2 (Rn 124 ff, 143) verwiesen werden. Einzugehen ist hier lediglich auf zwei Besonderheiten.
113 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 34; Oetker/Vossler Rn 23, § 25 Rn 49; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 34; Heymann/Förster Rn 36; aA MünchKommHGB/Thiessen Rn 29; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 116; ders. AcP 198 (1989), 516 ff. 114 MünchKommHGB/Thiessen Rn 35; s. ferner K. Schmidt ZIP 1989, 1025 (1028); ders. Handelsrecht § 7 Rn 110; dezidiert dagegen Canaris ZIP 1989, 1161 (1163 ff); aA wie hier BeckOK HGB/Bömeke Rn 21. 345
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Zum einen ist fraglich und umstritten, ob auch lediglich die persönliche Haftung der beitretenden Gesellschafter ausgeschlossen werden kann.115 Dafür spricht, dass der Ausschluss nur der Gesellschafterhaftung gegenüber dem Ausschluss der Haftung der Gesellschaft ein Weniger darstellt; denn der Ausschluss der Gesellschaftshaftung zieht auf Grund der Akzessorietät der Gesellschafterhaftung deren Wegfall notwendig nach sich. Zudem entspricht diese Möglichkeit den Interessen der Beteiligten: Die beitretenden Gesellschafter können einer Gefährdung ihres eigenen Vermögens vorbeugen und müssen nicht gleichzeitig die Bonität der Gesellschaft durch einen auf diese erstreckten Haftungsausschluss schädigen. Zugleich bleibt den Gläubigern das Gesellschaftsvermögen als Haftungsmasse erhalten. Und dem Verkehrsschutz wird durch die erforderliche Publizität Rechnung getragen. Der Ausschluss kann daher auch auf die Haftung der beitretenden Gesellschafter beschränkt werden. 49 Umstritten ist ferner, ob eine Mitteilung des Haftungsausschlusses vor Gründung der Gesellschaft ausreicht.116 Dagegen spricht zunächst der Wortlaut von § 28 Abs. 2, der die Mitteilung durch einen „Gesellschafter“ verlangt. Vor allem aber steht der Sinn und Zweck von § 28 entgegen; denn die Vorschrift will u.a. Rechtssicherheit schaffen (s. Rn 12). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Mitteilung über einen bloß geplanten Haftungsausschluss ausreichen würde, da die Gläubiger im Unklaren blieben, ob dieser Plan hernach tatsächlich umgesetzt wurde.
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E. Enthaftung nach § 28 Abs. 3 I. Entstehungsgeschichte 50 Bei der von § 28 ausdrücklich geregelten Sachverhaltsgestaltung der Gründung einer Personenhandelsgesellschaft unter Einbringung des Geschäfts eines Einzelkaufmanns ergeben sich Verjährungs- und Enthaftungsprobleme dann, wenn der bisherige Inhaber in der neuen Gesellschaft Kommanditist wird. In diesem Fall ist nämlich seine Haftung für Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft auf die Einlage beschränkt, während er – zumindest im Ausgangspunkt – für seine Altverbindlichkeiten weiterhin persönlich und unbeschränkt haftet (vgl. Rn 40). Im Blick auf diese Haftung für Altverbindlichkeiten fehlte ursprünglich im Gegensatz zu § 26 a.F. eine die Verjährung erleichternde Vorschrift. Das entsprach der Gesetzeslage nach § 159 a.F.: Auch dort war eine Sonderverjährung nur für ausscheidende Gesellschafter, nicht aber auch für solche Gesellschafter vorgesehen, die sich nur auf eine Kommanditistenstellung zurückziehen. Diese Lücke hatte der BGH zwar durch eine Analogie zu § 159 geschlossen,117 von dieser Sonderverjährung (bzw. der später rechtsfortbildend entwickelten Enthaftung)118 aber solche Kommanditisten ausgenommen, die weiterhin (insbes. als Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG) geschäftsführend tätig waren.119 Gegen diese Ausnahme wandte sich die ganz herrschen115 Dafür die heute wohl hM OLG Celle OLGZ 1981, 1 f; Hadding JuS 1968, 173 (164); MünchKommHGB/Lieb2 Rn 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 38; Oetker/Vossler Rn 27; Heymann/Förster Rn 39; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35; Lindacher NZG 2002, 113 (114); stark zweifelnd Staub/Hüffer4 Rn 31; MünchKommHGB/Thiessen Rn 36 „keine praktikable Lösung“; s. auch K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 123 f, zu der Frage, ob für den Unternehmensveräußerer die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung besteht, wobei er dies ausschließlich für das Innenverhältnis bejaht. 116 Dafür Düringer/Hachenburg/Hoeniger Anm. 9; MünchKommHGB/Thiessen Rn 37; Hopt/Merkt Rn 6; K. Schmidt Handelsrecht § 8 Rn 119; dagegen die wohl hM BeckOK HGB/Bömeke Rn 23; Oetker/Vossler Rn 26; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 37; Commandeur, 183; Heymann/Förster Rn 38; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 39. 117 BGHZ 73, 217 (222). 118 Grundlegend Ulmer/Wiesner ZHR 144 (1980), 393 ff; s. ferner etwa Wiesner ZIP 1983, 1032; Ulmer/Timmann ZIP 1992, 1 (3 ff); Hönn ZHR 149 (1985), 300 (303); Lieb ZGR 1985, 124 ff; ders. GmbHR 1992, 561 ff. Dem folgend BGHZ 87, 286; BGH NJW 1983, 2256; NJW 1983, 2943; BAG DB 1988, 123 (124 f). 119 BGHZ 78, 114 (118); BGH NJW 1983, 2256; NJW 1983, 2943; zuletzt BAG DB 2007, 2658 ff. Burgard
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de Lehre insbes. unter Hinweis auf die Verjährungsregelungen des (alten) Umwandlungsgesetzes, die auch bei geschäftsleitender Tätigkeit zur Anwendung kamen.120 Dem hat sich bei dem Erlass des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes (NachhBG)121 die Bundesregierung angeschlossen122 und daran auch gegen den Widerstand des Bundesrates123 festgehalten, s. § 160 Abs. 3 S. 2. Zudem war in der Literatur die Übertragung der Enthaftungslösung auf §§ 26, 28 seit länge- 51 rem diskutiert und gefordert worden.124 Insbes. das BAG hatte dies jedoch stets abgelehnt,125 während Rechtsprechung des BGH fehlte. Auch der Regierungsentwurf des NachhBG enthielt insofern bewusst keine Regelung. Die Bundesregierung stand einer Ausweitung auf die §§ 26, 28 zunächst skeptisch gegenüber.126 Der Rechtsausschuss des Bundestages entschied sich jedoch schließlich für die Erstreckung der Enthaftungslösung auch auf §§ 26, 28.127 § 26 wurde dementsprechend geändert, § 28 der neue Abs. 3 angefügt.
II. Normzweck § 28 Abs. 3 bezweckt – ebenso wie die Parallelvorschriften der §§ 26, 160, § 736 Abs. 2 BGB, §§ 45, 52 56, 133, 157, 224 UmwG128 – einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Gläubiger an einer Haftung ihres ursprünglichen Schuldners, also hier des bisherigen Geschäftsinhabers, für von ihm begründete (Alt-)Verbindlichkeiten und dessen Interessen an einer zeitlichen Begrenzung dieser Haftung. Zugleich sollen diese Vorschriften die Attraktivität mittelständischer Unternehmen fördern, indem sie die Haftungsrisiken von Einzelkaufleuten bzw. von Gesellschaftern, die die persönliche Haftung übernehmen, in den erfassten Fällen zeitlich begrenzen.129 Vor Augen halten muss man sich freilich die Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen der gere- 53 gelten Fälle, insbes. von § 26, § 28 Abs. 3 und § 160: Während den Gläubigern infolge von § 26 ihr ursprünglicher Schuldner verloren geht (s. dort Rn 45), bewirkt § 28 Abs. 3 „lediglich“ eine Haftungsbeschränkung des ursprünglich Schuldners (s. Rn 61), § 160 Abs. 1 nur den Verlust eines Mithaftenden und § 160 Abs. 3 sogar bloß die Haftungsbeschränkung eines Mithaftenden. Während in den Fällen des § 160 den Gläubigern ihr ursprünglicher Schuldner – nämlich die Gesellschaft – erhalten bleibt, führen §§ 26, 28 Abs. 3 zu einem Schuldnerwechsel.130 Die gesetzliche Gleichstellung dieser Fälle wegen einer „ähnlich gelagerten Sach- und Interessenlage“131 überzeugt daher nicht.132 Deswegen ist entgegen anders lautender Stimmen in der Literatur133
120 Schlegelberger/K. Schmidt § 159 Rn 19 ff; Lieb ZGR 1985, 124 (137 ff); Wiesner ZIP 1983, 1032 (1036 f); Koch NJW 1984, 833 (838 f); Ulmer BB 1983, 1865 (1868); Ulmer/Tillmann ZIP 1992, 1 (6). 121 BGBl. I 1994, 560 v. 18.3.1994. 122 BT-Drucks. 12/1868, Anlage 1, 9 li. Sp. 123 BT-Drucks. 12/1868, Anlage 2, 14 (Stellungnahme des Bundesrates) und Anlage 3, 15/16 (Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates). 124 S. etwa Lieb GmbHR 1992, 561 (566 f) mwN. 125 BAGE 88, 229 ff = ZIP 1998, 1973 ff; BAG ZIP 2004, 1227 ff. 126 Begr RegE, BT-Drucks. 12/1868, 7 (unter A. III.). 127 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/6569, 11 f. 128 Zu den Gemeinsamkeiten und Unterschieden dieser Vorschriften K. Schmidt/C. Schneider BB 2003, 1961 ff. 129 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Bundestags, BT-Drucks. 12/6509, 11; Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/1868, 7 ff.; vgl. BeckOK HGB/Bömeke Rn. 24. 130 Canaris FS Odersky, 753 (760); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 26 Rn 9. 131 BT-Drucks. 12/6569, 11. 132 Ebenso Canaris FS Odersky, 753 (760); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; aA die hM etwa Hopt/Merkt § 26 Rn 1; Hopt/Roth § 160 Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann § 160 Rn 6 sowie K. Schmidt Handelsrecht § 7 Rn 89 ff, freilich auf der Grundlage seines abweichenden Verständnisses von § 25 (dazu dort Rn 14, 20). 133 Hopt/Merkt § 160 Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann § 160 Rn 6. 347
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trotz des übereinstimmenden Normzwecks keine einheitliche Auslegung der genannten Vorschriften geboten.
III. Rechtspolitische Bewertung 54 Wenngleich § 28 Abs. 3 „lediglich“ eine Haftungsbeschränkung des ursprünglichen Schuldners bewirkt (s. Rn 61), ist die Vorschrift rechtspolitisch ebenso kritisch zu betrachten wie § 26 (s. dort Rn 9), weil auch sie zu einem Schuldnerwechsel ohne Zustimmung des Gläubigers führt.134 Deswegen muss dem Gläubiger ein eigenes Recht zustehen, die Auswechselung seines Schuldners zu verhindern. Ein solches Recht ergibt sich nach hier vertretener Auffassung aus § 333 BGB analog (§ 25 Rn 78 ff, § 26 Rn 37 ff sowie o. Rn 38).
IV. Anwendungsbereich 55 § 28 Abs. 3 setzt zunächst voraus, dass der bisherige Geschäftsinhaber bei Gründung der neuen Gesellschaft Kommanditist wird. Wird er dagegen bei der Gründung persönlich haftender Gesellschafter und zieht er sich erst danach auf die Stellung eines Kommanditisten zurück, so greift nicht § 28 Abs. 3, sondern § 160 Abs. 3 ein.135 Ist die neue Gesellschaft eine Kapitalgesellschaft, ist § 28 analog anwendbar, wenn der bisherige Gesellschafter zumindest mit 10 % beteiligt ist (s. Rn 22). 56 Ferner setzt § 28 Abs. 3 voraus, dass die neue Gesellschaft nach Maßgabe von § 28 Abs. 1 S. 1 für Altverbindlichkeiten des bisherigen Geschäftsinhabers haftet. § 28 Abs. 3 greift daher nicht ein, wenn die Gesellschaft nicht aus § 28 Abs. 1 S. 1 haftet (insbes. mangels Vorliegens einer der Voraussetzungen der Vorschrift, wegen eines Haftungsausschlusses nach § 28 Abs. 2 oder wegen einer Zurückweisung des gesetzlichen Schuldbeitritts der Gesellschaft durch den Gläubiger gem. § 333 BGB analog, s. Rn 38, 53). Auch eine Haftung aus einem anderen Rechtsgrund (z.B. einem rechtsgeschäftlichen Schuldbeitritt) genügt nicht. In diesen Fällen bleibt es bei einer bloßen Verjährung der Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers nach den allgemeinen Vorschriften (näher § 26 Rn 12). 57 Schließlich gelten für den Anwendungsbereich des § 28 Abs. 3 dieselben Einschränkungen wie im Falle des § 26 (s. dort Rn 13 ff). Insbes. greift die Vorschrift aufgrund einer teleologischen Reduktion dann nicht ein, wenn der Erwerber (wie z.B. im Falle einer Betriebsverpachtung) im Wesentlichen Inhaber des Betriebsvermögens bleibt, um nicht Haftungsvermeidungsstrategien Vorschub zu leisten.
V. Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 58 Ist der Anwendungsbereich von § 28 Abs. 3 eröffnet, richten sich die übrigen Voraussetzungen der Norm kraft ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung nach § 26 (s. dort Rn 17 ff). Das Eingreifen der Rechtsfolgen von § 28 Abs. 3 kann daher durch dieselben Maßnahmen wie bei § 26 vermieden werden. Einzige Besonderheit ist nach dem Wortlaut von § 28 Abs. 3 S. 1, dass die in § 26 Abs. 1 bestimmte fünfjährige Ausschlussfrist mit dem Ende des Tages beginnt, an dem die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen wird. Auf den Tag der Bekanntmachung der Eintragung kommt es hier ebenso wenig wie bei § 26 (dort Rn 19) an. Im Falle des Beitritts in eine bestehende Personenhandelsgesellschaft (Rn 23) ist auf den Tag der Eintragung des Bei-
134 Canaris Handelsrecht § 7 Rn 94. 135 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 42 aE. Burgard
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tritts (§§ 107, 161 Abs. 2, 162 Abs. 3) abzustellen. § 28 Abs. 3 S. 2 dient lediglich der Klarstellung im Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm (s. Rn 50).
VI. Rechtsfolgen von § 28 Abs. 3 Hinsichtlich des Gegenstandes, des Zeitpunkts und der Rechtsfolgen der Enthaftung gelten 59 ebenfalls die bei § 26 erläuterten Grundsätze (dort Rn 40 ff). Damit tritt insbes. ein Schuldnerwechsel hinsichtlich solcher (Teil-)Ansprüche aus (Dauer-)Schuldverhältnissen ein, die erst nach Ablauf der Fünfjahresfrist fällig werden. Das ist vor allem für etwaige Ruhegeldverpflichtungen des bisherigen Inhabers von zentraler Bedeutung. Zu beachten ist dabei allerdings die Übergangsregelung des Art. 37 Abs. 1 EGHGB.136 Da- 60 nach greift § 28 Abs. 3 n.F. für solche Altverbindlichkeiten nicht ein, die vor dem 26.3.1994 entstanden sind (insofern kommt es nach der Rechtsprechung des BAG für Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung auf den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage an, und zwar unabhängig davon, wann diese Ansprüche erdient wurden),137 wenn die Gesellschaft entweder vor diesem Datum eingetragen wurde oder die Verbindlichkeiten später als vier Jahre nach der Eintragung fällig werden. Auf später fällig werdende Verbindlichkeiten ist das bisherige Recht mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Verjährungsfrist ein Jahr beträgt. Das führt nach der Rechtsprechung des BAG dazu, dass der bisherige Inhaber weiterhin für solche Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung persönlich und unbeschränkt haftet, die auf einer Versorgungszusage beruhen, die vor dem 26.3.1994 erteilt wurde, wenn die Gesellschaft zwar nach diesem Datum eingetragen wurde (im entschiedenen Fall am 2.4.1998), die monatlichen (Teil-)Ansprüche aber erst vier Jahre nach der Eintragung der Gesellschaft (im entschiedenen Fall also nach dem 2.4.2002) fällig werden, sofern nicht hinsichtlich der monatlichen Teilansprüche die einjährige Verjährungsfrist nach Art. 37 Abs. 1 S. 2 EGHGB eingreift (im entschiedenen Fall betraf dies nur die monatlichen Teilansprüche bis einschließlich Dezember 2002, da die Klage im Januar 2004 erhoben wurde). In solchen Fällen ist mithin nach der Rechtsprechung des BAG eine persönliche und unbeschränkte „Endloshaftung“ des bisherigen Inhabers nach wie vor gegeben.138 Ferner ist § 28 Abs. 3 S. 3 zu beachten. Die Vorschrift ist § 160 Abs. 3 S. 3 nachgebildet. 61 Danach bleibt die Haftung des bisherigen Inhabers als Kommanditist unberührt. Das kann nur so verstanden werden, dass die Enthaftung nur die unbeschränkte Haftung des früheren Einzelkaufmanns (i.S.d. Rn 19) als Geschäftsinhaber betrifft, nicht aber seine auf die Einlage beschränkte Haftung als Kommanditist der neuen Gesellschaft. Da diese, wie von § 28 Abs. 3 S. 1 vorausgesetzt, für Altverbindlichkeiten des bisherigen Inhabers haftet, haftet auch dieser weiterhin für die Altverbindlichkeiten, allerdings nur als Kommanditist nach Maßgabe der §§ 171 ff. Anders gewendet tritt unter den Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 S. 1 i.V.m. § 26 zwar ein Schuldnerwechsel ein. Dieser führt jedoch nicht zu einer vollständigen Enthaftung des bisherigen Inhabers, sondern nur zu seiner Haftungsbeschränkung als Kommanditist. Altgläubiger können daher den bisherigen Inhaber auch noch nach Ablauf der Fünfjahresfrist insbes. dann als Kommanditist in Höhe seiner Einlage für Altverbindlichkeiten in Anspruch nehmen, wenn seine 136 Ruhestandsverhältnisse sind nach der Rechtsprechung des BAG nicht als fortbestehende Arbeitsverhältnisse i.S.d. Art. 37 Abs. 2 EGHGB anzusehen, BAG DB 2007, 2658; Langohr-Plato MDR 1996, 325 (327); aA MünchKommHGB/Lieb1 § 26 Rn 32 mwN; Blomeyer/Rolfs/Otto BetrAVG4 Anh. § 1 Rn 290 ausdrücklich aber nur für Art. 37 Abs. 3 EGHGB. 137 BAG DB 2007, 2658; BAGE 63, 260; vgl. auch BGHZ 108, 330. 138 Kritisch zu der Regelung des Art. 37 EGHGB sowie zu der fortbestehenden Möglichkeit einer Endloshaftung insbes. bei Pensionszusagen MünchKommHGB/Lieb1 § 28 Rn 21 ff, 27, 33 ff. Statt einer Anwendung von Art. 37 Abs. 1 S. 2 EGHGB schlägt er zur Vermeidung einer Endloshaftung die Anwendung von Art. 37 Abs. 2 S. 1 EGHGB vor; s.a. ders. GmbHG 1994, 657 (659, 661 f). 349
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persönliche Haftung gem. § 172 Abs. 4 wieder auflebt. Da das Gesetz auch keine Sonderverjährung vorsieht, kann sich der bisherige Geschäftsinhaber als Kommanditist in solchen Fällen nur auf die allgemeinen Verjährungsregeln berufen (§§ 161 Abs. 2, 129 Abs. 1).139 62 Eine vollständige Enthaftung des bisherigen Inhabers tritt nach Maßgabe der §§ 160 Abs. 1 und 2, 161 Abs. 2 ein, wenn er nach Gründung der Personenhandelsgesellschaft aus der Gesellschaft austritt.
VII. Analoge Anwendung bei Gründung einer Kapitalgesellschaft 63 Oben wurde dargelegt, dass § 28 analoge Anwendung findet, wenn der bisherige Inhaber sein Geschäft in eine neu gegründete (Rn 22) oder bestehende (Rn 23) Kapitalgesellschaft einbringt, an der er mit mindestens 10 % beteiligt ist. Was dies für § 28 Abs. 3 bedeutet ist ungeklärt. Da die Berechtigung dieser Regelung ohnehin zweifelhaft ist (s. Rn 53), könnte man die Ansicht vertreten, dass sich die analoge Anwendbarkeit von § 28 nicht auf Abs. 3 erstreckt. Dies würde jedoch dem Zweck des Nachhaftungsbegrenzungsgesetzes nicht gerecht, mag man dessen Berechtigung im Blick auf §§ 26, 28 Abs. 3 auch bezweifeln. Zudem werden diese Bedenken weitgehend ausgeräumt, wenn man den Altgläubigern mit der hier vertretenen Ansicht ein Zurückweisungsrecht analog § 333 BGB hinsichtlich des gesetzlichen Schuldbeitritts der Gesellschaft einräumt (s. § 25 Rn 78 ff, § 26 Rn 37 ff sowie oben Rn 38, 54). Vorzugswürdig erscheint es daher auch § 28 Abs. 3 auf diese Fälle analog anzuwenden. Das bedeutet: Wird der bisherige Geschäftsinhaber mit einer Beteiligung von wenigstens 10 % Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft und haftet diese daher analog § 28 Abs. 1 S. 1 für Altverbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers, so tritt eine Enthaftung des bisherigen Geschäftsinhabers entsprechend § 26 ein. Bei Gründung einer Kapitalgesellschaft ist für den Beginn der fünfjährigen Ausschlussfrist nach § 28 Abs. 1 S. 1 analog das Ende des Tages der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister maßgeblich. Im Falle des Beitritts in eine bestehende Kapitalgesellschaft kann dagegen nur auf den Tag des Wirksamwerdens des Anteilserwerbs abgestellt werden. Gem. § 28 Abs. 3 S. 2 ist es für die Enthaftung unerheblich, ob der bisherige Gesellschafter in der neuen Gesellschaft geschäftsführend tätig wird. Nach § 28 Abs. 3 S. 3 analog bleibt seine Haftung als Gesellschafter unberührt, was namentlich bei der GmbH eine Rolle spielen kann, wenngleich es sich in den meisten Fällen einer Gesellschafterhaftung um eine bloße Innenhaftung handelt, so dass ein Altgläubiger regelmäßig allenfalls im Wege der Pfändung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den bisherigen Inhaber auf diesen persönlich zugreifen kann.
F. Verhältnis zu anderen Vorschriften I. Grundsatz 64 § 28 enthält keine abschließende Haftungsregelung. Zwar verweist die Vorschrift anders als § 25 Abs. 3 nicht auf die Haftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes. Das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung ist aber allein darauf zurückzuführen, dass nach § 28 Abs. 1 unabhängig von der Fortführung der Firma gehaftet wird und deshalb die handelsübliche Bekanntmachung als Verpflichtungsgrund überflüssig ist. Die Haftung der Gesellschaft kann also nach anderen Vorschriften des Zivil- und Steuerrechts begründet sein (näher § 25 Rn 147 ff). Hervorzuheben ist hier insbes. die Haftung nach § 613a BGB.
139 Zum Vorstehenden MünchKommHGB/Thiessen Rn 41; GKzHGB/Steitz Rn 16 ff; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 43. Burgard
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II. § 613a BGB § 613a BGB findet auch auf die Einbringung eines Unternehmens in eine zu diesem Zweck neu 65 gegründete oder bereits bestehende Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft Anwendung.140 Das bedeutet für Arbeitsverhältnisse, anders als für Ruhestandsverhältnisse (Rn 66), dass sie zwingend (vorbehaltlich eines Widerspruchs der betroffenen Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 6 BGB) unter Enthaftung des bisherigen Inhabers (bis auf die in § 613a S. 2 BGB genannten Teilansprüche) auf die Gesellschaft übergeleitet werden. Diese, im Vergleich zu § 28 anders gearteten und weiterreichenden Rechtsfolgen überlagern und verdrängen entgegen der verfehlten Auffassung des BAG141 diejenigen des § 28 (näher § 25 Rn 86). In Bezug auf Ruhestandsverhältnisse bleibt § 28 dagegen anwendbar, da § 613a BGB inso- 66 fern keine Regelung trifft. Bei Ruhestandsverhältnissen kann sich eine Enthaftung jedoch aus § 28 Abs. 3 ergeben (näher dazu Rn 60).
140 BAG AP BetrAVG § 7 Nr. 56 Bl. 5; MünchKommBGB/Müller-Glöge § 613a Rn 55; Staudinger/Annuß § 613a BGB Rn 64 f. 141 BAGE 64, 62 = ZIP 1990, 939 m. abl. Anm. Lieb EzA § 28 HGB Nr. 1. 351
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§ 29 Jeder Kaufmann ist verpflichtet, seine Firma, den Ort und die inländische Geschäftsanschrift seiner Handelsniederlassung bei dem Gericht, in dessen Bezirke sich die Niederlassung befindet, zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.
Schrifttum 1. Seit der Handelsrechtsreform Bielfeldt Die Prüfung von Handelsregisteranmeldungen, RpflStud 2007, 78; Frenz Das Handelsregisterverfahren nach dem Handelsrechtsreformgesetz, ZNotP 1998, 178; Giehl Auswirkungen des Handelsrechtsreformgesetzes auf die notarielle Praxis, MittBayNot 1998, 293; Gustavus Das Handelsrechtsreformgesetz, NotBZ 1998, 121; ders. Änderungen bei Handelsregister-Anmeldungen durch das ERJuKoG, NotBZ 2002, 77; Heidinger Die Zeichnung zum Handelsregister nach dem neuen § 29 HGB, Rpfleger 1999, 118; Horn Umwandlung der BGB-Gesellschaft in eine OHG durch Handelsregistereintragung, BuW 2001, 294; Kohler-Gehrig Die Eintragung von Unternehmen der Gemeinden in das Handelsregister, Rpfleger 2000, 45; Kornblum Zu den Änderungen des Registerrechts im Regierungsentwurf des Handelsrechtsreformgesetzes, DB 1997, 1217; Ries Elektronisches Handels- und Unternehmensregister, Rpfleger 2006, 233; H. Schmidt „– unter Angabe der Firma –“, ZNotP 1998, 483; Schulte/Warnke Vier Jahre nach der HGBReform, GmbHR 2002, 626; Stumpf Das Handelsregister nach der HGB-Reform, BB 1998, 2380; Terbrack Die Anmeldung einer Aktiengesellschaft zum Handelsregister, Rpfleger 2005, 237. S. ferner das Schrifttum zu § 31.
2. Vor der Handelsrechtsreform Beck Die Richtigkeit der Firmenzeichnung zur Aufbewahrung bei Gericht, BB 1962, 1265; George Kaufmann und Handelsregister, BB 1959, 255; Lessing/Öztan Handelsregisterrecht in der Rechtsvergleichung, RpflStud 1989, 84; Pahl Haftungsrechtliche Folgen versäumter Handelsregistereintragungen und Bekanntmachungen, 1987; Tiedtke Änderung der Kostenordnung in Handelssachen, MittBayNot 1997, 14; Winkler Zum Firmeneintragungsverfahren und Firmenmißbrauchsverfahren und deren jeweiliger Aussetzung, DNotZ 1989, 245. S. ferner das Schrifttum zu § 31.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
B.
Die Anmeldepflicht
I.
Person des Anmeldepflichtigen
II.
Entstehen und Durchsetzung der Anmeldepflicht 8
III.
Inhalt und Form der Anmeldung
C.
Zuständigkeit und Aufgaben des Registergerichts
I.
Zuständigkeit
II. 1. 2.
Aufgaben 12 Prüfung der Anmeldung Eintragung und Bekanntmachung
1 10
2
4 5
7
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-016
11
15
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 29
A. Grundlagen I. Norminhalt § 29 begründet für Einzelkaufleute die Pflicht zur erstmaligen Anmeldung ihrer Firma, des Orts 1 und der inländischen Geschäftsanschrift ihrer Hauptniederlassung zur Eintragung bei dem zuständigen Registergericht.
II. Entstehungsgeschichte Die Norm geht auf Art. 19 ADHGB zurück und gilt im Wesentlichen seither unverändert. Aller- 2 dings hatte die Vorschrift ursprünglich einen zweiten Halbsatz, der seit Inkrafttreten des HGB lautete: „er hat seine Firma zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen.“ Im Rahmen der Handelsrechtsreform wurde dieser zweite Halbsatz zunächst wie folgt neu gefasst: „er hat seine Namensunterschrift unter Angabe der Firma zur Aufbewahrung bei dem Gericht zu zeichnen.“1 Schließlich wurde der zweite Halbsatz durch das Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.20062 ganz gestrichen. Dies wurde damit begründet, dass die elektronische Führung des Handelsregisters zwar auch eingescannte Unterschriften digital aufnehmen könne. Doch würde in diesem Fall eine Echtheitsprüfung nicht mehr mit hinreichender Sicherheit stattfinden können. Die Online-Präsentation eingescannter Unterschriften würde überdies zu einem Missbrauchsrisiko führen, da diese digitale Grafik für jedermann verfügbar wäre. Vor die Alternative gestellt, nur wegen der Unterschrift ein zweites Handelsregister in herkömmlicher Papieraktenform zu führen oder das Erfordernis einer Unterschriftszeichnung aufzugeben, sei Letzteres vorzuziehen. Zusätzlich stehe zu erwarten, dass die elektronische Signatur die eigenhändige Namensunterschrift im Geschäftsverkehr ablösen werde.3 Zuletzt wurde § 29 durch Art. 3 Nr. 7 des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts 3 und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG)4 dahingehend ergänzt, dass nunmehr auch die inländische Geschäftsanschrift anzumelden ist. Diese Neuregelung steht im Zusammenhang mit den Änderungen in §§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 10 GmbHG, §§ 37 Abs. 3 Nr. 1, 39 AktG, §§ 13, 13d,13e, 13f, 13g, 106 Abs. 2 Nr. 2, 107. Durch die Eintragung einer inländischen Geschäftsanschrift soll eine Zustellungserleichterung zu Gunsten der Gläubiger bewirkt werden.5 Allerdings war schon bisher gem. § 24 Abs. 2 S. 1 HRV a.F. die Lage der Geschäftsräume, also die Anschrift bei der Anmeldung anzugeben. Auch war diese Anmeldepflicht schon bisher im Wege des § 125 Abs. 3 FGG a.F. i.V.m. § 14 durchsetzbar. Die Registergerichte wurden allerdings nur tätig, wenn sie Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung hinsichtlich der Mitteilung der Anschrift bzw. ihrer Änderung hatten. Dadurch war nach Auffassung des Gesetzgebers die Richtigkeit der Anschriften und von Anschriftenänderungen nicht ausreichend sichergestellt, weswegen sie nach § 34 HRV a.F. auch nur mit dem Zusatz „ohne Gewähr“ veröffentlicht wurden. Zudem war die Anschrift bisher nicht Registerinhalt.6 Allein darin liegt der ganze Fortschritt der Änderung des § 29. Zu bedenken ist nämlich hier, dass sich der Anwendungsbereich von § 29 auf die erstmalige (für Änderungen gilt § 31) Anmeldung von Einzelkaufleuten beschränkt
1 2 3 4 5 6
Zur Begr. s. RegE BT-Drucks. 13/8444, 57. BGBl. I, 2553; kritisch hierzu Spindler WM 2006, 109 (115 f). Begr. RegE BT-Drucks. 16/960, 47. Kritisch hierzu Ries Rpfleger 2006, 233 (235 f). BGBl. I, 2026, 2033. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 49. S.a. OLG Schleswig-Holstein – 2 W 90/10, ZInsO 2010, 1157 Rn 27. Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 35.
353
Burgard
§ 29
1. Buch. Handelsstand
(Rn 5 f) und natürliche Personen regelmäßig einen über das Einwohnermeldeamt des Wohnorts (§ 40 Nr. 3 lit. b HRV) feststellbaren zustellungsfähigen Wohnsitz verfügen. Zudem wurde die Durchsetzbarkeit der Anmeldepflicht für Einzelkaufleute nicht verbessert, da die „Sanktionsnorm“ des § 15a i.V.m. § 185 Nr. 2 ZPO n.F. nur für juristische Personen und daher weder für Personenhandelsgesellschaften noch für Einzelkaufleute gilt, was mit der persönlichen Haftung begründet wurde.7 Für natürliche Personen als Gesellschafter und Einzelkaufleute verbleibt es daher bei der Regelung des § 185 Nr. 1 ZPO. Wenngleich sich also die Auswirkungen der Änderung des § 29 in engen Grenzen halten,8 so war sie doch aus systematischen Gründen – nämlich nicht zuletzt im Blick auf die entsprechende Ergänzung des § 31 – geboten. Zum Übergangsrecht s. Anh. zu § 29.
III. Normzweck 4 Anmeldung und Eintragung dienen der Offenlegung verkehrswesentlicher Merkmale kaufmännischer Unternehmen. Die Anmeldepflicht ist, wie auch § 14 zeigt, öffentlich-rechtlicher Natur. Sie besteht im Allgemeininteresse. Der Schutz einzelner Personen ist weder Haupt- noch Nebenzweck. § 29 ist daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB.9
IV. Anwendungsbereich 5 Nach dem Wortlaut des § 29 ist „jeder Kaufmann“ zur Anmeldung verpflichtet. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Nicht-Kaufleute, insbes. Kleingewerbetreibende, keine Anmeldepflicht trifft. Kleingewerbetreibende sind lediglich gem. § 2 zu einer Anmeldung berechtigt. Dasselbe gilt gem. § 3 Abs. 2 für Land- und Forstwirte. Anders gewendet trifft die Anmeldepflicht nur Istkaufleute, nicht Kannkaufleute.10 Strebt jedoch ein Kleingewerbetreibender oder ein Land- bzw. Forstwirt eine Eintragung an, dann muss die Anmeldung nach Inhalt und Form den Anforderungen des § 29 (u. Rn 10) genügen. § 29 gilt nur für die erstmalige Anmeldung. Für Änderungen greift § 31 ein. Zudem bestehen 6 zahlreiche Sondervorschriften, die als leges speciales § 29 verdrängen. Die erstmalige Anmeldepflicht richtet sich: – für Personenhandelsgesellschaften nach §§ 106, 108, 161 Abs. 2, 162, – für Kapitalgesellschaften nach §§ 36 ff, 278 Abs. 3, 282 AktG, 7 ff GmbHG, – für den VVaG nach § 185 Abs. 1 VAG, – für die EWIV nach § 2 Abs. 1 und 2 EWIVAG, – für die SE nach §§ 3, 21 Abs. 1 SEAG i.V.m. §§ 36 ff AktG, – für die SCE nach §§ 3, 17 SCEAG i.V.m. §§ 36 ff AktG, – für juristische Personen i.S.d. § 33 nach dieser Vorschrift und – für Zweigniederlassungen nach §§ 13, 13d ff. Genossenschaften sind nach §§ 10 ff GenG in das Genossenschaftsregister, Partnerschaftsgesellschaften gem. §§ 4 f PartGG in das Partnerschaftsregister einzutragen. 6a Damit beschränkt sich der Anwendungsbereich von § 29 auf die erstmalige Anmeldung der Firma und des Orts der Hauptniederlassungen eines Einzelkaufmanns.
7 S. hierzu Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 50 f. 8 Vgl. auch Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 49: bloß „faktisch wirkende Zustellungserleichterung“. 9 RGZ 72, 408 (411); statt vieler BeckOK-HGB/Bömeke Rn 1 mwN. 10 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 1. Burgard
354
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 29
B. Die Anmeldepflicht I. Person des Anmeldepflichtigen Kaufmann ist der Betreiber des Handelsgewerbes. Er muss mit dem Eigentümer der im Unter- 7 nehmen zusammengefassten Sachen und Inhaber der zugehörigen Rechte nicht identisch sein. Deshalb ist, wenn ein Unternehmen verpachtet wird, der Pächter und nicht der Verpächter nach § 29 anmeldepflichtig.11 Den Verpächter kann allerdings die Anmeldepflicht des § 31 treffen; vgl. dort Rn 13.
II. Entstehen und Durchsetzung der Anmeldepflicht Die Anmeldepflicht entsteht, sobald die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllt sind. Zuvor 8 besteht keine Anmeldepflicht (s.o. Rn 5).12 Kommt der Kaufmann seiner Pflicht zur Anmeldung nicht nach, so ist er hierzu gem. § 14 9 durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten. Andere Mittel zur Durchsetzung der Anmeldepflicht nach § 29 stehen dem Gericht nicht zu.13
III. Inhalt und Form der Anmeldung Anzumelden sind: 10 – die Firma, § 29 i.V.m. § 40 Nr. 2 lit. a HRV, – der Kaufmann mit seinem Vornamen, Familiennamen, Geburtsdatum und Wohnort, § 29 i.V.m. § 40 Nr. 3 lit. b HRV sowie – der Ort und die inländische Geschäftsanschrift14 seiner Handelsniederlassung, § 29 i.V.m. § 40 Nr. 2 lit. b HRV. Handelsniederlassung ist die Hauptniederlassung. Sie befindet sich an dem Ort, an dem auf Dauer die Geschäftsleitung als der Schwerpunkt unternehmerischer Tätigkeit eingerichtet ist (§ 13 Rn 14).15 Der Wohnsitz des Kaufmanns (§ 7 BGB) ist nur dann als Ort der Handelsniederlassung anzusehen, wenn es ansonsten keinen besonderen, auf Dauer angelegten Ausgangspunkt der kaufmännischen Tätigkeit gibt (z.B. Reisegewerbe). Die Geschäftsanschrift ist genau anzugeben, d.h. Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort (sowie erforderlichenfalls weitere Präzisierungen wie Hinterhaus oder Ortsteil). Die Angabe eines Postfachs reicht nicht aus.16 Überdies hat das Registergericht nach § 24 Abs. 4 HRV darauf hinzuwirken, dass bei der Anmeldung auch der Unternehmensgegenstand angegeben wird, soweit er sich nicht aus der Firma ergibt. Diese Angabe ist zwar nicht einzutragen, aber nach Maßgabe von § 34 HRV in der Bekanntmachung anzugeben. Schließlich können in Ausnahmefällen weitere Angaben – etwa zum Beleg einer Firmenfortführung nach §§ 22, 24, wenn der vorherige Inhaber pflichtwidrig nicht in das Han-
11 OLG München JFG 14, 94; OLG Köln NJW 1963, 541; LG Nürnberg-Fürth BB 1976, 810; siehe auch BeckOK-HGB/ Bömeke Rn 5. 12 Näher MünchKommHGB/Krafka Rn 12. 13 Statt anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11 mwN. 14 Dazu OLG Düsseldorf FGPrax 2015, 66. 15 OLG Hamm BB 1958 (1001); OLG Hamm – 27 W 11/21, FGPrax 2021, 164 (165). Gemäß einer Entscheidung des OLG Naumburg müssen unter der angegebenen Adresse insbesondere auch Ersatzzustellungen möglich sein OLG Naumburg – 5 Wx 4/09, RNotZ 2009, 614; MünchKommHGB/Krafka Rn 8. 16 Vgl. OLG Naumburg – 5 Wx 4/09, RNotZ 2009, 614 (615). 355
Burgard
§ 29
1. Buch. Handelsstand
delsregister eingetragen war – erforderlich sein.17 Hinsichtlich der Form hat die Anmeldung § 12 zu genügen. Ein bestimmter Wortlaut ist nicht vorgeschrieben.18 Vertretung ist zulässig.19
C. Zuständigkeit und Aufgaben des Registergerichts I. Zuständigkeit 11 Sachlich zuständig für das Eintragungsverfahren ist das Amtsgericht (§§ 374 Nr. 1, 376 FamFG [§ 125 FGG a.F.], § 8 Abs. 1). Örtlich zuständig ist gem. § 29 das Gericht, in dessen Bezirk die Hauptniederlassung liegt. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 lit. d RpflG i.V.m. §§ 374 f FamFG [§§ 125 ff FGG a.F.]).
II. Aufgaben 1. Prüfung der Anmeldung 12 Die Anmeldung der Firma ist in formeller und materieller Hinsicht zu prüfen (näher § 8 Rn 79 ff).20 Formell prüft das Gericht insbes. seine Zuständigkeit, die Form nach § 12 sowie die Vollständigkeit der Anmeldung. Ist die Anmeldung unvollständig oder steht der Eintragung ein anderes behebbares Hindernis entgegen, so hat das Gericht zur Behebung des Hindernisses dem Antragsteller gem. § 382 Abs. 4 S. 1 FamFG i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 HRV unverzüglich eine Frist zur Beseitigung des Hindernisses zu setzen (sog. Zwischenverfügung). Bei der materiellen Prüfung liegt der Schwerpunkt auf der Firmenfähigkeit des Anmelders (dazu § 17 Rn 9 ff) und der Zulässigkeit der Firmenbildung (dazu Erl. zu §§ 18, 19, 30).21 In beiderlei Hinsicht hat allerdings die Handelsrechtsreform Erleichterung gebracht: Da die frühere Unterscheidung zwischen firmenfähigen Vollkaufleuten und nicht firmenfähigen Minderkaufleuten mit der Aufhebung von § 4 Abs. 1 a.F. entfallen ist, besteht heute regelmäßig kein Anlass mehr, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 zu prüfen, da im Eintragungsantrag ggf. die Ausübung des Wahlrechts nach § 2 S. 1 gesehen werden kann.22 Zudem sind die neuen Firmenbildungsvorschriften erheblich großzügiger, wobei gem. § 18 Abs. 2 S. 2 die Eignung zur Irreführung im Verfahren vor dem Registergericht sogar nur berücksichtigt werden darf, wenn sie „ersichtlich“ ist (näher § 18 Rn 50 ff). 13 Kommt das Registergericht zu dem Ergebnis, dass die Firma unzulässig ist, kann es den Eintragungsantrag gem. § 382 Abs. 3 FamFG zurückweisen. In der Regel ist aber – da bereits in der Anmeldung ein Gebrauch der Firma zu sehen ist, die den Willen des Anmeldenden erkennen lässt, die Bezeichnung dauerhaft als Handelsnamen zu verwenden (s. § 37 Rn 15 ff) – ein Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 392 FamFG [§ 140 FGG a.F.] einzuleiten; denn nur auf diese Weise kann ein weiterer Gebrauch der Firma verhindert werden (näher § 37 Rn 48).23 In diesem Fall ist das Eintragungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
17 S. MünchKommHGB/Krafka Rn 10. 18 OLG Hamm FPrax 2005, 39 (40); Krafka RegisterR Rn 76; MünchKommHGB/Krafka Rn 11; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 7. GKzHGB/Steitz Rn 7. RGZ 127, 153 (155); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; MünchKommHGB/Krafka Rn 14 mwN. KG Rpfleger 1974, 225; Winkler MittBayNot 1970, 73 ff. MünchKommHGB/Krafka Rn 14. BayObLG DB 1988, 1487; Hopt/Merkt Rn 4; MünchKommHGB/Krafka Rn 15.
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 29
Firmenmissbrauchsverfahren auszusetzen, um widersprüchliche Entscheidungen zu verhindern.24 Gegen die Ablehnung der beantragten Eintragung kann der Antragsteller – ebenso wie ge- 14 gen eine Zwischenverfügung – das Rechtsmittel der Beschwerde (§§ 58 ff FamFG, § 11 RpflG) einlegen. Die Frist hierfür beträgt nach § 63 Abs. 1 FamFG einen Monat. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts (Oberlandesgericht, § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG n.F.) ist nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 70 FamFG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gegeben.
2. Eintragung und Bekanntmachung Ist die Anmeldung formell und materiell ordnungsgemäß, so kann und muss das Gericht die 15 beantragte Eintragung gem. § 25 Abs. 1 HRV vornehmen. Für jeden Einzelkaufmann wird gem. § 13 HRV ein eigenes Registerblatt angelegt. Was im Einzelnen einzutragen ist, regelt § 40 HRV. Nicht einzutragen ist der Unternehmensgegenstand, soweit er sich nicht aus der Firma ergibt (dazu Rn 10). Die Eintragung ist dem Anmelder bekannt zu geben; auf die Bekanntgabe kann verzichtet werden, § 383 Abs. 1 FamFG. Der Industrie- und Handelskammer sowie ggf. der Handwerkskammer und der Landwirtschaftskammer ist (auch über Geschäftsräume und den Unternehmensgegenstand) gem. § 37 Abs. 1 HRV Mitteilung zu machen. Der Wortlaut der Bekanntmachung deckt sich grundsätzlich mit dem der Eintragung (§ 10, 16 § 27 HRV). Der Unternehmensgegenstand ist mit dem Zusatz „ohne Gewähr“ zu veröffentlichen (§ 34 HRV). Die Veröffentlichung der Eintragung ist unverzüglich zu veranlassen (§ 32 HRV).
24 BayOblGZ 1988, 128 (129) = NJW-RR 1988, 100; Hopt/Merkt Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; Oetker/Schlingloff Rn. 5; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 14. 357
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Anhang zu § 29 Achtundzwanzigster Abschnitt Übergangsvorschriften zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Art. 65 EGHGB Die Pflicht, die inländische Geschäftsanschrift bei dem Gericht nach den §§ 13, 13d, 13e, 29 und 106 des Handelsgesetzbuchs in der ab dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. Oktober 2008 (BGBl. I S. 2026) am 1. November 2008 geltenden Fassung zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, gilt auch für diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt bereits in das Handelsregister eingetragen sind, es sei denn, die inländische Geschäftsanschrift ist dem Gericht bereits nach § 24 Abs. 2 oder Abs. 3 der Handelsregisterverordnung mitgeteilt worden und hat sich anschließend nicht geändert. In diesen Fällen ist die inländische Geschäftsanschrift mit der ersten das eingetragene Unternehmen betreffenden Anmeldung zum Handelsregister ab dem 1. November 2008, spätestens aber bis zum 31. Oktober 2009 anzumelden. Wenn bis zum 31. Oktober 2009 keine inländische Geschäftsanschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet worden ist, trägt das Gericht von Amts wegen und ohne Überprüfung kostenfrei die ihm nach § 24 Abs. 2, bei Zweigniederlassungen die nach § 24 Abs. 3 der Handelsregisterverordnung bekannte inländische Anschrift als Geschäftsanschrift in das Handelsregister ein; in diesem Fall gilt bei Zweigniederlassungen nach § 13e Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs die mitgeteilte Anschrift zudem unabhängig von dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Eintragung ab dem 31. Oktober 2009 als eingetragene inländische Geschäftsanschrift, wenn sie im elektronischen Informations- und Kommunikationssystem nach § 9 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs abrufbar ist. Ist dem Gericht keine Mitteilung im Sinne des § 24 Abs. 2 oder Abs. 3 der Handelsregisterverordnung gemacht worden, ist ihm aber in sonstiger Weise eine inländische Geschäftsanschrift bekannt geworden, so gilt Satz 3 mit der Maßgabe, dass diese Anschrift einzutragen ist, wenn sie im elektronischen Informations- und Kommunikationssystem nach § 9 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs abrufbar ist. Dasselbe gilt, wenn eine in sonstiger Weise bekannt gewordene inländische Anschrift von einer früher nach § 24 Abs. 2 oder Abs. 3 der Handelsregisterverordnung mitgeteilten Anschrift abweicht. Eintragungen nach den Sätzen 3 bis 5 werden abweichend von § 10 des Handelsgesetzbuchs nicht bekannt gemacht.
Zur Erläuterung dieser Übergangsvorschrift verweist die Begründung des Regierungsentwurfs auf die Ausführungen zu der entsprechenden Vorschrift des § 3 Abs. 1 EGGmbHG.1 Dort heißt es: „Die in diesem Gesetz neu vorgesehenen Anmeldungsverpflichtungen bzgl. einer inländischen Geschäftsanschrift erfordern eine Regelung, ob und ggf. bis zu welchem Zeitpunkt die bereits im Handelsregister eingetragenen Gesellschaften dieser Pflicht nachzukommen haben. Da dem Registergericht aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 2 und 3 HRV die Lage der Geschäftsräume bereits mitgeteilt worden sein sollte, besteht eine Anmeldepflicht für diese Gesellschaften nur dann, wenn bislang noch keine inländische Anschrift mitgeteilt worden ist oder sich eine Änderung ergeben hat. Zudem kann die GmbH eine von der mitgeteilten Lage der Geschäftsräume abweichende Geschäftsanschrift anmelden (vgl. Begründung zu Artikel 1 Nr. 9 Buchstabe d). Der Pflicht zur Anmeldung der inländischen Geschäftsanschrift ist grundsätzlich zusammen mit der ersten die Gesellschaft betreffenden Anmeldung zum Handelsregister nachzukommen. Hier sollte auch vom Notar bei der Beglaubigung der Anmeldung darauf geachtet werden, dass dies korrekt erledigt wird, um fehlerhafte Anmeldungen, Zwischenbescheide und dadurch Eintragungsverzögerungen zu vermeiden. Spätestens muss die „Nachmeldung“ bis zum 31. März 2009 erfolgen. Die Übergangsfrist vermeidet eine übermäßige Belastung sowohl der Register als auch der mittelständischen Wirtschaft. Ein vollständiger Verzicht auf eine feste Übergangsfrist für „Nachmeldungen“ ist demgegenüber angesichts der beabsichtigten Verbesserung des Gläubigerschutzes nicht möglich, da andernfalls insbes. die Wirkungen des § 185 Nr. 2 ZPO-E (vgl. Artikel 8) möglicherweise auf längere Zeit nicht eingreifen bzw. unterlaufen werden könnten. Nach Ablauf der Übergangsfrist tragen die Registergerichte die ihnen mitgeteilten inländischen Anschriften ohne inhaltliche Prüfung als Geschäftsanschrift der Gesellschaft ein; die Eintragung erfolgt kostenfrei und eine beson-
1 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 51. Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-017
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dere Bekanntmachung nach § 10 HGB findet nicht statt. Auch auf diese Weise wird die Belastung in Grenzen gehalten. Zudem gilt eine dem Registergericht mitgeteilte Geschäftsanschrift, die im Handelsregister (über die Unternehmensträgerdaten) abrufbar ist, unabhängig von dem Datum ihrer tatsächlichen Eintragung im Handelsregister ab dem 31. März 2009 als eingetragene Geschäftsanschrift der GmbH. Es wird damit den Registergerichten ein gewisser Spielraum gegeben, die Umtragung gestreckt über einen angemessenen Zeitraum vorzunehmen. Die Geltung der mitgeteilten Geschäftsanschrift hilft, eine ungerechtfertigte Privilegierung einzelner Gesellschaften aufgrund solcher Verzögerungen bei der Eintragung zu vermeiden.“2
2 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 48. 359
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§ 30 (1) Jede neue Firma muß sich von allen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und in das Handelsregister oder in das Genossenschaftsregister eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden. (2) Hat ein Kaufmann mit einem bereits eingetragenen Kaufmanne die gleichen Vornamen und den gleichen Familiennamen und will auch er sich dieser Namen als seiner Firma bedienen, so muß er der Firma einen Zusatz beifügen, durch den sie sich von der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidet. (3) Besteht an dem Ort oder in der Gemeinde, wo eine Zweigniederlassung errichtet wird, bereits eine gleiche eingetragene Firma, so muß der Firma für die Zweigniederlassung ein der Vorschrift des Absatzes 2 entsprechender Zusatz beigefügt werden. (4) Durch die Landesregierungen kann bestimmt werden, daß benachbarte Orte oder Gemeinden als ein Ort oder als eine Gemeinde im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sind.
Schrifttum Blumers Zur Firma der GmbH & Co. KG, BB 1977, 970; Bülow Zwei Aspekte im neuen Handelsrecht: Unterscheidungskraft und Firmenunterscheidbarkeit, DB 1999, 269; Grossfeld/Neumann Zur Zulässigkeit der Umfirmierung einer Genossenschaftsbank in „Volksbank eG“, ZfgG 1980, 171; Hacker/Lilien-Waldau, von Kompetenzen des Insolvenzverwalters zur Umfirmierung der insolventen Gesellschaft NZI 2017, 787; O. Hahn Zulässigkeit der Firmierung als „Schöninger Genossenschaftsbank-Volksbank“? ZfgG 1993, 316; Hörstel Kollision von Familiennamen im geschäftlichen Verkehr, GRUR 1965, 408; Jurick Zur Unterscheidbarkeit der Fa. einer GmbH & Co. KG, DB 1974, 1753; Kieser/Leinekugel Die firmen- und kennzeichenrechtliche Behandlung von Filialapotheken und Versandapotheken, ApoR 2004, 61; Kögel Die deutliche Unterscheidbarkeit von Firmennamen, Rpfleger 1998, 317; Kögel Gilt der Grundsatz der deutlichen Unterscheidbarkeit auch zwischen Firmen- und Vereinsnamen? RPfleger 2012, 131; Körner Firma einer GmbH, Co KG, BB 1976, 1575; Kreimer Ist die beigefügte Ordinalzahl ein unterscheidungskräftiger Firmenzusatz? Rpfleger 1980, 388; Leuering Die Änderung der Firma zwecks übertragender Sanierung NJW 2016, 3265; D. Möller Probleme der Individualisierung und Verwechselungsfähigkeit von Sachfirmen, BB 1993, 308; Parmentier/Steer Die Konzernfirma nach dem Ende der Unternehmensverbindung, GRUR 2003, 196; K. Schmidt Die freiberufliche Partnerschaft, NJW 1995, 1; Seydel Der örtliche Schutzbereich der Firma und Geschäftsbezeichnung, NJW 1952, 1197; Wessel Probleme bei der Firmierung der GmbH & Co, BB 1984, 1710; Westermeier Zur Übernahme des Namens einer Partnerschaftsgesellschaft in die Firma einer Tochtergesellschaft, MittBayNot 2004, 205. S. ferner das Schrifttum zu §§ 18, 19.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV. 1. 2.
Verhältnis zu anderen Vorschriften Vorschriften zum Schutz des Firmeninha5 bers 7 Verhältnis zu § 18
B.
Voraussetzungen des § 30 Abs. 1
I.
Jede neue Firma
8
1. 2.
Geltung für alle Firmen 9 Neue Firma
II. 1. 2.
Bestehende und eingetragene Firma 16 Bestand der Firma 18 Eintragung
III.
An demselben Ort oder in derselben Ge21 meinde 22 Begriff Ort und Gemeinde Nachträgliche Änderung von Orts- und Gemein23 degrenzen
1 2
15
3
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1. 2.
IV. 1.
Deutliche Unterscheidbarkeit 24 Begriff
360
§ 30
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
2.
3.
Beurteilungshorizont und Beurteilungsgegenstand a) Meinungsstand in Rechtsprechung und in 27 Literatur 28 b) Literatur 29 c) Stellungnahme Einzelfragen 31 a) Firmenzusätze 33 b) Geographische Zusätze 34 c) Mehrheit von Unterschieden 35 d) Personenfirmen 37 e) Sachfirmen 38 f) Phantasiefirmen g) Firmierung von Tochtergesellschaf39 ten
4.
Einzelfälle a) Keine deutliche Unterscheidbar40 keit b) Hinreichend deutliche Unterscheidbar41 keit
C.
Gleichnamiger Kaufmann, Abs. 2
D.
Gleichnamige Zweigniederlassung, 43 Abs. 3
E.
Benachbarte Orte, Abs. 4
F.
Verfahren und Durchsetzung
42
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A. Grundlagen I. Norminhalt § 30 Abs. 1 verlangt, dass sich jede neue Firma von allen anderen am selben Ort oder in dersel- 1 ben Gemeinde eingetragenen Firmen deutlich unterscheiden muss. Anders als nach § 18 Abs. 1 (dort Rn 16 ff) reicht hierfür abstrakte Unterscheidungskraft nicht aus. Erforderlich ist vielmehr konkrete Unterscheidbarkeit (Rn 24 ff). Diese als Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit oder Grundsatz der Firmenausschließlichkeit bezeichnete Regel konkretisiert Abs. 2 für Personenfirmen und Abs. 3 für Zweigniederlassungsfirmen beispielhaft. Abs. 4 eröffnet die Möglichkeit, den für die Anwendung maßgeblichen räumlichen Bereich zu erweitern.
II. Entstehungsgeschichte § 30 Abs. 1 und 2 geht auf Art. 20 ADHGB zurück, der lediglich noch nicht die klarstellende 2 (Rn 18) Erweiterung auf das Genossenschaftsregister enthielt. Diese wurde in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung1 durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Erwerbsund Wirtschaftsgenossenschaften vom 9.10.19732 aufgenommen. § 30 Abs. 3 entspricht Art. 21 Abs. 2 ADHGB. § 30 Abs. 4 wurde mit dem HGB geschaffen und damit begründet, dass „die Straßenzüge benachbarter Orte vielfach völlig ineinander übergehen“.3 Hiervon abgesehen sei es weder erforderlich noch durchführbar, den Firmenschutz in räumlicher Beziehung über den Ort der Gemeinde der Niederlassung auszudehnen. Soweit es um die unredliche Benutzung gleich oder ähnlich lautender Firmen gehe, greife das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ein (zur insoweit heute geltenden Rechtslage Rn 5 f, Anh. II zu § 37 Rn 70).
III. Normzweck Die Regelung bezweckt, der Verwechselungsgefahr vorzubeugen, die von identischen oder nicht 3 hinlänglich unterschiedlichen Firmen ausgeht. Daran hat zunächst der Inhaber der älteren Firma 1 Begr. RegE BT-Drucks. 7/97, 32. 2 BGBl. I, 1451. 3 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 40 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 982. 361
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ein berechtigtes Interesse. Doch ist nicht sein Schutz Ziel des Gesetzes; es geht vielmehr um den Schutz des Rechtsverkehrs vor verwechselungsfähigen Firmen. § 30 dient also dem Schutz des öffentlichen Interesses. Das ist trotz einer gewissen Unschärfe der Gesetzesmaterialien4 seit langem und zu Recht anerkannt;5 denn nur das öffentliche Interesse kann es rechtfertigen, dass das Registergericht seine Tätigkeit von Amts wegen und unter Einsatz der ihm verliehenen Zwangsmittel entfaltet (näher Rn 46). Fraglich kann allenfalls sein, ob der Schutz des besser Berechtigten, d.h. des mit seiner Firma bereits Eingetragenen als Nebenzweck des Gesetzes einzuordnen ist. Auch das trifft jedoch nicht zu, weil der Schutz des Individualinteresses ausschließlich Sache des Berechtigten ist (Rn 5 f). Aus § 37 Abs. 2 folgt nichts anderes, weil auch die Unterlassungsklage nur der Durchsetzung des öffentlichen Interesses an richtiger Firmenführung dient (§ 37 Rn 4 f). Der Schutz des Berechtigten ist also zwar Nebenfolge, aber weder Haupt- noch Nebenzweck des Gesetzes. Dem Schutz des Berechtigten dienen vielmehr die §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (dazu Anh. I und II zu § 37), und zwar insofern erheblich besser als § 30, als diese nicht dessen Beschränkungen aufweisen (s. auch Rn 5, 12). 4 Der Sinn der Beschränkung auf an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehende und eingetragene Firmen besteht zum einen darin, den Kreis der Vergleichsfirmen, die das Registergericht bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hat, fest zu umgrenzen. Insbes. sollen dem Registergericht Nachforschungen außerhalb des Registers erspart bleiben.6 Zum anderen identifiziert der Rechtsverkehr den Träger eines Unternehmens und dieses selbst nicht nur durch die Firma, sondern auch durch die Niederlassung oder den Sitz, so dass es für den Schutz des Publikums ausreicht, die Firmenunterscheidbarkeit in den Fällen sicherzustellen, in denen dieses zweite Individualisierungsmerkmal nicht zur Verfügung steht.7 Und zum Dritten besteht mit erloschenen Firmen grundsätzlich (s. aber § 18 Rn 39) keine Verwechselungsgefahr.
IV. Verhältnis zu anderen Vorschriften 1. Vorschriften zum Schutz des Firmeninhabers 5 Den Individualschutz eines besserberechtigten Firmeninhabers gewährleisten die §§ 12, 823 Abs. 1 BGB (dazu Anh. I zu § 37) und vor allem die §§ 5, 15 MarkenG (dazu Anh. II zu § 37).8 Für diese Vorschriften gilt insbes. die in § 30 enthaltene räumliche Begrenzung nicht. Das wäre sachwidrig, weil die Verletzung des Namensrechts bzw. von Unternehmenskennzeichen nicht entsprechend lokalisierbar ist. Wegen der unterschiedlichen Schutzrichtung und den un4 Nach der Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/ 97, 40 ff = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 982, bezweckt § 30 den Rechtsschutz der Firma, während nach der Denkschrift, 43, die unredliche Firmenbenutzung durch das UWG bekämpft werden muss. 5 RGZ 75, 370, (372); RGZ 103, 388 (392); BGHZ 46, 7 (11); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; Hopt/ Merkt Rn 1; Heymann/Förster HGB Rn 2; Staub/Hüffer4 Rn 1; MünchKommHGB/Heidinger Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 125 ff.; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 1. 6 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 40 = Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, S. 982. 7 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; näher Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Handelsrecht und Handelsregister“ in Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Reform des Handelsrechts und des Handelsregisterrechts – Empfehlungen zur Modernisierung des Kaufmannsbegriffs, zur Liberalisierung des Firmenrechts und zur Vereinfachung und Beschleunigung des Handelsregisterverfahrens, 1994, 31; kritisch zu diesen Gründen Kögel Rpfleger 1998, 317 (318 f); auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 74. 8 Wettbewerbsrechtliche Ansprüche (§§ 3a, 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 2, 6 Abs. 2 Nr. 3, §§ 8, 9 UWG spielen dagegen heutzutage nach der Aufhebung von § 16 UWG a.F. nur eine untergeordnete Rolle; BR-Drucks. 795/93, 87; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 2. Burgard
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terschiedlichen Voraussetzungen des § 30 einerseits und der §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG andererseits ist es möglich, dass ein Handelsname den firmenrechtlichen Grundsätzen, insbes. den Anforderungen des § 30, entspricht, aber seine Benutzung, namentlich seine Anmeldung zum Handelsregister und der Fortbestand der Eintragung, unter namens- und kennzeichenrechtlichen Gesichtspunkten unzulässig ist. Umgekehrt ist ein Verstoß gegen § 30 auch dann erheblich, wenn eine Verletzung der §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG nicht vorliegen sollte. Deswegen ist der Prozessrichter nicht an die Auffassung des Registerrichters gebunden und umgekehrt.9 S. ferner Rn 12. Da § 30 dem Schutz des öffentlichen Interesses dient (Rn 3), ist die Vorschrift zwingend.10 6 Verzichtet der Inhaber der älteren Firma auf das Recht zur ausschließlichen Namensführung, so kann das zum Verlust der vorgenannten (Rn 5) Ansprüche führen. Der Verzicht macht aber die jüngere Firma nicht registerrechtlich zulässig; denn über das von § 30 geschützte öffentliche Interesse kann der Firmeninhaber nicht wirksam disponieren. Auch eine Verwirkung kommt daher nicht in Betracht.11 Praktische Bedeutung hat der zwingende Charakter der Vorschrift vor allem für die Firma der GmbH & Co. KG (dazu Rn 32) und die Firma von Tochtergesellschaften (dazu Rn 39).
2. Verhältnis zu § 18 Gegenüber § 18 stellt sich die Konkurrenzfrage in zweierlei Hinsicht, nämlich erstens im Blick 7 auf die Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 und zweitens im Blick auf das Irreführungsverbot nach § 18 Abs. 2. Wenngleich sich die Anwendungsbereiche von § 18 und § 30 teilweise überschneiden, ist der Prüfungsmaßstab beider Vorschriften so unterschiedlich, dass sie nebeneinander anwendbar sind und eine genaue Differenzierung erforderlich ist: Zunächst ist die Kennzeichnungseignung (dazu § 18 Rn 7 ff) und abstrakte Unterscheidungskraft (dazu § 18 Rn 16 ff) nach § 18 Abs. 1 zu prüfen. Fehlt es hieran, kommt es auf das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der §§ 18, 30 nicht an. Nur wenn die Firma die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 und 2 erfüllt, ist zu prüfen, ob auch die von § 30 geforderte konkrete Unterscheidbarkeit vorliegt.12 Dabei umfasst das Irreführungsverbot des § 18 Abs. 2 auch die Verwechselungsfähigkeit mit einer Firma am gleichen Ort.13 Zu beachten ist jedoch einerseits, dass § 30 für die Verwechselungsfähigkeit anders als § 18 Abs. 2 nur auf eingetragene Unternehmen abstellt. Umgekehrt stellt § 18 Abs. 2 S. 2 auf die angesprochenen Verkehrskreise ab (s. auch Rn 27 ff) und schränkt die Prüfungsbefugnis des Registergerichts auf ersichtliche Fälle einer Verwechselungsfähigkeit ein (vgl. § 18 Rn 47 ff, 50 ff), während § 30 eine solche Beschränkung nicht enthält. Auch insofern ist der Prüfungsmaßstab des Registergerichts daher ganz unterschiedlich.14
9 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; MünchKommHGB/Heidinger Rn 3. 10 RGZ 29, 66 (71 f); OG Danzig JW 1921, 182; KG JW 1933, 317 = HRR 1933 Nr. 331; OLG Frankfurt a.M. OLGZ 1981, 8 (9); BGHZ 46, 7 (11); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; Staub/Hüffer4 Rn 1; Hopt/Merkt Rn 1; Heymann/ Förster HGB Rn 2; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 28. 11 AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4 aE; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 29; MünchKommHGB/Krebs § 37 Rn 51. 12 MünchKommHGB/Heidinger Rn 6; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 6; Oetker/Schlingloff Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 1. 13 MünchKommHGB/Heidinger Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 1; GKzHGB/Steitz Rn 5. 14 MünchKommHGB/Heidinger Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; s. aber auch Steinbeck FS Horn 2006, 589; vgl. Hopt/Merkt Rn 4. 363
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B. Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 I. Jede neue Firma 1. Geltung für alle Firmen 8 § 30 Abs. 1 gilt für jede Firma, also nicht nur für die Firmen von Einzelkaufleuten, sondern auch von Personenhandelsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, juristischen Personen i.S.d. § 33 Abs. 1, VVaG, EWiV, SE, SCE, kurz: für jeden Handelsnamen eines firmenfähigen (§ 17 Rn 9 ff) Unternehmensträgers sowie für die Firmen von Zweigniederlassungen (Abs. 3) und die Namen von Partnerschaftsgesellschaften (§ 2 Abs. 2 Hs. 1 PartGG) und künftig auch für eingetragene GbRs (§ 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG). Dagegen gilt § 30 Abs. 1 nicht für die Namen von Vereinen und Stiftungen, soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 (dort Rn 11 ff) erfüllen. Für Vereine gilt § 57 Abs. 2 BGB. Für Stiftungen fehlt eine entsprechende Regelung. Eine andere Frage ist, ob sich eine neue Firma auch von dem Namen eines eingetragenen Vereins oder eingetragenen Stiftung (§ 82b BGB n.F. i.V.m. § 2 Nr. 1 StiftRG) deutlich unterscheiden muss, dazu Rn 19 f.
2. Neue Firma 9 Normadressat des § 30 Abs. 1 ist der Inhaber einer neuen Firma. Neue Firmen sind solche, die an demselben Ort oder in derselben Gemeinde noch nicht eingetragen sind.15 Daraus folgt dreierlei: Erstens kommt es für die Anwendbarkeit von § 30 Abs. 1 grundsätzlich nicht darauf an, ob 10 der Inhaber beabsichtigt, die neue Firma in das Handelsregister eintragen zu lassen. Auch wenn er entgegen der gesetzlichen Anmeldepflicht (z.B. nach § 29) keine Anmeldung vornimmt, verstößt die Führung der neuen Firma gegen § 30 Abs. 1, wenn dessen übrige Voraussetzungen erfüllt sind. Bei Kleingewerbetreibenden ist § 30 Abs. 1 dagegen nur anwendbar, wenn sie eine Anmeldung nach § 2 S. 1 vornehmen. Für Minderfirmen (§ 17 Rn 19 ff) gilt § 30 nicht. Die Führung einer Minderfirma kann aber gegen § 18 Abs. 2 (dort Rn 34) oder gegen §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG verstoßen. Zweitens kommt es für die Priorität i.S.d. § 30 Abs. 1 ausschließlich auf den Zeitpunkt der 11 Eintragung der beiden Firmen an.16 Mithin spielt es für § 30 keine Rolle, wann die Firmen entstanden sind bzw. in Gebrauch genommen wurden. Anders als nach §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (s. Anh. I zu § 37 Rn 31, Anh. II zu § 37 Rn 17 f) kann daher eine später entstandene, aber früher eingetragene Firma nach § 30 Abs. 1 Vorrang vor einer früher entstandenen, aber später eingetragenen Firma genießen.17 Zu beachten ist allerdings, dass die Eintragung einer Firma keine Auswirkungen auf die materielle Rechtslage nach §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG hat. Wer im Verhältnis zwischen den Firmeninhabern materiell besser berechtigt ist, hängt daher nicht von der Eintragung, sondern von den Voraussetzungen dieser Vorschriften ab. Insofern bewirkt die Voreintragung für den Inhaber der i.S.d. § 30 Abs. 1 neuen Firma lediglich eine Registersperre, die er unter den Voraussetzungen der §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG im Wege der Rechtsverfolgung beseitigen kann.
15 KG RJA 8 (1907), 38; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; GKzHGB/Steitz Rn 4; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Roth Rn 4.
16 KG RJA 8 (1907), 38; RG JW 1928, 1214 f; Heymann/Förster HGB Rn 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. 17 Heymann/Förster HGB Rn 18; im Ergebnis ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. Burgard
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Liegen mehrere Anmeldungen vor, so hat das Registergericht sie in der Reihenfolge ihres 12 Eingangs zu bearbeiten.18 Die danach früher eingetragene Firma hat Vorrang vor den anderen bereits angemeldeten, aber noch nicht eingetragenen Firmen. Bei der Priorität der Eintragung mit der Folge der Anwendung von § 30 Abs. 1 verbleibt es freilich auch dann, wenn das Registergericht die zeitliche Reihenfolge der Anmeldungen nicht einhält,19 obwohl der Eintragung des ersten Anmelders keine Hindernisse entgegen stehen. In diesem Fall kann jedoch eine Amtspflichtverletzung (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) vorliegen.20 Zudem besteht ggf. die Möglichkeit eines Vorgehens nach §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (Rn 11 a.E.).21 Drittens: Nachdem es auf die Eintragung in das für denselben Ort oder dieselbe Gemeinde 13 zuständige Register ankommt, muss die Firmenunterscheidbarkeit auch dann gewahrt sein, wenn die Hauptniederlassung bzw. der Gesellschaftssitz verlegt werden. Für Zweigniederlassungen s. Rn 43 f. Schließlich ist zu beachten, dass eine neue Firma auch durch die Änderung des Handels- 14 namens entsteht,22 gleichgültig, ob die Änderung aus freien Stücken erfolgt oder rechtlich geboten ist, etwa wegen Ausscheidens des namensgebenden Gesellschafters (vgl. § 24 Abs. 2). Durch eine Änderung verliert mithin eine eingetragene Firma ihre Priorität gegenüber allen anderen, ursprünglich nach ihr eingetragenen Firmen. Vorausgesetzt ist freilich eine Änderung von unterscheidungskräftigen Firmenbestandteilen. Bestandteile, die für die Unterscheidbarkeit nicht genügen (Rn 31 ff), können – wenn sie Gegenstand der Änderung sind – daher nicht die Neuheit der Firma begründen. Zudem begründen Firmenänderungen, die das Recht zur Firmenfortführung nicht beeinträchtigen (§ 22 Rn 87 ff), keine neue Firma i.S.d. § 30 Abs. 1 (§ 22 Rn 83).
II. Bestehende und eingetragene Firma Schutzgegenstand ist die Verwechselungsgefahr mit (am selben Ort oder derselben Gemeinde) 15 bereits bestehenden und eingetragenen Firmen. Prüfungsmaßstab für das Registergericht sind nach § 30 daher nur Firmen, die tatsächlich bestehen und eingetragen sind, nicht erloschene Firmen, selbst wenn sie zu Unrecht noch eingetragen sein sollten, oder nicht eingetragene Firmen, selbst wenn ihre Eintragung bereits beantragt ist (s. auch Rn 12). Gegenüber gelöschten (s. aber § 18 Rn 39) oder nicht eingetragenen Firmen muss sich die neue Firma also registerrechtlich (anders zivilrechtlich s. Rn 11) nicht unterscheiden. Im Einzelnen:
1. Bestand der Firma Wann eine Firma entsteht und wann eine Firma erlischt, richtet sich nach allgemeinen Regeln 16 (dazu § 17 Rn 31 ff). Stellt sich heraus, dass eine Firma noch eingetragen ist, obwohl sie bereits erloschen ist, so ist der Eingetragene gem. §§ 31 Abs. 2, 37 Abs. 1 zur Abgabe der Löschungsanmeldung anzuhalten. Die neue Firma kann eingetragen werden, bevor die alte Eintragung gelöscht ist.23 Hat beispielsweise der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb eines Einzelunter18 KG OLGR 43, 281 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 19 KG OLGR 44, 281; Heymann/Förster HGB Rn 21; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18.
20 KG OLGE 43, 281 f; Heymann/Förster HGB Rn 21; Staub/Hüffer4 Rn 12, Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 10. 21 KG RJA (1907), 38; MünchKommHGB/Heidinger Rn 2, 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4. 22 OLG München JFG 14, 478 (481); Heymann/Förster HGB Rn 20, GKzHGB/Steitz Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 9; MünchKommHGB/Heidinger Rn 18. 23 RGZ 29, 66 (68 f). 365
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nehmens vollständig eingestellt, so ist damit auch die Firma erloschen (§ 17 Rn 40). § 30 hindert daher den Inhaber der alten Firma nicht, ein neues Handelsgewerbe unter derselben Bezeichnung zu eröffnen und eintragen zu lassen. Zu beachten ist allerdings, dass die Nachbildung einer erloschenen Firma das Irreführungsverbot verletzt, wenn für die angesprochenen Verkehrskreise nicht erkennbar ist, dass hinter der neuen Firma auch ein neues Unternehmen steht (§ 18 Rn 39). Führt dagegen der Insolvenzverwalter das Einzelunternehmen fort, so besteht auch die Firma weiter, so dass der Gemeinschuldner bereits wegen § 30 Abs. 1 gehindert ist, unter derselben Bezeichnung am selben Ort ein neues Handelsgewerbe zu eröffnen. 17 Ein rechtmäßiger Bestand der älteren Firma ist entgegen älterer Rechtsprechung24 nicht Voraussetzung des § 30 Abs. 1;25 denn von unrechtmäßig geführten Firmen geht dieselbe Verwechselungsgefahr aus wie von rechtmäßig benutzten. Mithin kann es auf die Rechtmäßigkeit nicht ankommen, weil § 30 Abs. 1 den Schutz des Publikums vor der Verwechselungsgefahr bezweckt (Rn 3). Die Gegenauffassung übersieht zudem, dass ein Verstoß gegen die §§ 18 ff die eingetragene Firma nicht unbedingt löschungsreif macht und die Verwechselungsgefahr nach einer Änderung der Firma, etwa der Streichung eines täuschungsgeeigneten, zur Kennzeichnung nicht notwendigen Zusatzes erhalten bleiben kann. Richtig ist deshalb, die neue Firma erst dann einzutragen, wenn die ältere auf Grund ihrer Unrechtmäßigkeit im Register gelöscht ist. Solange ist das Eintragungsverfahren auszusetzen.26
2. Eintragung 18 Die bestehende Firma muss eingetragen sein. Der Sinn des Eintragungserfordernisses besteht zum einen darin, den Kreis der Vergleichsfirmen, die das Registergericht bei seiner Prüfung zu berücksichtigen hat, fest zu umgrenzen (Rn 4). Zum anderen wird durch die Eintragung zweifelsfrei festgelegt, welche Firma i.S.d. § 30 die ältere und welche die jüngere ist (Rn 11).27 Nach dem Wortlaut von § 30 Abs. 1 muss eine Eintragung in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister vorliegen. Eine neue Firma muss sich daher auch von älteren eingetragenen Genossenschaftsfirmen unterscheiden. Dies hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 30 Abs. 1 (Rn 2) im Anschluss an vorangegangene Rechtsprechung28 ausdrücklich klargestellt. Die Regelung ist jedoch nicht abschließend. So ist anerkannt, dass sich die neue Firma auch von dem Namen einer früher in das Partnerschaftsgesellschaftsregister eingetragenen Partnerschaftsgesellschaft deutlich unterscheiden muss.29 Dem steht der Sinn des Eintragungserfordernisses nicht entgegen, weil es dem Registergericht lediglich Nachforschungen nach nicht eingetragenen Firmen und Namen ersparen soll. 19 Vor diesem Hintergrund und angesichts der rechtsähnlichen Regelung des § 57 Abs. 2 BGB ist streitig, ob das Registergericht seine Prüfung auch auf ältere in das Vereinsregister eingetragene Namen erstrecken muss.30 Dagegen wird vorgetragen, dass es einer solchen Aus24 ROHG 6, 246 (248); KG JW 1933 (1030). 25 Ebenso die heute hL Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 7; MünchKommHGB/Heidinger Rn 16; GKzHGB/Steitz Rn 11; Heymann/Förster HGB Rn 17; im Ergebnis ebenso Hopt/ Merkt Rn 6. 26 Heymann/Förster HGB Rn 17; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 15; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14; Staub/Hüffer4 Rn 11. 27 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. 28 OLG Düsseldorf BB 1961, 1027. 29 MünchKommHGB/Heidinger Rn 10; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Für den umgekehrten Fall der Unterscheidung der Partnerschaft gem. § 2 PartGG i.V.m. § 30 K. Schmidt NJW 1995, 1 (5). 30 Dafür OLG Stuttgart OLGR 42, 211; LG Limburg Rpfleger 1981, 23; MünchKommHGB/Heidinger Rn 10; Heymann/ Förster HGB Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; GKzHGB/Steitz Rn 11; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 81; Kögel Rpfleger 1998, 317 (318); dagegen Staub/Hüffer4 Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Hopt/Merkt Rn 3, 6. Burgard
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weitung nicht bedürfe; denn soweit Vereine ein Handelsgewerbe betrieben, seien sie gem. § 33 Abs. 1 in das Handelsregister einzutragen, so dass § 30 Abs. 1 ohnehin Anwendung fände. Betrieben sie aber kein Handelsgewerbe, dann sei der Tätigkeitsbereich von Vereinen und Handelsgesellschaften derart unterschiedlich, dass die Verwechselungsgefahr, vor der § 30 das Publikum schützen wolle, nicht evident sei.31 Letzterem kann aus vier Gründen nicht zugestimmt werden. Erstens darf man die Augen nicht davor verschließen, dass sich Vereine, auch wenn sie dazu verpflichtet sind, oft nicht in das Handelsregister eintragen lassen und dazu auch nicht von den Gerichten angehalten werden (§ 33 Rn 13 a.E.). Zweitens gliedern Vereine ihre wirtschaftliche Tätigkeit oft in Tochtergesellschaften aus,32 für die sie dann häufig als Namensgeber fungieren, woraus Verwechselungen entstehen können. Drittens sind Vereine, auch wenn die Voraussetzungen des § 1 nicht gegeben sein sollten, oft in Bereichen tätig, die auch von gewerblichen Unternehmen angeboten werden (z.B. Betrieb von Sportanlagen). Und schließlich erhöht zwar Branchennähe die Verwechselungsgefahr (Rn 29). Umgekehrt schließt fehlende Branchennähe jedoch das Bestehen einer Verwechselungsgefahr nicht aus33 (so z.B. im Falle eines kirchlichen Bildungswerks „Albertus Magnus e.V.“ und einem Reisebüro „Albert Magnus GmbH“). Auf Namen, die in kein Register eingetragen sind, also z.B. auf Namen von Stiftungen 20 (anders ab dem 1.1.2026 nach § 82b BGB n.F. i.V.m. § 2 Nr. 1 StiftRG) oder nicht eingetragenen Vereinen, muss und darf sich die Prüfung des Registergerichts aus den in Rn 4, 18 genannten Gründen dagegen nicht erstrecken, und zwar auch dann nicht, wenn diese nach § 33 Abs. 1 in das Handelsregister eingetragen werden müssten. Das gilt mithin auch für Firmen etwa von Einzelkaufleuten, die entgegen § 29 bisher nicht angemeldet oder zwar angemeldet, aber noch nicht eingetragen sind (s. auch Rn 10, 12).
III. An demselben Ort oder in derselben Gemeinde Im Interesse einer Begrenzung der Vergleichsfirmen, die das Registergericht in seine Prüfung 21 miteinzubeziehen hat, ist das Gebot deutlicher Unterscheidbarkeit auf solche Firmen beschränkt, die an demselben Ort oder in derselben Gemeinde bestehen. Diese örtliche Eingrenzung mag zwar auf den ersten Blick unsachgemäß erscheinen, weil der Wettbewerb nicht an Gemeinde- oder Ortsgrenzen Halt macht und viele Unternehmen nicht ausschließlich lokal tätig sind.34 Indes identifiziert der Verkehr das Unternehmen und seinen Träger nicht nur durch die Firma, sondern auch durch den Ort der Niederlassung oder des Sitzes, so dass es für den Schutz des Publikums ausreicht, die Firmenunterscheidbarkeit in den Fällen sicherzustellen, in denen dieses zweite Individualisierungsmerkmal nicht zur Verfügung steht (Rn 4). Und was den Schutz des Inhabers besserer Namensrechte anbelangt, so sind die §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG nicht in ihrer räumlichen Reichweite derart beschränkt.
1. Begriff Ort und Gemeinde Welcher geographische Raum einen Ort bildet, entscheidet die Verkehrsauffassung ohne Rück- 22 sicht auf die kommunalrechtliche Einteilung.35 Dagegen ist mit dem Begriff Gemeinde das Ge31 32 33 34
So OLG Stuttgart Beschl. v. 12.5.2020 – 8 W 146/20, MittBayNot 2021, 512 (513) mwN und Anm Widmann. So auch im Fall des OLG Stuttgart Beschl. v. 12.5.2020 – 8 W 146/20, MittBayNot 2021, 512 (513). BGHZ 46, 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11, 17; vgl. ferner Heymann/Förster HGB Rn 31. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Kögel Rpfleger 1998, 317 (318 f); Knaak Firma und Firmenschutz 4. Teil A II 1e; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 125 ff. 35 KGJ 8, 11 f; Ehrenberg/Pisko Bd. II 1 § 44; Heymann/Förster HGB Rn 9; Staub/Hüffer4 Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 367
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meindegebiet i.S.d. Kommunalrechts bezeichnet.36 Vielfach, aber nicht zwangsläufig, erfassen beide Begriffe denselben Raum. Es kann sein, dass eine Gemeinde mehrere Orte oder ein Ort mehrere Gemeinden umfasst. Fallen die Grenzen nicht zusammen, so gilt der Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit für Ort und Gemeinde, anders gewendet also für den jeweils weiteren Bereich.37 Dieser sog. Firmenbezirk ist von dem Registerbezirk (§ 376 FamFG [§ 125 Abs. 1 und 2 FGG a.F.]) zu unterscheiden und heute regelmäßig wesentlich kleiner als jener. Zur Bildung gemeinschaftlicher Firmenbezirke gem. § 30 Abs. 4 s. Rn 45.
2. Nachträgliche Änderung von Orts- und Gemeindegrenzen 23 Welche Bedeutung nachträgliche Änderungen der Verkehrsauffassung über die Ortsgrenzen und vor allem Grenzveränderungen durch Eingemeindung haben, ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und war früher umstritten.38 Nach heute wohl allgemeiner Meinung genießen gleichnamige Firmen in diesem Fall Bestandsschutz, so dass auch bei einer jüngeren Firma keine Änderungen veranlasst sind, wenn sie eingetragen ist.39 Richtigerweise ergibt sich das bereits aus dem Wortlaut von § 30 Abs. 1, der nur von neuen, d.h. nur von noch nicht eingetragenen Firmen (Rn 9) eine deutliche Unterscheidbarkeit verlangt.
IV. Deutliche Unterscheidbarkeit 1. Begriff 24 Nach § 30 Abs. 1 muss sich eine neue Firma von allen am selben Ort oder in derselben Gemeinde bereits bestehenden und eingetragenen Firmen „deutlich unterscheiden“. Nähere Kriterien hierfür nennt das Gesetz nicht. Sie zu entwickeln, ist daher Aufgabe von Rechtsprechung und Lehre. Das Merkmal der „deutlichen Unterscheidbarkeit“ ist ein Rechtsbegriff und damit in der Rechtsbeschwerdeinstanz in vollem Umfang nachprüfbar.40 Ob sich eine neue Firma dagegen im konkreten Einzelfall hinreichend deutlich unterscheidet, bleibt im Wesentlichen der tatrichterlichen Würdigung überlassen.41 Mit dem Erfordernis deutlicher Unterscheidbarkeit soll das Publikum vor Verwechselungen 25 geschützt werden (Rn 3), und zwar nur vor der Verwechselung verschiedener Unternehmen und Unternehmensträger (Verwechselungsgefahr im engeren Sinne). Vor dem falschen Eindruck des Bestehens einer organisatorischen, wirtschaftlichen oder geschäftlichen Beziehung (Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne) schützt hingegen § 30 nicht;42 denn andernfalls wäre insbes. bei übereinstimmenden Personennamen die Hinzufügung etwa eines Sachbestandteils selbst bei Branchenverschiedenheit entgegen anerkannter Regeln (Rn 36) und der Intention von Abs. 2 nicht ausreichend, um eine Verwechselungsgefahr auszuschließen. Vor einer Verwechse-
36 OLG Frankfurt OLGZ 1981, 8 (9); Ehrenberg/Pisko Bd. II 1 § 44; Heymann/Förster HGB Rn 9; Staub/Hüffer4 Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5.
37 Staub/Hüffer4 Rn 5; Ehrenberg/Pisko Bd. II 1 § 44; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 38 S. Staub/Hüffer4 Rn 6. 39 KG KGJ 16, 11 (14); Staub/Hüffer4 Rn 6; MünchKommHGB/Heidinger Rn 9; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 12; Hopt/ Merkt Rn 10; Heymann/Förster HGB Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 6; zur Firmenkollision im Zuge der Wiedervereinigung BGHZ 130, 134. 40 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14. 41 RGZ 100, 45; BGH WM 1979, 922 (923); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 14. 42 AA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 16; wie hier BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 19. Burgard
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lungsgefahr im weiteren Sinne schützt daher ggf. nur § 18 Abs. 2 (dort Rn 24) sowie §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (Anh. I zu § 37 Rn 21, Anh. II zu § 37 Rn 27). Die Unterscheidbarkeit muss „deutlich“ sein. Es reicht mithin nicht aus, dass sich die neue 26 Firma von der bereits eingetragenen Firma in irgendeinem Punkt irgendwie unterscheidet. Vielmehr müssen die Unterschiede so prägnant sein, dass keine Verwechselungsgefahr besteht. Die bloße Möglichkeit einer Verwechselung reicht aus. Tatsächlich eingetretene Verwechselungen sind nicht erforderlich, zumal diese bei Firmenneubildungen auch nicht zu erwarten sind. Das kann freilich nicht bedeuten, dass schlechthin jede, auch unwahrscheinliche oder durch individuelle Unachtsamkeit verursachte Verwechselung ausgeschlossen sein muss. Vielmehr ist normativ zu bestimmen, ob die Unterschiede groß genug sind, um eine Verwechselungsgefahr auszuschließen. Das wirft die Frage nach dem Beurteilungshorizont und dem Beurteilungsgegenstand auf.
2. Beurteilungshorizont und Beurteilungsgegenstand a) Meinungsstand in Rechtsprechung und in Literatur. Nach der vom Reichsgericht zu- 27 nächst entwickelten Auffassung43 ist Beurteilungshorizont die Ansicht der im Handelsverkehr tätigen Kreise, die nicht „infolge Nachlässigkeit oder Unachtsamkeit“44 über die Firmierung hinweggehen. Entsprechend eng wurde der Beurteilungsgegenstand formuliert. Danach soll es auf die Firma in der Form ankommen, in der sie in das Handelsregister eingetragen bzw. zur Eintragung angemeldet ist;45 namentlich die Benutzung von Firmenschlagworten habe außer Betracht zu bleiben.46 An dieser engen Auffassung hat das Reichsgericht nicht festgehalten. Jüngere Entscheidungen verwenden die Verkehrsauffassung als Beurteilungshorizont.47 Hinsichtlich des Beurteilungsgegenstands wurde als Ausgangspunkt zwar weiterhin der Eintragungs- oder Anmeldungswortlaut herangezogen, um sodann jedoch aus der Maßgeblichkeit der Verkehrsauffassung zu schließen, dass es auf die „schlagwortartigen und das Gesamtbild der Firma bestimmenden Bestandteile“ ankomme.48 Einen ähnlichen Standpunkt hat der BGH eingenommen, indem er auf das „Klangbild der Firma, wie es sich Auge und Ohr einprägt“ abstellt.49
b) Literatur. Diese Auffassung trifft in der Literatur überwiegend auf Zustimmung.50 Einigkeit 28 besteht, dass für den Beurteilungshorizont die Verkehrsauffassung maßgeblich ist. Einigkeit besteht ferner, dass Gegenstand der Beurteilung zunächst der vollständige Wortlaut der zu vergleichenden Firmen ist. Unterscheidet sich bereits der Wortlaut nicht hinreichend deutlich, ist die neue Firma nicht eintragungsfähig. Und Einigkeit besteht schließlich, dass es nicht nur auf den Wortlaut, sondern auch auf das Klangbild sowie auf den Gesamteindruck der zu vergleichenden Firmen ankommt. Meinungsunterschiede bestehen dagegen hinsichtlich der Frage, inwieweit
43 44 45 46 47
RGZ 20, 71; vgl. auch KGJ 51, 120 f; KG JW 1926, 2001. RGZ 20, 71 (73). RG JW 1928, 1214; RGZ 171, 321; KG JW 1926, 2001; BayObLG JW 1928, 2639. RGZ 20, 71 (73); RG JW 1928, 1214 f. RGZ 69, 310 f; RG JW 1922, 1200; RGZ 170, 265 (270); RGZ 171, 321 (323); OLG Braunschweig JFG 5, 198 (201); OLG Hamburg Recht 1909 Nr. 1394. 48 RGZ 171, 321 (324). 49 BGHZ 46, 7 (12); ähnlich schon RGZ 104, 341 f; ähnlich auch KG OLGZ 1991, 396 (401). 50 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18 f; Staub/Hüffer4 Rn 15; Heymann/Förster HGB Rn 24 f; HKzHGB/ Ruß Rn 2; MünchKommHGB/Heidinger Rn 20–22; Kritisch Kögel Rpfleger 1998, 317 (319 f). 369
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für den Gesamteindruck nur die vollständige Firma maßgeblich sei oder ob bereits die Ähnlichkeit einzelner zur Alleinstellung geeigneter Firmenbestandteile (Firmenschlagworte) eine Eintragung der neuen Firma ausschließt. Während die einen darauf hinweisen, dass die Verwendung von Firmenschlagworten nicht generell zulässig sei und das Registergericht zumindest hinsichtlich der neuen Firma nicht wissen könne, welches Firmenschlagwort sich später herausbilde,51 betonen die anderen, dass im Verkehr vor allem Firmenschlagworte verwendet und wahrgenommen würden und diese auch durch §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (Anh. I zu § 37 Rn 11, Anh. II zu § 37 Rn 8) geschützt seien.52
29 c) Stellungnahme. Hinsichtlich des Beurteilungshorizonts wird zu Recht auf die Auffassung des allgemeinen Verkehrs abgestellt, weil eben dieser vor Verwechselungen geschützt werden soll. Namentlich kommt es, anders als nach § 18 Abs. 2 S. 1, nicht nur auf die angesprochenen Verkehrskreise an, weil § 30 dazu dient eine Identifizierung des Unternehmensträgers zu ermöglichen, was nicht nur für die angesprochenen Verkehrskreise, sondern für den gesamten Rechtsverkehr von Bedeutung ist.53 An der Sache vorbei geht es allerdings, wenn in diesem Zusammenhang betont wird, dass der Verkehr Firmen- und Geschäftsbezeichnungen nur oberflächlich zur Kenntnis nehme.54 Auszugehen ist vielmehr von der Wahrnehmung eines durchschnittlich aufmerksamen, verständigen und informierten Verkehrsteilnehmers.55 Richtig ist ferner, dass Gegenstand der Beurteilung zunächst der vollständige Wortlaut der zu vergleichenden Firmen ist und es sodann auf den Gesamteindruck des Wort- und Klangbilds ankommt; insbes. bei Sachfirmen ist ferner der Bedeutungs- und Sinngehalt zu vergleichen.56 Überdies sind – das ist ein besonders wichtiger Aspekt – bei Branchennähe grundsätzlich strengere Anforderungen zu stellen, weil dann die Verwechselungsgefahr größer ist.57 Umgekehrt schließt das Fehlen einer Wettbewerbsbeziehung das Bestehen einer Verwechselungsgefahr nicht aus.58 Hinsichtlich der umstrittenen Frage, inwieweit die Ähnlichkeit einzelner Firmenbestandteile maßgeblich ist, kommt es ausschlaggebend auf deren prägende Kraft59 sowie auf die Branchennähe an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen der Anfang einer Bezeichnung diese stärker prägt als nachfolgende Worte oder Wortteile,60 übereinstimmende Merkmale in der Regel stärker hervortreten als die Unterschiede61 und Unterschiede in umfangreichen Firmen „untergehen“ können.62 Zwar ist es zutreffend, dass das Registergericht bei einer neuen Firma nicht wissen kann, welches Firmenschlagwort sich später herausbildet. Sehr wohl kann es aber in Erfahrung bringen, welches Firmenschlagwort sich im Verkehrsgebrauch hinsichtlich der bereits bestehenden Firma durchgesetzt hat. Diesem kommt dann prägende Kraft für die bereits eingetragene Firma zu, und zwar auch dann, wenn das Firmenschlagwort oder die Firmenabkür-
51 MünchKommHGB/Heidinger Rn 21; Kögel Rpfleger 1998, 317 (319 f). 52 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; Heymann/Förster HGB Rn 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; Staub/Hüffer4 Rn 15. 53 Siehe ebenso KG – 12 W 51/13, NZG 2013, 1153 (1154). 54 Etwa Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15; Heymann/Förster HGB Rn 24; Kögel Rpfleger 1998, 317 (319). 55 Vgl. BGH GRUR 2000, 506. 56 RGZ 100, 45 f; BGH GRUR 1999, 241 (243). 57 MünchKommHGB/Heidinger Rn 22; Heymann/Förster HGB Rn 31; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17. 58 BGHZ 46, 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11. 59 Vgl. BGH GRUR 2002, 898; GRUR 2001, 1161 (1162 f). 60 Vgl. BGH GRUR 1995, 50 (53) (Indorektal/Indohexal); Kögel Rpfleger 1998, 317 (321). 61 BGH NJW 2005, 601 – Das Telefon – Sparbuch; BGH GRUR 1991, 153 (154 f) – Pizza & Pasta. 62 Kögel Rpfleger 1998, 317 (321). Burgard
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zung nicht Teil der bereits eingetragenen Firma ist (z.B. „VW“ für „Volkswagen Aktiengesellschaft“).63 Enthält die neue Firma einen Firmenbestandteil, der diesem bereits eingeführten Firmenschlagwort bzw. der Firmenabkürzung gleicht oder zum Verwechseln ähnelt, dann ist deren Eintragung, auch wenn der Gesamteindruck der vollständigen Firmen unterschiedlich ist, zumindest bei Branchennähe grundsätzlich abzulehnen. Das ist wie folgt zu begründen: Der Verkehr betrachtet die zu vergleichenden Firmen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander. Vielmehr entstehen Verwechselungen gerade deswegen, weil die Verkehrsteilnehmer auf ihre Erinnerung angewiesen sind. In Erinnerung ist einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer eher Kurzes als Langes und eher Vertrautes als Neues. Firmenschlagworte oder -abkürzungen prägen daher stärker die Erinnerung als die vollständige Firma. Deswegen besteht zumindest bei Branchennähe grundsätzlich Verwechselungsgefahr, wenn in einer neuen Firma ein Firmenbestandteil verwendet wird, der einem bereits eingeführten Firmenschlagwort oder einer Firmenabkürzung ähnlich ist. Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn die danach bestehende Verwechselungsgefahr durch einen anderen, hinreichend unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil aufgehoben wird (z.B. „ADAC – Rechtsschutz Versicherungs-Aktiengesellschaft“/„ADAC Autoversicherung AG“). Das Gesagte sei an einem Beispiel64 verdeutlicht: Bereits eingetragen ist die bestehende Fir- 30 ma „Nitrola, Bayerische Nitro-Lack und Farben GmbH“. Angemeldet wird die neue Firma „NitroLack GmbH“. Vergleicht man zunächst den vollständigen Wortlaut der beiden Firmen, so ist dieser zwar hinsichtlich des Firmenbestandteils „Nitro-Lack“ und des Rechtsformzusatzes gleich, im Übrigen aber schon aufgrund der Länge der bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheidbar. Aus demselben Grund ist der Gesamteindruck des Wort- und Klangbilds der vollständigen Firmen ganz unähnlich, wenngleich der Sinngehalt Branchennähe anzeigt. Prägend für die eingetragene Firma ist indes das Firmenschlagwort „Nitrola“, weil es der Firma vorangestellt, bereits eingeführt und daher für die Erinnerung der Verkehrsteilnehmer entscheidend ist. Dieses Firmenschlagwort ist aus dem Firmenbestandteil „Nitro-Lack“ gebildet, das wiederum Hauptbestandteil der neuen Firma ist. Verwechselungsgefahr ist damit gegeben, weil „Nitrola“ und „Nitro-Lack“ vom Wortund Klangbild sowie nach ihrem Sinngehalt ähnlich sind und Branchennähe besteht, ohne dass die hierauf beruhende Verwechselungsgefahr durch einen anderen besonders unterscheidungskräftigen Firmenbestandteil aufgehoben würde. Mithin bestünde erst Recht Verwechselungsgefahr, wenn der eingetragenen Firma nicht das Schlagwort „Nitrola“ vorangestellt wäre und sich stattdessen als Schlagwort im Verkehrsgebrauch „Nitro-Lack“ herausgebildet hätte. Anders wäre hingegen zu entscheiden, wenn der bereits eingetragenen Firma das Firmenschlagwort „Banifa“ vorangestellte wäre; denn „Banifa“ und „Nitro-Lack“ sind nach Wort- und Klangbild sowie Sinngehalt derart verschieden, dass keine Verwechselungsgefahr besteht. An dieser Beurteilung ändert in dieser Fallabwandlung auch der übereinstimmende Firmenbestandteil „Nitro-Lack“ nichts, da er für die bereits eingetragene Firma nicht prägend ist. Aus den genannten Gründen prägt diese vielmehr das vorangestellte Firmenschlagwort „Banifa“. Deswegen ist in diesem Fall auch die Branchennähe unschädlich. Ebenfalls keine Verwechselungsgefahr bestünde schließlich, wenn die eingetragene Firma „Nitrola, Niederbayerisches Trockenlager GmbH“ lautete. Zwar wären Wort- und Klangbild der prägenden Bestandteile „Nitrola“ und „Nitro-Lack“ ähnlich, nicht aber deren Sinngehalt. Zudem lässt die Branchenferne eine großzügigere Beurteilung zu.65 Das Beispiel zeigt zugleich, wie sehr es auf den Einzelfall ankommt.
63 GKzHGB/Steitz Rn 5. 64 BayObLG JW 1927, 2434; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. 65 Vgl. BGH NJW 2005, 1196. 371
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3. Einzelfragen 31 a) Firmenzusätze. Firmenzusätze wie der Rechtsformzusatz,66 ein Gesellschafts-,67 Inhaber-, Nachfolge-68 oder Liquidationszusatz69 (s. aber § 22 Rn 68 ff im Falle einer Insolvenz) sowie Jahreszahlen begründen für sich allein keine deutliche Unterscheidbarkeit, weil sie nicht der Individualisierung dienen bzw. die Firma nach der Verkehrsauffassung nicht prägen. Das Gleiche gilt nach zutreffender Meinung für Ordinalzahlen (Beispiel nach Ries: „9001 CM Vermögensgesellschaft mbH“/„9002 CM Vermögensgesellschaft mbH“; nach Kögel: „Erste Vermögensverwaltungsgesellschaft Wessel mbH“/„Neunte Vermögensverwaltungsgesellschaft Wessel mbH“).70 Zwar dienen solche Ordnungszahlen der Individualisierung, sind hierfür aber nicht geeignet.71 Die insofern wohl zum Teil abweichende Registerpraxis lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass solche Zahlen „optische Stolpersteine“72 wären; denn als solche warnen sie allenfalls vor einer Verwechselung, beseitigen die Verwechselungsgefahr aber nicht. Dabei ist stets zu bedenken, dass den Verkehrsteilnehmern die verschiedenen Firmen zumeist nicht gleichzeitig vorliegen, sondern sie auf ihre Erinnerung angewiesen sind. Deswegen ist auch die Unterscheidungskraft von Projektzusätzen („ARGE Wohnungsbauprojekt München GmbH“/„ARGE Wohnungsbauprojekt Frankfurt GmbH“) zweifelhaft.73 32 Bedeutung hat dies insbes. auch für die Firmierung bei einer GmbH & Co. KG. Sind die Kommanditgesellschaft und die Komplementär-GmbH am selben Ort ansässig, muss sich die eine neu angemeldete Firma von der anderen bereits eingetragenen Firma gem. § 30 Abs. 1 deutlich unterscheiden. Ein etwaiger Verzicht der jeweils älteren Firma ist für die Anwendung dieser Vorschrift bedeutungslos (Rn 6). Und die unterschiedlichen Rechtsformzusätze sind nicht hinreichend unterscheidungskräftig (Rn 31). Das führte unter Geltung von § 19 Abs. 2 a.F. zu nicht unerheblichen Schwierigkeiten und „Verrenkungen“ der kautelarjuristischen Praxis.74 Heutzutage muss dagegen die Firma der Komplementärin nicht mehr als Firma der Kommanditgesellschaft verwendet werden, sondern ist in den Grenzen des § 18 frei wählbar. Das Problem hat sich damit für die Praxis weitestgehend erledigt.75
66 Ganz hM, RGZ 104, 341 (342 f); BGHZ 46, 7 (11); BayObLGZ 1979, 316 (317); MünchKommHGB/Heidinger Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16; Staub/Hüffer4 Rn 61; nur im Ausgangspunkt auch Kögel Rpfleger 1998, 317 (320); s.a. Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 74. 67 RGZ 104, 341 f; RGZ 133, 318 (325); BGHZ 46, 7 (12 f); BayObLGZ 1966, 337 (343); BayObLGZ 1979, 316 (318); OLG Hamburg HRR 1930, Nr. 1033; KG JW 1933, 317 f; MünchKommHGB/Heidinger Rn 23; Staub/Hüffer4 Rn 17; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 68 MünchKommHGB/Heidinger Rn 23; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16; HKzHGB/Ruß Rn 2; Kögel Rpfleger 1998, 317 (320); Staub/Hüffer4 17. 69 RGZ 29, 66 (68); KGJ 10, 17; KG JW 1933, 317 f; LG Hamburg GmbHR 1952, 93; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16; Kögel Rpfleger 1998, 317 (320); MünchKommHGB/Heidinger Rn 23. 70 AA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20 (s. jedoch ders. Rn 1); ebenfalls aA etwa BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 27; Kögel Rpfleger 1998, 317 (321); wie hier AG Frankfurt Rpfleger 1980, 388; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 16; s.a. GKzHGB/Steitz Rn 8 mwN; OLG Hamm – 27 W 52/13, NZG 2013, 997. 71 Vgl. ebenso KG – 12 W 51/13, NZG 2013, 1153 (1154); aA Gottschalk GWR 2013, 360 (361) sowie Juretzek GRURPrax 2013, 446 f. 72 So aber KG Beschl. v. 23.10.2012 – 12 W 48/12, BeckRS 2013, 13609; anders KG Beschl. v. 17.5.2013 – 12 W 51/13, NZG 2013, 1153 für eine nur aus zwei Ziffern und einem Punkt („23. GmbH“) bestehende Firma; dazu Juretzek GRURPrax 2013, 446; zu beiden Entscheidungen Gottschalk GWR 2013, 360. 73 AA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Kögel Rpfleger 1998, 317 (321). 74 S. BGHZ 80, 353; Staub/Hüffer4 § 19, 59 ff, § 30 Rn 8; MünchKommHGB/Heidinger Rn 11 ff. 75 MünchKommHGB/Heidinger Rn 14; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 18; GKzHGB/Steitz Rn 9; vgl. auch K. Schmidt DB 1998, 61 (63). Burgard
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b) Geographische Zusätze. Bei geographischen Zusätzen ist vorderhand zu prüfen, ob sie 33 irreführend i.S.d. § 18 Abs. 2 sind (dazu ausf. § 18 Rn 93 ff). Das schränkt ihre Verwendbarkeit als Unterscheidungsmerkmal im Rahmen des § 30 in gewissem Maße ein, zeigt allerdings auch umgekehrt, dass geographischen Zusätzen wie „deutsch“ oder „bayerisch“ nicht generell Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.76 Allerdings sind sie auch nicht stets unterscheidungskräftig.77 Vielmehr kommt es auf den Einzelfall an. Grundsätzlich kann man wie folgt differenzieren: Unterscheidet sich die neue Firma ausschließlich durch einen geographischen Zusatz, so besteht Verwechselungsgefahr (z.B. „Bayerische Möbelfabrik M. Huber GmbH“/„Möbelfabrik M. Huber GmbH“). Verfügen beide Firmen über einen unterschiedlichen geographischen Zusatz, besteht gleichwohl Verwechselungsgefahr, wenn der geographische Zusatz als bloßer Hinweis auf den Sitz des Unternehmens aufgefasst wird (z.B. „Frankfurter Möbelfabrik M. Huber GmbH“ oder „Möbelfabrik M. Huber Frankfurt GmbH“/„Möbelfabrik M. Huber Deutschland GmbH“); denn auf die Frage der Unterscheidbarkeit kommt es nach § 30 Abs. 1 ohnehin nur an, wenn beide Unternehmen an demselben Ort oder in derselben Gemeinde belegen sind, so dass ein Sitzhinweis grundsätzlich nicht unterscheidungskräftig ist. Anders ist dies daher zu beurteilen, wenn der geographische Zusatz deutlich auf einen anderen Tätigkeitsbereich hindeutet (z.B. „M. Huber bayerische Möbel GmbH“/„M. Huber schwedische Möbel GmbH“). Und anders kann all dies schließlich aufgrund der Verkehrsanschauung, insbes. der Verkehrsgeltung der verschiedenen Firmen sein (z.B. „Dresdner Bank Aktiengesellschaft“/ „Deutsche Bank Aktiengesellschaft“/„Frankfurter Sparkasse“78/und bis 1970 auch „Frankfurter Bank“, alle mit Sitz in Frankfurt a.M.). c) Mehrheit von Unterschieden. Richtig ist, dass eine Mehrheit von kleinen, für sich genom- 34 men nicht ausreichenden Unterschieden eine Verwechselungsgefahr ausschließen kann.79 Nicht überzeugend ist hingegen das Beispiel von Kögel, wonach sich zwar nicht eine „Domo Immo KG“, wohl aber eine „Domo Immo GmbH“ von einer „Domo Immobilien KG“ hinreichend unterscheide.80 Diese Auffassung überschätzt die Unterscheidungskraft eines Rechtsformzusatzes und unterschätzt insbes. die Bedeutung des Anfangs einer Bezeichnung und der Branchennähe. Selbst „Domos Immo GmbH“ wäre daher noch problematisch, obwohl das Wort „Domo“ hierdurch die Bedeutung eines abgekürzten Vornamens (für Dominik) erhält, weil das Wort- und Klangbild von „Domo“ und „Domos“ sehr ähnlich sind. Ein hinreichend deutlicher Unterschied bestünde dagegen, wenn die neue Firma etwa „Domos Immo24 KG“ hieße.
d) Personenfirmen. Bei Personenfirmen sind bei gleichem Nachnamen unterschiedliche Vor- 35 namen hinreichend unterscheidungskräftig, wenn sie ausgeschrieben werden.81 Das ergibt sich sowohl aus § 30 Abs. 2 (Rn 42) als auch aus der Verkehrsauffassung. Das gilt auch dann, wenn die eine Firma nur aus einem Nachnamen besteht, die andere dagegen einen ausgeschriebenen oder mit mehreren Buchstaben abgekürzten (also z.B. „Hans“ statt „Johannes“ oder „Herm.“
76 Zutr. MünchKommHGB/Heidinger Rn 25; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16; Kögel Rpfleger 1998, 317 (320); aA BeckOK-HGB/Bömeke Rn 23; vgl. ferner RGZ 103, 388; OLG München WRP 1993, 427. 77 So aber Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger Rn 25; Kögel Rpfleger 1998, 317 (320). 78 Der nach hier vertretener Ansicht erforderliche Rechtsformzusatz „rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts“ (§ 33 Rn 26) ist tatsächlich nicht Teil der in das Handelsregister eingetragenen Firma. 79 MünchKommHGB/Heidinger Rn 26. 80 MünchKommHGB/Heidinger Rn 26; Wessel/Zwernemann/Kögel Firmengründung Rn 74; ähnlich Bokelmann Firmenrecht Rn 81. 81 BGH DB 1993, 1234; BayObLG DJZ 1921, 439; MünchKommHGB/Heidinger Rn 27; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 18; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24; vgl. Heymann/Förster HGB Rn 32. 373
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statt „Hermann“) Vornamen enthält,82 oder wenn die Verschiedenheit durch Aufnahme mehrerer Vornamen („Johann Herm. H.“ und „Hermann H.“) hergestellt wird.83 Nicht ausreichend ist es dagegen, wenn der Unterschied lediglich in der Verwendung einer Abkürzung („Albert Friedrich M.“/„A. Friedrich M.“) oder gar nur in Initialen besteht. Nach „C. H. Benecke & Co. KG“ kann daher nicht „Benecke & Co. KG“ eingetragen werden84 und nach „Hartmann & Schulze“ nicht „Th. Hartmann & Schultze“.85 Letzteres ist zudem ein Beispiel dafür, dass sich auch klanggleiche Namen (etwa auch Meier und Mayer) nicht deutlich genug unterscheiden.86 Das gilt selbst für Andreas/Andrea’s/Andrea, weil Wort- und Klangbild zu ähnlich sind. 36 Bei Gleichnamigen kann die Verwechselungsgefahr durch Hinzufügung eines Sachbestandteils vermieden werden, sofern die Unternehmen nicht in derselben Branche tätig sind. Genügend unterschieden sind daher die Firmen „G.H. Kohlenhandel“ und „G.H. Schokoladefabrik“, aber auch „G.H.“ und „G.H. Lederwaren“, wenn das unter „G.H.“ geführte Unternehmen nicht ebenfalls in der Lederbranche tätig ist;87 ebenso unter entsprechender Voraussetzung „Gebrüder M.“ und „Gebrüder M. Konfektionshaus“88 oder „Gebrüder L.“ und „Gebrüder L. Blusen und Kleider“.89 Um eine Verwechselungsgefahr auszuschließen muss der Sachbestandteil allerdings selbst hinreichend unterscheidungskräftig sein (vgl. Rn 37). Daran fehlt es insbes., wenn der Unterschied lediglich in völlig „farblosen“ Zusätzen wie z.B. „Verwaltung“, „Vertrieb“, „Handel“ oder „Produktion“ besteht. Aus der früheren Rechtsprechung zur GmbH & Co. lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten, da diese vor dem Hintergrund des § 19 a.F. ergangen und mithin überholt ist (Rn 32).90 Nach einer „M. Huber GmbH“ ist daher eine „M. Huber Verwaltungsgesellschaft mbH“ nicht eintragungsfähig, wohl aber nach einer „M. Huber Möbel GmbH“. Schließlich kann die Unterscheidungskraft unterschiedlicher Namen bei umfangreichen gemischten Firmen verloren gehen, z.B. „Brillen Berlin Augenoptikermeister Harald GmbH“/„Brillen Berlin Augenoptikermeister Lüste GmbH“).91
37 e) Sachfirmen. Bei der Sachfirma kommt es neben dem Wortbild und -klang sowie der Branchennähe insbes. auf den Wortsinn an. Dabei sind im Allgemeinen höhere Anforderungen an die Unterscheidbarkeit als bei Personenfirmen zu stellen, weil größere Möglichkeiten zur Wahl eines unterscheidungskräftigen Wortlauts bestehen.92 Verwechselungsfähig sind daher: „Rabattsparverein der vereinigten Geschäftsleute (Klebesystem) GmbH“ und „Sparverein vereinigter
82 MünchKommHGB/Heidinger Rn 27. 83 OLG Hamburg OLGE 11, 20; s. auch BayObLG DJZ 1921, 439; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. 84 GKzHGB/Steitz Rn 7; aA RGZ 20, 71; Kögel Rpfleger 1998, 317 (321); s.a. OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 137 (138). 85 Wie hier OLG Hamburg RJA 10, 49 = Recht 1909 Nr. 1394; MünchKommHGB/Heidinger Rn 27. 86 OLG Dresden ZHR 46, 471; OLG Hamburg RJA 10, 49 = Recht 1909 Nr. 1394 Schulze – Schultze; OLG Hamburg KGJ 41, 267 Herz – Hertz; MünchKommHGB/Heidinger Rn 27; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18; Staub/Hüffer4 Rn 18; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 25. 87 BGHZ 46, 7 (12 f); BayObLGZ 1979, 316 (318); KGJ 51, 120; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19; BeckOKHGB/Bömeke Rn 25; Heymann/Förster HGB Rn 37; aA Kögel Rpfleger 1998, 317 (321), weil sich der Unternehmensgegenstand aus einer reinen Personenfirma nicht erschließe und das Registergericht diesbezüglich keine weiteren Nachforschungen anstelle. Letzteres ist falsch. Vielmehr hat das Registergericht nach § 24 Abs. 4 HRV darauf hinzuwirken, dass bei der Anmeldung auch der Unternehmensgegenstand angegeben wird, soweit er sich nicht aus der Firma ergibt. 88 OLG München LZ 1915, 570; so auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. 89 KG JW 1926, 2001; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 90 AA Kögel Rpfleger 1998, 317 (320 f); wie hier GKzHGB/Steitz Rn 9. 91 OLG Frankfurt OLGZ 1981, 8 (9); MünchKommHGB/Heidinger Rn 29; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. 92 BGH WM 1979, 922 (923); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 21; Heymann/Förster HGB Rn 33. Burgard
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Geschäftsleute zu Berlin GmbH“,93 „Ostdeutsche Betriebsstoffgesellschaft mbH“ und „Ostdeutsche Brennstoffvertrieb GmbH“,94 „Bauhütte Bauwohl mbH“ und „Bauhütte Groß Hamburg AG“,95 „Chemphar Chemisch-pharmazeutische Handelsgesellschaft mbH“ und „Chemopharm GmbH“,96 „HSB Hausbau GmbH“ von „Hausbau Ulm GmbH“,97 „Frankfurter Gummiwarenfabrik“ und „Vereinigte Berlin-Frankfurter Gummiwaren-Fabriken“,98 „Triton GmbH“ und „Tritonwerke GmbH“,99 „Nitro-Lack GmbH“ und „Nitrola, Bayerische Nitro-Lack und Farben, GmbH“ (ausf. dazu Rn 30). Trotz Ähnlichkeit von Wortbild und -klang sowie Branchennähe ist dagegen ausreichende Unterscheidbarkeit anzunehmen, wenn der Wortsinn ganz verschieden ist: „Bank für Gemeinwirtschaft“ und „Bank für Getreidewirtschaft“;100 anders bei nur gradueller Verschiedenheit („ABC Baugesellschaft mbH“/„ABC Hochbaugesellschaft mbH“).101 Bei der Verwendung von Branchen- oder Gattungsbegriffen kann es sowohl an der abstrakten Unterscheidungskraft i.S.d. § 18 Abs. 1 (§ 18 Rn 25 ff) als auch an der konkreten Unterscheidbarkeit i.S.d. § 30 Abs. 1 fehlen. Beides kann und muss durch die Wahl geeigneter Zusätze vermieden werden. Die Unzulässigkeit einer Firma folgt daher nicht schon aus dem Bestehen eines Freihaltebedürfnisses (§ 18 Rn 18).102 Wohl aber kann das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses den Schutz des Namensrechts begrenzen (s. Anh. I zu § 37 Rn 22 aE; Anh. II zu § 37 Rn 15).
f) Phantasiefirmen. Nachdem sich bei Phantasiefirmen oft kein Wortsinn ausmachen lässt, 38 rücken neben der Branchennähe Wortbild und -klang stärker in den Vordergrund. Zudem ist zu berücksichtigen, dass in diesem Bereich viel leichter als bei Personen- und noch leichter als bei Sachfirmen unterscheidungskräftige Bezeichnungen gewählt werden können. Daher sind besonders strenge Anforderungen zu stellen.103 Zweifelhaft ist danach insbes., ob nichts sagende Buchstaben- oder Zahlenkombinationen (zu Ordinalzahlen s. bereits Rn 31), selbst wenn sie vorangestellt sind, eine ausreichende Unterscheidbarkeit begründen (z.B. „A & B Modevertrieb GmbH“/„C & D Modevertrieb GmbH“); zur Kennzeichnungseignung § 18 Rn 13 ff.104
g) Firmierung von Tochtergesellschaften. § 30 Abs. 1 gilt auch für Tochtergesellschaften. 39 Das zeigt auch die Regelung des Abs. 3 (Rn 43 f) und wirft deshalb Schwierigkeiten auf, weil das herrschende Unternehmen oft als Namensgeber auftritt. Diese Schwierigkeiten können durch die Wahl verschiedener Gesellschaftssitze vermieden werden. Wird dieser Weg nicht beschritten, dann bleibt es bei den vorstehenden Grundsätzen. Die Eintragung einer „IBM Application Services GmbH“ bei Voreintragung einer „IBM Deutschland GmbH“ am selben Ort ist daher 93 94 95 96 97
RG Recht 1908, Beilagebank Nr. 1058; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34. RGZ 100, 45 f; GKzHGB/Steitz Rn 5. AA RG JW 1931, 1916; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; wie hier Staub/Hüffer4 Rn 100. RGZ 171, 321; s.a. GKzHGB/Steitz Rn 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. BGH WM 1979, 922 f, Grund: Geographischer Zusatz als bloßer Sitzhinweis und Buchstabenkombination mangels erkennbarer Bedeutung nicht unterscheidungskräftig, Branchennähe; s.a. K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 131; Staub/Hüffer4 Rn 100; MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Ries Rn 22; GKzHGB/Steitz Rn 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. 98 AA OLG Frankfurt Recht 1908, Nr. 605; wie hier Staub/Hüffer4 Rn 100; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 99 KG JW 1931, 3135; GKzHGB/Steitz Rn 6. 100 LG Hamburg BB 1952 477; Staub/Hüffer4 Rn 16; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. 101 Kögel Rpfleger 1998, 317 (321). 102 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Oetker/Schlingloff Rn 10. 103 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; MünchKommHGB/Heidinger Rn 32; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 21. 104 Dagegen BGH WM 1979, 922 f; dafür nach neuem Firmenrecht Kögel Rpfleger 1998, 317 (321); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; MünchKommHGB/Heidinger Rn 33. 375
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abzulehnen;105 denn wegen der vorangestellten, weithin bekannten und daher die Firmen prägenden Firmenabkürzung „IBM“ (International Business Machines) besteht die Gefahr der Verwechselung zweier unterschiedlicher Unternehmensträger (vgl. Rn 29). Diese Gefahr wird einerseits weder durch den Sachbestandteil „Application Services“ ausgeschlossen, weil dieser – zumal angesichts der Branchennähe – zu wenig aussagekräftig ist (vgl. Rn 36 f), noch andererseits durch den geographischen Zusatz „Deutschland“, weil dieser ein bloßer Hinweis auf den in Deutschland gelegenen Sitz ist (vgl. Rn 33). Die Registerpraxis ist allerdings offenbar erheblich großzügiger. So sind mit Sitz in Stuttgart nicht nur eine „IBM Deutschland GmbH“ und eine „IBM Application Services GmbH“, sondern u.a. auch eine „IBM Central Holding GmbH“, „IBM Business Services Asset GmbH“, „IBM Deutschland Business Services GmbH“, „IBM Deutschland Management & Business Support GmbH“ und eine „IBM Deutschland Output Services GmbH“ eingetragen. Die Gefahr der Verwechselung dieser Firmen und damit die Unverträglichkeit dieser Praxis mit § 30 Abs. 1 liegen auf der Hand. Als ausreichend unterscheidungskräftig ist hingegen die Firma „Deutsche Bank Bauspar-Aktiengesellschaft“ bei Voreintragung der Firma „Deutsche Bank Aktiengesellschaft“ anzusehen (s. auch das Beispiel Rn 29 aE).
4. Einzelfälle Außer den in Rn 29 ff genannten, sind folgende Einzelfälle erwähnenswert:
40 a) Keine deutliche Unterscheidbarkeit wurde angenommen: „Kur- und Fremdenverkehrsgesellschaft“ – „Kur- und Verkehrsverein“,106 „m-elektronik GmbH“ – „R-M-Elektronik GmbH“,107 „RME Radio-Marine-Electronic GmbH“ – „marine electronic gmbh“,108 „TECHNOLOGIKA Vertriebsgesellschaft für technische Erzeugnisse mit beschränkter Haftung“ – „TECHNOLOGIKA Vertriebsgesellschaft für technische Erzeugnisse mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft“,109 „Vereinigte Beinwarenfabrik“ – „Beinwarenfabrik“,110 „XYZ Süd Wohnbau GmbH & Co. KG“ – „XYZ Südwest Wohnbau GmbH & Co. KG“.111 Zu § 16 UWG a.F.: „Christopherus Stiftung“ – „Christopherus Versicherungs AG“,112 „Fahrschule karo-as“ – „Fahrschule pik-sieben“,113 „Maritim Hotelgesellschaft mbH“ – „Air Maritim Reisebüro GmbH“,114 „Südwestfunk“ – „RPR StudioSüdwest“.115
41 b) Hinreichend deutliche Unterscheidbarkeit wurde angenommen: „01058 Telecom GmbH“ – „01059 GmbH“,116 „Aktiengesellschaft für Kohlensäure-Industrie“ – „Berliner Kohlen105 AA Kögel Rpfleger 1998, 317 (320) aufgrund seiner abweichenden Ansicht zum Beurteilungsgegenstand. 106 LG Limburg Rpfleger 1981, 23; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. KG NJW-RR 1991, 860; s.a. GKzHGB/Steitz Rn 6. KG OLGZ 1991, 396; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. OLG Frankfurt BB 1973, 676; so auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. RG JW 1922, 1200 Nr. 7; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 23. 111 OLG Frankfurt/a.M. BB 1975, Beilage Nr. 12, 20; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34. 112 BGHZ 103, 171; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 113 BGH BB 1957, 348; siehe aber GKzHGB/Steitz Rn 8. 114 BGH NJW-RR 1989, 808 = GRUR 1989, 449; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 22; GKzHGB/Steitz Rn 6. 115 OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, 167; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 34; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 116 OLG Köln NJW-RR 2006, 624 (625); s.a. GKzHGB/Steitz Rn 8.
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säure-Industrie Gesellschaft mit beschränkter Haftung“,117 „Bayerisches Fernsehen“ – „Privatfernsehen Bayern GmbH & Co. KG“,118 „BOSS“ als Abkürzung für „Börsen-Order-Service-System“ – und für Herrenausstatter „Hugo Boss“,119 „City-Hotel“ – „City-Hilton“,120 „Commerzbank in Lübeck“ – „Lübecker Privatbank – Commerz- u. Privatbank Aktiengesellschaft, Filiale Lübeck“,121 „Johann K Mechanische Fassfabrik“ – „Hans K Fassfabrik“,122 „L.er Stahlbrunnen Gesellschaft mit beschränkter Haftung“ – „L.er St. Georg Stahlquelle Gesellschaft mit beschränkter Haftung“,123 „MedConsult“ – „MedConsulting“,124 „Teco Werkzeugmaschinen GmbH & Co KG“ – „Teco Information Systems Europe GmbH“,125 „U. Volksbank e. G.“ – „Volksbank K. von 1897 e.G.“,126 „Video-Rent Fernseh- und Videoleasing GmbH“ und „Videorent GmbH“,127 „Western Store Inhaber X“ – „Western Store Handelsgesellschaft mbH“,128 bei identischen Firmennamen aber unter Hinzufügung unterschiedlicher Firmensitze und der Buchstaben „LI“,129 bei identischen Personennamen unter Hinzufügung des Zusatzes „Werkzeugmaschinen“.130 Zu § 16 UWG a.F.: „Quelle“ – „Getränke Quelle“,131 „RTL-Plus“ – „1 Plus“,132 „Volksbank Homburg eG“ – „Volksbank Saar-West eG“.133
C. Gleichnamiger Kaufmann, Abs. 2 Für den Fall der Namensgleichheit von Einzelkaufleuten fordert § 30 Abs. 2 einen Firmenzusatz, 42 der die Verwechselungsgefahr mit hinreichender Deutlichkeit ausschließt. Die Vorschrift gilt für Handelsgesellschaften134 und gem. § 2 Abs. 2 Hs. 1 PartGG für Partnerschaftsgesellschaften entsprechend, und zwar auch dann, wenn nicht gänzliche Namensübereinstimmung vorliegt, aber bei klanggleichen Namen nur die Schreibweise differiert (Rn 35).135 Sie stellt dreierlei klar, nämlich erstens, dass Namensübereinstimmung trotz der früher in § 18 Abs. 1 a.F. und heute noch in § 2 Abs. 1 PartGG getroffenen Regelung nicht von der Einhaltung des Grundsatzes der Firmenunterscheidbarkeit entbindet, zweitens, dass unterschiedliche Vornamen eine Verwechselungsgefahr grundsätzlich ausschließen (Rn 35), und drittens, dass derjenige, der die Übereinstimmung der Firmen durch Wahl eines anderen unter seinen mehreren Vornamen verhindern 117 KGJ 37, A 114; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 118 OLG München WRP 1993, 427; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22.
119 OLG Frankfurt/M NJW 1987, 437; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 120 BGH NJW-RR 1995, 1002; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 121 RGZ 103, 388; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 122 BayObLGZ 28 (1928), 505; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22. 123 KGJ 41, A 114; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 124 OLG Hamm GRUR 1988, 849; s.a. GKzHGB/Steitz Rn 8. 125 OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 936; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 126 LG Krefeld JZ 1981, 401 f; „U.“ und „K.“ sind geografische Zusätze; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35. 127 BGH NJW 1987, 438; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 22; GKzHGB/Steitz Rn 8. 128 OLG München BB 1971, Beilage 9, 19; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 22; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. 129 LG Meiningen OLG-NL 2004, 234 (235); s.a. GKzHGB/Steitz Rn 8. 130 OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 936 ff; so auch GKzHGB/Steitz Rn 8. 131 BGH NJW-RR 1990, 295 (296) = GRUR 1990, 37; s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 22. 132 OLG Frankfurt/M OLGZ 1988, 98 (101); s.a. MünchKommHGB/Heidinger Rn 35, Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 22. 133 BGH GRUR 1992, 865; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 22. 134 Statt anderer MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24. 135 Staub/Hüffer4 Rn 21; MünchKommHGB/Heidinger Rn 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 24; GKzHGB/Steitz Rn 7. 377
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könnte, dazu nicht gezwungen ist.136 Ob bei Personenfirmen hinreichende Unterscheidbarkeit vorliegt, richtet sich mithin nach den in Rn 24 ff, 31 dargelegten Grundsätzen.
D. Gleichnamige Zweigniederlassung, Abs. 3 43 Nach § 30 Abs. 3 gilt Abs 2 für die Firmen von Zweigniederlassungen entsprechend. Die Vorschrift erklärt sich daraus, dass der historische Gesetzgeber noch meinte, die Firmen von Haupt- und Zweigniederlassung müssten grundsätzlich übereinstimmen. Diese Ansicht ist jedoch zutreffend aufgegeben: Zweigniederlassungen dürfen eine andere Firma als der Unternehmensträger führen, soweit der Zusammenhang zwischen beiden deutlich zum Ausdruck kommt (Vor § 17 Rn 44 ff). § 30 Abs. 3 hat daher heute nur noch für den Fall Bedeutung, dass die Unterscheidbarkeit gegenüber den bereits eingetragenen Firmen des Ortes oder der Gemeinde nicht schon dadurch gewahrt ist, dass für die Zweigniederlassung eine von der Hauptniederlassung abweichende Firma gewählt wird. Dabei bedürfen Zweigniederlassungen auch dann eines unterscheidungskräftigen Zusatzes, wenn die Firma ihrer Hauptniederlassung älteren Datums ist als diejenige Firma, mit der am Ort der Zweigniederlassung eine Verwechselungsgefahr besteht;137 das folgt schon aus der Maßgeblichkeit des Eintragungszeitpunktes (Rn 11). Für die Beurteilung der Unterscheidbarkeit gelten im Ausgangspunkt die in Rn 23 ff entwickelten allgemeinen Grundsätze. Firmenrechtlich nicht hinlänglich unterschieden sind danach „Cohrs & Ammé Nachfolger, Zweigniederlassung Lübeck“ und „Cohrs & Ammé AG Hamburg, Zweigniederlassung Lübeck“, wohl aber „Cohrs und Ammé Nachfolger Stettin, Zweigniederlassung Lübeck“ und „Coamag Lübeck, Zweigniederlassung der Cohrs & Ammé AG Hamburg“.138 Fraglich ist allerdings, ob ein Zweigniederlassungszusatz alleine (z.B. „Zweigniederlassung 44 ABC GmbH“ oder „ABC GmbH, Filiale Frankfurt“) den Anforderungen des § 30 Abs. 3 genügt.139 Richtigerweise ist zu unterscheiden: Grundsätzlich ist ein Zweigniederlassungszusatz ebenso wenig wie ein Inhaberzusatz alleine unterscheidungskräftig. Das folgt bereits daraus, dass eine solche Firmierung die Nutzung des Werts der Firma der Hauptniederlassung bzw. des vormaligen Inhabers bezweckt und bewirkt. Steht die Unterscheidbarkeit der Zweigniederlassungsfirma von der älteren Firma eines anderen, an demselben Ort ansässigen Unternehmensträgers in Frage, muss die Verwechselungsgefahr daher auf andere Weise gebannt werden. Das gilt auch, wenn der andere Unternehmensträger eine Tochtergesellschaft des Unternehmensträgers der Zweigniederlassung ist (im Beispielsfall also eine Tochtergesellschaft der „ABC GmbH“ etwa eine „DEF GmbH“). Geht es hingegen lediglich um die Unterscheidung der Zweigniederlassungsfirma von der älteren Firma des am selben Ort ansässigen Unternehmensträgers der Zweigniederlassung, dann genügt ein Zweigniederlassungszusatz (teleologische Reduktion), weil in diesem Fall für den Rechtsverkehr keine relevante Verwechselungsgefahr besteht (vgl. auch § 50 Abs. 3 S. 2), da ohnehin nur der Unternehmensträger berechtigt und verpflichtet wird. Geht es um die Unterscheidbarkeit von einer älteren, am selben Ort ansässigen Zweigniederlassungsfirma desselben Unternehmensträgers, ist aus diesem Grund die zusätzliche Anfügung
136 MünchKommHGB/Heidinger Rn 36; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 19. 137 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; Kögel Rpfleger 1998, 317 (322).
138 RGZ 114, 318. 139 Dagegen Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 7; ebs BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 30; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 23; differenzierend Heymann/Förster HGB Rn 40; zweifelnd MünchKommHGB/Heidinger Rn 38; dafür Kögel Rpfleger 1998, 317 (322). Burgard
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eines geographischen Zusatzes (z.B. „ABC GmbH, Filiale Bergstraße“/„ABC GmbH, Filiale Wilhelmstraße“) erforderlich und ausreichend.140
E. Benachbarte Orte, Abs. 4 § 30 Abs. 4 enthält die gesetzliche Ermächtigung, den räumlichen Geltungsbereich des Grund- 45 satzes der Firmenunterscheidbarkeit zu erweitern. Von dieser Möglichkeit zur Bildung gemeinschaftlicher Firmenbezirke, die nicht mit den Registerbezirken (§ 376 FamFG [§ 125 Abs. 1 und 2 FGG a.F.]) verwechselt werden dürfen, wurde teilweise Gebrauch gemacht.141 So bestimmte etwa § 1 der hessischen Verordnung über gemeinschaftliche Firmenbezirke nach § 30 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs vom 14.4.1976,142 dass die Gemeinden Bergen-Enkheim, Eschborn, Hattersheim, Hofheim (Taunus), Kriftel, Liederbach und Sulzbach (Taunus) jeweils mit der Stadt Frankfurt (Main) als ein Ort oder eine Gemeinde im Sinne des § 30 des Handelsgesetzbuchs anzusehen waren. Heute hat § 30 Abs. 4 allenfalls noch geringe praktische Bedeutung.143 Angesichts der Konzentration der Handelsregister gem. § 376 FamFG (§ 125 Abs. 1 und 2 FGG a.F.)144 gilt dies erst Recht für § 38 HRV, wonach das Registergericht, wenn ein Ort oder eine Gemeinde zu dem Bezirk verschiedener Registergerichte gehört, vor der Eintragung einer neuen Firma oder der Änderungen einer Firma bei den anderen beteiligten Registergerichten anzufragen hat, ob gegen die Eintragung im Hinblick auf § 30 Bedenken bestehen.
F. Verfahren und Durchsetzung In erster Linie ist es Aufgabe des Registergerichts, die Einhaltung des Grundsatzes der Firmenun- 46 terscheidbarkeit durchzusetzen. Wenn eine Firma angemeldet wird, die gegen § 30 verstößt, hat das Gericht dem Anmelder zunächst durch eine Zwischenverfügung (§ 26 S. 2 HRV) Gelegenheit zu geben, binnen einer bestimmten Frist, die Firma zur Behebung der Verwechselungsgefahr zu ändern. Zugleich ist er aufzufordern, den Gebrauch der angemeldeten Firma zu unterlassen. Kommt der Anmelder dieser Aufforderung nicht nach, ist die Anmeldung zurückzuweisen145 und ein Firmenmissbrauchsverfahren (§ 37 Abs. 1, §§ 388 ff, 392 FamFG [§§ 132 ff, 140 FGG a.F.]) einzuleiten. Ist die Firma fälschlicherweise eingetragen worden und ändert der Beteiligte die Firma unter dem Druck des Zwangsgeldverfahrens nicht, so erfolgt gem. § 395 FamFG (§ 142 FGG a.F.) die Amtslöschung. Der durch den Firmengebrauch in seinen rechtlich geschützten Interessen Verletzte hat den Unterlassungsanspruch aus § 37 Abs. 2. Daneben können Ansprüche aus §§ 12, 823 Abs. 1 BGB, §§ 5, 15 MarkenG (dazu Anh. I und II zu § 37) bestehen.
140 Zur Unterscheidbarkeit durch die Aufnahme lokalisierender Zusätze s. OLG Stuttgart BB 1976, 1575 m. zust. Anm. Körner; zur Aussagekraft von Firmenzusätzen vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 3.5.1996, Az. 20 W 386/95 mwN; zur weiteren Hinzufügung eines unterscheidungskräftigen Zusatzes s. LG Meinigen OLG-NL 2004, 234 f. 141 Eine Auflistung enthielt früher Anlage 5 zur HRV, abgedr. bei Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 4. 142 GVBl. I, 221; aufgehoben durch die Verordnung zur Aufhebung der Verordnung über gemeinschaftliche Firmenbezirke nach § 30 Abs. 4 des Handelsgesetzbuchs, GVBl. 2004 I, 549. 143 Statt anderer Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; MünchKommHGB/Heidinger Rn 39. 144 S. dazu Ammon DStR 1998, 1474 (1479). 145 RGZ 75, 370 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 24; MünchKommHGB/Heidinger Rn 40; GKzHGB/Steitz Rn 12; Hopt/Merkt Rn 11. 379
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§ 31 (1) Eine Änderung der Firma oder ihrer Inhaber sowie die Verlegung der Niederlassung an einen anderen Ort sowie die Änderung der inländischen Geschäftsanschrift ist nach den Vorschriften des § 29 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Das gleiche gilt, wenn die Firma erlischt. Kann die Anmeldung des Erlöschens einer eingetragenen Firma durch die hierzu Verpflichteten nicht auf dem in § 14 bezeichneten Wege herbeigeführt werden, so hat das Gericht das Erlöschen von Amts wegen einzutragen.
Schrifttum Albrecht/Bengsohn Die Unternehmenspacht und ihre Behandlung im Handelsregister, Rpfleger 1982, 361; Gröger Zur Frage der Löschung einer Firma im Handelsregister durch den Pächter, Rpfleger 1982, 70; Groschuff Firmenlöschung, JW 1934 940; ders. Wiederbelebung von Firmen, JW 1935 1738; Hönn Die konstitutive Wirkung der Löschung von Kapitalgesellschaften, ZHR 138 (1974), 50; Kirchner Zur Frage, ob die Änderung des Firmenkerns auf dem gleichen Handelsregisterblatt vermerkt werden darf, MittBayNot 1990, 195; Leitzen Der Umzug von Kapitalgesellschaften und seine registerrechtlichen Folgen RNotZ 2011, 536; Saenger Die im Handelsregister gelöschte GmbH im Prozeß, GmbHR 1994, 300; G.C. Schwarz Publizitätswirkungen des Handelsregisters bei der Umwandlung einer Personenhandelsgesellschaft in eine BGB-Gesellschaft, DB 1989, 161. S. ferner das Schrifttum zu § 29.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
B.
Firmenänderungen, Abs. 1 Fall 1
I.
Eintragungspflichtige Tatsachen
II.
Zur Anmeldung verpflichtete Personen
C.
Inhaberwechsel, Abs. 1 Fall 2
I.
Eintragungspflichtige Tatsachen
II.
Zur Anmeldung verpflichtete Personen
D.
Verlegung der Niederlassung, Abs. 1 14 Fall 3
E.
Änderung der inländischen Geschäftsan15 schrift, Abs. 1 Fall 4 Erlöschen der Firma, Abs. 2 S. 1
F.
I.
Abgrenzung zwischen Erlöschen, Änderung und 17 Neubildung der Firma
II.
Erlöschen der Firma von Einzelkaufleu18 ten
III.
Erlöschen der Firma von Personenhandelsgesell23 schaften
IV.
Erlöschen der Firma von Kapitalgesellschaften 27 und anderer Rechtsformen
V.
Deklaratorische oder konstitutive Wirkung der 29 Eintragung
VI. 1. 2. 3. 4.
Zur Anmeldung verpflichtete Personen 30 Einzelkaufleute 31 Personenhandelsgesellschaften Kapitalgesellschaften und sonstige Rechtsfor32 men 33 Insolvenzverfahren
G.
Verfahren
H.
Subsidiäre Amtslöschung
I.
Voraussetzungen
II.
Grundzüge des Verfahrens
1 2
4 5
7 10
11
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-019
13
34
36 38
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 31
A. Grundlagen I. Norminhalt Während § 29 die Pflicht zur erstmaligen Anmeldung der Firma, des Orts und der inländischen 1 Geschäftsanschrift der Hauptniederlassung bei dem zuständigen Registergericht begründet, erstreckt § 31 Abs. 1 die Anmeldepflicht auf Änderungen dieser Tatsachen sowie § 31 Abs. 2 S. 1 auf das Erlöschen der Firma. § 31 Abs. 2 S. 2 gibt schließlich dem Registergericht die Möglichkeit, das Erlöschen der Firma auch ohne Anmeldung des hierzu Verpflichteten einzutragen, wenn die Anmeldung nicht durch die Festsetzung von Zwangsgeld gem. § 14 durchgesetzt werden kann.
II. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht auf Art. 25 Abs. 1 ADHGB zurück und ist seit dem Erlass des HGB weitgehend 2 unverändert. Das hat dazu geführt, dass der Wortlaut im Blick auf die Verlegung der Niederlassung teilweise überholt ist. Hinsichtlich der Verlegung des Sitzes der Hauptniederlassung im Inland greift heute § 13h (s. dort Rn 2), hinsichtlich der Verlegung von Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland seit Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.20061 § 13 Abs. 1 S. 2 als spezialgesetzliche Regelung ein (s. § 13 Rn 2, 7, 67 ff). Damit hat sich zugleich der zuvor geführte Meinungsstreit, nach welcher Vorschrift die Verlegung von Zweigniederlassungen zu behandeln ist, erledigt.2 Für Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland fehlt allerdings in den §§ 13e ff eine entsprechende Regelung (§ 13d Abs. 3 ist nicht anwendbar). Insoweit kann bei einer Verlegung der Zweigniederlassung auf § 31 zurückgegriffen werden (näher Rn 14). Eine diese Gesetzeslage berücksichtigende Anpassung des Gesetzestextes hat auch das Ge- 3 setz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG)3 nicht gebracht. Eingefügt wurden lediglich die Worte „sowie die Änderung der inländischen Geschäftsanschrift“. Dieser Zusatz steht – ebenso wie die entsprechende Ergänzung des § 29 – im Zusammenhang mit den Änderungen in §§ 8 Abs. 4 Nr. 1, 10 GmbHG, §§ 37 Abs. 3 Nr. 1, 39 AktG, §§ 13, 13d, 13e, 13f, 13g, 106 Abs. 2 Nr. 2, 107. Bezweckt ist eine Zustellungserleichterung zu Gunsten der Gläubiger.4 Bedeutung hat die Änderung freilich weniger für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften (s. § 29 Rn 3) als für juristische Personen i.S.d. § 15a. Damit sind – entgegen diesem zu weit gefassten Begriff – nach der Begründung des Regierungsentwurfs insbes. die Aktiengesellschaft und die GmbH sowie Zweigniederlassungen i.S.d. § 13e gemeint, nicht aber eingetragene Genossenschaften und auch nicht juristische Personen i.S.d. § 33 (entsprechende Änderungen der §§ 10 ff GenG bzw. des § 33 fehlen dementsprechend).5 Bei juristischen Personen in diesem Sinne ist unter den dort genannten Voraussetzungen eine öffentliche Zustellung gem. § 185 Nr. 2 ZPO n.F. möglich. Eine dieser Voraussetzungen ist, dass die juristische Person zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet ist. Für die Ersteintragung ergibt sich diese Pflicht aus § 8 Abs. 4 Nr. 1
1 BGBl. I, 2553. 2 S. dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Zimmer 2. Aufl Rn 8; näher zum früheren Rechtszustand Schlegelberger/ Hildebrandt/Steckhan § 13c Rn 10; wie hier Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Ries Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1. 3 BGBl. I, 2026, 2033. 4 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 49; siehe hierzu Leitzen RNotZ 2011, 536 (539). 5 S. hierzu Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 50 f. 381
Burgard
§ 31
1. Buch. Handelsstand
GmbHG n.F., § 37 Abs. 3 Nr. 1 AktG n.F., §§ 13e Abs. 2 S. 3, 13f Abs. 3, 13g Abs. 3. Für Änderungen gilt hingegen § 31.6
III. Normzweck 4 Die Publizitätsfunktion des Handelsregisters erfordert, dass es die wesentlichen Rechtsverhältnisse der Kaufleute und Handelsgesellschaften vollständig und richtig wiedergibt. Während § 29 diesen Zweck durch Begründung der Pflicht zur Erstanmeldung verfolgt, enthält § 31 die notwendige Ergänzung, indem er die Anmeldung nachträglich eingetretener Veränderungen und des Erlöschens der Firma vorschreibt.7 Im Übrigen gilt das Vorstehende (Rn 3) sowie das zu § 29 Ausgeführte (dort Rn 4).
IV. Anwendungsbereich 5 § 31 gilt primär für Einzelkaufleute. Die Vorschrift gilt darüber hinaus für Handelsgesellschaften i.S.d. § 6 Abs. 1, bei denen jedoch eine Reihe von Sondervorschriften zu beachten sind (insbes. §§ 107, 143, 148 Abs. 1, 157, 161 Abs. 2, §§ 181, 273 AktG, §§ 54, 74 GmbHG, § 2 Abs. 3 EWIVAG, § 394 FamFG). Für die eingetragene Genossenschaft gilt insbes. § 16 Abs. 5, 6 GenG, für juristische Personen i.S.d. § 33 die Bestimmungen des § 34 (s. dort), für den VVaG § 196 VAG. Entsprechend ist § 31 auf Partnerschaftsgesellschaften (§ 2 Abs. 2 PartGG) und ab dem 1.1.2024 auf eingetragene GbRs (§ 707b Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG) anzuwenden. 6 Eine Voreintragung der Firma ist grundsätzlich (Ausnahme Rn 7) nicht Voraussetzung der Anmeldepflicht.8 Für die registermäßige Behandlung ist jedoch zu unterscheiden: Fehlt eine Eintragung überhaupt, so muss ein neues Registerblatt angelegt, also wie bei einer Neuanmeldung nach § 29 verfahren werden. Nur wenn eine Firma eingetragen ist, tatsächlich aber eine andere Firma geführt und diese geändert wird, kann die Firma in der geänderten Form gem. § 13 Abs. 3 HRV auf dem bisherigen Registerblatt eingetragen werden. In diesem Fall ist in Spalte 5 des Handelsregisters („sonstige Rechtsverhältnisse“) zusätzlich die alte Firma einzutragen.9
B. Firmenänderungen, Abs. 1 Fall 1 I. Eintragungspflichtige Tatsachen 7 Der Begriff der Firmenänderung setzt eine (schon oder noch) bestehende Firma voraus. Eine Voreintragung ist aber nicht erforderlich (Rn 6), es sei denn, dass ohnedies keine Firma besteht (so namentlich bei Kleingewerblichkeit). Nach Erlöschen der Firma (dazu Rn 17 ff) kann sie nicht mehr geändert werden.10 Besteht eine Firma, ist jede Änderung anmeldepflichtig, gleich worin sie besteht oder worauf sie beruht bzw. wodurch sie veranlasst ist.11 Eine Änderung der Firma liegt daher nicht nur vor, wenn die Firma von ihrem Inhaber vollständig ausgewechselt wird (die „X. GmbH“ benennt sich in „U. GmbH“ um), sondern ist jede Streichung, Veränderung 6 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 36. 7 KG OLGZ 1965, 124 (127) = NJW 1965, 254; OLG Hamm OLGZ 1977, 438 (439) = BB 177, 967; OLG Hamm NJW 1994, 392 (393) = DB 1993, 1816.
8 RGZ 15, 33 (35); OLG Frankfurt OLGZ 1973, 20 (24); Staub/Hüffer4 Rn 6; MünchKommHGB/Krafka Rn 4; BeckOKHGB/Bömeke Rn 3; Hopt/Merkt Rn 5. 9 OLG Frankfurt OLGZ 73, 24; MünchKommHGB/Krafka Rn 4 aE; Hopt/Merkt Rn 10. 10 OLG Hamm DB 1993, 1816; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 2. 11 MünchKommHGB/Krafka Rn 4; vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Hopt/Merkt Rn 2. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 31
oder Hinzufügung von Firmenbestandteilen oder Firmenzusätzen (aus „Achim Müller e.K.“ wird „A. Müller e.K.“ oder aus der „M. & M. OHG“ die „M. & M. KG“). Erfasst werden nicht nur freiwillige Änderungen, sondern auch gesetzlich erforderliche oder durch Urteil (etwa aufgrund von § 12 BGB, §§ 5, 15 MarkenG, § 37 Abs. 2) erzwungene Änderungen. Unerheblich ist ferner, ob die Änderung eine ursprüngliche oder abgeleitete Firma betrifft. In den Fällen einer Firmenfortführung ist die Firmenänderung allerdings von einem nach 8 Abs. 1 Fall 2 einzutragenden Inhaberwechsel und einem nach Abs. 2 S. 1 einzutragenden Erlöschen der Firma abzugrenzen. Um einen bloßen Inhaberwechsel handelt es sich, wenn der Erwerber eines Handelsgeschäfts die Firma gem. § 22 zulässigerweise vollkommen unverändert fortführt. Neben dem Inhaberwechsel liegt eine Firmenänderung vor, wenn der Erwerber die Firma fortführt und sie in einem nach § 22 erlaubten (z.B. Nachfolgezusatz) oder gebotenen (z.B. Anpassung des Rechtsformzusatzes) Maße verändert. Und schließlich ist es eine Firmenänderung, wenn der neue Inhaber die Firma zwar zunächst – mit oder ohne für die Fortführungsbefugnis unschädlichen Änderungen – fortführt, sie dann aber über das von § 22 erlaubte Maß hinaus (näher § 22 Rn 84 ff) verändert.12 Dagegen erlischt die Firma erstens, wenn der Erwerber eines Handelsgeschäfts mangels Einwilligung i.S.d. § 22 nicht zur Fortführung der Firma berechtigt ist und der Veräußerer infolge der Veräußerung des Handelsgeschäfts nicht mehr firmenfähig ist13 (so i.d.R. bei Einzelkaufleuten,14 anders bei Personenhandels- und Kapitalgesellschaften, s. § 17 Rn 33 ff, ferner u. Rn 17 ff). Und sie erlischt zweitens, wenn der Erwerber zwar zur Firmenfortführung berechtigt ist, aber von dieser Berechtigung keinen Gebrauch macht, indem er entweder die erworbene Firma aufgibt oder sie von vornherein über das nach § 22 erlaubte Maß verändert, so dass keine Firmenkontinuität mehr gegeben ist.15 Schließlich liegt weder ein Erlöschen der Firma noch ein Inhaberwechsel noch eine Änderung der Firma vor, wenn ein namensgebender Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und die Gesellschaft ihre Firma ohne die nach § 24 Abs. 2 erforderliche Einwilligung unverändert fortführt. Vielmehr führt die mangelnde Einwilligung i.S.d. § 24 Abs. 2 lediglich dazu, dass die Gesellschaft nicht mehr zum Gebrauch des Namens des ausgeschiedenen Gesellschafters berechtigt ist (s. § 24 Rn 41). Sie ist daher lediglich namensrechtlich verpflichtet, den Namen des ausgeschiedenen Gesellschafters aus ihrer Firma zu streichen. Eine Firmenänderung liegt mithin erst dann vor, wenn sie dieser Verpflichtung nachkommt. Ein Inhaberwechsel i.S.d. § 31 Abs. 1 Fall 2 ist gegeben, wenn ein Gesellschafter in das 9 Geschäft eines Einzelkaufmanns aufgenommen wird (Wechsel von e.K. zu OHG oder KG) oder wenn der vorletzte Gesellschafter aus einer Personenhandelsgesellschaft ausscheidet (Wechsel von OHG oder KG zu e.K.) und die Firma gem. § 24 (dort Rn 20 ff) fortgeführt wird.16 Im zuletzt genannten Fall ist zudem die liquidationslose Vollbeendigung der Gesellschaft einzutragen.17 In beiden Fällen bedarf es überdies einer Firmenänderung, nämlich zumindest gem. § 19 im Blick auf den Rechtsformzusatz (§ 24 Rn 46). Um eine bloße Firmenänderung handelt es sich nach dem zuvor Gesagten (Rn 8) ferner, wenn der neue Inhaber die Firma zunächst – mit oder ohne 12 BayObLG NJW 1971, 1616; BayObLG DB 1978, 2407; OLG Hamm BB 1977, 967 (968); Staub/Hüffer4 Rn 5; Heymann/ Förster HGB Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7.
13 S. MünchKommHGB/Krafka Rn 7, 11. 14 Anders wenn Kaufmann mit verbliebenen Betriebsteilen Gewerbe fortführt oder neuen Betrieb aufbaut, Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 19; ferner etwa MünchKommHGB/Heidinger § 22 Rn 8, 75.
15 BayObLG NJW 1971, 1616; BayObLG DB 1978, 2407; OLG Hamm OLG BB 1977, 967 (968); Staub/Hüffer4 Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3.
16 OLG Hamm OLGZ 1977, 438 (442) = BB 1977, 967 (968 f); OLG Stuttgart OLGZ 1979, 385 (386); BayObLG DB 1978, 2407; Staub/Hüffer4 Rn 9; Heymann/Förster HGB Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; HKzHGB/Ruß Rn 2. 17 Nachdem die Vollbeendigung einer Personenhandelsgesellschaft keine eintragungsfähige Tatsache ist (s. Rn 24), ist die registerrechtliche Behandlung streitig, s. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lorz § 143 Rn 4 mwN. Richtigerweise ist – neben den im Text genannten Eintragungen – die Auflösung der Gesellschaft (§ 143 Abs. 1) verbunden mit dem Vermerk einzutragen, dass eine Liquidation nicht stattfindet, OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 245. 383
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1. Buch. Handelsstand
für das Recht zur Firmenfortführung unschädlichen weiteren Änderungen – fortführt, sie dann aber über das insofern erlaubte Maß hinaus verändert, so dass keine Firmenkontinuität mehr gegeben ist. Das ist unstreitig. Anders als in den Fällen des § 22 soll es sich jedoch auch dann um eine bloße Firmenänderung ohne Erlöschen der alten Firma und der Bildung einer neuen Firma handeln, wenn der neue Firmeninhaber die Firma nicht fortführt, sondern sie von vornherein derart wesentlich verändert, dass keine Firmenkontinuität gegeben ist.18 Begründet wird dies damit, dass eine andere Einordnung der Kontinuität des Unternehmens und der fortdauernden Beteiligung einer Person nicht gerecht würde. Das überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Erstens ist daran zu erinnern, dass die genannten Fälle systematisch betrachtet eher § 22 als § 24 zuzuordnen sind (s. § 24 Rn 20, 24). Zweitens ist die Kontinuität des Unternehmens keine Besonderheit, sondern Voraussetzung für das Recht zur Firmenfortführung (s. § 22 Rn 17 ff, aber auch Rn 106 f, § 24 Rn 17 f). Und drittens ist die fortdauernde Beteiligung einer Person kein hinreichender Grund, weil er einerseits in den Fällen der vorliegenden Art nicht stets gegeben sein muss (alle Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft übertragen ihre Geschäftsanteile auf einen Dritten, s. § 24 Rn 24) und er andererseits auch im Falle des § 22 gegeben sein kann (z.B. wenn ein Einzelkaufmann sein Handelsgeschäft mitsamt der Firma an eine OHG veräußert, in der er bereits Gesellschafter ist). Schließlich besteht angesichts der Regelung des § 41 Abs. 1 HRV auch kein praktisches Bedürfnis, Fälle der fraglichen Art als bloße Firmenänderung zu behandeln.
II. Zur Anmeldung verpflichtete Personen 10 Zur – – –
Anmeldung einer Firmenänderung sind verpflichtet: bei einzelkaufmännischen Unternehmen der Inhaber, § 31 Abs. 1 i.V.m. § 29, bei Personenhandelsgesellschaften sämtliche Gesellschafter, §§ 107, 108 S. 1, 162 Abs. 2, bei der AG, weil eine Firmenänderung gem. § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG eine Satzungsänderung voraussetzt, der Vorstand, § 181 Abs. 1 AktG, – bei der GmbH, wegen der für eine Firmenänderung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG erforderlichen Änderung des Gesellschaftsvertrages, die Geschäftsführer, §§ 54 Abs. 1, 78 GmbHG. In der Insolvenz hat der Insolvenzverwalter wegen der Massezugehörigkeit der Firma ihre Änderung anzumelden (ausf. § 22 Rn 54 ff).
C. Inhaberwechsel, Abs. 1 Fall 2 I. Eintragungspflichtige Tatsachen 11 § 31 Abs. 1 Fall 2 betrifft den Inhaberwechsel aufgrund von Rechtsgeschäfts oder von Todes wegen unter zulässiger Firmenfortführung, also insbes. die Fälle des § 22. Erfasst wird aber auch der Übergang vom Einzel- zum Gesellschaftsunternehmen und umgekehrt, allerdings ebenfalls nur unter der Voraussetzung einer zulässigen Firmenfortführung gem. § 24 Abs. 1 (s. Rn 9). Entgegen manch ungenauer Formulierung setzt die Vorschrift jedoch nicht voraus, dass die Firma gleich bleibt19 oder nicht gleichzeitig geändert wird.20 Vielmehr ist in den Fällen eines Inhaberwechsels oft – wenngleich nicht immer – zumindest eine Anpassung des Rechtsformzusatzes erforderlich. Auch sonstige Firmenänderungen anlässlich des Inhaberwechsels schaden nicht, wenn dadurch nicht das Recht zur Firmenfortführung und damit mangels Firmenkontinu18 Staub/Hüffer4 Rn 9; s. zu § 24 Abs. 1 Fall 1 OLG Hamm BB 1977, 967; offengelassen für Erbfolge von BayObLG DB 1978, 2407.
19 So Staub/Hüffer4 Rn 12, wie hier Hopt/Merkt Rn 3. 20 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6. Burgard
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§ 31
ität die Firma erlischt. Solche unschädlichen Firmenänderungen sind zusammen mit dem Inhaberwechsel anzumelden. Allerdings muss die Firma auch nicht dauerhaft fortgeführt werden. Eine vorübergehende Firmenfortführung reicht aus. Die Firma erlischt jedoch, wenn der neue Inhaber entweder nicht zur Firmenfortführung berechtigt ist oder von dieser Berechtigung keinen Gebrauch macht, indem er entweder die erworbene Firma aufgibt oder sie von vornherein über das nach §§ 22, 24 erlaubte Maß verändert (s. bereits Rn 8). Kein Fall des Inhaberwechsels ist dagegen eine bloße Veränderung im Gesellschafter- 12 bestand; denn dies lässt die Identität des Inhabers, also der Gesellschaft, grundsätzlich unberührt. Für Kapitalgesellschaften liegt das auf der Hand, ist aber auch bei Personenhandelsgesellschaften nicht anders, solange nicht der vorletzte Gesellschafter ausscheidet (s. § 24 Rn 21, 24). Das bedeutet freilich mitnichten, dass Veränderungen im Gesellschafterbestand nicht dem Handelsregister mitzuteilen wären. Bei der OHG und KG handelt es sich vielmehr um eintragungspflichtige Tatsachen (§§ 107, 108, 143, 161 Abs. 2, 162). Für die GmbH gilt § 40 GmbHG.
II. Zur Anmeldung verpflichtete Personen Bei einem Inhaberwechsel aufgrund eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden müssen beide Partei- 13 en, also sowohl der bisherige als auch der neue Inhaber, die Änderung anmelden.21 Ersterer muss schon deshalb an der Eintragung interessiert sein, um eine Haftung für Neuverbindlichkeiten zu vermeiden (§ 15 Abs. 1 und 2).22 Die Eintragung erfolgt grundsätzlich auf dem alten Registerblatt,23 und zwar auch dann, wenn der neue Inhaber die Firma später ändert.24 Das beruht auf dem heute zweifelhaft gewordenen System des HGB, das die Firma und nicht den Unternehmensträger in den Vordergrund des Registerrechts stellt.25 Erfolgt der Inhaberwechsel von Todes wegen, sind sämtliche Erben, die das Unternehmen in ungeteilter Erbengemeinschaft betreiben, unter Nachweis der Erbfolge (§ 12 Abs. 1 S. 3) zur Anmeldung verpflichtet (§ 2038 BGB).26 Wird das Unternehmen von einem Testamentsvollstrecker geführt, so kommt es zunächst darauf an, wie man diesen Fall rechtlich einordnet (s. dazu § 27 Rn 76 ff). Folgt man mit der hier vertretenen Ansicht der sog. echten Testamentsvollstreckerlösung, so sind der oder die Erben als Inhaber einzutragen, der Testamentsvollstrecker dagegen lediglich gem. § 53 analog.27 Lehnt man diese Ansicht ab, so kommt es darauf an, ob die Beteiligten die Treuhandlösung oder die Vollmachtslösung gewählt haben28 (§ 22 Rn 72). Im ersten Fall ist der Testamentsvollstrecker Inhaber der Firma und deshalb anmeldepflichtig;29 im zweiten Fall liegt die Anmeldepflicht bei dem oder den Erben,30 die sich bei der Anmeldung jedoch durch den Testamentsvollstrecker 21 KGJ 39 (1910), A 107, A 110; KG OLGR 43 202; KG OLGE 1923, 202 = DNotZ 1925, 16 Nr. 4a; KG HRR 1934 Nr. 1041; Staub/Hüffer4 Rn 13; Heymann/Förster HGB Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Hopt/Merkt Rn 6; aA HKzHGB/Ruß Rn 5: der letzte Inhaber. 22 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 9; Koller/Kindler/Roth/Drüen Rn 3. 23 OLG Oldenburg Rpfleger 1980, 473; OLG Hamm OLGZ 1977, 438 (442) = DB 1977, 1253; OLG Stuttgart OLGZ 1979, 385 (386); Staub/Hüffer4 Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 3; MünchKommHGB/Krafka Rn 8. 24 BayOLGZ 1971, 163; OLG Hamm Rpfleger 2002, 572; MünchKommHGB/Krafka Rn 8. 25 MünchKommHGB/Krafka Rn 8. 26 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 13; HKzHGB/Ruß Rn 3; Hopt/Merkt Rn 6. 27 Canaris Handelsrecht § 9 Rn 38; Muscheler 418 ff; Schiemann FS Medicus, 527; F. Baur FS Dölle I, 249, (259 f, 264); MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 23, sowie bereits Bondi DJZ 1923, 563. 28 Vgl. auch RGZ 132, 138, (142); BGHZ 12, 100 (102); BGHZ 24, 106 (112); BGHZ 35, 13 (15); BGH NJW 1975, 54; BGHZ 108, 187 (190). 29 OLG Hamm NJW 1963, 1554 (1555); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 13, Vor §§ 22 Rn 75; HKzHGB/Ruß Rn 3; MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 27; Ulmer NJW 1990, 73 (82); Soergel/Damrau § 2205 BGB Rn 34 jeweils mwN. 30 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 13, Vor §§ 22 Rn 75; MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 25; Soergel/Damrau § 2205 BGB Rn 35. 385
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vertreten lassen können (§ 29 Rn 10 a.E.). In beiden Fällen muss der Testamentsvollstrecker zudem seine Stellung offen legen.31 Wird die Firmenänderung durch Eintritt der Nacherbfolge ausgelöst, so ist die Anmeldung durch den Vorerben oder seine Rechtsnachfolger und den Nacherben zu bewirken.32
D. Verlegung der Niederlassung, Abs. 1 Fall 3 14 Die Anmeldung der Verlegung von Hauptniederlassungen im Inland ist in § 13h, die Verlegung von Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland in § 13 Abs. 1 S. 2 geregelt (s. schon Rn 2). Für die Verlegung von Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland fehlt allerdings in den §§ 13e ff eine entsprechende Regelung (§ 13d Abs. 3 ist nicht anwendbar). Daraus sollte freilich nicht der Schluss gezogen werden, dass registerrechtlich keine Verlegung, sondern nur eine Aufhebung nach §§ 13f Abs. 6, 13g Abs. 6 und Neugründung möglich wäre. Vielmehr kann insoweit auf § 31 zurückgegriffen werden. Aus dieser Vorschrift ergibt sich freilich nur die Anmeldepflicht. Hinsichtlich des Verfahrens ist sinnvoller Weise § 13h analog anzuwenden, da Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland registerrechtlich wie Hauptniederlassungen behandelt werden, s. § 20 HRV (allerdings ggf. mit der Besonderheit des § 13e Abs. 5). Hinsichtlich der zur Anmeldung verpflichteten Personen gilt § 13e Abs. 2 S. 1.33 Aus dem Inhalt der Anmeldung muss der geänderte Ort sowie die neue Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung hervorgehen.
E. Änderung der inländischen Geschäftsanschrift, Abs. 1 Fall 4 15 Seit Inkrafttreten des MoMiG (Rn 3) ist auch jede Änderung der inländischen Geschäftsanschrift anzumelden. Die Geschäftsanschrift ist genau anzugeben, d.h. mit Straße, Hausnummer, Postleitzahl und Ort (sowie erforderlichenfalls weitere Präzisierungen wie Hinterhaus oder Ortsteil). Ändert sich eine dieser Angaben, ist dies anzumelden, auch wenn damit keine Verlegung der Niederlassung verbunden ist. Die bloße Angabe eines Postfachs reicht nicht aus. Der Insolvenzverwalter nicht verpflichtet, seine eigene Anschrift oder eine andere zustellfähige Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.34 Zur Anmeldung sind verpflichtet: 16 – bei einzelkaufmännischen Unternehmen der Inhaber, § 31 Abs. 1 i.V.m. § 29, – bei Personenhandelsgesellschaften sämtliche Gesellschafter, §§ 107, 108 Abs. 1, 162 Abs. 2, – bei der AG und der GmbH die Mitglieder des Vertretungsorgans, also die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer. Ob die Prokura35 oder eine Handlungsvollmacht36 die Vertretungsmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister umfasst, wird von der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet und ist danach zu beantworten, ob man in der Änderung ein „Grundlagengeschäft“ sieht oder – richtigerweise – nicht.
31 Sehr str., wie hier LG Konstanz DB 1990, 726, sowie die hL Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Staub/Hüffer4 Rn 13; Ulmer NJW 1990, 73 (82); Mayer ZIP 1990, 976 (978 f); Reimann DNotZ 1990, 190 (194); Schaub ZEV 1996, 68 f; Rowedder EWiR 1989, 991; dagegen die überwiegende Rspr. RGZ 132, 138 (141 ff); OLG Hamm NJW 1963, 1554 (1555); OLG Frankfurt NJW 1983, 1806; KG NJW-RR 1996, 227; offengelassen BGHZ 108, 187 (190). 32 KG HRR 1934, Nr. 1041; Staub/Hüffer4 Rn 13; MünchKommHGB/Krafka Rn 13; Heymann/Förster HGB Rn 11; HKzHGB/Ruß Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7. 33 Insofern aA Mankowski/Knöfel in Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, 2. Auf. 2006, § 12 Rn 40. 34 OLG Schleswig – 2 W 90/10, FGPrax 2010, 208. 35 Dagegen OLG Karlsruhe – 11 Wx 17/14, NJW-RR 2015, 94. 36 Dafür KG – 21 W 40/13, NZG 2014, 150. Burgard
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F. Erlöschen der Firma, Abs. 2 S. 1 I. Abgrenzung zwischen Erlöschen, Änderung und Neubildung der Firma Eine Firma erlischt, wenn sie endgültig aufgegeben wird. Solange der Unternehmensträger zur 17 Führung einer Firma verpflichtet ist (§ 17 Rn 9 ff, 51), muss er aber eine neue Firma annehmen und zum Handelsregister anmelden.37 Jede Änderung einer Firma ist also genau betrachtet die Aufgabe der alten unter Annahme einer neuen Firma.38 § 31 unterscheidet jedoch zwischen einer Änderung der Firma (Abs. 1 Fall 1) und einem Erlöschen der Firma (Abs. 2). Registerrechtlich ist eine Änderung der Firma (Rn 7 ff) nur dann als ihr Erlöschen zu behandeln, wenn die Änderung mit einem Inhaberwechsel zusammenfällt und so wesentlich ist, dass die Firmenkontinuität nicht gewahrt ist und damit das Recht zur Firmenfortführung erlischt (Rn 8 f, 11). Der alte Inhaber hat dann das Erlöschen der alten Firma gem. § 31 Abs. 2 S. 1, der neue Inhaber die neue Firma gem. § 29 anzumelden.39 Um eine nach § 29 anzumeldende und auf einem neuen Registerblatt einzutragende Firmenneubildung handelt es sich ferner, wenn der bisherige Inhaber infolge einer Übertragung des Handelsgeschäfts mitsamt der Firma (§ 22) diese zwar nicht beibehalten darf, er aber trotz der Veräußerung des Handelsgeschäfts seine Firmenfähigkeit nicht verliert und er daher eine neue Firma bilden kann oder bilden muss (vgl. auch Rn 25).40 Grund dafür ist ebenfalls das zweifelhafte System des HGB, das registerrechtlich die Firma und nicht den Unternehmensträger in den Vordergrund stellt (s.o. Rn 13).
II. Erlöschen der Firma von Einzelkaufleuten Die Firma eines entgegen § 29 nicht eingetragenen Einzelkaufmanns erlischt, wenn das Han- 18 delsgewerbe zum Kleingewerbe absinkt, das Unternehmen also nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht mehr erfordert (§ 1 Abs. 2), da der Gewerbetreibende nun nicht mehr firmenfähig (§ 17 Rn 9 f) und die Firma eben nicht in das Handelsregister eingetragen ist (§§ 2, 5).41 Der Gewerbetreibende kann die Firma allerdings ohne den Rechtsformzusatz nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 als Minderfirma beibehalten (§ 17 Rn 38). Die Firma eines gem. §§ 1, 29 oder §§ 2 S. 1, 3 Abs. 2 eingetragenen Kaufmanns erlischt 19 dagegen gem. §§ 2, 5 nicht, wenn das Unternehmen kleingewerblich ist oder wird42.43 In diesem Fall erlischt die Firma erst mit der – insoweit konstitutiv wirkenden (Rn 29) – Löschung durch das Registergericht auf Antrag des Gewerbetreibenden (§§ 2 S. 3, 31 Abs. 2 S. 1). Da das Fehlen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Voraussetzung für die Löschung ist, hat das Registergericht ihr Fehlen – ggf. mit Hilfe der Industrie- und Handelskammer (§ 23 HRV) – zu prüfen.44 Wird hingegen der Gewerbebetrieb endgültig – also nicht nur vorübergehend – einge- 20 stellt45 oder in ein freiberufliches Unternehmen umgestellt, so erlischt nach zutreffender 37 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 28; Hopt/Merkt § 17 Rn 23. 38 BayObLGZ 1984, 129; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 44; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 28; Heymann/Förster HGB § 17 Rn 45; s.a. Hopt/Merkt § 17 Rn 23. 39 MünchKommHGB/Krafka Rn 7; s.a. KG OLGZ 1965, 315 (319 f); BayOLGZ 1971, 163 (164 ff). 40 Vgl. Gustavus Handelsregister-Anmeldungen, 9. Aufl. 2017, A5 (34 f). 41 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 15; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 47. 42 Zum Meinungsstand, ob bei einem eingetragenen Istkaufmann das Absinken zum Kleingewerbe zumindest einen konkludenten Neuantrag nach § 2 S. 1 erforderlich macht, o. § 2 Rn 23 f sowie MünchKommHGB/K. Schmidt § 2 Rn 19. 43 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 47; GKzHGB/Steitz § 31 Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 15; K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2163); ders. ZHR 163 (1999), 87 (90 f). 44 § 2 Rn 20; MünchKommHGB/Krafka Rn 11. 45 Näher zu der Frage, wann ein Gewerbebetrieb endgültig und nicht nur vorübergehend eingestellt ist MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 45. 387
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und herrschender Meinung (zum Meinungsstand § 17 Rn 40 ff) die Firma mangels Firmenfähigkeit des Einzelunternehmers auch dann, wenn diese im Handelsregister eingetragen ist. Eine bloß vorübergehende Betriebseinstellung liegt vor, wenn der Gewerbetreibende Maßnahmen getroffen hat, aufgrund deren er den Betrieb jederzeit wieder aufnehmen kann.46 Der bloße Wille, den Betrieb später fortzusetzen, reicht dagegen nicht aus.47 Von einer nur vorübergehenden Einstellung soll überdies bei Annahme eines Bundestagsmandats auszugehen sein.48 Eine endgültige Aufgabe des Gewerbebetriebs liegt dagegen auch in seiner Veräußerung. In diesem Fall erlischt die Firma freilich nur, wenn sie nicht mitsamt dem Geschäft übertragen wird oder der Erwerber von seinem Recht zur Firmenfortführung keinen Gebrauch macht (Rn 8). 21 Durch eine Insolvenz wird der Gewerbebetrieb (noch) nicht endgültig aufgegeben. Die Firma erlischt daher nicht. Vielmehr fällt sie in die Insolvenzmasse und kann durch den Insolvenzverwalter zusammen mit dem Handelsgeschäft gem. § 22 veräußert werden (näher § 22 Rn 54 ff). Wird sie veräußert, so erlischt die Firma, wenn der Erwerber von seinem Recht zur Firmenfortführung keinen Gebrauch macht, indem er entweder die erworbene Firma aufgibt oder sie von vornherein über das nach § 22 erlaubte Maß verändert, so dass keine Firmenkontinuität mehr gegeben ist (Rn 8). Zur Bildung einer Ersatzfirma nach Veräußerung s. § 22 Rn 67 ff, 108 f. Wird die Firma nicht veräußert, so erlischt sie mit Abschluss des Insolvenzverfahrens unter Vollbeendigung des Handelsgeschäfts.49 22 Die Firma erlischt nicht durch den Tod des Einzelkaufmanns, weil sie zusammen mit dem Unternehmen vererblich ist (§§ 22, 27, § 1922 BGB). Die Firma erlischt nur dann, wenn der Erbe entweder das Handelsgeschäft (Rn 20) oder die Firma (Rn 8) nicht fortführt.
III. Erlöschen der Firma von Personenhandelsgesellschaften 23 Bei der OHG und KG gilt im Blick auf die Rechtsfolgen einer Kleingewerblichkeit und einer Umstellung des Betriebes auf eine freiberufliche Tätigkeit dasselbe wie bei Einzelkaufleuten (o. Rn 18–20)50 mit der Maßgabe, dass die Gesellschaft als GbR fortbesteht. Dagegen führt die Aufgabe des Gewerbebetriebs nicht zum Erlöschen der Firma.51 Das 24 gilt selbst dann, wenn die Gesellschaft überdies vermögenslos ist;52 denn die bloße Aufgabe des Gewerbebetriebs ist nach der grundsätzlich abschließenden53 Aufzählung des § 131 nicht einmal ein Auflösungsgrund. Allerdings kann der Beschluss, den Gewerbebetrieb aufzugeben, einen Auflösungsbeschluss beinhalten.54 Die Auflösung ist dann gem. § 143 Abs. 1 in das Handelsregister einzutragen. Ist die Gesellschaft aufgelöst, so ist zu unterscheiden. Wird entgegen der gesetzlichen Regel des § 145 Abs. 1 kein Liquidationsverfahren durchgeführt,55 so erlischt die Firma mit der Vermögenslosigkeit der Gesellschaft (§ 158), falls niemand anderes das Handelsgeschäft mitsamt der Firma fortführt.56 In diesem Fall ist das Erlöschen der Firma gem. § 31 Abs. 2 RGZ 170, 265 (274 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 15. KG JW 1939, 163; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 15. AG Hamburg MDR 1966, 243; MünchKommHGB/Krafka Rn 11; Staub/Hüffer4 Rn 15. MünchKommHGB/Krafka Rn 11. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 16. Koller/Kindler/Roth/Drüen § 17 Rn 17; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn § 17 Rn 29; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 16 (anders § 31 Rn 10); MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 15. 52 MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49 f. 53 BGHZ 75, 179; 82 (326); WM 1973, 864; BayObLGZ 67, 458 (464); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lorz § 131 Rn 26; Hopt/Roth § 131 Rn 6; aA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler § 131 Rn 1a nicht abdingbar, aber ergänzbar. 54 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Kindler § 131 Rn 3; Schlegelberger/K. Schmidt § 131 Rn 14 f; vgl. auch Heymann/Freitag HGB § 131 Rn 14. 55 Zu den verschiedenen Möglichkeiten s. etwa Hopt/Roth § 145 Rn 10. 56 KGJ 39, A 113; Hopt/Merkt Rn 8.
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einzutragen. Wird hingegen ein Liquidationsverfahren durchgeführt, so besteht die Gesellschaft bis zur Beendigung des Liquidationsverfahrens fort57 und behält – wie sich aus §§ 156, 157 Abs. 1 herleiten lässt – bis dahin zudem die Kaufmannseigenschaft.58 Das ergibt sich auch aus § 105 Abs. 2, wonach eine Gesellschaft, die lediglich ihr eigenes Vermögen verwaltet, OHG bleibt, solange sie eingetragen ist. Die Eröffnung des Liquidationsverfahrens führt firmenrechtlich lediglich dazu, dass die Firma gem. § 153 mit einem Liquidationsvermerk (z.B. „i.L.“) zu versehen ist.59 Erst wenn das Liquidationsverfahren beendet und damit die Gesellschaft vermögenslos ist, tritt Vollbeendigung der Gesellschaft ein, womit die Firma erlischt. Das Erlöschen der Firma ist sodann gem. § 157 Abs. 1 – die Vorschrift geht als lex specialis § 31 Abs. 2 vor – anzumelden und hat bloß deklaratorische Bedeutung.60 Die Vollbeendigung der Gesellschaft als solches ist dagegen im Recht der Personengesellschaften ein bloß tatsächlicher Vorgang, der weder anmeldepflichtig noch eintragungsfähig ist. Wird nach der Eintragung des Erlöschens eine Nachtragsliquidation erforderlich, kann die Gesellschaft die Firma nur als Firma i.S.d. HGB mit Liquidationsvermerk fortführen, wenn sie ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 betreibt oder gem. § 105 Abs. 2 wieder in das Handelsregister eingetragen wird.61 Andernfalls kann sie die Firma nur als Minderfirma ohne Rechtsformzusatz gem. § 19 Abs. 1 Nr. 2, 3 führen, wobei sie ebenfalls einen Liquidationsvermerk hinzufügen sollte. Das gilt auch im Fall des § 145 Abs. 3. Eine Aufgabe des Gewerbebetriebs liegt auch in seiner Veräußerung. Erfolgt die Veräuße- 25 rung ohne das Recht zur Firmenfortführung, gilt das Vorstehende (Rn 24). Erfolgt die Veräußerung dagegen mit dem Recht zur Firmenfortführung, so liegt ein Inhaberwechsel (§ 31 Abs. 1 Fall 2) vor. Soll die Gesellschaft gem. §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 als vermögensverwaltende Personenhandelsgesellschaft fortbestehen, muss sie zur Vermeidung ihrer Verwandlung in eine GbR – in den Fällen des § 22 Abs. 2 zumindest für die Dauer der Übertragung – eine neue Firma annehmen (§ 29, s.o. Rn 17), die zusammen mit dem Inhaberwechsel anzumelden ist (vgl. § 22 Rn 116).62 Soll die Gesellschaft aufgelöst werden, so ist neben der Auflösung (§ 143 Abs. 1) grundsätzlich ebenfalls eine neue Firma einzutragen, die gem. § 153 mit Liquidationsvermerk zu führen ist. Nach Beendigung der Liquidation ist dann gem. § 157 Abs. 1 das Erlöschen der Firma anzumelden. Soll die Gesellschaft dagegen als GbR fortgesetzt werden, sind außer dem Inhaberwechsel keine weiteren Eintragungen erforderlich. Bei Insolvenz der Gesellschaft gilt grundsätzlich dasselbe wie bei Einzelkaufleuten (Rn 21). 26 Zu beachten sind allerdings eine Reihe spezieller Vorschriften, §§ 130a, 131 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, 143 Abs. 1 S. 2 bis 4, 144, 145 Abs. 1 Fall 3 und Abs. 3, 161 Abs. 2, 177a S. 1, § 394 Abs. 3 FamFG (§ 141a Abs. 3 FGG a.F.).
IV. Erlöschen der Firma von Kapitalgesellschaften und anderer Rechtsformen Bei der AG und GmbH tritt nach heute herrschender und zutreffender Meinung Vollbeendigung 27 erst bei Erfüllung eines Doppeltatbestandes ein, nämlich mit Vermögenslosigkeit und (konstitutiv wirkender) Löschung im Handelsregister.63 Im Regelfall richtet sich die Eintragung bei der Aktiengesellschaft nach § 273 Abs. 1 AktG, bei der GmbH nach § 74 Abs. 1 GmbHG. Danach ist zwar „nur“ die Beendigung der Abwicklung bzw. der Liquidation einzutragen und die Gesell57 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth § 17 Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Lorz § 131 Rn 31; Baumbach/Hopt/ Roth § 131 Rn 2. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49; Schlegelberger/K. Schmidt § 156 Rn 9. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 16; MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49; Hopt/Roth § 157 Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Kindler § 157 Rn 1. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 49; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 16. Vgl. Melchior/Schulte HandelsregisterVO § 43 Rn 1; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 16. MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 56; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 17 Rn 29, 32; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 13 f; vgl. Staub/Hüffer4 Rn 26; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 17.
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schaft zu löschen. Damit erlischt aber zugleich die Firma, die zuvor gem. § 269 Abs. 6 AktG, § 68 Abs. 2 GmbHG mit einem Liquidationsvermerk fortzuführen ist.64 Selbiges gilt bei einer Löschung der Gesellschaft gem. § 394 FamFG (§ 141a FGG a.F.), insbes. nach Durchführung eines (liquidierenden) Insolvenzverfahrens. Einer gesonderten Eintragung des Erlöschens der Firma nach § 31 Abs. 2 bedarf es in diesen Fällen daher nicht. Zur Nachtragsliquidation s. §§ 264 Abs. 2, 273 Abs. 4 AktG, § 66 Abs. 5 GmbHG; zur Nachtragsverteilung §§ 203 ff InsO. Zur Frage der Veräußerung des Handelsgeschäfts mitsamt der Firma durch den Insolvenzverwalter s. § 22 Rn 54 ff; zur Bildung einer Ersatzfirma § 22 Rn 67 ff. 28 Für den VVaG gilt gem. § 204 Abs. 3 S. 1 VAG § 273 AktG entsprechend. Im GenG fehlt hingegen eine entsprechende Vorschrift, so dass das Erlöschen der Firma gem. § 31 Abs. 2 S. 1 nach Beendigung der Liquidation (§ 93 i.V.m. §§ 90 Abs. 1, 91 f GenG) einzutragen ist.65 Für die SE gilt Art. 63 SEVO66 i.V.m. § 273 AktG, für die SCE Art. 74 i.V.m. Art. 12 SCEVO, § 273 AktG.67 Für die EWIV § 2 Abs. 3 Nr. 6 EWIVAG. Für juristische Personen i.S.d. § 33 s. § 34 Rn 10.
V. Deklaratorische oder konstitutive Wirkung der Eintragung 29 Die Eintragung des Erlöschens kann bloß deklaratorische Bedeutung haben oder konstitutiv wirken, je nach dem, ob die Firma unabhängig von der Eintragung (z.B. durch Aufgabe der Firma) oder erst durch die Eintragung (z.B. im Fall des § 2 S. 3) erlischt. Beide Fälle sind von § 31 Abs. 2 S. 1 gemeint, wenngleich der Wortlaut genau genommen nur den ersten Fall erfasst. Das „Erlöschen“ kann also auch dann angemeldet werden, wenn es rechtlich erst durch die Eintragung bewirkt wird. Die Anmeldung des Erlöschens ist dann als Antrag auf Löschung auszulegen.68 Ob in Fällen konstitutiv wirkender Eintragung eine Anmeldepflicht besteht, hängt von der Rechtsgrundlage ab (z.B. nicht im Fall des § 2 S. 3, wohl aber in den Fällen der §§ 273 Abs. 1 AktG, 74 Abs. 1 GmbHG).
VI. Zur Anmeldung verpflichtete Personen 1. Einzelkaufleute 30 Zur Anmeldung verpflichtet ist grundsätzlich der bisherige Inhaber, bei Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens ohne Fortführung der Firma also der bisherige Geschäftsinhaber.69 Den neuen Geschäftsinhaber trifft allerdings ggf. eine Anmeldepflicht nach § 29 (die Eintragung erfolgt auf einem neuen Registerblatt),70 wobei beide Anmeldungen auch miteinander verbunden werden können.71 Erfolgen in diesem Fall die Anmeldungen nur durch eine der beiden Parteien, setzt das eine formgerechte Bevollmächtigung (§ 12 Abs. 1 S. 2) voraus. Im Falle zuläs64 KölnKomm-AktG/Winnen § 269 Rn 29; MünchKommAktG/Koch § 269 Rn 20; Baumbach/Hueck/Haas GmbHG § 68 Rn 11; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Gesell § 68 Rn 8. 65 Beuthien GenG, 16. Aufl. 2018, § 93 Rn 2. 66 VO (EG) 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. L 294/1 v. 10.11.2001, 1–21. 67 VO (EG) NR. 1435/2003 des Rates v. 22.7. 2003 über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) ABl. L 207, 1–24. 68 Vgl. Staub/Hüffer4 Rn 18. 69 KG OLGZ 1965, 315 (319 f); BayObLGZ 1971, 163 (165) = NJW 1971, 1616; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Staub/Hüffer4 Rn 18; Heymann/Förster HGB Rn 16; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 12; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5; HKzHGB/Lamsa/Ammon Rn 10; Hopt/Merkt Rn 9; aA KGJ 39, A 107; LG Nürnberg-Fürth BB 1976, 810. 70 MünchKommHGB/Krafka Rn 7. 71 S. Gustavus Handelsregisteranmeldungen, 9. Aufl. 2017, A 5 (34 f). Burgard
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siger Firmenfortführung durch den Erwerber greift § 31 Abs. 1 Fall 2 (Rn 11 ff). Nach vollzogenem Inhaberwechsel ist allein der neue Inhaber zur Anmeldung verpflichtet. Wird ein gepachteter Betrieb (§ 22 Abs. 2) dauernd eingestellt, hat daher allein der Pächter das Erlöschen anzumelden.72
2. Personenhandelsgesellschaften Grundsätzlich sind entsprechend §§ 107, 108, 161 Abs. 2 alle Gesellschafter gemeinschaftlich zur 31 Anmeldung verpflichtet. Im Fall des § 157 Abs. 1 trifft die Anmeldepflicht die Liquidatoren. Bei der EWIV haben gem. § 3 Abs. 1 EWIVAG sämtliche Geschäftsführer Anmeldungen zur Eintragung in das Handelsregister vorzunehmen. Der Schluss der Abwicklung ist von sämtlichen Abwicklern anzumelden.
3. Kapitalgesellschaften und sonstige Rechtsformen Die Anmeldung nach § 273 Abs. 1 AktG, § 74 Abs. 1 GmbHG ist von den Abwicklern bzw. Liquida- 32 toren vorzunehmen.73 Dasselbe gilt für den VVaG gem. § 204 Abs. 3 S. 1 VAG. Für die SE sind gem. Art. 9 Abs. 1 c) ii), 63 SEVO die Vorschriften des AktG entsprechend anwendbar. Und auch bei der eG ist das Erlöschen der Firma nach Beendigung der Liquidation durch die Liquidatoren anzumelden.74 Dies gilt für die SCE gem. Art. 72 SCEVO entsprechend. Zu den zur Anmeldung Verpflichteten bei juristischen Personen i.S.d. § 33 s. § 34 Rn 13.
4. Insolvenzverfahren Abseits von § 394 FamFG (§ 141a FGG a.F.) ist im Insolvenzverfahren das Erlöschen der Firma – 33 ebenso wie jede Änderung (§ 22 Rn 70) – von dem Insolvenzverwalter anzumelden.75
G. Verfahren Die nach § 31 einzutragenden Veränderungen sind entsprechend § 29 zur Eintragung in das Han- 34 delsregister anzumelden (s. dort Rn 10). Sie haben daher in der Form des § 12 zu erfolgen. Dabei ist es ausreichend, wenn der neue Sachverhalt aus dem Inhalt der Anmeldung zweifelsfrei hervorgeht.76 Ebenso wie bei der Neuanmeldung (§ 29 Rn 12 ff) hat das Registergericht die Änderung auf ihre Richtigkeit und Vereinbarkeit mit dem Firmenrecht zu prüfen.
72 LG Augsburg Rpfleger 1982, 70 m. abl. Anm. Gröger; Ahlbrecht/Bengsohn Rpfleger 1982, 361 (365); Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15. 73 OLG Karlsruhe – 11 Wx 17/14, NJW-RR 2015, 94 (95): Die Prokura umfasst nicht die Vertretungsmacht zur Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift einer GmbH beim Handelsregister; Die Erteilung einer Handlungsvollmacht nach § 54 HGB ist indes ausreichend, da diese auch sog. Grundlagenentscheidungen umfassen kann: KG Charlottenburg – 12 W 40/13, NZG 2014, 150 (151). 74 Beuthien GenG, 16. Aufl. 2018 § 93 Rn 2. 75 Staub/Hüffer4 Rn 24; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 15; Heymann/Förster HGB Rn 18; HKzHGB/ Ruß Rn 5; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. Die Gebühr für die Eintragung einer veränderten Geschäftsanschrift ins Handelsregister beträgt nach Nr. 2502 des Gebührenverzeichnisses der HRegGebV stets 30 Euro: siehe OLG Brandenburg – 7 W 17/21, FGPrax 2021, 140 f. 76 KG OLGZ 1965, 124 (126) = NJW 1965, 254; Heymann/Förster HGB Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 16. 391
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Unterbleibt die Anmeldung, so ist sie vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld77 herbeizuführen (§ 14, §§ 388 ff FamFG [§§ 132 ff FGG a.F.]). Nur wenn das Zwangsverfahren nicht betrieben werden kann oder ohne Erfolg bleibt, ist gem. § 31 Abs. 2 S. 2 von Amts wegen zu löschen.
H. Subsidiäre Amtslöschung I. Voraussetzungen 36 Eine Ausnahme vom Anmeldungsgrundsatz des Registerrechts macht § 32 Abs. 2 S. 2. Zum materiell-rechtlichen Erfordernis des Erlöschens der Firma vgl. Rn 18 ff. Verfahrensrechtlich ist vorausgesetzt, dass die Anmeldung des Erlöschens durch die hierzu Verpflichteten nicht gem. § 14 herbeigeführt werden kann. Die Voraussetzung ist zunächst dann erfüllt, wenn ein Anmeldepflichtiger nicht vorhanden ist, etwa sämtliche Erben die Erbschaft wirksam ausgeschlagen haben. Nicht zu folgen ist der Ansicht, ein i.S.d. § 14 Anmeldepflichtiger sei schon dann nicht vorhanden, wenn die Firma noch zu Lebzeiten des Erblassers erloschen sei.78 Zwar ist richtig, dass der Erbe nicht als ehemaliger Firmeninhaber anmeldepflichtig sein kann; doch tritt er gem. § 1922 BGB auch in die öffentlich-rechtliche Pflichtenlage des Erblassers ein. Weil dieser anmeldepflichtig war, ist es nun er. Früher, d.h. vor der Ersetzung der Ordnungsstrafe durch das Zwangsgeld, mag eine andere Beurteilung angezeigt gewesen sein. Das Verfahren der Amtslöschung ist ferner zulässig, wenn die Person des Anmeldepflichtigen, etwa nach einem Erbfall, unbekannt ist; ebenso dann, wenn zwar die Person bekannt ist, aber nicht ihr Aufenthalt; wenn der Anmeldepflichtige seinen dauernden Aufenthalt im Ausland hat oder wenn er vermögenslos ist.79 37 Kein Fall des Erlöschens ist die ursprüngliche oder nachträgliche Unzulässigkeit der Firma. Der eine Gleichstellung ausschließende Unterschied liegt darin, dass die erloschene Firma nicht mehr existiert, während die unzulässige Firma materiell fortbesteht; ihr Mangel, den Vorschriften nicht zu entsprechen, kann durch Firmenänderung beseitigt werden (Rn 7). Ist die unzulässige Firma im Handelsregister eingetragen, kann das Gericht entweder nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 392 FamFG (§ 140 FGG a.F.) im Firmenmissbrauchsverfahren oder gem. § 395 FamFG (§ 142 FGG a.F.) im Löschungsverfahren vorgehen.80 Das Gericht entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen. Es hat daher nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit das mildere Mittel zu wählen. Das Löschungsverfahren kommt daher regelmäßig erst in Betracht, wenn das nur den konkreten Gebrauch der Firma untersagende Firmenmissbrauchsverfahren ohne Erfolg bleibt (näher § 37 Rn 49 f).81
II. Grundzüge des Verfahrens 38 Maßgeblich ist § 393 FamFG (§ 141 FGG a.F.). Das Gericht muss das Verfahren von Amts wegen einleiten, wenn zu seiner Überzeugung feststeht (§ 26 FamFG [§ 12 FGG a.F.]), dass die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 S. 2 vorliegen. Der erste Verfahrensschritt liegt darin, dass das Registergericht den eingetragenen Inhaber der Firma oder dessen Rechtsnachfolger von der beabsichtigten Löschung benachrichtigt und ihm zugleich zur Erhebung eines Widerspruchs eine angemessene 77 78 79 80 81
Vgl. etwa zur ordnungsgemäßen Androhung: KG – 22 W 17/16, NZG 2016, 866. KG JW 1926, 1675; KG JW 1931, 2998; MünchKommHGB/Krafka Rn 16. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 18; Staub/Hüffer4 Rn 28. BayObLG BB 1989, 727; Hopt/Roth § 37 Rn 8. Str., wie hier Hopt/Roth § 37 Rn 8; MünchKommHGB/Krebs § 37 Rn 37; Staub/Hüffer4 § 37 Rn 24; Jansen NJW 1966, 1813 f; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Bokelmann Rn 863. Burgard
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Frist bestimmt, § 393 Abs. 1 FamFG (§ 141 Abs. 1 FGG a.F.). Sind die Personen, an welche die Benachrichtigung zu richten ist oder ihr Aufenthalt nicht bekannt, so erfolgt die Benachrichtigung und die Bestimmung der Frist gem. § 393 Abs. 2 FamFG (§ 141 Abs. 2 FGG a.F.) durch Bekanntmachung im Wege des § 10. Über einen Widerspruch entscheidet das Gericht. Weist es ihn zurück, so ist dagegen Beschwerde zulässig, § 393 Abs. 3 FamFG (§ 141 Abs. 3 FGG a.F.). Wird auch diese zurückgewiesen, so kann eine Gesetzesverletzung noch mit der Rechtsbeschwerde gerügt werden (§§ 70 ff FamFG). Die Löschung darf nur erfolgen, wenn kein Widerspruch erhoben oder der erhobene Widerspruch rechtskräftig zurückgewiesen ist, § 393 Abs. 4 FamFG (§ 141 Abs. 4 FGG a.F.). Gebühren: Die Eintragung des Erlöschens der Firma erfolgt gebührenfrei, Gebührenverzeichnis Vorbemerkung 1 Abs. 4 HRegGebV.82 Wird Widerspruch erhoben und zurückgewiesen, fällt die Gebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 13400 GNotKG83 (1,0) an. Wird Beschwerde eingelegt und diese zurückgewiesen, entsteht die Gebühr nach Kostenverzeichnis Nr. 13610 GNotKG (3,0). Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 36 Abs. 1–3 GNotKG.84
82 Verordnung über Gebühren in Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen (Handelsregistergebührenverordnung – HRegGebV) vom 30.9.2004 (BGBl 2004 I, 2562), zuletzt geändert durch Art. 46 des Gesetzes vom 10.8.2021 (BGBl 2021 I, 3436). 83 Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichts- und Notarkostengesetz – GNotKG) vom 23.7.2013 (BGBl 2013 I, 2586), zuletzt geändert durch Art. 47 des Gesetzes vom 10.8.2021 (BGBl 2021 I, 3436). 84 S. hierzu etwa BeckOK Kostenrecht/Soutier 35. Edition, Stand 1.10.2021, § 36 GNotKG Rn 1 ff, 28 ff. 393
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§ 32 (1)
1
Wird über das Vermögen eines Kaufmanns das Insolvenzverfahren eröffnet, so ist dies von Amts wegen in das Handelsregister einzutragen. 2Das gleiche gilt für 1. die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses, 2. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, wenn zusätzlich dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder angeordnet wird, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, und die Aufhebung einer derartigen Sicherungsmaßnahme, 3. die Anordnung der Eigenverwaltung durch den Schuldner und deren Aufhebung sowie die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners, 4. die Einstellung und die Aufhebung des Verfahrens und 5. die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans und die Aufhebung der Überwachung. (2) 1Die Eintragungen werden nicht bekanntgemacht. 2Die Vorschriften des § 15 sind nicht anzuwenden.
Schrifttum Buchberger Auflösung einer Kapitalgesellschaft, Rpfleger 1993, 55; Gortan Löschung des ins Handelsregister eingetragenen Insolvenzvermerks über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eines Kaufmanns, NZI 2016, 68; Klaka Zur Zulässigkeit der unveränderten Firmenfortführung und Werbung ohne Hinweis auf den Konkurs, EWiR 1989, 813; K. Schmidt Anwendung von Handelsrecht auf Rechtshandlungen des Konkursverwalters, NJW 1987, 1905.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
1 2
3
7
B.
Einzutragende Beschlüsse
C.
Verfahren
I.
Eintragung
II.
Keine Bekanntmachung durch das Registerge10 richt
9
5
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 Nach Abs. 1 sind eine Vielzahl von Maßnahmen, die im Rahmen der Durchführung eines Insolvenzverfahrens getroffen werden, in das Handelsregister einzutragen. Eine Bekanntmachung dieser Eintragungen durch das Registergericht findet jedoch entgegen der allgemeinen Regel des § 10 nach Abs. 2 S. 1 nicht statt. Dementsprechend bestimmt Abs. 2 S. 2, dass § 15 keine Anwendung findet.
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-020
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 32
II. Entstehungsgeschichte Die Norm hat im ADHGB kein Vorbild. Reichsrechtlich war vor Erlass des HGB eine Eintragung 2 der Eröffnung und der Aufhebung der Eröffnung des Konkursverfahrens sowie der Einstellung und der Aufhebung des Konkurses über das Vermögen eines Kaufmanns nur nach § 64 Abs. 3 GmbHG und §§ 95, 149 GenG vorgesehen. Daneben bestanden lediglich landesrechtliche Regelungen.1 Der ursprüngliche Kreis der nach § 32 einzutragenden Maßnahmen wurde dann durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5.10.19942 (EGInsO) und das Gesetz zur Änderung des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 19.12.19983 (EGInsOÄndG) an die gem. Art. 40 EGInsO zum 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung angepasst und erheblich erweitert.
III. Normzweck Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Kaufmanns hat einschneiden- 3 de Veränderungen zur Folge. So verliert der Kaufmann gem. § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen. Vollmachten erlöschen, § 117 InsO. Handelsgesellschaften werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, §§ 131 Abs. 1 Nr. 3, 161 Abs. 2, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 GmbHG. Zudem wirkt sich die Eröffnung auch registerrechtlich aus, z.B. auf die Person des zur Anmeldung Berechtigten und Verpflichteten. Aufgrund dieser Bedeutung und um die Veränderungen auch für den Verkehr im Handelsregister sichtbar zu machen, verlangt § 32 Abs. 1 die Eintragung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und anderer wichtiger Maßnahmen des Insolvenzgerichts.4 Eine Bekanntmachung der Eintragungen durch das Registergericht ist dagegen nach Abs. 2 4 S. 1 nicht vorgesehen, weil die Bekanntmachung der Beschlüsse bereits durch das Insolvenzgericht erfolgt (Rn 10). Dementsprechend schließt Abs. 2 S. 2 einen Gutglaubensschutz nach § 15 aus. Vielmehr werden die Wirkungen der insolvenzrechtlichen Maßnahmen durch die InsO abschließend geregelt.5
IV. Anwendungsbereich Die Vorschrift des § 32 gilt primär für Einzelkaufleute. Daneben ist sie grundsätzlich anwendbar 5 auf: – Handelsgesellschaften i.S.d. § 6 Abs. 1 und Formkaufleute i.S.d. § 6 Abs. 2 (Vor § 17 Rn 10), – für juristische Personen i.S.d. § 33, § 34 Abs. 5, – für den VVaG, § 172 S. 1 VAG, – für Partnerschaftsgesellschaften, § 2 Abs. 2 Hs. 1 PartGG sowie – ab dem 1.1.2024 für eingetragene GbRs, § 707 Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG. Zu beachten sind aber zahlreiche Sondervorschriften wie insbes. §§ 131 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, 143 f, 161 Abs. 2, §§ 262 Abs. 1 Nr. 3 und 4, 263, 289 AktG, § 60 Abs. 1 Nr. 4 und 5, 65 GmbHG, § 394 FamFG (= § 141a FGG a.F.), § 9 PartGG, §§ 198 Nr. 3 und 4, 202 VAG. Parallelvorschriften 1 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 41 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 983.
2 BGBl. I, 2911; zur Begründung s. BR-Ds. 511/92, 81. 3 BGBl. I, 3837. 4 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; MünchKommHGB/Krafka Rn 1; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 3.
5 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5. 395
Burgard
§ 32
1. Buch. Handelsstand
zu § 32 finden sich in § 75 BGB zum eingetragenen Verein und in § 102 GenG zur eingetragenen Genossenschaft. Für Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz im Inland bedarf es heute wegen § 13 keiner gesonderten Eintragung mehr.6 Für Zweigniederlassungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz im Ausland gilt § 13e Abs. 4. Für Zweigniederlassungen von anderen Unternehmensträgern mit Sitz im Ausland (§ 13d) fehlt eine entsprechende Regelung. 6 Anwendung findet § 32 stets nur auf den Unternehmensträger, nicht dagegen auf die Insolvenz von Organmitgliedern, Liquidatoren oder Gesellschaftern des Unternehmensträgers. Deren Insolvenz kann zwar ebenfalls materiell-rechtliche Konsequenzen haben (vgl. etwa §§ 131 Abs. 3 Nr. 2, 145 Abs. 2), die jedoch von den Betreffenden selbst zur Eintragung anzumelden sind.7
B. Einzutragende Beschlüsse 7 Nach § 32 Abs. 1 sind folgende Beschlüsse in das Handelsregister einzutragen: – die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 27 InsO, – die Aufhebung des Eröffnungsbeschlusses gem. § 34 Abs. 3 InsO, – die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gem. §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 22 InsO, wenn zusätzlich gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt oder angeordnet wird, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, – die Aufhebung derartiger Sicherungsmaßnahmen gem. § 25 InsO, – die Anordnung der Eigenverwaltung durch den Schuldner gem. § 270 InsO, – die Aufhebung der Eigenverwaltung durch den Schuldner gem. § 272 InsO, – die Anordnung der Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtsgeschäfte des Schuldners gem. § 277 InsO, – die Einstellung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 207 ff InsO, – die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 200 InsO, – die Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans gem. §§ 260 ff InsO und – die Aufhebung der Überwachung der Erfüllung eines Insolvenzplans gem. § 268 InsO. Zudem ist, wiewohl in § 32 Abs. 1 nicht ausdrücklich erwähnt, auch die Wiederaufnahme des Insolvenzverfahrens gem. §§ 578 ff ZPO analog in das Handelsregister einzutragen.8 Das ergibt sich nicht nur aus dem Sachzusammenhang, sondern letztlich bereits aus der Denkschrift.9 Folgeeintragungen sind im Blick auf die insolvenzbedingte Auflösung und Löschung 8 von Gesellschaften gem. §§ 143 Abs. 1 S. 2 bis 4, 161 Abs. 2, § 263 S. 2 bis 4 AktG, § 65 Abs. 1 S. 2 bis 4 GmbHG, § 394 FamFG (= § 141a FGG a.F.), § 9 PartGG, § 202 S. 2 und 3 VAG erforderlich. Einer gesonderten Eintragung des Erlöschens von Prokuren (§ 117 Abs. 1 InsO)10, bedarf es hingegen nicht.11 Wird das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt (§ 207 InsO), was gem. 6 BT-Drucks. 16/2781, 152; Hopt/Merkt § 13 Rn 10; GKzHGB/Achilles/Haase § 13 Rn 19. 7 MünchKommHGB/Krafka Rn 5. 8 So schon auf Grundlage von § 32 a.F. Staub/Hüffer4 Rn 2; ferner etwa Heymann/Förster HGB Rn 6; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; Für eine analoge Anwendung des § 32 HGB für die Löschung des im Handelsregisters eingetragenen Insolvenzvermerks über die Insolvenzeröffnung plädiert etwa Gortan NZI 2016, 68 (70). 9 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 22 f = Schuber/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 967. 10 Heute allg. M., statt anderer Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber § 52 Rn 17 mwN. 11 LG Halle ZIP 2004, 2294; wohl auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber § 53 Rn 8 mwN; aA MünchKommHGB/Krafka Rn 7; MünchKommFamFG/Krafka 3. Aufl 2019 § 384 Rn 10, 13; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6. Nach LG Leipzig ZIP 2007, 1381 besteht jedenfalls keine Anmeldepflicht durch den Insolvenzverwalter; vgl. auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; ob das Registergericht das Erlöschen von Amts wegen einträgt, überlässt es dem Gericht. Trägt das Gericht ein, ist dies jedenfalls unschädlich, Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber § 53 Rn 8 aE. Eine erneute Erteilung der Prokura durch den Insolvenzverwalter (Zulässigkeit str., dagegen BGH WM 1958, 431, dafür K. Schmidt BB 1989, 229) wäre dagegen durch diesen anzumelden; LG Halle ZIP 2004, 2294 (2295). Burgard
396
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 32
§ 32 Abs. 1 Nr. 4 von Amts wegen einzutragen ist, so führt dies zu einer Änderung der Vertretungsverhältnisse, da nunmehr bei Aktiengesellschaften anstelle des Vorstands die Abwickler (§§ 264 Abs. 1, 265 AktG), bei der GmbH anstelle der Geschäftsführer die Liquidatoren (§ 66 Abs. 1 GmbHG) organschaftliche Vertreter der Gesellschaft sind. Diese Änderung ist freilich nicht entsprechend Art. 52 S. 2 EGHGB von Amts wegen einzutragen;12 denn hierzu besteht aus drei Gründen kein Bedürfnis: Erstens sind die Abwickler bzw. Liquidatoren zur Eintragung anzumelden, §§ 266 AktG, 67 GmbHG. Diese Anmeldepflicht kann und muss das Registergericht nach § 14, §§ 388 ff FamFG (= §§ 132 ff FGG a.F.) durchsetzen. Zweitens sind die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer die geborenen Abwickler bzw. Liquidatoren, §§ 265 Abs. 1 AktG, 66 Abs. 1 GmbHG. Und drittens sind Dritte gem. § 15 Abs. 1 geschützt, falls die Eintragung unterbleibt; ihnen gegenüber gelten dann die Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer als Abwickler bzw. Liquidatoren.13 Eine Eintragung der Bestellung und Abberufung der Abwickler bzw. Liquidatoren von Amts wegen erfolgt daher nur in den Fällen der §§ 266 Abs. 4 AktG, 67 Abs. 4 GmbHG.
C. Verfahren I. Eintragung Die Eintragungen nach Abs. 1 muss das Registergericht von Amts wegen vornehmen. Eine An- 9 meldung ist nicht erforderlich. Das gilt auch für die insolvenzbedingte Auflösung und Löschung von Gesellschaften gem. §§ 143 Abs. 1 S. 2 bis 4, 161 Abs. 2, § 263 S. 2 bis 4 AktG, § 65 Abs. 1 S. 2 bis 4 GmbHG, § 394 FamFG (= § 141a FGG a.F.), § 9 PartGG, § 202 S. 2 und 3 VAG.14 Die Eintragung erfolgt ohne Prüfung durch das Registergericht auf Grundlage einer Mitteilung der Beschlussformel durch die Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts über die genannten Vorgänge. Die Mitteilung ist für die jeweiligen Beschlüsse in §§ 23 Abs. 2, 31, 34 Abs. 3 S. 2, 200 Abs. 2 S. 2, 215 Abs. 1 S. 3, 258 Abs. 3 S. 3, 267 Abs. 3 S. 1, 277 Abs. 3 S. 2 InsO vorgesehen. Einzelheiten regelt die Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) in Abschnitt XIIa. Die Eintragung (zu ihrem Wortlaut § 19 Abs. 2 HRV) erfolgt gem. §§ 40 Nr. 5 lit. b bb, 43 Nr. 6 lit. b HRV in der Abteilung A Spalte 5 Buchstabe b in der Abteilung B Spalte 6 Buchstabe b. Eine Voreintragung der Firma ist erforderlich. Funktionell zuständig ist gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 HRV der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Registergerichts.
II. Keine Bekanntmachung durch das Registergericht Eine Bekanntmachung durch das Registergericht erfolgt gem. § 32 Abs. 2 S. 1 nicht, weil die Be- 10 schlüsse gem. §§ 9, 23 Abs. 1 S. 1, 30 Abs. 1, 34 Abs. 3 S. 1, 200 Abs. 2 S. 1, 215 Abs. 1 S. 1, 258 Abs. 3 S. 1, 267 Abs. 1, 2, 268 Abs. 2, 273, 277 Abs. 3 S. 1 InsO bereits durch das Insolvenzgericht bekannt gemacht werden. Wird der Eröffnungsbeschluss jedoch entgegen § 32 Abs. 2 S. 1 vom Registergericht bekannt gemacht, so hat es auch die Aufhebung bekannt zu geben.15 Zu § 32 Abs. 2 S. 2 s. bereits o. Rn 4. Die Bekanntmachungen der Insolvenzgerichte sind zum einen nach § 9 InsO i.V.m. der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) vom 12.2.200216 (www.insolvenzbekanntmachungen.de) und zum anderen gem. § 8b Abs. 2 Nr. 11 über die Internetseite des Unternehmensregisters (www.unternehmensregister.de) zugänglich. 12 So aber MünchKommHGB/Krafka Rn 8. 13 MünchKommAktG/Hüffer § 266 Rn 9; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek § 68 Rn 10. 14 Bei Erlöschen der Firma außerhalb des Insolvenzverfahrens gilt hingegen § 31 (s. dort Rn 17 ff), Heymann/Förster HGB Rn 7. 15 LG Köln Rpfleger 1974, 266; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; MünchKommHGB/Krafka Rn 11. 16 BGBl. I 677, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 13.4.2007, BGBl. I 509. 397
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§ 33 (1) Eine juristische Person, deren Eintragung in das Handelsregister mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebs zu erfolgen hat, ist von sämtlichen Mitgliedern des Vorstands zur Eintragung anzumelden. (2) 1Der Anmeldung sind die Satzung der juristischen Person und die Urkunden über die Bestellung des Vorstands in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift beizufügen; ferner ist anzugeben, welche Vertretungsmacht die Vorstandsmitglieder haben. 2Bei der Eintragung sind die Firma und der Sitz der juristischen Person, der Gegenstand des Unternehmens, die Mitglieder des Vorstandes und ihre Vertretungsmacht anzugeben. 3Besondere Bestimmungen der Satzung über die Zeitdauer des Unternehmens sind gleichfalls einzutragen. (3) Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist durch den Vorstand anzumelden. (4) Für juristische Personen im Sinne von Absatz 1 gilt die Bestimmung des § 37a entsprechend.
Schrifttum Boos Handelsregistereintragungspflicht für kommunale Eigenbetriebe und eigenbetriebsähnliche Einrichtungen, DB 2000, 1061; Deike Zur handelsrechtlichen Eintragungspflicht von Kaufleuten in der Rechtsform des öffentlichen Rechts, insbesondere von Sparkassen und kommunalen Eigenbetrieben, NotBZ 1998, 175; Dorn Biedermann oder Anstifter? „Stiftung“ als Namens- oder Firmenbestandteil, VR 1990, 169; Geschwandtner/Bach Bezeichnungsschutz für Sparkassen, quo vadis? NJW 2007, 129; Holland Anmeldung kommunaler Eigen- und Regiebetriebe zum Handelsregister, ZNotP 1999, 466; Kohler-Gehrig Die Eintragung von Unternehmen der Gemeinden in das Handelsregister, Rpfleger 2000, 45; Klein Kommunalwirtschaftliche Eigen- und Regiebetriebe im Spiegel des Handesregisterrechts, MittBayNot 2016, 291; Kornblum Alle kaufmännischen öffentlichen Unternehmen müssen sich in das Handelsregister eintragen lassen, DÖV 2012, 20; Krafka Die Anmeldung und die Eintragung von Gesellschaftsvertrags- und Satzungsänderungen im Register, NZG 2019, 81; Mattheus Eckpfeiler einer stiftungsrechtlichen Publizität, DStR 2003, 254; N. Meier Zur Eintragungspflicht für kommunale Unternehmen und Einrichtungen in das Handelsregister infolge der Aufhebung des § 36 HGB, NWVBl 2001, 11; W.-H. Roth Zum Firmenrecht der juristischen Person i.S. des § 33 HGB, Festschrift Lutter, 2000 S. 651; Schwenn Vereine und Stiftungen im Handelsregister – Hinweise für die Praxis, npor 2021, 93; Waldner Handelsregisteranmeldungen infolge der Streichung von § 36 HGB, MittBayNot 2000, 13; Wünsch Gedanken zur Kaufmannseigenschaft juristischer Personen, Festschrift Kralik, 1986, 597. Zum internationalen Firmenrecht s. Vor § 17
Übersicht II.
A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen der Anmeldepflicht nach Abs. 1
I.
1 2
3
Juristische Person
1. 2.
Erforderlichkeit der Anmeldung mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebs 12 Gegenstand 13 Art und Umfang des Gewerbebetriebs
C.
Rechtsfolgen der Anmeldepflicht nach Abs. 1 und 2
I. 1. 2.
Die zur Anmeldung verpflichteten Personen 17 gem. Abs. 1 18 Meinungsstand 19 Stellungnahme
II.
Anmeldung und Eintragung gem. Abs. 2
4
11
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-021
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§ 33
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
1.
2.
3.
Anzumeldende und einzutragende Tatsa20 chen 21 a) Firma 22 aa) Meinungsstand 23 bb) Stellungnahme: 28 b) Sitz 29 c) Gegenstand des Unternehmens 30 d) Mitglieder des Vorstands e) Vertretungsmacht der Vorstandsmitglie31 der 33 f) Weitere Tatsachen Beizufügende Unterlagen 34 a) Satzung b) Urkunden über die Bestellung des Vor35 stands c) Urkunde über die Erlangung der Rechtsfä36 higkeit 37 d) Form der Unterlagen 38 Form der Anmeldung
D.
Unternehmen i.S.d. § 36 a.F. (insbes. Eigenbetriebe)
I.
Grundlagen
II. 1. 2.
Voraussetzungen der Anmeldepflicht 40 Juristische Person Art und Umfang des Gewerbebetriebs
III.
Rechtsfolgen der Anmeldepflicht
1.
3.
Die zur Anmeldung verpflichteten Personen 42 gem. Abs. 1 43 a) Meinungsstand 44 b) Stellungnahme 45 c) Ergebnis Anmeldung und Eintragung gem. Abs. 2 47 a) Firma b) Mitglieder des Vorstands, Vertretungs48 macht c) Sonstige Angaben und beizufügende Unter49 lagen 50 Form der Anmeldung
E.
Verfahren
I.
Zuständiges Registergericht
II.
Durchsetzung der Anmeldepflicht
III.
Prüfung, Eintragung und Bekanntma53 chung
F.
Rechtsfolgen der Eintragung
G.
Die Errichtung von Zweigniederlassungen, 55 Abs. 3
H.
Die Angabepflicht auf Geschäftsbriefen, 56 Abs. 4
2.
51 52
54
39
41
A. Grundlagen I. Norminhalt § 33 Abs. 1 belegt all diejenigen juristischen Personen mit einer Anmeldepflicht, die ein Handels- 1 gewerbe betreiben und deren Eintragung nicht bereits durch andere Vorschriften gesichert ist (näher Rn 4 ff). Den Inhalt der Anmeldepflicht legen Abs. 2 und 3 fest. Abs. 4 bestimmt eine entsprechende Anwendung von § 37a.
II. Entstehungsgeschichte Das ADHGB enthielt keine § 33 entsprechende Vorschrift. Gleichwohl war bereits das Bestehen 2 einer Eintragungspflicht für juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 anerkannt. Das HGB regelte sie daher zur Klarstellung ausdrücklich.1 Die Vorschrift wurde sodann durch das Gesetz über die Eintragung von Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937 neu gefasst2 und durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für
1 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 41 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 223.
2 RGBl. I, 897; zur Begr. s. Reichs-Archiv 1937, 1384 f. 399
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§ 33
1. Buch. Handelsstand
Telekommunikation vom 10.12.2001 (ERJuKoG)3 geändert und um Abs. 4 ergänzt (dazu näher Rn 31, 56). Schließlich wurden durch das Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.20064 in Abs. 3 die Wörter „unter Beifügung einer öffentlich beglaubigten Abschrift der Satzung“ gestrichen.5
III. Normzweck 3 Nachdem §§ 1 ff prinzipiell auch für juristische Personen gelten, hat § 33 Abs. 1 im Blick auf die Anmeldepflicht als solche nur klarstellende Bedeutung (s. bereits Rn 2).6 Da § 29 jedoch auf Einzelkaufleute zugeschnitten ist (§ 29 Rn 5 f), bliebe ohne § 33 fraglich, von wem eine juristische Person anzumelden ist, und vor allem, welche Tatsachen anzumelden sind. Im Interesse einer vollständigen und sachgerechten Information des Handelsregisters über alle Kaufleute regelt § 33 Abs. 1 bis 3 diese Fragen für juristische Personen, deren Anmeldepflicht nicht bereits anderweitig geregelt ist, ausdrücklich. So gesehen hat die vielfach wiederholte Behauptung, § 33 würde juristische Personen Einzelkaufleuten gleichstellen,7 keine Grundlage. Vielmehr ist die Funktion des Handelsregisters für Einzelkaufleute und juristische Personen eine ganz andere. Während bei einem Einzelkaufmann das Handelsregister lediglich die Aufgabe hat, die „seine Geschäfte“ betreffenden Rechtsverhältnisse zu verlautbaren, dient es bei juristischen Personen ebenso wie bei Handelsgesellschaften darüber hinaus dazu, über die allgemeinen Verhältnisse des Geschäftsinhabers zu unterrichten,8 d.h. im Falle des § 33 insbes. auch über die Satzung, die Vorstandsmitglieder und deren Vertretungsmacht. 3a Abs. 4 rundet den Schutz des Rechtsverkehrs ab, indem er zur Lückenschließung auch die Angabepflicht auf Geschäftsbriefen gem. § 37a auf juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 erstreckt.
IV. Anwendungsbereich 4 § 33 Abs. 1 betrifft nur die erstmalige Anmeldung (für Änderungen gilt § 34, s. dort) von solchen juristischen Personen (zu diesem Begriff Rn 11), die ein Handelsgewerbe betreiben und deren Anmeldung zum Handelsregister nicht bereits durch andere Vorschriften gesichert ist.9 Keine Anwendung findet § 33 daher auf: – Personenhandelsgesellschaften (§§ 106, 108, 161 Abs. 2, 162), – Kapitalgesellschaften (§§ 36 ff, 278 Abs. 3, 282 AktG, 7 ff GmbHG), – die EWIV (§ 2 Abs. 1 und 2 EWIVAG), – die SE (§ 3 SEAG) und – den VVaG (§ 185 Abs. 1 VAG). Ferner findet § 33 keine Anwendung auf Genossenschaften und Partnerschaftsgesellschaften. Deren Eintragung erfolgt nicht in das Handelsregister, sondern gem. §§ 10 ff GenG in das Genossenschaftsregister bzw. gem. §§ 4 f PartGG in das Partnerschaftsregister. Diese Eintragungspflichten gehen § 33 als leges speciales vor. Keine Anwendung findet § 33 überdies auf BGB3 4 5 6 7
BGBl. I, 3422. BGBl. I, 2553. Zur Begr. s. BT-Drucks. 16/960, 47. Hopt/Merkt Rn 1. Etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1, 3; Staub/Hüffer4 Rn 1; HKzHGB/Ruß Rn 1; Wünsch FS Kralik, 1986, 609. 8 BGHZ 67, 166 (169 f). 9 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; vgl. HKzHGB/Ruß Rn 1; Staub/Hüffer4 Rn 1; Heymann/Förster HGB Rn 1; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 2; GKzHGB/Steitz Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 33
Gesellschaften, da diese kraft Rechtsformzwang OHG werden, wenn sie ein Handelsgewerbe betreiben.10 Für eingetragene GbRs gelten künftig die §§ 707, 707c BGB i.d.F. des MoPeG als leges speciales. Zur Frage der Anwendbarkeit von § 33 auf nicht rechtsfähige Vereine u. Rn 10. Schließlich findet § 33 kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung keine Anwendung gem. § 29 Abs. 3 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank und gem. § 11 Abs. 2 des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Streitig ist die Behandlung von ausländischen juristischen Personen. Nach traditioneller, 5 heute kaum noch vertretener Auffassung fallen sie unter § 33, wenn sie in Deutschland ein Handelsgewerbe betreiben.11 Dem kann zumindest für juristische Personen mit statutarischem Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums12 mit der heute herrschenden Meinung13 nicht mehr uneingeschränkt gefolgt werden: Nach der Rechtsprechung des EuGH in Bezug auf Zuzugsfälle gilt im Ergebnis die sog. Gründungstheorie, wonach der statutarische Sitz des Rechtsträgers für dessen Qualifikation entscheidend ist.14 Auf den Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes (sog. Sitztheorie) kommt es danach also nicht an. Betreibt eine in diesem Sinne ausländische juristische Person im Inland ein Handelsgeschäft – wozu ein schlichtes Tätigwerden auf dem deutschen Markt durch eine bloße Betriebsabteilung nicht ausreicht15 – handelt es sich mithin um eine Zweigniederlassung i.S.d. §§ 13d ff (näher § 13d Rn 9 ff, 16 ff).16 Diese Vorschriften gehen hinsichtlich der Anmeldung und Eintragung – im Anwendungsbereich der Zweigniederlassungsrichtlinie,17 also soweit es sich bei der ausländischen juristischen Person um eine Kapitalgesellschaft i.S.d. §§ 13e ff handelt, europarechtlich zwingend – § 33 vor. Für Geschäftsbriefe enthalten §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG Sonderregelungen. Soweit diese nicht eingreifen bleibt § 33 Abs. 4 anwendbar. Daneben galt bis zum 25.3.2009 § 15b Abs. 2 GewO. Ähnliche Regelungen enthält jetzt § 6c GewO i.V.m. Art. 2 DL-InfoV18 (näher § 37a Rn 5a, 31). Hinsichtlich juristischer Personen mit statutarischem Sitz in Drittstaaten (also außerhalb 6 der Europäischen Gemeinschaft und des Europäischen Wirtschaftsraums) sind zunächst die besonderen Regeln in bilateralen Staatsverträgen zu beachten. So zwingt insbes. der Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29.10.1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika19 ebenfalls zur Anwendung der Gründungstheorie,20 so dass vorstehende Ausführungen (Rn 5) gleichfalls gelten. Nur wenn solche staatsvertraglichen Regeln
10 Allg. M., Hopt/Roth § 105 Rn 7; statt anderer BGHZ 10, 97. 11 Staub/Hüffer4 Rn 3; BayObLG – BReg 3 Z 148/85, GmbHR 1986, 305; differenzierend Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Reuschle Rn 1, wonach § 33 auf juristische Personen mit statutarischem Sitz in der EU oder dem EWR keine Anwendung findet. Ebs. Oetker/Schlingloff Rn 1. 12 BGHZ 164, 148. 13 KG NZG 2004, 49; OLG Zweibrücken RIW 2003, 542; Riegger ZGR 2004, 513; Leibl/Hoffmann EuZW 2003, 679; Baumbach/Hopt/Merkt § 13d Rn 1, § 33 Rn 1; MünchKommHGB/Krafka Rn 4; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 4. 14 EuGH Urteil v. 9.3.1999, Rs. C-212/97 – Slg. 1999 I-1459 (Centros); EuGH Urteil v. 5.11. 2002 Rs. C-208/00 – Sgl. 2002 I-9919 = NJW 2002, 3614 (Überseering); EuGH Urteil v. 30.9.2003, Rs. 167/01 – NJW 2003, 3331 (Inspire Art); MünchKommHGB/Krafka Rn 4; Hopt/Roth Einl v § 105 Rn 29; dem hat sich der BGH angeschlossen, BGHZ 154, 185. 15 MünchKommHGB/Krafka Rn 6. 16 So jetzt auch ausdrücklich die Begr. RegE zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG, BGBl. I, 2026), BT-Drucks. 16/6140, 117 f. 17 Elfte Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen vom 21.12.1989 (ABl. EG Nr. L 395 S. 36) vgl. Anh. zu § 13d. 18 Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (Dienstleistungs-InformationspflichtenVerordnung – DL-InfoV), BGBl 2010 I, 267, zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.8.2021 (BGBl 2021 I, 3436) mWz 1.1.2024. 19 Vgl. Art. VI Abs. 1, Art. VII Abs. 1 und Art. XXV Abs. 5 des genannten Vertrags vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 487). 20 BGHZ 153, 353; MünchKommHGB/Krafka Rn 5. 401
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fehlen, kommt mithin eine Anwendung von § 33 in Betracht, wenn man nicht die Sitztheorie ohnehin ganz aufgibt.21 Letzterem ist freilich nicht zu folgen.22 Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist jedoch für eine registerrechtliche Gleichbehandlung zu plädieren.23 Dafür sprechen auch die Regelungen der §§ 13d ff. Auf ausländische juristische Personen ist § 33 daher nicht anzuwenden. 7 Vor Erlass und Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie wurde die Auffassung vertreten, auf eine ausländische Kapitalgesellschaft, die einzige Komplementärin einer Kommanditgesellschaft ist (sog. „ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG“), sei § 33 analog anzuwenden.24 Dem ist nicht zu folgen, weil es für eine solche Analogie sowohl an einer Regelungslücke (insbes. §§ 19 Abs. 2, 106, 108, 161 Abs. 2) als auch an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt, da die ausländische juristische Person in diesen Fällen nicht selbst Unternehmensträgerin ist. Nur, wenn in der Übernahme der Gesellschafterstellung im Einzelfall die Errichtung einer Zweigniederlassung zu sehen sein sollte, besteht eine Anmeldepflicht nach §§ 13d ff.25 S. ferner § 19 Rn 20 ff. Anwendung findet § 33 daher in erster Linie auf die juristischen Personen i.S.d. BGB (s. die 8 Überschrift von Buch 1, Abschnitt 1, Titel 2), also auf: – Idealvereine i.S.d. § 21 BGB mit wirtschaftlichem Nebenbetrieb,26 – wirtschaftliche Vereine i.S.d. § 22 BGB, – Stiftungen i.S.d. §§ 80 ff BGB sowie – juristische Personen i.S.d. § 89 BGB, also Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Dazu gehören insbes. die als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts verfassten Sparkassen27 und Rundfunkanstalten. Erfasst werden ferner die sog. Kommunalunternehmen. Auch dabei handelt es sich um eine besondere, erstmals von dem Land Berlin 1993 eingeführte,28 inzwischen legislatorisch verbreitete29 Art der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. Von Eigenbetrieben unterscheiden sie sich dadurch, dass sie nicht nur organisatorisch und wirtschaftlich, sondern als juristische Personen auch rechtlich verselbständigt sind (vgl. Rn 40).30 Zweifelhaft ist hingegen, ob Börsen von § 33 erfasst werden, da es sich hierbei gem. § 2 Abs. 1 BörsenG um bloß teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts handelt. Anders als bei sog. Eigenbetrieben (Rn 9) ist wohl nicht die Börse selbst, sondern nur ihr Träger anmeldepflichtig. Das Gleiche gilt für andere teilrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen der Träger anmeldepflichtig ist (wie z.B. die Braunschweigische Landessparkasse deren Träger die Norddeutsche Landesbank Girozentrale ist). 9 Nach Aufhebung von § 36 durch das Handelsrechtsreformgesetz sollen überdies Unternehmen von Gebietskörperschaften, soweit diese selbst Unternehmensträger sind, das Unternehmen also nicht in einer der zuvor genannten Rechtsformen (Rn 4, 8) betreiben, d.h. insbes. Regie- und Eigenbetriebe sowie eigenbetriebsähnliche Einrichtungen, der Anmeldepflicht nach § 33 unterfallen.31 Das bereitet nicht unerhebliche Schwierigkeiten (näher Rn 39 ff). 21 22 23 24
So LG Berlin ZIP 2004, 2380 (2381) mit krit. Anm. Ries ZIP 2004, 2382; s. auch die wN Vor § 17 Rn 52 ff. BGH WM 2009, 20 (22). Ebenso MünchKommHGB/Krafka Rn 6; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 4. BayObLG Beschl. v. 21.3.1986 – BReg. III Z 148/85, BayObLGZ 1986, 61, 72 = WM 1986, 968; Hüffer WuB II. N. §§ 161 ff HGB 1.86. 25 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; MünchKommHGB/Krafka Rn 7; so wohl auch Hopt/Merkt Rn 1. 26 Vgl. hierzu OLG Köln – 2 Wx 78/16, npoR 2017, 152 (153); OLG Frankfurt a.M. – 20 W 290/14, npoR 2017, 250. 27 BayObLG NJW-RR 2001, 27; BayObLG NJW-RR 2001, 28; Hopt/Merkt Rn 1; MünchKommHGB/Krafka Rn 2. 28 BerlGVBl. 1993, 319 ff. 29 Entsprechende Gesetze haben seither Bayern (s. Art. 89 ff BayGO); Niedersachsen (§§ 141 NKomVG), NordrheinWestfalen (§ 114a GO NRW), Rheinland-Pfalz (s. § 86a, 86b RpfGO), Sachsen-Anhalt (§ 128 KVG LSA) und SchleswigHolstein (s. § 106a Abs. 1 GO SH) erlassen. 30 Näher zu Kommunalunternehmen Waldmann NVwZ 2008, 284; Schaller KommunalPraxis spezial 2008, 70 ff; Hofmann-Hoeppel KommunalPraxis spezial 2008, 61 ff. 31 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 13/8444, 57; BayObLG Rpfleger 2002, 316; OLG Frankfurt RPfleger 2002, 270; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 1; MünchKommHGB/Krafka Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. Burgard
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Fraglich ist schließlich die Behandlung sog. nicht rechtsfähiger Vereine i.S.d. § 54 BGB. 10 Entgegen der gesetzlichen Bezeichnung ist ihnen in Folge der gewandelten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur BGB-Gesellschaft32 und den hieraus für das Vereinsrecht gezogenen Konsequenzen33 Rechtsfähigkeit zuzubilligen, wenn sie unter eigenem Namen am Rechtsverkehr teilnehmen. Es handelt sich daher um juristische Personen i.S.d. § 33 (Rn 11). Besser sollte daher von einem „nicht eingetragenen Verein“ gesprochen werden. Betreibt ein solcher nicht eingetragener Verein ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 (näher Rn 12 ff), so ist er zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Überschreitet der Verein allerdings die Grenzen des sog. Nebenzweckprivilegs, so ist er kraft Rechtsformzwangs OHG oder KG34 mit der Folge, dass sich die Anmeldepflicht nach den für diese Rechtsformen geltenden Vorschriften (Rn 4) richtet. Zur Partenreederei, Güter- und Erbengemeinschaft vgl. § 1 Rn 72 ff.
B. Voraussetzungen der Anmeldepflicht nach Abs. 1 I. Juristische Person Der Begriff „juristische Person“ bezeichnet nach heute35 vorherrschender Meinung eine zweck- 11 gebundene Organisation, der nach der Rechtsordnung Rechtsfähigkeit – nicht nur, aber vor allem in vermögensrechtlicher Hinsicht36 – zukommt.37
II. Erforderlichkeit der Anmeldung mit Rücksicht auf den Gegenstand oder auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebs 1. Gegenstand Das Abstellen auf den Gegenstand des Gewerbebetriebs bezieht sich auf § 1 in der Fassung vor 12 Erlass des Handelsrechtsreformgesetzes von 1998 und hat mit der Streichung der in § 1 Abs. 2 a.F. enthaltenen Liste der Grundhandelsgewerbe ihren Sinn verloren.38
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BGHZ 146, 341 ff; zuletzt BGH ZIP 2009, 66. BGH WM 2007, 1933 (1938). K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 25 I 2b mwN. Zum Meinungsstand: K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 8; MünchKommBGB/Leuschner Vor § 21 Rn 1 ff; Raiser AcP 199 (1999), 105 ff. 36 Die juristische Person hat prinzipiell unbegrenzte Rechtsfähigkeit. Einschränkungen ergeben sich vornehmlich aufgrund der Unterschiede zu natürlichen Personen, z.B. keine Erlangung familiärer Positionen, keine Fähigkeit Erblasser zu sein; beschränkte Grundrechtsfähigkeit, vgl. Raiser AcP 199 (1999), 105 (143). Nicht richtig wäre es daher die Rechtsfähigkeit der juristischen Person als Teilrechtsfähigkeit zu beschreiben. Diese Figur wurde auch für Personengesellschaften zu Recht aufgegeben, s. etwa Ulmer ZIP 2001, 585 (588 f), wenngleich der BGH die GbR immer noch als „(teil-)rechtsfähig“ bezeichnet, zuletzt BGH ZIP 2009, 66 (67). Von Teilrechtsfähigkeit ist daher nur ausnahmsweise wie bei teilrechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts zu sprechen, bei denen gleichsam das Regel-Ausnahmeverhältnis umgekehrt ist, also Rechtsfähigkeit nur in einzelnen Beziehungen besteht. 37 Etwa BGHZ 25, 134 (144); Soergel/Hadding Vor § 21 BGB Rn 6; MünchKommBGB/Leuschner Vor § 21 Rn 2; Raiser AcP 199 (1999), 105; Staub/Hüffer4 Rn 3. Traditionell wird zudem ein Akt der staatlichen Anerkennung bzw. Publizität verlangt, der jedoch heute zunehmend (insbes. nicht eingetragener Verein, Vor-Gesellschaft, BGB-Außengesellschaft) nicht mehr vorausgesetzt wird, s. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 8 II 5c cc. 38 W.-H. Roth FS Lutter, 2000, 651 (653); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; zum Rechtszustand vor der Handelsrechtsreform Staub/Hüffer4 Rn 5. 403
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2. Art und Umfang des Gewerbebetriebs 13 Mithin kommt es allein darauf an, ob die Anmeldung mit Rücksicht auf die Art und den Umfang ihres Gewerbebetriebs erforderlich ist, ob also ein Handelsgewerbe i.S.d. § 1 Abs. 2 betrieben wird. Zu den Voraussetzungen siehe die Erläuterungen zu § 1. Namentlich im Blick auf Idealvereine39 und gemeinnützige Stiftungen ist dabei viererlei zu beachten. Erstens kommt es bei juristischen Personen auf die Ausgrenzung künstlerischer, wissenschaftlicher und freiberuflicher Tätigkeit aus dem Gewerbebegriff regelmäßig nicht an, weil sie – selbst wenn sie solchen Tätigkeiten nachgehen – diese grundsätzlich anstaltsmäßig betreiben, d.h. die Erbringung einer individuellen Leistung hinter den organisierten Betrieb zurücktritt (§ 1 Rn 33).40 Zweitens ist das Bestehen einer Gewinnerzielungsabsicht unerheblich. Vielmehr reicht es aus, dass entgeltliche Leistungen am Markt angeboten werden (§ 1 Rn 39).41 Die Leistungen können dabei auch ideeller Natur und der Markt kann auch ein „innerer“ Markt sein.42 Es schadet (bzw. hilft) daher nicht, wenn sich das Leistungsangebot ausschließlich an Mitglieder richtet. Wirbt die juristische Person aktiv um Mitglieder und Spender liegt zudem eine Tätigkeit an einem äußeren Markt vor, da das Einwerben von Mitgliedern und Spenden ein eigenes (und zudem umkämpftes!) Marktsegment ist, das dementsprechend professionell betrieben werden muss, wenn es nachhaltig erfolgreich sein soll.43 Ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Leistung und Entgelt muss nicht bestehen. Das Entgelt kann daher auch in einem Mitgliedsbeitrag oder einer Spende und die Leistung in der Verfolgung der satzungsmäßigen Zwecke bestehen. Drittens kann auch eine bloß vermögensverwaltende Tätigkeit gewerblich sein (§ 1 Rn 23 ff). Insofern kommt es nach dem Sinn und Zweck von § 1 richtigerweise entscheidend darauf an, ob die Vermögensverwaltung nach Art und Umfang zum Schutz Dritter kaufmännischer Einrichtungen bedarf (vgl. § 1 Rn 95). Dritte in diesem Sinne sind dabei nicht nur Geschäftspartner. Vielmehr können auch Mitglieder und Spender Dritte in diesem Sinne sein, weil und insofern sie ihre Mitgliedsbeiträge bzw. Spenden in Erwartung bestimmter Leistungen und einer dementsprechend ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung der juristischen Person erbringen und sie hierauf – zumindest faktisch – keinen bestimmenden Einfluss haben. Unter diesen Voraussetzungen sind auch Holdings gewerblich tätig, wenn also die sachgerechte Anteilsverwaltung nach Art und Umfang der konkreten Tätigkeit im Einzelfall (z.B. Konzernleitung) zum Schutz Dritter (wozu in diesem Fall auch die abhängigen Gesellschaften, deren Minderheitsgesellschafter und Gläubiger zu zählen sind) kaufmännische Einrichtungen (insbes. ein kaufmännisches Rechnungswesen) erfordern.44 Und viertens ist bei juristischen Personen – anders als bei Einzelkaufleuten – handelsrechtlich nicht zwischen Betriebs- und Privatvermögen zu unterscheiden.45 Dementsprechend haben juristische Personen im Anwendungsbereich des Publizitätsgesetzes (§§ 1–3 PublG) anders als Einzelkaufleute (§ 5 Abs. 4 PublG) über ihr gesamtes Vermögen Rechnung zu legen.46 Daraus folgt zugleich, dass bei juristischen Personen ihre gesamte, also auch ihre nicht anbietende Tätigkeit zur Beantwortung der Frage einzubeziehen ist, ob sie die Voraussetzungen des § 1 39 40 41 42
Siehe hierzu OLG Frankfurt a.M. – 20 W 290/14, BeckRS 2017, 128402. Vgl. auch Röhricht/v. Westphalen/Haas § 1 Rn 63. Siehe OLG Brandenburg – 7 W 51/17, MDR 2020, 492 mwN; Kornblum DÖV 2012, 20 (22). Hopt/Merkt § 1 Rn 17; K. Schmidt Handelsrecht § 9 Rn 31; offen Röhricht/v. Westphalen/Haas § 1 Rn 33; aA RG JW 1928, 238. 43 Vgl. etwa Toepler/Sprengel in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Aufl. 2003, 565 ff; sowie die Beiträge von Monroe/Schmied/Lehfeldt und Command/Mersereau in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Bürgerstiftungen, 2. Aufl. 2004, 181 ff, 215 ff, 243 ff, 269 ff. 44 Die Einordnung von Holdings ist sehr streitig, s. etwa Hopt/Merkt § 1 Rn 18 einerseits und Röhricht/v. Westphalen/Haas § 1 Rn 44 andererseits, jew. mwN. 45 Näher Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 551 f; anders die hM, statt anderer Hopt/Merkt § 238 Rn 8, § 246 Rn 24; speziell zur Stiftung s. IDW, Stellungnahme zur Rechnungslegung von Stiftungen, WPg 2000, 391, 392 (Rn 23); Orth in Seifart/v. Campenhausen, Handbuch des Stiftungsrechts, 2. Aufl. 1999, § 37 Rn 198. 46 Küting/Weber Handbuch der Rechnungslegung 5. Aufl. PublG § 5 Rn 17 ff. Burgard
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Abs. 2 erfüllen. Dafür spricht auch, dass sowohl die Verwaltung eines großen, wechselnden Mitgliederbestandes als auch die Förderung, Überwachung und Dokumentation gemeinnütziger Projekte eine organisatorisch ebenso anspruchsvolle Aufgabe sein kann, wie eine kaufmännische Tätigkeit im herkömmlichen Sinne,47 so dass kaufmännische Einrichtungen auch insofern zum Schutz von Geschäftspartnern, Mitgliedern und Spendern, im Blick hierauf aber auch zur Selbstinformation erforderlich sein können. Schließlich ist für diese Ansicht das Informationsinteresse des Rechts- und Geschäftsverkehrs anzuführen. Mithin erfüllt eine juristische Person bereits dann die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2, wenn sie entgeltliche Leistungen an einem inneren oder äußeren Markt anbietet oder ein erhebliches Vermögen verwaltet und ihre Gesamttätigkeit nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.48 Gegeben sind diese Voraussetzungen etwa bei einem (eingetragenen oder nicht eingetragenen) Idealverein49 mit einem wechselnden Bestand von mehreren tausend zahlenden Mitgliedern, für die der Verein bestimmte Leistungen erbringt, und einem Vereinsvermögen von einigen Millionen Euro, mit dem der Verein diverse Projekte im Rahmen seines Zwecks fördert, also z.B. bei Gewerkschaften.50 In der Praxis sind freilich selbst so bedeutende Organisationen wie der ADAC Nordrhein e.V. oder ver.di – Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft mit jeweils rund 2,2 Millionen Mitgliedern nicht in das Handelsregister eingetragen und werden von den zuständigen Registergerichten offenbar auch nicht zur Anmeldung angehalten.51 Für die Eintragungspflicht nach § 33 unerheblich ist, ob der Geschäftsbetriebs eines Idealvereins noch von dem Nebentätigkeitsprivileg gedeckt ist oder nicht.52 Liegen die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 nicht vor, folgt daraus im Umkehrschluss, dass 14 keine Anmeldepflicht besteht, so insbes. bei einem kleingewerblichen Betrieb oder einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Allerdings können auch juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 eine Anmeldung nach §§ 2 S. 1, 3 Abs. 2 und 3 vornehmen und damit ihre Kaufmannseigenschaft begründen. Inhaltlich muss diese Anmeldung § 33 Abs. 2 entsprechen. Des Weiteren sind dann § 33 Abs. 3 und 4 sowie § 34 zu beachten. Von vorstehender Konstellation zu unterscheiden ist der Fall, dass eine juristische Person 15 nicht eintragungsfähig ist, weil sie gar kein Gewerbe betreibt, insbes. weil sie in keiner Weise entgeltlich tätig ist oder keine nach außen gerichtete Tätigkeit am Markt entfaltet, also auch im Blick auf eine vermögensverwaltende Tätigkeit nicht die zuvor beschriebene (Rn 13) Schwelle überschreitet. Schwer vorstellbar ist dagegen, dass eine juristische Person wegen des Vorliegens einer freiberuflichen Tätigkeit nicht eintragungspflichtig ist (s. § 1 Rn 33). Unerheblich für die Anmeldepflicht ist grundsätzlich (Ausnahme o. Rn 10), ob Art und 16 Umfang der wirtschaftlichen Betätigung nach den für die betreffende juristische Person geltenden Bestimmungen zulässig ist, vgl. auch § 7. Das ist insbes. bei Idealvereinen (§ 21 BGB) und Stiftungen (§§ 80 ff BGB) ein Problem. Idealvereine dürfen nicht die Grenze zu wirtschaftlichen Vereinen überschreiten, sondern müssen sich im Rahmen des sog. Nebenzweckprivilegs halten (sog. Vereinsklassenabgrenzung).53 Selbiges gilt zwar für Stiftungen – entgegen der nur noch von Reuter vertretenen Ansicht54 – nicht. Gleichwohl sind die Grenzen einer wirtschaftlichen 47 Vgl. etwa die Beiträge von Kennedy/Rumberg/Then, Koeckstadt und Breiteneicher/Marble in Bertelsmann Stiftung (Hrsg.), Handbuch Stiftungen, 2. Aufl. 2003, 393 ff, 461 ff und 649 ff. 48 Vgl. Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 553; Röhricht/v. Westphalen/Haas § 1 Rn 33. 49 Vgl. OLG Köln – 2 Wx 78/16, npoR 2017, 152 (153), wonach ab einer Umsatzhöhe von 250.000 Euro von einem Handelsgewerbe auszugehen ist. 50 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 42 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 983. 51 Ebenfalls nicht in das Handelsregister eingetragen ist etwa der TÜV Saarland e.V., obwohl er im Gegensatz zu anderen TÜV-Organisationen sein Geschäft nicht vollständig in abhängige Kapitalgesellschaften ausgegliedert hat. 52 OLG Frankfurt a.M. – 20 W 290/14, BeckRS 2017, 128402; zur Amtermittlungspflicht im Blick auf Art und Umfang des Geschäftsbetriebs OLG Köln, Becks´RS 2016, 20605. 53 S. dazu etwa Seltmann DStR 2008, 1443 ff; Segna Rpfleger 2006, 449 ff. 54 MünchKommBGB/Reuter 5. Aufl. §§ 80, 81 Rn 90 ff. 405
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Betätigung von Stiftungen nach wie vor der Stiftungsrechtsreform umstritten.55 Über die Einhaltung dieser Grenzen zu wachen, ist freilich nicht Aufgabe des Registergerichts. Allerdings ist das Gericht auch nicht gehindert, die bei seiner amtlichen Tätigkeit erworbenen Kenntnisse bei der Führung des Vereinsregisters zu verwerten (§§ 395, 400 FamFG [§§ 142, 159 FGG a.F.]), sie der Verwaltungsbehörde zur Entscheidung nach § 43 Abs. 2 BGB oder der zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde zugänglich zu machen.56
C. Rechtsfolgen der Anmeldepflicht nach Abs. 1 und 2 I. Die zur Anmeldung verpflichteten Personen gem. Abs. 1 17 Sind die vorstehenden Voraussetzungen (Rn 11, 13) gegeben, so besteht eine Anmeldepflicht. Diese Anmeldepflicht trifft richtigerweise die juristische Person.57 Sie wird dabei von ihrem Vorstand vertreten, wobei nach Abs. 1 sämtliche Mitglieder des Vorstands persönlich mitzuwirken haben. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, ist daher gegen sie ein Zwangsgeld zu verhängen.58
1. Meinungsstand 18 Diese Bestimmung versteht die herrschende Lehre59 in Anschluss an eine Reihe älterer Entscheidungen60 wie folgt: Die Verpflichtung erstrecke sich auf alle ordnungsgemäß gewählten Mitglieder des Vorstands und könne nicht durch die Satzung der juristischen Person modifiziert werden. Deswegen komme es auf Beschränkungen in der Person einzelner Vorstandsmitglieder insbes. hinsichtlich ihrer Vertretungsmacht nicht an. Mitzuwirken hätten daher auch Vorstandsmitglieder, die sonst nicht befugt seien, für die juristische Person nach außen zu handeln.
2. Stellungnahme 19 Dieser Auffassung kann nur mit Einschränkungen gefolgt werden. Mit dem Begriff „Vorstand“ ist nach dem Sprachgebrauch des Gesetzes (s. insbes. §§ 26 ff, 86 BGB, §§ 76 ff AktG, §§ 24 ff GenG) ein Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan gemeint. Auf die Bezeichnung des Organs kommt es dabei nicht an. Das bedeutet zweierlei: Einerseits kann der Vorstand i.S.d. § 33 kraft Gesetzes oder der Satzung eine andere Bezeichnung tragen (z.B. Direktorium oder Verwaltungsrat). Andererseits ist nicht jedes Organ, das von den für die juristische Person maßgeblichen Regelungen als Vorstand bezeichnet wird, auch als Vorstand i.S.d. § 33 anzusehen. Welches Organ als Vorstand i.S.d. § 33 anzusehen ist, ist daher nach dem Inhalt der einschlägigen Bestimmungen durch Auslegung zu ermitteln. Daraus folgt: Zwar kann die Satzung selbstverständlich nicht die gesetzlich zwingende Anmeldepflicht modifizieren. Wohl aber kann sie, soweit Gestaltungsfreiheit besteht, bestimmen, welches Organ die Befugnisse eines Vorstands i.S.d. 55 S. dazu eingehend Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 136–156 mwN. 56 Zur Problematik anschaulich K. Schmidt AcP 182 (1982), 1 (44 ff). 57 Staub/Hüffer4 Rn 7; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 6 mwN; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2017, 115045 Rn 34; anders (Vorstandsmitglieder) die hM KGJ 26, A 232, A 233; OLGRspr. 12, 410 (411); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Heymann/Förster HGB Rn 9; BeckOGK-HGB/Maierhofer § 33 Rn 28. 58 OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2017, 115045 Rn 27. 59 Staub/Hüffer4 Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; GKzHGB/Steitz Rn 3. 60 OLG Dresden SächsOLG 31, 463; KG; KG RJA 2 (1901), 183; OLGRspr. 27, 304 (305); bzgl. des Vereinsregisters KG RJA 9 (1908), 47 (49 f). Burgard
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Gesetzes haben soll und damit als Vorstand i.S.d. § 33 anzusehen ist. Zu fragen ist daher, welchem Organ der juristischen Person nach ihrer Organisationsverfassung die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht eines Vorstands i.S.d. Gesetzes zukommt. Sind mehrere Organe zur Geschäftsführung und Vertretung befugt (vgl. etwa § 30 BGB), so ist dasjenige Organ als Vorstand i.S.d. Gesetzes anzusehen, dessen Geschäftskreis nicht oder am wenigsten beschränkt ist.61 Allerdings müssen die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht keineswegs unbeschränkt sein. Vielmehr kann etwa im Vereins- und Stiftungsrecht – anders als bei Handelsgesellschaften (§ 126 Abs. 2, §§ 161 Abs. 2 i.V.m. § 126 Abs. 2, § 82 Abs. 1 AktG, § 37 Abs. 2 GmbHG) – auch die organschaftliche Vertretungsmacht des Vorstands mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden, § 86 S. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 S. 2 BGB. Vorstand i.S.d. Gesetzes ist freilich nur ein Organ, dem sowohl Geschäftsführungsbefugnis als auch Vertretungsmacht zukommt, mögen diese Befugnisse auch beschränkt sein. Besteht ein zur Geschäftsführung befugtes Organ aus mehreren Personen, von denen einige auch zur Vertretung der juristischen Person berufen, andere hingegen von der Vertretung ausgeschlossen sind, so bilden nur erstere den Vorstand i.S.d. Gesetzes.62 Bestimmt also eine Satzung bspw., dass der „Vorstand“ aus einem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter, dem Schatzmeister, dem Schriftführer und drei weiteren Mitgliedern besteht und bestimmt sie ferner, dass nur der Vorsitzende, sein Stellvertreter sowie der Schatzmeister befugt sind, den Verein (einzeln, gemeinsam oder etwa nur der Vorsitzende mit einem der beiden anderen) zu vertreten, dann bilden nur diese drei den Vorstand i.S.d. des Gesetzes, während die vier übrigen Mitglieder lediglich an der Geschäftsführung mitwirken.63 Bilden aber nur diese drei den Vorstand i.S.d. des Gesetzes, dann treffen auch nur sie die gesetzlichen Pflichten des Vorstands wie die Insolvenzantragspflicht gem. § 42 Abs. 2 BGB64 oder die Anmeldepflicht gem. § 33. Dafür kann man auch anführen, dass die Anmeldung eine Vertretungshandlung ist, die mithin Vertretungsmacht voraussetzt. Dementsprechend ist anerkannt, dass Mitglieder anderer Organe zur Anmeldung weder verpflichtet noch berechtigt sind.65 Freilich reicht nach § 33 Abs. 1 – anders als nach § 34 Abs. 3 (s. dort Rn 13) – nicht aus, dass nur die zur ordnungsgemäßen Vertretung der juristischen Person erforderliche Zahl von Vorstandsmitgliedern die Anmeldung vornimmt. Vielmehr müssen alle Vorstandsmitglieder in dem hier bezeichneten Sinne an der Anmeldung mitwirken (Rn 17), wenngleich nicht notwendigerweise gleichzeitig.66
II. Anmeldung und Eintragung gem. Abs. 2 1. Anzumeldende und einzutragende Tatsachen Bei der Eintragung sind gem. § 33 Abs. 2 S. 2 die Firma und der Sitz der juristischen Person, 20 der Gegenstand des Unternehmens, die Mitglieder des Vorstands und ihre Vertretungsmacht anzugeben. Außerdem sind nach S. 3 besondere Bestimmungen der Satzung über die Zeitdauer des Unternehmens einzutragen. Im Einzelnen:
a) Firma. Probleme wirft die Firmenbildung juristischer Personen i.S.d. § 33 auf. Der histori- 21 sche Gesetzgeber hat die Frage wegen der Vielgestaltigkeit der Verhältnisse und mangels Be61 Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 256. 62 BGHZ 69, 250; BayObLG MDR 1977, 136; KG OLGZ 78, 272; Palandt80/Ellenberger § 26 BGB Rn 3. 63 Entgegen der „Falschbezeichnung“ der Satzung bestehen hier also zwei Organe, nämlich ein als „Vorstand“ bezeichnetes reines Geschäftsführungsorgan mit sieben Mitgliedern und der Vorstand i.S.d. Gesetzes mit drei Mitgliedern. 64 S. Reichert Handbuch Vereins- und Verbandsrecht, 10. Aufl. 2005, Rn 3426 ff. 65 RG JW 1910, 617. 66 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 6. 407
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dürfnisses nicht geregelt.67 Da besondere Vorschriften fehlen, finden – das ist unstreitig – die allgemeinen Vorschriften der §§ 17 f,68 22,69 3070 Anwendung. Auch juristischen Personen i.S.d. § 33 steht es daher grundsätzlich frei, Personen-, Sach-, Phantasie- oder Mischfirmen zu bilden.71 Fraglich ist jedoch zweierlei, nämlich erstens, ob die Firma dem Namen der juristischen Person entsprechen, und zweitens, ob und ggf. welchen Rechtsformzusatz die Firma der juristischen Person enthalten muss.
22 aa) Meinungsstand. Nach herrschender Meinung kann die Firma von dem Namen der juristischen Person abweichen.72 Sie kann daher neben ihrem Namen auch mehrere Firmen für entsprechend viele Handelsgeschäfte führen. Nach einer Entscheidung des BayObLG kann eine Sparkasse sogar für ein und dasselbe Handelsgeschäft mehrere Firmen führen.73 Hinsichtlich der Frage eines Rechtsformzusatzes werden drei Ansichten vertreten (s. auch § 19 Rn 33). Erstens: Der Rechtsformzusatz müsse gem. § 33 Abs. 4 i.V.m. § 37a Abs. 1 entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 1 lauten.74 Zweitens: Der Rechtsformzusatz nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 sei ungeeignet. Mangels anderweitiger gesetzlicher Bestimmung bedürfe es keines Rechtsformzusatzes.75 Drittens: In Gesamtanalogie zu den gesetzlichen Bestimmungen der § 19, §§ 4, 279 AktG, § 4 GmbHG, § 3 GenG, § 174 Abs. 2 S. 2 VAG, Art 11 Abs. 1 SEVO, Art. 10 Abs. 1 S. 2 SCEVO, § 2 Abs. 2 Nr. 1 EWIVAG, § 2 Abs. 1 S. 1 PartGG, § 65 BGB sei ein der Rechtsform entsprechender Zusatz zu bilden.76
23 bb) Stellungnahme: Vorstehende Fragen sind, was nicht immer genügend beachtet wird, eng miteinander verwoben und können daher nicht unabhängig voneinander beantwortet werden. Das Problem wird am Beispiel deutlich: Der Zweck einer rechtsfähigen Stiftung bürgerlichen Rechts namens „Stiftung Josef Huber“ erstreckt sich auf den Betrieb eines „Josef Hospitals“, eines „Gesundbrunnenverlags“ und einer „Heilbuchhandlung“. Folgt man der herrschenden Ansicht, kann die Stiftung neben ihrem Namen die Firmen „Josef Hospital“, „Gesundbrunnenverlag“ und „Heilbuchhandlung“ selbst dann führen, wenn es sich bei letzteren nicht um verschiedene Handelsgeschäfte handelt. Je nachdem, welcher Ansicht man folgt, wären diese Firmen ohne Rechtsformzusatz, mit einem Rechtsformzusatz nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 oder mit dem Rechtsformzusatz „rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts“ zu versehen. Letzteres kann freilich nicht richtig sein, weil es eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts mit dem Namen oder wenigstens Namensbestandteil „Gesundbrunnenverlag“ oder „Heilbuchhandlung“ nicht gibt und mithin eine solche Firmierung irreführend i.S.d. § 18 Abs. 2 wäre. Handelte es sich bei der unternehmenstragenden juristischen Person um einen eingetragenen Verein, verstieße die Firmierung als „Gesundbrunnenverlag e.V.“ oder „Heilbuchhandlung e.V.“ überdies gegen § 65 BGB. Ein Rechtsformzusatz „e.K.“ entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 1 scheidet freilich ebenfalls aus, 67 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 41 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, S. 983. 68 MünchKommHGB/Krafka Rn 12. 69 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Wünsch FS Kralik, 1986, 612 f; Staub/Hüffer4 Rn 10; BeckOKHGB/Bömeke Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 4; HKzHGB/ Ruß Rn 2. 70 Roth FS Lutter, 651 (655); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6. 71 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6. 72 BayObLG NJW-RR 2001, 1688; Staub/Hüffer4 Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 6; Heymann/Förster HGB Rn 12; Roth FS Lutter, 651 (656); aA wie hier BeckOK-HGB/Bömeke Rn 11. 73 BayObLG NJW-RR 2001, 1688; im Anschluss daran ebenso MünchKommHGB/Krafka Rn 12a. 74 Roth FS Lutter, 651 (657 ff). 75 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; MünchKommHGB/Krafka Rn 12; BeckOK-HGB/Bömeke, Rn. 17. 76 K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2168); MünchKommHGB/Krebs § 37a Rn 4; Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294). Burgard
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weil der Verkehr damit die Vorstellung verbindet, Unternehmensträger sei eine unbeschränkt haftende natürliche Person.77 Diese Vorstellung mag zwar rechtlich nicht zwingend sein,78 so dass dieser Rechtsformzusatz normativ betrachtet nicht irreführend wäre (vgl. § 18 Rn 47). Die Aussagekraft dieses Rechtsformzusatzes würde jedoch verwässert, und das ohne erheblichen Gewinn, weil die Kaufmannseigenschaft schon aus den nach § 33 Abs. 4 i.V.m. § 37a Abs. 1 erforderlichen Eintragungsangaben folgt. So gesehen scheint die Ansicht vorzugswürdig zu sein, wonach juristische Personen i.S.d. § 33 keinen Rechtsformzusatz führen müssen. Das gilt freilich nur, wenn man im Ausgangspunkt die Ansicht teilt, wonach juristische 24 Personen i.S.d. § 33 neben ihrem Namen davon abweichende Firmen führen dürfen. Und dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Vielmehr wurde bereits ausgeführt, dass der Grundsatz der Firmeneinheit richtig verstanden (unbeschadet des Rechts zur Führung von Zweigniederlassungsfirmen) besagt: „ein Unternehmensträger – eine Firma“ (Vor § 17 Rn 39 ff). Dabei ergibt sich dieser Grundsatz der Firmeneinheit entgegen der zitierten Entscheidung des BayObLG sehr wohl aus dem Gesetz, nämlich aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 („seine Geschäfte“ und nicht „sein [Handels-]Geschäft“). Nach hier vertretener Ansicht ist es deshalb nicht nur Handelsgesellschaften, was unstreitig ist, sondern auch Einzelkaufleuten versagt, mehrere Firmen zu führen. Allerdings ist die Firma nur der Handelsname eines Kaufmannes. Unberührt bleiben daher das Recht und die Pflicht von Einzelkaufleuten zur Führung ihres bürgerlichen Namens. Auch bei juristischen Personen i.S.d. § 33 könnte man daher meinen, sie könnten neben ihrem allgemeinen Namen einen besonderen Handelsnamen, also eine Firma führen. Die Rechtslage ist indes ganz verschieden: Müssten Einzelkaufleute unter ihrem bürgerlichen Namen auftreten, wäre nämlich das gesamte Firmenrecht auf sie nicht anwendbar (wegen §§ 21 ff also nicht nur auf den Rechtszustand vor der Handelsrechtsreform [§ 18 a.F.] zurückgeworfen). Dagegen sind juristische Personen i.S.d. § 33, wenn sie keine von ihrem Namen unterschiedliche Firma führen dürfen, allenfalls gezwungen, ihren Namen den handelsrechtlichen Firmenvorschriften anzupassen. Zwar ist ihr Name anders als der Name von Handelsgesellschaften nicht notwendigerweise eine Firma, nämlich dann nicht, wenn sie kein Handelsgewerbe betreiben. Betreiben sie aber ein Handelsgewerbe, dann hat das Handelsregister für sie dieselbe Funktion wie für Handelsgesellschaften (Rn 3). Zwar ist es mit der Rechtsprechung des BayObLG79 und des OLG Frankfurt80 zu rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts nicht registerrechtlich von vornherein ausgeschlossen, eine Eintragung an einem oder mehreren Registergerichten unter jeweils einer Firma oder unter mehreren Firmen nicht nur für mehrere, sondern auch nur für ein Handelsgeschäft zuzulassen.81 Beeinträchtigt wird hierdurch jedoch die – auch von § 13 erstrebte – Konzentration auf ein Handelsregister und damit zugleich dessen Informationsfunktion; denn es würde nicht „auf einen Blick“ deutlich, welche „Geschäfte“ die juristische Person betreibt. Diese Information müsste sich der Interessent vielmehr ggf. aus mehreren Eintragungen „zusammenklauben“ und könnte sich doch niemals sicher sein, sie vollständig gesammelt zu haben. Ohne die Informationen aus dem Handelsregister könnte zudem der Eindruck mehrerer Haftungsträger entstehen. Eben aus diesen Gründen und der daraus folgenden Irreführungs- und Missbrauchsgefahr ist nach hier vertretener Ansicht eine Firmenmehrheit auch bei Einzelkaufleuten unzulässig. Schließlich ist zu bedenken, dass die Firma nicht der Name des Unternehmens, sondern des Unternehmensträgers ist und gerade dazu dient, den Unternehmensträger und nicht das Unternehmen zu identifizieren (Vor § 17 Rn 1 f). Bei Einzelkaufleuten ist daher außer ihrer Firma der Kaufmann mit seinem Vornamen, Familiennamen, Geburtsdatum und Wohnort anzumelden und einzutragen (§ 29 Rn 10, 15), weil sich erst durch diese Angaben der Name des Unternehmens77 78 79 80 81 409
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; MünchKommHGB/Krafka Rn 12. Roth FS Lutter, 651 (661). BayObLG NJW-RR 2001, 28; NJW-RR 2001, 1688. OLG Frankfurt DB 2001, 860. S. dagegen aber die Bedenken von BGHZ 67, 166 (170). Burgard
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trägers erschließt. Bei Handelsgesellschaften und juristischen Personen i.S.d. § 33 HGB ist dagegen eine gesonderte Eintragung des Namens des Unternehmensträgers nicht vorgesehen, weil das Gesetz davon ausgeht, dass die Firma der Namen des Unternehmensträgers ist. Durch eine von dem Namen der juristischen Person abweichende Firmierung würde daher die Identifizierungsfunktion beeinträchtigt. Folgt man diesen Überlegungen, dann muss die Firma von juristischen Personen i.S.d. § 33 (zumindest im Wesentlichen) ihrem Namen entsprechen.82 Teilt man dieses Ergebnis, wird endlich der Weg für einen Rechtsformzusatz frei, der ent25 sprechend der Intention des Gesetzes83 die Rechtsform und Haftungsverhältnisse zutreffend zum Ausdruck bringt. Dieser ist daher nicht entsprechend § 19 Abs. 1 Nr. 1 zu bilden (s. schon Rn 23). Eine „Stiftung Josef Huber e.K.“ wäre zudem wegen Doppelung von Rechtsformzusätzen verwirrend. Besonders deutlich wird dies wiederum bei einem Verein („ABC e.V. e.K.“), wobei ein Weglassen des Zusatzes „e.V.“ wegen § 65 BGB ebenfalls nicht in Betracht kommt. Deswegen ist in Gesamtanalogie zu den Vorschriften über Rechtsformzusätze einfach die Rechtsform der juristischen Person so genau wie möglich und nötig wiederzugeben.84 Für den Beispielsfall folgt daraus, dass die „Stiftung Josef Huber“ ihre Geschäfte unter der gemeinsamen Firma „Stiftung Josef Huber, rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts“ zu führen hat. Die Möglichkeit, die verschiedenen Geschäfte mit unterschiedlichen Geschäftsbezeichnungen zu versehen (s. § 17 Rn 15 ff), bleibt hiervon selbstverständlich unberührt. Ab dem 1.1.2026 müssen rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts in das Stiftungsregister eingetragen werden und den Rechtsformzusatz „eingetragene Stiftung“ oder „e. S.“ oder „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e. VS.“ führen, § 82c BGB n.F. 26 Bei den von § 33 erfassten juristischen Personen (Rn 8 ff) sind mithin insbes. folgende Rechtsformzusätze zu führen: „eingetragener Verein“ oder „e.V.“, „rechtsfähiger Verein kraft Verleihung“ oder „rechtsfähiger Wirtschaftsverein“, „rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts“ (bzw. ab dem 1.1.2026 „eingetragene Stiftung“ oder „e. S.“ oder „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e. VS.“ führen, § 82c BGB n.F.), „rechtsfähige Stiftung öffentlichen Rechts“, „rechtsfähige Stiftung kirchlichen Rechts“,85 „rechtsfähige Anstalt öffentlichen Rechts“,86 „Körperschaft des öffentlichen Rechts“, „Eigenbetrieb“ (Rn 47). Problematisch ist dagegen der Rechtsformzusatz bei einem sog. „nicht rechtsfähiger Verein“. Zwar wäre diese Bezeichnung im Blick auf § 54 BGB zutreffend, aber gleichwohl irreführend, weil solchen Vereinen heutzutage Rechtsfähigkeit zuzubilligen ist (Rn 10). Vorzuziehen ist daher der Zusatz „nicht eingetragener Verein“.87 27 Zwar wird durch diese Rechtsformzusätze nicht deutlich, dass es sich bei den betreffenden juristischen Personen um Kaufleute handelt. Das ergibt sich jedoch aus der nach § 37a Abs. 1 erforderlichen Angabe des Registergerichts und der Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist. Außerdem ist die Information, es mit einem Kaufmann i.S.d. Handelsrechts zu tun zu haben, in den Fällen des § 33 weniger bedeutsam, als die Information, dass eine juristische Person Unternehmensträger ist und welche Rechtsform sie hat.
82 Im Anschluss ebs. BeckOK HGB/Bömeke Rn. 11. 83 BT-Drucks. 13/8444, 37, 54. 84 I.E. ebenso K. Schmidt NJW 1998, 2161 (2168); Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294); a.A. BeckOK-HGB/Bömeke Rn 12; Oetker/Schlinghoff Rn. 4; MünchKommHGB/Krebs § 37a Rn 4.
85 S. zur Unterscheidung dieser Rechtsformen § 18 Rn 74 mit Fn 349 f. 86 Entgegen geläufiger Praxis bei Sparkassen reicht der Zusatz „Anstalt des öffentlichen Rechts“ nicht aus, weil er nicht klarstellt, dass es sich um eine rechtsfähige Anstalt und nicht bloß um eine teil- oder nicht rechtfähige Anstalt handelt. Die Regelungen der §§ 39 f KWG dienen lediglich dem Schutz von Geschäftsbezeichnungen und sind daher nicht firmenrechtlicher Natur, Roth FS Lutter, 651 (654 Fn 15). 87 Zu der Frage, ob eine juristische Person auf ihre Gemeinnützigkeit durch leerzeichenloses Voranstellen eines „g“ vor ihrem Rechtsformzusatz hinweisen darf BGH Beschl. v. 28.4.2020 – II ZB 13/19, npoR 2020, 313 m. Anm. Burgard. Burgard
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b) Sitz. Sitz i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 40 HRV ist der satzungsmäßige Sitz.88 Nach der 28 Rechtsprechung des OLG Frankfurt und des BayObLG soll bei Anstalten des öffentlichen Rechts (Sparkassen, Versicherungen) auch die Eintragung eines satzungsmäßigen Mehrfachsitzes zulässig sein.89 Begründet wird dies mit der Organisationshoheit der Länder gem. Art. 70 GG. Diese Rechtsprechung öffnet freilich einem Firmenrecht „a la volonté“ juristischer Personen des öffentlichen Rechts Tür und Tor. Das entspricht nicht der Intention, die der Bundesgesetzgeber mit der Streichung von § 36 a.F. verfolgt hat.90 Fallen Satzungssitz und Ort der Handelsniederlassung auseinander, so muss letzterer ebenfalls dem Registergericht mitgeteilt werden, weil sich aus ihm gem. § 29 die örtliche Zuständigkeit des Registergerichts ergibt (Rn 51).91
c) Gegenstand des Unternehmens. Gemeint ist grundsätzlich der Gegenstand desjenigen 29 Unternehmens, durch das die Eintragung veranlasst wird, nicht der Zweck der juristischen Person überhaupt.92 Ergibt sich die Kaufmannseigenschaft aus einer Gesamtbetrachtung (Rn 13), sind jedoch alle für diese Einordnung maßgeblichen Tätigkeitsfelder anzugeben (z.B. Förderung und Durchführung von gemeinnützigen Projekten im Bereich des Umweltschutzes, Einwerbung von Mitgliedern und Spenden, Vermögensverwaltung). Zu fordern ist, dass das Tätigkeitsfeld entsprechend allgemeinen Regeln93 hinreichend konkretisiert wird. Allgemeine Angaben wie „Geschäfte verschiedener Art“ genügen nicht.94 Zudem muss die Angabe aus sich heraus und allgemein verständlich sein, so dass eine Bezugnahme auf Rechtsvorschriften (etwa auf ein Sparkassengesetz) unzulässig ist.95
d) Mitglieder des Vorstands. Anzumelden sind die Mitglieder des Vorstands im vorbezeich- 30 neten Sinne (Rn 19), und zwar gem. § 40 Nr. 3 lit. b HRV jeweils mit ihrem Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort. Das Gleiche gilt ggf. für stellvertretende Vorstandsmitglieder, nicht aber für sog. Verhinderungsvertreter i.S.d. §§ 15 Abs. 2 lit. b SpkG NRW.96 e) Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder. Vor Inkrafttreten des Gesetzes über elektro- 31 nische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 10.12.2001 (ERJuKoG)97 waren nur besondere, also vom gesetzlichen Normalfall abweichende Vertretungsregelungen der Satzung anmelde- und eintragungspflichtig. Das war unbefriedigend, weil dem Interessierten 88 Allg.M. BayObLG NJW-RR 2001, 28; OLG Frankfurt DB 2001, 860; aus der Lit. statt anderer Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 8.
89 BayObLG NJW-RR 2001, 28; OLG Frankfurt DB 2001, 860; im Anschluss ebenso MünchKommHGB/Krafka Rn 13a; aA BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 13. 90 Kritisch auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. 91 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Heymann/Förster HGB Rn 16, für ausländische juristische Personen (wegen Sitztheorie allein Angabe des tatsächlichen Verwaltungssitzes), die jedoch richtigerweise ohnehin nicht von § 33 erfasst werden (Rn 5 ff). 92 Staub/Hüffer4 Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. 93 Vgl. etwa zu § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG Hüffer/Koch AktG § 23 Rn 21 ff; KölnKomm-AktG/Arnold § 23 Rn 72 ff; zu § 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 3 Rn 7 ff; Roth/Altmeppen GmbHG § 3 Rn 4 ff; s. ferner zur Abgrenzung zwischen Zweck und Gegenstand im Allgemeinen Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 1 Rn 5 ff und der erforderlichen Bestimmtheit im Stiftungsrecht im Besonderen Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 110 ff, 120 ff. 94 Heymann/Förster HGB Rn 17; Wünsch FS Kralik, 611 (613); BeckOK-HGB/Bömeke Rn 14. 95 MünchKommHGB/Krafka Rn 14; Krafka RegisterR Rn 837. 96 OLG Düsseldorf Rpfleger 2000, 396; vgl. MünchKommHGB/Krafka Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17. 97 BGBl. 2001 I, 3422. 411
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dadurch für den Normalfall das Risiko aufgebürdet wurde, durch Lektüre der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen sich zutreffend über den Umfang der Vertretungsmacht zu informieren, was nicht zuletzt auch Ausländer vor erhebliche Schwierigkeiten stellte. Diese Beschränkung wurde durch das Gesetz daher in Angleichung an die Rechtslage bei der Aktiengesellschaft und GmbH (§§ 37 Abs. 3, 39 Abs. 1 S. 2 AktG, §§ 8 Abs. 4, 10 Abs. 1 S. 2 GmbHG) zu Recht aufgehoben.98 Anzugeben ist nunmehr also die Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder wie sie bei der anmeldepflichtigen juristischen Person geregelt ist, unabhängig davon, ob diese Regelung dem gesetzlichen Regelfall entspricht oder nicht (s. auch § 40 Nr. 3 lit. a HRV). Ist die Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder nicht einheitlich, sondern unterschiedlich geregelt, müssen diese unterschiedlichen Regeln angegeben werden. Dabei muss auch die Eintragung der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder aus sich heraus, d.h. ohne Hinzuziehung weiterer Unterlagen oder Regelungen, verständlich sein.99 Für juristische Personen, die bereits vor Inkrafttreten des ERJuKoG in das Handelsregister 32 eingetragen waren, gilt die Übergangsvorschrift des Art. 52 EGHGB. Danach muss die Anmeldung und Eintragung einer dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden Vertretungsmacht des Vorstandes erst erfolgen, wenn eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Bestimmung des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung über die Vertretungsmacht angemeldet und eingetragen wird. Allerdings kann das Registergericht die Eintragung einer dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden Vertretungsmacht auch von Amts wegen vornehmen.100
33 f) Weitere Tatsachen. Ferner sind gem. § 33 Abs. 2 S. 3 besondere Satzungsbestimmungen über die Zeitdauer des Unternehmens anzumelden, da eine entsprechende Eintragung nur auf ausdrücklichen Antrag vorgenommen wird.101 Schließlich ist gem. § 24 Abs. 2 HRV die Lage der Geschäftsräume, also die Anschrift, bei der Anmeldung anzugeben. Dies ist zwar – anders als nach §§ 29, 31 n.F. – nicht einzutragen, aber nach Maßgabe von § 34 HRV in die Bekanntmachung aufzunehmen.
2. Beizufügende Unterlagen 34 a) Satzung. Gem. § 33 Abs. 2 S. 1 ist die Satzung der juristischen Person der Anmeldung beizufügen. Dessen bedarf es nur dann nicht, wenn die juristische Person ausnahmsweise keine Satzung hat.102
35 b) Urkunden über die Bestellung des Vorstands. Ferner müssen die Urkunden, aus denen sich die Bestellung „des Vorstands“ – gemeint ist: die Bestellung jedes einzelnen Vorstandsmitglieds – ergibt, der Anmeldung beigefügt werden. Urkunde in diesem Sinne ist insbes. die Niederschrift des betreffenden Beschlusses des nach der Satzung berufenen Bestellungsorgans.
98 Näher zur Begr. BT-Drucks. 14/6855, 19. 99 BayObLG NJW-RR 201, 26 m. zust. Anm. Klanten EWiR 2000, 1059 f; OLG Düsseldorf Rpfleger 2000, 396; MünchKommHGB/Krafka Rn 11.
100 Näher Begr. RegE BT-Drucks. 14/6855, 20 f. 101 MünchKommHGB/Krafka Rn 10; Krafka RegisterR Rn 845; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11. 102 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 42 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 983; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 16. Burgard
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c) Urkunde über die Erlangung der Rechtsfähigkeit. Weil eine „juristische Person“ anzu- 36 melden ist (§ 33 Abs. 1), sind der Anmeldung schließlich Urkunden beizulegen, aus denen sich diese Eigenschaft ergibt.103 Vorzulegen ist bspw. ein Auszug aus dem Vereinsregister (§ 79 BGB), die Urkunde über die Verleihung der Rechtsfähigkeit nach § 22 BGB oder die Anerkennung als rechtsfähige Stiftung nach § 80 BGB. In Betracht kommt ferner die Urkunde über die Genehmigung der Aufsichtsbehörde zur Errichtung einer Sparkasse. Allerdings bedarf es der Vorlage einer solchen Urkunde nicht, wenn die Eigenschaft der juristischen Person gerichtsbekannt ist, so wenn das Vereinsregister von dem zuständigen Registergericht geführt wird oder sich die Eigenschaft aus einem Gesetz ergibt (z.B. Errichtung der juristischen Person durch Staatsvertrag). Schließlich bedarf es der Vorlage nicht, wenn es an einer solchen Urkunde fehlt (wie etwa bei nicht eingetragenen Vereinen).
d) Form der Unterlagen. Hinsichtlich der Form der beizufügenden Unterlagen verlangt § 33 37 Abs. 2 S. 1 Vorlage der Urkunden in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift, s. dazu § 12 Abs. 2. Die Urschrift braucht nicht beglaubigt zu sein.104 3. Form der Anmeldung Die Anmeldung hat der Form des § 12 zu genügen. Die öffentliche Beglaubigung wird gem. § 129 38 BGB, §§ 39 ff BeurkG in der Regel durch einen Notar vorgenommen. Es ist jedoch anerkannt, dass Anmeldungen zum Handelsregister, die eine juristische Person des öffentlichen Rechts in einer von ihr als öffentliche Behörde ausgestellten öffentlichen Urkunde im Rahmen ihrer Zuständigkeit einreicht, keiner öffentlichen Beglaubigung bedürfen.105
D. Unternehmen i.S.d. § 36 a.F. (insbes. Eigenbetriebe) I. Grundlagen § 36 wurde durch das Handelsrechtsreformgesetz aufgehoben. Die Vorschrift bestimmte: „Ein 39 Unternehmen des Reichs, eines Bundesstaats oder eines inländischen Kommunalverbandes braucht nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden. Erfolgt die Anmeldung, so ist die Eintragung auf die Angabe der Firma sowie des Sitzes und des Gegenstandes des Unternehmens zu beschränken.“ Die Vorschrift erfasste ihrem Wortlaut entsprechend nach einhelliger Meinung rechtlich unselbständige Unternehmen der genannten Gebietskörperschaften.106 Hinsichtlich solcher Unternehmen bestand mithin als Ausnahme zu § 33 auch dann keine Anmeldepflicht, wenn sie ein Handelsgewerbe betrieben. Vielmehr räumte die Vorschrift nur ein Anmelderecht und damit ein Wahlrecht ein. Unternehmen, die in der Rechtsform einer sonstigen juristischen Person des öffentlichen Rechts verfasst waren, fielen dagegen nach herrschender Lehre unter § 33.107 Aufgrund einer Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1941108 sollte dies allerdings nicht für Sparkassen gelten, obwohl es sich um rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts handelt. Zum damaligen Zeitpunkt mochte das angesichts der historischen Entwicklung 103 Staub/Hüffer4 Rn 12; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6. 104 KGJ 35, A 157. 105 BayObLGZ 1975, 227 (230 f); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18; Boos DB 2000, 1061 (1065); Deike NotBZ 1998, 175 (177); Holland ZNotP 1999, 466 (470).
106 BT-Drucks. 13/8444, 34, 58; Staub/Hüffer4 § 36 Rn 6 ff. 107 Statt anderer Staub/Hüffer4 § 36 Rn 6 ff. 108 RGZ 166, 337 ff. 413
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gerechtfertigt gewesen sein,109 weil die Sparkassen erst wenige Jahre zuvor noch unselbständige Anstalten – also gleichsam „ein Zimmer im Rathaus“ – gewesen waren.110 Im Laufe der Zeit und der zunehmenden Geschäftstätigkeit der Sparkassen und – in der Praxis ebenfalls nicht eingetragenen – Landesbanken verlor dieser Aspekt jedoch zunehmend an Überzeugungskraft. An Überzeugungskraft verlor freilich auch der Gesetzeszweck insgesamt. Dieser bestand ausweislich der Denkschrift darin, dass kein Bedürfnis für die Eintragung der von § 36 erfassten Unternehmen bestehe, weil für die Publizität der sie betreffenden Rechtsverhältnisse bereits anderweitig gesorgt sei, nämlich insbes. durch die Bekanntmachungen in Gesetzes- und Amtsblättern.111 Angesichts der vielfältigen unternehmerischen Aktivitäten namentlich der Gemeinden (die sie zwar vielfach, oft aber auch nicht in Kapitalgesellschaften ausgliederten) und der zunehmenden Komplexität der einschlägigen Regelungen, verhieß diese Art der Publizität für den Interessierten freilich weder eine schnelle noch eine einfache Möglichkeit, sich über die Rechtsverhältnisse von rechtlich unselbständigen Unternehmen der Gebietskörperschaften zu informieren. Aus diesen Gründen entschied sich der Gesetzgeber § 36 im Zuge der Handelsrechtsreform ersatzlos zu streichen.112 Damit sollte einerseits klargestellt werden, dass Unternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des öffentlichen Rechts § 33 unterfallen. Andererseits sollte § 33 nun auch für rechtlich unselbständige Unternehmen der in § 36 a.F. genannten Gebietskörperschaften gelten. Während Ersteres keine besonderen Probleme aufwirft, ist § 33 bei näherem Hinsehen für zweitere schlecht gerüstet, woraus zahlreiche Zweifelsfragen resultieren.113
II. Voraussetzungen der Anmeldepflicht 1. Juristische Person 40 Anmeldepflichtig sind nach § 33 nur juristische Personen. Zentrale Voraussetzung für diese Eigenschaft ist die Rechtsfähigkeit der Organisation (Rn 11). Eigenbetriebe sowie eigenbetriebsähnliche Einrichtungen der Gebietskörperschaften sind demnach keine juristischen Personen, weil sie zwar organisatorisch und wirtschaftlich, nicht aber rechtlich verselbständigt sind. Regiebetriebe sind darüber hinaus nicht einmal organisatorisch und wirtschaftlich verselbständigt (s. noch Rn 46).114 Unternehmensträger sind in beiden Fällen daher die Gebietskörperschaften. Nur diese sind juristische Personen. Diese Rechtslage lässt drei Schlüsse zu. Erstens: Anmeldepflichtig sind die Gebietskörperschaften. Zweitens: § 33 ist auf Eigen- und Regiebetriebe nicht anwendbar. Drittens: § 33 findet auf Eigen- und Regiebetriebe analoge Anwendung mit der Folge, dass diese selbst, obwohl sie keine juristischen Personen sind, der Anmeldepflicht unterliegen. Dabei wird die zweite Ansicht zu Recht nicht vertreten, weil sie im klaren Widerspruch zu dem gesetzgeberischen Willen steht (Rn 39; näher zum Meinungsstand Rn 43). Ob dagegen der ersten oder dritten Auffassung zu folgen ist, ist angesichts der unterschiedlichen Rechtsfolgen zu entscheiden und daher hier einstweilen zurückzustellen (weiter Rn 44 f).
109 Staub/Hüffer4 § 36 Rn 8. 110 Rechtsgrundlage der Umwandlung waren drei Notverordnungen, die der Reichspräsident vor dem Hintergrund der Bankenkrise 1931 erließ. 111 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 42 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, 223 f. 112 S. BT-Drucks. 13/8444, 34, 57 ff. 113 Zum Ganzen auch Klein MittBayNot 2016, 291. 114 Boos DB 2000, 1061; Dahlen KommunalPraxis spezial 2008, 50 ff. Burgard
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2. Art und Umfang des Gewerbebetriebs Schwierigkeiten bereitet in der Praxis oft die Frage, ob Regie- und Eigenbetriebe sowie eigenbe- 41 triebsähnliche Einrichtungen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllen.115 Der Unterschied zwischen diesen drei Formen besteht darin, dass Regie- und Eigenbetriebe auf eine wirtschaftliche Tätigkeit gerichtet sind, während eigenbetriebsähnliche Einrichtungen nichtwirtschaftliche Tätigkeiten i.S.d. Gemeindeordnungen (vgl. etwa §§ 121 Abs. 2 HGO, §§ 107 Abs. 2 NRWGO) ausüben.116 Im Blick auf § 1 Abs. 2 spielt diese Unterscheidung jedoch richtigerweise keine Rolle; denn auch Kindergärten, Theater, Krankenhäuser117 und Betriebe der Abfallentsorgung bieten – um nur einige Beispiele zu nennen – entgeltliche Leistungen am Markt an, so dass es entscheidend nur darauf ankommt, ob der Betrieb nach Art und Umfang kaufmännischer Einrichtungen bedarf, s.o. Rn 13.118
III. Rechtsfolgen der Anmeldepflicht 1. Die zur Anmeldung verpflichteten Personen gem. Abs. 1 Sind die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt, so besteht eine Anmeldepflicht. Diese Anmelde- 42 pflicht ist gem. § 33 Abs. 1 von „sämtlichen Mitgliedern des Vorstands“ persönlich zu erfüllen. Wer als Mitglied des Vorstands anzusehen ist (grundsätzlich dazu Rn 18 f), ist dabei nicht nur für die Frage bedeutsam, wer die Anmeldepflicht zu erfüllen hat, sondern auch für die Frage, wer als Mitglied des Vorstands und wessen Vertretungsmacht anzumelden und einzutragen ist (Rn 48). Die Frage ist im Blick auf Eigen- und Regiebetriebe von Gebietskörperschaften streitig (s. bereits Rn 40).
a) Meinungsstand. Zu § 36 a.F. wurde überwiegend die Meinung vertreten, einzutragen sei der 43 Eigenbetrieb und nicht die Gebietskörperschaft. Zur Anmeldung berechtigt seien daher die Leiter des Eigenbetriebs.119 In Fortführung dieser Meinung sehen Rechtsprechung120 und herrschende Lehre121 diese Leiter als Vorstandsmitglieder i.S.d. § 33 an. Diese seien daher mit ihrer organschaftlichen Vertretungsmacht anmelde- und eintragungspflichtig, nicht die gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaft. Dagegen sahen Einige bereits zu § 36 a.F. auch die gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaft – gemeint sind bei der sog. Ratsverfassung der Bürgermeister bzw. der Hauptverwaltungsbeamte, bei der sog. Magistratsverfassung der Magistrat bzw. Gemeindevorstand – als berechtigt an, die Anmeldung vorzunehmen.122 Auch diese Meinung findet heute ihre Fortsetzung. Insbes. wird die Ansicht vertreten, als Vorstand i.S.d. § 33 seien grundsätzlich beide – also sowohl die gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaft als auch die Leiter des Eigenbetriebs – anzusehen. Nachdem jedoch eine Eintragung der gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaft unpraktikabel sei, bestünde ein Wahlrecht, wer dieser beiden
115 Ausf. dazu Kohler-Gehrig Rpfleger 2000, 45 (46 ff) mwN; OLG Brandenburg – 7 W 51/17, MDR 2020, 492: Bedient sich das Unternehmen ausschließlich öffentlich-rechtlich bestimmter Handlungsformen, so scheidet ein Gewerbebetrieb indes aus. 116 Boos DB 2000, 1061; Dahlen KommunalPraxis spezial 2008, 50 ff; Kremer DVP 2006, 410 ff. 117 Vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2003, 1120. 118 So auch Kornblum DÖV 2012, 20 (23). 119 Statt anderer Staub/Hüffer4 § 36 Rn 11. 120 BayObLG DB 2002, 370; OLG Frankfurt DB 2002, 369. 121 MünchKommHGB/Krafka Rn 8; GKzHGB/Steitz Rn 2; Deike NotBZ 1998, 175 (176); Holland ZNotP 1999, 466 (469); Waldner MittBayNot 2000, 13 (14). 122 Heymann/Emmerich2 HGB § 36 Rn 9. 415
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Personengruppen anmelde- und eintragungspflichtig sei.123 Schließlich wird wie folgt differenziert: Grundsätzlich sei der Bürgermeister zur Anmeldung verpflichtet. Seien jedoch Betriebsleiter mit organschaftlicher Vertretungsmacht bestellt, so träfe sie die Anmeldepflicht. In diesem Fall müsse der Bürgermeister nur dann an der Anmeldung mitwirken, wenn auch er selbst im Betrieb eine Vertretungsfunktion habe.124
44 b) Stellungnahme. Zu § 36 a.F. war die herrschende Meinung von dem Wortlaut der Vorschrift gedeckt. Unter Geltung von § 33 ist das jedoch nicht mehr der Fall (Rn 40). Allerdings ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber mit der Streichung von § 36 nichts daran ändern wollte, dass der Eigenbetrieb und nicht die Gebietskörperschaft eintragungspflichtig ist. Das spricht mit der herrschenden Meinung für eine analoge Anwendung von § 33 auf Eigenbetriebe mit der Folge, dass deren Leiter als Vorstandsmitglieder im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind. Allerdings ist nicht zu verkennen, dass hierdurch dem Gesetzeszweck nicht vollständig Genüge getan wird; denn die organschaftliche Vertretungsmacht der Werksleiter ist regelmäßig eng begrenzt auf die laufenden Geschäfte des Eigenbetriebs. Gerade in wirtschaftlich bedeutenden Fällen ist daher mit deren Eintragung nichts gewonnen. Vielmehr bleibt der Rechtsverkehr in solchen Fällen auf die Lektüre der einschlägigen Amts- und Gesetzesblätter angewiesen. Zudem sind die Vertretungsbeschränkungen der Werksleiter teilweise derart umfänglich geregelt, dass sich einerseits deren vollständige Wiedergabe in der Eintragung verbietet, andererseits die bloße Eintragung einer auf die laufenden Geschäfte beschränkten Vertretungsmacht, deren tatsächlichen Umfang nur ganz unzureichend beschreibt125 und daher allenfalls als Warnung taugt, zunächst die Satzung zu studieren und sodann erforderlichenfalls weitere Erkundigungen einzuholen. Freilich wäre auch umgekehrt mit der Eintragung der gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaften nicht mehr gewonnen; denn zum einen ist deren Vertretungsmacht oft durch die Befugnisse der Betriebsleiter beschränkt, so dass sie hinsichtlich laufender Geschäfte des Eigenbetriebs keine Vertretungsmacht haben.126 Zum anderen ist die Vertretungsmacht der gesetzlichen Vertreter von Gebietskörperschaften meist auch in anderer Hinsicht kommunalverfassungsrechtlich begrenzt.127 Dabei könnten beide Arten von Beschränkungen kaum adäquat im Handelsregister abgebildet werden. Angesichts dieser Sach- und Rechtslage, auf die der Handelsgesetzgeber keinen Einfluss hat, kann daher der Gesetzeszweck, dem Rechtsverkehr Erkundigungen über die Rechtsverhältnisse rechtlich unselbständiger Unternehmen der Gebietskörperschaften zu ersparen, ohne Überfrachtung des Handelsregisters nicht erreicht werden.128 Selbst wenn man beide – also sowohl die gesetzlichen Vertreter der Gebietskörperschaften als auch die Leiter der Eigenbetriebe – als Vorstand i.S.d. § 33 ansehen wollte, was im Blick auf den Wortlaut von § 33 abzulehnen ist,129 wäre daher nicht viel gewonnen. Und ein Wahlrecht, wer von beiden Organen anmelde- und eintragungspflichtig ist, ist weder mit der Funktion des Handelsregisters noch
123 124 125 126
Boos DB 2000, 1061 (1064 f). Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15. Vgl. den Fall BayObLG DB 2002, 370. BayObLG DB 2002, 370; Widtmann/Grasser Bayerische Gemeindeordnung Art. 88 Rn 6; Hölzl/Hien Gemeindeordnung mit Verwaltungsgemeinschaftsordnung, Landkreisordnung und Bezirksordnung für den Freistaat Bayern Art. 88 GO Anm. 4c. 127 Vgl. BGH WM 2000, 1840, wonach eine Gebietskörperschaft wegen Verschuldens bei Vertragsabschluss auf Ersatz des Vertrauensschadens in Anspruch genommen werden kann, wenn der Vertragspartner nicht auf ein aufsichtsbehördliches Zustimmungs- oder Genehmigungserfordernis hingewiesen wird. 128 Zutr. BayObLG DB 2002, 370, s. aber allgemein zu der Erlaubnis der Eintragung nicht eintragungspflichtiger Tatsachen BGH NJW 1992, 1452 f; FGPrax 1998, 68; BayObLGZ 2000, 213 (215). 129 Juristische Person i.S.d. § 33 kann nur entweder die Gebietskörperschaft oder der Eigenbetrieb sein; Vorstand i.S.d. Gesetzes ist stets nur ein Organ. Burgard
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mit dem Registerrecht noch mit dem verpflichtenden Charakter der Anmeldung vereinbar.130 Schließlich sprechen gegen die Eintragung der gesetzlichen Vertreter von Gebietskörperschaften Praktikabilitätserwägungen, namentlich bei einer Magistratsverfassung im Blick auf die Zahl und die Fluktuation der Organmitglieder.131
c) Ergebnis. Nach allem ist der herrschenden Meinung zu folgen, wonach das rechtlich unselb- 45 ständige Unternehmen der Gebietskörperschaft einzutragen ist und dessen Leiter Vorstandsmitglieder i.S.d. § 33 analog sind. Folgt man dieser Ansicht, verbietet sich allerdings eine Eintragung von Regiebetrieben kon- 46 sequenterweise selbst dann, wenn der Betrieb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 erfüllt; denn nachdem Regiebetriebe organisatorisch nicht selbständig sind, fehlt es bei ihnen anders als bei Eigenbetrieben nicht nur an der Rechtsfähigkeit, um sie als juristische Personen i.S.d. § 33 zu qualifizieren, sondern auch an einer entsprechenden Organisation, so dass für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift die Grundlage fehlt.
2. Anmeldung und Eintragung gem. Abs. 2 a) Firma. Ist der Eigenbetrieb als nach § 33 analog einzutragende Organisation anzusehen 47 (Rn 45), so ist dessen statutarischer Name als Firma anzumelden. Dabei ist dieser Name nach hier vertretener Ansicht grundsätzlich um den Rechtsformzusatz „Eigenbetrieb“ zu ergänzen132 (Rn 26), falls dieser nicht – wie häufig – bereits in dem Namen enthalten ist. b) Mitglieder des Vorstands, Vertretungsmacht. Mitglieder des Vorstandes i.S.d. des § 33 48 sind bei Eigenbetrieben deren mit organschaftlicher Vertretungsmacht ausgestatteten Leiter (Rn 45). Diese sind gem. § 40 Nr. 3 lit. b HRV jeweils mit ihrem Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort anzumelden. Die einzutragende Vertretungsregelung ergibt sich regelmäßig aus der Satzung, wobei zur Vermeidung einer Überfrachtung des Handelsregisters bei der Eintragung auf Detailangaben verzichtet werden kann, zumal eine vollständige Abbildung der Vertretungsregelung nach dem Gesagten (Rn 44) ohnehin nicht möglich ist. Regelmäßig wird daher die Angabe ausreichen, dass die Leiter (z.B. einzeln oder gemeinschaftlich) zur Vertretung der Gemeinde in laufenden Geschäften des Eigenbetriebs befugt sind. Darüber hinaus sollte allerdings die Anregung des BayObLG aufgegriffen werden, wonach außerdem die Bemerkung eingetragen werden sollte, dass die Gemeinde im Übrigen von ihrem gesetzlichen Vertretungsorgan vertreten wird. Dabei ist das gesetzliche Vertretungsorgan durch seine Amtsbezeichnung (also z.B. „erster Bürgermeister“) nicht aber durch die Person des Amtsinhabers zu spezifizieren.133
c) Sonstige Angaben und beizufügende Unterlagen. Hinsichtlich der sonstigen nach § 33 49 Abs. 2 anzumeldenden Tatsachen und einzureichenden Unterlagen ergeben sich für Eigenbetriebe keine nennenswerten Besonderheiten gegenüber den Ausführungen der Rn 20 ff, 34 ff.
130 Gegen wen etwa könnte ein Zwangsgeld gem. § 14 i.V.m. §§ 388 ff FamFG festgesetzt werden, wenn sich beide Personengruppen gleichberechtigt darauf berufen könnten, von ihrem Wahlrecht dahingehend Gebrauch zu machen, die Anmeldung zu unterlassen? 131 Insoweit zutr. Boos DB 2000, 1061 (1064 f). 132 So auch Kornblum DÖV 2012, 20 (23). 133 BayObLG DB 2002, 370 (372). 417
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3. Form der Anmeldung 50 Hinsichtlich der Form der Anmeldung ist zu bemerken, dass Eigenbetriebe zwar Behörden, aber keine siegelführenden Stellen sind. Anmeldungen durch die Betriebsleiter sind daher notariell zu beglaubigen (vgl. o. Rn 38).134
E. Verfahren I. Zuständiges Registergericht 51 Die Anmeldung hat nach § 29 bei dem Gericht zu erfolgen, in dessen Bezirk sich die Handelsniederlassung, d.h. der tatsächliche Verwaltungsmittelpunkt des Unternehmens, befindet (vgl. auch § 13 Rn 15).135 Ist die kaufmännische Leitung und tatsächliche Verwaltung im Falle zulässig begründeter und gleichberechtigter statutarischer Mehrfachsitze auf diese verteilt, so soll nach einer Entscheidung des OLG Frankfurt die Anmeldung bei sämtlichen Sitzgerichten zu erfolgen haben.136 Hält man zudem mit dem BayObLG eine Mehrfachfirmierung für zulässig,137 dann ergibt sich eine auch nicht durch die Organisationshoheit der Länder zu rechtfertigende Vervielfachung der erforderlichen Eintragungen für ein und dasselbe Handelsgeschäft (in den entschiedenen Fällen ging es jeweils um drei Sitze und drei Firmen, was im Falle einer Kumulation mithin zu einer Eintragung von drei Firmen in drei unterschiedlichen Registern, also insgesamt zu neun Eintragungen eines einzigen Handelsgeschäfts führen würde).
II. Durchsetzung der Anmeldepflicht 52 Die Anmeldepflicht richtet sich an die juristische Person und ist durch alle ihre Vorstandsmitglieder persönlich138 zu erfüllen (Rn 17). Kommen Vorstandsmitglieder dieser Verpflichtung nicht nach, ist das Zwangsgeldverfahren nach § 14 i.V.m. §§ 388 ff FamFG (= §§ 132 ff FGG a.F.) daher nicht gegen die juristische Person, sondern nur gegen diejenigen Vorstandsmitglieder zu richten, die der Anmeldepflicht (noch) nicht genügt haben.139
III. Prüfung, Eintragung und Bekanntmachung 53 Das Gericht prüft die Anmeldung in formeller und materieller Hinsicht (näher § 29 Rn 12 ff). Anhand der vorgelegten Unterlagen (Rn 34 ff) ist namentlich zu prüfen, ob die anmeldenden Vorstandsmitglieder gültig bestellt sind140 und ob die von ihnen vertretene Organisation eine juristische Person oder ein Eigenbetrieb (Rn 40) ist. Wenn sich bei der Prüfung der Anmeldung keine Beanstandungen ergeben, erfolgt die Eintragung in das Handelsregister und zwar gem.
134 Boos DB 2000, 1061 (1065). 135 Allg. M. BayObLG NJW-RR 2001, 28; OLG Frankfurt DB 2001, 860; aus der Lit. statt anderer Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Reuschle Rn 8, 13 mwN. 136 OLG Frankfurt DB 2001, 860 (861). 137 BayObLG NJW-RR 2001, 1688. 138 KG OLGR 12, 410 (412); OLG Frankfurt – 20 W 290/14, npoR 2017, 250 Rn 27; Staub/Hüffer4 Rn 7; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4. 139 KGJ 26, A 232, A 233; KG OLGR 12, 410 (412); Staub/Hüffer4 Rn 7; Heymann/Förster HGB Rn 11, 23 aE; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 4; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 14 Rn 13 mwN. 140 KG JW 1937, 890; OLG Dresden OLGR 8, 382; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11; MünchKommHGB/Krafka Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 13. Burgard
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§ 40 HRV in der Abt. A des Registers. Diese systemwidrige Eintragung bei Einzelkaufleuten und Personenhandelsgesellschaften beruht auf historischen Gründen und sollte korrigiert werden.141 Für die Bekanntmachung gilt § 10 (vgl. Erl. dazu).
F. Rechtsfolgen der Eintragung Die juristische Person ist Vollkaufmann nach § 5, wenn und solange sie ein Gewerbe betreibt 54 und eingetragen ist (vgl. § 5 Rn 4). Die anmeldepflichtigen Vorgänge (Rn 20 ff) sind überdies einzutragende Tatsachen im Sinne des § 15. Das hat nicht zuletzt Bedeutung bei Änderung dieser Tatsachen (§ 34). Hinsichtlich der in das Handelsregister einzutragenden Tatsachen genügen Eintragungen in das Vereinsregister für den Handelsverkehr ebenso wenig wie Bekanntmachungen in Amts- oder Gesetzesblättern.
G. Die Errichtung von Zweigniederlassungen, Abs. 3 Für Zweigniederlassungen von juristischen Personen i.S.d. § 33 gilt § 13. Die Anmeldung einer 55 Zweigniederlassung ist daher an das Gericht der Hauptniederlassung zu richten (§ 13 Abs. 1 S. 1). § 33 Abs. 3 regelt in diesem Zusammenhang lediglich die Vertretung der juristischen Person bei der Anmeldung. Die Vorschrift beruht auf dem Gesetz über die Eintragung von Handelsniederlassungen und das Verfahren in Handelsregistersachen vom 10.8.1937.142 Während vor der Gesetzesänderung wie nach Abs. 1 sämtliche Mitglieder des Vorstands die Anmeldung bewirken mussten,143 genügt seither die Anmeldung „durch den Vorstand“, also durch so viele Mitglieder des betreffenden Organs, wie nach der Organisationsverfassung zur ordnungsgemäßen Vertretung notwendig sind. Lässt die Satzung unechte Gesamtvertretung durch ein Vorstandsmitglied in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zu, so kann die Zweigniederlassung auch in dieser Weise angemeldet werden.144
H. Die Angabepflicht auf Geschäftsbriefen, Abs. 4 Der durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 56 10.12.2001 (ERJuKoG)145 eingefügte Abs. 4 stellt klar, dass auch juristische Personen i.S.d. § 33 wie alle anderen Kaufleute (§ 125a, § 80 AktG, § 35a GmbHG, § 25a GenG) verpflichtet sind, § 37a entsprechende Angaben auf Geschäftsbriefen, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind, und Bestellscheinen (§ 37a Abs. 3) zu machen. Näher Erläuterungen zu § 37a.
141 Insbes. kann diese Einordnung auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass juristische Personen i.S.d. § 33 kein Stamm- bzw. Grundkapital hätten (so MünchKommHGB/Krafka Rn 15); denn zum einen ist der Ausweis eines (so genannten, funktional allerdings nur teilweise vergleichbaren) Stammkapitals bei Anstalten und Eigenbetrieben „in Mode“ gekommen. Bei Stiftungen könnte man an die Eintragung der Höhe des ungeschmälert zu erhaltenden Grundstockvermögens denken. Und wo vergleichbare Rechengrößen (wie gewöhnlich beim Verein) ganz fehlen, ist auch das für denjenigen, der in das Register Einsicht nimmt eine wertvolle Information. 142 RGBl. I, S. 897; zur Begr. s. Reichs-Archiv 1937, 1384 f. 143 KG JFG 1, 185. 144 KG BankArch 1936, 232 = JW 1937, 890; vgl. auch RGZ 134, 307; statt vieler BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 17 mwN. 145 BGBl. I, 3422. 419
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§ 34 (1) Jede Änderung der nach § 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 einzutragenden Tatsachen oder der Satzung, die Auflösung der juristischen Person, falls sie nicht die Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist, sowie die Personen der Liquidatoren, ihre Vertretungsmacht, jeder Wechsel der Liquidatoren und jede Änderung ihrer Vertretungsmacht sind zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. (2) Bei der Eintragung einer Änderung der Satzung genügt, soweit nicht die Änderung die in § 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 bezeichneten Angaben betrifft, die Bezugnahme auf die bei dem Gericht eingereichten Urkunden über die Änderung. (3) Die Anmeldung hat durch den Vorstand oder, sofern die Eintragung erst nach der Anmeldung der ersten Liquidatoren geschehen soll, durch die Liquidatoren zu erfolgen. (4) Die Eintragung gerichtlich bestellter Vorstandsmitglieder oder Liquidatoren geschieht von Amts wegen. (5) Im Falle des Insolvenzverfahrens finden die Vorschriften des § 32 Anwendung.
Schrifttum S. § 33.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
B.
Anmeldung von Änderungen nach Abs. 1 und 2
1 2
3
IV.
Liquidatoren
V.
Erlöschen der Firma
VI.
Änderungen bei Zweigniederlassungen
9
VII. Beizufügende Unterlagen 4
I.
Änderungen der nach § 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 5 einzutragenden Tatsachen
II.
Satzungsänderung
III.
Auflösung der juristischen Person
6
10 11
12
C.
Anmeldepflichtige Personen gem. 13 Abs. 3
D.
Verfahren
E.
Eintragungen von Amts wegen gem. Abs. 4 15 und 5
F.
Wirkung von Eintragung und Bekanntma18 chung
14
8
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 § 34 normiert eine Anmeldepflicht bei Veränderungen der nach § 33 einzutragenden Tatsachen. Die Norm hat daher dieselbe Funktion wie § 31 im Verhältnis zu § 29. Entsprechend diesem systematischen Zusammenhang verweist Abs. 5 für den Fall eines Insolvenzverfahrens auf § 32.
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-022
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§ 34
II. Entstehungsgeschichte § 34 wurde zusammen mit § 33 (s. dort Rn 2) mit dem HGB eingeführt und wurde erstmals durch 2 das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) vom 5.10.19941 sowie durch das Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.19982 marginal geändert: Zum einen wurde der überholte Begriff „Konkurs“ durch den Begriff „Insolvenzverfahren“ ersetzt. Zum anderen wurde eine bei der Neufassung von § 33 im Jahre 1937 versehentlich unterbliebene Anpassung der Verweisung auf § 33 nachgeholt.3 Alsdann wurden durch das Gesetz über elektronische Register und Justizkosten für Telekommunikation vom 10.12.2001 (ERJuKoG)4 in § 34 Abs. 1 die Wörter „und die besonderen Bestimmungen über ihre Vertretungsbefugnis“ durch die Wörter „ihre Vertretungsmacht, jeder Wechsel der Liquidatoren und jede Änderung ihrer Vertretungsmacht“ ersetzt. Dies war hinsichtlich der Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder Folge der gleichzeitigen Änderung des § 33 (s. dort Rn 31 f), hinsichtlich der Liquidatoren eine Anpassung an § 266 Abs. 1 AktG und § 67 Abs. 1 GmbHG.5
III. Normzweck Das Handelsregister soll nicht nur die wesentlichen Rechtsverhältnisse aller Rechtsträger, die 3 ein Handelsgewerbe betreiben, im Zeitpunkt der ersten Eintragung offenlegen (§ 33 Rn 3), sondern eine zuverlässige Information über den gegenwärtigen Stand bieten; deshalb sind Veränderungen anzumelden und einzutragen. Der Normzweck von § 34 Abs. 1 bis 4 entspricht insofern dem von § 31 (s. dort Rn 4), der Normzweck von § 34 Abs. 5 dem von § 32 (s. dort Rn 3 f).
IV. Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich von § 34 entspricht demjenigen von § 33 (dort Rn 4 ff). Erfasst werden 4 daher alle und grundsätzlich nur diejenigen juristischen Personen, die nach § 33 zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden sind. Gem. § 172 VAG gilt § 34 allerdings auch für den VVaG, soweit das VAG keine Sonderregelungen enthält, was nur für Satzungsänderungen (§ 195 f VAG) und die Auflösung (§§ 198 ff VAG) der Fall ist.
B. Anmeldung von Änderungen nach Abs. 1 und 2 I. Änderungen der nach § 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 einzutragenden Tatsachen Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 sind die Firma, der Sitz, der Gegenstand des Unternehmens, die 5 Mitglieder des Vorstands, deren Vertretungsmacht sowie besondere Bestimmungen über die Zeitdauer des Unternehmens einzutragen. § 34 Abs. 1 Fall 1 verlangt, dass jede Änderung dieser Tatsachen zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden ist. Eine Änderung der Firma hat den in § 33 Rn 21 ff dargestellten Grundsätzen zu entsprechen und setzt gegebenenfalls eine Satzungsänderung (dazu Rn 6 f) voraus. Letzteres ist auch für eine Änderung des Satzungssitzes erforderlich. Anzumelden ist darüber hinaus eine Verlegung des Orts der Handelsnieder1 BGBl. I, 2911. 2 BGBl. I, 1474. 3 S. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/3803, 81; BT-Drucks 13/8444, 57 (die wiederholte Anpassung der Verweisung erklärt sich daraus, dass das HRefG insofern früher als das EGInsO in Kraft trat).
4 BGBl. I, 3422. 5 Begr. RegE, BT-Drucks. 14/6855, 19. 421
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lassung, sofern dieser von dem Satzungssitz abweicht (§ 33 Rn 28). In beiden Fällen gilt § 13h (zu dieser Vorschrift näher dort). Überdies ist jede Änderung – und das heißt auch eine Erweiterung oder Einschränkung – des Unternehmensgegenstandes anzumelden. Zu beachten ist dabei, dass die Änderung nicht die Eintragungsfähigkeit der juristischen Person (§ 33 Rn 15) aufheben darf, anderenfalls ist auf die Löschung der Firma hinzuwirken (Rn 10). Anzumelden ist ferner das Ausscheiden bisheriger und die Berufung neuer Vorstandsmitglieder, jeweils einschließlich von stellvertretenden Vorstandsmitgliedern. Anzumelden ist auch jede Veränderung ihrer Personalien (Name, Wohnort), deren Eintragung § 40 Nr. 3 lit. b HRV vorschreibt (§ 33 Rn 30). Anzumelden ist zudem jede Änderung der Vertretungsmacht von Vorstandsmitgliedern, und zwar grundsätzlich (Ausnahme § 33 Rn 32) auch dann, wenn sich die Änderung aus dem Gesetz ergibt (§ 33 Rn 31). Und anzumelden ist schließlich die Änderung (auch Aufhebung oder Einführung) einer Bestimmung über die Zeitdauer des Unternehmens.
II. Satzungsänderung 6 Nach § 34 Abs. 1 Fall 2 ist jede Änderung der Satzung anzumelden.6 Die Anmeldepflicht beschränkt sich damit nicht auf solche Satzungsänderungen, die sich auf eintragungspflichtige Tatsachen beziehen, sondern gilt auch für solche Satzungsänderungen, die nicht bereits von § 34 Abs. 1 Fall 1 erfasst werden. Das ist folgerichtig, weil die Satzung zum Handelsregister eingereicht wird (§ 33 Abs. 2 S. 1 Fall 1) und sie dem Einsichtsrecht des § 9 Abs. 1 unterliegt. Bezieht sich die Änderung der Satzung nicht auf eine nach § 34 Abs. 1 Fall 1 i.V.m. § 33 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 anzumeldende und einzutragende Tatsache, so braucht die Änderung gem. § 34 Abs. 2 nicht im Wortlaut eingetragen zu werden. Vielmehr genügt die Eintragung eines Änderungsvermerks, verbunden mit der Bezugnahme auf die dem Gericht eingereichten Urkunden (Rn 12) über die Änderung (ähnlich: § 181 Abs. 2 S. 1 AktG, § 54 Abs. 2 GmbHG, § 196 Abs. 2 VAG). Auch diese Regelung ist folgerichtig: Soweit das Register selbst den Satzungsinhalt publik macht, müssen seine Angaben dem jeweiligen Stand entsprechen. Soweit die Satzung dagegen nur zu den Registerakten genommen wird, brauchen auch neue Satzungsbestimmungen nicht durch das Register verlautbart zu werden.
III. Auflösung der juristischen Person 8 Nach § 34 Abs. 1 Fall 3 ist die Auflösung der juristischen Person anzumelden. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, worauf die Auflösung beruht. In Betracht kommen etwa: Auflösungsbeschluss der Mitgliederversammlung (§ 41 BGB), Entzug der Rechtsfähigkeit (§§ 43, 73 BGB), Aufhebung der Stiftungen (z.B. nach § 87 BGB). Ausgenommen ist lediglich eine Auflösung infolge der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Insofern kommt die Sonderregelung des § 34 Abs. 5 i.V.m. § 32 zur Anwendung (dazu Rn 16).
IV. Liquidatoren 9 Anzumelden sind ferner die Personen der Liquidatoren, ihre Vertretungsmacht, jeder Wechsel der Liquidatoren sowie jede Änderung ihrer Vertretungsmacht. Insofern gilt das Gleiche wie bei Vorstandsmitgliedern. Anzugeben sind daher auch die Familiennamen, Vornamen, Geburtsdaten und Wohnorte der Liquidatoren sowie Änderungen dieser Daten.7
6 OLG Hamm – 15 W 161/10, BeckRS 2010, 28133. 7 Staub/Hüffer4 Rn. 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; ähnlich MünchKommHGB/Krafka Rn 2. Burgard
422
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 34
V. Erlöschen der Firma Die Firma einer juristischen Person kann erlöschen, ohne dass sie selbst aufgelöst und liquidiert 10 wird (dazu Rn 8), nämlich dann, wenn sie ihr Handelsgewerbe aufgibt oder veräußert, ohne dass die Firma fortgeführt wird (Einzelheiten: § 31 Rn 17 ff). Das Erlöschen der Firma ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Das folgt zwar nicht aus § 34, aber aus dem Gesetzeszweck (Rn 3) in Verbindung mit § 31 Abs. 2. Hinsichtlich des Erlöschens der Firma gelten dieselben Regeln wie für Einzelkaufleute (§ 31 Rn 18–21). Für das Verhältnis zur Abwicklung der juristischen Person gilt: Ist die Firma erloschen, so ist nur dies anzumelden. Nach der Eintragung des Erlöschens sind Auflösung und Abwicklung der juristischen Person ohne Interesse für das Registergericht.8 Wird dagegen die juristische Person als Trägerin des Unternehmens selbst aufgelöst und liquidiert, so berührt das den Fortbestand der Firma noch nicht. Die Firma erlischt aber spätestens mit der Vollbeendigung der juristischen Person.9
VI. Änderungen bei Zweigniederlassungen Änderungen von eintragungspflichtigen Tatsachen, die eine Zweigniederlassung betreffen, sind 11 gem. § 13 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 i.V.m. § 33 Abs. 3 von dem Vorstand der juristischen Person bei dem Gericht der Hauptniederlassung anzumelden.
VII. Beizufügende Unterlagen Setzt eine der vorgenannten Änderungen einen satzungsändernden oder sonstigen Beschluss 12 voraus oder liegt ihr ein Beschluss zugrunde, so ist der Anmeldung der Änderung eine Niederschrift des betreffenden Beschlusses (vgl. § 33 Rn 35) in Urschrift oder in öffentlich beglaubigter Abschrift (§ 33 Rn 37) beizufügen.10 Das ergibt sich aus § 34 Abs. 2 (analog) i.V.m. § 33 Abs. 2 S. 1 analog. Setzt die Wirksamkeit des Beschlusses eine behördliche Genehmigung voraus (z.B. die Änderung der Satzung einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts nach dem einschlägigen Landesstiftungsgesetz, vgl. auch § 196 Abs. 1 S. 2 VAG), so ist zudem die Genehmigungsurkunde beizufügen. Führt eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung die Änderung unmittelbar selbst herbei, d.h. ohne dass es einer Umsetzung (insbes. durch Beschluss) der juristischen Person bedarf (z.B. §§ 43, 73, 87 BGB), sind nur die entsprechenden Urkunden der Anmeldung beizufügen (vgl. auch § 33 Rn 36), es sei denn, dass die Eintragung ohnehin von Amts wegen erfolgt (Rn 15 ff), so dass es ohnehin keiner Anmeldung bedarf.
C. Anmeldepflichtige Personen gem. Abs. 3 Die vorgeschriebenen Anmeldungen erfolgen nach § 34 Abs. 3 grundsätzlich durch den Vor- 13 stand (zu diesem Begriff § 33 Rn 19). Anders als bei der Erstanmeldung (§ 33 Rn 17) ist hier unstreitig, dass nicht sämtliche Mitglieder eines als Vorstand bezeichneten Organs mitwirken müssen. Ausreichend ist vielmehr die Mitwirkung der zur ordnungsgemäßen Vertretung der juristischen Person erforderlichen Zahl von Vorstandsmitgliedern. Auch unechte Gesamtvertretung genügt, wenn die Satzung sie zulässt (§ 33 Rn 55).11 Bei einem Wechsel der Vorstandsmitglieder darf neben den verbleibenden Vorstandsmitgliedern nur das neue, nicht das ausgeschie8 KG HRR 1936 Nr. 812; KG JW 1936, 1542; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 5; Staub/Hüffer4 Rn 5. 9 Staub/Hüffer4 Rn 5; näher § 17 Rn 49. 10 Staub/Hüffer4 Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3; MünchKommHGB/Krafka Rn 2. 11 Näher Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; Hopt/Merkt Rn 3. 423
Burgard
§ 34
1. Buch. Handelsstand
dene Vorstandsmitglied bei der Anmeldung mitwirken.12 Der Vorstand hat auch die ersten Liquidatoren anzumelden. Veränderungen, die erst nach deren Anmeldung eingetragen werden sollen, sind dagegen von den Liquidatoren anzumelden.
D. Verfahren 14 Nach der Anmeldung einer Änderung hat das Registergericht anhand der eingereichten Unterlagen zu prüfen, ob die Änderung in formeller und materieller Hinsicht wirksam ist,13 ob also z.B. ein neues Vorstandsmitglied ordnungsgemäß bestellt14 oder eine Satzungsänderung ordnungsgemäß beschlossen worden ist. Werden keine Mängel festgestellt, so ist die Änderung – mit Ausnahme von Satzungsänderungen i.S.d. § 34 Abs. 2 (Rn 7) – in das Handelsregister einzutragen. Die näheren Bestimmungen über den Eintragungsinhalt enthält § 40 HRV. Hinsichtlich der Bekanntmachung gilt § 10. In den Fällen des § 34 Abs. 2 wird daher nur bekannt gemacht, dass eine Änderung erfolgt ist, nicht dagegen, welchen Inhalt die Änderung hat (nach Inkrafttreten des EHUG ebenso § 181 Abs. 2 AktG,15 § 54 Abs. 2 GmbHG, § 196 Abs. 2 VAG). Die Anmeldung der Änderung kann im Wege des § 14 i.V.m. §§ 388 ff FamFG (= §§ 132 ff FGG a.F.) durch das Registergericht erzwungen werden. Das Zwangsgeld ist an die Vorstandsmitglieder zu adressieren und nicht an die juristische Person (ebenso § 33 Rn 52).16
E. Eintragungen von Amts wegen gem. Abs. 4 und 5 15 Nach § 34 Abs. 4 werden gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder oder Liquidatoren (vgl. §§ 29, 48 Abs. 1, 86 S. 1, 88 S. 3 BGB) mit ihrem Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum und Wohnort (§ 40 Nr. 3 lit. b HRV) von Amts wegen eingetragen, weil ein handlungsfähiger Vorstand in diesen Fällen nicht vorhanden ist. Von Amts wegen einzutragen ist auch deren Vertretungsmacht, und zwar nach nunmehr geltender Rechtslage (§ 33 Rn 31 f) auch dann, wenn das Gericht insofern nichts Besonderes bestimmt hat.17 Von Amts wegen einzutragen ist nach § 34 Abs. 5 i.V.m. § 32 Abs. 1 die Eröffnung des Insol16 venzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person i.S.d. § 33 sowie alle weiteren in § 32 Abs. 1 aufgeführten Maßnahmen des Insolvenzgerichts (für Einzelheiten s. § 32 Rn 7 f). Schließlich ist entsprechend § 31 Abs. 2 S. 2 das Erlöschen der eingetragenen Firma einer 17 juristischen Person von Amts wegen einzutragen, wenn die Anmeldung des Erlöschens durch die hierzu Verpflichteten nicht im Wege des § 14 herbeigeführt werden kann (näher dazu § 31 Rn 36 f).18
12 KGJ 45, 329; OLG Hamburg OLGR 27, 374; BayObLGZ 23, 174; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7; vgl auch MünchKommHGB/Krafka Rn 3; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 7. 13 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8; vgl. Staub/Hüffer4 Rn 7; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 8. 14 OLG Dresden OLGR 8, 382; Staub/Hüffer4 Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 8. 15 § 181 Abs. 2 S. 2 bezieht sich nach Aufhebung von § 40 AktG durch das Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.2006 (BGBl. I, 2553) ausschließlich auf die Bekanntmachung von Satzungsänderungen hinsichtlich der von § 181 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 39 AktG erfassten Beschlussgegenstände, Hüffer/Koch AktG § 181 Rn 23 und hat daher mit Blick auf § 10 HGB allenfalls klarstellende Bedeutung. 16 S. hierzu KGJ 26, A 232, A 233; KG OLGR 12, 410 (412); Staub/Hüffer4 § 33 Rn 7; Heymann/Förster HGB § 33 Rn 11, 23 aE; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 33 Rn 4; s.a. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries § 14 Rn 13 mwN. 17 Anders immer noch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9. 18 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 7; Heymann/Förster HGB Rn 13; Hopt/Merkt Rn 4; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4. Burgard
424
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 34
F. Wirkung von Eintragung und Bekanntmachung Grundsätzlich kommt der Eintragung von Veränderungen in das Handelsregister keine konsti- 18 tutive Wirkung, sondern nur deklaratorische Bedeutung zu. Auch hat die Eintragung grundsätzlich (Ausn. unter den Voraussetzungen des § 242 AktG; die Vorschrift ist jedoch insbes. weder im Vereins- noch im Stiftungsrecht analog anwendbar19) keine heilende Wirkung. Mängel einer Vorstandsbestellung oder einer Satzungsänderung sind also auch nach der Eintragung beachtlich. Doch handelt es sich bei den in § 34 genannten Veränderungen grundsätzlich (Ausnahme nach § 34 Abs. 5 i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 2 hinsichtlich der Eintragungen nach § 34 Abs. 5 i.V.m. § 32 Abs. 1) um eintragungspflichtige Tatsachen im Sinne des § 15. Wird eine unwirksame Bestellung oder Satzungsänderung eingetragen und dementsprechend bekannt gemacht, können sich daher Dritte grundsätzlich auf die Bekanntmachung berufen, § 15 Abs. 3. Umgekehrt können juristische Personen Dritten eintragungspflichtige Veränderungen generell erst nach Eintragung und Bekanntmachung entgegensetzen, § 15 Abs. 1 und 2.
19 Zum Verein: BGHZ 59, 369 (371); NJW 1971, 879; 1975, 2101; Palandt80/Ellenberger § 32 Rn 9; MünchKommBGB/ Leuschner § 32 Rn 54 ff. Zum diesbezüglichen Meinungsstand hinsichtlich der Stiftung Burgard Gestaltungsfreiheit im Stiftungsrecht, 2006, 321 ff. 425
Burgard
§ 35 Die Mitglieder des Vorstandes und die Liquidatoren einer juristischen Person haben ihre Unterschrift zur Aufbewahrung bei dem Gerichte zu zeichnen. Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.20061 aufgehoben. Zur Begründung s. BT-Drucks. 16/960, 47 (§ 29 Rn 2).
§ 36 Ein Unternehmen des Reichs, eines Bundesstaats oder eines inländischen Kommunalverbandes braucht nicht in das Handelsregister eingetragen zu werden. Erfolgt die Anmeldung, so ist die Eintragung auf die Angabe der Firma sowie des Sitzes und des Gegenstandes des Unternehmens zu beschränken. Die Vorschrift wurde durch das Handelsrechtsreformgesetz1 aufgehoben. Näher dazu § 33 Rn 39 ff.
§ 37 (1) Wer eine nach den Vorschriften dieses Abschnitts ihm nicht zustehende Firma gebraucht, ist von dem Registergerichte zur Unterlassung des Gebrauchs der Firma durch Festsetzung von Ordnungsgeld anzuhalten. (2) 1Wer in seinen Rechten dadurch verletzt wird, daß ein anderer eine Firma unbefugt gebraucht, kann von diesem die Unterlassung des Gebrauchs der Firma verlangen. 2 Ein nach sonstigen Vorschriften begründeter Anspruch auf Schadensersatz bleibt unberührt.
Schrifttum Frey Verwendung einer schutzfähigen Geschäftsbezeichnung als unberechtigter Firmenmissbrauch? DB 1993, 2169; v. Gamm Die Unterlassungsklage gegen Firmen missbrauch nach § 37 II HGB, Festschrift für Stimpel, 1995, 1007 ff; Greil/Wargowske Namensnutzung in mulitnationalen Unternehmen, IStR 2017, 12; W.-H. Roth Unzulässiger firmenmäßiger Gebrauch einer zulässig geführten Geschäftsbezeichnung, ZGR 1992, 632; K. Schmidt Das Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“ DB 1987, 1181; ders. Replik: Das geltende Handelsrecht kennt kein Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“, DB 1987, 1674; Wessel Nochmals: Das Verbot der „firmenähnlichen Geschäftsbezeichnung“, DB 1987, 1673; Winkler Zum Firmeneintragungsverfahren und Firmenmißbrauchsverfahren und deren jeweiliger Aussetzung, DNotZ 1989, 245. S. ferner das Schrifttum zu Anh. I und II zu § 37.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
1
3
III.
Normzweck
IV.
Anwendungsbereich
6
2
1 BGBl. I, 2553. 1 Aufgeh. durch Art. 3 Nr. 18 BGBl. I, 1474 v. 22.6.1998 mWv 1.7.1998. Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-025
426
§ 37
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
B.
Der unbefugte Firmengebrauch als gemeinsame Voraussetzung von § 37 Abs. 1 und 2
I.
Normadressaten
II. 1.
Die Unzulässigkeit der Firma Verstoß gegen Firmenbildungsvorschriften a) Ursprüngliche Unzulässigkeit der 9 Firma b) Nachträgliche Unzulässigkeit der 10 Firma 11 c) Bestandsschutz Verstoß gegen die Firmenführungs12 pflicht 14 Fehlende Firmenfähigkeit
2. 3. III. 1. 2. 3.
8
Gebrauch der unzulässigen Firma 15 Definition 21 Gebrauch im Registerverkehr Gebrauch im Geschäftsverkehr 22 a) Grundsätze b) Verwendung von Firmenabkürzungen und 23 -schlagworten 24 c) Einzelfälle:
VII. 1. 2. 3.
Verhältnis zu anderen Verfahrensarten 48 Eintragungsverfahren 49 Amtslöschung 51 Unterlassungsklage
D.
Die Unterlassungsklage (Abs. 2 S. 1)
I.
Unbefugter Firmengebrauch
II. 1. 2.
Klagebefugnis 54 Jedermann Rechtsverletzung a) Begriff und Bedeutung aa) Meinungsstand bb) Stellungnahme 57 b) Eigenes Recht 58 c) Gestattung 59 d) Verwirkung 60 e) Verjährung 61 f) Beweislast
Kein subjektives Tatbestandsmerkmal
V.
Kein Dispositionsrecht der Parteien
C.
Das Firmenmissbrauchsverfahren nach 35 Abs. 1
I.
Verfahrensziel
II.
Einschreiten von Amts wegen, gebundene Ent37 scheidung
III.
Androhungsverfügung
IV.
Einspruchsverfahren
V.
Beschwerdeverfahren
VI.
Festsetzung des Ordnungsgeldes
53
55 56
62
III.
Kausalität
IV. 1.
Fallgruppen der Rechtsverletzung Verletzung des Namensrechts i.S.d. § 12 BGB, des Firmenrechts oder eines sonstigen Unternehmenskennzeichens i.S.d. § 5 Abs. 2 Mar63 kenG Verletzung von sonstigen absoluten Rechten 64 a) Immaterialgüterrechte 65 b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht c) Recht am eingerichteten und ausgeübten 66 Gewerbebetrieb? Unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen 67 a) Interessen wirtschaftlicher Art 68 b) Interessen ideeller Art
33
IV.
52
34 2.
36 3.
39 69
V.
Klageantrag und Vollstreckung
E.
Schadensersatzansprüche (Abs. 2 S. 2)
42 73
43 44
A. Grundlagen I. Norminhalt § 37 Abs. 1 regelt i.V.m. den §§ 388 ff, 392 FamFG (§§ 132 ff, 140 FGG a.F.) das sog. Firmenmiss- 1 brauchsverfahren. Dem Registergericht wird die Möglichkeit gegeben, den Gebrauch unzulässiger Firmen zu untersagen, und dieses Verbot durch Festsetzung von Ordnungsgeld durchzusetzen. Abs. 2 S. 1 gibt demjenigen, der durch eine unzulässige Firmierung in seinen Rechten
427
Burgard
§ 37
1. Buch. Handelsstand
verletzt wird, einen Unterlassungsanspruch. S. 2 stellt klar, dass Ansprüche nach sonstigen Vorschriften (s. dazu Anh. I und II zu § 37) unberührt bleiben.
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Vorschrift geht auf Art. 26 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 1 ADHGB zurück, deren ordnungsrechtlichen Regelungsgehalt das HGB in § 37 übernahm (s. auch Rn 5). Der darin enthaltene Begriff der Ordnungsstrafe wurde durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2.3.19741 durch den Begriff des Ordnungsgeldes ersetzt. Zuvor war bereits § 37 Abs. 1 S. 2 a.F., wonach sich die Höhe der Strafe nach § 14 S. 2 bestimmte, aufgehoben worden.2
III. Normzweck 3 § 37 Abs. 1 hat ordnungsrechtlichen Charakter und bezweckt die Durchsetzung des öffentlichen Interesses an einer korrekten Firmenführung, bezweckt also die Durchsetzung der firmenrechtlichen Vorschriften, insbes. der §§ 17 ff, 30. Die Formulierung „ihm nicht zustehende Firma“ ist insofern missverständlich. Es kommt bei Abs. 1 nicht darauf an, ob die Verwendung der Firma Rechte Dritter verletzt. Die Vorschrift dient nicht dem materiellen Firmenschutz3 (dazu § 37 Anh. I und II). Entscheidend ist allein, ob die Firmenführung gegen die §§ 17 ff, 30 oder andere firmenordnungsrechtliche Vorschriften (s. Rn 9) verstößt. Im Mittelpunkt steht dabei die ordnungsgemäße Führung der Firma im Geschäftsverkehr, nicht die ordnungsgemäße Anmeldung und Eintragung einer Firma im Handelsregister; denn die Anmeldung der Firma und von Firmenänderungen kann das Registergericht bereits durch die Festsetzung von Zwangsgeld nach § 14 durchsetzen (s. § 29 Rn 9, § 31 Rn 35). Im Eintragungsverfahren hat das Registergericht sodann zu prüfen, ob die angemeldete Firma den firmenrechtlichen Vorschriften entspricht, und widrigenfalls die Eintragung zu versagen. Zwar ist bei Anmeldung einer unzulässigen Firma bzw. einer unzulässigen Firmenänderung regelmäßig auch ein Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 einzuleiten. Grund dafür ist jedoch gerade, dass bereits in der Anmeldung einer unzulässigen Firma ein unbefugter Gebrauch zu sehen ist und nur durch ein Firmenmissbrauchsverfahren ein weiterer Gebrauch der unzulässigen Firma verhindert werden kann (§ 29 Rn 13, § 31 Rn 37). Schon im Blick hierauf ist die an § 37 Abs. 1 geübte rechtspolitische Kritik4 nicht gerechtfertigt. 4 Auch § 37 Abs. 2 bezweckt ausschließlich die Durchsetzung des Allgemeininteresses an einer den firmenrechtlichen Vorschriften, insbes. den §§ 17 ff entsprechenden Firmenführung. Zwar gewährt die Vorschrift einen privatrechtlichen Anspruch auf Unterlassung. Daraus wird teilweise abgeleitet, die Regelung diene auch dem individuellen Schutz der durch die unzulässige Firmierung in ihren Rechten Betroffenen.5 Richtig ist, dass die Vorschrift geeignet ist, einen solchen Schutz zu bewirken. Doch ist der Schutz des privaten Interesses nur Mittel, nicht Zweck der Regelung. Der Zweck besteht darin, die private Initiative zur Durchsetzung der fir-
1 BGBl. I, 469. 2 Die Aufhebung erfolgte durch Nichtaufnahme in das BGBl. Teil III, vgl. § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Sammlung des Bundesrechts vom 10.7.1958 (BGBl. I, S. 437) i.V.m. § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über den Abschluß der Sammlung des Bundesrechts vom 28.12. 1968 (BGBl. I, 1451). 3 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Hopt/Merkt Rn 1; Bokelmann Rn 823. 4 MünchKommHGB/Krebs Rn 3; Canaris Handelsrecht § 11 Rn 54. 5 OLG Hamm ZIP 1983, 1198 (1102); MünchKommHGB/Krebs Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; noch weitergehend v. Gierke/Sandrock § 17 V, S. 256; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 2, wo darauf hingewiesen wird, dass dieser Streit ohne Belang ist. Burgard
428
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 37
menrechtlichen Vorschriften einzusetzen.6 Damit wird der Schwierigkeit begegnet, dass das Registergericht abseits des Eintragungsverfahrens den Gebrauch von Firmen im Geschäftsverkehr nicht umfassend überwachen kann. Dass § 37 Abs. 2 lediglich der Durchsetzung von Allgemeininteressen und nicht auch dem 5 Schutz von Individualinteressen dient, folgt aus der Entstehungsgeschichte, dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Norm. Art. 27 ADHGB gewährte nämlich dem Unterlassungskläger auch einen Schadensersatzanspruch, wohingegen § 37 Abs. 2 S. 2 HGB insoweit auf andere Vorschriften verweist. Begründet wurde dies von der Denkschrift zwar lediglich mit dem Verschuldenserfordernis von Schadensersatzansprüchen.7 Aus heutiger Sicht ist darüber hinaus jedoch zu konstatieren, dass alle dem Individualschutz dienenden Vorschriften von § 37 Abs. 2 abweichende Voraussetzungen vorsehen: § 15 Abs. 4 und 5 MarkenG verlangen die Verletzung einer nach §§ 5, 6 MarkenG geschützten Bezeichnung durch eine der in § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG genannten Handlungen (s. dazu Anh. II). §§ 12, 823 Abs. 1 BGB verlangen eine Verletzung des Namensrechts. Überdies sind diese Vorschriften gegenüber §§ 5, 15 MarkenG subsidiär, so dass sie grundsätzlich nur noch außerhalb des geschäftlichen Verkehrs Anwendung finden (Anh. I Rn 4 ff). Und §§ 8, 9 i.V.m. §§ 3 ff UWG schließlich verlangen eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Demgegenüber ist gemeinsame Voraussetzung von § 37 Abs. 1 und 2 lediglich ein Verstoß gegen firmenrechtliche Vorschriften, und zwar gerade auch gegen solche, die – wie die meisten firmenrechtlichen Vorschriften – ausschließlich dem Allgemeininteresse dienen. Historisch wurde dieser systematische Zusammenhang durch die Zusammenfassung von Art. 26 Abs. 2 und Art. 27 Abs. 1 Abs. 1 ADHGB in § 37 betont. Dementsprechend dient die zusätzliche Voraussetzung einer Rechtsverletzung nach § 37 Abs. 2 lediglich der Abwehr von Popularklagen8 und ist daher weit zu interpretieren. Insbes. wird keine Verletzung eines Namensrechts i.S.d. § 12 BGB oder einer geschäftlichen Bezeichnung i.S.d. § 5 MarkenG vorausgesetzt (näher Rn 55).
IV. Anwendungsbereich § 37 gilt für alle Firmen, die in unzulässiger Weise geführt werden. Die Vorschrift gilt daher 6 nicht nur für die Firmen von Einzelkaufleuten, Handelsgesellschaften (§ 6 Abs. 1), Formkaufleuten (§ 6 Abs. 2), juristischen Personen i.S.d. § 33 sowie von Zweigniederlassungen, sondern kraft Verweisung auch für den VVaG (§ 172 VAG) und die Partnerschaftsgesellschaft, § 2 Abs. 2 PartGG sowie künftig die eingetragene GbR, § 707 Nr. 1 BGB i.d.F. des MoPeG. Außerdem findet § 37 auf den firmenmäßigen Gebrauch sonstiger Bezeichnungen An- 7 wendung. Das betrifft zum einen den Fall, dass ein firmenfähiger Unternehmensträger statt seiner vollständigen Firma unzulässigerweise Firmenschlagworte, Firmenabkürzungen oder Geschäftsbezeichnungen (zu diesen Begriffen § 17 Rn 15 ff, Anh. II zu § 37 Rn 8) verwendet, zum anderen den Fall, dass ein nicht firmenfähiger Unternehmensträger (z.B. ein Kleingewerbetreibender oder eine GbR) eine firmenähnliche Geschäftsbezeichnung oder eine firmenähnliche Minderfirma führt. Das folgt daraus, dass auch und gerade durch den firmenmäßigen Gebrauch sonstiger Bezeichnungen die Informationsfunktion des Firmenrechts beeinträchtigt werden kann. Allerdings ist die Verwendung von Geschäftsbezeichnungen u. dgl. keineswegs generell unzulässig. Kaufleute haben jedoch die ihnen obliegende Firmenführungspflicht (näher Rn 12) und Nichtkaufleute das sie treffende Verbot einer Firmenführung zu beachten (näher Rn 8, 14).
6 BGHZ 53, 65 (70); BGH WM 1993, 1248 (1251); BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 2 m.w.N. 7 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuchs, Reichstag, 9. Legislatur-Periode, IV. Session 1895/97, 43 = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 2. Hb. 1988, S. 984.
8 BGHZ 53, 65 (70); Staub/Hüffer4 Rn 2; GKzHGB/Steitz Rn 12; v. Gamm FS Stimpel, 1007 (1010); BeckOK-HGB/ Bömeke Rn 22; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 48; Fezer § 15 MarkenG Rn 114 f. 429
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§ 37
1. Buch. Handelsstand
B. Der unbefugte Firmengebrauch als gemeinsame Voraussetzung von § 37 Abs. 1 und 2 I. Normadressaten 8 Der unbefugte Firmengebrauch ist jedermann verboten. Insbes. kommt es auf die Kaufmannseigenschaft nicht an.9 Da § 37 den unbefugten Firmengebrauch im öffentlichen Interesse unterbinden will (Rn 3) und ein solcher unbefugter Firmengebrauch von jedermann, gerade auch von Nichtkaufleuten, ausgehen kann (Rn 7), muss sich die Vorschrift auch gegen jedermann richten. Im Blick auf Nichtkaufleute handelt es sich auch nicht etwa um eine analoge,10 sondern eine direkte Anwendung von § 37. Das ergibt sich nicht nur aus dem Telos, sondern bereits aus dem Wortlaut der Norm („Wer eine nach den Vorschriften dieses Abschnitts ihm nicht zustehende Firma gebraucht, …“). Soweit dagegen eingewandt wird, der Anwendungsbereich von § 37 (analog) könne nicht weiter reichen als der Anwendungsbereich der §§ 17 ff (analog),11 bleibt unberücksichtigt, dass § 17 Abs. 1 den Gebrauch einer Firma Kaufleuten vorbehält und daher Nichtkaufleuten untersagt ist. Zwar kommt diesem Verbot heutzutage geringere Bedeutung zu als vor der Handelsrechtsreform (näher Rn 14). Auch hinterließe eine Unanwendbarkeit von § 37 Abs. 2 angesichts der marken- und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche keine große Lücke. Wollte man § 37 Abs. 1 nicht auf die Firmenführung von Nichtkaufleuten anwenden, bliebe indes völlig unklar, wie das Registergericht hiergegen einschreiten könnte, obwohl dafür gerade dann ein Bedürfnis besteht, wenn durch die verbotene Firmenführung keine Individualinteressen verletzt werden, weil sich die Rechtsverletzung in der Führung eines unzulässigen Rechtsformzusatzes erschöpft.
II. Die Unzulässigkeit der Firma 1. Verstoß gegen Firmenbildungsvorschriften 9 a) Ursprüngliche Unzulässigkeit der Firma. Unzulässig ist jede Firma, die unter Verletzung firmenrechtlicher Vorschriften gebildet worden ist. Nach dem Wortlaut des § 37 Abs. 1 kommt es zwar nur auf die Vorschriften des Dritten Abschnitts an; danach sind namentlich die §§ 17– 19, 21–24, 30 heranzuziehen. Doch ist der Wortlaut des Gesetzes zu eng, weil er auf den firmenrechtlichen Gehalt von Sondergesetzen nicht Bedacht nimmt. Nach dem Sinn der Vorschrift ist auf das gesamte Firmenrecht abzuheben, insbes. also auch auf §§ 4, 279 AktG, 4 GmbHG, 3 GenG, 174 Abs. 2 VAG, 2 Abs. 1 PartGG, 18, 200 UmwG.12 Einbezogen sind ferner Vorschriften, die einen Bezeichnungsschutz vorsehen, also vor allem §§ 39 f KWG, 3 KAGB, 6 Abs. 1 VAG, 32 Abs. 3 StBG, 130 Abs. 2, 133 WPO (näher § 18 Rn 78 ff).13 Ob die Firma auch mit §§ 12 BGB, 5, 15 MarkenG oder § 3 UWG in Einklang steht, spielt dagegen für die Frage ihrer Zulässigkeit im Rahmen des § 37 Abs. 1 keine Rolle,14 sondern ist nur bei der Frage des Vorliegens einer Rechts-
9 KGJ 42 (161 f); OLG Bamberg DB 1973, 1989; OLG Hamm BB 1990, 1154; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 2; aA MünchKommHGB/Krebs Rn 7.
10 So aber MünchKommHGB/Krebs Rn 7. 11 MünchKommHGB/Krebs Rn 7. 12 RGZ 25, 1 (5 f); 82, 164 (166 f); KG KGJ 48, 122 (124); BayObLG BayObLGZ 1960, 345 (348); BayObLGZ 1988, 128 (130); BayObLGZ 1989, 44 (50); OLG Düsseldorf DB 1970, 923 f; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 23; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; so auch BeckOK-HGB/Bömeke Rn 7. 13 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8; MünchKommHGB/ Krebs Rn 23; Keidel/Heinemann FamFG § 392 FamFG Rn 12. 14 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7 aE; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 14; Hopt/Merkt Rn 10. Burgard
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verletzung i.S.d. Abs. 2 zu berücksichtigen (s. Rn 63). Deshalb fällt auch ein Verstoß gegen § 24 Abs. 2 nach hier vertretener Ansicht nicht unter § 37 Abs. 1 (s. dort Rn 41). Grundsätzlich unerheblich ist ferner die Eintragung der Firma in das Handelsregister. Das bedeutet dreierlei: Erstens heilt die Eintragung einen Gesetzesverstoß nicht.15 Zweitens ist gem. § 37 auch gegen den unzulässigen Gebrauch einer nicht eingetragenen Firma vorzugehen.16 Und drittens wird der Gebrauch einer zulässigen Firma nicht dadurch unzulässig, dass keine Eintragung vorliegt. Vielmehr ist in diesem Fall lediglich gem. §§ 14, 29 auf ihre Anmeldung hinzuwirken. Erheblich ist hingegen die Eintragung im Blick auf die Firmenführungspflicht. Danach ist die Führung einer anderen als der eingetragenen Firma unzulässig, näher Rn 12.
b) Nachträgliche Unzulässigkeit der Firma. Eine Firma ist auch dann unzulässig, wenn 10 sie zwar zunächst ordnungsgemäß gebildet wurde, später aber aufgrund einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse unzulässig wird.17 c) Bestandsschutz. Unterschiedlich beurteilt wird die Frage, ob, unter welchen Voraussetzun- 11 gen und wie einer ursprünglich oder nachträglich unzulässigen Firma Bestandsschutz zu gewähren ist. Im Blick hierauf ist zunächst festzuhalten, dass es sich nicht um eine Ermessensfrage (näher dazu Rn 38), sondern um eine Frage des materiellen Rechts handelt.18 Im Übrigen ist zu unterscheiden. Beruht die Unzulässigkeit auf einer nachträglichen Änderung des Gesetzes, ist die Frage im Rahmen von Übergangsvorschriften grundsätzlich durch den Gesetzgeber zu entscheiden (s. insbes. Art. 22 EGHGB und dazu die Erl. bei § 20 sowie Art. 38 EGHGB und dazu § 19 Rn 29). Fehlen solche Vorschriften oder beruht die nachträgliche Unzulässigkeit auf einer geänderten Auslegung des Gesetzes durch die Rechtsprechung, einer geänderten Verkehrsauffassung oder auch Änderungen des Unternehmens (z.B. bei Sachfirmen Änderung des Unternehmensgegenstandes [s. § 18 Rn 36, 61] oder bei einer Ortsangabe Änderung des Sitzes [s. § 18 Rn 94 ff]) ist das Bestandsschutzinteresse des Firmeninhabers und der Grundsatz des Vertrauensschutzes einerseits mit dem Allgemeininteresse an einer ordnungsgemäßen, insbes. nicht täuschungsgeeigneten Firmenführung andererseits ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist auch die gesetzliche Wertung des § 22 zu berücksichtigen, die den Grundsatz der Firmenwahrheit zugunsten des Grundsatzes der Firmenbeständigkeit durchbricht.19 Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf solche Fälle kommt allerdings schon deswegen nicht in Betracht, weil die Vorschrift zugleich zum Ausdruck bringt, dass das Bestandsschutzinteresse des Firmeninhabers nicht in jedem Fall Vorrang genießt. Insbes. scheidet ein Bestandsschutz regelmäßig aus, wenn die Zulässigkeit einer Firmierung schon ursprünglich zweifelhaft oder umstritten war oder die erforderliche Firmenänderung verhältnismäßig geringfügig ist (z.B. in Fällen des § 19 Abs. 2, s. dort Rn 14 ff).20 Dementsprechend scheidet ein Bestandsschutz grundsätzlich erst recht aus, wenn die Firmierung von Anfang an unzulässig war. Das gilt nicht nur bei Bösgläubigkeit des Firmeninhabers21 – wobei die Rechtsprechung im Kennzeichenrecht hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Rechtsirrtums stellt (s. Anh. II zu § 37 Rn 57) – oder Geringfügigkeit der
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RG JW 1903, 342. RG JW 1933, 2897. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; GKzHGB/Steitz Rn 4; Lindacher BB 1977, 1676 (1681). Ebenso bereits Staub/Hüffer4 Rn 18 f; MünchKommHGB/Krebs Rn 29; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; BeckOGK-HGB/Maierhofer/Lüken/Natzel § 37 Rn 37; siehe auch v. Gamm FS Stimpel, 1985, 1007 (1013 f). 19 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 6; GKzHGB/Steitz § 22 Rn 2; Hopt/Merkt § 22 Rn 1; Lindacher BB 1977, 1676 (1677). 20 Vgl. BGHZ 65, 103 (105 f); aA BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 8. 21 BGHZ 44, 114 (118). 431
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erforderlichen Firmenänderung;22 denn ein „Besitzstand, der unter Verstoß gegen eine dem Schutz auch von Dritt- und Allgemeininteressen dienenden Gesetzesvorschrift (§ 37 HGB) gewonnen worden ist, ist regelmäßig und grundsätzlich nicht schutzwürdig“.23 Eine Ausnahme kommt nur in Betracht, wenn das Interesse des Firmeninhabers an der Aufrechterhaltung seiner seit langer Zeit (im entschiedenen Fall seit über 60 Jahren) beanstandungslos geführten Firmenbezeichnung ausnahmsweise höher zu bewerten ist als das Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer nicht allzu schwerwiegenden Rechtsverletzung (im entschiedenen Fall ging es um die Gefahr eines Irrtums über den Gegenstand des Unternehmens, der heute schon aufgrund der Wesentlichkeitsschwelle des § 18 Abs. 2 S. 1 unbeachtlich wäre, s. § 18 Rn 46).24 Erforderlich ist also eine Einzelfallentscheidung unter Abwägung aller vorstehender Aspekte. Beruht die Unzulässigkeit der Firma auf einer nachträglichen Änderung des Gesetzes oder der Rechtsprechung kommt auch eine analoge Anwendung des Art. 22 Abs. 1 EGBGB in Betracht.25
2. Verstoß gegen die Firmenführungspflicht 12 Der Kaufmann ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, seine Firma im Handelsverkehr zu führen. Diese sog. Firmenführungspflicht besteht zum einen, wenn die Verwendung der Firma ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist. Das ist insbes. bei der Angabe der Firma auf Geschäftsbriefen gem. §§ 37a, 125a, 177a, § 80 AktG, § 35a GmbHG, § 43 SEAG, Art. 25 EWIVVO, § 25a GenG, Art. 10 Abs. 1 S. 1 SCEVO i.V.m. § 25 SCEAG; § 172 VAG i.V.m. § 37a, §§ 7 Abs. 5 PartGG i.V.m § 125a, bei der Anbringung an offenen Betriebsstätten nach § 15a Abs. 1 GewO a.F. (s. dazu § 37a Rn 5a) sowie gem. § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB, § 312d Abs. 2 i.V.m. Art. 246b EGBGB, § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG der Fall. Zum anderen besteht eine Firmenführungspflicht, wenn der Verkehr berechtigterweise die Angabe der vollständigen Firma erwarten darf.26 Das ist dann nicht der Fall, wenn ein Einzelkaufmann anstelle der Firma seinen bürgerlichen Namen verwenden darf oder sogar verwenden muss (näher § 17 Rn 52 ff). Dagegen besteht eine berechtigte Verkehrserwartung hinsichtlich der vollständigen Angabe der Firma insbes. dann, wenn ein entsprechendes Informationsbedürfnis vorhanden ist. Erfasst werden können dadurch ausnahmsweise auch Fälle, die von der Angabepflicht auf Geschäftsbriefen – zum Teil entgegen der einschlägigen Richtlinie (s. § 37a Rn 12, 14) – ausgeklammert werden, sei es weil keine schriftliche Mitteilung gleichviel welcher Form vorliegt, sie nicht an einen bestimmten Empfänger gerichtet ist oder es sich um einen Vordruck i.S.d. § 37a Abs. 2 handelt. Und zum Dritten besteht eine Firmenführungspflicht, wenn der Firmeninhaber eine Bezeichnung firmenmäßig, d.h. zur Kennzeichnung des Unternehmensträgers, und nicht lediglich als Geschäftsbezeichnung (vgl. § 17 Rn 15 ff), d.h. zur Kennzeichnung eines Unternehmens, einer Unternehmensgesamtheit (insbes. eines Konzerns), eines Unternehmensteils (insbes. einer Betriebsstätte) oder markenmäßig zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gebraucht. 13 Soweit eine Firmenführungspflicht besteht, ist die Firma so zu führen, wie sie in das Handelsregister eingetragen ist (§ 17 Rn 51). Das folgt auch aus dem Grundsatz der Firmeneinheit, wonach ein Kaufmann nur eine Firma führen darf (Vor § 17 Rn 39 ff).27 Nur der Rechtsformzusatz darf stets in allgemein verständlicher und nicht irreführender Form abgekürzt werden. Abseits davon ist jedoch, soweit eine Firmenführungspflicht besteht, auch die Verwendung von Firmenabkürzungen, Firmenschlagworten oder Geschäftsbezeichnungen (zu diesen Begriffen § 17 22 23 24 25 26 27
Vgl. BGHZ 65, 103 (105 f). BGH WM 1993, 1248 (1251). BGH WM 1977, 24 (26). Dafür MünchKommHGB/Krebs Rn 29. BGH NJW 1991, 2023 (2024). BGH NJW 1991, 2023 (2024); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7.
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Rn 15 ff, Anh. II zu § 37 Rn 8) unzulässig. Das gilt auch dann, wenn eine entsprechende Firmierung nach einer Firmenänderung zulässig wäre; denn solange die Firma nicht geändert ist, steht dem Firmeninhaber nur die Führung der unveränderten Firma zu. Missverständlich ist allerdings die Formulierung, der Inhaber einer eingetragenen Firma dürfe sich nicht außerhalb des Handelsregisters eine neue Firma beilegen;28 denn die nach § 31 Abs. 1 erforderliche Eintragung einer Firmenänderung hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Unterbleibt die Anmeldung einer Firmenänderung, so ist sie vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld herbeizuführen (§ 14, §§ 388 ff FamFG [§§ 132 ff FGG a.F.], § 31 Rn 35). Solange die Eintragung einer Firmenänderung nicht erfolgt ist, muss sich der Firmeninhaber jedoch einer Führung der neuen Firma enthalten, andernfalls setzt er sich einem Vorgehen entweder des Registergerichts gem. § 37 Abs. 1 oder rechtlich beeinträchtigter Dritter gem. § 37 Abs. 2 aus.29
3. Fehlende Firmenfähigkeit Die Führung einer Firma ist gem. § 17 Abs. 1 nur Kaufleuten erlaubt, setzt also Firmenfähigkeit 14 voraus (näher § 17 Rn 9 ff). Das bedeutet freilich nicht, dass Nichtkaufleute nur unter ihrem bürgerlichen Namen im Geschäftsverkehr auftreten dürften. Vielmehr können sie als Bezeichnung des Unternehmensträgers auch von dem bürgerlichen Namen abweichende sog. Minderfirmen oder als Bezeichnung des Unternehmens bzw. von Unternehmensteilen sog. Geschäftsbezeichnungen führen (§ 17 Rn 17, 19 ff). Vor der Handelsrechtsreform war allerdings die Grenzziehung zwischen solchen Bezeichnungen und einer verbotenen Firmenführung problematisch und ging tendenziell dahin, Nichtkaufleuten die Führung von Bezeichnungen zu verbieten, die einer zulässigen kaufmännischen Firmierung entsprachen, weil hierdurch der irreführende Eindruck des Bestehens eines vollkaufmännischen Handelsgewerbes erweckt worden wäre.30 Die Einzelheiten waren freilich streitig und die Rechtsunsicherheit groß. Dies war einer der Gründe, die den Reformgesetzgeber zur Einführung eines zwingenden Rechtsformzusatzes für alle Kaufleute veranlasste.31 Heute erfolgt die Abgrenzung zwischen einer Firma einerseits und einer Minderfirma oder Geschäftsbezeichnung andererseits daher schlicht nach dem Vorhandensein oder Fehlen eines kaufmännischen Rechtsformzusatzes (eine gewisse Ausnahme gilt nach hier vertretener Auffassung lediglich für juristische Personen i.S.d. § 33, s. dort Rn 26 f). Ein Kleingewerbetreibender darf daher – solange er nicht nach § 2 S. 1 eingetragen ist – nicht einen § 19 Abs. 1 Nr. 1 entsprechenden Rechtsformzusatz (z.B. „e.K.“) führen. Auch von Nichtkaufleuten zu beachten ist ferner das Irreführungsverbot gem. § 18 Abs. 2 analog (§ 18 Rn 34). Verboten ist daher ganz allgemein die Führung eines unzutreffenden Rechtsformzusatzes (z.B. „GbRmbH“). Nicht statthaft ist ferner eine Minderfirma als Firma zu bezeichnen (z.B. „Fa. Anton Huber“). Unzulässig sind auch Zusätze, die sich an gesetzlich vorgeschriebene Zusätze anlehnen und geeignet sind, über die Rechtsform irrezuführen (unzulässig z.B. „Anton Huber, Kaufmann“, oder „Anton Huber, nicht eingetragener Kaufmann“, zulässig dagegen „Anton Huber, Dipl.-Kfm.“). Unzulässig sind außerdem Zusätze, die ein tatsächlich nicht vorhandenes Gesellschaftsverhältnis andeuten (z.B. „Anton Huber & Co“). Und unzulässig sind schließlich sonstige Bezeichnungen, die den Eindruck eines Handelsgewerbes erwecken (z.B. „Hubers Backfabrik“ für eine kleingewerbliche Bäckerei), s. § 17 Rn 18, 21.
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So Staub/Hüffer4 Rn 7 mit Verweis auf LG Düsseldorf DB 1981, 686. BGH WM 1993, 1248 (1250). Vgl. nur Staub/Hüffer4 Rn 8 ff. Begr. RegE HRReformG BT-Drucks. 13/8444, 35, 37 f. Burgard
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III. Gebrauch der unzulässigen Firma 1. Definition 15 Für die Anwendung des § 37 genügt nicht, dass die Bezeichnung nach den vorstehenden Grundsätzen unzulässig ist. Erforderlich ist vielmehr, dass die Bezeichnung „gebraucht“ wird. Das setzt zunächst – wenngleich kein Verschulden erforderlich ist (Rn 33) – einen entsprechenden Willen des Firmeninhabers voraus. Wird eine unzulässige Firma ohne sein Zutun von Dritten verwandt, kommt daher allenfalls ein Gebrauch durch pflichtwidriges Unterlassen in Betracht.32 Zudem ist, weil durch § 37 ein Unterlassen erzwungen wird, ein auf Wiederholung gerichtetes Verhalten erforderlich. Einmalige Verwendung reicht aus, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Wiederholung sprechen.33 Firmengebrauch i.S.d. § 37 ist auch ein Gebrauch im Ausland.34 Allerdings ist eine vom deutschen Recht abweichende Firmierung nicht unzulässig, sondern geboten, wenn das ausländische, insbes. außereuropäische Recht eine solche Abweichung erfordert. Ferner genügt für die Anwendung des § 37 nicht jeder Gebrauch. Wie sich aus § 17 Abs. 1 ergibt (dort Rn 52 ff), ist vielmehr notwendig, dass der Gebrauch im Handelsverkehr erfolgt. 16 Überdies ergibt sich aus § 17 Abs. 1, dass ein Gebrauch nur vorliegt, wenn die Bezeichnung firmenmäßig, d.h. als Name des Unternehmensträgers verwendet wird. Insofern ist in einem ersten Schritt festzustellen, welche Bezeichnung der Firmeninhaber tatsächlich verwandt hat.35 Wird auf einem Briefbogen die Firma vollständig und richtig genannt, ist es grundsätzlich unschädlich, wenn der Briefbogen außerdem noch andere Angaben enthält.36 Verewndet der Firmeninhaber eine Firmenabkürzung, ein Firmenschlagwort (zu diesen Begriffen Anh. II zu § 37 Rn 8), eine sonstige Geschäftsbezeichnung (§ 17 Rn 15 ff) oder einen Markennamen wird hierdurch objektiv nicht der Unternehmensträger, sondern das Unternehmen bzw. seine gewerblichen Leistungen bezeichnet. Hat der Inhaber hingegen seine Firma lediglich unrichtig benutzt oder um nicht prägende Bestandteile verkürzt (z.B. Weglassen einer angefügten Inhaberbezeichnung oder Ortsangabe), ohne dass hierin die Verwendung einer Firmenabkürzung oder eines Firmenschlagworts zu sehen ist (z.B. „Anton Huber Eisenwaren e.K. Inh. Josef Schmitt“ oder „Anton Huber Schrott und Eisenwaren“ statt „Anton Huber Schrott und Eisenwaren e.K. Inh. Josef Schmitt“), liegt ein firmenmäßiger Gebrauch vor. Für einen firmenmäßigen Gebrauch spricht insbes. die Verwendung eines Rechtsformzusatzes; denn der Rechtsformzusatz kann sich nur auf den Unternehmensträger und nicht auf das Unternehmen beziehen, weil nur jener, nicht aber dieses eine Rechtsform hat. Liegt danach objektiv ein firmenmäßiger Gebrauch der Bezeichnung vor, so ist der Gebrauch aufgrund der Firmenführungspflicht unbefugt i.S.d. § 37, weil die Firma nicht vollständig und richtig verwendet wurde (Rn 12 f). 17 Liegt nach den Feststellungen dieses ersten Schritts objektiv kein firmenmäßiger Gebrauch vor, so prüft namentlich die Rechtsprechung37 in einem zweiten Schritt, wie der Verkehr den Gebrauch der Bezeichnung versteht. Verstehe er die Bezeichnung als Name des Unternehmensträgers, liege mangels vollständiger und richtiger Firmierung ein unbefugter firmenmäßiger Gebrauch i.S.d. § 37 vor. Verstehe der Verkehr die Bezeichnung hingegen als bloße Firmenkurzform, sonstige Geschäftsbezeichnung oder als Markennamen, sei ihre Führung dagegen grundsätzlich statthaft. Das überzeugt nicht; denn der Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer, na32 BGH NJW 1991, 2023 (2024); AG Elsfleth BB 1968, 310; statt vieler BeckOK-HGB/Bömeke Rn 10 mwN. 33 OLG Hamburg Recht 1907, Nr. 3361. 34 RGZ 18, 28 (32); RG JW 1889, 516; aA BeckOGK-HGB/Maierhofer/Lüken/Natzel § 37 Rn 15; MünchKommHGB/ Krebs Rn 11; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 5; OLG Karlsruhe WRP 1985, 104 (105).
35 So auch BGH WM 1991, 1078 (1080). 36 OLG Köln, NZG 2011, 155. 37 BGH WM 1991, 1078 (1081); BayObLG BB 1960, 996; OLG Düsseldorf DB 1970, 923 f; OLG Hamburg BB 1973, 1456 f; OLG Stuttgart BB 1991, 993; BayObLG BB 1992, 943 f; OLG Düsseldorf GRUR 1996, 361 (362); MünchKommHGB/Krebs Rn 15. Burgard
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mentlich der Verbraucher ist bereits die Differenzierung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger nicht geläufig (vgl. Vor § 17 Rn 3, § 17 Rn 5), geschweige denn die Unterschiede zwischen Firma, Firmenkurzform, sonstiger Geschäftsbezeichnung und Marke.38 Schon mangels Sachkunde der Verkehrsteilnehmer kann daher das Verkehrsverständnis nicht maßgeblich sein und lässt sich aus diesem Grund auch praktisch kaum ermitteln. Paradigmatisch hierfür ist die Entscheidung BGH NJW 1991, 2023, 2025, in der sich der Senat hinsichtlich des Verkehrsverständnisses schlicht auf die Sachkunde der handelsrechtlichen Mitglieder des Landgerichts stützt. Auf diese Weise wird freilich nicht das Verständnis des Verkehrs, sondern der Handelsrichter festgestellt. Liegt nach den Feststellungen des ersten Schritts (Rn 16) kein firmenmäßiger Gebrauch, 18 sondern der Gebrauch einer Firmenkurzform, einer sonstigen Geschäftsbezeichnung oder eines Markennamens vor, ist vielmehr richtigerweise in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob eine Firmenführungspflicht aufgrund Gesetzes oder berechtigter Verkehrserwartung, insbes. eines berechtigten Informationsbedürfnisses des Verkehrs besteht (Rn 12). Ist diese Frage zu bejahen, liegt ein unbefugter firmenmäßiger Gebrauch i.S.d. § 37 vor; denn wenn eine Bezeichnung bei bestehender Firmenführungspflicht anstelle der vollständigen Firma verwendet wird, so wird die Bezeichnung firmenmäßig geführt. Schließlich muss die Bezeichnung als eigene Firma, also nicht zur Bezeichnung Dritter 19 verwandt werden.39 Wer seine Waren unter fremder Firma verkauft, benutzt einen fremden Handelsnamen als eigenen und ist deshalb den Sanktionen des § 37 ausgesetzt. Wer dagegen seine Waren unter seiner richtigen Firma verkauft, die Waren aber mit einer fremden Firma versieht, gebraucht diese nicht als seinen Handelsnamen, sondern schiebt seine Waren dem Inhaber einer fremden Firma unter. Das ist kein Fall des § 37, sondern der §§ 5, 15 MarkenG, §§ 3, 5 UWG.40 Zusammengefasst liegt also ein firmenmäßiger Gebrauch i.S.d. § 37 vor, wenn ein Unter- 20 nehmensträger im Handelsverkehr in einer auf Wiederholung gerichteten Weise eine Bezeichnung als seinen Handelsnamen verwendet. Eine Verwendung als Handelsname liegt insbes. dann vor, wenn eine Firmenführungspflicht (Rn 12) besteht.
2. Gebrauch im Registerverkehr Zum Handelsverkehr gehört zunächst der Registerverkehr. Wer eine unzulässige Firma zur Ein- 21 tragung anmeldet oder ihre Eintragung erreicht, verwendet sie als Handelsnamen.41 Da dies zugleich den Willen des Inhabers erkennen lässt, die Bezeichnung dauerhaft als Handelsnamen zu verwenden, ist der unzulässige Eintragungsantrag regelmäßig nicht lediglich gem. § 25 Abs. 1 S. 3 HRV zurückzuweisen bzw. eine bereits eingetragene unzulässige Firma gem. § 395 FamFG (§ 142 FGG a.F.) von Amts wegen zu löschen.42 Vielmehr ist, um einen weiteren Gebrauch auszuschließen, ein Firmenmissbrauchsverfahren gem. § 37 Abs. 1 einzuleiten (§ 29 Rn 13 sowie u. Rn 48 f).
3. Gebrauch im Geschäftsverkehr a) Grundsätze. Zum Handelsverkehr gehört vor allem der Geschäftsverkehr. Darunter ist jede 22 Tätigkeit zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken und daher auch Werbung zu verstehen. Aller38 39 40 41
Zutr. MünchKommHGB/Krebs Rn 15. BGH NJW 1991, 2023 (2024); MünchKommHGB/Krebs Rn 12; Heymann/Förster HGB Rn 9. Vgl. RGZ 3, 165; RGZ 36, 13; Staub/Hüffer4 Rn 13. RGZ 22, 58 (59 f); BayObLGZ 1988, 128 (129) = NJW-RR 1989, 100; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3 mwN. 42 RGZ 169, 147 (150 ff). 435
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dings besteht im Geschäftsverkehr keine generelle Pflicht zur Führung der (vollständigen) Firma. Besteht keine Firmenführungspflicht, darf der Kaufmann vielmehr auch andere Bezeichnungen verwenden.43 Das betrifft nicht nur die Fälle, in denen ein Einzelkaufmann anstelle der Firma seinen bürgerlichen Namen verwenden darf oder sogar muss (§ 17 Rn 52 ff), sondern etwa auch die Verwendung von Geschäftsbezeichnungen und Marken. Anders gewendet beansprucht das Firmenrecht nur dort ein Monopol, wo es um die Bezeichnung des Unternehmensträgers, nicht dagegen, wo es um die Bezeichnung einer bestimmten natürlichen Person, die Bezeichnung eines Unternehmens, einer Unternehmensgesamtheit (insbes. eines Konzerns), eines Unternehmensteils (insbes. einer Betriebsstätte) oder gar von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens geht. Dabei bezieht sich Werbung regelmäßig auf das Unternehmen und seine gewerblichen Leistungen und nicht auf den Unternehmensträger, weswegen davon auszugehen ist, dass sich die in der Werbung verwendeten Bezeichnungen grundsätzlich auf jene und nicht auf diesen beziehen. Besteht hingegen eine Firmenführungspflicht, was auch bei Werbemaßnahmen gegeben sein kann (s. nur § 37a Rn 11 f), so ist unbestritten, dass der Inhaber seine vollständige Firma zu verwenden hat. Hiervon kann er auch nicht im Interesse des Handelsverkehrs an der Verwendung von Firmenkurzformen in der Werbung entbunden werden, da die gesetzlich normierten Firmenführungspflichten einen solchen generellen Dispens nicht vorsehen und ein solcher schon gar nicht gerechtfertigt wäre, soweit die Firmenführungspflicht auf einem entsprechenden Informationsbedürfnis des Verkehrs beruht. Somit bleibt es auch im Geschäfts- und Werbeverkehr grundsätzlich bei der Anwendung der aufgezeigten allgemeinen Regeln.
23 b) Verwendung von Firmenabkürzungen und -schlagworten. Folgt man diesen Überlegungen, dann wird deutlich, dass die vieldiskutierte Frage der Zulässigkeit einer Verwendung von Firmenabkürzungen und -schlagworten allein danach zu entscheiden ist, ob eine Firmenführungspflicht besteht oder nicht; denn wenn keine Firmenführungspflicht besteht, ist gegen die Verwendung von solchen Geschäftsbezeichnungen nichts einzuwenden. Besteht hingegen eine Firmenführungspflicht, muss der Inhaber die vollständige Firma angeben. Zur Begründung der Zulässigkeit einer Verwendung von Firmenabkürzungen und -schlagworten bedarf es daher keiner – ohnehin nicht überzeugenden44 – Abgrenzung zwischen Geschäfts- und Werbeverkehr.45 Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Verkehr eine Firmenkurzform als solche erkennt,46 da die Verkehrsanschauung unerheblich ist (Rn 17) und zudem nicht von einer gesetzlichen Firmenführungspflicht entbinden könnte. Schließlich bedarf es schon gar nicht der Konstruktion einer Rechtsfortbildung extra legem;47 denn ein dringendes Bedürfnis des Handelsverkehrs, das diese rechtfertigen soll, ist gerade deswegen nicht zu erkennen, weil die Verwendung von Firmenabkürzungen und -schlagworten richtigerweise immer schon dann grundsätzlich zulässig ist, wenn keine Firmenführungspflicht besteht.
24 c) Einzelfälle: Namentlich im Blick auf ältere Entscheidungen ist zu berücksichtigen, dass die weit reichenden gesetzlichen Firmenführungspflichten zumeist jüngeren Datums sind. Folge ist, dass in immer mehr Fällen die Führung der vollständigen Firma gesetzlich vorgeschrieben ist. 43 Vgl. BGH WM 1991, 1078 (1080); OLG Düsseldorf GRUR 1996, 361 (362). 44 Dagegen ebenfalls MünchKommHGB/Krebs Rn 18. 45 Dafür KG JW 1930, 3777 m. zust. Anm. Kirchberger; Hopt/Merkt Rn 3; Roth ZGR 1992, 632 (637 f); Frey DB 1993, 2169 (2170). 46 So aber OLG Düsseldorf DB 1970, 923 f; OLG Hamburg BB 1973, 1456 (1457); OLG Stuttgart BB 1991, 993; BayObLG BB 1992, 943; OLG Düsseldorf GRUR 1996, 361; Heymann/Förster HGB Rn 20; Hopt/Merkt Rn 3; dagegen auch MünchKommHGB/Krebs Rn 17. 47 So aber MünchKommHGB/Krebs Rn 19 ff. mwN. Burgard
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Gleichwohl ist die Rechtslage insgesamt nicht „strenger“ geworden. Zwar rechtfertigen die gesetzlichen Firmenführungspflichten keinen Umkehrschluss in der Weise, dass dann, wenn sie nicht eingreifen, keine Firmenführungspflicht besteht (vgl. Rn 12); denn es handelt sich weder um abschließende Vorschriften noch um einen geschlossenen Regelungskomplex, sondern um sehr heterogene Normen (zur rechtspolitischen Kritik § 37a Rn 5). Aufgrund der Zunahme gesetzlicher Firmenführungspflichten nimmt jedoch ein darüber hinaus bestehendes Informationsinteresse des Verkehrs proportional ab. Nachdem bereits in Geschäftsbriefen über die vollständige Firma informiert wird, ist es daher bspw. unschädlich, wenn auf Briefumschlägen48 nur eine Firmenkurzform verwendet wird. Aufgrund der geänderten Rechtslage sind daher manche Entscheidungen überholt, während anderen aufgrund der hier entwickelten Auslegung zu widersprechen ist. Bei Preislisten49 und Warenprospekten50 ist die vollständige Firma anzugeben, wenn es sich um Geschäftsbriefe i.S.d. § 37a (bzw. seiner gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen) handelt oder ein Informationsinteresse des Verkehrs besteht, wofür es auf den Einzelfall ankommt und was bei bloßen Werbemaßnamen zu verneinen sein kann. Ist die vollständige Firma anzugeben, dürfen zwar auch andere Bezeichnungen verwendet und herausgestellt werden. Diese dürfen aber die Firmenangabe weder verdrängen noch ihren Informationsgehalt beeinträchtigen. Anders gewendet muss hinreichend deutlich werden, was die Firma ist (§ 37a Rn 24). Nachdem Geschäftsbriefbögen51 regelmäßig zur Abfassung von Geschäftsbriefen i.S.d. § 37a (bzw. seiner gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen) verwendet werden, müssen sie den Anforderungen dieser Normen genügen. Im Blick auf Geschäftsräum52 war bisher § 15a Abs. 1 GewO a.F. einschlägig (s. dazu § 37a Rn 5a). Das schloss selbstverständlich nicht die Anbringung von Werbetafeln u. dgl. mit einer anderen Bezeichnung als der vollständigen Firma aus. Werbeanzeigen53 und Warenetiketten54 beziehen sich regelmäßig auf das Unternehmen bzw. seine gewerblichen Leistungen und nicht auf den Unternehmensträger. Eine Firmenführungspflicht besteht in diesem Falle nicht. Daher können auch andere Bezeichnungen als die vollständige Firma verwandt werden. Die vollständige Firma ist nur anzugeben, wenn ein konkreter Unternehmensträger benannt wird, z.B. der Importeur. Dasselbe gilt für Angaben auf Verpackungen55 und Empfehlungskarten.56 Dasselbe gilt ferner bei Inseraten.57 Allerdings wird hier häufiger ein konkreter Unternehmensträger benannt. Zudem kann im Einzelfall ein berechtigtes Informationsinteresse des Verkehrs an der vollständigen Angabe der Firma bestehen. Die Bezeichnung des Verlegers auf dem Titelblatt eines Buches58 bezieht sich nicht auf das Unternehmen des Verlegers, sondern auf den Verleger selbst, also den Unternehmensträger. Daher ist die vollständige Firma anzugeben. Das schließt die gängige Praxis nicht aus, auf der Titelseite lediglich eine Firmenkurzbezeichnung herauszustellen und die vollständige Firma erst auf der zweiten Seite des Buches aufzuführen. Adress- und Telefonbücher59 dienen gewöhnlich nur der Sammlung von Adressen und Telefonnummern, nicht aber einer genauen Identifizierung der Verzeichneten. Verzeichnet sein 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Vgl. KGJ 42, 161 (162); KG HRR 1929, Nr. 21; KG Recht 1928, Nr. 2272. Vgl. RGZ 29, 57 (61); KG HRR 1932, Nr. 252. Vgl. BGH NJW 1991, 2023 (2024). Vgl. BayObLG BB 1992, 943; OLG Hamburg WRP 1977, 496 (497). Vgl. RGZ 36, 13 f; KG Recht 1928, Nr. 2272. Vgl. OLG Düsseldorf DB 1970, 923; OLG Bamberg DB 1973, 1989 (1990); OLG Stuttgart BB 1991, 993. Vgl. OLG Hamburg BB 1973, 1456 f. Vgl. OLG München JFG 16, 361 (362 f); KGJ 45, 168 (169 f); KGJ 49, 104 (107). Vgl. RGZ 5, 110 (111 f). Vgl. KGJ 42, 161 (162); OLG Oldenburg BB 1964, 573; OLG Düsseldorf DB 1970, 923; OLG Celle OLGZ 1972, 220 (221); s. auch OLG Celle GmbHR 1999, 1034 (zu § 3 UWG a.F.). 58 Vgl. KG HRR 1932, Nr. 252. 59 Vgl. OLG Hamburg OLGR 16, 83; OLG Hamburg LZ 1910, 90; KG JW 1926, 2930; BayObLG BB 1960, 996. 437
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können nicht nur Unternehmensträger, sondern auch Unternehmen oder Unternehmensteile. Der Unternehmensträger ist nicht verpflichtet, sich selbst mit seiner vollständigen Firma verzeichnen zu lassen. Es besteht keine dahingehende Verkehrserwartung oder ein diesbezügliches Informationsbedürfnis und mithin keine Firmenführungspflicht. Der Unternehmensträger kann daher auch eine andere Bezeichnung als seine vollständige Firma eintragen lassen. Dasselbe gilt grundsätzlich für sonstige Verzeichnisse, und zwar selbst dann, wenn die Bezeichnung unter der Rubrik „Firmenname“ aufgeführt wird;60 denn der Verkehr versteht die Firma bekanntlich auch als Bezeichnung des Unternehmens (Vor § 17 Rn 3, § 17 Rn 5). Anders ist nur dann zu entscheiden, wenn das Verzeichnis dazu dient, den Unternehmensträger genau zu identifizieren und daher hinsichtlich des konkreten Verzeichnisses eine berechtigte Verkehrserwartung besteht, die vollständige Firma zu erfahren. Abseits davon gilt in allen Fällen: Verwendet der Unternehmensträger seine Firma, muss er sie richtig und vollständig verwenden (Rn 12, 16). 31 Bei dem Abschluss von Verträgen61 bedarf es grundsätzlich der Bezeichnung der Parteien und mithin des Unternehmensträgers. Hierzu reicht es zwar nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre aus, dass die Parteien bestimmbar sind. Schon § 17 Abs. 1 erwartet aber, dass der Kaufmann seine Unterschrift unter seiner Firma abgibt (Ausn. § 17 Rn 56). Überdies besteht ein entsprechendes Informationsbedürfnis (und zwar, um Zweifel auszuschließen, auch im Rahmen ständiger Geschäftsbeziehungen) und daher eine Firmenführungspflicht. Dasselbe gilt bei Vornahme sonstiger Rechtsgeschäfte und der Abgabe von Willenserklärungen. Zudem kann § 37a bzw. eine seiner Parallelnormen eingreifen. Unter § 37a (bzw. seine gesellschaftsrechtlichen Parallelnormen) fallen richtigerweise auch 32 Rechnungen, wegen § 37a Abs. 2 aber nicht Lieferscheine (§ 37a Rn 15). Diese Ausnahme von der Angabepflicht ist zwar bei Kapitalgesellschaften europarechtlich bedenklich (§ 37a Rn 14). Ein Informationsbedarf, der eine vollständige Angabe der Firma erforderte, besteht jedoch nicht.62
IV. Kein subjektives Tatbestandsmerkmal 33 Ein Verschulden des Firmeninhabers bzw. Bezeichnungsverwenders setzen weder § 37 Abs. 1 noch Abs. 2 voraus. Umgekehrt hilft auch guter Glaube an die Zulässigkeit der Bezeichnungsführung nichts.63 Lediglich die Festsetzung eines Ordnungsgeldes setzt die schuldhafte Zuwiderhandlung gegen ein nach Abs. 1 ausgesprochenes Verbot voraus (Rn 44).
V. Kein Dispositionsrecht der Parteien 34 Ob der Firmengebrauch befugt oder unbefugt ist, hängt nicht von den Dispositionen der Parteien ab. Verstößt die Firmenführung gegen die Vorschriften oder Grundsätze des Firmenrechts, so bleibt sie auch dann unbefugt, wenn sie dem Verwender von einem anderen gestattet ist, gleichgültig, ob die Gestattung durch Vertrag oder durch einseitige geschäftsähnliche Handlung erfolgt. Denn die Gestattung kann die Geltung des dem öffentlichen Interesse dienenden Firmenrechts nicht aufheben. Sie kann lediglich die Annahme einer Rechtsverletzung i.S.d. § 37 Abs. 2 mit der Folge ausschließen, dass sich der andere nicht auf die Verletzung seiner Rechte berufen kann.64 Auf der anderen Seite sind die Parteien ebenfalls nicht in der Lage, den Tatbe60 61 62 63 64
Z.B. in Fachzeitschriften oder einem Messekompass, s. BGH NJW 1991, 2023. OLG Celle BB 1971, 1298 f. Im Ergebnis aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 3. RGZ 25, 1 (5); 76, 263 (265); 82, 164 (166); RG JW 1903, 342. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 9; HKzHGB/Ruß Rn 5.
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stand des unbefugten Firmengebrauchs durch Rechtsgeschäft zu erweitern. Deshalb kann der Unterlassungsanspruch des § 37 Abs. 2 nicht auf einen Vertrag gestützt werden, durch den sich der andere Teil verpflichtet, eine gesetzlich zugelassene Firma nicht zu führen. Eine derartige Erweiterung des § 37 Abs. 2 ist auch überflüssig, weil der Vertrag selbst den Anspruch und damit den Klagegrund ergibt.
C. Das Firmenmissbrauchsverfahren nach Abs. 1 Nach § 37 Abs. 1 ist derjenige, der eine ihm nicht zustehende Firma gebraucht, von dem Regis- 35 tergericht zur Unterlassung des Gebrauchs durch Festsetzung von Ordnungsgeld anzuhalten. Dabei hat das Gericht gem. § 392 FamFG (= § 140 FGG a.F.) nach §§ 388–391 FamFG (§§ 132–139 FGG a.F.) zu verfahren. Ob ein unbefugter Firmengebrauch gegeben ist, richtet sich nach den vorgenannten Regeln (Rn 8 ff).
I. Verfahrensziel Das Firmenmissbrauchsverfahren bezweckt, die Unterlassung des Gebrauchs einer bestimm- 36 ten unzulässigen Firma zu erreichen. Dagegen darf nicht umgekehrt erzwungen werden, dass eine bestimmte Firma gebraucht oder angemeldet wird, auch nicht, dass die Firma einer bestimmten Änderung unterzogen wird; denn es ist Recht und Pflicht des Kaufmanns, die Firma im Rahmen des vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsspielraums selbst zu wählen.65 Deshalb muss das Registergericht auch gegen den Gebrauch der gesetzwidrigen Firma im Ganzen vorgehen, darf also nicht erzwingen, dass die Führung eines gesetzwidrigen Firmenbestandteils für sich allein unterlassen wird.66 Auch die Löschung der Firma67 oder etwa die Entfernung eines Firmenschildes68 darf nicht verlangt werden; denn verlangt werden darf nur, was das Gesetz vorsieht. Dementsprechend darf das in (§ 31 Abs. 2 S. 2 i.V.m.) § 14 vorgesehene Zwangsgeldverfahren hier nicht eingesetzt werden (zum Verhältnis zum Amtslöschungsverfahren s. Rn 49).
II. Einschreiten von Amts wegen, gebundene Entscheidung Das Gericht hat von Amts wegen einzuschreiten, sobald es von einem unzulässigen Firmenge- 37 brauch i.S.d. § 37 Abs. 1 glaubhafte Kenntnis erhält (§ 392 i.V.m. § 388 Abs. 1 FamFG [§ 140 i.V.m. § 132 Abs. 1 FGG a.F.]). Erfährt die Industrie- und Handelskammer oder ein gleichgestelltes Selbstverwaltungsorgan von einem entsprechenden Sachverhalt, so folgt aus § 380 FamFG (§ 126 FGG a.F.), dass die Kammer das Gericht verständigen muss. Anträge auf Verfahrenseinleitung sind als Anregungen aufzufassen. Liegt nach Überzeugung des Gerichts ein unbefugter Firmengebrauch vor, „ist“ nach § 37 38 Abs. 1 ein Firmenmissbrauchsverfahren einzuleiten. Nach dem Wortlaut der Vorschrift steht dem Registergericht mithin kein Ermessen zu. Vielmehr handelt es sich um eine gebundene Entscheidung. Das Gericht hat gegen jeden unbefugten Firmengebrauch einzuschreiten. Das bestätigt auch der Wortlaut von § 388 FamFG (§ 132 FGG a.F.), auf den § 392 FamFG (§ 140 FGG a.F.) verweist. Gleichwohl gesteht die hM dem Registergericht ein Ermessen zu, und zwar allein 65 KG OLGR 6, 338 f; KG HRR 1932, 252; KGJ 48, 122 (124); aus der Literatur, statt aller BeckOK-HGB/Bömeke Rn 16 mwN. 66 RGZ 132, 311 f; KG NJW 1955, 1926 f; s. ferner BGH GRUR 1974, 162 (164); 1981, 60 (64). 67 MünchKommHGB/Krebs Rn 37; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 14, 17. 68 KG OLGR 5, 274 f; KG RJA 10, 35 (37). 439
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im Blick auf Fälle, in denen ein Bestandsschutz (Rn 11) in Frage steht.69 Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Ermessensentscheidung des Gerichts, sondern um eine Frage des materiellen Rechts. Das kann schon deshalb nicht anders sein, weil sonst in einem Verfahren nach § 37 Abs. 2 kein Bestandsschutz gewährt werden könnte. Die hM ist daher abzulehnen.70
III. Androhungsverfügung 39 Funktional zuständig für die Androhungsverfügung ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2 lit. d RPflG. Die Androhungsverfügung ist dem Adressaten förmlich bekannt zu machen, § 15 Abs. 2 FamFG (§ 16 FGG a.F.). Adressat der Androhungsverfügung ist der Einzelkaufmann oder Kleingewerbetreibende, der die Firma unbefugt führt. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften ist die Verfügung an den organschaftlichen Vertreter, bei mehreren Vertretern an alle zu richten.71 In der Verfügung ist dem Adressaten gem. § 392 FamFG (§ 140 FGG a.F.) unter Androhung 40 eines Ordnungsgeldes aufzugeben, sich entweder sofort des Gebrauchs der – genau zu bezeichnenden – Firma als Ganzes (s. Rn 36) zu enthalten oder innerhalb einer bestimmten Frist durch Einlegung eines Einspruchs gegen die Verfügung zu rechtfertigen. Die gesetzte Frist muss so bemessen sein, dass es dem Betroffenen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt möglich ist, die Verpflichtung zu erfüllen.72 Die Frist kann verlängert werden. Der Verlängerungsantrag muss aber vor Ablauf der Frist gestellt werden. Eine Fristverlängerung ist zudem von Amts wegen möglich.73 Die Verlängerungsentscheidung kann auch nach Fristablauf ergehen.74 Bei Fristversäumung gilt § 17 Abs. 1 FamFG (§ 22 Abs. 2 FGG a.F.). Anzudrohen ist nach Art. 6 Abs. 1 EGStGB ein Ordnungsgeld zwischen fünf und tausend Euro. In der Regel ist das Ordnungsgeld genau zu beziffern. Seine Höhe im konkreten Einzelfall richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Falles.75 Eine Angabe „bis zu“ ist zulässig, wenn die bezeichnete Obergrenze ernsthaft in Betracht kommt.76 Die Androhungsverfügung sollte begründet werden, so dass der Adressat wenigstens erkennen kann, welcher Firmenbestandteil unzulässig ist. Wenngleich das Gericht keine Firmenänderung verlangen darf (Rn 36), kann es in der Begründung überdies einen Hinweis geben, mit welcher Änderung seiner Ansicht nach eine gesetzeskonforme Firma zu erreichen ist.77
69 KG JFG 15, 54 (57); KG HRR 1929 Nr. 21; KG KGJ 36 A, 127 (129 ff); KG NJW 1965, 254 (255 f); OLG Zweibrücken OLGZ 1972, 391 (395); OLG Köln BB 1977, 1671; BayObLG NJW-RR 1989, 867; LG Göttingen BB 1959, 899; Heymann/ Förster HGB Rn 26; Hopt/Merkt Rn 6; Bokelmann Rn 832, 840 ff; Bassenge RPfleger 1974, 173 (175); Jansen NJW 1966, 1813 (1815); HKzHGB/Ruß Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 11 ff. 70 Staub/Hüffer4 Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 12, 15; Oetker/Schlingloff Rn 6; Oetker Handelsrecht § 4 Rn 107; MünchKommHGB/Krebs Rn 35; diff. Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6 der unter engen Voraussetzungen Ermessen bejaht, etwa bei Bestandsschutz aufgrund langjährigen Gebrauchs. 71 RGZ 56, 425; BayObLG NJW-RR 2000, 771; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 18; Oetker/Schlingloff Rn 7; Keidel/Heinemann FamFG § 388 FamFG Rn 28. 72 BGHZ 135, 107 (115); Keidel/Heinemann FamFG § 388 FamFG Rn 37; Bumiller/Harders/Schwamb § 388 FamFG Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; Oetker/Schlingloff Rn 7. 73 Keidel/Heinemann FamFG § 388 FamFG Rn 37; Bumiller/Harders/Schwamb § 388 FamFG Rn 18. 74 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 17; BGHZ 4, 390 (399); 83, 217 (219 f); 93, 300 (305). 75 BGHZ 135, 107 (115); Keidel/Heinemann FamFG § 388 FamFG Rn 38; Bassenge/Roth/K. Walter § 388 FamFG Rn 9. 76 BGH JR 1974, 200; OLG München JFG 15, 48; BeckOK FamFG/Schlögel § 388 Rn 30; Krafka Registerrecht Rn 2365; aA Keidel/Heinemann FamFG § 388 FamFG Rn 38; OLG Stuttgart, Beschl. v. 22.3.1972 – 8 W 104/72, FamRZ 1972, 470. 77 BayObLG JW 1929, 674 f. Burgard
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Gegen die Androhungsverfügung ist keine Beschwerde gegeben (§ 392 i.V.m. § 391 FamFG 41 [§ 140 i.V.m. § 132 Abs. 2 FGG a.F.]). Das gilt auch für bloß vorbereitende Verfügungen.78 Der Adressat kann seine Rechte daher nur durch einen Einspruch wahren.
IV. Einspruchsverfahren Sollte sich ein rechtzeitig eingegangener Einspruch als begründet erweisen, ohne dass es hierzu 42 Ermittlungen bedarf, so ist die Androhungsverfügung ohne weiteres aufzuheben. Andernfalls ist gem. § 392 i.V.m. § 390 Abs. 1 FamFG (§ 140 i.V.m. § 134 Abs. 1 FGG a.F.) ein Termin zu bestimmen.79 Erweist sich die Begründetheit des Einspruchs nach der mündlichen Verhandlung, ist die Verfügung ebenfalls aufzuheben, § 392 i.V.m. § 390 Abs. 3 FamFG (§ 140 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGG a.F.). Sonst wird der Einspruch verworfen. Über den Einspruch entscheidet gem. § 3 Nr. 2 lit. d RPflG ebenfalls der Rechtspfleger. Gegen die Verwerfung des Einspruchs ist nach § 392 i.V.m. § 391 Abs. 1 FamFG (§ 140 i.V.m. § 139 Abs. 1 FGG a.F.) sofortige Beschwerde gegeben.
V. Beschwerdeverfahren Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht, § 119 Abs. 1 lit. b GVG n.F. Gegen des- 43 sen Entscheidung ist schließlich Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof gegeben, § 133 GVG n.F.
VI. Festsetzung des Ordnungsgeldes Wird gegen die Androhungsverfügung kein (fristgerechter) Einspruch eingelegt, der Einspruch 44 zurückgenommen oder ist die Verwerfung des Einspruchs rechtskräftig, muss das Gericht von Amts wegen feststellen, ob der Adressat den unbefugten Firmengebrauch fortsetzt. Ist dies der Fall, so hat der Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 lit. d RPflG) gem. § 392 i.V.m. §§ 389 Abs. 1, 390 Abs. 4 S. 1 FamFG [§ 140 i.V.m. §§ 133 Abs. 1 Fall 1, 135 Abs. 2 S. 1 FGG a.F.] das Ordnungsgeld festzusetzen. Während Zwangsgeld (§ 14) ausschließlich auf die Erzwingung eines zukünftigen Verhaltens gerichtet ist, sanktioniert das Ordnungsgeld den vorausgegangenen Ordnungsverstoß und hat damit repressiven Charakter.80 Für seine Festsetzung ist daher überdies schuldhaftes Handeln Voraussetzung.81 An Verschulden kann es bei einem Handeln von Mitarbeitern ohne Wissen und Wollen des Firmeninhabers fehlen.82 Im Falle eines verworfenen Einspruchs kann das Gericht ausnahmsweise von der Festsetzung eines Ordnungsgeldes gem. § 392 i.V.m. § 390 Abs. 4 S. 2 FamFG (§ 140 i.V.m. § 135 Abs. 2 S. 2 FGG a.F.) absehen oder seine Höhe herabsetzen. Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes sind dem Adressaten gem. § 392 i.V.m. § 389 Abs. 2 45 FamFG (§ 140 i.V.m. § 138 FGG a.F.) zugleich die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Überdies ist zugleich, wenn kein fristgerechter Einspruch erhoben wurde, gem. § 392 i.V.m. § 389 Abs. 1 Fall 1 FamFG (§ 140 i.V.m. § 133 Abs. 1 Fall 2 FGG a.F.) die Androhungsverfügung zu wiederholen und in dieser Weise fortzufahren, bis der Gebrauch der unzulässigen Firma eingestellt oder Einspruch erhoben wird, § 392 i.V.m. § 389 Abs. 3 FamFG (§ 140 i.V.m. § 133 Abs. 2 FGG 78 BayObLGZ 1987, 279. 79 Ohne mündliche Verhandlung leidet eine Entscheidung in der Sache an einem so schwerwiegenden Verfahrensfehler, dass sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz (Rn 43) ohne sachliche Nachprüfung aufzuheben ist, OLG Düsseldorf FGPrax 1998, 149. 80 Näher zur Unterscheidung BayObLG NJW 1999, 297. 81 BVerfGE 84, 82 (87); OLG Frankfurt BB 1980, 960; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 17 mwN. 82 OLG Frankfurt BB 1980, 960. 441
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a.F.). Im Falle der rechtskräftigen Verwerfung des Einspruchs hat das Gericht zugleich mit der Festsetzung des Ordnungsgeldes und der Auferlegung der Verfahrenskosten gem. § 390 Abs. 5 FamFG (§ 135 Abs. 3 S. 1 FGG a.F.) eine erneute Androhungsverfügung zu erlassen und in dieser Weise fortzufahren, bis der Beteiligte entweder die Verpflichtung erfüllt oder Einspruch einlegt, § 390 Abs. 5, 388 FamFG (§§ 135 Abs. 3 S. 1, 132 FGG a.F.). 46 Die Festsetzung des Ordnungsgeldes ist mit Beschwerde (Rn 43) anfechtbar, § 392 i.V.m. § 391 Abs. 1 FamFG (§ 140 i.V.m. § 139 Abs. 1 FGG a.F.). Diese kann allerdings nur auf Mängel des Verfahrens der Ordnungsgeldfestsetzung und nicht etwa darauf gestützt werden, es läge kein unzulässiger Firmengebrauch vor.83 Nach Eintritt der Rechtskraft der Festsetzung ist das Ordnungsgeld zu vollstrecken. Eine 47 Aufhebung mit der Begründung, der unzulässige Firmengebrauch sei nicht mehr fortgesetzt worden, scheidet wegen des repressiven Charakters (Rn 44) des Ordnungsgeldes aus. Ein einmal festgesetztes Ordnungsgeld kann daher nicht mehr durch Nachholung der gebotenen Handlung bzw. Unterlassung vermieden werden. Ein Absehen von der Betreibung des Ordnungsgeldes ist daher nur im Gnadenwege möglich. Zahlungserleichterungen können gem. § 7 EGStGB in Anspruch genommen werden. Nach Eintritt der Verjährung (§ 9 EGStGB) darf das Ordnungsgeld nicht mehr vollstreckt werden.
VII. Verhältnis zu anderen Verfahrensarten 1. Eintragungsverfahren 48 Wird eine firmenrechtlich unzulässige Firma zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, so ist nach Ansicht des BayObLG grundsätzlich die Aussetzung des Anmeldeverfahrens bis zur Erledigung des Firmenmissbrauchsverfahrens geboten.84 Dem ist zuzustimmen; denn nur dadurch kann ein weiterer unbefugter Gebrauch der Firma ausgeschlossen werden (§ 29 Rn 13). Dagegen wird eingewandt, es sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten: Sei nach den Umständen des Einzelfalls nicht zu erwarten, dass der Anmelder den Gebrauch der Firma fortsetze, dann reiche eine bloße Zurückweisung der Anmeldung als milderes Mittel aus.85 Ohne Wiederholungsgefahr liegt jedoch schon kein unbefugter Gebrauch i.S.d. § 37 Abs. 1 vor (Rn 15). Unerheblich für die Entscheidung zwischen Missbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 und bloßer Zurückweisung der Anmeldung nach §§ 25 Abs. 1, 26 HRV ist zudem die funktionale Zuständigkeit.86 Zwar kann sie auseinander fallen, weil für manche Anmeldeverfahren nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter zuständig ist (§ 17 Nr. 1 lit. a, b RPflG). Diese unterschiedliche funktionale Zuständigkeit ist jedoch als Entscheidung des Gesetzgebers über den gesetzlichen Richter hinzunehmen. Und das bedeutet auch, dass sich die Entscheidung gerade nicht nach der funktionalen Zuständigkeit, sondern nach sachlichen Gesichtspunkten, d.h. hier nach der Wiederholungsgefahr richten muss.
2. Amtslöschung 49 Ist die unzulässige Firma im Handelsregister eingetragen, kann das Gericht entweder gem. § 395 FamFG (§ 142 FGG a.F.) im Löschungsverfahren oder nach § 37 Abs. 1 i.V.m. § 392 FamFG (§ 140 FGG a.F.) im Firmenmissbrauchsverfahren vorgehen.87 Die Ziele beider Verfahren sind unterschiedlich, 83 BayObLGZ 29, 82; OLG Hamburg OLGR 29, 304; LG Landau RPfleger 1970, 10; Keidel/Heinemann FamFG § 391 FamFG Rn 10. 84 BayObLG DB 1988, 1487; s. auch BayObLG DB 1989, 920. 85 MünchKommHGB/Krebs Rn 39. 86 So aber Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 26. 87 BayObLG BB 1989, 727; Baumbach/Hopt/Merkt Rn 8. Burgard
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nämlich dort Löschung im Register und hier Unterlassung des Firmengebrauchs. So gesehen könnten beide Verfahren unabhängig voneinander eingeschlagen werden.88 Zu vermeiden gilt es jedoch zum einen divergierende Entscheidungen, da für bestimmte Amtslöschungsverfahren der Richter zuständig ist (§ 17 Nr. 1 lit. e und f RPflG). Zum anderen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Regelmäßig wird sich daher empfehlen, mit dem Missbrauchsverfahren zu beginnen und abzuwarten, ob sich der Beteiligte unter dem Druck dieses Verfahrens bereit findet, der Firma eine zulässige Gestalt zu geben, wobei ein richterlicher Hinweis hilfreich sein kann (Rn 40). Meldet der Inhaber die erforderliche Firmenänderung gem. § 31 Abs. 1 an, erledigt sich die Amtslöschung. Das Löschungsverfahren kommt daher regelmäßig erst in Betracht, wenn das nur den konkreten Gebrauch der Firma untersagende Firmenmissbrauchsverfahren ohne Erfolg bleibt.89 Wird gleichwohl zunächst von Amts wegen gelöscht, so ist für das Missbrauchsverfahren nur noch insoweit Raum, als von der unzulässigen Firma auch außerhalb des Handelsregisters noch Gebrauch gemacht wird; denn der Gebrauch im Registerverkehr ist mit der Löschung erledigt. Nicht zu verwechseln ist das Amtslöschungsverfahren i.S.d. § 395 FamFG (§ 142 FGG a.F.) 50 mit dem Amtslöschungsverfahren nach § 31 Abs. 2 S. 2; dieses setzt eine bereits erloschene und nicht bloß eine unzulässige Firma voraus (§ 31 Rn 37).
3. Unterlassungsklage Das Firmenmissbrauchsverfahren nach § 37 Abs. 1 und die Unterlassungsklage nach § 37 Abs. 2 51 schließen sich schon aufgrund der unterschiedlichen Beteiligten nicht aus.90 Ist bereits eine Unterlassungsklage anhängig, empfiehlt es sich allerdings, das Missbrauchsverfahren bis zu deren rechtskräftigen Entscheidung gem. § 21 Abs. 1 FamFG (§ 127 FGG a.F.) auszusetzen.
D. Die Unterlassungsklage (Abs. 2 S. 1) Nach § 37 Abs. 2 S. 1 kann jeder, der in seinen Rechten dadurch verletzt wird, dass ein anderer 52 eine Firma unbefugt gebraucht, von diesem Unterlassung des Gebrauchs verlangen. Der Unterlassungsanspruch setzt somit zweierlei voraus, nämlich erstens einen unbefugten Firmengebrauch und zweitens Klagebefugnis des Anspruchstellers.
I. Unbefugter Firmengebrauch Unbefugter Firmengebrauch i.S.d. Abs. 2 und Gebrauch einer dem Verwender nicht zuste- 53 henden Firma i.S.d. Abs. 1 sind gleichbedeutend. Dafür kann man schon die Entstehungsgeschichte anführen: Bereits Art. 26 Abs. 2, 27 Abs. 1 ADHGB enthielten diese Formulierungen, ohne dass ihrer Unterschiedlichkeit Bedeutung zugemessen worden wäre.91 S. ferner die Erwägungen Rn 4 f. Erste Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs ist daher wie nach Abs. 1 der Gebrauch einer firmenrechtlich unzulässigen Firma (näher dazu Rn 8 ff). Beruht die Unzulässigkeit des Firmengebrauchs hingegen allein auf einem Verstoß gegen die §§ 12 BGB, 5, 15 MarkenG, §§ 3 ff UWG oder gegen vertragliche Abreden, ist § 37 Abs. 2 ebenso wenig wie § 37 Abs. 1
88 OLG Karlsruhe OLGR 42, 193; KG OLGZ 1965, 124 (127) = NJW 1965, 254; Höver DFG 1938, 208 f; Jansen NJW 1966, 1813 f; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan Rn 10.
89 Str., wie hier Hopt/Merkt § 37 Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 40; Staub/Hüffer4 Rn 24; Jansen NJW 1966, 1813 f; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 25; Bokelmann Rn 863. 90 Allg. M. MünchKommHGB/Krebs Rn 40; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 27. 91 MünchKommHGB/Krebs Rn 43; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 23 mwN. 443
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einschlägig (Rn 9, 34).92 Eine Verletzung von Rechten des Klägers ist allerdings Voraussetzung der Klagebefugnis.
II. Klagebefugnis 1. Jedermann 54 Die unbestimmte Bezeichnung „wer“ bedeutet, dass jedermann, also nicht nur Kaufleute, sondern etwa auch Privatleute einen Unterlassungsanspruch haben, wenn die übrigen Voraussetzungen der Norm erfüllt sind. Hieraus folgt zugleich, dass die erforderliche Rechtsverletzung nicht handelsrechtlicher Art sein muss, sondern auch privatrechtlicher Art sein kann (s. ferner Rn 58).93
2. Rechtsverletzung a) Begriff und Bedeutung 55 aa) Meinungsstand. Die Unterlassung des unbefugten Firmengebrauchs kann nach § 37 Abs. 2 nur fordern, wer dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Namentlich die Rechtsprechung des Reichsgerichts94 sah diese Voraussetzung nur bei Verletzung eines absoluten Rechts als erfüllt an. Sie stützte sich dabei auf den Wortlaut des Gesetzes und seine Entstehungsgeschichte: Obwohl im Gesetzgebungsverfahren auch eine der jetzt herrschenden Meinung entsprechende Fassung erwogen worden war, wurde der dem Art. 27 ADHGB entsprechende Wortlaut gewählt.95 Demgegenüber ist nach heute ganz herrschender Ansicht96 die unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen wirtschaftlicher Art erforderlich und genügend. Ausschlaggebend hierfür sind vor allem zwei Gründe: Erstens hätte § 37 Abs. 2 sonst auf Grund anderweitig gewährter Unterlassungsansprüche (insbes. §§ 5, 15 Abs. 4 MarkenG, §§ 12, 1004 BGB) kaum praktische Bedeutung, was zweitens zur Folge hätte, dass der Zweck des Gesetzes, Privatinitiative zur Durchsetzung der firmenrechtlichen Grundsätze nutzbar zu machen, verfehlt würde. Demgegenüber soll die Verletzung ideeller Interessen nicht ausreichen.97
56 bb) Stellungnahme. Der herrschenden Meinung ist aus den genannten Gründen98 zu folgen, zumal das historische Argument deswegen nicht verfängt, weil die Beibehaltung der Formulierung des ADHGB auf der Befürchtung beruhte, es bedürfe sonst kumulativ eines berechtigten Interesses und einer Rechtsverletzung.99 Darüber hinaus ist jedoch zu erwägen, bei nicht wirtschaftlich tä92 MünchKommHGB/Krebs Rn 44; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 7 aE; Oetker/Schlingloff Rn 11; aA in Bezug auf §§ 18, 200 UmwG Heidel/Schall/Lamsa Rn 4. Statt aller MünchKommHGB/Krebs Rn 45. RG JW 1902, 27; RG JW 1913, 435; RG JW 1932, 730 f; RGZ 114, 90 (94); RGZ 132, 311 (316). Näher Staub/Würdinger 3. Aufl. Rn 25. BGHZ 53, 65 (70); BGH BB 1972, 982; BGH WM 1979, 922 f; BGH NJW 1991, 2023; OLG Hamburg BB 1973, 1456; OLG Hamburg WRP 1977, 496 f; OLG Hamm WRP 1989, 325; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 30; Hopt/Merkt Rn 11; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9, jeweils mwN. 97 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 30; Heymann/Förster HGB Rn 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 28; MünchKommHGB/Krebs Rn 50 mwN. 98 Näher Staub/Hüffer4 Rn 29. 99 Protokolle über die Beratung zur Begutachtung des Entwurfs eines HGB; Sitzung vom 25.11.1895, Kommission Handel 56 f = Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Bd. 2. 1. Hb. 1988, 308 ff.
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tigen Personen (also z.B. bei Privatleuten oder Idealvereinen) die unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen ideeller Art ausreichen zu lassen; denn wirtschaftliche Interessen kann diese – grundsätzlich klagebefugte (Rn 54) – Personengruppe nicht geltend machen. Über die Verletzung ihres Namensrechts hinaus kann daher deren Privatinitiative nur mobilisiert werden, wenn auch die Verletzung rechtlich geschützter ideeller Interessen genügt (vgl. auch Anh. I zu § 37 Rn 37). Überdies können solche ideellen Interessen zumindest genauso schwer wiegen wie wirtschaftliche Interessen. Schließlich kann auch die Verletzung von rechtlich geschützten ideellen Interessen nicht von jedermann geltend gemacht werden, so dass nicht zu befürchten steht, dass der Zweck dieser Voraussetzung, Popularklagen auszuschließen (Rn 5), verfehlt würde. Für denkbare Beispiele s. Rn 68.
b) Eigenes Recht. Der Kläger kann grundsätzlich nur die Verletzung eines eigenen, ihm zuste- 57 henden Rechts, also nicht die Verletzung von Rechten Dritter geltend machen. Ein eigenes Recht hat auch der Erbe, sofern das verletzte Recht wie regelmäßig vererblich ist (zum Namensrecht s. Anh. I zu § 37 Rn 13). Das Zustimmungsrecht der Erben nach §§ 22 Abs. 1, 24 Abs. 2 kann daher die Klagebefugnis begründen.100 Dagegen kann der Gesellschafter einer in ihren Rechten verletzten Gesellschaft (vorbehaltlich der actio pro socio) nicht Unterlassung des unbefugten Firmengebrauchs fordern. Ebenso wenig kann ein Handelsvertreter im eigenen Namen als Kläger nach § 37 Abs. 2 auftreten, wenn ein Recht des Unternehmers durch unbefugten Firmengebrauch verletzt wird. Wohl aber kann der Lizenznehmer eines Kennzeichens klagebefugt sein (s. Anh. I zu § 37 Rn 29, Anh. II zu § 37 Rn 48). Streitig ist die Behandlung von Verbänden i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG: Während die hL vorträgt, sie würden die Interessen ihrer Mitglieder als eigene bündeln und könnten daher die Verletzung eigener Rechte i.S.d. § 37 Abs. 2 geltend machen,101 bezieht sich die Klagebefugnis gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nach Ansicht des BGH nicht auf Ansprüche außerhalb des UWG.102
c) Gestattung. Hat der Kläger dem Firmeninhaber die Führung der Firma bzw. des seine Rech- 58 te berührenden Firmenbestandteils durch Vertrag oder einseitige Erklärung gestattet, schließt dies eine Rechtsverletzung103 – und nicht erst die Rechtswidrigkeit der Verletzung104 – und damit den Unterlassungsanspruch aus. Dies gilt auch dann, wenn die vertragliche Gestattung als schuldrechtlicher Verzicht auf die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen auszulegen ist; denn das persönliche Klagerecht steht grundsätzlich zur Disposition des Klageberechtigten, selbst wenn es dem Schutzinteresse Dritter oder der Allgemeinheit dient. Freilich beseitigt eine solche Gestattung nur die Rechtsverletzung, nicht die Unzulässigkeit der Firma, so dass das Registergericht nicht gehindert ist nach § 37 Abs. 1 vorzugehen (Rn 34).
d) Verwirkung. Nachdem der Anspruch aus § 37 Abs. 2 zur Disposition des Klageberechtigten 59 steht (Rn 58), kann er auch verwirken (§ 242 BGB).105 Dem steht nicht entgegen, dass der An-
100 KGJ 46, 122 (124); OLG Hamm ZIP 1983, 1198 (1202); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 31 aE. 101 Staub/Hüffer4 Rn 30; MünchKommHGB/Krebs Rn 50; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 26; Röhricht/v. Westfalen/ Haas/Ries Rn 31; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 20.
102 BGH NJW 1997, 2817 (2819); näher MünchKommHGB/Krebs Rn 50. 103 Zutr. MünchKommHGB/Krebs Rn 51; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 27. 104 So aber OLG Saarbrücken NJWE-WettbR 1999, 284 (286); Staub/Hüffer4 Rn 31; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Reuschle Rn 21; unklar GKzHGB/Steitz Rn 17: Zustimmung lässt individuelles Klagerecht entfallen.
105 RGZ 167, 184 (190 f); Staub/Hüffer4 Rn 33; MünchKommHGB/Krebs Rn 52; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 28; Hopt/ Merkt Rn 12; Heymann/Förster HGB Rn 37; Ingerl/Rohnke Nach § 15 MarkenG Rn 258; offen gelassen von BGH WM 445
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spruch der Durchsetzung von Allgemeininteressen dient; denn die Verwirkung beseitigt nicht die Unzulässigkeit der Firma und daher auch nicht die Pflicht des Registergerichts nach § 37 Abs. 1 vorzugehen. Die Voraussetzungen der Verwirkung sollten sich an § 21 Abs. 1 und 2 MarkenG orientieren.106 Von der Frage der Verwirkung zu unterscheiden ist die Frage des Bestandsschutzes einer unzulässigen Firma (dazu Rn 11).
60 e) Verjährung. Die Möglichkeit der Verjährung des Unterlassungsanspruchs ist praktisch bedeutungslos, da die dreijährige Verjährungsfrist (§§ 195, 199 BGB) erst mit dem letzten Gebrauch der Firma beginnt. Solange der Gebrauch der Firma fortgesetzt wird, insbes. die Registereintragung fortbesteht, tritt daher keine Verjährung ein.107
61 f) Beweislast. Der Kläger trägt die Beweislast dafür, dass ihm das Recht oder rechtlich geschützte Interesse zusteht, dessen Verletzung er geltend macht. Misslingt die Beweisführung, so ist die Klage abweisungsreif, ohne dass es auf den unbefugten Firmengebrauch ankäme.
III. Kausalität 62 Die Rechtsverletzung muss „dadurch“ erfolgen, dass ein anderer eine unzulässige Firma gebraucht. Es muss also eine Kausalitätsbeziehung zwischen der Rechtsverletzung und dem Firmengebrauch bestehen. Ausgeschlossen sind damit Rechtsverletzungen, die auf einem anderen Grund als einem Firmengebrauch beruhen (z.B. dem Gebrauch einer Geschäftsbezeichnung). Davon zu unterscheiden ist der Fall, dass eine andere Bezeichnung (z.B. eine Geschäftsbezeichnung) firmenmäßig, also als Firma gebraucht wird. Diesen Fall erfasst § 37 Abs. 1 (Rn 53) und daher (Rn 12, 16 ff) auch Abs. 2. Nicht erforderlich ist schließlich, dass eine Kausalitätsbeziehung zwischen der Rechtsverletzung und der Unzulässigkeit des Firmengebrauchs besteht. Vielmehr erfasst § 37 Abs. 2 auch und gerade solche Fälle, in denen die Unzulässigkeit des Firmengebrauchs nicht auf der Rechtsverletzung beruht.
IV. Fallgruppen der Rechtsverletzung 1. Verletzung des Namensrechts i.S.d. § 12 BGB, des Firmenrechts oder eines sonstigen Unternehmenskennzeichens i.S.d. § 5 Abs. 2 MarkenG 63 Als verletztes Recht i.S.d. § 37 Abs. 2 kommt in erster Linie das Recht des Klägers an seinem bürgerlichen Namen,108 seiner Firma109 oder eines sonstigen Unternehmenskennzeichens in Betracht. Sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 12 BGB (dazu Anh. I zu § 37) oder aus §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4 MarkenG (dazu Anh. II zu § 37) gegeben, liegt stets zugleich eine Rechtsverletzung i.S.d. § 37 Abs. 2 vor. Ist dagegen der Anwendungsbereich dieser Normen zwar eröffnet, aber etwa mangels Priorität oder mangels Verwechselungsgefahr kein Anspruch gegeben, schei-
1993, 1248; aA bzw. sehr zurückhaltend Canaris Handelsrecht § 11 Rn 46; v. Gamm FS Stimpel, 1985, 1007 (1013 f); Weber 136 f.; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 33; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12. 106 MünchKommHGB/Krebs Rn 52. 107 Vgl. RGZ 49, 20 f; MünchKommHGB/Krebs Rn 53. 108 RGZ 56, 187 (190). 109 RGZ 110, 422 ff; 171, 30 (34); RG Recht 1924, Nr. 1319; RG LZ 1932, 39; RG JW 1939, 1226. Burgard
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det regelmäßig zugleich eine Rechtsverletzung aus.110 In Betracht kommt dann grundsätzlich111 nur noch eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen (s. Rn 55 f, 67 ff). Erforderlich ist zudem stets, dass der Beklagte den fremden Namen oder das fremde Unternehmenskennzeichen als seine Firma gebraucht,112 weil sonst die erforderliche Kausalität zwischen der Rechtsverletzung und dem Firmengebrauch fehlt (Rn 62), also gar kein firmenrechtlich relevanter Sachverhalt gegeben ist. Ergibt sich die Unzulässigkeit des Firmengebrauchs nur aus § 30 ist ferner zu beachten, dass der Unterlassungsanspruch aus § 37 Abs. 2 – anders als nach §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4 MarkenG – entsprechend örtlich begrenzt ist;113 denn die Reichweite des Anspruchs aus § 37 Abs. 2 ist auf den Verstoß gegen das Firmenrecht beschränkt (Rn 9).
2. Verletzung von sonstigen absoluten Rechten a) Immaterialgüterrechte. Als Grundlage eines Unterlassungsanspruchs kommt auch jedes 64 andere absolute Recht in Betracht. Zu denken ist etwa an die Verletzung eines Markenrechts, Patentrechts oder sonstigen Immaterialgüterrechts. So liegt in dem Gebrauch der Firma „Einzige Fabrik nikotinfreier Tabake, Patent, Dr. Kißling & Co.“ eine Verletzung des Patentrechts eines Klägers, dem ebenfalls eine Vorrichtung zum Entzug des Nikotins patentiert worden ist.114 Die Firmenführung kann auch das Recht an der Erfindung verletzen, etwa dann, wenn in der Firma unzutreffend ein Dritter als Erfinder benannt ist.
b) Allgemeines Persönlichkeitsrecht. Denkbar ist ferner, dass die Firmenführung zwar nicht 65 das Namensrecht eines Lebenden, wohl aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Verstorbenen verletzt (s. Anh. I zu § 37 Rn 13).
c) Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb? Das Reichsgericht hat ange- 66 nommen, die unbefugte Firmenführung könne das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verletzen und diese Rechtsverletzung vermöge die Unterlassungsklage nach § 37 Abs. 2 zu begründen.115 In dieser Annahme lag das Korrektiv für die wortgetreue, die Verletzung absoluter Rechte fordernde Auslegung des § 37 Abs. 2, welche die Verletzung rechtlich geschützter Interessen nicht genügen ließ (Rn 55). Da heute die Verletzung rechtlich geschützter Interessen wirtschaftlicher Art für die Anwendung des § 37 Abs. 2 genügt (Rn 55 f, 67), ist ein Zurückgreifen auf diese in Begründung und Begrenzung nicht unumstrittene Rechtsfigur überflüssig.116
3. Unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen a) Interessen wirtschaftlicher Art. Grundlage eines auf § 37 Abs. 2 gestützten Unterlassungs- 67 anspruchs kann auch die unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter wirtschaftlicher Interessen sein (Rn 55 f). Verletzung wirtschaftlicher Interessen schließt ideelle Interessen aus (s. aber Rn 56, 68) und bedeutet das Erleiden von wirtschaftlichen Nachteilen. Rechtlich geschützt ist 110 OLG Frankfurt a.M. – 6 U 27/16, BeckRS 2016, 11920; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 30. 111 Denkbar ist allerdings, dass der Firmengebrauch zwar nicht gegen §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 4 MarkenG, wohl aber gegen §§ 3 ff UWG verstößt; zum Verhältnis von UWG und MarkenG Bornkamm GRUR 2005, 97 (100 f) mwN. 112 RGZ 156, 363 (365 f). 113 RGZ 171, 30 (34). 114 RGZ 3, 164 (167). 115 RG JW 1910, 120 (122); RGZ 132, 311 (314); KG OLGR 30, 388. 116 Staub/Hüffer4 Rn 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 27; MünchKommHGB/Krebs Rn 49. 447
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das Interesse, wenn es den Schutz des Gesetzes erfährt, sei es auch in einem anderen Zusammenhang und gegen spezielle Beeinträchtigungsformen. Unmittelbar ist die Verletzung, wenn der wirtschaftliche Nachteil direkte Folge der Interessenverletzung ist. Ein betriebsbezogener Eingriff i.S.d. deliktsrechtlichen Unternehmensschutzes ist hierfür jedenfalls ausreichend, aber nicht erforderlich. Vielmehr ist die Unmittelbarkeit etwa auch dann zu bejahen, wenn sich der unbefugte Firmengebrauch nicht gegen das Unternehmen des Klägers richtet, aber der damit für das Unternehmen des Beklagten verbundene Wettbewerbsvorteil notwendig (auch) auf Kosten des klagenden Wettbewerbers verwirklicht wird. Zu Recht nimmt die Rechtsprechung daher eine unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter wirtschaftlicher Interessen bereits dann an, wenn Kläger und Beklagter Konkurrenten sind.117 Daran fehlt es, wenn die Parteien einander auf räumlich oder gegenständlich verschiedenen Märkten gegenübertreten.
68 b) Interessen ideeller Art. Bei nicht wirtschaftlich tätigen Personen (also z.B. bei Privatleuten oder Idealvereinen) genügt nach hier vertretener Ansicht ferner die unmittelbare Verletzung rechtlich geschützter Interessen ideeller Art (Rn 56). Als solches Interesse kommt etwa die Religionsfreiheit gem. Art. 4 GG in Betracht (vgl. § 18 Rn 3 aE).118
V. Klageantrag und Vollstreckung 69 Die Klage kann auf Unterlassung des Firmengebrauchs, auf Anmeldung der Löschung (Rn 70) und auf Unterlassung der Anmeldung (Rn 71) gerichtet werden. Dabei ist hinsichtlich des Klageantrags zweierlei zu beachten. Einerseits geht ein Antrag gegen die Verwendung eines bestimmten Firmenbestandteils in jedweder Firmierung oder in sonstiger Weise zu weit, weil sich nicht ausschließen lässt, dass der Beklagte einen Weg findet, den Firmenbestandteil in zulässiger Weise zu gebrauchen. Auch eine Klage auf Firmenänderung hat daher keine Aussicht auf Erfolg. Ein Unterlassungsantrag kann daher in der Regel nur gegen den angegriffenen Firmennamen in seiner vollständigen Gestalt gerichtet werden.119 Andererseits darf ein Löschungsantrag entgegen älterer Rechtsprechung120 und Literatur121 nicht auf die gesamte Firma gerichtet sein, wenn es zur Beseitigung der Beeinträchtigung ausreicht, dass ein bestimmter Firmenbestandteil gelöscht wird.122 Auch dies ist ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Das ist hier aus den genannten Gründen anders als im Firmenmissbrausverfahren nach § 37 Abs. 1 (s.o. Rn 36). Auch wenn nur ein Firmenbestandteil gelöscht wird, steht es dem Beklagten selbstverständlich frei, die Firma insgesamt zu ändern, und zwar nach dem Gesagten auch indem er den gelöschten Teil im Rahmen einer anderen Kombination verwendet, wenn diese neue Kombination keinen rechtlichen Bedenken begegnet.123 Da auch die Eintragung in das Handelsregister einen Gebrauch der Firma darstellt, kann 70 die Klage auf Anmeldung der Löschung gerichtet werden.124 Mit Rechtskraft der Entscheidung gilt dann die Löschungsanmeldung gem. § 894 ZPO als abgegeben; der Kl. kann dann zum Zweck der Löschung der unzulässigen Firma eine Urteilsausfertigung beim Registergericht vor117 BGH NJW 1991, 2023; OLG Hamm NJW-RR 1989, 549; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 25. 118 Vgl. ferner BGHZ 124, 173 (184 ff); aA BeckOK-HGB/Bömeke Rn 32 mwN. 119 St. Rspr. etwa RGZ 132, 311 f; BGH BB 1965, 1202; BGH GRUR 1968, 212 (213); BGH GRUR 1981, 60 (64); aus der Lit. etwa MünchKommHGB/Krebs Rn 54; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 34; Hopt/Merkt Rn 13. 120 BGHZ 65, 103 (106); BGH GRUR 1960, 34; 1968, 431 (433); OLG Hamm NJW 1959, 1973; KG NJW 1955, 1926 (1927). 121 Etwa Staub/Hüffer4 Rn 39. 122 Grundlegend BGH GRUR 1974, 162 (164); BGH GRUR 1981, 60 (64) m. Anm. Schulze zur Wiesche; wie hier auch Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 35; Heymann/Förster HGB Rn 40; aA MünchKommHGB/Krebs Rn 54. 123 BGH GRUR 1974, 162 (164); BGH GRUR 1981, 60 (64); v. Gramm FS Stimpel, 1007 (1012 f). 124 RGZ 3, 120; RGZ 3, 164 (168); RGZ 22, 58 (60); RGZ 37, 58 f; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle Rn 29; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 34; kritisch MünchKommHGB/Krebs Rn 55. Burgard
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legen.125 Eine einstweilige Verfügung kommt wegen des endgültigen Charakters der Maßnahme nicht in Betracht. Steht die Eintragung der Firma bevor, so ist die Klage auf Unterlassung der Anmeldung 71 zu richten. Für die Vollstreckung gilt § 890 ZPO. Insoweit kann auch eine einstweilige Verfügung erwirkt werden. Auf Urteil oder Verfügung gestützt, kann der Kläger der Eintragung gem. § 16 Abs. 2 widersprechen und sie damit verhindern. Soweit die Klage auf Unterlassung eines nicht mit der Registrierung zusammenhän- 72 genden Firmengebrauchs gerichtet ist, gilt für die Vollstreckung des Untersagungsurteils gleichfalls § 890 ZPO. Auch insoweit darf eine einstweilige Verfügung erlassen werden. Der Löschungsantrag (Rn 70) und der Unterlassungsantrag können in einer Klage gestellt werden. Die Verbindung ist zweckmäßig, wenn sich der Firmengebrauch wie regelmäßig nicht in der Eintragung erschöpft.
E. Schadensersatzansprüche (Abs. 2 S. 2) Abs. 2 S. 2 bringt nicht nur die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, dass der Unterlassungsan- 73 spruch nach § 37 Abs. 2 S. 1 Schadensersatzansprüche nach anderen Regelungen nicht ausschließt.126 Vielmehr folgt aus der Regelung, dass mit dem Unterlassungsanspruch selbst bei schuldhaften Verhalten des Beklagten nicht notwendig ein Schadensersatzanspruch verbunden ist; denn dies ist die Neuerung von § 37 Abs. 2 gegenüber Art. 27 Abs. 1 ADHGB, der den Unterlassungsanspruch noch mit einem Schadensersatzanspruch verband (Rn 5).127 Als sonstige Vorschriften, die einen Schadensersatzanspruch begründen, kommen insbes. §§ 5 Abs. 2, 15 Abs. 5 MarkenG (dazu Anh. II zu § 37) sowie subsidiär §§ 12, 823 Abs. 1 BGB (dazu Anh. I zu § 37) in Betracht.
125 OLG München, NZG 2013, 1114. 126 MünchKommHGB/Krebs Rn 56; Heymann/Förster HGB Rn 41. 127 MünchKommHGB/Krebs Rn 56; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 36. 449
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Anhang I zu § 37 § 12 BGB Namensrecht 1
Wird das Recht zum Gebrauch eines Namens dem Berechtigten von einem anderen bestritten oder wird das Interesse des Berechtigten dadurch verletzt, dass ein anderer unbefugt den gleichen Namen gebraucht, so kann der Berechtigte von dem anderen Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen.
Schrifttum Arndt Name und Wappen in ihrer Funktion als Familienkennzeichen, StAZ 1954, 40; Arz/Schmitt-Gaedke Der Namensschutz politischer Parteien, NJW 2013, 2729; Bayreuther Gewerblicher und bürgerlicher Rechtsschutz des Vereinssymbols, WRP 1997, 820; Becker Das Domainrecht als subjektives Recht, GRUR Int 2010, 940; ders. Positive und negative Zeichenberechtigung im Internet, WRP 2010, 467; Bußmann Name, Firma, Marke, 1937; v. Caemmerer Bereicherung und unerlaubte Handlung, Festschrift Rabel, Bd. I, 333; Diederichsen Funktionen des Namensrechts und das Funktionieren von Namen im Recht – Aspekte einer juristischen Onomastik, StAZ 1993, 345; Döring Ein Vornamensproblem in Europa, JR 2018, 75; Fezer Kumulative Normenkonkurrenz im Kennzeichenrecht, WRP 2000, 863; Forkel Zur Zulässigkeit beschränkter Übertragungen des Namensrechtes, NJW 1993, 3181; Goldbaum Zum Namensrecht, JW 1914, 169; Götting Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995; Greil/Wargowske Namensnutzung in multinationalen Unternehmensgruppen, IStR 2017, 12; Hefermehl Der namensrechtliche Schutz geschäftlicher Kennzeichen, Festschrift A. Hueck 1959 S. 519; Honig Ortsnamen in Warenbezeichnungen, WRP 1996, 399; Hubmann Das Persönlichkeitsrecht, 1983; Ingerl Allgemeiner Namensschutz für geistige Produkte, WRP 1997, 1127; Johannisbauer Verletzung der Namensrechte von Gebietskörperschaften – Praxisbericht zur Registrierung von zusammengesetzetn Domains, MMR 2015, 154; Klippel Der zivilrechtliche Schutz des Namens, 1985; Knaak Das Recht der Gleichnamigen, 1979; ders. Firma und Firmenschutz, 1986; Koch Neue Rechtsprobleme der Internetnutzung, NJW-CoR 1998, 45; Koebel Namensnennung in Massenmedien, JZ 1966, 389; H. Köhler Namensrecht und Firmenrecht, Festschrift Fikentscher, 1998, 494; Koos Der Name als Immaterialgut, GRUR 2004, 808; Krüger-Nieland Anwendungsbereich und Rechtsnatur des Namensrechts, Festschrift Rob. Fischer, 1979, S. 339; Lehmann Domains – weltweiter Schutz für Namen, Firma, Marke, geschäftliche Bezeichnung im Internet? WRP 2000, 947; LeyendeckerLangner Top-Level-Domains und Namensschutz aus § 12 BGB, MMR 2014, 288; Lindenmaier Namens- und Firmenschutz im Geschäftsverkehr, DB 1953, 629; Meyer Identität und virtuelle Identität natürlicher Personen im Internet, 2011; Opet Das Namensrecht des BGB, AcP 87 (1887); Plaß Neue Grundsätze für das Recht der Gleichnamigen? WRP 1999, 40; ders. Unternehmenskennzeichen im Wandel? WRP 2001, 661; Ramdohr Das Recht zum Gebrauch eines Namens nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, Gruchot 43, 1; von Randenborgh Zum Namensrecht der Handelsgesellschaften, DNotZ 1961, 508; Riecke Die Entwicklung des privaten Namens- und Firmenschutzrechts im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs nach dem Recht des Deutschen Reiches, Diss. Breslau 1933; Ruess Schutz von Kirche, Kreuz und Ritterorden – Gedanken zum Schutz religiöser Symbolik im Markenrecht, GRUR 2017, 32; Sack Die eigenmächtige Werbung mit fremden Namen als Delikt, WRP 1984, 521; Sagel-Grande Die wesentlichsten Güter im Namensrecht, NJ 1992, 537; Schmieder Name – Firma – Titel – Marke, JuS 1995, 119; Scholz Die Änderung der Gleichgewichtslage zwischen namensgleichen Unternehmen und das Recht auf die Namensmarke, GRUR 1996, 681; Schulz Namensrecht, MDR 1979, 638; Schwenzer Namensrecht im Überblick, Entwicklung – Rechtsvergleich – Analyse, FamRZ 1991, 390; Seifert Firmenrecht „online“ – Die sog. Internet-Domain als Bestandteil der Handelsfirma, Rpfleger 2001, 395; Siebert Das namensrecht im Verhältnis zum Firmen- und Wettberwerbsrecht, DB 1959, 641; Steding Das Recht der Firma und ihres Schutzes, BuW 1996, 586; Stratmann Internet domain-names oder Schutz von Namen, BB 1997, 689; Weidert/Lühring Was hat Vossius, was Shell nicht hat und umgekehrt? WRP 2002, 880; Weiler Irreführung über die Rechtsform durch Top-Level-Domains? K&R 2003, 601; Wietschel Der Schutz des Parteinamens im Wahlkampf, BayVBl. 1998, 488; Wittneben Die Vermarktung von Stadion-Namensrechten, WRP 2011, 1093; Wüstenberg Das Namensrecht der Domainnamen, GRUR 2003, 109; Wurster Aktuelle Entwicklungen im deutschen Domain-Namensrecht EuLF 2002, 61. S. ferner das Schrifttum zu Anhang II zu § 37.
Burgard https://doi.org/10.1515/9783111097510-027
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Anh. I § 37
Übersicht 2. 3.
A.
Grundlagen
I.
Norminhalt und Normzweck
II.
Rechtnatur des Namensrechts
III.
Anwendungsbereich von § 12 BGB
B.
Voraussetzungen
I. 1. 2. 3. 4.
Name 9 Name natürlicher Personen Name von juristischen Personen und Personen10 vereinigungen 11 Namensartige Kennzeichen 12 Namensartige Bildzeichen
II. 1. 2. 3.
Beginn und Ende des Namensschutzes 13 Bürgerlicher Name 14 Firma 15 Sonstige Namen und Kennzeichen
III.
Namensleugnung (S. 1 Fall 1)
IV. 1.
19 Namensanmaßung (S. 1 Fall 2) Gleicher Name (Zuordnungsverwirrung)
1 2 3
4.
23 Gebrauch (Verletzungshandlung) Unbefugt (Rechtswidrigkeit) 24 a) Überblick 25 b) Originäres Gebrauchsrecht 26 c) Abgeleitetes Gebrauchsrecht 30 d) Unredlicher Gebrauch 31 e) Nachrangiges Gebrauchsrecht 32 f) Gleichrangiges Gebrauchsrecht 35 g) Domainrecht 36 Interessenverletzung 37 a) Außerhalb des Geschäftsverkehrs 38 b) Innerhalb des Geschäftsverkehrs
C.
Rechtsfolgen
I.
Beseitigungsanspruch (S. 1)
II. 1.
Unterlassungsanspruch (S. 2) Voraussetzungen a) Wiederholungsgefahr b) Erstbegehungsgefahr 42 Anspruchsinhalt
2.
39
40 41
18 III.
Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 43 BGB
IV.
Weitere Anspruchsgrundlagen
20 46
A. Grundlagen I. Norminhalt und Normzweck § 12 BGB beinhaltet und bezweckt den individuellen Schutz des berechtigten Namensträ- 1 gers vor einer Verletzung seines Namensrechts. Liegt eine negative Verletzung durch Namensleugnung oder eine positive Verletzung durch Namensanmaßung vor, kann der berechtigte Namensträger von dem Verletzer nach S. 1 Beseitigung der Beeinträchtigung und nach S. 2, wenn weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind, Unterlassung verlangen. Der Name dient der Unterscheidung einer Person im Rechtsverkehr, sowohl im geschäftlichen als auch im allgemeinen Umgang, und damit zugleich ihrer Identität und Individualität.1 Aufgrund seiner Unterscheidungsfunktion hat der Name überdies Ordnungsfunktion.2 Insoweit besteht an einer den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Bildung und Führung des Namens ein öffentliches Interesse.3 § 12 BGB regelt allerdings nur den Schutz des Namens, nicht dessen Erwerb, Bildung, Änderung oder Verlust. Dies bestimmt sich nach anderen Vorschriften (näher Rn 13 ff).
1 Hubmann Das Persönlichkeitsrecht, 268 (276 ff); Sagel-Grande NJW 1992, 537 ff; Erman/Saenger Rn 1. 2 BVerfG NJW 1988, 1577; BVerwG NJW 1987, 2454; BeckOGK-BGB/Niebel Rn. 11. 3 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 12; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 3; Spindler/Schuster/Müller Recht der elektronischen Medien § 12 Rn 7; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 6; Staudinger/Fritzsche Rn 141. 451
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II. Rechtnatur des Namensrechts 2 Das Namensrecht ist nach einhelliger Ansicht ein absolutes Recht. Im Blick auf den bürgerlichen Namen ist ferner unstreitig, dass es sich um ein besonderes Persönlichkeitsrecht handelt. Zweifelsfrei ist überdies, dass geschäftliche Bezeichnungen i.S.d. § 5 MarkenG Immaterialgüterrechte sind. Streitig ist hingegen, ob es sich bei bürgerlichen Namen daneben auch bzw. bei Unternehmenskennzeichen ausschließlich um Immaterialgüterrechte handelt. Und streitig ist dementsprechend schließlich die Einordnung sonstiger Namen, also insbes. von Wahlnamen natürlicher Personen (Rn 9 aE) und von Namen nicht unternehmerisch tätiger juristischer Personen, z.B. von Idealvereinen.4 Richtigerweise ist wie folgt zu differenzieren:5 Grundsätzlich ist das Namensrecht ebenso wie das Firmenrecht (§ 17 Rn 50) ein Mischrecht. Dabei ist der persönlichkeitsrechtliche Charakter umso stärker, je mehr der Name oder das Kennzeichen durch ein personales Substrat geprägt ist und dementsprechend umso schwächer, je weniger dies der Fall ist. Deswegen steht bei dem bürgerlichen Namen nach wie vor der Schutz der Persönlichkeit des Namensträgers im Vordergrund, wohingegen bei Sach- und Phantasiekennzeichen der Immaterialgüterrechtscharakter stärker hervortritt. Wenngleich bei dem bürgerlichen Namen der Schutz der Persönlichkeit des Namensträgers im Vordergrund steht, werden mithin auch die kommerziellen Belange des Namensträgers geschützt.6 Selbst bei einer Registrierung des bürgerlichen Namens als Marke i.S.d. MarkenG zieht jedoch das Persönlichkeitsrecht des Namensträgers dem Umfang und der Reichweite von Lizenzen besondere Grenzen (s. dazu Rn 26 ff), die bei bloßen Sach- und Phantasiekennzeichen ohne persönlichkeitsrechtlichen Charakter nicht bestehen.
III. Anwendungsbereich von § 12 BGB 3 Ausweislich der systematischen Einordnung in den Titel 1 ist Schutzsubjekt von § 12 BGB zuvörderst die natürliche Person und Schutzobjekt in erster Linie deren bürgerlicher Name. Dieser Anwendungsbereich wurde, teilweise in analoger Anwendung,7 von der Rechtsprechung indes schon früh erheblich ausgeweitet. In subjektiver Hinsicht werden von § 12 BGB heute auch juristische Personen und Personenvereinigungen aller Art (Rn 10), in objektiver Hinsicht auch namensartige Kennzeichen und namensartige Bildzeichen (Rn 11 f) geschützt. 4 Dieser weite Anwendungsbereich wird allerdings durch §§ 5, 15 MarkenG stark eingeschränkt bzw. ist diesem gegenüber subsidiär.8 In zahlreichen Entscheidungen jüngeren Datums hat der BGH das Markenrecht als spezielle Regelung eingestuft, die in ihrem Anwendungsbe-
4 Für eine Einordnung als Persönlichkeitsrecht: RGZ 119, 44 (47); BGHZ 32, 103 (111); 119, 237 (242); 143, 214; BGH GRUR 1959, 430 (431); Ennecerus/Nipperdey § 100 I; Hubmann Das Persönlichkeitsrecht, § 36, 216 (218, 276); Bussmann Name, Firma, Marke, 12; Medicus AT Rn 1072; Larenz/Wolf AT § 8 Rn 7 ff; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 7 (für das bürgerliche Namensrecht, das Firmenrecht wird als Mischrecht erfasst); Brox AT § 33 Rn 715 ff. Für eine Einordnung als Mischrecht: BGH GRUR 1987, 128; Koos GRUR 2004, 808 (813); Staudinger/Fritzsche Rn 19 ff; Ingerl/Rohnke § 15 MarkenG Rn 6 (zu den geschäftlichen Bezeichnungen im Sinne des § 5 MarkenG); MünchKommHGB/Heidinger § 17 Rn 42; K. Schmidt Handelsrecht § 12 Rn 34 ff; Götting Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 86 f, 122, 279. Als reines Immaterialgüterrecht sieht den Namen im geschäftlichen Bereich Fezer ZHR 161 (1997), 52 ff; Fezer § 15 MarkenG Rn 60. 5 Ausf. MünchKommBGB/Säcker Rn 2 ff. 6 BVerfG NJW 2006, 3409 (Nichtannahmebeschluss); BGHZ 143, 214 (Marlene Dietrich); 169, 193; LG München ZUMRD 2000, 549; LG München Urt. v. 21.6.2001, Az. 17 HKO 8504/01, InstGE 2, 37; LG München ZUM-RD 2003, 601; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn. 9; siehe ebenso Palandt80/Ellenberger BGB Rn. 2 mwN. 7 Siehe hierzu Lampe/Uphues NJW 2021, 730 (735) mwN; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn. 13. 8 Lampe/Uphues a.a.O; OLG München – 6 U 2488/11, GRUR-RR 2012, 346. Burgard
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reich dem bürgerlich-rechtlichen Namensschutz vorgeht.9 Jedenfalls dann, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Rechtsverletzer den Namen bzw. das Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr, d.h. zu beruflichen oder erwerbswirtschaftlichen Zwecken („Branchennähe“10) verwenden, wird § 12 BGB von §§ 5, 15 MarkenG verdrängt. § 12 BGB findet mithin nur noch auf den Gebrauch von Namen und namensartigen Kennzeichen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs, d.h. zu rein privaten, ideellen, kulturellen, wissenschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Zwecken, Anwendung (s. auch Anh. II zu § 37 Rn 22).11 Der Anwendungsbereich von § 12 BGB beschränkt sich daher auf vier Fallkonstellationen:12 Erstens: Sowohl der Berechtigte als auch der Verletzer handeln außerhalb des geschäftlichen Verkehrs. Außerhalb des geschäftlichen Verkehrs können beispielsweise der bürgerliche Name, Wahlnamen natürlicher Personen, Namen von Idealvereinen und Stiftungen, Namen von Religionsgemeinschaften und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts verwendet werden. Zu beachten ist aber, dass all diese Personen unter ihrem Namen auch am geschäftlichen Verkehr i.S.d. Markenrechts teilnehmen können, so z.B. ein Freiberufler oder ein Idealverein, der sich innerhalb des sog. Nebenzweckprivilegs erwerbswirtschaftlich betätigt. Zu beachten ist ferner, dass auch ideelle (z.B. sportliche) oder kulturelle (z.B. Theater) Tätigkeiten erwerbswirtschaftliche Zwecke haben können. Zweitens: Keine Anwendung finden die §§ 5, 15 MarkenG ferner, wenn der Berechtigte außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelt. So liegt es etwa, wenn der Kaufmann A seine Firma unter Verwendung des bürgerlichen Namens von B bildet (vgl. § 18 Rn 56), ohne dass dieser die erforderliche namensrechtliche Gestattung (Rn 26 ff sowie § 22 Rn 42 ff, § 24 Rn 26 ff) erteilt hat. Drittens: Ebenfalls keine Anwendung finden die §§ 5, 15 MarkenG, wenn der Verletzer außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelt. Solche Fälle waren früher eine Seltenheit (z.B. sog. Markenparodie). Mit der Verbreitung des Internets haben sie jedoch erhebliche Bedeutung gewonnen. Ein Namenskonflikt tritt hier immer schon dann auf, sobald jemand zu nicht geschäftlichen Zwecken den Namen eines Geschäftstreibenden als Domain-Namen registrieren lässt (so im Fall BGHZ 149, 191: Registrierung des Domain-Namens „shell.de“ zugunsten einer rein privaten Nutzung durch eine natürliche Person mit dem bürgerlichen Namen „Andreas Shell“). Viertens: Schließlich kann § 12 BGB eingreifen, wenn zwar beide Parteien im geschäftlichen Verkehr handeln, ein markenrechtlicher Schutz des Berechtigten aber ausscheidet, weil einzelne Tatbestandsmerkmale des § 15 MarkenG nicht erfüllt sind.13 So liegt es etwa, wenn der angebliche Verletzer einen Namen derart branchenfern einsetzt, dass keine Verwechselungsgefahr i.S.d. § 15 Abs. 2 MarkenG zu besorgen ist und auch die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 MarkenG nicht vorliegen. In dieser Fallgestaltung kann der Berechtigte trotz der Spezialität des markenrechtlichen Schutzes nach § 12 BGB vorgehen, wenn in der Namensnutzung durch den Verletzer eine unbefugte Namensanmaßung zu sehen ist. Das ist allerdings dann nicht gegeben,
9 BGH GRUR 1998, 696 (697); GRUR 2000, 1032 (1034); GRUR 2002, 340 (342); GRUR 2002, 622; GRUR 2002, 706; GRUR 2003, 973 (974); GRUR 2003, 332 (335); GRUR 2004, 235; GRUR 2005, 419; GRUR 2005, 423; GRUR 2005, 430; Starck FS Erdmann, 485; Wüstenberg GRUR 2003, 109; Piper GRUR 1996, 429; Sack WRP 1995, 81 (93 ff); BGH – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 (305 f). AA Fezer § 2 MarkenG Rn 26; Fezer WRP 2000, 863; diff. Bornkamm GRUR 2005, 97 (101); Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler § 4 UWG Rn 1.9, 4.77. 10 BGH – I ZR 153/12, GRUR 2014, 506. 11 BGHZ 149, 191; BGH NJW 2002, 2031 (2096); LG Hamburg – 312 O 100/18, GRUR-RS 2018, 25822; BGH – I ZR 153/ 12, GRUR 2014, 506: Eröffnung des Anwendungsbereichs des § 12 BGB, wenn der Domainname noch nicht benutzt wird. 12 MünchKommBGB/Säcker Rn 199 ff. 13 Vgl. hierzu LG Düsseldorf – 2a O 268/09, BeckRS 2011, 25537, wo §§ 12, 823, 1004 Abs. 1 BGB analog angewendet wurden. 453
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wenn der angebliche Verletzer durch die Namensnutzung ein eigenes Recht nach § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG erworben hat.14
B. Voraussetzungen I. Name 1. Name natürlicher Personen 9 Im Ausgangspunkt bezieht sich § 12 BGB auf den bzw. die Namen einer natürlichen Person.15 Für natürliche Personen hat das Gesetz als Zwangsnamen den bürgerlichen Namen vorgesehen. Der bürgerliche Name besteht aus dem Vor16- und Familiennamen.17 Mit der bloßen Verwendung des Vornamens ist allerdings regelmäßig kein Eingriff in das Namensrecht verbunden, weil und soweit der Gebrauch des Vornamens vom Verkehr nicht als Hinweis auf eine bestimmte Person verstanden wird.18 Zum Familiennamen gehören auch Adelsprädikate (Art. 109 Abs. 3 S. 2 WeimRV, Art. 123 GG), nicht aber akademische Grade.19 Von § 12 BGB geschützt ist ferner der Geburtsname eines Ehegatten, der den Namen des anderen Gatten als Ehenamen führt.20 Als Zwangsname ist die Führung des bürgerlichen Namens gesetzlich vorgeschrieben.21 Bei Erklärungen gegenüber Behörden muss er verwendet werden.22 Einzelkaufleute sind überdies zur Führung einer Firma verpflichtet (§ 17 Rn 51 ff; § 37 Rn 12 f). Auch diese wird von § 12 BGB geschützt.23 Geschützt werden schließlich sog. Wahlnamen einer natürlichen Person wie Künstlernamen, Pseudonyme („Chuck Norris“24), Aliasnamen25 oder Decknamen, die frei gewählt und verwandt werden können.26 Der Namensschutz erstreckt sich ebenso auf Ab- und Verkürzungen.27 14 BGH NJW 2005, 1196; OLG Köln NJW-RR 2006, 1699. 15 Siehe zu den derzeitigen Reformbemühungen Gössl, Reform des Namensrechts – große Sprünge oder kleine Schritte?, ZRP 2020, 183ff. 16 Döring JR 2018, 75 (79) schlägt, da der Rufname von Personen aus süd- und westslawischsprachigen Ländern von deren eigentlichen Vornamen verschieden ist, zusätzlich die gesetzliche Einführung eines Rufnamens vor; vgl. BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 26, wonach der Vornahme über ein Minimum an Unterscheidungskraft zu verfügen hat; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 18. 17 Erman/Saenger Rn 10; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 5; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 21; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 8; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 19; Staudinger/Fritzsche Rn 23; OLG München – 31 Wx 332/ 11, FGPrax 2012, 65: Kind erhält den Familiennamen eines Elternteils als dritten Vornamen; vgl. ebenso, insb. zur Einschränkung des Namenswahlrechts der Eltern durch das Kindswohl: OLG Frankfurt a.M. – 20 W284/10, NJW-RR 2011, 1013. 18 Näher MünchKommBGB/Säcker Rn 9; Soergel/Heinrich Rn 93 ff; Staudinger/Fritzsche Rn 3. 19 BGHZ 38, 380; näher dazu MünchKommBGB/Säcker Rn 13, 17; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 20; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 27 u. Rn 30; Soergel/Heinrich Rn 4 ff; Staudinger/Fritzsche Rn 42 ff, 49 ff. 20 RG JW 1925, 363; OLG München WRP 1982, 662. 21 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 5; Palandt80/Ellenberger BGB Rn 4. 22 Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 5; MünchKommBGB/Säcker Rn 6; Staudinger/Fritzsche Rn 141; vgl. § 111 OWiG, § 5 Abs. 1 Nr. 1 PAuswG, §§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 PassG, §§ 11 Abs. 1, 21 PStG. 23 Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 25; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 31; MünchKommBGB/Säcker Rn 20; Erman/Saenger Rn 13; Staudinger/Fritzsche Rn 25. 24 LG München I – 33 O 4888/15; siehe für weitere Beispiele etwa BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 29 mwN; Palandt80/Ellenberger BGB Rn 7. 25 OLG Düsseldorf – I-20 U 67/12, GRUR-RR 2013, 384; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 24. 26 Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 5; MünchKommBGB/Säcker Rn 10 f; Erman/Saenger Rn 10; Staudinger/ Fritzsche Rn 30 f. 27 OLG Frankfurt a.M. – 16 U 239/09, GRUR 2010, 488 (489); OLG Köln – 1 W 17/17, GRUR-RR 2018, 219 ff zur Kurzbezeichnungen von Parteinamen; OLG Köln – 7 U 85/18, MMR 2018, 750 (751). Burgard
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2. Name von juristischen Personen und Personenvereinigungen Obwohl § 12 BGB im Titel über natürliche Personen steht, schützt die Vorschrift auch die Namen 10 von juristischen Personen des privaten und öffentlichen Rechts28 („Polizei“29) sowie aller Arten von Personenvereinigungen unabhängig von ihrer Rechtsfähigkeit.30 Unerheblich ist auch, ob eine Pflicht zur Namensführung besteht (z.B. nach § 17) oder ob die Bildung des Namens gesetzlich geregelt ist (z.B. § 18 ff) oder nicht. Erfasst werden daher insbes. die Firmen aller firmenfähigen Rechtsträger (§ 17 Rn 5 ff), die Namen von Partnerschafts-31 und BGB-Gesellschaften,32 von Vor-Gesellschaften,33 von Investmentfonds,34 von rechtsfähigen35 und nicht rechtsfähigen36 Stiftungen, von eingetragenen37 und nicht eingetragenen38 Vereinen, einschließlich der Namen von politischen Parteien39 und der Gewerkschaften,40 die Namen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie u.U. von rechtlich unselbständigen Funktionseinheiten der öffentlichen Verwaltung41 und schließlich der Name von Religionsgemeinschaften42 und ihrer Untergliederungen.43
3. Namensartige Kennzeichen Von § 12 BGB geschützt werden ferner namensartige Kennzeichen, die dazu bestimmt und geeig- 11 net sind, die Person des Zeicheninhabers, dessen Unternehmen oder Unternehmensteile, insbes. Betriebsstätten mit sprachlichen Mitteln zu bezeichnen.44 Zu solchen namensartigen Kennzei28 Hierbei kommt es nach OVG Magdeburg – 4 L 156/11, LKV 2012, 181: „… im Rahmen des Namensschutzes von juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur auf den von ihnen offiziell geführten Namen an.“; BeckOK-BGB/ Bamberger/Förster Rn 13 mwN; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 38. 29 OLG Hamm – 12 U 126/15, MMR 2016, 691, denn der Begriff bezeichnet die jeweilige Behörde selbst und nicht nur lediglich ihre Funktion. 30 RGZ 78, 101 (102); BGHZ 120, 103 (106); BGH GRUR 1976, 311 (312); KG WRP 1990, 38; OLG Hamm NJW-RR 1992, 301; OLG München NJW-RR 1993, 621; OLG Hamm 1994, 868. 31 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 32; Soergel/Heinrich Rn 138a. 32 BGH GRUR 2002, 706; KG WRP 1990, 38; Voraussetzung ist freilich, dass die GbR überhaupt einen Namen führt, OLG München NJW-RR 1993, 621. 33 BGHZ 120, 103. 34 Fuchs/Czernik Die Kennzeichnungsfähigkeit von Investmentfonds, GRUR 2015, 852 (853). 35 BGHZ 103, 171. 36 OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1305; OLG Jena – 2 U 41/12, GRUR-Prax 2013, 225. 37 RGZ 74, 114; BGH GRUR 1953, 446; GRUR 1955, 586; NJW 1970, 1270; GRUR 2005, 517; OLG Hamm – 14 U 17/13, GRUR-RS 2013, 21344; OLG Düsseldorf – I-20 U 180/11, MMR 2012, 563. 38 RGZ 78, 101 (102); RG JW 1925, 2150; MuW 1926, 203; JW 1927, 1584 m. Anm. Adler; Schmieder JuS 1995, 119 ff. 39 BGHZ 79, 265; LG Hannover NJW 1994, 1356, BGHZ 43, 245; OLG Hamburg NJW 1959, 1927; OLG Frankfurt NJW 1972, 794; OLG Karlsruhe NJW 1972, 1810; LG Bielefeld GRUR-RR 2004, 59; iE auch BVerfG DtZ 1991, 27; OLG Köln DtZ 1991, 27; LG Hamburg GRUR-RR 2005, 67 (68); Wietschel BayVBl. 1998, 488); vgl. OLG Karlsruhe – 13 U 162/12, NJW 2014, 706 f.; BGH – I ZR 191/10, GRUR 2012, 539; OLG Köln – 1 W 17/17, GRUR-RR 2018, 219 (220): Zwischen zwei politischen Parteien wird der Namensschutz durch § 4 PartG erweitert; OLG Köln – 7 U 85/18, MMR 2018, 750; Zum Schutz von Farbbezeichnungen für politische Parteien siehe LG Köln – 31 O 401/17, GRUR-Prax 2019, 141. 40 BGHZ 43, 245. 41 Näher dazu MünchKommBGB/Säcker Rn 22; Soergel/Heinrich Rn 30, 134 ff; Staudinger/Fritzsche Rn 69 ff jeweils mwN; OLG München – 29 U 2103/11, BeckRS 2012, 7095, für den Fall einer teilrechtsfähigen Entschädigungseinrichtung; Verneinend für einen Zweckverband: LG Frankfurt a.M. – 2/6 O 167/10, NJOZ 2011, 40. 42 BGHZ 124, 173; BGHZ 161, 216; LG Frankfurt MMR 2004, 113. 43 BGHZ 161, 216; Zur Schutzfähigkeit des Namens eines Klosters gem. § 3 Abs. 1 MarkenG i.V.m § 12 BGB siehe BPatG – 27 W (pat) 548/14, GRUR 2015, 496 (497) mwN. 44 MünchKommBGB/Säcker Rn 26 ff; siehe Palandt80/Ellenberger Rn 10 ff; OLG Köln – 11 U 136/11, MMR 2013, 540; BGH – I ZR 153/12, GRUR 2014, 506 f. 455
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chen gehören insbes. Firmenschlagworte45 und Firmenabkürzungen46 (zu diesen Begriffen Anh. II zu § 37 Rn 8), Minderfirmen und Etablissementbezeichnungen47 (zu diesen Begriffen Vor § 17 Rn 15 ff), Telegrammadressen und Fernschreibkennungen,48 Telefon- und Telefaxnummern49 sowie Internet-Adressen (sog. Domain-Namen).50
4. Namensartige Bildzeichen 12 Schließlich fallen unter den Schutz des § 12 BGB namensartige Bildzeichen, die nicht durch Worte ausgedrückt werden können. Dazu gehören etwa das Wahrzeichen des Roten Kreuzes,51 Wappen und Siegel,52 Unternehmenslogos,53 Sonnenblumensymbol einer kommunalen Wählergemeinschaft54 sowie Vereinsembleme.55
II. Beginn und Ende des Namensschutzes 1. Bürgerlicher Name 13 Der Schutz des bürgerlichen Namens entsteht kraft Gesetzes mit seinem Erwerb. Der Familienname wird insbes. durch Geburt, Adoption und Eheschließung (§§ 1616–1618, 1757, 1767 Abs. 2, 1355 BGB, §§ 25 f PStG) erworben, der Vorname von dem oder den Personensorgeberechtigten verliehen.56 Ein Verlust des bürgerlichen Namens ist ausgeschlossen, seine Änderung – abseits des Familienrechts – nur ausnahmsweise nach dem Namensänderungsgesetz bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Verwaltungsakt möglich.57 Mit dessen Bekanntgabe führt der Antragsteller den neuen Namen, mit der Folge, dass der Schutz für den bisherigen Namen verloren
45 Siehe als Beispiel etwa OLG Hamburg – 3 U 59/11, MMR 2016, 252: „Creditsafe“; „FC Bayern“: OLG Köln – 6 U 208/09, NJOZ 2010, 1926.
46 RGZ 100, 182 (186); 109, 213; 117, 215; BGHZ 4, 167 (169); 11, 214 (215); 14, 155; 15, 109; 24, 238; 43, 245 (252); 79, 265; 103, 171; 124, 173; BGH GRUR 1985, 461; GRUR 1988, 560; GRUR 1991, 153; GRUR 1991, 157; GRUR 1991, 331; GRUR 1992, 329; GRUR 1993, 913 (914); GRUR 1995, 269; GRUR 1995, 507; GRUR 1997, 468 (469); GRUR 2000, 504; GRUR 2001, 344; GRUR 2001, 1161; GRUR 2002, 626 (628); GRUR 2002, 898; GRUR 2005, 262; GRUR 2005, 430 (431); GRUR 2006, 159 (160); OLG Frankfurt NJW 2002, 2400; OLG München GRUR-RR 2002, 107 (108); OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 226; zum Markenschutz BGH GRUR 2004, 600; OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 1341; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 626 (627); OLG Hamburg CR 2002, 833; OLG Hamburg MMR 2002, 167; OLG Köln – 6 U 208/09, NJOZ 2010, 1926. 47 RG MuW 1912, 508; BGH GRUR 1977, 165 (166); GRUR 2003, 792 (793); BPatG Beschl. v. 2.6.2008, Az. 30 W (pat) 170/06; OLG München DB 2008, 1091; LG Bonn NJW-RR 2005, 1559; LG Düsseldorf Urt. v. 25.1.2006, Az. 34 O 211/ 05, InstGE 6, 168; LG Frankenthal Beschl. v. 22.8.2006, Az. 1 T 279/06, JurBüro 2006, 607; LG Stuttgart GRUR-RR 2006, 333; vgl. OLG Frankfurt a.M. – 6 U 19/16, BeckRS 2016, 15042; aus der Lit. statt vieler BeckOGK-BGB/Niebel Rn 36. 48 BGH GRUR 1986, 475 (476). 49 BGHZ 8, 387 (389); BGH GRUR 1957, 281; BGH GRUR 1990, 711 (713); BeckOGK-BGB/Niebel Rn 46. 50 Näher dazu MünchKommBGB/Heine Rn 228 ff; Soergel/Heinrich Rn 152a; Staudinger/Fritzsche Rn 100 jew. mwN. 51 BGHZ 126, 287. 52 RGZ 71, 262 (264); BGHZ 119, 237; BGH NJW-RR 2002, 1401; OLG Karlsruhe GRUR 1986, 479 (480 f); BeckOGKBGB/Niebel Rn 41. 53 Ingerl/Rohnke § 5 MarkenG Rn 11; Fezer § 15 MarkenG Rn 206, 227; Staudinger/Fritzsche Rn 107; MünchKommBGB/Säcker Rn 29; OLG Stuttgart NJWE-WettbR 2000, 165. 54 OLG Hamm – 14 U 17/13, GRUR-RS 2013, 21344. 55 BGH GRUR 1976, 644 (646); MünchKommBGB/Säcker Rn 34; Säcker WRP 1997, 820. 56 Näher dazu Palandt80/Götz Einf v § 1616 BGB Rn 9. 57 Siehe beispielhaft etwa OVG Berlin-Brandenburg – OVG 5 N 19.15, BeckRS 2017, 130914. Burgard
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geht.58 Abseits davon erlischt das Recht an dem bürgerlichen Namen grundsätzlich mit dem Tod des Namensträgers.59 Als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann es aber auch noch nach dem Tod des Namensträgers vor Verletzungen durch Missbrauch und Verunglimpfung geschützt werden.60 Die Wahrnehmung obliegt den Angehörigen.61 Soweit die vermögenswerten Bestandteile des Namensrechts betroffen sind, können diese auch auf den Erben übergehen und von diesem geltend gemacht werden.62
2. Firma Der namensrechtliche Schutz der Firma setzt voraus, dass diese entstanden ist (dazu § 17 14 Rn 31 f) und in firmenrechtlich zulässiger Weise (insbes. gem. §§ 18–24, 30 HGB) gebildet wurde.63 Dementsprechend endet der Schutz der Firma mit ihrem Erlöschen (dazu § 17 Rn 33 ff) sowie mit dem Eintritt von Umständen, die nachträglich zur Unzulässigkeit der Firmierung führen, wie etwa bei Sachfirmen durch Änderung des Unternehmensgegenstandes (§ 18 Rn 36, 61) oder im Falle des § 24 Abs. 2 HGB mit der Verweigerung der Einwilligung. Ferner endet der Schutz der Firma zugunsten ihres ursprünglichen Inhabers mit ihrer Übertragung samt Handelsgeschäft gem. § 22 HGB, setzt sich dann aber in der Person des Erwerbers fort, wenn und solange er von seinem Recht zur Firmenfortführung Gebrauch macht, s. § 22 Rn 83, 105.
3. Sonstige Namen und Kennzeichen Der Schutz sonstiger Namen und Kennzeichen entsteht grundsätzlich mit der erstmaligen Auf- 15 nahme ihrer Benutzung im Verkehr.64 Das gilt auch dann, wenn der Beginn der Tätigkeit, die unter der Kennzeichnung ausgeübt wird, der erstmaligen Ingebrauchnahme der Kennzeichnung zeitlich nachfolgt.65 Der Gebrauch muss berechtigt sein, damit er geschützt wird. Es besteht kein Anlass von der Rechtsordnung missbilligte Namen und Kennzeichen zu schützen. Zur Konkretisierung kann auf §§ 3, 5 UWG, § 8 Abs. 2 Nr. 4–13 MarkenG zurückgegriffen werden. Der Gebrauch des Namens oder des Kennzeichens darf daher insbes. nicht irreführend sein. Bestehen besondere Namensbildungsvorschriften müssen diese eingehalten sein. Voraussetzung des Namensschutzes ist überdies, dass die Kennzeichnung entweder unter- 16 scheidungskräftig ist (dazu Anh. II zu § 37 Rn 14) oder Verkehrsgeltung (dazu Anh. II zu § 37 Rn 16) erlangt hat. Das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses ist ebenfalls ein relatives Schutz58 MünchKommBGB/Säcker Rn 210. 59 RGZ 41, 43 (50); BGHZ 8, 318 (324); BGHZ 50, 133 (136 ff); LG Frankfurt a.M. – 2 – 06 O 322/19, GRUR-RS 2020, 43773, nicht rechtskräftig: „Mafia-Opfer“.
60 BGHZ 50, 133; BGHZ 107, 384; BGHZ 143, 214; OLG Hamm NJW 2002, 609; siehe hierzu LG Frankfurt a.M. – 2– 06 O 322/19,,GRUR-RS 2020, 43773, nicht rechtskräftig: „Mafia-Opfer“; BeckOK-HGB/Bömeke Rn. 31. 61 BGHZ 8, 318; 143, 214 (218); 165, 203; OLG München WRP 1982, 660; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 33; MünchKommBGB/Säcker Rn 41 f; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 54; Erman/Saenger Rn 19; Staudinger/Fritzsche Rn 297. 62 BGHZ 143, 214 (220); näher zu diesem Fragenkreis MünchKommBGB/Säcker Rn 41 f; Soergel/Heinrich Rn 90 (nur zur Befugnis des Erben, Rechtsverletzungen nach dem Tod des Berechtigten geltend machen zu können); Staudinger/Fritzsche Rn 296 f jeweils mwN. 63 BGH GRUR 1998, 391; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 33. 64 MünchKommBGB/Säcker Rn 55; Palandt80/Ellenberger Rn 13; BGHZ 11, 214; 21, 85; 43, 245 (252); BGH – I ZR 153/ 12, GRUR 2014, 506 (507): Grundsätzlich erstreckt sich der Namensschutz bundesweit und ist nur ausnahmsweise bei Unternehmen regional beschränkt; BGH – I ZR 188/09, ZUM-RD 2013, 113 (115 ff): Zur namensrechtlichen Schutzwürdigkeit einer Kennzeichnung an einer Leigenschaft analog § 12 BGB; OLG Köln – 7 U 85/18, MMR 2018, 750 (751): Bezeichnung „AfD“. 65 BGHZ 10, 196 (204); 75, 172. 457
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hindernis, das durch Verkehrsgeltung überwunden werden kann (näher Anh. II. zu § 37 Rn 15).66 Aus einem ähnlichen Grund erlangen Wahlnamen natürlicher Personen nicht bereits mit der Aufnahme ihrer Benutzung, sondern auch dann, wenn sie unterscheidungskräftig sind, stets erst mit ihrer Verkehrsgeltung Namensschutz.67 Grund ist, dass andernfalls eine erhebliche Beeinträchtigung des Schutzes des bürgerlichen Namens zu besorgen wäre, weil sich jeder darauf berufen könnte, er benutze nicht den Namen des Berechtigten, sondern einen eigenen Wahlnamen. 17 Der Schutz sonstiger Namen und Kennzeichen von juristischen Personen und Personenvereinigungen endet mit deren Vollbeendigung, geht also mit diesen unter.68 Dient die Bezeichnung der Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebs oder einer Tätigkeit, endet der Schutz mit der endgültigen – also nicht nur vorübergehenden – Aufgabe des Geschäftsbetriebs bzw. der Tätigkeit.69 Der Namensschutz endet zudem, wenn die charakteristische Eigenart der Bezeichnung verändert wird,70 nicht dagegen durch einen bloßen Rechtsformwechsel.71 Liegt eine Namensänderung vor, erlangt freilich der neue Name ebenfalls unter den Voraussetzungen der Rn 15 Namensschutz. Schließlich endet der Namensschutz, wenn die Bezeichnung entweder ihre Unterscheidungskraft verliert, weil sie zur Beschaffenheitsangabe oder zum Gattungsbegriff wird,72 oder wenn sie ihre Verkehrsgeltung einbüßt.73
III. Namensleugnung (S. 1 Fall 1) 18 Namensleugnung oder auch Namensbestreitung ist die ausdrückliche oder konkludente Nichtanerkennung des Namens des Berechtigten.74 Dies kann bspw. durch dauernde Falschbezeichnung oder nachhaltig unrichtige Schreibweise,75 oder durch die Behauptung erfolgen, der Berechtigte sei zur Führung eines anderen Namens verpflichtet.76 Das Bestreiten muss nicht gegenüber dem Berechtigten, sondern kann auch gegenüber Dritten geschehen.77 Das Bestreiten muss vorsätzlich erfolgen, wobei bedingter Vorsatz genügt. Beleidigungs- oder Kränkungsabsicht ist dagegen nicht erforderlich.78 Eine Namensleugnung ist, wie die Beispiele zeigen, eher selten. So hat die Rechtsprechung eine Namensleugnung etwa für den Fall verneint, dass die Eintragung eines Namens in ein Telefonverzeichnis von der Zahlung eines Entgelts abhängig
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MünchKommBGB/Säcker Rn 56; BGH GRUR 1990, 360 (361); GRUR 1992, 48 (51); BGH BlPMZ 2001, 210 (211). BGHZ 155, 273; OLG Frankfurt NJW 1993, 364 (365); OLG Hamburg GRUR 2002, 450; OLG Köln CR 2000, 626. BGHZ 34, 345; KG WRP 1990, 37 (39). RGZ 170, 265 (274); RG GRUR 1943, 349; BGHZ 6, 137 (142); 21, 66 (69); 34, 345; 136, 11 (21); 150, 82 (89); BGH GRUR 1956, 172 (175 f); GRUR 1958, 78 (79); GRUR 1959, 541 (542 f); GRUR 1960, 137; GRUR 1962, 419 (421); GRUR 1990, 37 (38); GRUR 1997, 749 (752); GRUR 2002, 972 (974); GRUR 2005, 871 (872); OLG Frankfurt OLGZ 1972, 465 (468); OLG München OLGR 1999, 249; Ströbele/Hacker/Hacker § 5 MarkenG Rn 78; anders wird dies wohl nur in seltenen Ausnahmefällen gesehen werden können, bspw. wenn die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes eines in den Augen des Verkehrs endgültig eingestellten Betriebs eine Anknüpfung an dessen ursprüngliche Priorität darstellt, weil auch in den Zeiten der Nichtführung des Unternehmens der einst legendäre Ruf gewahrt wurde, BGH GRUR 2002, 967 – Hotel Adlon. 70 BGH GRUR 1973, 661; BGH GRUR 1995, 505 (507); OLG Celle OLGR 1994, 340. 71 BGHZ 21, 66 (69); BGH GRUR 1983, 182 (183). 72 RGZ 56, 160; RGZ 69, 310 (311); RGZ 100, 182; BGHZ 28, 1; BGH GRUR 1977, 226 (227). 73 BGHZ 21, 66; BGH GRUR 1957, 428. 74 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 72; Erman/Saenger Rn 20; Soergel/Heinrich Rn 169 f; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 92; Staudinger/Fritzsche Rn 261 f; Fezer § 15 MarkenG Rn 99. 75 Prütting/Wegen/Weichreich/Prütting Rn 15. 76 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 72; Soergel/Heinrich Rn 169 f; Staudinger/Fritzsche Rn 258. 77 Staudinger/Fritzsche Rn 261; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 95. 78 Staudinger/Fritzsche Rn 263; Soergel/Heinrich Rn 169; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 97; MünchKommBGB/Säcker Rn 126. Burgard
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gemacht wird.79 Insbes. ist inzwischen geklärt, dass die Registrierung eines Namens als Domain durch einen Nichtberechtigten keine Namensleugnung, sondern eine Namensanmaßung darstellt,80 so dass es – anders als bei einer Namensleugnung81 – stets der Prüfung bedarf, ob eine Zuordnungsverwirrung ausgelöst und berechtigte Interessen des Namensinhabers verletzt werden.
IV. Namensanmaßung (S. 1 Fall 2) Eine Namensanmaßung liegt vor, wenn jemand einen Namen unbefugt gebraucht, der dem Na- 19 men eines berechtigten Namensträgers gleicht, und dadurch das schutzwürdige Interesse des Berechtigten beeinträchtigt.82
1. Gleicher Name (Zuordnungsverwirrung) § 12 S. 1 Fall 2 BGB hat den Schutz des Namens in seiner Funktion als Identitätskennzeichen zum 20 Ziel. Der unbefugt gebrauchte Name muss daher dem Namen des berechtigten Namensträgers in der Weise gleichen, dass die abstrakte Gefahr83 einer Zuordnungsverwirrung ausgelöst wird. Nicht erforderlich ist eine wörtliche Übereinstimmung. Vielmehr genügt das Bestehen einer derartigen Ähnlichkeit, dass die abstrakte Gefahr besteht, dass der Verkehr die Unterschiede zwischen den verschiedenen Namen nicht wahrnimmt und daher auch den von dem Zweitnutzer unbefugt gebrauchten Namen dem berechtigten Namensträger zuordnet.84 Insofern entspricht das Erfordernis der Verursachung einer Zuordnungsverwirrung dem Erfordernis des Bestehens einer Verwechselungsgefahr i.S.d. § 30 Abs. 1.85 Auf die dortigen Ausführungen (§ 30 Rn 24 ff) kann daher verwiesen werden. Beide Merkmale sind jedoch schon aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtung der Vorschrift – dort öffentliches Interesse, hier Individualschutz (vgl. § 30 Rn 3 ff) – nicht vollkommen deckungsgleich. Hervorzuheben sind insbes. zwei Unterschiede. Zum einen wird der berechtigte Namensträger hier anders als die Allgemeinheit dort (§ 30 21 Rn 25) auch vor einer Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne geschützt. Sie ist gegeben, wenn Eindruck des Bestehens einer organisatorischen, wirtschaftlichen oder geschäftlichen Beziehun-
79 OLG Düsseldorf – VI-U (Kart) 3/16, GRUR-RS 2016, 17430. 80 BGHZ 149, 191; 155, 273. 81 OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 626; Palandt80/Ellenberger Rn 21; Staudinger/Fritzsche Rn 261 f; MünchKommBGB/Säcker Rn 128.
82 Erman/Saenger Rn 21; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 16; MünchKommBGB/Säcker Rn 97; BeckOK-BGB/ Bamberger/Förster Rn 73 ff.; Staudinger/Fritzsche Rn 270; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 100; siehe auch BGH – I ZR 177/ 14, GRUR 2016, 749; Lampe/Uphues NJW 2021,730 ff; zum sog. „AdBusting“; BGH – I ZR 82/14, GRUR 2016, 810 (814); BGH – I ZR 188/09, ZUM-RD 2013, 113 (114). 83 Eine bestimmte Wahrscheinlichkeit einer Verwechselung ist nicht erforderlich (s. etwa BGH GRUR 2004, 860; BPatG GRUR 2005, 777), erst Recht nicht das Vorliegen konkreter Verwechselungen (s. etwa RG GRUR 1940, 161; BGH GRUR 1992, 48), wenngleich deren Vorkommen, z.B. im Rahmen der Postzustellung, indizielle Bedeutung hat (RGZ 108, 227; BGH GRUR 1957, 426). 84 MünchKommBGB/Säcker Rn 98; Palandt80/Ellenberger Rn 23; Staudinger/Fritzsche Rn 271; siehe zur Verwechslungsgefahr BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 94 ff. mwN; RG JW 1933, 1385 (1386); BGH GRUR 1964, 38; GRUR 1970, 481; GRUR 1976, 379; Kruitzsch GRUR 1978, 173; BGH – I ZR 177/14, GRUR 2016, 749; vgl. OLG Frankfurt a.M. – 6 U 12/15, MMR 2016, 756; OLG Karlsruhe – 13 U 162/12, NJW 2014, 706 (707); vgl. LAG Köln – 2 Sa 62/13, MMR 2014, 72. 85 Vgl. MünchKommBGB/Säcker Rn 102 ff mwN; siehe zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr bei Namen zweier juristischer Personen des öffentlichen Rechts OVG Magdeburg – 4 L 156/11, LKV 2012, 191. 459
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gen zwischen dem berechtigten Namensträger und dem unbefugten Zweitnutzer entsteht,86 etwa der Anschein erweckt wird, der Berechtigte habe dem Zweitnutzer den Gebrauch gestattet.87 Ausreichend ist überdies, wenn die Gefahr besteht, dass der Verkehr den Zweitnamen für eine sprachlich, technisch oder merkantil bedingte Fortentwicklung des Namens des Berechtigten hält.88 So könnte der Verkehr bei dem Firmennamen „McChinese“ annehmen, dass sich die Schnellrestaurantkette „McDonalds“ nun auch im Bereich chinesischen Essens engagiere.89 Zum anderen gelten zwei Besonderheiten im Blick auf den Gebrauch von Familiennamen. 22 Erstens scheidet eine Zuordnungsverwirrung aus, wenn der Gebrauch eines Familiennamens keinen Rückschluss auf die Person des Namensträgers erlaubt. Das ist einerseits bei sog. Allerweltsnamen, also dann der Fall, wenn es so viele Namensträger gibt, dass keine eindeutige Identifizierung eines bestimmten Namensträgers möglich ist.90 Andererseits ist eine Zuordnungsverwirrung ausgeschlossen, wenn der Name als Sachbegriff verwendet wird. Deswegen kann bspw. ein Träger des Familiennamens „Netz“ ebenso wenig gegen die Registrierung der Domain „www.netz.de“ durch den Träger eines IT-Unternehmens mit Erfolg einschreiten91 wie ein Träger des Familiennamens „Korall“ gegen die Benutzung dieses Namens für die Bezeichnung eines Waschmittels.92 Zweitens ist der Schutz des Familiennamens insoweit begrenzt, als er einen kennzeichnenden Inhalt hat, an dem ein Freihaltebedürfnis besteht. Daher kann ein Prinz zu Schaumburg-Lippe nicht verhindern, dass ein Verband unter der Domain „www.schaumburg-lippe.de“ historische, touristische und ähnliche Informationen zu der landschaftlichen Region Schaumburg-Lippe verbreitet.93
2. Gebrauch (Verletzungshandlung) 23 Gebraucht wird ein Name insbes. dadurch, dass der Zweitnutzer den Namen entweder sich selbst (z.B. als Wahlname,94 Firma95 oder Internet-Adresse96) oder einem Dritten97 beilegt oder ihn zur Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen, also als Marke,98 oder eines Unternehmensteils (Etablissementbezeichnung)99 verwendet. Ein Gebrauch liegt ferner in einer Verwen-
86 Goldmann Unternehmenskennzeichen, 4. Aufl., 2018, § 13 Rn 31 ff; Ingerl/Rohnke § 14 MarkenG Rn 1222; BGH GRUR 1999, 492 (494); GRUR 2002, 544 (547); GRUR 2004, 241; GRUR 2004, 598; GRUR 2004, 865 (867); OLG Frankfurt GRUR 1989, 288; OLG Hamburg OLGR 1998, 12; OLG Schleswig – 6 U 23/15, GRUR-RS 2016, 119165. 87 BGHZ 30, 7, 9; 119, 237; 126, 208 (216); 126, 287 (296); 161, 216; BGH GRUR 1964, 38; GRUR 1996, 422 (423); GRUR 2002, 917 (919); GRUR 2004, 619 (620); LG Hamburg – 312 O 100/18, GRUR-RS 2018, 25822; OLG München – 6 U 2488/11, GRUR-RR 2012, 346 (347 aE). 88 EuGH GRUR 2005, 1042; BGH GRUR 1982, 420 (422); GRUR 2000, 233 (235); GRUR 2005, 513. 89 BGH GRUR 1992, 460 (462). 90 MünchKommBGB/Säcker Rn 100 mwN; OLG München – 24 U 649/10, NJW-RR 2011, 909 Familienname „Sonntag“. 91 OLG Stuttgart GRUR 2002, 192 (193 f). 92 OLG Braunschweig BB 1965, 1289. 93 LG Hamburg NJW-RR 2004, 1121 (1122). 94 RGZ 101, 226. 95 BGH GRUR 1957, 426 (428). 96 BGHZ 149, 191; 155, 273; BGH GRUR 2004, 619 (620); OLG Hamm NJW-RR 1998, 909 (910); OLG Köln NJW-RR 1999, 622 (623); OLG Köln GRUR 2000, 798 (799); OLG Brandenburg K&R 2000, 496 (497); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 187/15, BeckRS 2016, 20443; Loewenheim/Koch/Kur 362; Hoeren/Sieber/Viefhues Kap. 6.1 Rn 228 ff; Weidert/Lühring WRP 2002, 880 (882); für eine analoge Anwendung von § 12 (eigenständiger Verletzungstatbestand) MünchKommBGB/Säcker Rn 251 f. 97 Vgl. RGZ 108, 230; BGH NJW 1965, 1583; MünchKommBGB/Säcker Rn 97; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 118; Staudinger/Fritzsche Rn 280. 98 BGHZ 126, 287; 145, 279 (282); 150, 82; BGH GRUR 1995, 825 (827); GRUR 2004, 512; GRUR 2005, 871 (872); Ingerl/ Rohnke § 15 MarkenG Rn 46. 99 RGZ 88, 421; vgl. BGH – I ZR 188/09, ZUM-RD 2013, 113 (114) mwN. Burgard
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dung zu Werbezwecken100 sowie als sog. Metatag.101 Kein Gebrauch liegt dagegen in einer bloßen Namensnennung, etwa in einem Zeitungsartikel oder einem Adressbuch.102 Kein Gebrauch ist ferner die Verwendung eines Städtenamens als geographischer Hinweis (z.B. in einer Firma „Möbelfabrik M. Huber Frankfurt GmbH“ oder in einem Werktitel „Münchener Kommentar zum BGB“), es sei denn, es würde der Eindruck einer Beziehung zu der Gemeinde erweckt (z.B. Herstellung eines amtlichen Anscheins durch Aufdruck des Stadtwappens auf dem Kopf der Titelseite eines Anzeigenblattes103). Auch ein Verstoß gegen den Schutz geographischer Herkunftsangaben (§§ 126 ff MarkenG) gibt der betroffenen Gebietskörperschaft keinen namensrechtlichen Abwehranspruch. Vielmehr bestehen nur Abwehransprüche zugunsten von Mitbewerbern, die durch die unrichtige Herkunftsangabe betroffen werden.104
3. Unbefugt (Rechtswidrigkeit) a) Überblick. Unbefugt ist gleichbedeutend mit rechtswidrig i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB.105 Rechts- 24 widrig ist ein Namensgebrauch, wenn der Verwender weder aufgrund originären (Rn 25) noch aufgrund abgeleiteten Erwerbs (Rn 26 ff) zum Namensgebrauch befugt ist. Rechtswidrig ist ein Namensgebrauch ferner, wenn der Verwender von seinem Namensrecht unredlichen Gebrauch macht (Rn 30), sein Gebrauchsrecht gegenüber dem Gebrauchsrecht eines anderen nachrangig ist (Rn 31) oder bei gleichrangigem Gebrauchsrecht die Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt wird (Rn 32 ff).
b) Originäres Gebrauchsrecht. Originär wird ein Gebrauchsrecht durch den Erwerb eines 25 Namens (vgl. dazu Rn 13 ff) begründet; denn der Inhaber eines Namens ist grundsätzlich zu dessen Gebrauch berechtigt, es sei denn, dass der Inhaber von seinem Namensrecht unredlichen Gebrauch macht (Rn 30) oder dem Gebrauch das Namensrecht eines Dritten entgegensteht (Rn 31 ff). Das aus dem Namensrecht folgende Gebrauchsrecht endet mit dem Verlust des Namensrechts. 100 Näher MünchKommBGB/Säcker Rn 116 ff; Soergel/Heinrich Rn 174; Staudinger/Fritzsche Rn 288 ff, jeweils mwN.
101 Str., dafür BGHZ 168, 28 (32 f); BGH GRUR 2007, 784 (786); OLG München NJW-RR 2012, 947; OLG München MMR 2000, 546; OLG Hamburg MMR 2004, 256; OLG Hamburg K&R 2005, 45; LG Hamburg CR 2000, 121; LG Frankfurt CR 2000, 462; LG München MMR 2004, 689; OLG München – 6 U 2488/11, GRUR-RR 2012, 346 (347f.); Pankoke MMR 2004, 690 (691); Pellens CR 2002, 136 (137); Menke WRP 1999, 982 (985); Ernst CR 2000, 122; Koch NJW-CoR 1998, 45 (47); Erman/Saenger Rn 22. Weiterführend zu den Formen des Suchmaschinenmarketings Ernst WRP 2004, 278 ff; dagegen OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 340; OLG Düsseldorf MMR 2004, 319; LG Düsseldorf CR 2002, 610; Vidal GRUR Int. 2003, 312 (317); Kur CR 2000, 448; Kothoff K&R 1999, 157 (159); Hoeren/Sieber/Viefhues Kap. 6.1. Rn 455 ff diff. Heim CR 2005, 200; offengelassen durch OLG Hamburg MMR 2004, 489; Kilian/Heussen/Hoeren Computerrechts-Handbuch, Stand 2018, Kap. 14, Wettberwerbs- und kartellrechtliche Fragen Rn 17 f. 102 BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 22.2.2000, 1 BvR 1582/94; RG DJZ 1906, 543; BGH NJW 1959, 525; BGH GRUR 1991, 629; GRUR 1994, 913; OLG München UFITA 20 (1955 II), 218; OLG München GRUR 1991, 632; OLG Nürnberg NJW 1993, 796; OLG Naumburg DtZ 1994, 183; OLG Nürnberg 1999, 65; Palandt80/Ellenberger Rn 23; Bussmann Anm. zu BGH GRUR 1959, 430 (434); s. aber auch die – wenig überzeugenden – Entscheidungen BGH NJW 1980, 280; BGH GRUR 1994, 394. Zur umstrittenen Frage, ob die Verwendung eines Namens in einem Roman, Theaterstück oder Film einen unbefugten Gebrauch darstellt, wenn hierbei der Eindruck erweckt wird, dass die fiktive Person mit einer realen Person identisch ist, MünchKommBGB/Säcker Rn 115; zu Namensparodien, Satiren und Kritik ders. Rn 122 ff; zu kritisierenden Domainadressen ders. Rn 270, jeweils mwN; OLG Köln – 7 U 85/18, MMR 2018, 750 (751). 103 BGH GRUR 2002, 917 (919); BeckOGK-BGB/Niebel Rn 113. 104 BGHZ 139, 138; BGH GRUR 2001, 420; GRUR 2002, 1074; OLG München GRUR-RR 2004, 171. 105 Soergel/Heinrich Rn 179; MünchKommBGB/Säcker Rn 129; Palandt80/Ellenberger Rn 28; siehe zum Meinungsstand etwa: BeckOGK-BGB/Niebel Rn 127 mwN, wonach kein eigenes Benutzungsrecht gegeben sein darf; BeckOKBGB/Bamberger/Förster Rn 80. 461
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26 c) Abgeleitetes Gebrauchsrecht. Ein abgeleitetes Gebrauchsrecht kann erworben werden entweder durch den dinglichen Erwerb des Namensrechts oder durch eine schuldrechtliche Gestattung106 des Namensgebrauchs. Ein dinglicher Erwerb des bürgerlichen Namens ist allerdings ausgeschlossen; denn der bürgerliche Name ist als höchstpersönliches Recht unverzichtbar, unveräußerlich und grundsätzlich (s. aber zur Vererblichkeit Rn 13 a.E.) unübertragbar.107 Ferner ist ein dinglicher Erwerb des Firmenrechts daran gebunden, dass er im zeitlichen Zusammenhang (§ 22 Rn 32) mit dem Erwerb des Unternehmenskerns (§ 22 Rn 17 ff) erfolgt, sog. Firmenakzessorietät (s. auch § 23 Rn 3). Beide Einschränkungen hindern freilich nicht den Abschluss von Nutzungs- und Lizenzverträgen, die dem Vertragspartner des Namens- bzw. Firmeninhabers den Gebrauch des Namens bzw. der Firma gestatten.108 Das zeigt bereits die Regelung des § 24 Abs. 2, die eine solche Gestattung voraussetzt, und zwar einerlei, ob der ausscheidende Gesellschafter eine natürliche Person ist, so dass sich die Einwilligung auf dessen bürgerlichen Namen bezieht, oder ob der Namensgeber seinerseits eine Handelsgesellschaft ist, so dass die Einwilligung deren Firma betrifft (s. § 24 Rn 30). Anders gewendet, zeigt die Zulässigkeit (früher sogar Pflicht) zur Bildung von Personenfirmen, dass sowohl der bürgerliche Name als auch die Firma109 einer Kommerzialisierung grundsätzlich zugänglich sind. Dementsprechend ist mittlerweile anerkannt, dass sowohl das Recht am bürgerlichen Namen als auch das Firmenrecht Mischrechte sind, bei denen daher auch die kommerziellen Belange des Namensträgers geschützt werden (Rn 2). Aus diesem passiven Schutz folgt zwar nicht mit Notwendigkeit ein Recht zur aktiven Verwertung des Namens- bzw. Firmenrechts. Es wäre jedoch nicht nur mit den vorstehenden firmenrechtlichen Erwägungen, sondern auch mit der Möglichkeit einer Registrierung des bürgerlichen Namens als Marke (§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 MarkenG) sowie mit der Realität einer modernen Mediengesellschaft unvereinbar, wollte man Namensträgern nicht die wirtschaftliche Verwertung ihres Namens gestatten.110 27 Zweifelhaft kann daher nur sein, welchen Inhalt und welche Reichweite Nutzungs- und Lizenzverträge haben können. Im Blick auf das Firmenrecht sind insofern zuvörderst die sich aus § 23 ergebenden Beschränkungen zu beachten (dazu § 23 Rn 7 ff, 13 ff). Lizenzverträge dürfen daher nicht so weit gehen, dass sie einer unzulässigen Vollübertragung der Firma ohne das zugehörige Handelsgeschäft gleichkommen. Ähnliches gilt für den bürgerlichen Namen: Die Lizenzierung darf nicht den Charakter einer verbotenen Vollübertragung haben. Eine unternehmens- bzw. personenbezogene Zuordnungsverwirrung muss daher ausgeschlossen sein. Überdies darf die Pflicht zur Führung der Firma bzw. des bürgerlichen Namens nicht beeinträchtigt werden. Schließlich ergeben sich Beschränkungen aus dem Persönlichkeitsrecht sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG (Garantie der Menschenwürde, Recht auf Selbstbestimmung), aus denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (u.a.) entwickelt wurde. All das schließt zwar selbst die Erteilung ausschließlicher Lizenzen richtigerweise nicht aus.111 Das Recht zur persönlichkeitsrechtlichen Nutzung des Namensrechts darf jedoch nicht beeinträchtigt werden. Insbes. muss dem Namensträger die Möglichkeit erhalten bleiben, seinen bürgerlichen Namen innerhalb seines soziokulturellen Umfelds in der jeweils erforderlichen Weise zu führen.112 Ihm kann daher auch nicht untersagt werden, sich unter seinem bürgerlichen Namen geschäftlich oder in 106 Zur Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Vereinbarung über eine Domainregistrierung siehe: OLG Karlsruhe – 6 U 49/12, MMR 2013, 517 (518); BGH – I ZR 185/14, GRUR 2016, 1093 (1095): Zur Registrierung eines Domainnamens durch einen Treuhänder; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 147 ff. 107 RGZ 69, 401 (403); 87, 147 (149); 119, 44 (47); 141, 147; RG JW 1921, 824; 1927, 117; BGHZ 8, 318 (319); 32, 103; 50, 133 (137); 143, 214 (220). 108 S. zum Firmenrecht bereits § 23 Rn 7 ff; zum Recht am bürgerlichen Namen MünchKommBGB/Säcker Rn 76 ff; Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 12; Staudinger/Fritzsche Rn 112 ff; Erman/Saenger Rn 32. 109 Nochmals: Auch bei der Bildung einer Firma unter Verwendung einer anderen Firma handelt es sich um eine Personenfirma. 110 BPatG Beschluss v. 6.2.2008, Az. 32 W (pat) 92/06. 111 MünchKommBGB/Säcker Rn 78 f; ausführlich Staudinger/Fritzsche Rn 112 ff, 123 ff mwN. 112 MünchKommBGB/Säcker Rn 79. Burgard
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sonstiger Weise zu betätigen oder als Namensgeber einer anderen Organisation zu fungieren, s. auch § 23 Nr. 1 MarkenG.113 Vereinbart werden kann lediglich ein – auch nachvertragliches – Wettbewerbsverbot.114 Verstößt eine Vereinbarung gegen diese Grenzen, greifen §§ 134, 138, 139 BGB ein.115 Im Blick auf Wahlnamen natürlicher Personen, Namen von juristischen Personen und Per- 28 sonenvereinigungen, die mangels Betriebs eines Handelsgewerbes nicht firmenfähig sind und auch nicht – wie etwa eine Partnerschaftsgesellschaft gem. § 2 Abs. 2 PartGG – firmenrechtlichen Grundsätzen unterliegen, sowie im Blick auf Geschäftsbezeichnungen ist zunächst festzuhalten, dass sie grundsätzlich weder einem Veräußerungsverbot noch Veräußerungsbeschränkungen unterliegen. § 23 greift nicht ein (§ 23 Rn 4).116 Zudem können sie anders als der bürgerliche Name jederzeit abgelegt und durch einen anderen Namen ersetzt werden, so wie dies auch bei einer Firma möglich ist. All das spricht dafür nicht nur schuldrechtliche Lizenzverträge, sondern auch eine dingliche Übertragung gem. §§ 398, 413 BGB im weiten Umfang für zulässig zu halten.117 Freilich muss hier gleichfalls gelten, dass solche Vereinbarungen keine Zuordnungsverwirrung heraufbeschwören dürfen. Das ergibt sich auch aus einer analogen Anwendung von § 18 Abs. 2 (vgl. § 18 Rn 34) sowie aus § 5 UWG i.V.m. § 134 BGB. Danach darf die Benutzung eines fremden Namens nicht dazu führen, dass der Verkehr in einer qualifizierten Gütevorstellung enttäuscht wird, so dass es zu einer Verkehrverwirrung kommt, die nicht binnen angemessener Zeit beseitigt werden kann.118 Dem Maler Hans-Georg Kern wäre es daher bspw. versagt seinen Künstlernamen Georg Baselitz auf einen Kollegen zu übertragen oder diesem zu gestatten, dessen Werke unter diesem Pseudonym zu vertreiben. Ohne ausreichende Klarstellung wäre Letzteres wohl auch strafrechtlich relevant (§ 263 StGB). Ebenso wenig dürfte der Verein „SOS-Kinderdorf e.V.“ diesen Namen an eine andere, nicht gemeinnützig tätige Organisation veräußern und an seiner Stelle einen neuen Namen annehmen. Grundsätzlich nicht zu beanstanden wäre es dagegen, wenn der Verein die Führung dieses Namens verbundenen Organisationen gestattet. Aus demselben Grund dürfte die Führung des Namens „Hotel Adlon“, wenn es sich hierbei um eine bloße Geschäftsbezeichnung handelte, nicht einem drittklassigen Berliner Hotel, wohl aber einem anderen erstklassigen Hotel gestattet werden. Anders gewendet: Je weiter die Lizenzierung reicht und je bekannter der Name ist, desto mehr muss sichergestellt sein, dass berechtigte Verkehrserwartungen nicht enttäuscht werden.119 Schließlich ist zu beachten, dass auch die hier in Frage stehenden Namen und Bezeichnungen persönlichkeitsrechtliche Bezüge aufweisen können.120 Insoweit gelten die vorgenannten (Rn 27) Beschränkungen entsprechend.
113 LG Hamburg GRUR-RR 2005, 66 (67); MünchKommBGB/Säcker Rn 79, 82. 114 Zu den Grenzen, insbes. von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten BGHZ 91, 1; BGH BB 2002, 800; BGH WM 2008, 1226 (1227); BGH WM 2008, 1744 alle mwN; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote § 8; dies. NJW 2002, 1609; dies. GmbHR 1999, 985; überblicksartig zur Rechtsprechung Hunold NZA-RR 2007, 617 ff. 115 MünchKommBGB/Säcker Rn 90; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 153; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote § 8. 116 Bei geschäftlichen Bezeichnungen ist die Akzessorietät allerdings streitig, s. dazu MünchKommBGB/Säcker Rn 83 mwN. 117 Koos GRUR 2004, 808 (810); Soergel/Heinrich Rn 197; Fezer § 30 MarkenG Rn 103; Klippel, 504; Hopt/Merkt § 22 HGB Rn 9; Canaris Handelsrecht § 10 Rn 30; MünchKommBGB/Roth/Kieninger § 413 Rn 3; Forkel NJW 1993, 3181 (3183); ausführlich Möller Lizenzen an Unternehmenskennzeichen, § 6 G., 123 ff, 167 ff; zweifelnd Staudinger/Fritzsche Rn 123 ff, welcher eine Übertragung nach §§ 398, 413 BGB wegen § 400 BGB für fraglich hält. Soweit ersichtlich, lehnt die Rspr. eine dingliche Übertragbarkeit bei Namen ab, s. zuletzt BGHZ 171, 104 (109); OLG München WRP 2007, 560; vgl. auch Begr. RegE zu § 30 MarkenG, BT-Drucks. 12/6581, 86; aA zu dinglichen Lizenzen Starck WRP 1994, 698 (704). 118 BGHZ 1, 241 (246); 122, 71 (73); BGH GRUR 1970, 528 (530); GRUR 2002, 703 (706); Fezer § 30 MarkenG Rn 58; Köhler/Bornkamm/Feddersen § 5 UWG Rn 0.93 ff.; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 154. 119 MünchKommBGB/Säcker Rn 84; BGH GRUR 1985, 567; GRUR 1991, 393. 120 S. nur LG Hamburg GRUR-RR 2005, 66. 463
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Besteht eine schuldrechtlich wirksame Firmenlizenz, kann sich der Lizenzinhaber gegenüber Dritten analog § 986 Abs. 1 BGB auf die Priorität der Kennzeichnung des Lizenzgebers berufen.121 Zudem kann er im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft eine Verletzung des Namensrechts geltend machen.122 Schließlich erscheint auch eine Abrede zulässig, wonach der Lizenznehmer gegenüber Dritten Abwehransprüche geltend machen darf.123 Überschreitet der Lizenznehmer den im Lizenzvertrag abgesteckten Rahmen des Rechts zum Gebrauch des Namens,124 so liegt eine Namensanmaßung vor. Wird in dem Vertrag das Namensrecht dagegen mit dinglicher Wirkung wirksam übertragen, so wird der Erwerber Rechtsnachfolger des Veräußerers und rückt daher vollständig, insbes. auch hinsichtlich der Priorität in dessen Rechtsposition ein.
30 d) Unredlicher Gebrauch. Das Bestehen eines Gebrauchsrechts rechtfertigt nicht dessen unredliche Ausübung. Unbefugt handelt daher, wer sein Gebrauchsrecht bewusst einsetzt, um Verwechselungen mit einem Gleichnamigen hervorzurufen oder dessen guten Ruf auszubeuten.125 Unredlich handelt daher auch ein Strohmann, der seinen berühmten Namen zur Bildung einer verwechslungsfähigen Firma zur Verfügung stellt.126
31 e) Nachrangiges Gebrauchsrecht. Konkurrieren Wahlnamen miteinander, die keinen bürgerlichen Namen enthalten, so ist der sich daraus ergebende Namenskonflikt nach dem Grundsatz der Priorität (Zeitrang) zu lösen. Danach hat das prioritätsältere Zeichen Vorrang vor dem prioritätsjüngeren Zeichen.127 Maßgeblich ist insoweit der Erwerb des Namensrechts bzw. des Namensschutzes, wobei wesentliche Änderungen des Namens zum Verlust der Priorität führen (s. Rn 13 ff). Zur Priorität bei einem abgeleiteten Namens- bzw. Gebrauchsrechts Rn 29. Der Inhaber des älteren Namensrechts kann von dem anderen verlangen, dass dieser Vorkehrungen trifft, die eine Verwechselungsgefahr ausschließen.128 Anders als in den Fällen der Gleichrangigkeit (Rn 32 ff) muss dabei kein Rest von Verwechselungsgefahr hingenommen werden. Das kann dazu führen, dass dem Prioritätsjüngeren der Gebrauch eines Kennzeichens ganz verwehrt ist.129 Der Inhaber der Priorität kann allerdings auch auf sein Prioritätsrecht verzichten.130 Zudem kann Verwirkung eintreten.131
121 Seit BGH NJW 1993, 2236 („Decker“) allg. M.; BGH – I ZR 188/09, ZUM-RD 2013, 113 (114); BeckOGK-BGB/Niebel Rn 151. 122 BGHZ 119, 237; 122, 71; 145, 279; BGH GRUR 1959, 87; GRUR 1987, 128; GRUR 1990, 361 (362); GRUR 1992, 697; GRUR 1995, 216; GRUR 1998, 391 (393); BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 67. 123 MünchKommBGB/Säcker Rn 81, 153. 124 Näher zum Inhalt und zur Auslegung von Lizenzverträgen MünchKommBGB/Säcker Rn 85 ff; Soergel/Heinrich Rn 197; Staudinger/Fritzsche Rn 117 ff jeweils mwN. 125 BGHZ 4, 96 (100); BGH NJW 1951, 520; BGH NJW 1966, 345. 126 BGHZ 14, 155 (161); BGH GRUR 1958, 185 (187); OLG Köln GRUR 1983, 787; OLG Frankfurt DWiR 1993, 166. 127 BGHZ 120, 106; BGH GRUR 1953, 252 (254); BGH NJW 2005, 1196; OLG Köln GRUR 1988, 787; OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 876; OLG Hamburg – 3 U 59/11, MMR 2016, 252 (254); BeckOGK-BGB/Niebel Rn 136. 128 BGHZ 24, 238; 155, 273 (275); 168, 28 (34); BGH NJW 1993, 459; BGH NJW 2007, 682 (683); BeckOGK-BGB/Niebel Rn 142f. 129 MünchKommBGB/Säcker Rn 141; Körner GRUR 2005, 33 (37). 130 BGH GRUR 1958, 91 (92). 131 Näher MünchKommBGB/Säcker Rn 179; Soergel/Heinrich Rn 209 f; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 202 mwN; Staudinger/Fritzsche Rn 358 ff, mwN; vgl. hierzu als Beispiel aus der Rspr. aufgrund einer jahrzehntelangen Koexistenz OLG Hamm – 14 U 17/13, GRUR-RS 2013, 21344. Burgard
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f) Gleichrangiges Gebrauchsrecht. Gebraucht jemand seinen bürgerlichen Namen aus- 32 schließlich im privaten Bereich, so gilt auch dann, wenn der Namensgebrauch mit dem Namen eines anderen kollidiert, der schlichte Grundsatz, dass niemandem der Gebrauch seines bürgerlichen Namens verwehrt werden kann. Das folgt schon daraus, dass der bürgerliche Name ein Zwangname ist, zudem aus dem Persönlichkeitsrecht, so dass selbst dann, wenn eine Namensänderung zulässig wäre, diese von niemandem verlangt werden könnte. Kollidieren hingegen Wahlnamen miteinander, die einen bürgerlichen Namen enthalten, so 33 ist der sich daraus ergebende Konflikt nach dem sog. Gleichnamigkeitsrecht zu lösen. Das gilt nicht nur, wenn der Wahlname im geschäftlichen Verkehr,132 sondern auch dann, wenn der Wahlname zu ideellen, karitativen, kulturellen, wissenschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Zwecken verwendet wird; denn hier liegt der Hauptanwendungsbereich von § 12 BGB. Zudem steht außer Zweifel, dass es auch in diesem Bereich zu einer Zuordnungsverwirrung kommen kann.133 Das Gleichnamigkeitsrecht ist von der Überlegung getragen, dass niemandem der Gebrauch 34 seines bürgerlichen Namens verwehrt werden kann, und zwar auch nicht zum Gebrauch im Rahmen eines Wahlnamens. Deswegen kann der bloße Prioritätsgrundsatz (Rn 31) hier keine Anwendung finden. Vielmehr hat nach einer umfassenden Interessenabwägung ein Interessenausgleich stattzufinden.134 Ziel ist es festzustellen, für welchen Beteiligten welche Maßnahmen zumutbar und welche Maßnahmen erforderlich sind, um eine Zuordnungsverwirrung soweit als möglich auszuschließen.135 Ein letzter Rest von Verwechselungsgefahr ist anders als in den Fällen der Rn 31 ggf. hinzunehmen.136 Anders als dort kommt daher ein völliger Ausschluss von dem Gebrauch des Wahlnamens nicht in Betracht.137 Vielmehr sind beide Seiten zur Rücksichtnahme verpflichtet.138 Sie haben sich mithin zu bemühen eine Verwechselungsgefahr nach Möglichkeit gar nicht erst eintreten zu lassen und eine bestehende Verwechselungsgefahr nicht zu erhöhen.139 Im Rahmen der Interessenabwägung ist daher auch zu berücksichtigen, wer die Verwechselungsgefahr durch Aufnahme der Benutzung des Kennzeichens bzw. eine Kennzeichenänderung hervorgerufen hat. Die Frage der Priorität spielt daher auch hier eine wichtige Rolle,140 wobei auch ihr zeitliches Ausmaß141 sowie die Redlichkeit des Namensgebrauchs durch den Prioritätsjüngeren (Bemühen, eine Verwechselungsgefahr auszuschließen oder Versuch der Ausbeutung des Rufs des Prioritätsälteren)142 zu berücksichtigen ist. Im Regelfall kann der Prioritätsältere von dem Prioritätsjüngeren verlangen, dass dieser dem Namen unterscheidungskräftige Zusätze beifügt.143 Hat hingegen der Prioritätsältere die Verwechselungsgefahr z.B. durch Veränderung des sachlichen oder räumlichen Tätigkeitsbereichs hervorgerufen oder verstärkt, 132 So aber MünchKommBGB/Säcker Rn 134. 133 Vgl. nur BGHZ 8, 318. 134 BGHZ 14, 155 (159); 45, 246 (250); 130, 134; 149, 191; BGH GRUR 1957, 343; GRUR 1987, 182; BGH MDR 1998, 117; BGH GRUR 1985, 389 (390); GRUR 1987, 182 (183); NJW-RR 1988, 95; GRUR 1990, 364; GRUR 1991, 893; GRUR 1993, 579; GRUR 2000, 879 (890); GRUR 2002, 702 (707 f); OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 137; OLG München CR 2002, 56; grundlegend Plaß WRP 1999, 40 (42); Scholz GRUR 1996, 681; Canaris GRUR 1989, 715; BeckOK-BGB/Bamberger/ Förster Rn 86; BeckOGK-BGB/Niebel Rn 138. 135 BGH GRUR 1966, 623; GRUR 1985, 389. 136 BGHZ 4, 96 (105); vgl. BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 87 mwN. 137 BGHZ 14, 155 (159); BGH GRUR 1985, 389; BGH NJW 1986, 57; BGH NJW-RR 1990, 618; BGH GRUR 1993, 579 (580). 138 BGHZ 14, 155 (161); 149, 191 (195); BGH MDR 1966, 118; BGH WM 1985, 550; vgl. BeckOGK-BGB/Niebel Rn 140. 139 BGHZ 149, 191; BGH WM 1985, 550; BGH NJW-RR 1993, 934 (935); BGH GRUR 2006, 159 (160). 140 BGH NJW 1966, 343; NJW-RR 1988, 95; 1990, 618; LG Osnabrück MMR 2006, 248. 141 MünchKommBGB/Säcker Rn 137 ff; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 87, wonach der Grundsatz der Priorität u.U. bei einem längeren Zeitraum, und einem unbeanstandeten Auftreten zweier Namensträger neben einander, auch ganz zurücktreten kann mwN. 142 BGHZ 4, 96 (100); BGH GRUR 1985, 389; 1993, 579 (580); OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 100 (103). 143 BGH GRUR 1987, 182 (183); GRUR 1991, 893; GRUR 1993, 579; GRUR 2002, 622; GRUR 2002, 702 (712). 465
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kann es er sein, der zur Beifügung unterscheidungskräftiger Zusätze verpflichtet ist.144 Dasselbe gilt im Blick auf die Zumutbarkeit, wenn die jüngere Bezeichnung bereits einen hohen Bekanntheitsgrad bzw. eine große Verkehrsgeltung und einen dementsprechenden Wert erlangt hat.145 Zudem kommt es im Rahmen der Interessenabwägung auf die Branchennähe an.146 Zu beachten ist schließlich, dass nach Möglichkeit auch eine Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne ausgeschlossen sein muss (Rn 21). Daher sind hier strengere Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Zusätzen als im Rahmen des § 30 zu stellen. Deswegen wird insbes. die bloße Hinzufügung von Ortsbezeichnungen und Sachbestandteilen oft nicht ausreichen (vgl. auch § 30 Rn 24).147
35 g) Domainrecht. In den vergangenen Jahren hatte der BGH sowie die Oberlandesgerichte in einer Vielzahl von Entscheidungen Gelegenheit zu einer intensiven Auseinandersetzung mit Namenskonflikten im Internet.148 Es gelten eine Reihe von Besonderheiten, die vor allem darauf beruhen, dass mit einer Domaineintragung eine faktische Nutzungssperre für jeden anderen verbunden ist, der die Adresse nutzen möchte. Die wichtigsten Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:149 Erstens kann jeder berechtigte Namensträger von einem Nichtberechtigten die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Domain verlangen.150 Zweitens: Verwendet der Adressinhaber die Domain lediglich zu privaten Zwecken, kann er sich bei einem Konflikt von Gleichnamigen schlicht darauf berufen, dass er seinen Namen als Domain zuerst registriert hat (hier sog. Registrierungspriorität). Um eine Abgrenzung zu anderen Namensträgern muss sich er sich dann weder bei der Auswahl der Adresse noch bei der Gestaltung der Homepage bemühen.151 Drittens: Eine Ausnahme davon soll gelten, wenn der Adressinhaber kein besonderes Interesse an genau dieser Adresse dartun kann und ein anderer Namensträger überragende Bekanntheit genießt („shell“), so dass der Verkehr erwartet, unter eben dieser Adresse den Internet-Auftritt des überragend bekannten Namensträgers zu finden. In diesem Fall soll der Adress-
144 145 146 147 148
BGHZ 4, 97 (99); 14, 155 (161); BGH GRUR 1953, 252; GRUR 1958, 90; GRUR 1960, 33 (36). BGH GRUR 1993, 579. BGH GRUR 1993, 579; GRUR 2005, 430; OLG Köln GRUR-RR 2006, 370. MünchKommBGB/Säcker Rn 140 mwN. BGHZ 149, 191; 155, 273; 171, 104; BGH GRUR 2002, 706; BGH NJW 2004, 1793; BGH NJW 2005, 1196; BGH NJW 2006, 146; BGH GRUR 2006, 159; BGH WRP 2007, 76; OLG Hamm NJW-RR 1998, 909; OLG Karlsruhe MMR 1999, 604; OLG Köln CR 2000, 696; OLG Köln GRUR 2000, 798; OLG Brandenburg K&R 2000, 496; KG MMR 2007, 600; OLG Frankfurt a.M. – 16 U 239/09, GRUR 2010, 488; vgl. Heuer Kreditsicherung durch Intellectual Property Rights, BKR 2020, 559 (560); zur strafrechtlichen Thematik von „Fakeshop-Domains“ siehe: Zenger, Bereitstellung von Fakeshop-Domains, MMR 2020, 806 ff; BGH GRUR 2021, 63 ff; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 181/14, BeckRS 2015, 18529; vgl. Leyendecker-Langner Top-Level-Domains und Namensschutz aus § 12 BGB, MMR 2014, 288 ff. mwN; BGH – I ZR 150/11, MMR 2013, 304 (305); BGH – I ZR 153/12, GRUR 2014, 506 (507); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 12/15, GRUR-RR 2016, 16313: Namensmäßiger Gebrauch einer Zweibuchstaben-Domain; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 187/15, BeckRS 2016, 20443; BGH – I ZR 82/14, GRUR 2016, 810 f; BGH – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 ff; BGH – I ZR 131/10, NJW 2012, 2279 ff; BGH – I ZR 185/14, GRUR 2016, 1093; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 187/15, GRUR-RR 2017, 107; OLG Köln – 7 U 85/18, MMR 2018, 750; OLG Braunschweig – 2 U 35/20, MMR 2021, 641 ff. 149 Ausführlich zum Domainrecht MünchKommBGB/Heine Rn 231 ff sowie BeckOGK-BGB/Niebel Rn 214 ff; ferner Soergel/Heinrich Rn 152a; Staudinger/Fritzsche Rn 100 ff, 271, 283, 307. 150 BGHZ 149, 191 (199); BGH GRUR 2004, 619 (620); OLG Stuttgart CR 2008, 120 (122); OLG Karlsruhe – 6 U 49/12, MMR 2013, 517 (518); OLG Stuttgart -2 U 147/13, MMR 2015, 122 (123) mwN; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 187/15, GRURRR 2017, 107; OLG Köln – 10 U 8/18, MMR 2019, 321 (322): Maßgeblich ist, ob zum Zeitpunkt der Erstregistrierung der Domain das Namensrecht des Berechtigten bereits entstanden war, anderenfalls ist die Domainnutzung zulässig; aA wohl OLG Frankfurt – 6 U 89/09, GRUR-Prax 2010, 438, wo auf die tatsächliche Benutzung der Domain abgestellt wird. 151 BGHZ 148, 1; 149, 191 (199); 155, 273; BGH GRUR 2002, 706 (708 f); OLG Stuttgart CR 2008, 120 (122); LG Paderborn MMR 2000, 49. Burgard
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inhaber verpflichtet sein, der Adresse einen unterscheidenden Zusatz beizufügen.152 Viertens: Verwendet der Adressinhaber die Domain zu geschäftlichen Zwecken, stellt der BGH teilweise ebenfalls auf die bloße Registrierungspublizität,153 teilweise auf die Priorität nach § 15 MarkenG154 und teilweise subsidiär auf die Priorität nach § 12 BGB ab.155 Hier erscheint noch vieles nicht abschließend geklärt.
4. Interessenverletzung Schließlich verlangt der Tatbestand der Namensanmaßung, dass durch die Zweitbenutzung ein 36 Interesse des Inhabers des Namens verletzt wird. Hinsichtlich der Frage, ob eine Interessenverletzung vorliegt, wird allgemein danach differenziert, ob der Inhaber den Namen innerhalb oder außerhalb des Geschäftsverkehrs führt. Dessen ungeachtet ist festzuhalten, dass die Erfüllung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der Namensanmaßung eine Interessenverletzung indiziert; denn eine Interessenverletzung liegt in jedem Fall vor, wenn eine Verwechselungsgefahr besteht, was ohnehin zentrale Tatbestandsvoraussetzung der Namensanmaßung ist.156
a) Außerhalb des Geschäftsverkehrs. Bei der Namensführung außerhalb des Geschäftsver- 37 kehrs sind an die Intensität der Interessenverletzung keine besonderen Anforderungen zu stellen. Das gilt unabhängig davon, ob der bürgerliche Name oder der Name einer juristischen Person oder Personenvereinigung betroffen ist. Es genügt das Interesse des Namensträgers, nicht mit anderen Personen verwechselt oder in eine falsche familiäre Beziehung gebracht zu werden.157 Erst recht ist eine Interessenverletzung gegeben, wenn das Ansehen oder der Ruf des verwendeten Namens beeinträchtigt wird, bspw. indem der Name in Zusammenhang mit politischen Zielen gebracht wird, die der Namensinhaber ablehnt.158 Selbst rein ideelle Belange oder ein bloßes Affektionsinteresse genügen.159 b) Innerhalb des Geschäftsverkehrs. Wird ein Name oder eine Kennzeichnung im geschäftli- 38 chen Verkehr verwendet, etwa als Firma oder als Geschäftsbezeichnung, kommt eine Interessenverletzung grundsätzlich nur hinsichtlich geschäftlicher oder wirtschaftlicher Interessen in Betracht.160 Ideelle Interessen können hier nur ausnahmsweise verletzt sein.161 Freilich ist auch insofern das Interesse des Unternehmens, nicht mit anderen Unternehmen verwechselt zu wer-
152 BGHZ 149, 191; BGH GRUR 2005, 687 (689); GRUR 2002, 706 (707 f); OLG Stuttgart CR 2008, 120 (122) wobei das OLG den Anspruch hier auch ohne das Vorliegen einer überragenden Bekanntheit bejaht hat. Es hat genügen lassen, dass der Prioritätsältere keinerlei objektives Interesse an einer Verwendung der Domain (s-unternehmensgruppe, ohne auch nur ein einziges Unternehmen zu betreiben) hatte und so die gebotene Interessenabwägung eindeutig zu Gunsten des Prioritätsjüngeren ausfiel. 153 BGHZ 191, 200; BGH GRUR 2002, 898 (900); GRUR 2006, 159. 154 BGHZ 149, 191; BGH GRUR 2002, 706 (707 f); GRUR 2005, 430. 155 BGHZ 155, 273 (275); 171, 104 (108); BGH GRUR 2005, 430; BGH NSW BGB § 12. 156 Zutr. MünchKommBGB/Säcker Rn 144 f; MünchKommBGB/Heine Rn 259 ff. 157 BGHZ 30, 7 (9); 43, 245 (255); 124, 173 (181); BGH GRUR 1964, 38 (40); GRUR 1979, 564; GRUR 2004, 619 (621). 158 BGHZ 8, 318 (323). 159 BGHZ 43, 245; 124, 173 (181); BGH GRUR 1970, 481. 160 BGHZ 78, 24 (25); 149, 191; BGH GRUR 1976, 379 (380); GRUR 1991, 157 (158); GRUR 1998, 996 (967); GRUR 2005, 430 (431); KG NJW 1988, 2892; Palandt80/Ellenberger Rn 32; Soergel/Heinrich Rn 190; BeckOK-BGB/Bamberger/ Förster Rn 92; BGH – I ZR 82/14, GRUR 2016, 810 (815) mwN. 161 LG Heilbronn NJW 1953, 1145. 467
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den, in jedem Fall schutzwürdig.162 Darüber hinaus liegt eine Interessenverletzung etwa dann vor, wenn die Zweitnutzung des Namens zu einer Rufschädigung führen kann.163
C. Rechtsfolgen I. Beseitigungsanspruch (S. 1) 39 § 12 S. 1 BGB gibt dem Namensinhaber einen Anspruch auf Beseitigung. Beseitigung bedeutet Beendigung des störenden Zustands.164 Der Anspruchsinhalt bestimmt sich somit nach der jeweiligen Art der Beeinträchtigung. Im Falle der Namensbestreitung besteht er etwa in deren Widerruf. Im Falle der Namensanmaßung kann insbes. die Löschung bzw. die Änderung des Namens im Handels- bzw. Vereinsregister165 bzw. der Domain166 verlangt werden. Trifft den Unbefugten die Verpflichtung, eine bestehende Verwechslungsgefahr zu beseitigen, bleibt dabei ihm die Entscheidung überlassen, welche geeigneten Maßnahmen er hierzu ergreift, insbes. wie er einen klarstellenden Zusatz formuliert.167
II. Unterlassungsanspruch (S. 2) 1. Voraussetzungen 40 a) Wiederholungsgefahr. Der Unterlassungsanspruch setzt die Gefahr weiterer Beeinträchtigungen (Wiederholungsgefahr) voraus.168 Dies hat grundsätzlich der Kläger zu beweisen.169 Es kommt darauf an, ob das Verhalten des Verletzers bzw. die Art und Weise der Beeinträchtigungshandlung die Besorgnis einer weiteren Rechtsverletzung nahe legen.170 Die Wiederholungsgefahr ist daher indiziert, wenn der Verletzer in der letzten mündlichen Verhandlung immer noch den Standpunkt vertritt, er habe rechtmäßig gehandelt,171 ferner wenn der Verletzer in Wettbewerbsabsicht172 bzw. im geschäftlichen Verkehr173 (Anh. II zu § 37 Rn 22) gehandelt hat. Besteht die Vermutung einer Wiederholungsgefahr, sind an ihre Widerlegung strenge Anforderungen zu richten (s. zur Wiederholungsgefahr auch Anh. II zu § 37 Rn 53).
41 b) Erstbegehungsgefahr. Der Namensinhaber muss eine erste rechtswidrige Beeinträchtigung nicht abwarten. Vielmehr besteht der Unterlassungsanspruch bereits bei Erstbegehungsgefahr, d.h. dann, wenn eine erste Beeinträchtigung bereits hinreichend nahe bevorsteht,174 z.B. wenn 162 Palandt80/Ellenberger Rn 32; Soergel/Heinrich Rn 190. 163 MünchKommBGB/Säcker Rn 148. 164 Prütting/Wegen/Weinreich/Prütting Rn 19; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 345 ff; Staudinger/Fritzsche Rn 348; Erman/Saenger Rn 33; siehe zur Störerhaftung BGH – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 (306 ff) mwN; BGH – I ZR 131/10, NJW 2012, 2279. 165 BGH GRUR 1974, 162 (164); siehe BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn. 351 mwN. 166 BGHZ 149, 191; BGH GRUR 2004, 619 (620). 167 BGH NJW 1958, 217; BGH GRUR 2002, 706 (708); Erman/Saenger Rn 33. 168 Statt vieler BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 368 mwN. 169 Erman/Ebbing § 1004 BGB Rn 77. 170 BGH NJW 2004, 1035 (1036); 2005, 594; Palandt80/Herrler § 1004 BGB Rn 32. 171 BGHZ 14, 163; OLG Frankfurt WRP 1976, 700 (702). 172 BGH GRUR 1997, 929 (930); GRUR 2001, 453 (455); GRUR 2002, 717 (719); GRUR 2003, 899 (900); Soergel/ Heinrich Rn 203; Staudinger/Fritzsche Rn 353. 173 Dafür MünchKommBGB/Säcker Rn 159; Ingerl/Rohnke Vor §§ 14–19 MarkenG Rn 79 ff. 174 BGHZ 2, 394; 121, 242; BGH GRUR 1993, 972. Burgard
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der Verletzer die Eintragung des Namens in ein Register beantragt hat.175 Anders als bei Wiederholungsgefahr besteht bei der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung für ihr Vorliegen (s. zu Erstbegehungsgefahr auch Anh. II zu § 37 Rn 54).
2. Anspruchsinhalt Der Unterlassungsanspruch ist auf die Verhinderung einer künftigen Beeinträchtigung gerich- 42 tet.176 Der Berechtigte kann verlangen, dass die Führung des Namens in der konkret benutzten Form untersagt wird,177 allerdings nur insoweit als dies zur Abwehr der Namensverletzung erforderlich ist. Reicht die Hinzufügung eines unterscheidungskräftigen Zusatzes aus, kommt daher ein umfassendes Verbot der Namensnutzung nicht in Betracht.178 Anders kann dies zu beurteilen sein, wenn der Verletzer den fremden Namen gewählt hat, um dessen guten Ruf auszunutzen, gezielt Verwechselungen herbeizuführen, den Namensinhaber im Geschäftsverkehr zu behindern oder sonst zu schädigen.179
III. Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB Das Namensrecht ist ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB.180 Im Fall seiner Verlet- 43 zung steht dem Geschädigten damit ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen den Verletzer zu. Anders als bei den Ansprüchen aus § 12 BGB, setzt dies allerdings voraus, dass diesen ein Verschulden trifft. Maßstab hierfür ist § 276 BGB. Mithin genügt einfache Fahrlässigkeit. Die Anforderungen sind daher nicht hoch und werden für gewöhnlich bei Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 BGB gegeben sein; denn wer einen fremden Namen unbefugt in interessenverletzender Weise benutzt, lässt regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt vermissen (s. ferner Rn 46).181 Schwierigkeiten bereiten dagegen die Feststellung und der Nachweis eines konkreten Scha- 44 dens. Das ist angesichts der besonders leichten Verletzbarkeit des Namensrechts, der daraus folgenden besonderen Schutzbedürftigkeit des Namensinhabers und der Unmöglichkeit, geeignete Vorkehrungen gegen eine Rechtsverletzung zu treffen, unbefriedigend. Deswegen ist anerkannt, dass dem Geschädigten, wie im Immaterialgüterrecht üblich (§§ 24 Abs. 2 S. 2 und 3 GebrMG, 42 Abs. 2 S. 2 und 3 DesignG, 97 Abs. 2 S. 2 und 3 UrhG und nunmehr auch § 15 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 6 S. 2 und 3 MarkenG), drei verschiedene Möglichkeiten der Schadensberechnung offen stehen, zwischen denen er frei wählen kann:182 Erstens kann er Ersatz des ihm tatsächlich entstandenen Vermögensnachteils, insbes. eines ihm entgangenen Gewinns verlangen 175 BGH GRUR 1990, 361 (363); GRUR 2003, 428 (431); GRUR 2004, 600 (601); OLG München MarkenR 2002, 199 (200); OLG Hamburg MD 2002, 1268. 176 Erman/Ebbing § 1004 BGB Rn 76. 177 BGHZ 126, 287; 130, 276 (280); BGH GRUR 1968, 212 (213); GRUR 1998, 391 (394); GRUR 2000, 605 (607); GRUR 2003, 436. 178 BGHZ 149, 191; BGH GRUR 1968, 212 (213); GRUR 1981, 277; NJW 1986, 57; GRUR 1995, 829 m. Anm. Fezer; GRUR 1997, 661 (663); GRUR 1998, 391 (394); GRUR 2000, 605 (607); GRUR 2002, 706 (707); Palandt80/Ellenberger Rn 37; Staudinger/Fritzsche Rn 349. 179 MünchKommBGB/Säcker Rn 162; BGHZ 4, 96 (102); BGH NJW 1951, 520; BGH LM UWG § 16 Nr. 49 und 59; siehe zu den prozessualen Fragestellungen etwa BeckOK-BGB/Bamberger/Förster Rn 378 ff. 180 LG Berlin – 27 O 94/11, ZUM 2011, 870; Bei Verwendung des Namens im Geschäftsverkehr kann zudem ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen, Palandt/Ellenberger Rn 39; BeckOGK-BGB/ Niebel Rn 824 ff, Staudinger/Fritzsche Rn 350; Soergel/Heinrich Rn 195. 181 MünchKommBGB/Säcker Rn 167; siehe zur Prüfpflicht bei Registierung eines Domainnamnes etwa: BGH – I ZR 150/11, MMR 2013, 304 (305). 182 MünchKommBGB/Säcker Rn 167; Staudinger/Fritzsche Rn 350 f; Soergel/Heinrich Rn 195. 469
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(§§ 249, 251, 252 BGB). Zweitens hat er die Möglichkeit, den Schadensersatz in Höhe einer marktüblichen (§ 287 ZPO) Lizenzgebühr zu berechnen (sog. Lizenzanalogie).183 Und drittens kann er die Herausgabe des Verletzergewinns verlangen.184 Neben diesen drei Möglichkeiten kann er überdies grundsätzlich Ersatz des sog. Marktverwirrungs- oder Diskreditierungsschadens185 (z.B. Aufwendungen zur Wiederherstellung der Reputation)186 verlangen. Zum Ganzen näher Anh. II zu § 37 Rn 59 ff. 45 Schließlich kann der Verletzte Ersatz eines immateriellen Schadens geltend machen. § 253 Abs. 2 BGB steht dem nicht entgegen, weil das Namensrecht ein Ausschnitt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, das durch Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützt wird. Dementsprechend muss der Verletzte, damit er einen Anspruch auf Schmerzensgeld hat, durch die Namensverletzung nicht nur in vermögenswerten Interessen, sondern auch in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen sein.187
IV. Weitere Anspruchsgrundlagen 46 Dem Inhaber des Namens können neben dem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB Ansprüche aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2, 818 Abs. 2 BGB zustehen.188 Dieser Bereicherungsanspruch ist insofern von Bedeutung, als er kein Verschulden voraussetzt und ebenfalls auf Zahlung der marktüblichen Lizenzgebühr gerichtet ist (s. auch Anh. II zu § 37 Rn 64). 47 Bei einem vorsätzlichen Eingriff in das Namensrecht besteht ferner ein Anspruch wegen angemaßter Eigengeschäftsführung aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 677 BGB auf Herausgabe des Verletzergewinns.189 Zur Feststellung der für den Verletzten günstigsten Art der Schadensberechnung steht die48 sem ergänzend ein Anspruch auf Auskunft aus § 242 BGB bzw. §§ 687 Abs. 2, 681 S. 1, 667 BGB über die Tatsachen zu, die er zur Vorbereitung und Durchsetzung seiner Ansprüche benötigt (näher Anh. II zu § 37 Rn 65).190 Zum Ersatz von Abmahnkosten191 Anh. II zu § 37 Rn 68. Ferner können Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG gegeben sein (dazu Anh. II zu § 37). Ist dies 49 der Fall treten freilich die Ansprüche aus § 12 BGB zurück, s.o. Rn 4 ff. Ein Unterlassungsanspruch kann sich ferner aus § 37 Abs. 2 S. 1 HGB ergeben. Überdies 50 kann der Verletzte die Einleitung eines Firmenmissbrauchsverfahrens nach § 37 Abs. 1 HGB anregen. Näher zu diesen Vorschriften dort. Wird das Namensrecht durch eine Marke verletzt, besteht schließlich die Möglichkeit der 51 Erhebung einer Löschungsklage gem. §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 51, 55 MarkenG i.V.m. § 12 S. 2 BGB.
183 BGHZ 20, 345 (353); 60, 206; 143, 214; OLG Köln – 6 U 9/10, BeckRS 2010, 13342, wobei es unerheblich ist, ob eine entspr. Lizenzvereinbarung wahrscheinlich niemals abgeschlossen wäre. 184 BGHZ 57, 116 (117); 60, 206 (208); 143, 214 (231). 185 BGHZ 60, 206; BGH GRUR 1974, 84 (88); GRUR 1974, 735 (736); GRUR 1988, 776. 186 Vgl. BGHZ 148, 26 (39); BGH GRUR 1987, 364 (365); GRUR 1988, 2469 (2471); GRUR 1991, 921 (923); GRUR 1999, 587 (590); GRUR 2000, 226; GRUR 2002, 709 (712); OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 204 (205). 187 LG München I – 33 O 4888/15 mwN. 188 BGHZ 81, 75; BGH GRUR 1987, 128; GRUR 1992, 557; v. Caemmerer FS Rabel, Bd. I, 354; Sack WRP 1984, 521 (532); BGH – I ZR 187/10, NJW 2012, 2034 (2038); Im konkreten Fall verneinend OLG Frankfurt a.M. – 6 U 12/15, GRUR-RR 2016, 16313: § 812 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. BGB; OLG Braunschweig – 2 U 35/20, MMR 2021, 641 ff; BeckOKBGB/Bamberger/Förster Rn 400; siehe zur „Domainvindikation“ die Darstellung in: BeckOGK-BGB/Niebel Rn 841. 189 BGHZ 145, 366 (374); Fezer § 14 MarkenG Rn 1052; Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher § 687 BGB Rn 4; MünchKommBGB/Schäfer § 687 Rn 30 f; vgl. BeckOK-BGB/Gehrlein § 687 Rn 6; Erman/Dornis § 687 Rn 10; Staudinger/Fritzsche Rn 378; Staudinger/Bergmann § 687 BGB Rn 42. 190 BGHZ 60, 206; 143, 214; BGH GRUR 1958, 346 (348); GRUR 2002, 706 (708); OLG Düsseldorf – I-20 U 67/12, GRUR-RR 2013, 384. 191 Siehe BGH – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 (305). Burgard
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Anhang II zu § 37 § 5 Markengesetz Geschäftliche Bezeichnungen (1) Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel geschützt. (2) 1Unternehmenskennzeichen sind Zeichen, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden. 2Der besonderen Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs stehen solche Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebs von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen gleich, die innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Kennzeichen des Geschäftsbetriebs gelten. (3) Werktitel sind die Namen oder besonderen Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken oder sonstigen vergleichbaren Werken.
§ 6 Markengesetz Vorrang und Zeitrang (1) Ist im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne der §§ 4, 5 und 13 nach diesem Gesetz für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich, wird der Zeitrang nach den Absätzen 2 und 3 bestimmt. (2) Für die Bestimmung des Zeitrangs von angemeldeten oder eingetragenen Marken ist der Anmeldetag (§ 33 Abs. 1) oder, falls eine Priorität nach § 34 oder nach § 35 in Anspruch genommen wird, der Prioritätstag maßgeblich. (3) Für die Bestimmung des Zeitrangs von Rechten im Sinne des § 4 Nr. 2 und 3 und der §§ 5 und 13 ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem das Recht erworben wurde. (4) Kommt Rechten nach den Absätzen 2 und 3 derselbe Tag als ihr Zeitrang zu, so sind die Rechte gleichrangig und begründen gegeneinander keine Ansprüche.
§ 15 Markengesetz Ausschließliches Recht des Inhabers einer geschäftlichen Bezeichnung, Unterlassungsanspruch, Schadensersatzanspruch (1) Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. (2) Dritten ist es untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. (3) Handelt es sich bei der geschäftlichen Bezeichnung um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, so ist es Dritten ferner untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, wenn keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne des Absatzes 2 besteht, soweit die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. (4) 1Wer eine geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen entgegen Absatz 2 oder Absatz 3 benutzt, kann von dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 2Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung droht
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Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der geschäftlichen Bezeichnung zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. 2§ 14 Abs. 6 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. (6) § 14 Abs. 7 ist entsprechend anzuwenden.
Schrifttum Alt Der Schutz von geschäftlichen Bezeichnungen nach dem Markengesetz, ZAP Fach 16, 313–322; Althammer/Ströbele Markengesetz, Kommentar, 5. Aufl. 1997; Ammelburger/Fleischer/Friedrichs Der kennzeichenrechtliche Filmtitelschutz, ZUM 2016, 853; Arz/Schmitt-Gaedke Das Recht der Gleichnamigen und seine Grenzen, GRUR 2012, 565; Bayreuther Gewerblicher und bürgerlicher Rechtsschutz des Vereinssymbols, WRP 1997, 820; Beier Unterscheidende Zusätze als Mittel zur Lösung marken- und firmenrechtlicher Konflikte im Gemeinsamen Markt? RiW/AWD 1978, 213; Berlit Markenrecht, 11. Aufl. 2019; Boecker Das Markengesetz im Internetzeitalter, MarkenR 2008, 379; Boes/ Deutsch Die „Bekanntheit“ nach dem neuen Markenrecht und ihre Ermittlung durch Meinungsumfragen, GRUR 1996, 168; Bornkamm Markenrecht und wettbewerbsrechtlicher Kennzeichenschutz, GRUR 2005, 97; Borsch Der angemaßte Influencer – Markenpiraterie 2.0, MMR 2018, 127; Bußmann Name, Firma, Marke, 1937; Bröcher Domainnamen und das Prioritätsprinzip im Kennzeichenrecht, MMR 2005, 203; Canaris Kollision der §§ 16 und 3 UWG mit dem Grundsatz der Firmenbeständigkeit gem. §§ 22, 24 HGB, GRUR 1989, 715; Czernik/Fuchs, von Die Kennzeichnungsfähigkeit von (offenen) Investmentsfonds, GRUR 2015, 852; Deutsch Neues zum Titelschutz, GRUR 2013, 113; Eichmann Der Schutz von bekannten Kennzeichen, GRUR 1998, 201; ders. Gegenwart und Zukunft der Rechtsdemoskopie, GRUR 1999, 939; Ernst Meta-Tags, CR 2000, 122; ders. Suchmaschinenmarketing (Keyword-Advertising, Doorwaypages u.ä.) im Wettbewerbs- und Markenrecht, WRP 2004, 278; Falk Zur Eigenständigkeit des Begriffs der Branchennähe, GRUR 2012, 348; Fezer Markenrecht, 1997; ders. Kumulative Normenkonkurrenz im Kennzeichenrecht, WRP 2000, 863; ders. Fezer Markenrecht, 3. Aufl. 2001; Fuchs Allgemeiner Kennzeichenschutz für geistige Produkte, GRUR 1999, 460; Gast Der Schutz der besonderen Geschäftsbezeichnung und des Geschäftsabzeichens, Diss. Erlangen-Nürnberg 1968; Goldmann Unternehmenskennzeichen, 4. Aufl. 2018; v. Gamm Entwicklungen und neuere Rechtsprechung im Kennzeichnungsrecht, WM 1985, 849; ders. Rufausnutzung und Beeinträchtigung bekannter Marken und geschäftlicher Bezeichnungen, Festschrift Piper 1996, 537; Greil/Wargowske Namensnutzung in multinationalen Unternehmensgruppen, IStR 2017, 12; Günther Die Entstehung des Unternehmenskennzeichenschutzes nach § 5 Abs 2 Satz 1 MarkenG, WRP 2005, 975; Haase Das Recht des Markenzeichens, HGZ 1999, 51; Härting Kennzeichenrechtliche Ansprüche im Domainrecht, ITRB 2008, 38; Haupt Die Bedeutung des Prioritätsgrundsatzes im Recht der Kennzeichen, Diss. Köln 1963; Hefermehl/Köhler/Bornkamm UWG, 26. Aufl. 2007; Heim Zur Markenbenutzung durch Meta-Tags, CR 2005, 200; Hoeren/Sieber (Hrsg.) Handbuch Multimediarecht, 2002; Ingerl/Rohnke Markengesetz: Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen, 1998; ders. Markengesetz, 2. Aufl. 2003; Jacobs/Lindacher/Teplitzky (Hrsg.) Großkommentar UWG; Klaka Geteilte Zeichenpriorität und Eintragungsbewilligungsklage, GRUR 1985, 681; Kilian/Heussen (Hrsg.) Computerrechtspraxis, Stand 2005; Knaak Die Begriffe des markenmäßigen und firmenmäßigen Gebrauchs im Zeichenrecht, GRUR 1982, 67; ders. Firmen- und Kennzeichnungsrecht in Deutschland, 1983; ders. Firma und Firmenschutz, 1986; ders. Der Schutz der nichteingetragenen Kennzeichenrechte im vereinigten Deutschland, GRUR 1991, 891; ders. Zur Einbeziehung des Schutzes der Unternehmenskennzeichen in das neue Markengesetz, Festschrift Beier, 1996, 243; Koch Neue Rechtsprobleme der Internetnutzung, NJW-CoR 1998, 45; ders./Körner Der Schutz der Marke als absolutes Recht – insbes. die Domain als Gegenstand markenrechtlicher Ansprüche, GRUR 2005, 33; Kochendörfer Die Handelsmarke im Verletzungsverfahren, GRUR 2014, 35; Kothoff Fremde Kennzeichen in Metatags: Marken- und Wettbewerbsrecht, K&R 1999, 157; Krings Haben §§ 14 Abs. 2 Nr. 3 und 15 Abs. 3 MarkenG den Schutz der berühmten Marke sowie des berühmten Unternehmenskennzeichens aus §§ 12, 823 Abs. 1, 1004 BGB ersetzt? GRUR 1996, 614; Kroitzsch Die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, GRUR 1968, 173; Kur Metatags – pauschale Beurteilung oder differenzierende Betrachtung? CR 2000, 448; Lehmann Der Schutz der geschäftlichen Bezeichnungen im neuen Markengesetz, Festschrift Beier, 1996 S. 279; Lehmann/Zöllner Kennzeichen und lauterkeitsrechtlicher Schutz für Apps, GRUR 2014, 431; Leyendecker-Langner Top-Level-Domains und Namensschutz aus § 12 BGB, MMR 2014, 288; Marly Das Verhältnis von Urheber- und Markenrecht bei Open Source Software, GRUR-RR 2010, 457; Menke Die Verwendung fremder Kennzeichen in Metatags – Ein Fall für das Kennzeichen- und/oder das Wettbewerbsrecht? WRP 1999, 982, 985; Meyer § 5 MarkenG; eine kurze Betrachtung anhand eines Fallbeispiels, WRP 1995, 799; Möller Lizenzen an Unternehmenskennzeichen, 2006; Nägele Das Verhältnis des Schutzes geschäftlicher Bezeichnungen nach § 15 MarkenG zum Namensschutz, GRUR 2007, 1007; Ohly Schadensersatzansprüche wegen Rufschädigung und Verwässerung im Marken- und Lauterkeitsrecht, GRUR 2007, 926; Pellens Nutzung einer fremden Marke als Metatag, CR 2002, 136; Piper Der Schutz der bekannten Marken, GRUR 1996, 429; Riehle Zur Kollision von Firma und Warenzeichen, ZHR 128 (1966), 1; Sack Zum Schutz
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vor Verwässerung gem. MarkenG §§ 9 Abs. 1 Nr. 3 und 14 Abs. 1 Nr. 3, WRP 1995, 81; Schäfer Seniorität und Priorität, GRUR 1998, 350; Schöne/Wüllrich Das Prioritätsprinzip im Markenrecht am Beispiel der Kollision von älterer Marke und jüngerer geschäftlicher Bezeichnung, WRP 1997, 514; Scholz Die Änderung der Gleichgewichtslage zwischen namensgleichen Unternehmen und das Recht auf die Namensmarke, GRUR 1996, 681; v. Schultz (Hrsg.) Markenrecht, 3. Aufl. 2012; Seichter Markenrecht und Internet, MarkenR 2006, 375; Sievers Übertragung des Prioritätsrechts bei Warenzeichen, Mitt 1977, 90; Starck Marken und sonstige Kennzeichenrechte als verkehrsfähige Wirtschaftsgüter – Anmerkungen zum neuen Markenrecht, WRP 1994, 698; Starke Zur Vereinheitlichung des Rechts der Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr durch das neue Markengesetz, Festschrift 100 Jahre Marken(r)-Amt, 1994 S. 291; Stollwerck Der rechtliche Schutz von Werbeslogans, ZUM 2015, 867; Strauss Gerichtliche Zuständigkeit bei Anspruchskonkurrenz aus Markengesetz und Gemeinschaftmarkenverordnung, GRUR 2011, 401;Ströbele/Hacker Markengesetz, 8. Aufl. 2006; Teplitzky Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl. 2002; Vidal Metatags, Keyword Banners und Kennzeichenrechte unter besonderer Berücksichtigung spanischen Rechts, GRUR Int. 2003, 312; Weidert/Lühring Was hat Vossius, was Shell nicht hat und umgekehrt? WRP 2002, 880; Wüstenberg Das Namensrecht der Domainnamen, GRUR 2003, 109. S. ferner das Schrifttum zu Anhang I zu § 37.
Übersicht 1
A.
Überblick
B.
Geschützte Bezeichnungen, insbes. Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 Mar4 kenG
I.
Name i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 1 MarkenG
II. 1. 2. 3.
Firma i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 2 MarkenG 6 Vollständige Firma 7 Firmenbestandteile Firmenschlagworte und –abkürzungen
III.
24
3.
Unbefugt
II. 1.
Verletzungsfolge: Verwechselungsgefahr Erscheinungsformen der Verwechselungsge27 fahr 28 Maßgebliche Faktoren 29 a) Zeichenähnlichkeit 33 b) Branchennähe 37 c) Kennzeichnungskraft
2. 5
E.
Verletzungstatbestand nach § 15 Abs. 3 MarkenG
Geschäftsbezeichnung i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 3 9 MarkenG
I.
Schutzobjekt: Im Inland bekannte geschäftliche 38 Bezeichnung
IV.
Geschäftsabzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 Mar10 kenG
II. 1.
C.
Schutzvoraussetzungen
2.
I. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Beginn des Schutzes 11 Benutzungsaufnahme 13 Befugte Benutzung 14 Unterscheidungskraft 15 Kein Freihaltebedürfnis 16 Verkehrsgeltung 17 Priorität, § 6 MarkenG
3.
Verletzungshandlung Unbefugte Benutzung im geschäftlichen Ver41 kehr Ausnutzung der Unterscheidungskraft (Aufmerk43 samkeitsausbeutung) Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft (Ver44 wässerung) Beeinträchtigung der Wertschätzung (Rufschädi45 gung) Ausnutzung der Wertschätzung (Rufausbeu46 tung) Ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer 47 Weise
II.
Ende des Schutzes
D.
Verletzungstatbestand nach § 15 Abs. 2 MarkenG
I. 1. 2.
21 Verletzungshandlung Im geschäftlichen Verkehr 23 Benutzung
473
8
4. 5. 6.
19
22
F.
Rechtsfolgen nach § 15 Abs. 4 bis 6 Mar49 kenG
I.
Anspruchsinhaber
II.
Anspruchsgegner
50 51
Burgard
Anh. II § 37
1. Buch. Handelsstand
III.
Bedeutung von § 15 Abs. 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 Mar53 kenG
IV.
Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4 Mar54 kenG 55 Wiederholungsgefahr 56 Erstbegehungsgefahr 57 Beseitigungsanspruch
1. 2. 3. V. 1. 2.
3.
Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 5 MarkenG 58 Überblick Verschulden 59 a) Haftung für eigenes Verschulden 60 b) Haftung für fremdes Verschulden Schadensberechnung 61 a) Wahlrecht des Gläubigers 62 b) Entgangener Gewinn 63 c) Herausgabe des Verletzergewinns 64 d) Lizenzanalogie
65
4.
Marktverwirrungsschaden
G.
Sonstige Ansprüche
I.
Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB
II.
Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB
67
III.
§ 823 Abs. 1 BGB (i.V.m. § 1004 BGB)
68
IV.
§§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 677 BGB
69
V.
§§ 677 ff, 683 BGB
VI.
§ 18 MarkenG
70 71 72
VII. §§ 3, 4, 5, 8, 9 UWG VIII. Konkurrenzen H.
66
73
Weitere Abwehrmöglichkeiten
74
A. Überblick 1 Das Markengesetz schützt alle durch Eintragung oder Benutzung erworbenen Kennzeichen.1 Unter den Begriff des Kennzeichens fallen nach § 1 MarkenG Marken, geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben. Zu den geschäftlichen Bezeichnungen zählen Unternehmenskennzeichen und Werktitel, § 5 Abs. 1 MarkenG. Zuvor war der Schutz von Unternehmenskennzeichen in § 16 UWG a.F. geregelt. Zwar wurde diese Bestimmung durch Art. 25 des Markenrechtsreformgesetzes2 aufgehoben. Eine Änderung der materiellen Rechtslage war damit aber nicht bezweckt,3 so dass grundsätzlich auf die Rechtsprechung zu § 16 UWG a.F. zurückgegriffen werden kann.4 § 5 MarkenG ist in erster Linie eine Definitionsnorm, die den Gegenstand des Schutzes 2 geschäftlicher Bezeichnungen näher bestimmt. § 6 MarkenG regelt das allgemein im gewerblichen Rechtsschutz geltende Prioritätsprinzip speziell für das gesamte Kennzeichnungsrecht. Seine Bedeutung besteht darin, dass prioritätsälteren Kennzeichen im Kollisionsfall Vorrang vor prioritätsjüngeren Kennzeichen eingeräumt wird. Vor diesem Hintergrund gewährt § 15 Abs. 1 MarkenG dem Inhaber einer prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnung ein Ausschließlichkeitsrecht, d.h. ein subjektives und dingliches, gegenüber jedermann wirkendes Recht, anderen die Nutzung seiner prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnung zu verbieten.5 § 15 Abs. 2 MarkenG erweitert diesen Schutz gegenüber der unbefugten Benutzung ähnlicher verwechselungsfähiger Bezeichnungen. § 15 Abs. 3 MarkenG dehnt den Schutz im Blick auf die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung von im Inland bekannten Bezeichnungen aus. § 15 Abs. 4 gibt einen Unterlassungs-, § 15 Abs. 5 MarkenG einen Schadensersatzanspruch. § 15 Abs. 6 MarkenG ist eine Zurechnungsnorm. 1 Berlit Markenrecht Rn 1 f. 2 Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, BGBl. I 1994, 3082.
3 Begr. RegE zum MarkenG, BT-Drucks 12/6581, 61. 4 Näher Ströbele/Hacker § 5 Rn 1 f. 5 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 4; Ingerl/Rohnke Rn 5. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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Geschäftliche Bezeichnungen können zugleich als Marke geschützt sein bzw. wer- 3 den.6 In diesem Fall muss zwischen beiden Schutzrechten streng differenziert werden, weil unterschiedliche Regeln gelten und ggf. auch ein unterschiedlicher Zeitrang besteht. Der Schutz von Unternehmenskennzeichen als Marke wird vorliegend nicht behandelt. Ganz verzichtet wird, weil im Zusammenhang mit dem Firmenrecht weithin ohne Bedeutung, auf eine Darstellung des Schutzes von Werktiteln.
B. Geschützte Bezeichnungen, insbes. Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG Nach § 5 Abs. 1 MarkenG sind Unternehmenskennzeichen und Werktitel als geschäftliche Be- 4 zeichnungen geschützt. Den Begriff „Unternehmenskennzeichen“ definiert § 5 Abs. 2 MarkenG. Unternehmenskennzeichen dienen der Individualisierung eines Unternehmensträgers, eines Unternehmens oder Geschäftsbetriebs (insbes. einer Betriebsstätte). Dabei unterscheidet Abs. 2 in Übereinstimmung mit der hergebrachten Dogmatik und § 16 Abs. 1 und 3 UWG a.F. Unternehmenskennzeichen danach, ob der Verkehr ihnen Namensfunktion zumisst (S. 1) oder nicht (S. 2).7 Dieser Unterschied ist insofern von Bedeutung als Unternehmenskennzeichen, die der Verkehr als Namen auffasst (Rn 5–9), grundsätzlich bereits dann zur Individualisierung geeignet sind und damit geschützt werden, wenn sie hinreichende Unterscheidungskraft haben. Auf die Erlangung von Verkehrsgeltung kommt es nur an, wenn ihnen ausreichende Unterscheidungskraft fehlt. Geschäftsabzeichen i.S.d. S. 2 (Rn 10) sind dagegen, weil sie vom Verkehr nicht als Namen aufgefasst werden, unabhängig von ihrer Unterscheidungskraft erst und nur dann zur Individualisierung geeignet, wenn sie Verkehrgeltung erlangt haben. Dementsprechend werden sie erst und nur dann geschützt.
I. Name i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 1 MarkenG Der Begriff des Namens stimmt inhaltlich weitgehend mit dem Namensbegriff des § 12 BGB über- 5 ein. Nicht umfasst sind hier aber im Gegensatz zu § 12 BGB (Anh. I zu § 37 Rn 10 ff) die Firma, besondere Geschäftsbezeichnungen und Geschäftsabzeichen, wie sich aus deren gesonderter Erwähnung in Abs. 2 ergibt.8 Voraussetzung ist, dass der Name im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung einer natürlichen oder juristischen Person od er Personenmehrheit verwendet wird. Wird der Name dagegen zu rein privaten, ideellen, kulturellen, wissenschaftlichen oder gesellschaftspolitischen Zwecken verwendet, wird er durch § 12 BGB geschützt (näher Anh. I zu § 37 Rn 3 ff). Ferner muss der Name zur Individualisierung bestimmt und geeignet sein. Das trifft zunächst auf den bürgerlichen Namen zu. Zur Individualisierung geeignet ist grundsätzlich auch ein Nachname in Alleinstellung, und zwar auch ein sog. Allerweltsname (s. dazu § 18 Rn 21). Vornamen in Alleinstellung genießen grundsätzlich keinen Namensschutz, da sie im Verkehr regelmäßig nicht zur Individualisierung bestimmter Personen benutzt werden.9 Ausnahmsweise kann dies dann anders sein, wenn eine Person gerade oder auch unter ihrem Vornamen im Verkehr bekannt ist und der Vorname sie daher ausreichend individualisiert.10 Dem 6 Ströbele/Hacker § 5 Rn 5, 61 f. 7 BGH GRUR 1953, 290 (291); BGH GRUR 2005, 419 (422); Ströbele/Hacker § 5 Rn 6; v. Schultz/Gruber § 5 Rn 11; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 10.
8 Ströbele/Hacker § 5 Rn 10; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 18. 9 Ströbele/Hacker § 5 Rn 12; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 22. 10 BGH – I ZR 96/07, GRUR 2008, 1124 (1125); BGH – I ZR 223/05, NJOZ 2008, 4549 (4551); BGH GRUR 1983, 262 (263); OLG München GRUR 1960, 394; BPatG GRUR 1998, 1027 – Boris/BORIS BECKER. 475
Burgard
Anh. II § 37
1. Buch. Handelsstand
bürgerlichen Namen gleich behandelt werden Wahlnamen natürlicher Personen wie Pseudonyme, Künstlernamen11 und Spitznamen.12 Ihr Schutz entsteht jedoch erst mit Verkehrsgeltung (Anh. I zu § 37 Rn 16). Mögliches Schutzobjekt sind ferner Namen von juristischen Personen und Personenvereinigungen.13 Besteht ein schutzwürdiges Interesse, kann sogar für die Namen von Bauvorhaben oder einzelnen Gebäuden Kennzeichenschutz bestehen.14 Voraussetzung ist jedoch stets, dass der betreffende Namen entweder hinreichende Unterscheidungskraft (dazu Rn 14) oder Verkehrsgeltung (dazu Rn 16) besitzt. Unter diesen Voraussetzungen können auch Buchstaben- und Zahlenkombinationen als Namen geschützt sein.15
II. Firma i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 2 MarkenG 1. Vollständige Firma 6 Geschützt wird ferner die Firma i.S.d. §§ 17 ff.16 Eine diesen Vorschriften nicht entsprechende Firma erlangt keinen Schutz nach § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 2 MarkenG (s. auch u. Rn 13).17 Davon unberührt bleibt der Schutz des als Firma unzulässigen Kennzeichens als Name (S. 1 Fall 1) oder besondere Geschäftsbezeichnung (S. 1 Fall 3).18 In jedem Fall schutzunfähig sind allerdings täuschungsgeeignete Firmen (§ 18 Abs. 2, §§ 3, 5 UWG). Der Schutz nach § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG besteht bereits vor Eintragung der Firma in das Handelsregister. Geschützt wird auch der Name (S. 1 Fall 1) oder die Firma (vgl. § 17 Rn 14) einer noch nicht eingetragenen Vorgesellschaft. Das sichert der gleich lautenden Firma der später eingetragenen Gesellschaft zugleich den kennzeichenrechtlichen (anders § 30 Rn 11 f) Zeitrang.19
2. Firmenbestandteile 7 Firmenbestandteile sind Teil der vollständigen, im Handelsregister eingetragenen Firma (z.B. „GEFA“ als Teil der vollständigen Firma „GEFA Gesellschaft für Absatzfinanzierung mbH“).20 Sie nehmen an der Priorität der vollständigen Firma teil und genießen selbständigen Schutz nach S. 1 Fall 2, wenn sie hinreichend unterscheidungskräftig sind und ihrer Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheinen, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen.21 Liegen diese Voraussetzungen vor, ist es unerheblich, ob sie tatsächlich in Alleinstellung als Firmenschlagwort verwendet werden oder Verkehrsgeltung erlangen.22
11 LG Hamburg – 312 O 656/08, NJOZ 2009, 4694 (4696); LG Düsseldorf NJW 1987, 1413; OLG Stuttgart GRUR-RR 2002, 55 (56); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 22 mwN. 12 BGH GRUR 2003, 897 (898); OLG Hamburg Mitt 2002, 90 (91 f); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 23 mwN. 13 Anstelle anderer Ströbele/Hacker § 5 Rn 14 mwN. 14 BGH – I ZR 188/09, GRUR 2012, 534 (536); BGH GRUR 1976, 311 (312); KG NJW 1988, 2892 (2893); LG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 311; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 20 mwN. 15 BGH GRUR 2001, 344; GRUR 2005, 430. 16 Vgl. BeckOK-HGB/Bömeke § 17 Rn. 38. 17 Ströbele/Hacker § 5 Rn 24; Fezer § 15 Rn 131, 173; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 30 mwN. 18 BGH GRUR 1960, 93 (94). 19 BGH GRUR 1993, 404; GRUR 1997, 749 (751). 20 V. Schultz/Gruber § 5 Rn 8; Fezer § 15 Rn 233. 21 BGH – I ZR 201/16, GRUR 2018, 935 (936); BGH – ZR 50/14, GRUR 2016, 705 (706); BGH GRUR 1985, 461; GRUR 1991, 475 (476); GRUR 1991, 556; GRUR 1997, 468; GRUR 2006, 159; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 33 mwN. 22 BGH GRUR 1997, 468 (469); GRUR 1997, 845; GRUR 1999, 492 (493); GRUR 2000, 605 (607); GRUR 2001, 1161; GRUR 2002, 898. Burgard
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3. Firmenschlagworte und –abkürzungen Firmenschlagworte und Firmenabkürzungen ist gemeinsam, dass sie als Kurzbezeichnung der 8 Firma verwendet werden. Von Firmenschlagworten sollte die Rede sein – die Terminologie ist uneinheitlich –, wenn die Kurzbezeichnung Firmenbestandteil ist. Firmenabkürzungen sind hingegen nicht Teil der im Handelsregister eingetragenen Firma, sondern werden aus der vollständigen Firma abgeleitet (z.B. „GEFA“ für „Gesellschaft für Absatzfinanzierung mbH“). Anders als Firmenabkürzungen können Firmenschlagworte als Firmenbestandteil unter den in Rn 7 genannten Voraussetzungen unabhängig von ihrer Verwendung Schutz genießen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist zu unterscheiden: Werden Firmenschlagworte und -abkürzungen von dem Inhaber des Geschäftsbetriebs zu dessen Kennzeichnung selbständig herausgestellt (z.B. auf dem Briefkopf), so werden sie bei ausreichender Unterscheidungskraft wie eine besondere Geschäftsbezeichnung (Rn 9) geschützt.23 Ohne besondere Herausstellung ist hingegen in jedem Fall Verkehrsgeltung erforderlich.24
III. Geschäftsbezeichnung i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 1 Fall 3 MarkenG Die besondere Geschäftsbezeichnung weist im Gegensatz zur Firma nicht auf den Unterneh- 9 mensträger, sondern auf das Unternehmen oder einen Geschäftsbetrieb (Betriebsstätte) als organisatorische Einheit hin.25 Sie kann neben dem Namen oder der Firma geführt werden.26 Typische Anwendungsbeispiele sind die Bezeichnungen von Gaststätten und Hotels.27
IV. Geschäftsabzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG Geschäftsabzeichen können etwa Fernschreibkennungen,28 Telefon-29 und Faxnummern, Inter- 10 net-Domains30 oder Logos31 von Unternehmen, aber auch die Aufmachung des Geschäftswagens, der Kleidung der Mitarbeiter, Hausfarben32 oder Werbesprüche sein.33 Ausweislich des Wortlauts von S. 2 dienen sie ebenso wie Geschäftsbezeichnungen der Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebs.34 Im Gegensatz zu Geschäftsbezeichnungen misst ihnen der Verkehr jedoch keine Namensfunktion zu. Der kennzeichenrechtliche Schutz von Geschäftsabzeichen setzt daher auch bei ursprünglicher Unterscheidungskraft den Nachweis von Verkehrsgeltung voraus (s. bereits o. Rn 4).35
23 24 25 26 27
BGH GRUR 1954, 195; GRUR 1960, 93; GRUR 1985, 461. BGH GRUR 1954, 195; GRUR 1985, 461; GRUR 1992, 329. V. Schultz/Gruber § 5 Rn 10; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 44. Ströbele/Hacker § 5 Rn 35. BGH GRUR 1970, 479; GRUR 1977, 165 (166); GRUR 1995, 507; OLG Celle WRP 1996, 109; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 19/16, GRUR-RR 2016, 448; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 44 mwN. 28 BGH GRUR 1984, 475 (476); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 28. 29 BGH GRUR 1953, 290 (291); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 28. 30 BGH NJW 2005, 1198. 31 BGH GRUR 1957, 281. 32 Vgl. BGH GRUR 1968, 371; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 28 mwN. 33 OLG Hamburg WRP 1958, 340; KG WRP 1980, 623. 34 AA v. Schultz/Gruber § 5 Rn 11. 35 BGH GRUR 2007, 888; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 51. 477
Burgard
Anh. II § 37
1. Buch. Handelsstand
C. Schutzvoraussetzungen I. Beginn des Schutzes 1. Benutzungsaufnahme 11 Der Schutz geschäftlicher Bezeichnungen wird grundsätzlich mit Aufnahme der Benutzung erworben. Voraussetzung ist allerdings, dass die Bezeichnung hinreichende Unterscheidungskraft hat (Rn 14) und Unterscheidungskraft ausreicht, um den Schutz zu begründen. Andernfalls wird der Schutz erst mit Erlangung von Verkehrsgeltung (Rn 16) erworben. Insbes. bei Wahlnamen natürlicher Personen (Rn 5) und Geschäftsabzeichen i.S.d. § 5 Abs. 2 S. 2 (Rn 10) ist daher stets Verkehrsgeltung erforderlich. Der Zeitpunkt des Schutzerwerbs ist für die Priorität (Rn 17) maßgeblich.36 Benutzungsaufnahme ist jede inländische Handlung, die auf den Beginn einer dauerhaf12 ten wirtschaftlichen Betätigung schließen lässt.37 Dafür ausreichend sind auch Vorbereitungshandlungen vor Eröffnung des eigentlichen Geschäftsbetriebes wie bspw. die Aufnahme von Lieferbeziehungen, die Anmietung von Geschäftsräumen oder die Einstellung von Personal.38 Sind etwa der Domainname und die geschäftliche Bezeichnung identisch, so begründet allein die Registrierung der Domain noch keinen Schutz zu Gunsten der Geschäftsbezeichnung.39
2. Befugte Benutzung 13 Zwar verlangt § 5 Abs. 2 MarkenG – anders als noch § 16 Abs. 1 UWG – nicht ausdrücklich, dass das Unternehmenskennzeichen befugterweise geführt wird. Es besteht indes kein Anlass, wettbewerbswidrige oder sonst von der Rechtsordnung missbilligte Kennzeichen zu schützen. Das gilt nicht nur für die Firma (dazu schon Rn 6), sondern auch für Namen und sonstige Unternehmenskennzeichen. Insbes. irreführenden Kennzeichen ist der Schutz nach § 5 Abs. 2 daher versagt.40 Neben §§ 3, 5 UWG kann zur Konkretisierung auch auf § 8 Abs. 2 Nr. 4–13 MarkenG zurückgegriffen werden.41
3. Unterscheidungskraft 14 Unterscheidungskräftig ist ein Unternehmenskennzeichen, wenn es nach dem Verkehrsverständnis ausreichende Eigenart aufweist, um als individualisierender Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen zu wirken, so dass es sich namensmäßig von anderen Unternehmen unterscheidet.42 Die daran zu stellenden Anforderungen sind nicht sehr hoch. Es genügt, dass sich ein ausschließlich beschreibender Sinn nicht feststellen lässt.43 Insbes. setzt Unterscheidungskraft keineswegs 36 Statt anderer v. Schultz/Gruber § 5 Rn 25 f mwN; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 61. 37 BGH GRUR 1954, 195; GRUR 1969, 357; BGH NJW 1997, 2952; der Unternehmenskennzeichenschutz umfasst den grds. den räumlichen Schutzbereich des gesamten Bundesgebiets: vgl. BPatG – 29 W (pat) 57/17, GRUR-RS 2020, 36000. 38 BGH GRUR 1966, 38; GRUR 1980, 114; WRP 1997, 1081. 39 OLG Frankfurt a.M. – 6 U 89/09, MMR 2010, 831. 40 BGH GRUR 1960, 434; GRUR 1998, 391; GRUR 2003, 640. 41 Ströbele/Hacker § 5 Rn 58; Fezer § 15 Rn 173. 42 BGH GRUR 1995, 754 (758); GRUR 1996, 68 (69); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 63 f mwN. 43 BGH GRUR 1999, 492 (494); GRUR 2001, 1161; OLG Köln – 6 W 93/10, NJOZ 2010, 2103 (2104); LG Hamburg – 315 O 70/10, NJOZ 2010, 2109 (2110); LG Hamburg – 312 O 118/11, NJOZ 2012, 539 (540): „fliesen24“ und „fliesen24.com“; BGH – I ZR 102/10, MMR 2013, 112 (113); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 242/09, GRUR-Prax 2011, 193 (194); Ingerl/Rohnke § 15 Rn 72 f. Burgard
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Seltenheit oder gar Einzigartigkeit voraus. Auch Begriffe der Umgangssprache können in diesem Sinne unterscheidungskräftig sein, wenn sie in einer nicht dem üblichen Sprachgebrauch entsprechenden Weise verwendet werden und deshalb geeignet erscheinen, eine unterscheidend wirkende Kennzeichnung von individueller Eigenart zu ergeben, die sich im Verkehr als Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen vermag.44 Gleiches gilt für mehrdeutige Bezeichnungen oder die Kombination von an sich nicht unterscheidungskräftigen Bestandteilen, z.B. für eine Kombination einer geografischen Angabe und einer den Tätigkeitsbereich des Unternehmens beschreibenden Angabe.45 Ist die gewählte Bezeichnung, auch in einer Zusammensetzung mehrerer Begriffe, dagegen sprachüblich, z.B. in der Zusammensetzung der Begriffe „Literatur“ und „Haus“ oder „Star“ und „Entertainment“, werden diese von den angesprochenen Verkehrskreisen als beschreibende Sachbezeichnung verstanden und es fehlt der Unternehmensbezeichnung an Unterscheidungskraft.46 Anders ist dies bei Gaststätten und Hotels, da sich der Verkehr bei diesen daran gewöhnt hat, dass sich die Unternehmen häufig glatt beschreibender Etablissementbezeichnungen bedienen und es in einem örtlich begrenzten Gebiet nur einen einzigen Geschäftsbetrieb mit diesem Namen gibt. Insoweit greift auch hier der Kennzeichenschutz nach § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG ein.47 Für weitere Fälle s. § 18 Rn 21 ff, 25 ff, 30 ff. Mangelt es einer Unternehmensbezeichnung an Unterscheidungskraft, erlangt sie Schutz erst mit Verkehrsgeltung.
4. Kein Freihaltebedürfnis Hinsichtlich der Frage, inwieweit ein Freihaltebedürfnis zu berücksichtigen ist, lässt die Recht- 15 sprechung keine klare Linie erkennen.48 Richtig ist Folgendes: Ebenso wie im Markenrecht ist zwischen Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) und Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 MarkenG) zu unterschieden. Beide Erfordernisse überschneiden sich zwar, sind jedoch aufgrund ihrer unterschiedlichen Schutzzwecke gesondert und unabhängig voneinander zu prüfen. Wegen eines möglichen Freihalteinteresses dürfen daher keine erhöhten Anforderungen an das Vorliegen der Unterscheidungskraft gestellt werden.49 Anders als im Markenrecht ist das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses im Bezeichnungsrecht jedoch kein gesetzlich festgelegtes Schutzhindernis. Vielmehr führt es lediglich zu einer Verringerung des Schutzumfangs, wobei diese Verringerung durch Verkehrsgeltung ausgeglichen werden kann.50
5. Verkehrsgeltung Der Begriff der Verkehrsgeltung ist §§ 4 Nr. 2, 5 Abs. 2 S. 2 MarkenG entnommen und wird 16 insofern einheitlich ausgelegt. Er ist zu unterscheiden von der nach § 8 Abs. 3 erforderlichen Verkehrsdurchsetzung, an die erheblich höhere Anforderungen zu stellen sind.51 Verkehrsgeltung liegt vor, wenn ein nicht unerheblicher Teil der beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zwischen dem Zeichen und dem Unternehmen herstellt und das Zeichen wiederer44 45 46 47
BGH GRUR 1993, 923; WRP 1997, 1091 (1092); WRP 2004, 1281 (1284). BGH GRUR 1995, 754 (758); BlPMZ 2001, 210 (211). BGH NJW 2005, 1503; WRP 2005, 1246 (1247). BGH GRUR 1977, 165 (166) – Parkhotel; GRUR 1995, 507 (508) – City-Hotel; aA OLG Jena – 2 U 148/10, GRUR-RR 2011,181. 48 Vgl. außer den Entscheidungen in Fn 41 BGHZ 145, 279 (284); BGH GRUR 1988, 319; GRUR 2001, 1161; BGH WRP 2008, 1192 (1194); offen gelassen in BPatG – 29 W (pat) 506/17, BeckRS 2019, 3963; BPatG – 30 W (pat) 9/20, GRURRS 2021, 19299. 49 BGHZ 167, 279 (283) mwN. 50 Vgl. BGHZ 74, 1; 145, 279 (284); BGH GRUR 1982, 420; GRUR 1985, 461; GRUR 1998, 165; BGH BlPMZ 2001, 210 (211). 51 S. nur v. Schultz § 8 Rn 226 ff; Fezer § 4 Rn 103 f. 479
Burgard
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kennt.52 Für eine einfache Verkehrsgeltung wird ein Zuordnungsgrad von 20–25% als ausreichend angesehen.53 Besteht ein Freihaltebedürfnis ist ein höherer Zuordnungsgrad erforderlich, damit sich der Schutzumfang nicht verringert, und zwar ein umso höherer Zuordnungsgrad desto größer das Freihaltebedürfnis ist.54 Die Verkehrsgeltung muss nur innerhalb der beteiligten Verkehrskreise bestehen.55 Dazu gehören die Lieferanten, Wettbewerber und Abnehmer des Unternehmens, das den Schutz begehrt, einschließlich der privaten Endverbraucher (sofern die Geschäftstätigkeit des Unternehmens nicht ausschließlich auf gewerbliche Abnehmer ausgerichtet ist).56 Die Feststellung der Verkehrsgeltung erfolgt mittels Meinungsforschungsgutachten.57 Diese sind als Beweismittel allgemein anerkannt.58 Dagegen sind Einzelzeugen oder Auskünfte der IHK, die nur Gewerbetreibende und nicht Verbraucher befragen, nicht ausreichend.59
6. Priorität, § 6 MarkenG 17 Nach § 6 Abs. 1 MarkenG bestimmt sich der Vorrang konkurrierender Zeichen nach dem Zeitrang (sog. Prioritätsprinzip). Für den Zeit- und damit den Vorrang von Unternehmenskennzeichen ist gem. § 6 Abs. 3 MarkenG der Zeitpunkt des Rechtserwerbs maßgeblich. Maßgeblich ist damit der Zeitpunkt, zu dem erstmals das Vorliegen der unter Rn 11–16 genannten Voraussetzungen nachgewiesen werden kann.60 Sollte dieser Zeitpunkt ausnahmsweise auf denselben Tag fallen, so sind die Rechte gem. § 6 Abs. 4 MarkenG gleichrangig und begründen daher keine Ansprüche gegeneinander. Diese Vorschrift ist keine Ausnahme, sondern eine Konsequenz des Prioritätsprinzips. Ausnahmen vom Prioritätsprinzip sind – abgesehen von § 22 MarkenG – im Markenrecht 18 nicht ausdrücklich geregelt. Zu ihnen gehört vor allem61 das sog. Gleichnamigkeitsrecht (s. dazu bereits Anh. I zu § 37 Rn 33 f), das einen gesetzlichen Anhaltspunkt in § 23 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG findet.62
52 Ströbele/Hacker § 4 Rn 25; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 55; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 93 mwN; BGHZ 4, 167 (169); 11, 214 (217); 21, 85 (88 f).
53 Ströbele/Hacker § 4 Rn 48; Ingerl/Rohnke § 4 Rn 23; Piper GRUR 1996, 429 (433); vgl. Fuchs/Czernik Die Kennzeichnungsfähigkeit von Investmentfonds, GRUR 2015, 852 (853); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 98 mwN.
54 Vgl. Ströbele/Hacker § 4 Rn 49; v. Schultz § 8 Rn 35 ff, 111, jew. auch zu der Frage einer möglichen Bedeutung der Entscheidung EuGH GRUR 1999, 723 für diese Frage.
55 Fezer § 4 Rn 120 ff; Ingerl/Rohnke § 4 Rn 19 f; v. Schultz/Gruber § 5 Rn 20. 56 Ströbele/Hacker § 5 Rn 56; Fezer § 4 Rn 124; Ingerl/Rohnke § 4 Rn 18; BGH GRUR 1960, 130; OLG Hamburg GRURRR 2002, 356.
57 Ströbele/Hacker § 4 Rn 52 ff, dort auch zu den inhaltlichen Anforderungen § 4 Rn 52 ff. 58 Erstmalig RG GRUR 1941, 328 (330); seitdem BGH GRUR 1957, 285 (287); GRUR 1968, 371 (374); GRUR 1974, 337 (338); GRUR 1981, 666; GRUR 1982, 685; aus neuerer Zeit BGH NJW 2006, 3282; GRUR 2007, 1066. 59 Ströbele/Hacker § 4 Rn 52; Boes/Deutsch GRUR 1996, 168 (170); Eichmann GRUR 1999, 939; aA BeckOK-MarkenR/ Weiler § 5 Rn 94. 60 V. Schultz § 6 Rn 6; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 142; BeckOK-BGB/Bamberger/Förster § 12 Rn 83; Staudinger/Fritzsche BGB § 12 Rn 305 ff; BGHZ 19, 23 (28, 30); 52, 365 (369); BGH GRUR 1989, 856 (858); vgl. auch BeckOKMarkenR/Weiler § 6 Rn 2 ff. 61 Zu den weiteren Ausnahmen etwa v. Schultz § 6 Rn 8 ff; Fezer/Büscher/Obergfell/Jung-Weiser Lauterkeitsrecht Bd. I Zweiter Teil Domainrecht Rn 122 ff; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 132 ff; BeckOK-BGB/Bamberger § 12 Rn 83. 62 Ingerl/Rohnke § 23 Rn 30; BGH GRUR 2002, 622 (625) allerdings mit der Maßgabe, dass die Interessenabwägung im Rahmen von § 15 Abs. 3 MarkenG und nicht erst bei § 23 MarkenG zu erfolgen hat, da die dort enthaltenen Regelungen in dem Tatbestandsmerkmal „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ aufgehen; s. auch OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 100 (103); OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 137; siehe Schmitt-Gaedeke/Arz, Das Recht der Gleichnamigen und seine Grenzen, GRUR 2012, 565 ff. Burgard
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II. Ende des Schutzes Grundsätzlich endet der Schutz eines Unternehmenskennzeichens mit dem Fortfall einer der 19 unter Rn 11–16 genannten Voraussetzungen, also insbes. mit der endgültigen Aufgabe des Kennzeichengebrauchs, dem Verlust der Unterscheidungskraft63 bzw. – soweit erforderlich – mit dem Verlust der Verkehrsgeltung.64 Eine nur vorübergehende Unterbrechung der Benutzung führt nicht zum Verlust des Schutzes. Bei Wiederaufnahme kann insoweit auf den ursprünglichen Zeitrang zurückgegriffen werden.65 Wie lange eine Nichtbenutzung nicht zum Erlöschen des Schutzes führt, kann nicht nach starren Fristen, bspw. in Anlehnung an die Fünfjahresfrist nach § 25 MarkenG, bestimmt werden.66 Dies hängt vielmehr von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und der Verkehrsauffassung ab, die im Moment der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes besteht.67 Dabei ist neben Dauer und Anlass der Unterbrechung wesentlich, ob sich durch entsprechende Handlungen ein Fortsetzungswille manifestiert hat oder aufgrund besonderer Umstände nahe lag.68 Weiter können auch eine langjährige Nutzung und hohe Verkehrsgeltung des Zeichens im Zeitpunkt der Unterbrechung dazu beitragen, dass in den Augen des Verkehrs auch nach längerer Unterbrechung bei Wiederaufnahme der Benutzung an das alte Kennzeichen unter Erhalt des Zeitrangs angeknüpft wird.69 Zum Erhalt des Unternehmenskennzeichens ist es ausreichend, wenn ein Dritter mit Zustimmung des Geschäftsinhabers das Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt.70 Eine Benutzungsaufgabe ist ferner in einer Änderung der charakteristischen Eigenart der Bezeichnung zu sehen.71 Dadurch erlischt der Schutz der alten Bezeichnung. Ob die neue Bezeichnung mit neuer Priorität Schutz genießt, richtet sich nach den genannten (Rn 11–16) Voraussetzungen. Keine wesentliche Änderung ist ein bloßer Rechtsformwechsel.72 Schließlich erlischt der Schutz zugunsten des ursprünglichen Inhabers mit der wirksamen Übertragung des Kennzeichens (s. dazu Anh. I zu § 37 Rn 26 ff).73 In diesem Fall rückt freilich der neue Inhaber als Rechtsnachfolger in die Rechtsstellung des alten Inhabers ein und kann sich daher auch auf die von jenem erworbene Priorität berufen,74 solange er im Wesentlichen unverändert von dem Kennzeichen Gebrauch macht (vgl. § 22 Rn 83, 105; Anh. I zu § 37 Rn 29). Der Schutz des bürgerlichen Namens endet grundsätzlich mit dem Tod des Namensträger 20 (näher Anh. I zu § 37 Rn 13), der Schutz der Namen von juristischen Personen und Personenvereinigungen mit deren Vollbeendigung. Der Schutz von Firmen endet ferner mit deren Erlöschen (dazu § 17 Rn 33 ff), Anh. I zu § 37 Rn 14). Ein Erlöschensgrund ist bei Einzelkaufleuten – nicht aber bei Personenhandelsgesellschaften und juristischen Personen – die endgültige Aufgabe des Gewerbebetriebs. Übertragen auf andere Unternehmenskennzeichen als Namen und Firmen bedeutet dies, dass sie grundsätzlich ebenfalls mit der endgültigen Aufgabe des Ge63 RGZ 56, 160; RGZ 69, 310 (311); RGZ 100, 182; BGHZ 28, 1; BGH GRUR 1977, 226 (227); BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 153. 64 BGHZ 21, 66; BGH GRUR 1957, 428; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 154. 65 Ströbele/Hacker § 5 Rn 79; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 143 sowie Rn 155. 66 BGH GRUR 1995, 54 (56). 67 BGH – I ZR 93/12, GRUR 2013, 1150 (1152); BGH GRUR 2002, 967; GRUR 2002, 972; BGH GRUR 2013, 1150 (1152); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 19/16, GRUR-RR 2016, 448: Verpachtung und Wiedereröffnung einer Gaststätte. 68 BGH GRUR 1997, 749 (753); BGH GRUR 2013, 1150 (1152); siehe ebenso BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 142 ff mwN. 69 Ströbele/Hacker § 5 Rn 79. 70 BGH GRUR 2002, 967. 71 BGH GRUR 1973, 661; BGH GRUR 1995, 505 (507); OLG Celle OLGR 1994, 340; BeckOK-MarkenR/Weiler § 5 Rn 147 f. 72 BGHZ 21, 66 (69); BGH GRUR 1983, 182 (183). 73 BGH GRUR 2002, 972. 74 BeckOK-BGB/Bamberger/Förster § 12 Rn 67; BGH NJW 1993, 2236; BGH GRUR 1959, 87 (89); OLG Hamm WRP 1982, 534 (535). 481
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schäftsbetriebs erlöschen.75 Zudem kann die Führung einer Firma, die beschreibende Angaben enthält, durch eine Änderung des Geschäftsbetriebs irreführend und damit unzulässig werden (§ 18 Rn 36) und hierdurch ihren bezeichnungsrechtlichen Schutz verlieren. Für den bezeichnungsrechtlichen Schutz kommt es darüber hinaus darauf an, ob nach der Verkehrsanschauung noch eine Betriebskontinuität gegeben ist.76 Das hindert zwar innerhalb gewisser Grenzen nicht die dingliche Übertragung und schuldrechtliche Lizenzierung von Unternehmenskennzeichen (s. dazu Anh. I zu § 37 Rn 26 ff), wohl aber bspw. einen übergangslosen Austausch des Unternehmensgegenstandes.
D. Verletzungstatbestand nach § 15 Abs. 2 MarkenG I. Verletzungshandlung 21 Verletzungshandlung i.S.d. § 15 Abs. 2 ist die unbefugte (Rn 24 ff) Benutzung (Rn 23) einer nach Maßgabe der Rn 11 ff geschützten, geschäftlichen Bezeichnung, also insbes. eines Unternehmenskennzeichens, oder eines ähnlichen Zeichens im geschäftlichen Verkehr (Rn 22). Dabei ist die Ähnlichkeit des Zeichens regelmäßig im Rahmen der Verwechselungsgefahr zu prüfen,77 so dass insofern auf die dortigen Ausführungen (Rn 27 ff) verwiesen werden kann.
1. Im geschäftlichen Verkehr 22 § 15 Abs. 2 MarkenG setzt zunächst ein Handeln „im geschäftlichen Verkehr“ voraus. Der Begriff ist weit auszulegen.78 Erfasst wird jede Tätigkeit zu eigenen oder fremden beruflichen oder erwerbswirtschaftlichen Zwecken.79 Nicht notwendig ist, dass der Benutzer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt80 oder Waren bzw. Dienstleistungen gegen Entgelt anbietet.81 Ausgenommen ist lediglich ein Handeln im rein privaten Bereich,82 der öffentlichen Hand im hoheitlichen Bereich83 sowie eine Betätigung zu rein ideellen, kulturellen, wissenschaftlichen oder politischen Zwecken. Ausgenommen ist daher etwa die Wahlwerbung politischer Parteien.84 Liegt kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vor, kann aber § 12 BGB eingreifen (s. Anh. I zu § 37 Rn 4 ff).
75 RG GRUR 1943, 349; BGHZ 6, 137 (142); 21, 66 (69); 34, 345; 136, 11 (21); 150, 82 (89); BGH GRUR 1959, 541; GRUR 1960, 137; BB 1962, 536 (537); BGH GRUR 1990, 37 (38); GRUR 2002, 972 (974); GRUR 2005, 871 (872); OLG München OLGR 1999, 249; Ströbele/Hacker § 5 Rn 78; anders wird dies wohl nur in seltenen Ausnahmefällen gesehen werden können, bspw. wenn die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes eines in den Augen des Verkehrs endgültig eingestellten Betriebs eine Anknüpfung an dessen ursprüngliche Priorität darstellt, weil auch in den Zeiten der Nichtführung des Unternehmens der einst legendäre Ruf gewahrt wurde, BGH GRUR 2002, 967 – Hotel Adlon; vgl. BeckOKMarkenR/Weiler § 5 Rn 139. 76 BGH BB 1957, 691; zu weit Ströbele/Hacker § 5 Rn 80. 77 V. Schultz/Gruber § 5 Rn 19. 78 BGH GRUR 1987, 438 (440); vgl. BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 15. 79 BGH – I ZR 136/17, GRUR 2019, 79 (80); BGH GRUR 2004, 241 (242) mwN; EuGH – C-236/08 bis C-238/08, GRUR 2010, 445 (447) mwN; Ströbele/Hacker § 14 Rn 48; BeckOK-MarkenR/Mielke § 14 Rn 57 mwN. 80 BGH GRUR 1987, 440 (442); BGH NJW 1976, 1941; BeckOK-MarkenR/Mielke § 14 Rn 58. 81 BGH GRUR 1987, 438 (440). 82 BGH GRUR 1987, 438 (440). 83 BGH NJW 1976, 1941. 84 BGH GRUR 2004, 241 (242) mwN; OLG Hamburg NJW-RR 1998, 552; siehe BeckOK-MarkenR/Mielke § 14 Rn 59. Burgard
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2. Benutzung Beim Begriff der Benutzung ist zwischen Unternehmenskennzeichen nach § 5 Abs. 2 MarkenG 23 und Werktiteln nach § 5 Abs. 3 MarkenG zu differenzieren.85 Voraussetzung einer Verletzung von Unternehmenskennzeichen ist, dass die kollidierende Bezeichnung unternehmenskennzeichenmäßig, d.h. zur individualisierenden Kennzeichnung eines Unternehmensträgers, eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils verwendet wird.86 Wird ein Zeichen nicht in dieser Weise verwandt, kann nämlich keine Verwechselungsgefahr mit einem Unternehmenskennzeichen entstehen. Entsprechend diesem Grundgedanken und im Interesse eines umfassenden Kennzeichenschutzes sind freilich keine hohen Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzung einer unternehmenskennzeichenmäßigen Verwendung zu stellen. Eine unternehmenskennzeichenmäßige Benutzung liegt bereits dann vor, wenn die nicht völlig fernliegende Möglichkeit besteht, dass nicht unerhebliche Teile der Verkehrskreise eine Verbindung zum Unternehmen herstellen.87 Das ist insbes. dann der Fall, wenn das Zeichen als Marke gebraucht wird,88 weil eine Marke die Herkunft von einem bestimmten Unternehmen kennzeichnet, vgl. § 3 Abs. 1 MarkenG. Im Blick hierauf kann auf den Beispielskatalog des § 14 Abs. 3 und 4 MarkenG zurückgegriffen werden.89 Selbst die Einbindung eines fremden Kennzeichens in den – nicht sichtbaren – Quelltext einer Internetseite durch den Betreiber mit dem Ziel, die Trefferhäufigkeit seines Internetauftritts bei Suchmaschinen zu erhöhen (sog. Metatag), ist eine unternehmenskennzeichenmäßige Benutzung,90 da das Suchwort dazu dient, den Nutzer auf das werbende Unternehmen und sein Angebot hinzuweisen.91 Dagegen reicht eine werktitelmäßige Verwendung grundsätzlich nicht aus, weil ein Werktitel regelmäßig keinen betrieblichen Herkunftsnachweis enthält.92 Nur bei sehr bekannten Werktiteln von Zeitungen und Zeitschriften oder Fernseh- und Hörfunksendungen kann dies daher ausnahmsweise anders sein.93 Nicht ausreichend ist schließlich die Verwendung rein beschreibender Angaben als solche, weil damit ebenfalls nicht auf eine betriebliche Herkunft hingewiesen 85 Ströbele/Hacker § 5 Rn 3; BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 17. 86 BGHZ 130, 276 (283); GRUR 1996, 68 (70); GRUR 2005, 419, mwN; OLG Hamburg – 5 W 17/10, GRUR-RR 2010, 476: Verwendung eines Unternehmenskennzeichen in der URL; aus der Lit. BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 20. 87 BGHZ 130, 276 (283); GRUR 1996, 68 (70); GRUR 1990, 274 (275); OLG Düsseldorf – I-20 U 159/12, MMR 2013, 655; OLG Hamburg – 3 U 206/08, GRUR-RR 2011, 168 (169): wo der Adressbezeichnung einer Patentrechtskanzlei die Unternehmenskennzeichnung indes abgesprochen wurde; vgl. BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 23, wonach es für die Bejahung genügt, wenn der Verkehr in dem Kollisionszeichen ein reines Unternehmenskennzeichen (wieder)erkennt. 88 BGH GRUR 1955, 299 (301); GRUR 1956, 172 (175); GRUR 1967, 199 (201); GRUR 1971, 517 (519); GRUR 1983, 764 (766); GRUR 1984, 545 (547); GRUR 1991, 155 (156); GRUR 1994, 156; GRUR 1995, 825 (827); GRUR 2004, 512 (514); GRUR 2005, 871 (872); vgl. BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 22 mwN sowie BeckOK-MarkenR/Mielke § 14 Rn 90 mwN. 89 Begr. RegE BT-Drucks. 12/6581, 70 f, 76, 77; BeckOK-MarkenR/Mielke § 14 Rn 89 ff mwN; Ingerl/Rohnke § 15 Rn 35; Fezer § 15 Rn 50; v. Schultz/Gruber § 15 Rn 11. 90 Str., dafür BGHZ 168, 28 (32 f); BGH GRUR 2007, 784 (786); OLG München MMR 2000, 546; OLG Hamburg MMR 2004, 256; OLG Karlsruhe WRP 2004, 507; OLG Hamburg K&R 2005, 45; LG Hamburg CR 2000, 121; LG Frankfurt CR 2000, 462; LG München MMR 2004, 689; Pankoke MMR 2004, 690 (691); Pellens CR 2002, 136 (137); Menke WRP 1999, 982 (985); Ernst CR 2000, 122; Koch NJW-CoR 1998, 45 (47); Erman/Saenger § 12 Rn 22. Weiterführend zu den Formen des Suchmaschinenmarketings Ernst WRP 2004, 278 ff; dagegen OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 340; OLG Düsseldorf MMR 2004, 319; LG Düsseldorf CR 2002, 610; Vidal GRUR Int. 2003, 312 (317); Kur CR 2000, 448; Kothoff K&R 1999, 157 (159); Hoeren/Sieber/Viefhues Kap. 6.1. Rn 455 ff; diff. Heim CR 2005, 200; offengelassen durch OLG Hamburg MMR 2004, 489; Kilian/Heussen Computerrechtspraxis, Stand 2005, Kap. 142 Rn 15 f. 91 BGHZ 168, 28 (34); BGH GRUR 2007, 784 (786); OLG München MMR 2000, 546; OLG Hamburg MMR 2004, 256; OLG Karlsruhe WRP 2004, 507; OLG Hamburg K&R 2005, 45; LG Hamburg CR 2000, 121; LG Frankfurt CR 2000, 462; LG München MMR 2004, 689. 92 BGH – I ZR 181702, GRUR 2005, 264 (265), BGH GRUR 1994, 908 (910); BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 26; aA OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 312 (314). 93 Ströbele/Hacker § 15 Rn 27, 74 ff mwN. 483
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wird (vgl. §§ 8 Abs. 2 Nr. 2, 23 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG).94 Insofern leiden Unternehmenskennzeichen, die solche Angaben enthalten, selbst wenn sie aufgrund erlangter Verkehrsgeltung grundsätzlich geschützt werden, unter einem gewissen Schutzdefizit.95
3. Unbefugt 24 Die Benutzung des Kennzeichens muss unbefugt erfolgen. Eine unbefugte Benutzung liegt nicht vor, wenn der Benutzer an der Bezeichnung eigene prioritätsältere (§ 6 MarkenG) Rechte i.S.d. §§ 4, 5, 13 MarkenG originär oder, soweit zulässig (Anh. I zu § 37 Rn 26 ff), derivativ gem. §§ 398, 413 BGB erworben hat. Dabei ist freilich zu beachten, dass der Erwerb einer prioritätsälteren Marke nicht zu einer unternehmenskennzeichenmäßigen Benutzung gegenüber einem insofern prioritätsälteren Unternehmenskennzeichen berechtigt.96 Ferner ist zu beachten, dass es für die Frage der Priorität ausschließlich auf das Verhältnis der Parteien untereinander ankommt. Unerheblich ist daher, ob der Anspruchssteller von einem besser berechtigten Dritten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnte. Der gegenüber dem Anspruchsteller Prioritätsjüngere vermag mithin aus Rechten Dritter grundsätzlich keine Einwendungen zu seinen Gunsten herzuleiten.97 25 Anders ist dies nur, wenn der Benutzer des kollidierenden Zeichens aufgrund eines wirksamen Gestattungs- oder Lizenzvertrags (dazu Anh. I zu § 37 Rn 26 ff) mit dem Inhaber eines gegenüber dem Anspruchsteller prioritätsälteren Unternehmenskennzeichens zur Benutzung des Zeichens schuldrechtlich befugt ist; denn in diesem Fall kann sich der Lizenzinhaber gegenüber Dritten analog § 986 Abs. 1 BGB auf die Priorität der Kennzeichnung des Lizenzgebers berufen.98 Zu beachten ist, dass eine Gestattung regelmäßig mit dem Ende der Zusammenarbeit endet,99 vgl. auch § 24 Abs. 2. Zudem ist die Gestattung zumindest aus wichtigem Grund kündbar,100 vgl. § 22 Rn 79 ff. Unberührt bleiben die Vorschriften des § 21 MarkenG (Verwirkung), des § 22 MarkenG (Be26 standskraft der Eintragung einer Marke mit jüngerem Zeitrang), des § 23 MarkenG (Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben, Ersatzteilgeschäft) und schließlich des § 24 MarkenG (Erschöpfung). Dabei kann das Recht der Gleichnamigen als Fall des § 23 Nr. 1 MarkenG eingeordnet werden.101
94 BGHZ 130, 276 (283); GRUR 1994, 908 (910); vgl. BPatG – 30 W (pat) 9/20, GRUR-RS 2021, 19299: Anmeldezeichen „Alster Wagyus“. Ströbele/Hacker § 15 Rn 21 mit Hinweis auf BGH GRUR 1996, 68 (70). Ströbele/Hacker § 15 Rn 33; Fezer § 15 Rn 133; ausführlich Goldmann § 9 Rn 43 ff. BGH GRUR 1954, 271 (274); GRUR 1957, 457 (458). BGH GRUR 2002, 967 (970); seit BGH NJW 1993, 2236 („Decker“) allg. M.; BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 8, mit Verweis auf § 14 Rn 35. 99 Vgl. BGH GRUR 1991, 780 (782); GRUR 1994, 652 (653); GRUR 1997, 903 (906); GRUR 2001, 1164 (1166); siehe indes OLG München – 29 U 3166/06, GRUR-RR 2007, 211 (213), wonach die Firmenführungsberechtigung auch über das Ende der Geschäftsbeziehung fortbestehen kann; Ströbele/Hacker § 15 Rn 34; Fezer § 15 Rn 136; BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 6. 100 Vgl. BGH GRUR 1970, 528 (531); GRUR 2002, 703 (705); so auch BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 7. 101 Ströbele/Hacker § 15 Rn 35, 73; BGH GRUR 2002, 622 (625), allerdings mit der Maßgabe, dass die Interessenabwägung im Rahmen von § 15 Abs. 3 MarkenG und nicht erst bei § 23 MarkenG zu erfolgen hat, da die dort enthaltenen Regelungen in dem Tatbestandsmerkmal „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise“ aufgehen; OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 100 (103); OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 137.
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II. Verletzungsfolge: Verwechselungsgefahr 1. Erscheinungsformen der Verwechselungsgefahr Unterschieden wird zwischen verschiedenen Erscheinungsformen oder Arten der Verwechselungs- 27 gefahr.102 Verwechselungsgefahr im engeren Sinne liegt vor, wenn der Verkehr die konkurrierenden Zeichen demselben Unternehmen zurechnet. Das kann zum einen darauf beruhen, dass der Verkehr die verwendeten Bezeichnungen nicht auseinander halten kann, so dass er sie für dieselbe Bezeichnung ein und desselben Unternehmens hält (sog. unmittelbare Verwechselungsgefahr [im engen Sinne].103 Zum anderen kann dies darauf beruhen, dass der Verkehr die Bezeichnungen zwar auseinander halten kann, aufgrund vorhandener Übereinstimmungen aber davon ausgeht, es handele sich bei einem der Kennzeichen um ein vom anderen abgeleitetes Kennzeichen desselben Unternehmens (sog. mittelbare Verwechselungsgefahr oder unmittelbare Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne).104 Davon zu unterscheiden – und im Kennzeichenrecht von besonderer Bedeutung – ist die Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne.105 Hier kommt es zwar – aufgrund der verwendeten Kennzeichen oder aus anderen Gründen (z.B. Branchenferne) – nicht zu einer Verwirrung über die Unternehmen, es besteht aber die Gefahr, dass der Verkehr irrtümlich von vertraglichen, organisatorischen oder sonstigen wirtschaftlichen Beziehungen der Unternehmen ausgeht.106 Hierzu reicht es – zumindest bei sehr bekannten Kennzeichen107 – aus, wenn der Verkehr Grund zu der Annahme haben kann, das eine Unternehmen verwende das Kennzeichen als Lizenznehmer des anderen Unternehmens (s. ferner Anh. I zu § 37 Rn 21).108 Auch die fälschliche Annahme, ein Unternehmen sei Nachfolger eines anderen Unternehmens stellt eine Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne dar.109
2. Maßgebliche Faktoren Nach ständiger Rechtsprechung sind für die Feststellung des Bestehens einer Verwechselungs- 28 gefahr drei Faktoren maßgeblich: Die Ähnlichkeit der Kennzeichen, die Branchennähe sowie die Kennzeichnungskraft des älteren Kennzeichens, für welches Schutz begehrt wird.110 Dabei bestehen Wechselwirkungen zwischen diesen drei Faktoren in der Weise, dass ein Weniger in einem Bereich durch ein Mehr in einem anderen Bereich ausgeglichen bzw. überwunden werden
102 Ströbele/Hacker Rn 39 f; v. Schultz/Gruber § 15 Rn 14; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 34 ff. 103 BGH GRUR 1957, 281 (283); GRUR 1989, 425 (426); BGH WRP 2001, 1315; WRP 2002, 534; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 242/09, GRUR-Prax 2011, 193; MünchKommBGB/Säcker § 12 Rn 98; vgl etwa zum Namensschutz des BGB: BeckOK-BGB/Bamberger/Förster § 12 Rn 94; Staudinger/Fritzsche BGB § 12 Rn 314. 104 BGHZ 14, 155 (161); BGH GRUR 1981, 66 (67); GRUR 1989, 856 (857); GRUR 1992, 329 (332); OLG Nürnberg – 3 U 321/16, GRUR-RS 2021, 5859. 105 BGB – I ZR 55/10, GRUR 2012, 635 (636); BGH – I ZR 34/07, GRUR-RR 2010, 205 (208); BGH – I ZR 135/06, 2009, 685 (687); v. Schultz/Gruber § 15 Rn 14; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 35 mwN. 106 BGH GRUR 1977, 264; GRUR 1995, 754 (756); GRUR 2002, 1066 (1068 f); OLG Karlsruhe – 6 U 189/10, NJOZ 2013,13 (14); vgl. LG Hamburg – 406 HKO 27/18, GRUR-RS 2018, 18002. 107 BGH GRUR 1990, 68 (70) – VOGUE; OLG Frankfurt WRP 1992, 718 (720) – Ferrari. 108 Fezer, Markenrecht, § 14 Rn. 320; Ingerl/Rohnke § 15 Rn 93; Goldmann § 13 Rn 47 ff; BGHZ 30, 7 (9); 119, 237 (245); 126, 208 (216); 126, 287 (296); 161, 218; BGH DB 1986, 1277 (1278); BGH GRUR 2002, 917 (919); OLG München GRUR 1980, 1003 (1005 f). 109 Ströbele/Hacker § 15 Rn 40 aE; OLG Zweibrücken GRUR-RR 2002, 138. 110 St. Rechtsprechung, vgl. statt aller BGHZ 147, 56 (63); BGH GRUR 2003, 440 (441); BGH NJW 2005, 601, alle mwN; OLG Düsseldorf – I-20 U 41/09, GRUR-RR 2010, 467 (468); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (274); BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 33 mwN. 485
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kann.111 So kann bspw. Branchenferne trotz großer Zeichenähnlichkeit eine Verwechselung ausschließen, umgekehrt Branchenidentität trotz schwacher Zeichenähnlichkeit eine Verwechselungsgefahr herbeiführen.
29 a) Zeichenähnlichkeit. Die Frage der Zeichenähnlichkeit ist danach zu bestimmen, welchen Gesamteindruck die sich gegenüberstehenden Bezeichnungen im Verkehr erwecken.112 Bei dieser Beurteilung ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen.113 Die Ähnlichkeit kann dabei auf einer klanglichen Ähnlichkeit, einer Ähnlichkeit des Erscheinungsbilds oder einer Ähnlichkeit des Bedeutungs- bzw. Sinngehalts beruhen.114 Nach ständiger Rechtsprechung reicht bereits eine hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus.115 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesamteindruck eines Zeichens im Allgemeinen stärker durch den Wortanfang geprägt wird als durch nachfolgende Wortteile.116 Auch bleiben dem Verkehr unterscheidungskräftige, insbes. berühmte Kennzeichen eher in Erinnerung.117 Bei der Ermittlung des Eindrucks ist zudem zu berücksichtigen, dass der Verkehr die konkurrierenden Zeichen regelmäßig nicht gleichzeitig nebeneinander betrachtet, sondern der Eindruck aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eines der beiden Zeichen entsteht. Weiter ist zu berücksichtigen, dass dabei in der Regel die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die Unterschiede, erstere somit den Gesamteindruck stärker prägen.118 29a Dies trifft im Grundsatz auch auf Unternehmenskennzeichen zu, die aus mehreren Bestandteilen zusammengesetzt sind. Auch hier ist zunächst der Gesamteindruck zu vergleichen. Kommt jedoch den verschiedenen Bestandteilen innerhalb der Zusammensetzung ein unterschiedliches Gewicht zu und wird der Gesamteindruck einer Bezeichnung wesentlich durch einen oder mehrere Bestandteile geprägt, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit sowohl beim geschützten als auch beim konkurrierenden Zeichen nur auf die prägenden Bestandteile abzustellen.119 Danach besteht beispielsweise Ähnlichkeit zwischen den Zeichen „il Padrone“/“Il Porto29b ne“. Beide weisen eine große Ähnlichkeit im Klang, denselben Wortbestandteil „il“, den identischen Anfangsbuchstaben „P“ und ein identisches Wortende „one“ auf. Auch ihre Silbenzahl ist gleich. Hinzu kommt die Ähnlichkeit der Vokalfolge, „a-o-e“ bzw. „o-o-e“, wobei die Vokale „a“ und „o“ keine so deutlichen Unterschiede aufweisen, dass sich dies auf den Gesamteindruck auswirken würde. Dem steht die abweichende tatsächliche Bedeutung der Wörter nicht entgegen, da sie den beteiligten inländischen Verkehrskreisen nicht geläufig ist. Es besteht auch keine so große Nähe zu inländischen Begriffen, dass rechtserhebliche Teile der Verkehrskreise ihnen ohne weiteres eine bestimmte Bedeutung beimessen würden.120 111 BGH – I ZR 10/09, GRUR 2011, 831 (833); BGH GRUR 1997, 468 (470); GRUR 1999, 492 (494); GRUR 2000, 605 (607); GRUR 2001, 344 (345); GRUR 2001, 1161 (1162); WRP 2002, 1066 (1067); GRUR 2002, 626 (629); GRUR 2004, 235 (237); GRUR 2004, 239; OLG Düsseldorf – I-20 U 41/09, GRUR-RR 2010, 467 (468); LG Düsseldorf – 2a O 268/09, BeckRS 2011, 25537; LG Hamburg – 327 O 76/21, GRUR-RS 2021, 18309; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 33. 112 BGH – I ZR 55/10, GRUR 2012, 635 (636) mwN; BGB – I ZR 158/05, GRUR 2008, 1102 (1104); BGH GRUR 2000, 504 (505); GRUR 2002, 1083 (1085); NJW 2005, 601; OLG Karlsruhe – 6 U 189/10, NJOZ 2013,13; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (274); BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 37. 113 BGH GRUR 2000, 506 (508); GRUR 2002, 1067 (1070); EuG- T – 338/09, GRUR-Prax 2013, 487. 114 Etwa BGH GRUR 1992, 110; GRUR 1999, 241 (243); aus der Lit. anstelle anderer v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 77. 115 BGH GRUR 1999, 241 (243); GRUR 2003, 1044 (1046); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (274). 116 BGH GRUR 1995, 50 (53). 117 BGH GRUR 2001, 158 (160). 118 BGH GRUR 1991, 153 (154 f); NJW 2005, 601; OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (275); siehe zur Prägetheorie: BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 40 f, mit weiteren Beispielen aus der Rspr. 119 BGH GRUR 2001, 1161 (1162 f); GRUR 2002, 898; BGH – I ZR 36/08, GRUR 2010,1020 (1021); BGH – I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 (707); kritisch hierzu BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 40 f, mit dem Hinweis, dass die Rspr. hierzu nicht einheitlich ist. 120 BGH GRUR 2005, 236. Burgard
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Unter Berücksichtigung vorstehender Kriterien wurde Zeichenähnlichkeit von der 30 Rechtsprechung angenommen bei: ac-pharma/A.C.A.-Pharma;121 alpi/Alba-Modelle;122 Altberliner/Altberliner Bücherstube, Verlagsbuchhandlung und Antiquariat, Inhaber Oliver Seifert;123 Altenburger Spielkartenfabrik/Altenburger und Stralsunder Spielkartenfabrik;124 AS/ AjS;125 Bayerisches Fernsehen/Privatfernsehen Bayern;126 BBC/DDC;127 Billich/billi;128 Boa/ BEO;129 Boden-Commerz/Commerzbank;130 Caber/Gabor;131 Caren Pfleger/Dr. R. Pfleger;132 Centra/Renta;133 Commerzbau/Commerzbank;134 CONTACT/product-contact;135 CONTACT/Contact + graphic;136 COWO/KOWOG Baukonzept;137 DB Immobilienfonds 2 v. Q./db-Immobilienfonds Management GmbH;138 defacto/Defacto;139 Deutsche Bank/Deutsche Direktbank;140 Garant-Möbel/Garant;141 Gefa/Gewa;142 Grundcommerz Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH/ Commerzbank Aktiengesellschaft;143 Immo-Data/IMMO-DATA Immobilienvermittlungsgesellschaft mbH;144 Karo-As/Pik-Sieben;145 MARITIM Hotelgesellschaft mbH/Air Maritim Reisebüro GmbH;146 McDonald’s/McChinese;147 Medicon oder MediKon Einkaufsgenossenschaft/ M.E.D.I.O. oder Me.Di.Co. Italia;148 MEDICE/MEDICAID;149 NetCom/NETKOM;150 Ott International GmbH/Cris Ott GmbH;151 petite mademoiselle/Miss Petite;152 REMEIR/Rethmeier;153 Römer GmbH/Römer & K. GmbH;154 Sieh an!/siehan.de;155 Torres/Torres de Quart;156 VUBI/UDI;157
121 122 123 124 125 126 127 128 129 130 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155 156 157 487
BGH GRUR 1992, 550. BGH GRUR 1990, 367 (368). BGH GRUR 1999, 492 (494). BGH GRUR 1995, 754. BGH GRUR 1992, 329. OLG München WRP 1993, 427. BGH GRUR 1982, 420 (421 f). BGH GRUR 1979, 642 (643). OLG Köln GRUR 1985, 452. OLG Hamburg GRUR 1990, 696. BGH GRUR 1984, 471 (472). BGH GRUR 1991, 475 (477). BGH GRUR 1966, 38. BGH GRUR 1989, 856 (857). BGH GRUR 1973, 457 (458). BGH GRUR 1973, 541. BGH GRUR 1993, 913. BGH GRUR 2001, 344 (345). BGH GRUR 2002, 898. OLG Frankfurt WRP 1994, 118. BGH WRP 1995, 307. BGH GRUR 1985, 461 (462). BGH GRUR 1988, 635 (636). BGH GRUR 1997, 845 (846). BGH GRUR 1957, 281. BGH GRUR 1989, 449 (450). OLG Karlsruhe GRUR 1992, 460 (461). OLG Hamburg WRP 1993, 772. BGH GRUR 1991, 317. BGH GRUR 1997, 468 (469). BGH WRP 1991, 222. BGH GRUR 1973, 375 (376). OLG Hamm GRUR 1991, 698. BGH GRUR 1993, 579. OLG Hamburg MMR 2002, 682. BGHZ 130, 276. OLG Köln GRUR 1993, 584. Burgard
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Zentis/Säntis;158 „AGENDA“/„agenda“;159 UNIRAK/UNIQA Toatal Return;160 ALFALIQUID/ ALPA TOBACCO.161 31 Verneint wurde Ähnlichkeit bei: abacomp/Abac (in der Branche Computerhardware und -software);162 Bally/Ball;163 City-Hotel/City-Hilton;164 CompuNet/ComNet;165 DDC – David Datentechnik/BBC (anders aber BBC/DDC, s.o.);166 Frühstücks-Drink-GmbH/Dietz-FrühstücksTrunk;167 Grandhotel M./Maritim Grand Hotel;168 IHZ-Italia Hotel Zentrale/IHRZ Italienische Hotel Reservierungs-Zentrale;169 Mitropa/Miorka;170 Passion/Face Fashion;171 Quick/Glück;172 Quelle/Getränkequelle;173 Volksbank Homburg/Volksbank Saar-West;174 Zum Treppchen/Biehler Treppchen;175 Anson’s/ASOS;176 Yorma Eberl/NORMA;177 „Meine PflegeHelden – C.D. AMBULANTER PFLEGEDIENST“/“Meine PflegeHelden“.178 Bei all diesen Beispielsfällen ist jedoch zu beachten, dass bei der Prüfung des Bestehens 32 einer Verwechselungsgefahr neben der Zeichenähnlichkeit auch die Branchennähe (Rn 33 ff) und die Kennzeichnungskraft (Rn 37) zu berücksichtigen sind. Entscheidend sind daher die jeweiligen Umstände des Einzelfalles, so dass die vorstehenden Beispiele ohne Berücksichtigung dieser Umstände nicht auf andere Fälle übertragen werden können.
33 b) Branchennähe. Die Branchennähe wird von der Rechtsprechung nicht positiv, sondern negativ beschrieben. Danach scheidet eine Verwechselungsgefahr im engere Sinne mangels Branchennähe aus, wenn die Tätigkeitsbereiche der beteiligten Unternehmen so weit voneinander entfernt sind, dass nicht zu besorgen steht, die angesprochenen Verkehrskreise könnten durch eine Zeichengleichheit oder -ähnlichkeit zu der irrigen Annahme verleitet werden, die angebotenen Waren oder Dienstleistungen stammten von demselben Unternehmen.179 Anhaltspunkte für eine bestehende Branchennähe sind demnach sachliche Berührungspunkte hinsichtlich der Produktion, des Vertriebs, der Märkte und des Verwendungszwecks der Produk-
158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179
BGH GRUR 1986, 253 (255). LG München I – 33 O 1467/09, GRUR-RR 2010, 334 (335 f). OLG Hamburg – 5 U 33/09, GRUR-RR 2010, 464 (465). OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (275). OLG Frankfurt GRUR 1990, 697. BGH GRUR 1992, 130. BGH GRUR 1995, 507 (508). BGH GRUR 2001, 1161 (1162). BGH GRUR 1982, 420 (422). BGH GRUR 2002, 809. OLG Celle WRP 1996, 109. OLG Hamburg WRP 1989, 734. OLG Celle GRUR 1986, 826. BGH GRUR 1975, 441. BGHZ 28, 320. BGH GRUR 1990, 37 (39). BGH WRP 1992, 776. BGH WRP 1970, 262. OLG Hamburg – 3 U 108/12, GRUR-RR 2015, 373 (376). EuG – T-229/14, GRUR-Prax 2015, 342. LG Hamburg – 327 O 76/21, GRUR-RS 2021, 18309. BGH GRUR 1984, 471 (472); GRUR 1986, 253 (244); BGH – I ZR 55/10, GRUR-Prax 2012, 209 (210); OLG Frankfurt a.M. – 6 U 181/14, BeckRS 2015, 18529; Ströbele/Hacker § 15 Rn 59; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 45. Burgard
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te.180 Auf das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses kommt es dagegen nicht an.181 Grundsätzlich ist von den Kerntätigkeiten der konkurrierenden Unternehmen aus Sicht des Verkehrs auszugehen.182 Im Einzelfall können aber auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten bedeutsam sein.183 Für das Bestehen einer Verwechselungsgefahr im engeren Sinne zu berücksichtigen sind überdies naheliegende und nicht nur theoretisch mögliche Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche.184 Diese Beschreibung der Branchennähe erfährt im Bereich einer Verwechselungsgefahr im 34 weiteren Sinne eine erhebliche Erweiterung, zumal insoweit bereits die Annahme lizenzvertraglicher Beziehungen für ausreichend erachtet wird (Rn 27). Rechnung getragen wird dadurch der verbreiteten Praxis, berühmte Kennzeichen über das eigentliche Kerngeschäft hinaus im Wege von Lizenzverträgen zu vermarkten (sog. Kennzeichen-Merchandising).185 Ob eine branchenübergreifende Lizenzvermutung gerechtfertigt und damit eine Verwechselungsgefahr im weiteren Sinne gegeben ist, hängt maßgeblich von der Bekanntheit des Kennzeichens und seinem daraus resultierenden Vermarktungspotential sowie von der Branchenüblichkeit ab.186 Fraglich ist allerdings, ob solche Fälle nicht richtiger unter § 15 Abs. 3 MarkenG subsumiert werden sollten.187 Branchennähe wurde danach u.a. bejaht für: Bademoden/Motorradbekleidung;188 Bank/ 35 Bauträger;189 Bankgeschäft/Immobilienvermittlung;190 Bekleidung/Tabakwaren;191 Damenbekleidung/Körperpflegemittel;192 Damenstrümpfe/Kosmetik;193 Dieselmotoren/Landwirtschaftsmaschinen;194 Druckmaschinen/Druckfarben;195 Finanzdienstleistungen/Immobiliendatenbank;196 Fruchtjoghurt/Konfitüre;197 Hotel/Reisebüro;198 Immobilienfonds/Konzeption, Organisation und Einrichtung von Immobilienfonds;199 Schleifmaschinen/elektrische Geräte;200 Sportwagen/Kosmetik;201 Verpackungsmittel/Etikettiermaschinen;202 Whisky/Kosmetik.203 180 BGH GRUR 1990, 1042 (1044 f); GRUR 1997, 468 (470); Falk, Zur Eigenständigkeit des Begriffs der Branchennähe, zugleich Besprechung von BGH – I ZR 10/09, GRUR 2012, 348 ff; BGH – I ZR 55/10, GRUR 2012, 635 f; BGH – I ZR 10/09, GRUR 2011, 831 (833); BGH BPatG – 26 W (pat) 49/16, BeckRS 2019, 20887; LG Köln – 33 O 62/18, GRURRS 2019, 2197; Kochendörfer Die Handelsmarke im Verletzungsverfahren, GRUR 2014, 35 (36) mwN; LG Hamburg – 327 O 76/21, GRUR-RS 2021, 18309; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 45, wonach sich der Begriff bislang einer verlässlichen abstrakten Defintion entziehe. 181 Ströbele/Hacker § 15 Rn 57 mwN; BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 44. 182 BGH GRUR 2002, 898; GRUR 1993, 404 (405); GRUR 1990, 1042 (1044 f.); vgl. OLG Frankfurt a.M. – 6 U 17/20, GRUR-RR 2021, 273 (274). 183 BGH GRUR 1990, 1042 (1044 f); Ingerl/Rohnke § 15 Rn 96. 184 BGH GRUR 1993, 404 (405). 185 Vgl. etwa OLG Frankfurt WRP 1992, 718 (720): Ferrari nicht nur für Sportwagen, sondern auch für Schreibgeräte, Lederwaren, Feuerzeuge und Kosmetik. 186 Vgl. BGH GRUR 1999, 581, 583 (zum Titelschutz). 187 Ströbele/Hacker § 15 Rn 62. 188 BGH GRUR 1980, 303. 189 BGH GRUR 1989, 856 (858). 190 BGH GRUR 1985, 461 (463). 191 OLG München GRUR 1980, 1003. 192 BGH WRP 1986, 268. 193 BGH GRUR 1965, 540 (541). 194 BGH GRUR 1954, 457. 195 BGH GRUR 1981, 66 (67). 196 BGH WRP 2002, 537. 197 BGH GRUR 1986, 253 (255). 198 BGH GRUR 1989, 449. 199 BGH GRUR 2001, 344 (345). 200 BGH WRP 1973, 661. 201 OLG Frankfurt WRP 1992, 718 (720). 202 BGH GRUR 1974, 162 (163). 203 BGH GRUR 1966, 267 (269 f). 489
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Verneint wurde Branchennähe zwischen: Baumaschinenhandel/Kameras;204 Confiserie/ Weinhandel;205 Damenmode/Skibekleidung;206 elektronischen Überwachungs- und Sicherungssystemen/Installation von Netzwerksystemen;207 Farbmess-Datenverarbeitungsanlagen/Computerformulare;208 Fastfoodrestaurants/Farben und Lacke;209 Kfz-Handel/Kapitalanlage;210 KfzZulieferer/EDV-Dienstleistungen;211 Kosmetik/Schallplatten;212 Krankenhaus/Werbeagentur;213 Lebensmittel und Gebrauchsgüter/Hotels;214 Lebensmittelgroßhandel/Füllhalterfabrik;215 Molkereiprodukte/Schlaf- und Speisewagenbewirtschaftung;216 Textilien/Börseninformationsdienst;217 Textilien/Verwaltung von (auch Textil-)Unternehmen;218 Unternehmensberatung/Programmierung;219 Versandhandel für Textilien/Internetportal als Informationsplattform;220 Versicherungsdienstleistungen (auch für Kfz)/Kfz-Motoren;221 Werkzeugmaschinen/Scanner, Telefaxgeräte, Monitore.222
37 c) Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft einer Bezeichnung wird durch den Grad der Eignung des Zeichens bestimmt, sich aufgrund seiner Eigenart und seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name des Unternehmensträgers einzuprägen.223 Im Blick hierauf kann zwischen originärer und durch Benutzung im Verkehr erworbener Kennzeichnungskraft unterschieden werden, wobei die originäre Kennzeichnungskraft ein Synonym für den Begriff der Unterscheidungskraft i.S.d. Rn 14 ist.224 Graduell kann unterschieden werden zwischen geringer, normaler und gesteigerter Kennzeichnungskraft, wobei die Verwechselungsgefahr mit dem Grad der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Bezeichnung zunimmt.225 Geringe Kennzeichnungskraft haben insbes. Bezeichnungen, die bloß beschreiben-
204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222 223
BGH GRUR 1958, 339. BGH GRUR 2004, 512 (514). BGH GRUR 1984, 471 (472). BGH BGHReport 2001, 609. BGH GRUR 1990, 1042 (1045). OLG Düsseldorf WRP 1997, 590 – McPaint. BGH GRUR 1993, 404. OLG Frankfurt GRUR 2000, 517. BGH GRUR 1991, 863 (864). BGH GRUR 2005, 430. BGH WRP 1975, 668. BGH GRUR 1955, 299 (301). BGH GRUR 1986, 826. OLG Frankfurt GRUR 1995, 154. BGH GRUR 1995, 54 (56 f). OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 80 (82). OLG Hamburg MMR 2002, 682. OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 190 (191). OLG Düsseldorf GRUR 1996, 361 (362). BGH GRUR 1995, 507 (508); GRUR 1996, 68 (69); GRUR 2002, 1066 (1068 f); zur Darlegungslast des Nachweises hinsichtlich einer erhöten Kennzeichnungskraft im Prozess siehe EuG – T-229/14, GRUR-Prax 2015, 342 m. Anm. Dönch. 224 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 144. 225 EuGH GRUR 1998, 387 (390); BGH GRUR 1996, 198 (199); v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 145 f.; in BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 15 Rn 54, wird auf die im Markenrecht entwickelten Grundsätze in BeckOK-MarkenR/Thalmaier § 14 Rn 275 ff verwiesen. Burgard
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de226 oder freihaltebedürftige Angaben227 enthalten, normale Kennzeichnungskraft dagegen solche Bezeichnungen, die auffällige, einprägsame oder außergewöhnliche Begriffe oder gewöhnliche Begriffe außergewöhnlich, einprägsam oder auffällig verwenden.228 Bei Buchstabenkombinationen kommt es darauf an, ob sie als ein Wort aussprechbar sind (dann normale Kennzeichnungskraft) oder nicht (dann geringe Kennzeichnungskraft). Besteht eine normale Kennzeichnungskraft, wird nicht nochmals zwischen dem Grad der Originalität unterschieden. Wohl aber kann eine normale Kennzeichnungskraft durch eine vielfache Verwendung ähnlicher Zeichen in derselben Branche geschwächt229 oder eine schwache oder normale Kennzeichnungskraft durch Verkehrsbekanntheit gestärkt230 werden.231
E. Verletzungstatbestand nach § 15 Abs. 3 MarkenG I. Schutzobjekt: Im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung Nach § 15 Abs. 3 MarkenG soll bekannten geschäftlichen Bezeichnungen in gleicher Weise ein 38 erweiterter, von dem Bestehen einer Verwechselungsgefahr unabhängiger Schutz zukommen wie bekannten Marken nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.232 Der Begriff der geschäftlichen Bezeichnung entspricht dem in § 5 Abs. 1 MarkenG (Rn 4 ff). Der Begriff „bekannt“ ist vom Gesetzgeber aus der Markenrichtlinie233 übernommen worden. Er war zuvor nicht Gegenstand einer nationalen gesetzlichen Regelung.234 Für die Feststellung der Bekanntheit kommt es vor allem auf den Grad der Bekanntheit innerhalb der beteiligten Verkehrskreise an, welcher durch Verkehrsbefragungen ermittelt werden kann (vgl. Rn 16), nicht aber in jedem Fall ermittelt werden muss.235 Bei der Prüfung sind alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.236 Hierzu zählen insbes. der Marktanteil, die Intensität und die Dauer der Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zur Förderung der geschäftlichen Bezeichnung getätigt hat.237 Insofern kann kein bestimmter Prozentsatz der Bekanntheit gefordert werden,238 zumal bei einem kleinen Verkehrskreis insofern höhere Anforderungen als bei umfangreichen Verkehrskreisen zu stellen sind.239 Gleichwohl kann auf eine Ermittlung des prozentualen Bekanntheitsgrads kaum verzichtet werden. Für gewöhnlich reicht in Anlehnung an die frühere 226 BGH GRUR 1995, 50 (52); GRUR 1996, 770 (771); GRUR 1997, 634 (636); GRUR 1998, 465 (466); GRUR 2002, 626 (628 f); GRUR 2003, 963 (965); GRUR 2004, 778 (779); GRUR 2005, 873 (874); BGH WRP 2007, 1466 (1468); WRP 2008, 232; WRP 2008, 1345 (1346); BPatG – 27 W (pat) 548/14, GRUR 2015, 496 (497). 227 BGHZ 91, 262 (266); 167, 278; BGH GRUR 1985, 1053 (1054); GRUR 1994, 730 (731); WRP 1994, 245 (246 f); BPatG NJW-RR 1993, 1131 (1132). 228 Vgl. EuGH GRUR 2004, 680; EuG GRUR-Int. 2005, 583; BGH WRP 1999, 1167 (1169); WRP 2001, 35 (36); GRUR 2002, 898; BGH WRP 2008, 1434 (1436 f). 229 Vgl. BGH GRUR 2001, 1161 (1162); GRUR 2002, 626 (628); GRUR 2002, 898 (899). 230 BGH GRUR 1992, 48 (51); BGH WRP 1991, 609 (610); WRP 1993, 694 (696); BGH GRUR 1997, 311 (313); GRUR 2004, 514 (516); GRUR 2004, 779 (781); GRUR 2005, 427 (429). 231 Zum Ganzen aus der Lit. v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 149 ff; Fezer § 14 Rn 286 ff; BeckOK-MarkenR/Thalmeier § 14 Rn 275 ff; Goldmann § 13 Rn 241 ff. 232 Begr. RegE MarkenG BT-Drucks. 12/6581, 76; vgl. BeckOK-MarkenR/Mielke § 15 Rn 61. 233 Erste Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken, ABl. EG 1989 Nr. L 40, S. 1 ff. 234 Der von der Rechtsprechung entwickelte Schutz berühmter Marken fußte auf Rechtsnormen außerhalb des Warenzeichengesetzes (WZG), vgl. hierzu v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 181. 235 EuGH GRUR 1999, 723 (727 Nr. 53). 236 EuGH GRUR-Int 2000, 73 (75 Ziff. 26, 27); BGH GRUR 2002, 340 (341); GRUR 2003, 428 (431 f). 237 BGH GRUR 2003, 428 (431 f); GRUR-Int. 1999, 727 (731 Ziff. 51); EuGH GRUR-Int. 2000, 73 (75 Ziff. 26, 27); ebs. Begr. RegE MarkenG BT-Drucks. 12/6581, 72. 238 EuGH GRUR-Int 2000, 73 (75 Ziff. 26, 27); BGH GRUR 2002, 340 (341); GRUR 2003, 428 (431 f). 239 Ströbele/Hacker § 14 Rn 359. 491
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Rechtsprechung zur Rufausbeutung nach § 1 UWG a.F. ein Bekanntheitsgrad zwischen 30 und 40 % aus.240 39 Die geschäftliche Bezeichnung muss im Inland bekannt sein. Hierzu ist nicht Bekanntheit im gesamten Bundesgebiet erforderlich. Es genügt, wenn die Bezeichnung in einem wesentlichen Teil des Inlandes bekannt ist, um einen Schutz im gesamten Bundesgebiet herbeizuführen.241 Ob über die quantitativen Elemente hinaus auch qualitative Elemente wie ein „guter Ruf“ 40 erfüllt sein müssen, ist umstritten.242 Richtigerweise spielt die Wertschätzung der Unternehmenskennzeichnung erst im Rahmen der Verletzungshandlung eine Rolle.
II. Verletzungshandlung 1. Unbefugte Benutzung im geschäftlichen Verkehr 41 Der Begriff „im geschäftlichen Verkehr“ ist ebenso wie in Abs. 2 auszulegen (Rn 22). Der Begriff der Benutzung ist hingegen weiter zu verstehen. Benutzung im Sinne von § 15 Abs. 3 MarkenG ist jede Handlung, durch die bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine gedankliche Verknüpfung zu dem bekannten Unternehmenskennzeichen hergestellt wird.243 In Abs. 3 nicht ausdrücklich erwähnt ist das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ (dazu Rn 24 ff). Dabei handelt sich jedoch um ein bloßes Redaktionsversehen. Es ist daher auch hier Voraussetzung einer Verletzungshandlung.244 Die unbefugte Benutzung einer im Inland bekannten geschäftlichen Bezeichnung allein 42 reicht freilich zur Verwirklichung des Tatbestands von § 15 Abs. 3 MarkenG nicht aus. Vielmehr muss eine Beeinträchtigung der Rechtsposition des Inhabers des prioritären Kennzeichens vorliegen.245 Als solche kommen nach dem Wortlaut der Norm die folgenden vier Fallgestaltungen in Betracht.
2. Ausnutzung der Unterscheidungskraft (Aufmerksamkeitsausbeutung) 43 Mit Unterscheidungskraft i.S.v. § 15 Abs. 3 MarkenG ist nicht nur die originäre, sondern vor allem auch die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft, also Kennzeichnungskraft im vorbezeichneten Sinne (Rn 37) gemeint.246 Ein Ausnutzen der Kennzeichnungskraft liegt vor, wenn 240 Das OLG Hamburg nimmt als Richtwert 30 % an, OLG Hamburg GRUR 1999, 339 (342); OLG Hamburg MarkenR 2003, 401 (406); OLG Hamburg Magazindienst 2005, 54. 33 % genügt nach BGH GRUR 1985, 550, 30 % innerhalb von Sportlerkreisen sowie in Bayern und Baden-Württemberg dagegen nicht BGH GRUR 1991, 465 zu § 1 UWG a.F. Auch in der Lit schwanken die Werte, Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1333 f; Fezer § 14 Rn 762: nicht bei 20 %, 50 % als Faustregel. Nach der Rechtsprechung des EuGH zum Markenrecht kommt es allerdings auf die Prozentsätze alleine nicht an EuGH WRP 1999, 1130 Rn 25, 27. Vor diesem Hintergrund hat der BGH zu § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG entschieden, dass ein Bekanntheitsgrad von lediglich 8,1 % bzw. 12,64 % nicht ausreiche, um fehlende Bekanntheit zu begründen, BGH GRUR 2002, 340 f. Vielmehr seien weitere Kriterien (Marktanteil der Marke, Intensität, geografische Ausdehnung und Dauer ihrer Benutzung sowie Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat) zu prüfen. 241 EuGH GRUR-Int 2000, 73 (75 Ziff. 26, 27). 242 Dieser Ansicht ist Begr. RegE MarkenG BT-Drucks., 72; ebenso Fezer § 14 Rn 767 ff; aA Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1338 f; v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 183; Ströbele/Hacker § 14 Rn 362 ff; EuGH GRUR-Int 2000, 73 (75 Ziff. 26, 27) – Chevy. 243 Ströbele/Hacker § 15 Rn 19, 23; Fezer § 15 Rn 47, 51, § 14 Rn 836 ff; Goldmann § 12 Rn 29 ff. 244 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 12/6581, 76. 245 Begr. RegE MarkenG BT-Drucks. 12/6581, 72. 246 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 191; ähnlich Ströbele/Hacker § 14 Rn 385. Burgard
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für das eigene Zeichen das besondere Maß an Aufmerksamkeit ausgebeutet wird, dass mit der Verwendung des bekannten Zeichens verbunden ist.247 Dies kann in positiver oder auch in negativer Weise im Sinne eines Kontrasteffektes geschehen, etwa bei der Benutzung fremder Zeichen im Wege der Parodie.248 Bejaht wurde die Ausnutzung der Unterscheidungskraft bspw. im Fall einer Musikgruppe, deren Bandname im prägenden Bestandteil identisch mit dem Unternehmenskennzeichen einer bekannten Versicherung war.249
3. Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft (Verwässerung) Hat ein Kennzeichen durch Benutzung Unterscheidungskraft gewonnen, kann diese beeinträch- 44 tigt werden, wenn andere Unternehmen identische oder zumindest in den charakteristischen Merkmalen übereinstimmende Zeichen verwenden.250 Um den Schutz vor einer solchen Verwässerung geht es in dieser Tatbestandsalternative. Das setzt einerseits voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise, in denen das geschützte Kennzeichen Bekanntheit genießt, das kollidierende Kennzeichen zumindest wahrnehmen.251 Andererseits darf die Unterscheidungskraft des geschützten Kennzeichens nicht schon durch eine größere Anzahl von Drittzeichen beeinträchtigt sein, so dass eine weitere Beeinträchtigung durch ein weiteres Zeichen nicht mehr ins Gewicht fällt.252 Deswegen kann auch die Besorgnis der Nachahmung eine Verletzung des geschützten Kennzeichens unter dem Gesichtspunkt der Verwässerung begründen: So etwa in dem Fall einer überregionalen Tageszeitung, die unter der Überschrift „die tagesschau“ eine Rubrik angelegt hatte, in der aktuelle Tagesmeldungen satirisch aufgegriffen wurden.253 Unterscheiden sich die Zeichen dagegen deutlich und ruft das prioritätsjüngere Kennzeichen allenfalls allgemeine Assoziationen mit dem bekannten Kennzeichen hervor, ist keine Verwässerung zu besorgen, mag die Zeichenwahl auch nicht zufällig erscheinen.254
4. Beeinträchtigung der Wertschätzung (Rufschädigung) Der Begriff der Wertschätzung entspricht im Wesentlichen dem des „guten Rufs“.255 Schutzob- 45 jekt ist das positive Image einer Kennzeichnung.256 Sie kann auf verschiedenen Umständen beruhen, etwa Bedeutung oder Tradition des Unternehmens, Qualität oder Prestigewert seiner Waren. Freilich muss das Image nicht herausragend sein. Es genügt die Wertschätzung, die einem bekannten Markenartikel bzw. seinem Hersteller entgegengebracht wird. Bei der Fallgruppe der Rufschädigung geht es um die Abwehr negativer Einflüsse auf dieses Image. Voraussetzung ist dementsprechend, dass das kollidierende Kennzeichen auf ein Unternehmen oder Produkte mit schlechterem – nicht notwendigerweise schlechtem – Image hinweist, z.B. Verwendung des bekannten Zeichens einer Fast-Food-Kette für Tierfutter,257 einer bekannten Marke für Kosmetika für die Kennzeichnung von Kondomen,258 einer Whiskymarke für Putzmittel259 oder eines exklu247 248 249 250 251 252 253 254 255 256 257 258 259 493
BGH NJW 2005, 2856 (2857); OLG Stuttgart GRUR-RR 2007, 313 (315). BGH GRUR 1994, 635; GRUR 1994, 808 (811); GRUR 1995, 57 (59). OLG München MarkenR 2000, 65 (66 f). OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408 (412). V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 193. OLG München GRUR 1996, 63 (65). OLG Hamburg GRUR-RR 2002, 389 (391 f). BGH GRUR 2004, 779 (783); OLG Hamburg GRUR-RR 2006, 408 (412). Begr. RegE MarkenG BT-Drucks. 12/6581, 72. Ströbele/Hacker § 14 Rn 395. BGHZ 138, 349. BGH GRUR 1995, 57 (59). BGH GRUR 1985, 550 (553). Burgard
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siven Images für die Kennzeichnung von Massenware.260 Erst Recht gehören Fälle einer Verunglimpfung – z.B. durch geschmacklose Scherzartikel – hierher.261
5. Ausnutzung der Wertschätzung (Rufausbeutung) 46 Der wirtschaftliche Wert eines positiven Images und dessen Vermarktung ist ausschließlich dem Kennzeicheninhaber zugewiesen. Eine Rufausbeutung ist daher jede Handlung, durch die das Image des bekannten Kennzeichens genutzt und so in diesen Zuweisungsgehalt eingegriffen wird. Typischerweise geht es um Fälle eines Imagetransfers, also um die Übertragung bestimmter, mit dem bekannten Kennzeichen verbundenen Gütevorstellungen auf das Unternehmen oder die Produkte des Verletzers. Eine solche Rufausbeutung kann freilich nur gelingen, wenn die Zeichenähnlichkeit so groß ist, dass der Verkehr das kollidierende Zeichen mit dem bekannten Zeichen assoziiert. Streitig ist allerdings, ob eine solche Assoziation bereits ausreicht.262 Sie genügt jedenfalls nicht, wenn die Unterscheidungskraft des bekannten Kennzeichens bereits durch branchenfremde Drittkennzeichen beeinträchtigt ist, so dass das kollidierende Kennzeichen nicht zwangsläufig mit dem bekannten Kennzeichen assoziiert wird.263 Ferner kommt es auf das Maß der Bekanntheit und die Besonderheit des Rufs des geschützten Kennzeichens an: Je bekannter das Kennzeichen und je positiver sein Image ist, desto leichter wird es sich auch branchenübergreifend vermarkten lassen. Dementsprechend eher liegt eine Rufausbeutung vor.264 Sie wurde bspw. bejaht bei der Verwendung des Kennzeichens eines Sportwagenherstellers durch den Anbieter von Fahrrädern, da beim Verbraucher der Eindruck entstehen kann, die mit der Bezeichnung der Sportwagen verbundenen Eigenschaften wie Hochwertigkeit, ausgereifte Technik und Ermöglichen eines sportiven Fahrens lägen auch bei den gleichnamigen Fahrrädern vor.265 Anders ist dies hingegen, wenn die Branchenferne so groß ist, dass ein Imagetransfer ausgeschlossen erscheint (z.B. Ski/Zigaretten oder Whisky/Putzmittel).266
6. Ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise 47 Die Erfüllung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen allein genügt für eine Verwirklichung des Tatbestands von § 15 Abs. 3 MarkenG nicht. Vielmehr muss das Element der Unlauterkeit hinzukommen. Es bedarf somit des Vorliegens von Umständen, welche die Verwerflichkeit der objektiven Handlung begründen.267 Dies erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten.268 Dabei ist insbes. von Bedeutung, welche Absicht mit der Benutzung des kollidierenden Zeichens verfolgt wird.269 Besteht der Zweck der Benutzung des kollidierenden Zeichens
260 OLG Hamburg GRUR 1999, 339. 261 Vgl. BGH GRUR 1994, 808; GRUR 1995, 57; dagegen mit zweifelhafter Begründung BGH GRUR 1986, 759. 262 Dagegen BGH GRUR 2003, 973 (975); GRUR 2004, 779 (783): Die Eignung des Zeichens, durch bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen Aufmerksamkeit zu erregen, reicht nicht aus. Voraussetzung ist, dass das Zeichen in relevantem Umfang mit dem bekannten Zeichen in Verbindung gebracht wird. Vgl. a. Ingerl/Rohnke § 14 Rn 1385 f; dafür v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 198. 263 BGH GRUR 1987, 711 (713): wenn sich die Assoziation eher beiläufig (auch) einstellt; GRUR 1991, 465 (467). 264 Vgl. BGH GRUR 1983, 247. 265 OLG Stuttgart GRUR-RR 2007, 313 (315), zur (tatbestandlich identischen Voraussetzung der) Ausnutzung einer Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG. Zum Kennzeichenschutz nach § 15 Abs. 3 MarkenG s. OLG München CR 1998, 556 (557). 266 BGH GRUR 1985, 550 (553); GRUR 1991, 228 (230). 267 BGH GRUR 1995, 57 (59); OLG Hamburg MarkenR 2003, 401. 268 BGH GRUR 2006, 329; OLG Stuttgart GRUR-RR 2007, 313 (315). 269 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 205. Burgard
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gerade darin, die Aufmerksamkeit270 oder den Ruf271 des bekannten Zeichens auszunutzen, so ist dies regelmäßig unlauter. Indizien hierfür sind die Verwendung eines im Wesentlichen identischen Zeichens oder die Behinderung einer wirtschaftlichen Verwertung des bekannten Zeichens.272 Anders kann dies daher zu beurteilen sein, wenn eine anlehnende Bezugnahme nur erfolgt, um das eigene Angebot zu beschreiben.273 Ferner setzt der Unlauterkeitsvorwurf Kenntnis des bekannten Kennzeichens voraus. Allerdings lässt mangelnde Kenntnis den Vorwurf nur für die Vergangenheit und nicht für den Zeitraum ab Kenntniserlangung entfallen.274 Unlauter ist regelmäßig auch eine Rufschädigung. Wird das kollidierende Kennzeichen hingegen eindeutig in humorvoller oder satirischer Weise benutzt, ohne dass das angegriffene Zeichen verunglimpft275 oder ausschließlich eigene kommerzielle Interessen damit verfolgt werden, kann eine Abwägung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Zitierenden nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG (Meinungsfreiheit) oder Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG (Kunstfreiheit) dazu führen, dass eine unlautere Ausnutzung ausgeschlossen ist.276 Diese Erwägung zeigt zudem, dass im Rahmen der Interessenabwägung zweckmäßigerwei- 48 se auch etwaige Rechtfertigungsgründe zu prüfen sind.277 Als solche kommt neben Art. 5 GG die berechtigte Wahrnehmung eigener Interessen in Betracht, z.B. ein eigener wertvoller, nicht in Anlehnung an das bekannte Kennzeichen geschaffener Besitzstand.278 Genießt das kollidierende Kennzeichen Priorität i.S.d. § 6 MarkenG ist seine Benutzung freilich schon nicht unbefugt (s. Rn 39). Gleiches gilt, wenn die Benutzung des kollidierenden Kennzeichens aufgrund des Gleichnamigkeitsrechts gerechtfertigt ist. Ordnet man dies unter § 23 Nr. 1 MarkenG ein, ergibt sich das auch daraus, dass hier ebenfalls die Sachverhalte des § 23 MarkenG zu prüfen sind.279
F. Rechtsfolgen nach § 15 Abs. 4 bis 6 MarkenG Nach § 15 Abs. 4 MarkenG kann derjenige, der eine geschäftliche Bezeichnung entgegen den 49 Abs. 2 und 3 benutzt, von dem Inhaber der geschützten Bezeichnung auf Unterlassen in Anspruch genommen werden. Eine schuldhafte Verletzungshandlung verpflichtet überdies nach § 15 Abs. 5 MarkenG zum Schadensersatz. Im Blick auf diese Ansprüche enthält § 15 Abs. 6 MarkenG eine Zurechnungsnorm. Im Einzelnen:
I. Anspruchsinhaber Anspruchsinhaber ist der Inhaber der verletzten geschäftlichen Bezeichnung.280 Neben dem Inha- 50 ber können auch Lizenznehmer Ansprüche im eigenen Namen geltend machen, wenn der Verkehr davon ausgeht, dass das Kennzeichen auch den Lizenznehmer kennzeichnet,281 oder wenn er vom Inhaber zur Geltendmachung ermächtigt worden ist und an der Rechtsverfolgung ein eigenes
270 271 272 273 274 275 276 277 278 279 280 281
BGH NJW 2005, 2856 (2857). BGH GRUR 1994, 732 (734); OLG Hamburg MarkenR 2003, 401; OLG Hamm WRP 1997, 312. Ströbele/Hacker § 14 Rn 408; Piper GRUR 1996, 429 (435). BGH GRUR 1997, 311 (313). V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 206. BGH GRUR 1994, 808 (810). BGH GRUR 1984, 684 (685); GRUR 2005, 2856 (2857); LG Hamburg NJW-RR 1999, 1060. V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 204. Ströbele/Hacker § 14 Rn 413. BGH GRUR 1999, 992 (994). Berlit Markenrecht Rn 247. BGH GRUR 1997, 903 (905); OLG Hamburg NJW-RR 1998, 986 (989); OLG Celle WRP 1983, 623 (624); ausführlich Möller Lizenzen an Unternehmenskennzeichen, S. 144 ff mwN. 495
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schutzwürdiges Interesse hat (gewillkürte Prozessstandschaft).282 Schutzwürdiges Interesse kann auch ein wirtschaftliches Interesse sein.283 Dies ist bspw. der Fall, wenn eine Konzernmuttergesellschaft von einer Tochtergesellschaft zur Klageerhebung ermächtigt wurde.284
II. Anspruchsgegner 51 Gegner des Unterlassungsanspruchs ist zunächst derjenige, der die Verletzung begangen hat (Täter). Das gilt auch dann, wenn der Täter als Vertreter tätig geworden ist.285 Der Vertretene muss sich freilich dessen Handeln regelmäßig zurechnen lassen. Das gilt nach § 31 BGB insbes. für juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften hinsichtlich des Handelns ihrer organschaftlichen Vertreter.286 Allerdings haben persönlich haftende Gesellschafter von Personenhandelsgesellschaften nicht persönlich nach §§ 128, 161 Abs. 2 für Unterlassungsverbindlichkeiten der Gesellschaft einzustehen.287 Auf Unterlassen haften sie daher nur als Täter oder als Störer (dazu Rn 50). Gleiches gilt für Ansprüche gegen die Gesellschafter einer GbR gem. § 128 analog.288 Wurde die Verletzung von mehreren gemeinschaftlich begangen, haften sie gem. § 830 Abs. 1 BGB als Mittäter.289 Anstifter und Gehilfen haften im Falle vorsätzlicher Verletzung wie Täter, § 830 Abs. 2 BGB.290 52 Neben der Haftung als Täter oder Teilnehmer kommt ferner eine Haftung als (Mit-) Störer entsprechend § 1004 BGB auf Unterlassung (nicht auf Schadensersatz) in Betracht. Als Störer ist derjenige verantwortlich, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise ohne Verschulden willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beiträgt.291 Da diese Haftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion sowie im Hinblick auf die Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Verletzers eine Prüfung zuzumuten ist.292 So erstreckt sich bspw. die Prüfungspflicht der DENIC bei der Registrierung und Vergabe von Internet-Domains nicht darauf, ob die zu registrierende Zeichenfolge im Hinblick auf Rechte Dritter zulässig ist. Die Übertragung einer solchen Pflicht, die in erster Linie den die Registrierung Beantragenden trifft, würde die Vergabestelle überfordern und ihre Arbeit über Gebühr beeinträchtigen. Eine Haftung der DENIC als Störer kommt daher nur bei offenkundigen Rechtsverletzungen Dritter in Betracht.293 Ähnliches gilt im Blick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG für Presseunternehmen.294 Bei Telemediendiensteanbietern sind zudem Sondervorschriften zu beachten, §§ 7–10 Telemediengesetz (TMG).295
282 283 284 285 286 287 288 289 290 291 292 293 294
BGHZ 119, 237 (240 f). BGH GRUR 1995, 54 (57). BGH GRUR 1995, 54 (57). V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 245; Ströbele/Thiering § 14 Rn 436, 458 ff mwN. Ströbele/Thiering § 14 Rn 439. OLG Nürnberg GRUR 1996, 206 (208); OLG Karlsruhe WRP 1998, 898 (899); Ingerl/Rohnke Vor §§ 14–19 Rn 40. OLG Karlsruhe WRP 1998, 898 (899). V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 245. Berlit Markenrecht Rn 255; BGHZ 158, 236 (250); BGH GRUR 2001, 1038 (1039). BGHZ 172, 119 (131); BGHZ 158, 236 (251); BGH GRUR 2001, 1038 (1039). BGHZ 158, 236 (251); BGHZ 172, 132; BGH GRUR 1997, 313 (315 f); GRUR 1999, 418 (419); GRUR 2001, 1038 (1039). BGH GRUR 2001, 1038 (1039). BGH GRUR 1990, 1012 (1014); GRUR 1992, 618 (619); GRUR 1994, 841 (843); GRUR 1999, 418 (420); WRP 2001, 531 (533); GRUR 2002, 360 (366). 295 Näher zur Störerhaftung etwa Ströbele/Thiering § 14 Rn 449 ff; Teplitzky Kap. 14 Rn 4 ff, jeweils mwN. Burgard
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III. Bedeutung von § 15 Abs. 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 MarkenG § 15 Abs. 6 MarkenG verweist auf § 14 Abs. 7 MarkenG. Die Vorschrift lautet:
53
„Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.“
Es handelt sich um eine Zurechnungsnorm, die die Defizite der §§ 31, 278, 831 BGB ausgleichen soll.296 Sie ist daher weit auszulegen. Angestellter ist jeder, der in abhängiger Beschäftigung steht, neben Angestellten somit 53a auch Arbeiter, Auszubildende oder Praktikanten.297 Beauftragter ist jeder Dritte, der für das Unternehmen in einer Weise tätig wird, die diesem zugute kommt.298 Dies kann auch ein rechtlich selbständiges Unternehmen (z.B. eine Tochtergesellschaft,299 ein selbständiger Handelsvertreter,300 Vertragshändler oder Franchisenehmer301) oder sogar ein Mitarbeiter oder Beauftragter eines Beauftragten sein, sofern der Betriebsinhaber bestimmenden Einfluss auf die Handlungen des Beauftragten ausüben kann.302 Voraussetzung ist zudem stets ein Handeln „im geschäftlichen Betrieb“. Das ist funktional und nicht etwa räumlich zu verstehen. Erfasst wird daher der gesamte Betriebsorganismus von der Verwaltungs-, über die Einkaufs-, Entwicklungs-, und Produktions- bis zur Vertriebsorganisation.303 Betriebsinhaber ist der Unternehmensträger, ggfs. also auch ein Pächter, bei Gesellschaften diese selbst,304 nicht aber Organwalter, Betriebsleiter305 oder Gesellschafter, auch nicht persönlich haftende Gesellschafter.306 § 15 Abs. 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 MarkenG begründet eine Erfolgshaftung. Eine Exkulpationsmöglichkeit ist anders als nach § 831 BGB gerade nicht vorgesehen. Der Betriebsinhaber haftet daher auch für Handlungen, die ohne ein Wissen, ggf. sogar gegen seinen Willen geschehen.307 Ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Betriebsinhaber setzt allerdings ein schuldhaftes Verhalten des Angestellten bzw. Beauftragten voraus (s. hierzu unten Rn 57 f).
IV. Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 4 MarkenG § 15 Abs. 4 MarkenG wurde durch das Durchsetzungsgesetz308 neu gefasst. Eine inhaltliche Än- 54 derung gegenüber der bisherigen Rechtslage ist damit nicht verbunden.309 Mittels des Unterlassungsanspruchs kann der Inhaber des Kennzeichens künftig drohende Verletzungshandlungen 296 Die insoweit vor Inkrafttreten des MarkenG bereits im Rahmen von § 13 Abs. 4 UWG a.F. geltende Rechtslage (dazu GroßKommUWG/Erdmann § 13 UWG Rn 143) sollte in § 14 Abs. 7 MarkenG übernommen und über den bestehenden Unterlassungsanspruch hinaus auf Schadensersatzansprüche ausgedehnt werden, vgl. Begr. RegE zum MarkenG, BT-Drucks 12/6581, 75 f. Ausführlich hierzu Teplitzky Kap. 14 Rn 14 ff. 297 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 248. 298 BGH GRUR 1963, 438 (439 f); GRUR 1964, 263 (266). 299 BGH GRUR 2005, 864 (865). 300 BGH GRUR 1971, 119 (120). 301 BGH GRUR 1995, 605 (607). 302 Außer den vorgenannten Entscheidungen auch BGH GRUR 1959, 38 (44); GRUR 1991, 772 (774). 303 BGH GRUR 1959, 38 (44); GRUR 1980, 116 (117). 304 OLG Karlsruhe WRP 1998, 898 (899). 305 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 250. 306 Ströbele/Thiering § 14 Rn 476. 307 BGH GRUR 1995, 605 (607); OLG München WRP 1989, 755 (756). 308 Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BGBl. I 2008, 1191 ff, in Kraft getreten am 1.9.2008. 309 Begr. RegE DurchsetzungsG, BT-Drucks. 16/5048, 37. 497
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unterbinden.310 Zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung dieses Unterlassungsanspruchs ist, sofern bereits eine Verletzung begangen worden ist, Wiederholungsgefahr, andernfalls Erstbegehungsgefahr.311
1. Wiederholungsgefahr 55 Nachdem Voraussetzung eines Anspruchs aus § 15 Abs. 2 bis 4 MarkenG ist, dass der Verletzer im geschäftlichen Verkehr handelt (s.o. Rn 22, 39), wird das Bestehen einer Wiederholungsgefahr vermutet (vgl. Anh. I zu § 37 Rn 40), wenn eine Verletzungshandlung bereits begangen wurde.312 Sie zu widerlegen, ist Aufgabe des Verletzers. An die Widerlegung werden hohe Anforderungen gestellt.313 In der Regel genügt es nicht, allein die Verletzung zu beenden. Ebenso wenig ausreichend sind Betriebsaufgabe,314 Abberufung des Geschäftsführers315 oder Zahlung von Schadensersatz.316 Vielmehr wird die Vermutung des Bestehens von Wiederholungsgefahr nur dadurch widerlegt, dass der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung317 oder ein gerichtliches Anerkenntnis (§ 307 ZPO) abgibt, weil nur in diesen Fällen an der Ernsthaftigkeit des Willens kein Zweifel mehr bestehen kann.318
2. Erstbegehungsgefahr 56 Erstbegehungsgefahr liegt vor, wenn eine Verletzung zwar noch nicht eingetreten, aber ein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht ernstlich und unmittelbar zu besorgen ist.319 Dabei muss sich die bedrohende Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnen, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist.320 In tatsächlicher Hinsicht kommen dafür bspw. Äußerungen in Betracht, mit welchen sich jemand eines Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen,321 die Ankündigung einer Erweiterung des Angebots an Waren oder Dienstleistungen unter einem bestimmten Zeichen, welche zur Kollision mit älteren Rechten des Inhabers führt,322 oder auch die Anmeldung einer rechtsverletzenden Firma (s. Anh. I zu § 37 Rn 41) oder Marke.323 Die Erstbegehungsgefahr kann ebenso wie die Wiederholungsgefahr durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, aber auch auf andere Weise beseitigt werden; denn die Anforderungen an die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr sind geringer als bei bestehender Wiederholungsgefahr. Es
310 Zum konkreten Gegenstand des Unterlassungsanspruchs Ströbele/Thiering § 14 Rn 520 ff mwN; Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Unterlassungsantrags i.S.des § 253 Abs. 2, Nr. 2 ZPO sowie zur Frage der Verwirkung gem. § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m § 242 BGB siehe BGH – I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 (706). 311 Begr. RegE DurchsetzungsG, BT-Drucks. 16/5048, 37. 312 Berlit Markenrecht Rn 244; siehe auch BeckOK-MarkenR/Eckhartt § 15 Rn 68, wonach dieselben Grundsätze gelten, wie bei der Verletzung von Marken. 313 Ingerl/Rohnke Vorbemerkungen zu §§ 14–19d Rn 86 ff. 314 BGH GRUR 1998, 824 (828). 315 BGH GRUR 2000, 605 (607 f). 316 Götz GRUR 2001, 295 (300). 317 Näher dazu etwa Ströbele/Thiering § 14 Rn 523 ff; Ingerl/Rohnke Vorbemerkungen zu §§ 14–19d Rn 86; Teplitzky Kap. 7 Rn 3 f mwN; LG Düsseldorf – 2a O 268/09, BeckRS 2011, 25537. 318 BGH GRUR 1997, 379 (380) mwN. 319 BGH GRUR 1994, 530 (532). 320 Begr. RegE DurchsetzungsG, BT-Drucks. 16/5048, 37; BGH GRUR 1990, 687 (688); GRUR 1992, 612 (614). 321 Begr. RegE DurchsetzungsG, BT-Drucks. 16/5048, 37; BGH GRUR 1992, 612 (614). 322 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 264. 323 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 265. Burgard
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reicht eine ernstliche Erklärung, dass die beanstandete Handlung in Zukunft nicht vorgenommen werde.324
3. Beseitigungsanspruch Der verschuldensunabhängige Beseitigungsanspruch entsprechend § 1004 BGB ergänzt den An- 57 spruch auf künftige Unterlassung. Er ist gerichtet auf Beseitigung einer (bislang) fortwährenden Störung wie bspw. eine fortbestehende Telefonbucheintragung oder die fortbestehende Registrierung einer verletzenden Internet-Domain.325 Ein gesondert geregelter Teilaspekt des Beseitigungsanspruchs ist der Anspruch auf Vernichtung gem. § 18 MarkenG.326
V. Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 5 MarkenG 1. Überblick Der Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung hat bei Vorliegen einer vorsätzlichen oder fahr- 58 lässigen Verletzungshandlung i.S.d. § 15 Abs. 2 oder 3 MarkenG gegen den oder die Täter und Teilnehmer (Rn 49) sowie, sofern die Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 MarkenG vorliegen (Rn 51), auch gegen den Betriebsinhaber einen Anspruch auf Schadensersatz.327 Diese haften ggf. als Gesamtschuldner gem. § 840 BGB.328 Ein Störer (Rn 50), der weder Täter noch Teilnehmer ist, haftet dagegen nicht auf Schadensersatz.329
2. Verschulden a) Haftung für eigenes Verschulden. Der Verletzer muss fahrlässig oder vorsätzlich gehan- 59 delt haben, wobei bedingter Vorsatz genügt.330 Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. An die Beachtung der erforderlichen Sorgfalt werden strenge Anforderungen gestellt.331 Den Handelnden trifft in erster Linie eine Recherchepflicht. Er muss umfassende Erkundigungen über das mögliche Entgegenstehen von Kennzeichenrechten Dritter (d.h. nicht nur über identische, sondern insbes. auch ähnliche Kennzeichen) einholen332 und zusätzlich in aller Regel auch fachlichen Rat zur Auswertung der Rechercheergebnisse in Anspruch nehmen.333 Wer sich dagegen bewusst im Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt, also weiß, dass die Rechtslage zweifelhaft ist und sein Verhalten daher als unzulässig bewertet werden könnte, und sich über solche Bedenken ohne Not hinwegsetzt, handelt – auch bei vorheriger Einholung eines ihm günstigen Privatgutachtens – fahrläs-
324 325 326 327
BGH GRUR 2001, 1174 (1176). V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 268; Ströbele/Thiering § 14 Rn 649. Ströbele/Thiering § 18 Rn 1. Berlit Markenrecht Rn 255; vgl. BeckOK-MarkenR/Eckhartt § 15 Rn 68, wonach dieselben Grundsätze gelten, wie bei der Verletzung von Marken. 328 Ströbele/Thiering § 14 Rn 655. 329 BGH NJW-RR 2002, 832; BGH WRP 2004, 1287. 330 Berlit Markenrecht Rn 255. 331 BGH WRP 2002, 694 (699). 332 Vgl. BGH GRUR 1957, 222 (223); GRUR 1957, 430 (433); GRUR 1960, 186 (189); GRUR 1970, 87 (89); GRUR 1971, 251 (253); BPatG – 28 W (pat) 33/17, GRUR-Prax 2019, 307. 333 BGH GRUR 1959, 367 (374); v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 270. 499
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sig.334 Das soll selbst dann gelten, wenn er sich auf ein instanzgerichtliches Urteil oder die Auffassung des Deutschen Patentamts stützen kann.335 Ein Rechtsirrtum ist nur dann entschuldbar, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht mit einer von seiner Auffassung abweichenden gerichtlichen Beurteilung rechnen musste oder es sich um die Beurteilung eines rechtlich schwierigen Sachverhalts handelt, für den die Rechtsprechung im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung noch keine festen Grundsätze entwickelt hatte und der Handelnde sich für seine Auffassung auf namhafte Vertreter im Schrifttum und/oder auf gerichtliche Entscheidungen berufen kann.336
60 b) Haftung für fremdes Verschulden. Für fremdes Verschulden hat der Anspruchsgegner bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 31 BGB oder des § 15 Abs. 6 i.V.m. § 14 Abs. 7 MarkenG (s.o. Rn 51) sowie ggf. der §§ 823, 831 BGB einzustehen, nicht dagegen nach § 278 BGB. Insoweit fehlt es an einer vor der Verletzungshandlung bestehenden Sonderverbindung.337
3. Schadensberechnung 61 a) Wahlrecht des Gläubigers. Die Art der Schadensberechnung war bis vor kurzem im Gesetz nicht geregelt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hatte dazu drei verschiedene Möglichkeiten der Schadensberechnung entwickelt, nämlich Ersatz des konkreten Schadens einschließlich des sog. Marktverwirrungsschadens und des entgangenen Gewinns, Herausgabe des Verletzergewinns und Lizenzanalogie (dazu bereits Anh. I zu § 37 Rn 44 näher sogleich Rn 60 ff).338 Der Gesetzgeber hat diese nunmehr mit Inkrafttreten des Durchsetzungsgesetzes339 ausdrücklich in § 15 Abs. 5 S. 2 i.V.m. § 14 Abs. 6 S. 2 und 3 MarkenG übernommen. Eine Änderung der bisherigen Rechtslage ist damit ausdrücklich nicht beabsichtigt.340 Wie bisher kann der Inhaber des Kennzeichens daher zwischen den drei genannten Möglichkeiten der Schadensberechnung frei wählen. Dabei braucht er sich nicht sofort für eine Möglichkeit zu entscheiden. Vielmehr kann (und sollte) er die Erteilung der Auskunft durch den Anspruchsgegner (dazu Rn 65) abwarten. Der Inhaber kann auch im Prozess noch von einer Art der Berechnung zu einer anderen wechseln oder auch einen Anspruch, alternativ berechnet, geltend machen. Das Wahlrecht erlischt erst, wenn der nach einer bestimmten Berechnungsart geltend gemachte Anspruch erfüllt oder rechtskräftig zuerkannt worden ist.341 Zu weiteren Ansprüchen und Anspruchsgrundlagen s. Rn 64 ff.
62 b) Entgangener Gewinn. Erstens kann der Verletzte den konkret entstandenen Schaden, vor allem den entgangenen Gewinn, geltend machen (§§ 249, 252 BGB). Der Nachweis, welcher Schaden konkret durch die Verletzung entstanden ist, ist für den Anspruchsinhaber allerdings
334 St. Rspr.: BGH GRUR 1975, 223 (225); GRUR 1981, 286 (287 f); GRUR 1995, 825 (829); GRUR 1999, 492 (495); GRUR 2002, 622 (626); GRUR 2002, 706 (708); GRUR 2004, 865 (867). 335 BGH GRUR 1993, 556 (559); OLG Hamburg GRUR-RR 2003, 139 (143). 336 St. Rspr.: BGHZ 17, 226 (295); 18, 44 (57); 27, 264 (273); 131, 308 (317 f); 141, 329 (346); 145, 329 (345); 149, 191 (204). 337 BGH GRUR 1987, 54; NJW 1990, 1905; NJW 1995, 715. 338 Ströbele/Thiering § 14 Rn 670 f. 339 Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BGBl. I 2008, 1191 ff, in Kraft getreten am 1.9.2008. 340 Begr. RegE, BT-Drucks. 16/5048, 37. 341 BGH GRUR 1993, 55 (57); GRUR 2000, 226 (227). Burgard
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nur schwer zu führen,342 auch wenn es nach § 252 S. 2 BGB genügt, dass ein bestimmter Gewinn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge wahrscheinlich eingetreten wäre und das Gericht zudem die Schadenshöhe gem. § 287 ZPO schätzen kann.343 Diese Schätzung bedarf jedoch einer tatsächlichen Grundlage, die darzulegen Aufgabe des Anspruchstellers ist. Dafür muss er seine Kalkulation offen legen,344 was dem Konkurrenten Einblick in sensible Daten verschafft.345 Deswegen kommt dieser Art der Schadensberechnung in der Praxis nur geringe Bedeutung zu.
c) Herausgabe des Verletzergewinns. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns 63 ist kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens, sondern zielt auf andere Weise auf einen billigen Ausgleich des erlittenen Vermögensnachteils.346 Grundgedanke ist, den Verletzten wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Immaterialgüterrechte auch bei bloß fahrlässigem Handeln des Verletzers wie einen Geschäftsherrn bei angemaßter Geschäftsführung gem. §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 677 BGB zu stellen.347 Dabei wird fingiert, dass der Verletzte ohne die Rechtsverletzung unter Ausnutzung der ihm ausschließlich zugewiesenen Rechtsposition in gleicher Weise Gewinn erzielt hätte wie der Verletzer.348 Herauszugeben ist der und nur der Gewinnanteil, der gerade auf der Benutzung des fremden Schutzrechts und nicht auf anderen Umständen (wie Qualität der Ware oder die Intensität der Werbung) beruht.349 Diesen zu ermitteln bereitet naturgemäß Schwierigkeiten, wobei vor allem fraglich ist, welche Beträge als Grundlage einer Gewinnanteilsschätzung gem. § 287 ZPO in Ansatz zu bringen sind. Im Blick auf Fälle von Produktnachahmung hat der BGH entschieden,350 dass bei der Ermittlung des Verletzergewinns von den erzielten Erlösen anspruchsmindernd nur die sog. variablen Kosten für Herstellung und Vertrieb, nicht aber die fixen Gemeinkosten abgezogen werden können, die – wie etwa allgemeine Verwaltungs- und Marketingkosten oder Abschreibungen auf das Anlagevermögen – auch ohne die Rechtsverletzung angefallen wären, da anderenfalls der Gewinn des Verletzers nicht vollständig abgeschöpft würde. Nur wenn sich die Fixkosten ausnahmsweise den verletzenden Gegenständen konkret zuordnen ließen, wofür der Verletzer darlegungs- und beweispflichtig sei, könnten sie ebenfalls abgezogen werden. Diese Rechtsprechung ist auf Fälle einer Kennzeichenrechtsverletzung nur mit Einschränkungen übertragbar; denn bei Kennzeichenrechtsverletzungen kommt eine Herausgabe des gesamten mit dem widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstand erzielten Gewinns meist nicht in Betracht, weil der geschäftliche Erfolg in vielen Fällen nicht ausschließlich oder noch nicht einmal überwiegend auf der Verwendung des fremden Kennzeichens beruht.351 Das gilt erst Recht in Fällen konkurrierender Unternehmenskennzeichen, weil hier der widerrechtlich gekennzeichnete Gegenstand ein ganzes Unternehmen oder zumindest eine Betriebsstätte ist. Grundlage der Gewinnanteilsschätzung kann in solchen Fällen daher nur Umsatz und Gewinn dieses Unternehmens bzw. dieser Betriebsstätte sein. Dementsprechend beschränkt ist der Auskunftsanspruch (Rn 65). Und dementsprechend beschränkt ist die Attraktivität dieser Methode der Schadensberechnung. 342 343 344 345 346 347 348
Vgl. BGH GRUR 2001, 329 (331). Vgl. BGH GRUR 1993, 757 (758); v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 276. BGH GRUR 1962, 509 (513); GRUR 1980, 841 (842). Ströbele/Thiering § 14 Rn 677. Vgl. nur BGH GRUR 1995, 349 (352). BGH GRUR 2001, 329 (331). BGHZ 34, 320 (323); 44, 372 (376); 57, 116 (118); 60, 206 (209); 145, 166 (172 f); BGH GRUR 2006, 419; GRUR 2007, 431 (432 f); GroßKommUWG/Teplitzky § 16 UWG Rn 495. 349 BGH GRUR 1961, 354 (355); GRUR 1973, 375 (378); GRUR 1974, 53 (54); GRUR 1993, 55 (59); GRUR 2001, 329 (331); BGH GRUR 2006, 419 (420); BGH GRUR 2007, 431 (434); OLG Frankfurt GRUR-RR 2003, 274 (277). 350 BGH GRUR 2001, 329 (331); BGH GRUR 2007, 431 (433 f). 351 BGH GRUR 2006, 419 (420). 501
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64 d) Lizenzanalogie. Die Berechnung des Schadens im Wege der Lizenzanalogie ist daher für den Verletzten praktisch häufig am günstigsten.352 Ihr kommt mithin auch die größte Bedeutung zu. Die Höhe des Anspruchs bestimmt sich danach, was bei vorheriger vertraglicher Einräumung einer Lizenz der Lizenzgeber objektiv üblicherweise gefordert hätte und was im Regelfall von einem vernünftigen Lizenznehmer gezahlt worden wäre.353 Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Inhaber des Kennzeichens bei korrekter Vorgehensweise des Verletzers mit diesem tatsächlich einen Lizenzvertrag abgeschlossen hätte. Entscheidend ist vielmehr, dass der Verletzte die Nutzung nicht ohne Gegenleistung gestattet hätte.354 Weitere Voraussetzung ist, dass durch die Verletzung tatsächlich ein Schaden eingetreten ist.355 Die konkrete Höhe der Gebühr bestimmt sich dann nach allen Umständen des Einzelfalls,356 insbes. nach dem Bekanntheitsgrad des verletzten Zeichens, der ihm zukommenden Wertschätzung und der Ähnlichkeit des kollidierenden Zeichens.357 Üblicherweise wird dabei ein prozentualer Anteil vom Umsatz – unter Umständen kombiniert mit einer Grund-/Einstandsgebühr – als Lizenzgebühr gezahlt, wobei dieser sog. Lizenzsatz für gewöhnlich zwischen 1 % und 5 % beträgt. Bestimmt das Zeichen ganz wesentlich den am Markt erzielbaren Preis oder wird ein prestigeträchtiges Zeichen für minderwertige Produkte verwendet, können aber auch Lizenzsätze von 10 % und mehr geschuldet sein.358
4. Marktverwirrungsschaden 65 Neben dem nach einer der drei vorgenannten Methoden ermittelten Schaden kann grundsätzlich ein etwaiger Marktverwirrungsschaden geltend gemacht werden,359 es sei denn, dass die hierfür maßgeblichen Umstände nicht bereits bei der Bemessung der Lizenzgebühr berücksichtigt wurden.360 Marktverwirrungs- oder Diskreditierungsschaden ist der Schaden, der dem Verletzten ggf. dadurch entstanden ist, dass infolge der Benutzung des kollidieren Zeichens die Kennzeichnungskraft oder Wertschätzung des geschützten Zeichens wegen einer entstandenen Zuordnungsverwirrung (Verunsicherung der angesprochenen Verkehrskreise), Verwässerung oder Rufschädigung gelitten hat.361 Wiewohl ein Marktverwirrungsschaden regelmäßig entsteht,362 ist seine Höhe gleichfalls schwer zu ermitteln. Auf die dem Verletzer tatsächlich entstandenen Werbekosten kann nicht ohne weiteres abgestellt werden, weil für den Umfang des Schadens nicht diese Kosten, sondern die Wirkung und damit Art und Umfang der unter der
352 353 354 355 356 357 358
Berlit Markenrecht Rn 260. Berlit Markenrecht Rn 260. BGH GRUR 1993, 55 (58). BGH GRUR 2006, 421. BGH GRUR 2006, 143; BGH GRUR 2000, 685 (687 f), jeweils mwN. Berlit Markenrecht Rn 260; v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 284 f. Bsp.: 0,33 % für Hemden (OLG Karlsruhe GRUR 1971, 221, 222) bzw. Bekleidungsstücke (OLG Düsseldorf Mitt 1989, 222); 1 % beim Vertrieb von Aufgussbeuteln für Tee (BGH GRUR 1966, 375, 378); 1 % bei rechtswidrigen Paralleleinfuhren (OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 139, 141); 2 % bei billigen Spirituosen (OLG München, Az. 6 U 5280/ 82); 5 % bei Verletzung einer Marke von Weltruf (LG Düsseldorf Mitt 2002, 89, 90); 5 % bei Vertrieb einer gebrauchsmuster- und patentrechtlich geschützten Skibindung (BGH NJW 1982, 1151, 1152); 8 % bei patentwidriger Herstellung eines medizinischem Wirkstoffs (BGH NJW 1980, 2522, 2524); 10 % bei Modellkleidern (BGH GRUR 1991, 914, 917) 10 % bei Imitation einer berühmten Porzellanserie (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 209, 210); 12,5 % bei Verwendung einer Prestigemarke auf Billiguhren (BGH GRUR 1993, 55, 58 f); 20 % bei Verkauf eines billigen Imitats einer hochwertigen Uhr (BGH GRUR 2006, 143, 146). 359 BGH GRUR 1966, 375 (378); GRUR 1973, 375 (378); GRUR 1975, 85 (86); GRUR 1988, 776 (779). 360 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 287. 361 Berlit Markenrecht Rn 261. 362 BGH GRUR 1999, 587 (590). Burgard
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verletzenden Bezeichnung getätigten Werbung maßgeblich sind.363 Ebenso wenig kann ohne weiteres auf die dem Verletzten tatsächlich entstandenen Werbekosten rekurriert werden, weil dessen Werbung nicht notwendigerweise dem entspricht, was zur Beseitigung des entstandenen Schadens erforderlich ist. Unangemessen hohe Kosten können aber ebenso wenig wie allgemeine Werbekosten oder fiktive Kosten364 geltend gemacht werden. Zu ersetzen sind vielmehr nur die Kosten zusätzlich erforderlicher Gegenwerbung.365
G. Sonstige Ansprüche I. Bereicherungsanspruch nach § 812 BGB Neben den Ansprüchen aus § 15 Abs. 4 und 5 MarkenG kann der Verletzte von dem Verletzer 66 Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Diesem Bereichungsanspruch kommt zum einen im Blick auf den Verjährungseintritt (§ 20 MarkenG, § 852 BGB) und zum anderen insofern Bedeutung zu, als er kein Verschulden voraussetzt. Gerichtet ist der Anspruch gem. § 812 Abs. 1 BGB auf Herausgabe des Erlangten. Erlangt ist bei der unbefugten Benutzung eines Kennzeichens die Gebrauchsmöglichkeit.366 Da der Gebrauch des Kennzeichens in natura nicht herausgegeben werden kann, ist gem. § 818 Abs. 2 BGB sein Wert zu ersetzen.367 Für die Bestimmung des Wertes ist der objektive Verkehrswert des Erlangten zu Grunde zu legen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch besteht in einer angemessenen und üblichen Lizenzgebühr. Dies gilt nicht nur für Fälle der Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB, sondern auch der Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB.368 Der Anspruchsinhaber kann daher seinen Anspruch im Wege der Lizenzanalogie (s. oben Rn 62) berechnen.369 Dagegen umfasst der Bereicherungsanspruch weder den entgangenen noch den Verletzergewinn noch den Marktverwirrungsschaden.370
II. Auskunftsanspruch gem. § 242 BGB Um von seinem Wahlrecht (Rn 59) sachgerecht Gebrauch machen zu können, benötigt der Ver- 67 letzte umfassende Informationen, insbes. über Art und Umfang der Verletzungshandlungen und allen zur Berechnung der Schadenshöhe erforderlichen Angaben. Die in §§ 19 ff MarkenG neu geregelten Auskunftsansprüche haben eine andere Zielrichtung und geben daher die erforderlichen Informationen nicht bzw. nur teilweise.371 Aus diesem Grund hat der Verletzte gegen den Verletzer einen aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abgeleiteten ergänzenden Anspruch auf Auskunft.372 Der Auskunftsanspruch als Hilfsanspruch373 setzt voraus, dass ein Ersatzanspruch dem Grunde nach gegeben ist.374 Das ist der Fall, wenn die Verletzungshandlung fest-
363 364 365 366 367 368 369 370 371 372 373 374 503
BGH GRUR 1987, 364 (365). BGH GRUR 1982, 491. BGH GRUR 1954, 457 (459). BGH GRUR 2000, 685 (687 f) mwN. Berlit Markenrecht Rn 262. BGH GRUR 2000, 685 (687 f) mwN. BGH GRUR 2000, 685 (687 f) mwN. Berlit Markenrecht Rn 262. Näher dazu Begr. RegE, BT-Drucks. 16/5048, 40 ff. V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 290. BGH GRUR 1977, 491 (494). BGH GRUR 2001, 849 (851). Burgard
Anh. II § 37
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steht und eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens besteht.375 Die Wahrscheinlichkeit braucht nicht hoch zu sein,376 zu ihrer Feststellung ist ein großzügiger Maßstab anzulegen.377 Es genügt, wenn der Eintritt des Schadens zumindest denkbar und möglich erscheint. Es ist dagegen nicht notwendig, dass bereits ein Schaden eingetreten ist.378 Der Anspruch umfasst alle Auskünfte, die der Verletzte zur Bezifferung seines Schadensersatz- bzw. Bereicherungsanspruchs benötigt. Er umfasst insbes. die für alle drei Arten der Schadensberechnung notwendigen sowie die zur Ermittlung des Marktverwirrungsschadens erforderlichen Angaben und Angaben zur Kontrolle der erteilten Auskünfte.379 Nachdem die Erteilung dieser Auskünfte für den Verletzer oft erheblichen Aufwand und die Preisgabe sensibler Daten bedeutet, erhöht ein Auskunftsverlangen nicht selten dessen Vergleichsbereitschaft. Einen speziellen Auskunftsanspruch gibt überdies § 19 MarkenG.
III. § 823 Abs. 1 BGB (i.V.m. § 1004 BGB) 68 Die geschäftlichen Bezeichnungen gem. § 5 Abs. 2 und 3 MarkenG sind Rechte mit Ausschließlichkeitscharakter (s.o. Rn 2) und somit absolute Rechte im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB. Bei der Verletzung eines Kennzeichenrechts gewährt die Norm einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz und in Verbindung mit § 1004 BGB analog einen Anspruch auf Unterlassung.380 Beinhaltet das verletzte Unternehmenskennzeichen einen bürgerlichen Namen, kann zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen, in welchem Fall auch der Ersatz eines immateriellen Schadens (§ 253 BGB) verlangt werden kann (dazu bereits Anh. I zu § 37 Rn 45).
IV. §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 677 BGB 69 Bei einem vorsätzlichen Eingriff in das Kennzeichnungsrecht besteht ferner ein Anspruch wegen angemaßter Eigengeschäftsführung aus §§ 687 Abs. 2 S. 1, 681 S. 2, 677 BGB auf Herausgabe des Verletzergewinns.381
V. §§ 677 ff, 683 BGB 70 Vor Erhebung einer Klage gegen den Verletzer einer geschäftlichen Bezeichnung hat der Verletzte diesen tunlichst abzumahnen. Die Abmahnung ist eine konkrete, inhaltlich auf das verletzte Zeichen und die Verletzungshandlung bezogene Aufforderung an den Verletzer, die Verletzung einzustellen und künftig zu unterlassen sowie für den Fall der Zuwiderhandlung eine konkret festgesetzte oder festzusetzende Strafe zu zahlen (sog. strafbewehrte Unterlassungserklärung). Zudem muss die Abmahnung für den Fall, dass der Verletzer die Unterlas-
375 St. Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 130, 205 (220); BGH GRUR 1974, 735 (736); GRUR 1992, 559; GRUR 2001, 849 (851), jew. mwN. 376 BGH GRUR 1992, 61 (63). 377 BGH NJW 2001, 1431 (1432 f). 378 BGH GRUR 2001, 849 (851). 379 BGH GRUR 1995, 50 (53); näher zu dem Auskunftsanspruch Ströbele/Thiering § 14 Rn 734 ff; v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 290 f. 380 Möller Lizenzen an Unternehmenskennzeichen, 21. 381 BGHZ 145, 366 (374); Fezer § 14 Rn 1052; Prütting/Wegen/Weinreich/Fehrenbacher § 687 BGB Rn 4; MünchKommBGB/Schläfer § 687 Rn 31; Jauernig/Mansel § 687 Rn 8; Staudinger/Fritzsche § 12 BGB Rn 378; Staudinger/ Bergmann § 687 BGB Rn 46. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
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sungserklärung nicht binnen einer bestimmten Frist abgibt, die Einleitung gerichtlicher Schritte androhen. Soll die Abmahnung eine Schadensersatzklage vorbereiten, hat sie darüber hinaus die Aufforderung zu enthalten, die Schadensersatzpflicht dem Grunde nach anzuerkennen und die zur Schadensberechnung erforderlichen Auskünfte zu erteilen.382 Erhebt der Verletzte ohne eine solche vorausgegangene Abmahnung Klage, läuft er Gefahr, trotz Obsiegens in der Hauptsache im Fall der Abgabe eines sofortigen Anerkenntnisses mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden, § 93 ZPO. Abmahnkosten sind diejenigen Kosten, die der Verletzte für die Einschaltung eines Rechts- oder Patentanwalts zum Zweck der außergerichtlichen Streitbeilegung aufwenden muss. Sie sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag zu erstatten, sofern es durch diese zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung kommt.383 Schließt sich ein Rechtsstreit an, sind die Abmahnkosten gebührenrechtlich zum Teil auf die Verfahrensgebühr anzurechnen und werden insoweit über § 91 ZPO ersetzt. Der nicht anzurechnende Teil kann als zusätzlicher Schaden geltend gemacht werden.384
VI. § 18 MarkenG § 18 MarkenG gewährt dem Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung in den Fällen des § 15 71 MarkenG u.U. Vernichtungs- und Rückrufansprüche gegen den Verletzer.
VII. §§ 3, 4, 5, 8, 9 UWG Wettbewerber stehen gem. § 8 UWG Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung sowie gem. 72 § 9 UWG auf Zahlung von Schadensersatz zu, sofern ein wettbewerbswidriges Handeln in Form eines Verstoßes gegen §§ 3–7 UWG vorliegt. In Betracht kommen bei der unbefugten Benutzung von geschäftlichen Bezeichnungen insbes. ein Verstoß gegen § 3 i.V.m. § 4 Nr. 1 (Kennzeichenverunglimpfung), Nr. 3 lit. a) (vermeidbare Herkunftstäuschung) und Nr. 4 (gezielte Mitbewerberbehinderung) sowie gegen § 5 UWG (Irreführung).385
VIII. Konkurrenzen Neben Ansprüchen aus Markenrecht können vorstehende wettbewerbsrechtliche Ansprüche nur 73 gegeben sein, wenn sie sich gegen ein Verhalten richten, das als solches nicht Gegenstand der markenrechtlichen Regelung ist, wenn also nicht die Verletzung des kennzeichenrechtlichen Vorrangs, sondern ein unlauteres Handeln im Vordergrund steht.386 So liegt es insbes. in den Fallgruppen einer gezielten Mitbewerberbehinderung und der Irreführung.387 Zur Subsidiarität namensrechtlicher Ansprüche gem. § 12 BGB s. Anh. I zu § 37 Rn 4 ff.
382 Näher zum Inhalt einer Abmahnung v. Schultz/Schweyer Rn § 14 Rn 292 ff; Ströbele/Hacker § 14 Rn 564 ff; Fezer § 14 Rn 1072 ff; Teplitzky Kap. 41 Rn 9 ff. 383 Vgl. zum Vorstehenden v. Schultz/Schweyer § 14 Rn 288 mwN. 384 V. Schultz/Schweyer § 14 Rn 288. 385 S. zum Verhältnis von UWG und MarkenG Bornkamm GRUR 2005, 97 (100) mwN. 386 BGH NJW 2004, 600 mwN. 387 Köhler/Bornkamm/Feddersen UWG § 5 Rn 0.90 ff, 2.4 ff; Bornkamm GRUR 2005, 97 (101). 505
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H. Weitere Abwehrmöglichkeiten 74 Ein Unterlassungsanspruch kann sich ferner aus § 37 Abs. 2 S. 1 ergeben. Überdies kann der Verletzte die Einleitung eines Firmenmissbrauchsverfahrens nach § 37 Abs. 1 anregen. Näher zu diesen Vorschriften dort. 75 Wird ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen durch eine prioritätsjüngere Marke verletzt, besteht schließlich die Möglichkeit der Erhebung einer Löschungsklage gem. §§ 12, 51, 55 MarkenG.
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§ 37a (1) Auf allen Geschäftsbriefen des Kaufmanns gleichviel welcher Form, die an einen bestimmten Empfänger gerichtet werden, müssen seine Firma, die Bezeichnung nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, der Ort seiner Handelsniederlassung, das Registergericht und die Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist, angegeben werden. (2) Der Angaben nach Absatz 1 bedarf es nicht bei Mitteilungen oder Berichten, die im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung ergehen und für die üblicherweise Vordrucke verwendet werden, in denen lediglich die im Einzelfall erforderlichen besonderen Angaben eingefügt zu werden brauchen. (3) Bestellscheine gelten als Geschäftsbriefe im Sinne des Absatzes 1. Absatz 2 ist auf sie nicht anzuwenden. (4) 1Wer seiner Pflicht nach Absatz 1 nicht nachkommt, ist hierzu von dem Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten. 2§ 14 Satz 2 gilt entsprechend.
Schrifttum Beckschulze Internet-, Intranet- und E-Mail-Einsatz am Arbeitsplatz, DB 2007, 1526; Bohnenkamp Mindestangaben des e.V. auf seinen geschäftlichen Schreiben und E-Mails, NZG 2007, 292; Bredol Angaben auf Geschäftsbriefen bei Handeln Dritter, NZG 2017, 611; Glaus/Gabel Praktische Umsetzung der Anforderungen zu Pflichtangaben in E-Mails, BB 2007, 1744; Hoeren Informationspflichten im Internet, WM 2004, 2461; Hoeren/Pfaff Pflichtangaben im elektronischen Geschäftsverkehr aus juristischer und technischer Sicht, MMR 2007, 207; Lemke Sind Zweigstellen von Rechtsanwaltskanzleien in Briefbögen, E-Mails, Webseiten oder auf Kanzleischildern als solche zu kennzeichnen? BRAKMitt 2008, 146; Leuering/Rubel Pflichtangaben in E-Mails: Der Link ins Internet als Alternative, NJW-Spezial 2008, 47; Maaßen/Orlikowski-Wolf Stellt das Fehlen von Pflichtangaben in Geschäftskorrespondenz einen Wettbewerbsvertoß dar? BB 2007, 561; Meier Der praktische Fall: Versendung von Geschäftspost per E-Mail, GmbHR 2007, 922; Mutter Pflichtangaben auf Geschäftsbriefen auch im E-Mail-Verkehr, GmbHR 2001, 336; Rath/Hausen Viel Lärm um nichts? Pflichtangaben in geschäftlichen E-Mails, K&R 2007, 113; Rössel Telemediengesetz, ITRB 2007, 158; Roth/ Groß Pflichtangaben auf Geschäftsbrief und Bestellschein im Internet, K & R 2002, 127; Schaffland Angabepflichten auf Geschäftsbriefen für die GmbH & Co KG, BB 1980, 1501; Schmittmann/Ahrens Pflichtangaben in E-Mails, DB 2002, 1038; Schweinoch/Böhlke/Richter E-Mails als elektronische Geschäftsbriefe mit Nebenwirkungen, CR 2007, 167; Wild E-Mail-Pflichtangaben, DuD 2007, 374.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Norminhalt
II.
Entstehungsgeschichte
III.
Normzweck
IV.
Rechtspolitische Kritik
V.
Anwendungsbereich
B.
Voraussetzungen, Abs. 1 bis 3
I.
Kaufmann
II.
Geschäftsbrief oder Bestellschein
1 2
3 4
11
1. 2. 3.
Begriff des Geschäftsbriefs i.S.d. Abs. 1 12 Bestimmter Empfänger 13 Bestellschein i.S.d. Abs. 3
III. 1. 2. 3. 4.
Ausnahme von der Angabepflicht nach 14 Abs. 2 15 Mitteilung oder Bericht 16 Üblicherweise in Vordruckform 17 Bestehende Geschäftsverbindung 18 Kein Bestellschein
C.
Rechtsfolge: Angabepflicht
I.
Firma mit Rechtsformzusatz
II.
Ort der Handelsniederlassung
6 19 20
9
507 https://doi.org/10.1515/9783111097510-032
21
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§ 37a
1. Buch. Handelsstand
III.
Registergericht und Nummer
22
IV. 1. 2. 3.
Weitere Angaben 23 Einzelkaufleute 25 Juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 27 Zweigniederlassungen a) Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns mit Hauptniederlassung in Deutsch28 land b) Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns mit Hauptniederlassung im Aus29 land
c)
Zweigniederlassung einer juristischen Person i.S.d. § 33 Abs. 1 mit Sitz im Aus31 land
D.
Durchsetzung
I.
Registerrechtlich, Abs. 4
II.
Zivilrechtlich
III.
Wettbewerbsrechtlich
32
33 34
A. Grundlagen I. Norminhalt 1 Nach § 37a Abs. 1 hat ein Einzelkaufmann auf allen Geschäftsbriefen, wozu nach Abs. 3 auch Bestellscheine gehören, gleichviel welcher Form seine Firma samt Rechtsformzusatz, den Ort seiner Handelsniederlassung sowie das zuständige Registergericht samt der Nummer, unter der seine Firma in das Handelsregister eingetragen ist, anzugeben. Eine Freistellung von dieser Pflicht begründet Abs. 2 bei Verwendung von Vordrucken zu bloßen Informationszwecken im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung. Absatz 4 ermöglicht dem Registergericht die Durchsetzung dieser Pflicht durch Festsetzung von Zwangsgeld. Gem. § 33 Abs. 4 gilt § 37a für juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 entsprechend.
II. Entstehungsgeschichte 2 Die Vorschrift ist durch die Handelsrechtsreform von 19981 neu in das Gesetz aufgenommen worden. Zuvor bestanden bereits entsprechende Regelungen für Kapitalgesellschaften (§ 35a GmbHG, §§ 80, 278 Abs. 3 AktG, 43 SEAG, 188 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 2 VAG), Genossenschaften (§§ 25a GenG, 25 SCEAG), Personengesellschaften ohne natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter (§ 177a a.F.) und die EWiV (Art. 25 EWiVVO). Dabei beruhten die kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungen auf der ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie.2 Anlässlich der Handelsrechtsreform sollte durch die Schaffung von § 37a, die Erweiterung des Anwendungsbereichs von §§ 125a, 177a auf alle Personenhandelsgesellschaften, eine entsprechende Regelung in § 7 Abs. 5 PartGG sowie die Anfügung von § 15b Abs. 1 Satz 2 und 3 GewO (seit 2009 ist § 15b GewO aufgehoben, Rn. 5a) ein einheitlicher Informationsstandard für Geschäftsbriefe hergestellt werden. Erstmals geändert wurde § 37a durch das Gesetz zur Einführung des elektronischen Handelsregisters (EHUG) vom 10.11.20063: Im Rahmen der Umsetzung von Art. 4 der EU-Publizitätsrichtlinie4 wurden in Abs. 1 die Worte „gleichviel welcher Form“ eingefügt. Dabei handelt es sich freilich nur um eine Klarstellung, zumal schon in der Begründung des Regie-
1 BGBl. I 1474, 1475 f. 2 RL 68/151/EWG, geändert durch RL 2003/58/EG, neugefasst durch RL 2009/101/EG, diese aufgehoben und neu kodifiziert durch RL 2017/1132/EU, ABl. 2017 L 169, 46.
3 BGBl. I, 2553. 4 RL 2003/58/EG zur Änderung der RL 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. 2003 L 221, 13. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 37a
rungsentwurfs zum Handelsrechtsreformgesetz zu lesen ist, dass es auf die Form des Geschäftsbriefes (Fax, E-Mail etc.) nicht ankommt.5
III. Normzweck Die Einführung von § 37a wurde im Wesentlichen mit drei Erwägungen begründet:6 Erstens soll 3 die Norm einen Ausgleich dafür schaffen, dass nach neuem Firmenrecht auch Einzelkaufleute Sach- und Phantasiefirmen wählen können. Zwar verdeutlicht bereits die Pflicht zur Führung des Rechtsformzusatzes nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, dass es sich bei dem Unternehmensträger um einen Einzelkaufmann handelt. Die weitergehenden Angaben auf Geschäftsbriefen ermöglichen aber Geschäftspartnern auf einfache Weise auf die Daten des Handelsregisters zuzugreifen und damit insbes. den Einzelkaufmann zu identifizieren. Damit soll die Norm zweitens der Sicherheit des Geschäftsverkehrs dienen. Und drittens bezweckt sie die Schaffung eines einheitlichen Informationsstandards (Rn 2). Geboten ist daher eine einheitliche Auslegung von § 37a und seiner Parallelnormen.7
IV. Rechtspolitische Kritik Rechtspolitisch ist zuvörderst anzumerken, dass das Gesetz entgegen dem Referentenentwurf auf 4 eine Pflicht zur Angabe des Vor- und Familiennamens des Einzelkaufmanns verzichtet hat. Begründet wurde dies damit, dass der Referentenentwurf noch keine Pflicht zur Führung eines Rechtsformzusatzes für Einzelkaufleute enthalten hatte. Mit deren Einführung seien Einzelkaufleute als solche zu erkennen. Damit bestünde kein Grund mehr, Einzelkaufleute zur Namensangabe zu verpflichten, persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft dagegen nicht. Und ein Bedürfnis, stets die Namen der persönlich haftenden, vertretungsberechtigten Gesellschafter anzugeben bestehe – anders als insbes. bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Angabe der Personennamen der Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer vorgeschrieben ist – nicht. Das überzeugt nicht. Warum nämlich bei Personenhandelsgesellschaften das Bedürfnis des Geschäftsverkehrs geringer als bei Kapitalgesellschaften sein soll, auf einen Blick zu erfahren, wer zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft befugt ist, bleibt unerfindlich. Vielmehr besteht auch bei einzelkaufmännischen Unternehmen ein vergleichbares Bedürfnis. Das ist freilich nicht die einzige rechtspolitische Kritik, die man gegen § 37a und seine Paral- 4a lelnormen vortragen kann. Neben der nur punktuellen Regelung der Geschäftsbriefe von Zweigniederlassungen (Rn 27 ff), ist vor allem die unzureichende Abstimmung der diversen, im Gesetz verstreuten ähnlichen Regelungen (insb. §§ 312 Abs. 5 i.V.m. 312d BGB i.V.m. Art. 246a, 246b EGBGB, § 6c GewO i.V.m. § 2 DL-InfoV, § 5 TMG, § 14 Abs. 4 Nr. 1 und 2 UStG, §§ 5, 5a UWG8) zu beklagen. Diese Rechtszersplitterung ist nur zum Teil durch die Eigenart der geregelten Sachverhalte gerechtfertigt und sowohl für die Unternehmer, die den unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden müssen, als auch für den Rechtsverkehr, der sich gleichfalls nicht auf einen einheitlichen Informationsstandard einstellen kann, von Nachteil. Außerdem wurden die zugrunde liegenden Richtlinien teilewise nur unzulänglichen Umsetzung (s. Rn 12, 14). Das gilt auch für § 2 Abs. 1 Nr. 1 DL-InfoV der seinem Wortlaut nach rechtsfähige BGB-Gesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften entgegen Art. 22 Abs. 1 DL-Richtlinie9 nicht erfasst. Insofern kann zwar in richtlichenkonformer Auslegung mit einer analogen Anwendung geholfen wer5 6 7 8 9
Begr. RegE BT-Drucks. 13/8444, 61. Begr. RegE BT-Drucks. 13/8444, 61; siehe auch BeckOK-HGB/Bömeke Rn 1 ff. Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 1. S. zu diesen Vorschritfen etwa BGH – I ZR 180/12, ZIP 2013, 23,29, BGH – I ZR 260/16, BeckRS 2017, 141122. Richtlinie 2006/123/EG.
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§ 37a
1. Buch. Handelsstand
den.10 Das gilt aber nicht für § 707b Nr. 1 BGB n.F. (MoPeG),11 der völlig unverständlicherweise und ohne Begründung anders als § 7 Abs. 5 PartGG nicht auf § 125a verweist. 5 Dringend erforderlich ist also eine einheitliche Grundregelung der Informationspflichten im Geschäftsverkehr, insb auf Geschäftsbriefen (gleich welcher Form, Rn. 11) und an Geschäftslokalen, auf der aufbauend sodann Spezialregelungen für unterschiedliche Geschäftsarten normiert werden können.12 Zu den Pflichtangaben sollte dabei auch die UmsatzsteuerIdentifikationsnummer gehören, durch die alle umsatzsteuerpflichtigen Unternehmensträger, die am Waren- und Dienstleistungsverkehr in der Euroäischen Union teilnehmen, eindeutig gekennzeichnet sind.13
V. Anwendungsbereich 6 Unmittelbar ist § 37a lediglich auf Einzelkaufleute anwendbar. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wort „Kaufmann“, wohl aber aus der Verweisung auf § 19 Abs. 1 Nr. 1, der Begründung des Gesetzes, die lediglich auf Einzelkaufleute abhebt,14 und der gesetzlichen Systematik der spezialgesetzlichen Regelung (Rn 7). Kraft spezialgesetzlicher Verweisung (§ 33 Abs. 4) ist die Vorschrift allerdings auf juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 (näher Rn 25 f) entsprechend anwendbar. 7 Nicht anwendbar ist § 37a auf solche Unternehmen bzw. Unternehmensträger, für die eine eigenständige gesetzliche Regelung getroffen wurde, also insbes. nicht auf Personenhandelsgesellschaften (§§ 125a, 177a), Kapitalgesellschaften (§ 80 AktG, § 35a GmbHG), Genossenschaften (§ 25a GenG), den VVaG (§ 188 Abs. 1 S. 2 VAG, s. ferner § 33 Abs. 2 VAG), Partnerschaftsgesellschaften (§ 7 Abs. 5 PartGG), die EWiV (Art. 25 EWiVVO), SE (§ 43 SEAG) und SCE (Art. 25 SCEAG). Für nicht in das Handelsregister eingetragene Kleingewerbetreibende und kleingewerbliche BGB-Gesellschaften15 galt bisher (Rn 5a) § 15b Abs. 1 GewO, für ausländische juristische Personen, soweit keine anderen Vorschriften (insbes. §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG) eingreifen, § 15b Abs. 2 und 3 GewO. Für Zweigniederlassung einer AG bzw. GmbH mit Sitz im Ausland sind §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG einschlägig. Ebenfalls nicht anwendbar ist § 37a auf solche Rechtsformen, für die es keine einschlägige gesetzliche Regel gibt, da § 37a nicht als Auffangtatbestand konzipiert ist (Rn 6).16 8 Soweit eine gesetzliche Lücke besteht, kommt allerdings je nach Vergleichbarkeit der Sachverhalte entweder eine analoge Anwendung von § 37a oder eine analoge Anwendung einer oder mehrerer der in Rn 7 genannten Vorschriften oder eine Gesamtanalogie zu diesen Vorschriften in Betracht.17 Auch vor dem Hintergrund der §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG, 15b Abs. 2 und 3 GewO a.F. sowie von § 13d ist daher § 37a auf inländische Zweigniederlassungen ausländischer Einzelkaufleute18 (sowie §§ 125a, 177a auf inländische Zweigniederlassungen von Personenhandelsgesellschaften mit Sitz im Ausland19) anzuwenden. Eine analoge Anwendung von § 37a auf Freiberufler kommt dagegen nicht in Betracht.20 Für sie gelten lediglich ggf. berufsständische Regelungen (z.B. § 10 BORA), die allerdings nur beschränkt vergleichbar sind. 10 Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG 39. Auflage 2021, § 2 DL-InfoV Rn. 7. 11 Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz – MoPeG), BGBl. 2021 I, 3436. 12 Ähnlich MünchKommHGB/Krebs Rn 3. 13 Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 3. 14 Begr. RegE BT-Drucks. 13/8444, 61. 15 Zwernemann BB 1987, 774 (775) mwN. 16 Zutr. MünchKommHGB/Krebs Rn 4; aA Roth Das neue Firmenrecht, in Lieb (Hrsg.), Die Reform des Handelsstandes und die Personengesellschaften 1999, 40; Hopt/Merkt Rn 2. 17 Demgegenüber plädiert MünchKommHGB/Krebs Rn 4 durchweg für eine Gesamtanalogie. 18 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8; Hopt/Merkt Rn 2; MünchKommHGB/Krebs Rn 4. 19 Hopt/Merkt § 125a Rn 2. 20 Hopt/Merkt Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; aA MünchKommHGB/Krebs Rn 4. Burgard
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§ 37a
B. Voraussetzungen, Abs. 1 bis 3 I. Kaufmann Mit dem Begriff „Kaufmann“ meint § 37a Abs. 1 nur Einzelkaufleute (Rn 6). Dabei kommt 9 es bei Istkaufleuten, die die Voraussetzungen des § 1 erfüllen, nicht darauf an, ob sie bereits in das Handelsregister eingetragen sind oder nicht.21 Zwar verlangt Abs. 1 die Angabe des Rechtsformzusatzes nach § 19 Abs. 1 Nr. 1. Diesen haben Istkaufleute aber selbst dann zu führen, wenn sie noch nicht eingetragen sind (§ 19 Rn 8). Das ist auch deswegen unschädlich, weil die fehlende Eintragung auf Geschäftsbriefen dadurch deutlich wird, dass keine Registernummer angegeben werden kann. Überdies mussten nicht eingetragene Einzelkaufleute bisher gem. § 15b Abs. 1 S. 1 GewO a.F. ihren Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen angeben.22 Bei Kleingewerbetreibenden kommt es hingegen für die Anwendbarkeit von § 37a auf die Bewirkung einer Eintragung nach § 2 an, weil sie erst dadurch zu Kaufleuten werden. Ohne Eintragung unterlagen sie der Angabepflicht nach § 15b Abs. 1 GewO a.F., s. dazu Rn 5a. Kraft gesetzlicher Verweisung (§ 33 Abs. 4) ist § 37a zudem entsprechend auf juristische 10 Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 anwendbar, zudem analog auf inländische Zweigniederlassungen ausländischer Einzelkaufleute (Rn 8). Auch in diesen beiden Fällen kommt es für die Angabepflicht nicht auf eine Eintragung an.23
II. Geschäftsbrief oder Bestellschein 1. Begriff des Geschäftsbriefs i.S.d. Abs. 1 Geschäftsbriefe sind alle Arten von schriftlichen Übersendungen zu geschäftlichen Zwecken. Nicht 11 erfasst sind daher mündliche Mitteilungen wie z.B. Telefonate.24 Auf die Form25 des Schreibens, seine Übermittlungsart oder seine Verkörperung26 (Postkarte,27 Fax, E-Mail bzw. Newsletter,28 Formular,29 Telegramm, Fernschreiben, SMS30 etc.) kommt es dagegen nicht an, wie Abs. 1 nunmehr aus21 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 4; vgl. Zimmer ZIP 1998, 2050 (2052). 22 MünchKommHGB/Krebs Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 7; W. H. Roth in Lieb, Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaft 1999, 39 f. 23 Zu inländischen Zweigniederlassungen ausländischer Einzelkaufleute MünchKommHGB/Krebs Rn 4; Hopt/ Merkt Rn 2. 24 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Hopt/Merkt Rn 4, Hopt/Roth § 125a Rn 7; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4; K. Schmidt/Lutter/Seibt AktG § 80 Rn 8; GroßKommAktG/Habersack/Foerster § 80 Rn 5; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 15. 25 OVG Münster – 4 A 489/14, NVwZ-RR 2017, 870 (872). 26 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 6; Michalski/Heidinger/ Leible/J. Schmidt/Lenz GmbHG § 35a Rn 7 f; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 19; Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 2. 27 Baumbach/Hopt Rn 4; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lenz GmbHG § 35a Rn 8; Baumbach/Hueck/ Noack GmbHG § 35a Rn 19; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6; KölnKomm/Mertens/Cahn AktG § 80 Rn 15. 28 LG Baden-Baden – 5 O 100/11 KfH, NJOZ 2012, 1168 (1169). 29 Insoweit unstreitig MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6; s.a. zu Internetformularen Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; zu beachten sind jedoch die Ausnahmen des § 37a Abs. 2, § 125a Abs. 2; vgl. § 35a Abs. 2 GmbHG, § 80 Abs. 2 AktG. 30 Insoweit aA Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4, 6; Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 2; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 5; zweifelnd Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 11; wie hier Baumbach/Hueck/Beurskens GmbHG § 35a Rn 8; Maaßen/Orlikowski-Wolf BB 2007, 561. 511
Burgard
§ 37a
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drücklich klarstellt (Rn 2).31 Auch der Inhalt ist grundsätzlich unerheblich. Es kann sich also auch um eine Mitteilung oder einen Bericht i.S.d. Abs. 2 oder eine Werbesendung handeln, selbst wenn das Informationsbedürfnis des Empfängers im Einzelfall zweifelhaft sein mag.32 Auch Schecks und Wechsel sind erfasst.33 Die Norm gilt für „alle“ Geschäftsbriefe, also auch dann, wenn der Empfänger infolge vorangegangener Geschäftsbriefe die nach Abs. 1 erforderlichen Angaben bereits kennt und sich seither auch nichts geändert hat.34 Der Inhalt der Mitteilung muss allerdings geschäftlicher, also nicht bloß privater Natur (z.B. Glückwünsche oder Kondolenzschreiben) sein.35 Ausgeklammert sind ferner unternehmensinterne Mitteilungen an Mitarbeiter,36 Zweigniederlassungen,37 betriebsverfassungsrechtliche Organe38 sowie an Mitglieder, soweit die Mitteilung lediglich das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis betrifft,39 und andere Gesellschaftsorgane.40 Anders ist dies jedoch, wenn der Brief nicht bloß interne Angelegenheiten des Unternehmens oder der juristischen Person beinhaltet, sondern auf eine rechtsgeschäftliche Drittbeziehung zielt.41 Insbes. Schreiben an Mitarbeiter, welche die Begründung, Abänderung oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Inhalt haben, fallen daher unter Abs. 1,42 ebenso Bestellscheine i.S.d. Abs. 3. Erfasst werden ferner Geschäftsbriefe an Tochtergesellschaften,43 da diese rechtlich selbständig sind und daher nicht zur unternehmensinternen Sphäre gehören. Diese Grundsätze gelten auch für juristische Personen i.S.d. § 33. Insbes. bei Idealvereinen und Stiftungen ist dabei zu beachten, dass nicht zwischen einer gewerblichen und ideellen Sphäre zu trennen ist, vgl. § 33 Rn 13. Daher sind bspw. auch Spendenaufrufe als Geschäftsbriefe zu qualifizieren.44
31 Vgl. Begr. RegE BT-Drucks. 13/3844, 61: „neben Rechnungen und Quittungen auch Telegramme und Fernschreiben, Telebrief und Telefax, aber auch Mitteilungen per E-mail im Internet“. 32 MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Hopt/Merkt Rn 4; KölnKomm/Mertens/Cahn AktG § 80 Rn 16; Schmidt/Lutter/ Seibt AktG § 80 Rn 8. 33 Str., wie hier LG Detmold GmbHR 1991, 23; MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 5; aA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10; Baumbach/Hueck/ Noack GmbHG § 35a Rn 18; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 2; Michalski/Heidinger/Leible/Lenz GmbHG § 35a Rn 9. 34 MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 10; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4; aA Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 3. 35 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 7; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4; Baumbach/Hueck/Beurskens GmbHG § 35a Rn 4; Henssler/Strohn/Oetker § 35a GmbHG Rn 15. 36 MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Lutter/Hommelhoff/ Kleindiek GmbHG § 35a Rn 2; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5, der hinsichtlich der Mitarbeiter nicht zwischen unternehmensinternen und -externen Mitteilungen unterscheidet. 37 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 8; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 2; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6. 38 MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 14; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 8. 39 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5; Scholz/U.H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4, 8; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 2; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 5; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 21; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6. 40 BGH NJW-RR 1997, 669 (zu § 35a GmbHG); Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 21. 41 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5; Henssler/Strohn/Oetker § 35a GmbHG Rn 18. 42 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 10, 14; Hopt/Merkt Rn 4; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 4; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 2; Heymann/Förster HGB Rn 6; aA BeckOK GmbHG/ Schindler Rn 14; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lenz GmbHG § 35a Rn 5. 43 Hopt/Merkt Rn 4; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 5; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 8; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 6; Henssler/Strohn/Oetker § 35a GmbHG Rn 19; aA Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lenz GmbHG § 35a Rn 5. 44 Zutr. Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294). Burgard
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2. Bestimmter Empfänger Der Geschäftsbrief muss nach Abs. 1 – anders als Bestellscheine i.S.d. Abs. 3 (Rn 13) – an einen 12 bestimmten Empfänger gerichtet sein. Diese Einschränkung ist den Vorgängernormen (Rn 2) von § 37a entnommen. Sie ist bei Kapitalgesellschaften europarechtlich problematisch, da eine solche Einschränkung in Art. 26 der zugrunde liegenden Gesellschaftsrechts-Richtlinie 2017/1132/ EU45 nicht enthalten ist.46 Verlautbarungen an unbestimmte Empfänger wie z.B. Flugblätter, Postwurfsendungen, Aushänge oder Zeitungsannoncen fallen nicht hierunter, auch wenn im Einzelfall (z.B. Werbung mit konkreten Angeboten) ein Informationsbedürfnis bestehen mag.47 Bei bestehendem Informationsbedürfnis muss der Kaufmann aber wenigstens der Firmenführungspflicht genügen (s. § 37 Rn 12 f). Außerdem können spezielle Gesetze eingreifen (vgl. Rn 5). Maßgeblich ist die Adressierung an einen bestimmbaren Empfänger. Erfasst werden daher auch Massendrucksachen mit einer individualisierten Adressierung.48 Der Aufenthalt des Empfängers ist unerheblich. Erfasst werden daher auch Geschäftsbriefe ins Ausland.49
3. Bestellschein i.S.d. Abs. 3 Bestellscheine sind Formulare, die von dem Empfänger ausgefüllt werden und Grundlage einer 13 rechtsverbindlichen Bestellung (Angebot oder Annahme i.S.d. §§ 145 ff BGB) durch den Empfänger sind. Wegen § 37a Abs. 2 könnte zweifelhaft sein, ob solche Formulare die von Abs. 1 der Vorschrift geforderten Angaben enthalten müssen. Artikel 26 Richtlinie 2017/1132/EU50 fordert dies für Kapitalgesellschaften jedoch ausdrücklich. Zur Gewährleistung eines einheitlichen Informationsstandards wurde diese Regelung in § 37a übernommen. Das ist auch sachlich gerechtfertigt, weil wegen des rechtsgeschäftlichen Zwecks von Bestellscheinen ein besonderes Informationsbedürfnis besteht. Anders als Geschäftsbriefe i.S.d. Abs. 1 müssen Bestellscheine i.S.d. Abs. 3 nicht an einen konkreten Empfänger gerichtet sein.51 Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift insofern nicht eindeutig (einerseits enthält die Vorschrift dieses Tatbestandsmerkmal nicht, andererseits werden Bestellscheine als Geschäftsbriefe i.S.d. Abs. 1 fingiert). Diese Auslegung ist jedoch sowohl wegen des besonderen Informationsbedürfnisses als auch im Blick auf Art. 26 Richtlinie 2017/1132/EU geboten, der (auch) bei Bestellscheinen nicht verlangt, dass sie an einen bestimmten Empfänger gerichtet sind. Zudem ergibt sich aus Art. 26 Richtlinie 2017/ 1132/EU, dass die Form eines Bestellscheins ebenfalls unerheblich ist. Daher sind Bestellmasken im Internet ebenfalls Bestellscheine i.S.d. Abs. 3.52
III. Ausnahme von der Angabepflicht nach Abs. 2 Eine Ausnahme von der Angabepflicht auf Geschäftsbriefen enthält § 37a Abs. 2. Sie soll in Fäl- 14 len eines geringen Informationsbedürfnisses den Aufwand verringern und die Übersichtlichkeit 45 Fn 2, 4. 46 MünchKommHGB/Krebs Rn 5. 47 Hopt/Merkt Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Baumbach/Hueck/Noack § 35a GmbHG Rn 22; Scholz/U.H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 7; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 3; Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 2; BeckOK-HGB/ Bömeke Rn 12. 48 Hopt/Merkt Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 7. 49 MünchKommHGB/Krebs Rn 5. 50 S.o. Fn 2, 4. 51 AA GKzHGB/Steitz Rn 3. 52 MünchKommHGB/Krebs Rn 11; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 13; GKzHGB/Steitz Rn 3; Roth/Groß K & R 2002, 127 (128 f); MünchKommHGB/K. Schmidt § 125a Rn 5. 513
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von Formularen erhöhen.53 Diese Ausnahme ist bei Kapitalgesellschaften europarechtlich bedenklich, weil sie in Art. 26 Richtlinie 2017/1132/EU54 nicht enthalten ist.55 Im Blick hierauf und auf die gebotene einheitliche Auslegung von § 37a und seiner Parallelnormen (Rn 3 aE) ist Abs. 2 eng auszulegen, zumal die Größe des Informationsbedürfnisses vom Einzelfall abhängt, der Aufwand, der Angabepflicht zu genügen, gering ist und die Übersichtlichkeit von Formularen zu wahren, nicht Aufgabe des Rechts, sondern des Designs ist. Damit die Ausnahme eingreift, müssen folgende vier Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
1. Mitteilung oder Bericht 15 Der Geschäftsbrief darf nur eine bloße Mitteilung oder einen Bericht enthalten, d.h. bloßen Informationscharakter haben.56 Hierher gehören bspw. Lieferscheine, Versandanzeigen, Abholbenachrichtigungen usw. Rechtsgeschäftliche Erklärungen (z.B. Vertragsangebot oder -annahme, Kündigung) fallen dagegen nicht unter den Ausnahmetatbestand.57 Auch das ist unstreitig. Streitig ist jedoch die Abgrenzung im Einzelnen. So sollen Rechnungen und Mahnungen trotz ihrer Rechtswirkungen ebenfalls unter Abs. 2 fallen.58 Dem ist auch im Blick auf die gebotene enge Auslegung (Rn 14) zu widersprechen.59 Immer schon dann, wenn ein Geschäftsbrief Rechtswirkungen herbeiführt, auf Rechtswirkungen zielt oder Rechtswirkungen bei Hinzutreten weiterer Umstände entfalten kann, handelt es sich nicht um eine bloße Mitteilung. Das ergibt sich auch daraus, dass selbst Bestellscheine der Angabepflicht unterfallen (Rn 13, 18), obwohl sie selbst keinerlei Rechtswirkungen entfalten, sondern Rechtswirkungen erst dann herbeigeführt werden, wenn der Empfänger den Bestellschein ausfüllt, absendet und dieser schließlich dem Einzelkaufmann zugeht. Selbst Abholbenachrichtigungen können daher von dem Anwendungsbereich des Abs. 2 ausgenommen sein, wenn nämlich zuvor vereinbart wurde, dass bei Nichtabholung binnen einer gewissen Frist bestimmte Rechtsfolgen eintreten.
2. Üblicherweise in Vordruckform 16 Mit Vordrucken sind Formulare gemeint, die in einer Vielzahl gleichartiger Fälle verwendet werden und nur insoweit auf den konkreten Empfänger zugeschnittene Information enthalten, als sie von dem Absender ausgefüllt werden (z.B. über den Gegenstand der Lieferung oder Leistung, den Liefertermin oder den Preis).60 Das Kriterium der Üblichkeit ist als Branchenüblichkeit zu verstehen und soll eine eigenmächtige Ausdehnung des Ausnahmetatbestands verhindern.61 Wer also unüblicherweise einen Vordruck verwendet, wird nicht privilegiert. Ebenso wenig wird freilich privilegiert, wer statt ein übliches Formular zu verwenden einen individuellen Ge53 54 55 56
MünchKommHGB/Krebs Rn 10. S.o. Fn 2, 4. MünchKommHGB/Krebs Rn 10; vgl. Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 6. MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 9. 57 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 9; MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Ries Rn 20. 58 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 24; Scholz/U.H. Schneider/ S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 18; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 5; KölnKomm-AktG/Mertens/Cahn § 80 Rn 18; Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 5; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 16. 59 MünchKommHGB/Krebs Rn 10. 60 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Baumbach/Hopt/Merkt Rn 5; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 18; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 3. 61 MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 5; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 12; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 24. Burgard
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schäftsbrief schreibt, da dann die Rechtfertigungsgründe für die Pflichtenreduzierung nicht gegeben sind und der Absender damit gleichsam auf sie verzichtet hat.62
3. Bestehende Geschäftsverbindung Schließlich setzt der Ausnahmetatbestand des Abs. 2 voraus, dass bereits eine Geschäftsbezie- 17 hung zwischen dem Einzelkaufmann und dem Empfänger der vorgedruckten Mitteilung besteht. Dabei muss es sich nicht um eine ständige oder auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung handeln.63 Ausreichend ist ein geschäftlicher Kontakt.64 Erforderlich ist dreierlei, nämlich erstens, dass der Einzelkaufmann die Pflichtangaben gegenüber dem Empfänger bereits gemacht hat, dies zweitens zeitlich nicht allzu lange zurückliegt (nicht mehr als ein Jahr) und sich die Angaben drittens seither nicht verändert haben.65
4. Kein Bestellschein Selbst wenn die vorstehenden Voraussetzungen (Rn 15–17) erfüllt sind, besteht gem. § 37a Abs. 3 18 S. 2 keine Ausnahme von der Angabepflicht, wenn es sich bei der Mitteilung um einen Bestellschein (Rn 13) handelt.
C. Rechtsfolge: Angabepflicht Sind die Voraussetzungen des § 37a Abs. 1 und 3 erfüllt und liegt keine Ausnahme nach Abs. 2 19 vor, so hat ein Einzelkaufmann auf Geschäftsbriefen und Bestellscheinen folgende Pflichtangaben zu machen:66
I. Firma mit Rechtsformzusatz Erforderlich ist die Angabe der vollständigen Firma des Einzelkaufmanns einschließlich des 20 Rechtsformzusatzes nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 (dazu § 19 Rn 6 ff). Die Verwendung einer Firmenkurzform allein ist nicht zulässig (s. auch Rn 24). Zur Firmierung juristischer Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 und den von ihnen zu verwendenden Rechtsformzusätzen s. dort Rn 21 ff. Zur Angabe einer ggf. abweichenden Zweigniederlassungsfirma Rn 27 ff.
62 MünchKommHGB/Krebs Rn 10. 63 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 9; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 23; K. Schmidt/Lutter/Seibt AktG § 80 Rn 9 betont, dass keine Voraussetzung das vorherige Zustandekommen eines Rechtsgeschäftes ist; so auch MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 21. 64 GKzHGB/Steitz Rn 4; vgl. Hüffer/Koch AktG § 80 Rn 5, der eine einmalige Verwendung eines Geschäftsbriefs in Vordruckform für ausreichend hält; ebenso Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 23; sowie KölnKomm-AktG/Mertens/Cahn § 80 Rn 17. 65 Methodisch zu Unrecht kritisch MünchKommHGB/Krebs Rn 10; BeckOK-HGB/Bömeke Rn 15, wonach die einjährige Frist willkürlich gegriffen sei; vgl. zu diesen Vorgaben Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 20; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 13; aA hinsichtlich der zeitlichen Nähe Hopt/Merkt Rn 5 sowie MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves § 35a Rn 38; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 21 mwN; hinsichtlich der Notwendigkeit vorheriger Korrespondenz K. Schmidt/Lutter/Seibt AktG § 80 Rn 9 mwN. 66 Zur Frage, ob der Angabepflicht bei E-Mails eine Verlinkung genügt wird: bejahend Leuering/Rubel NJW-Spezial 2008, 4; Glaus/Gabel BB 2001, 1744 (1746 f); dagegen zutr. verneinend Hoeren/Pfaff MMR 2007, 207 (208 f); Wild DuD 2007, 374. 515
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II. Ort der Handelsniederlassung 21 Anzugeben ist ferner der Ort der Handelsniederlassung des Einzelkaufmanns (also z.B. Frankfurt). Die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift (§§ 29, 31, § 15b Abs. 1 S. 1 GewO a.F., § 5 Abs. 1 Nr. 1 TMG) ist hingegen bedauerlicherweise bisher (Rn 5a) nicht erforderlich.67 Ort der Handelsniederlassung meint bei Einzelkaufleuten den Ort der Hauptniederlassung (§ 29 Rn 10). Das ist der Ort, an dem auf Dauer die Geschäftsleitung als der Schwerpunkt unternehmerischer Tätigkeit eingerichtet ist. Bei juristischen Personen i.S.d. § 33 ist dagegen der satzungsmäßige Sitz anzugeben.68 Das gilt nur dann nicht, wenn der Satzungssitz und der Ort der Niederlassung auseinander fallen (§ 33 Rn 28); dann ist der Ort der Hauptniederlassung anzugeben. Die Angabe des Ortes bei der Angabe des Datums des Geschäftsbriefes reicht nicht aus.69
III. Registergericht und Nummer 22 Anzugeben ist ferner das zuständige Registergericht und die Nummer, unter der die Firma in das Handelsregister eingetragen ist. Nach § 13 in der Fassung des EHUG70 ist das Gericht der Hauptniederlassung nunmehr auch für Zweigniederlassungen zuständig.71 Hinsichtlich der Angabe des Registergerichts und der Nummer sind übliche Abkürzungen (also z.B. „AG Frankfurt a.M. HRA 123“) zulässig.
IV. Weitere Angaben 1. Einzelkaufleute 23 Wenn ein Istkaufmann (noch) nicht in das Handelsregister eingetragen ist, kann er keine Registernummer angeben. Stattdessen hatte er bisher gem. § 15b Abs. 1 S. 1 GewO a.F. seinen Familiennamen mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben, s. Rn 5a.72 24 Weitere Angaben können, müssen aber von Gesetzes wegen nicht auf Geschäftsbriefen gemacht werden.73 Insbes. muss der bürgerliche Name des Einzelkaufmanns nicht angegeben werden, wenn er seiner Eintragungspflicht (§ 29) genügt hat (Rn 4, 9). Soweit fakultative Angaben gemacht werden, dürfen sie die Pflichtangaben weder verdrängen noch ihren Informationsgehalt beeinträchtigen. Wird neben der Firma ein Firmenschlagwort oder eine Firmenabkürzung verwendet, darf die Gestaltung des Geschäftsbriefs daher keinen Zweifel daran aufkommen lassen, was die Firma im Rechtssinne ist,74 usw.
67 AA offenbar Wild DuD 2007, 374 (379). 68 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 69 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 11; BeckOK GmbHG/Schindler § 35a Rn 23; Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 8; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 6; aA Kreplin BB 1969, 1113. 70 BGBl. I 2553, 2555 f. 71 Aus diesem Grunde wurden zum 1.1.2007 beim Gericht der Zweigniederlassung die für diese geführten Registerblätter mit einem entsprechenden Vermerk von Amts wegen geschlossen und zugleich beim Gericht der Hauptniederlassung oder des Sitzes der Verweis auf die Eintragung beim Gericht am Ort der Zweigniederlassung von Amts wegen gelöscht, BGBl. I 2553, 2562 f. 72 MünchKommHGB/Krebs Rn 9; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 7; so schon W. H. Roth in Lieb (Hrsg.), Die Reform des Handelsstandes und der Personengesellschaft, 1999, 39 f mit Vorschlägen. 73 Zu möglichen fakultativen Angaben s. etwa Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 16. 74 Vgl. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 15. Burgard
516
Dritter Abschnitt. Handelsfirma
§ 37a
2. Juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 Auch bei juristischen Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 sind nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 33 25 Abs. 4) lediglich die nach § 37a Abs. 1 (Rn 20–22) erforderlichen Angaben vorgeschrieben. Insbes. ist anders als nach §§ 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 AktG, 35a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 GmbHG, 25a GenG, 188 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 2 VAG, 43 SEAG, 25 SCEAG, 15b Abs. 2 und 3 GewO a.F. für Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und ausländische juristische Personen die Angabe der Namen der Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer bzw. gesetzlichen Vertreter nicht vorgesehen. Dieses Fehl ist nicht sachgerecht. Insbes. kann es nicht mit der – vorgeblichen (§ 33 Rn 3) – Gleichstellung von juristischen Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 und Einzelkaufleuten gerechtfertigt werden. Vielmehr wollte das ERJuKoG ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Änderung von § 33 Abs. 2 hinsichtlich der Anmeldung und Eintragung der Vertretungsmacht von Vorstandsmitgliedern (u.a.) eine Angleichung an die Rechtslage bei Kapitalgesellschaften und mit der Anfügung von § 33 Abs. 4 eine Lücke schließen.75 Dieser Gesetzeszweck wurde jedoch durch den (bloßen) Verweis auf § 37a nur unvollkommen erreicht, ohne dass Anhaltspunkte für eine bewusste Lücke vorliegen. Angesichts der Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist daher in Gesamtanalogie zu den vorgenannten Vorschriften zu fordern, dass juristische Personen i.S.d. § 33 Abs. 1 auf Geschäftsbriefen auch die Mitglieder des Vorstands im Sinne dieser Vorschrift (§ 33 Rn 19) mit ihrem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben haben.76 Daneben u.U. bestellte Geschäftsführer sind dagegen, wenn sie nicht Mitglied des Vorstands sind, nicht anzugeben.77 Ist der Vorstand in der Satzung anders bezeichnet (z.B. als „Direktorium“) ist der Klarheit halber bspw. zu formulieren: „Direktorium (Vorstand i.S.d. Gesetzes): Ansgar Albrecht (Vorsitzender), Bernd Bunde, Carl Carsten“. Zudem ist entsprechend §§ 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 AktG, 35a Abs. 1 S. 1, Abs. 4 GmbHG, 25a 26 GenG, 188 Abs. 1 S. 2, 33 Abs. 2 VAG, 43 Abs. 1 SEAG, 25 SCEAG, wenn die juristische Person einen Aufsichtsrat und dieser einen Vorsitzenden hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben.78 Aufsichtsrat im Sinne der vorgenannten Vorschriften ist ein (von der Mitgliedergesamtheit bzw. – wie zumeist ungenau formuliert wird – der „Mitgliederversammlung“ verschiedenes) Organ, dem zumindest die Überwachung und Beratung des Vorstands als Aufgabe zugewiesen ist.79 Trägt dieses Organ eine andere Bezeichnung (z.B. Kuratorium oder Verwaltungsrat), so sind wiederum (Rn 25 a.E.) beide Bezeichnungen anzugeben (also z.B. „Vorsitzender des Kuratoriums (Aufsichtsrat i.S.d. Gesetzes): Dieter Dorn“).
3. Zweigniederlassungen Welche möglicherweise abweichenden oder zusätzlichen Angaben in Geschäftsbriefen zu ma- 27 chen sind, die von einer Zweigniederlassung ausgehen, ist in § 37a nicht geregelt und wird unterschiedlich beurteilt.
a) Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns mit Hauptniederlassung in Deutsch- 28 land. Nachdem § 37a keine besondere Regelung im Blick auf Geschäftsbriefe von Zweigniederlassungen enthält, liegt der Schluss nahe, dass keine Besonderheiten gelten, also lediglich die 75 76 77 78 79
BT-Drucks. 14/6855. Ebenso Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294). Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294). Ebenso Bohnenkamp NZG 2007, 292 (294). Burgard in Krieger/U. H. Schneider (Hrsg.), Handbuch Managerhaftung, 3. Aufl 2017, § 6 Rn 100; Scholz/U. H. Schneider GmbHG § 52 Rn 52 mwN.
517
Burgard
§ 37a
1. Buch. Handelsstand
in Rn 20–22 genannten Angaben zu machen sind. Meinungsstand: Das entspricht der wohl allgemeinen Meinung im Kapitalgesellschaftsrecht, die zur Begründung auch auf § 17 ZPO verweist.80 Demgegenüber verlangt die herrschende Meinung zu § 37a, dass Zweigniederlassungen ihre ggf. von der Hauptniederlassung abweichende Firma81 und den Ort der Zweigniederlassung82 anzugeben haben. Begründet wird dies u.a. mit § 21 ZPO. Die Angabe der Firma und des Ortes der Hauptniederlassung sei daneben fakultativ möglich. Schließlich halten manche in den Fällen der §§ 37a, 125a die Angabe beider Orte (und daher ggf. wohl auch beider Firmen) für verpflichtend.83 Stellungnahme: Dieser zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen. Einerseits genügen die Angaben über die Zweigniederlassung alleine schon wegen des Wortlauts von § 37a Abs. 1 nicht. Die Angaben des Unternehmensträgers dürfen nicht unterschlagen werden. Andererseits bedarf es der Angaben über die Zweigniederlassung im Interesse des Rechtsverkehrs wegen ihrer organisatorischen Selbständigkeit (u.U. eigene Firma [vgl. Vor § 17 Rn 44 ff], eigener Ort, eigene Vertretungsverhältnisse [§§ 50 Abs. 3, 126 Abs. 3], zusätzlicher Gerichtsstand [§ 21 ZPO] und früher auch eigenes Registergericht [§ 13 a.F.]). Gestützt wird diese Ansicht nunmehr auch durch §§ 35a Abs. 4 GmbHG, 80 Abs. 4 AktG in der Neufassung des MoMiG.84
29 b) Zweigniederlassung eines Einzelkaufmanns mit Hauptniederlassung im Ausland. Meinungsstand: Bei der Zweigniederlassung eines ausländischen Einzelkaufmannes waren nach bislang herrschender Meinung zu § 37a (analog) allein die die Zweigniederlassung betreffenden Angaben erforderlich, weil die Hauptniederlassung nicht in ein deutsches Handelsregister eingetragen und daher die Zweigniederlassung die deutsche Hauptniederlassung sei.85 Nach herrschender Meinung zu §§ 35a Abs. 4 GmbHG, 80 Abs. 4 AktG waren dagegen die nach Abs. 1 bis 3 dieser Vorschriften erforderlichen Angaben nicht nur hinsichtlich der deutschen Zweigniederlassung, sondern auch hinsichtlich der im Ausland belegenen Gesellschaft zu machen.86 Dies stellt die Neufassung dieser Vorschriften durch das MoMiG nunmehr im Interesse der Transparenz und des Gläubigerschutzes87 ausdrücklich klar. Im Interesse eines einheitlichen Informationsstandards, den das Handelsrechtsreformgesetz angestrebt hat (Rn 2) und das MoMiG gewiss nicht aufgeben wollte, ist daher auch im Rahmen des § 37a (analog) von einer doppelten Angabepflicht auszugehen. Dafür sprechen auch die Erwägungen der Rn 28. 30 Neben den Angaben über die deutsche Zweigniederlassung (Firma mit Rechtsformzusatz, Ort, Registergericht, Registernummer) sind daher folgende Angaben in deutscher Sprache88 zu machen, soweit das ausländische Recht zu keinen Abweichungen nötigt: – Die vollständige ausländische Firma des Einzelkaufmanns einschließlich des Rechtsformzusatzes. Firma und Rechtsformzusatz89 sind nicht zu übersetzen, wohl aber in lateinischen Buchstaben wiederzugeben. Sieht das ausländische Recht keinen Rechtsformzusatz 80 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 11 mwN; K. Schmidt/Lutter/Seibt AktG § 80 Rn 2; Hüffer/ Koch AktG § 80 Rn 3; KölnKomm-AktG/Mertens/Cahn § 80 Rn 4 f; GroßKommAktG/Habersack/Foerster § 80 Rn 9; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 9. 81 Hopt/Merkt Rn 3; MünchKommHGB/Krebs Rn 7. 82 MünchKommHGB/Krebs Rn 7; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 16. 83 Hopt/Merkt Rn 3, § 125a Rn 5. 84 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008, BGBl. I, 2026, 2029, 2035, und dazu Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 43. 85 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 8. 86 Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 24 ff; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 6; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Lenz GmbHG § 35a Rn 15; K. Schmidt/Lutter/Seibt AktG § 80 Rn 6. 87 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 43, 49; so auch Scholz/U.H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 24. 88 Begr. RegE BT-Drucks. 16/6140, 43. 89 LG Göttingen ZIP 2005, 2019 (zur private limited company); Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 27; Michalski/Heidinger/Leible/Lenz GmbHG § 35a Rn 15; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 6; MünchKommAktG/ Spindler § 80 Rn 26. Burgard
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Dritter Abschnitt. Handelsfirma
– –
§ 37a
vor, ist auch kein Rechtsformzusatz anzugeben, und zwar auch nicht der nach § 19 Abs. 1 Nr. 1, da dies vor dem Hintergrund des ausländischen Rechts irreführend sein könnte. Zulässig sind aber in jedem Fall erläuternde Klammerzusätze (z.B. Einzelkaufmann niederländischen Rechts für den Eenmanszaak, gem. Art. 3 Handelsregisterwet 1996). Der Ort der ausländischen Hauptniederlassung. Das Registergericht und die Nummer des Registereintrags. Wird das Register nicht von einem Gericht, sondern einer anderen Institution geführt, so ist diese anzugeben. Ist der Einzelkaufmann nach ausländischem Recht nicht einzutragen, sind diese Angaben nicht zu machen.
c) Zweigniederlassung einer juristischen Person i.S.d. § 33 Abs. 1 mit Sitz im Ausland. 31 Für die Anmeldung und Eintragung einer juristischen Person i.S.d. § 33 Abs. 1 mit Sitz im Ausland gelten die §§ 13d ff (§ 33 Rn 5 f). Für Geschäftsbriefe der Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland sind die §§ 80 Abs. 4 AktG, 35a Abs. 4 GmbHG leges speciales. Für Geschäftsbriefe der Zweigniederlassung einer anderen juristischen Person mit Sitz im Ausland bleibt es hingegen bei der Anwendung des § 33 Abs. 4 i.V.m. § 37a, soweit das ausländische Recht nicht zu Abweichungen nötigt (vgl. Rn 30). Entsprechend den vorstehenden Erwägungen (Rn 28 ff) sind die danach erforderlichen Angaben (also insbes. Firma mit Rechtsformzusatz, Ort, Registergericht, Registernummer) sowohl für die ausländische juristische Person als auch für die deutsche Zweigniederlassung zu machen. Darüber hinaus fand bisher § 15b Abs. 2 GewO a.F. Anwendung; denn § 15b GewO a.F. enthielt keine abschließende, sondern wie (u.a.) im Blick auf nicht eingetragene Istkaufleute (vgl. Rn 23) anerkannt war, eine die handelsrechtlichen Vorschriften ergänzende Regelung.90 Danach waren neben dem Ort auch der Staat des satzungsmäßigen Sitzes der ausländischen juristischen Person und ihre ladungsfähige Anschrift anzugeben. Klargestellt (Rn 25) wurde ferner, dass die gesetzlichen Vertreter der juristischen Person mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen anzugeben sind. Besteht ein Aufsichtsrat mit Vorsitzenden, ist auch dessen Name anzugeben (Rn 26).
D. Durchsetzung I. Registerrechtlich, Abs. 4 Wer der Angabepflicht nach § 37a Abs. 1 und 3 nicht, nicht vollständig oder nicht richtig nach- 32 kommt, ist hierzu gem. § 37a Abs. 4 von dem Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld anzuhalten, wobei das einzelne Zwangsgeld gem. § 14 S. 2 den Betrag von 5.000,– A nicht übersteigen darf. Das Registergericht erfährt freilich nur ausnahmsweise von solchen Verstößen, weswegen diese Sanktion ineffektiv ist.
II. Zivilrechtlich § 37a ist keine Formvorschrift. Verstöße führen daher nicht zur Nichtigkeit gem. § 125 BGB.91 Ob 33 wegen fehlender oder falscher Angaben eine Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB möglich ist, hängt
90 MünchKommHGB/Krebs Rn 4; Landmann/Rohmer/Marcks Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften, Band I, Gewerbeordnung, Stand 1.11.2007, § 15b Rn 3 mwN.
91 Hopt/Merkt Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Hillmann Rn 12; MünchKommHGB/Krebs Rn 12; BeckOKHGB/Bömeke Rn 28; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek GmbHG § 35a Rn 6; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 27 mwN. 519
Burgard
§ 37a
1. Buch. Handelsstand
davon ab, ob die Voraussetzungen dieser Normen erfüllt sind.92 Fehlende oder falsche Angaben im Rahmen einer Sonderverbindung (z.B. Vertrag, vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2 BGB oder wettbewerbliches Abmahnverhältnis) können als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme eine Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB auslösen.93 Überdies ist § 37a nach zutreffender hM Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.94 Denkbar ist auch eine Versagung der Einrede der Verjährung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).95 Schließlich können falsche Angaben – und zwar einerlei, ob es sich um Pflichtangaben oder freiwillige Angaben handelt – Rechtsscheinwirkungen zugunsten des gutgläubigen Geschäftsverkehrs auslösen.96
III. Wettbewerbsrechtlich 34 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob falsche oder fehlende Angaben auf Geschäftsbriefen einen Verstoß gegen §§ 1, 3, 3a UWG darstellen.97 Dafür spricht grundsätzlich, dass § 37a keine bloße Ordnungsvorschrift ist und die Transparenz der Identität des Absenders Bedeutung für den Wettbewerb haben kann. Letzteres ist freilich vom Einzelfall abhängig.98 Ein Wettbewerbsverstoß liegt nur vor, wenn die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschritten ist.
92 MünchKommHGB/Krebs Rn 12; Oetker/Schlingloff Rn 10; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 23; vgl. LG Detmold WM 1990, 1872 zu § 35a GmbHG; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 10.
93 LG Frankfurt a.M. NJW-RR 2001, 1425; MünchKommHGB/Krebs Rn 12; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 28; Altmeppen GmbHG § 35a Rn 8; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 29 mwN.
94 LG Detmold GmbHR 1991, 23 (zu § 35a Abs. 1 S. 2 GmbHG); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 23; Staub/ Habersack 4. Aufl. § 125a Rn 19; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 26; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 28; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG § 35a Rn 10; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 29 aA MünchKommHGB/Krebs Rn 12; Oetker/Schlingloff Rn 10. 95 LG Frankfurt a.M. NJW-RR 2001, 1425; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 28 mwN; Baumbach/Hueck/Noack GmbHG § 35a Rn 27. 96 LG Heidelberg GmbHR 1997, 446 (zur GmbH); MünchKommHGB/Krebs Rn 12 aE; Scholz/U. H. Schneider/S. H. Schneider GmbHG § 35a Rn 28; MünchKommAktG/Spindler § 80 Rn 29. 97 Näher Maaßen/Orlikowski-Wolf BB 2007, 561 (563 ff); Hoeren WM 2004, 2461 (2467 ff), jeweils mwN. 98 S. dazu aus der Rspr. BGH MMR 2007, 40 (Anbieterkennzeichnung im Internet); OLG Koblenz MMR 2006, 624, 625 (Nichtangabe der zuständigen Aufsichtsbehörde nur Bagatellverstoß); LG Bonn Urt. v. 22.6.2006 Az. 14 O 50/ 06; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2004, 24; OLG Stuttgart GRUR-RR 2003, 248 (249); LG Hamburg MMR 2001, 546 (Telediensteangebot eines Rechtsanwalts); LG Berlin CR 2003 139 f (Pflicht zur Anbieterkennzeichnung); LG Düsseldorf CR 2003, 380 f (Verstoß gegen Impressumspflicht auf Website); LG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2003, 347 f (Ausländisches Register); LG Hamburg VuR 2002, 418; OLG Hamburg MMR 2003, 105; OLG Hamm MMR 2003, 410 ff (Anbieterkennzeichnung); BGH GRUR 2000, 1076, 1079 (Abgasemissionen); LG Berlin WM 1991, 1615 (1616); KG DB 1991, 1510; BGH GRUR 1989, 830 ff (Impressumspflicht); LG Berlin WM 1991, 1615 f; BGH GRUR 1973, 655 (657); BGH GRUR 1973, 655, 657 (Möbelauszeichnung); vgl. BeckOK-HGB/Bömeke Rn 33; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Ries Rn 23. Burgard
520
VIERTER ABSCHNITT Handelsbücher §§ 38 bis 47b (weggefallen)
FÜNFTER ABSCHNITT Prokura und Handlungsvollmacht Vorbemerkungen vor § 48 Schrifttum Bader Duldungs- und Anscheinsvollmacht, Diss. Regensburg (1978); Bienert Anscheinsvollmacht und Duldungsvollmacht (1975); Brülle Der Rechtsschein bei den gesetzlichen Vollmachten des Privatrechts mit besonderer Berücksichtigung des Handelsrechts, Diss. Breslau (1916); Bucher Organschaft, Prokura, Stellvertretung, Festgabe für Bürgi 1971, 39; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971); Cassel Stillschweigende Bevollmächtigung und Scheinvollmacht im Handelsrecht, Diss. Marburg (1934); v. Craushaar Die Bedeutung der Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der Scheinvollmacht, AcP 174 (1974), 2; Crezelius Zu den Rechtswirkungen der Anscheinsvollmacht, ZIP 1984, 791; Doerner, Die Abstraktheit der Vollmacht, Diss Heidelberg (2017); Ebenroth Kollisionsrechtliche Anknüpfung kaufmännischer Vollmachten, JZ 1983, 821; Frotz Verkehrsschutz im Vertretungsrecht (1972), S. 343 ff; Gotthardt Der Vertrauensschutz bei der Anscheinsvollmacht im deutschen und im französischen Recht (1970); ders. Vertrauensschutz und Registerpublizität, JZ 1971, 312; Grönfors Willenselement und Sanktionselement im Vollmachtsrecht JZ 1984, 932; Herrmann Die neue Rechtsprechung zur Haftung Anscheinsbevollmächtigter, NJW 1984, 471; H. Hübner Die Prokura als formalisierter Vertrauensschutz, FS Klingmüller 1974, 173; Kindler/Brüggemann, Die kollisionsrechtliche Anknüpfung kaufmännischer Vollmachten nach Art. 8 EGBGB, RIW 2018, 473; Kirberger Gemischte Gesamtvertretung und organschaftliches Prinzip, Rpfleger 1979, 48; Konow Das Verbot der Überkreuzverflechtung, DB 1966, 849; Krause Schweigen im Rechtsverkehr (1933), S. 138 ff; Laband Die Stellvertretung bei dem Abschluß von Rechtsgeschäften nach dem allgem. Deutsch. Handelsgesetzbuch, ZHR 10 (1866), 183; Lenel Stellvertretung und Vollmacht, JherJb 36 (1896), 1; Lüderitz Prinzipien im internationalen Vertragsrecht, in: Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, FS Coing, Bd. 2, 1982, S. 305, 318 ff; Manigk Stillschweigend bewirkte Vollmachten im Handelsrecht, FS Heymann, Bd. 2, 1931, 590; Marks Die Scheinvollmacht im Handelsverkehr unter besonderer Berücksichtigung des § 56 HGB, Diss. Marburg (1939); Müller-von Münchow, Rechtliche Vorgaben zu Inhalt und Form von Vollmachten, NotBZ 2010, 31; Peters Zur Geltungsgrundlage der Anscheinsvollmacht, AcP 179 (1979), 214; Prehl Handlungsvollmacht kraft Rechtsscheins, Diss. Jena (1936); v. Seeler Vollmacht und Scheinvollmacht ArchBürgR 28 (1906), 1; Spellenberg Geschäftsstatut und Vollmacht im internationalen Privatrecht (1979), S. 13 ff; Stüsser Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht (1986); Wellspacher Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte (1906), S. 79 ff.
Übersicht cc)
I. 1. 2. 3.
Einführung 1 Historische Entwicklung 5 Verhältnis zum BGB 6 Terminologie
II. 1.
Allgemeines Vertretungsrecht Voraussetzungen und Wirkungen der Stellvertretung 7 a) Willenserklärung b) Handeln im Namen des Vertretenen 9 aa) Offenkundigkeitsprinzip 12 bb) Handeln im eigenen Namen
2
521 https://doi.org/10.1515/9783111097510-034
c) d)
Handeln für fremde Rechnung 13 dd) Geschäft für den, den es an14 geht 15 Abgrenzung von Vertreter und Bote 16 Vertretungsmacht aa) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht 17 (Vollmacht) bb) Duldungsvollmacht, Anscheinsvoll21 macht 27 cc) Gesetzliche Vertretungsmacht 28 dd) Organschaftliche Vertretung Fischinger
Vor § 48
1. Buch. Handelsstand
e) f)
2.
Unzulässigkeit der Vertretung 29 Wirkung 30 aa) Bestehende Vertretungsmacht 31 bb) Keine Vertretungsmacht 32 cc) Haftung des Vertreters 33 dd) Handeln im eigenen Namen 34 Außenverhältnis und Innenverhältnis a) Bevollmächtigung als selbständiges Rechts35 geschäft 36 b) Arten des Innenverhältnisses
c) d) e)
37 Abstraktionsgrundsatz 41 Umfang der Vertretungsmacht Rechte und Pflichten von Vollmachtgeber 43 und Bevollmächtigtem
III. 1. 2.
Kaufmännisches Vertretungsrecht 46 Prokura 48 Handlungsvollmacht
IV.
Internationales Privatrecht
44
53
I. Einführung 1 Der Fünfte Abschnitt enthält Bestimmungen über das kaufmännische Vertretungsrecht. Sie sind von grundlegender Bedeutung für die Wirtschaftspraxis. Die arbeitsteilige Wirtschaft bringt es mit sich, dass die Ausübung der kaufmännischen Geschäftstätigkeit durch bevollmächtigte Hilfspersonen des Geschäftsinhabers geradezu den Regelfall darstellt, zumal wenn es sich um Handelsgesellschaften handelt. Die rechtliche Regelung der Vertretung ist damit zugleich konstituierend für die Teilnahme des kaufmännischen Unternehmens am Markt.
1. Historische Entwicklung 2 Aus historischer Sicht liegen die Wurzeln der Kodifikation des zivilrechtlichen Vertretungsrechts im Handelsrecht. Bereits das ADHGB (Art. 52 ff) legte die wesentlichen Prinzipien der Offenheit und der unmittelbaren Fremdwirkung des Vertreterhandelns fest. Diese Regelung wurde in das später geschaffene BGB im Grundsatz übernommen. Gegenüber der umfassenden, auch für den Handelsverkehr geltenden Regelung des Vertretungsrechts im BGB ist ein eigenständiges kaufmännisches Vertretungsrecht damit entbehrlich geworden. 3 Gleichwohl bedarf das allgemeine Privatrecht der Anpassung an die Bedürfnisse des Handelsverkehrs. Nach dem BGB bestimmt der Vertretene (Vollmachtgeber) den Umfang der Vertretungsmacht (s. Rn 19). Damit trägt der Erklärungsempfänger das Risiko, ob die Erklärung vom Umfang der Vollmacht gedeckt wird und damit Wirkungen in der Person des Vertretenen entfaltet. Im allgemeinen Privatrechtsverkehr wird diese Risikoverteilung hingenommen, da der Erklärungsempfänger selbst darüber entscheiden kann, ob er sich auf das Handeln eines Vertreters einlässt. Indessen ist dies jedenfalls nur dann eine sinnvolle Regelung, wenn eine Vertretung in Einzelfällen notwendig wird. Für den Handelsverkehr bestehen andere Bedürfnisse. Der Betrieb eines Handelsgewerbes macht eine laufende Vertretung des Geschäftsinhabers erforderlich. Damit wäre es unvereinbar, wenn jeder Erklärungsempfänger bzw. am rechtsgeschäftlichen Verkehr Beteiligte die wirksame Entstehung und den Umfang der vom Geschäftsinhaber erteilten Vertretungsmacht im Einzelfall nachzuprüfen hätte. Die Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs erfordert vielmehr eine typisierte Vertretungsmacht. 4 Dieses Ziel wird durch die Schaffung der Prokura erreicht. Die Prokura ist historisch im Zusammenhang mit der auf das römische Recht zurückgehenden Lehre vom Institor entwickelt worden.1 Als Institoren wurden Personen bezeichnet, die das Handelsgeschäft für Rechnung eines anderen betrieben. Die Haftung des Prinzipals richtete sich nach dem Inhalt der Prokura. Das ADHGB präzisierte den Begriff des Prokuristen dahin, dass dieser im Namen des Prinzipals und für dessen Rechnung das Handelsgeschäft betreibe (Art. 41). Der Umfang der Prokura wur1 Einzelheiten bei Thöl Das Handelsrecht, Erster Band, 1841, S. 61 ff. Zur geschichtlichen Entwicklung s. ferner Bucher S. 43 ff. Fischinger
522
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
Vor § 48
de gesetzlich festgelegt (Art. 42) und einer Beschränkung des Umfangs die rechtliche Wirkung abgesprochen (Art. 43). Dem folgt das geltende Recht. Der Verkehrsschutz wird also dadurch gewährleistet, dass der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz verbindlich festgelegt wird (s. § 50 Rn 4) und sich der Rechtsverkehr auf das wirksame Bestehen der Vollmacht verlassen kann (s. unten Rn 46 sowie § 53 Rn 1). Dem gleichen Interesse dient im Gesellschaftsrecht die im Außenverhältnis unbeschränkbare Vertretungsmacht der für die Gesellschaft handelnden Organe (§§ 126 Abs. 2 HGB, 37 Abs. 2 GmbHG, 82 Abs. 1 AktG). Für die Handlungsvollmacht ist dieser Grundsatz nur eingeschränkt durchgeführt worden, da das Gesetz dem Erklärungsempfänger gegenüber wirksame Beschränkungen der Vollmacht zulässt (s. § 54 Rn 35).
2. Verhältnis zum BGB Die gesetzliche Regelung errichtet kein in sich geschlossenes kaufmännisches Vertretungsrecht. 5 Die Bestimmungen über Prokura und Handlungsvollmacht sind vielmehr nur zusätzliche Regelungen zum allgemeinen Vertretungsrecht des BGB. Die rechtliche Beurteilung des kaufmännischen Vertreterhandelns richtet sich daher zunächst nach den allgemeinen Bestimmungen (§§ 164 ff BGB), die lediglich in einzelnen Beziehungen durch die §§ 48 ff HGB modifiziert werden. Für das Verständnis des kaufmännischen Vertretungsrechts ist daher die Beachtung der Grundsätze des Vertretungsrechts des BGB von wesentlicher Bedeutung. Darüber hinaus ist die gesetzliche Regelung des kaufmännischen Vertretungsrechts auch nicht in dem Sinne eigenständig, dass sie die Erteilung allgemeiner bürgerlichrechtlicher Vollmachten durch den Kaufmann ausschließen würde.2 Ein derartiges Prinzip geht aus der gesetzlichen Regelung nicht hervor. Die im kaufmännischen Vertretungsrecht und dabei insbesondere in der Prokura vorhandenen Gestaltungen erweitern die Handlungsmöglichkeiten des Kaufmanns gegenüber dem allgemeinen bürgerlichrechtlichen Rechtsverkehr, haben aber nicht das Ziel, den Kaufmann auf eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten festzulegen.
3. Terminologie Die Terminologie des HGB entspricht nicht durchweg derjenigen des BGB. Im HGB wird der 6 Vertreter als zur Vertretung „ermächtigt“ bezeichnet (z.B. §§ 49 Abs. 1, 54 Abs. 1, 55 Abs. 4, 56). Im allgemeinen Zivilrecht bedeutet Ermächtigung dagegen das Handeln im eigenen Namen mit Zustimmung des Rechtsinhabers (§§ 182 ff BGB), während die Erteilung von Vertretungsmacht eine Bevollmächtigung ist (z.B. § 172 BGB). Im Einklang mit der Neufassung des § 55 Abs. 2 wird in der folgenden Darstellung der Ausdruck „bevollmächtigt“ verwandt; ein sachlicher Unterschied zur Gesetzesfassung liegt darin nicht.
II. Allgemeines Vertretungsrecht 1. Voraussetzungen und Wirkungen der Stellvertretung a) Willenserklärung. Die Regeln der Stellvertretung finden nur im Bereich des Handelns 7 durch Willenserklärungen Anwendung. Dazu gehört neben der aktiven Stellvertretung durch Abgabe von Willenserklärungen auch die Entgegennahme von an den Vertretenen gerichteten Willenserklärungen (passive Stellvertretung, § 164 Abs. 3 BGB). Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre erfährt der Anwendungsbereich der Stellvertretung inso-
2 So aber Krebs ZHR 159 (1995), 635 (652) für Vollmachten an aus dem Unternehmen heraus handelnde Personen. 523
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1. Buch. Handelsstand
fern eine Erweiterung, als Stellvertretung auch bei geschäftsähnlichen Handlungen (z.B. Mahnung) möglich ist.3 8 Bei tatsächlichen Handlungen gibt es keine Stellvertretung. Deshalb gilt das Stellvertretungsrecht insbesondere nicht bei der Begründung und dem Verlust von unmittelbarem Besitz an Sachen; die Zurechnung tatsächlicher Handlungen von Gehilfen erfolgt nach anderen Grundsätzen.4 Soweit dagegen die Begründung mittelbaren Besitzes als eines Rechtsverhältnisses rechtsgeschäftliches Handeln voraussetzt, können die Erklärungen auch von einem Stellvertreter abgegeben werden.5 Auf tatsächlichen Handlungen beruhen auch Schädigungen. Die Einstandspflicht des Geschäftsherrn richtet sich daher nicht nach den Grundsätzen über die Stellvertretung, sondern nach den Bestimmungen über die Einstandspflicht für Hilfspersonen (§§ 31, 278, 831 BGB).
b) Handeln im Namen des Vertretenen 9 aa) Offenkundigkeitsprinzip. Das Stellvertretungsrecht wird vom Grundsatz der Offenheit beherrscht. Die Wirkungen der Stellvertretung treten nur ein, wenn der Vertreter offen im Namen des Vertretenen handelt, § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB. Einer ausdrücklichen Erklärung bedarf es dazu nicht; es genügt, wenn aufgrund der Umstände objektiv erkennbar ist, dass im Namen des Vertretenen gehandelt werden soll (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist für den Handelsverkehr insofern von wesentlicher Bedeutung, als Willenserklärungen häufig nicht ausdrücklich im Namen des Vertretenen abgegeben werden. Wird erkennbar für den Geschäftsinhaber gehandelt, so berechtigt und verpflichtet die Willenserklärung allein diesen; ein entgegenstehender innerer Wille des Vertreters ist unbeachtlich, § 164 Abs. 2 BGB. So liegt es insbesondere, wenn Willenserklärungen im Geschäftslokal des Kaufmanns abgegeben werden, ohne dass ersichtlich wäre, dass der Erklärende für sich selbst handeln will.6 Dabei ist es in der Regel ohne Bedeutung, ob sich der Geschäftspartner zutreffende Vorstellungen von der Person des Unternehmensinhabers macht. 10 Bei unternehmensbezogenen Geschäften wird ganz allgemein der Unternehmensinhaber berechtigt und verpflichtet, auch wenn der Geschäftspartner den Vertreter für den Unternehmensinhaber hält.7 Die Bezogenheit auf das Unternehmen tritt besonders deutlich hervor, wenn die Erklärung unter Angabe der Firma abgegeben wird.8 Aus demselben Grund wird eine offene Handelsgesellschaft berechtigt und verpflichtet, wenn der Geschäftspartner den Vertrag mit einem der Teilhaber abgeschlossen hat und diesen für den Alleininhaber des Handelsgeschäfts hielt.9 All dies gilt freilich nur, soweit nicht ein anderer Wille des Erklärenden erkennbar geworden ist.10 Diese Ausnahme muss beweisen, wer sich darauf beruft.11 Mit dem Offenkundigkeitsgrundsatz ist es durchaus vereinbar, dass der Vertretene zwar 11 individualisierbar ist, er jedoch zunächst nicht benannt wird.12 Darüber hinaus wird es nach allgemeiner Ansicht für zulässig gehalten, dass die Person des Vertretenen noch überhaupt
3 4 5 6 7
MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 99. MünchKommBGB/Schäfer § 854 Rn 46. MünchKommBGB/Schäfer § 868 Rn 12. BGH NJW 1975, 642 (643); BGH NJW 1984, 1347 (1348). RG JW 1921, 1309 (1310) m. Anm. Manigk; RGZ 67, 148 (149); RG DAR 1931, 247; BGH WM 1957, 1284 f; BGHZ 62, 216 (221) mwN; BGHZ 64, 11 (14); BGH NJW 1983, 1844 f; BGHZ 92, 259 (268); BGH NJW 1990, 2678. 8 BGHZ 62, 216 (221); BGHZ 64, 11 (14); BGH NJW 1983, 1844. 9 RGZ 30, 77 (78). Zum Abschluss eines Gesellschaftsvertrages s. BGH WM 1957, 1284 f. 10 BGH WM 1957, 1284 f; BGHZ 64, 11 (15); BGH NJW 1990, 2678 f; vgl. auch RGZ 30, 77 (79); RG JW 1921, 1309 (1310) m. Anm. Manigk. 11 BGH NJW 1984, 1347 (1348); vgl. auch BGH NJW 1990, 2678 (2679). 12 RGZ 140, 335 (338); RG JW 1936, 1952; BGH LM § 164 BGB Nr. 10. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
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nicht feststeht, sondern erst später bestimmt wird, sei es durch den Vertreter selbst, sei es durch sonstige Umstände.13
bb) Handeln im eigenen Namen. Das Recht der Stellvertretung findet keine Anwendung, 12 wenn eine Person im eigenen Namen handelt. Dabei ist es unbeachtlich, ob die Person im Interesse eines anderen handelt oder die wirtschaftlichen Folgen des Geschäfts einen anderen treffen sollen. Gerade im Handelsverkehr kommt es häufig vor, dass ein Kaufmann im eigenen Namen für eine andere Person tätig wird. Diese Gestaltung wird vielfach leicht missverständlich als mittelbare Stellvertretung bezeichnet. Dazu gehört insbesondere das Kommissionsgeschäft, bei dem ein Kaufmann es gewerbsmäßig übernimmt, Waren oder Wertpapiere im eigenen Namen, aber für Rechnung einer anderen Person zu kaufen oder zu verkaufen (§§ 383 ff). Aus diesen Geschäften wird in der Regel nur die im eigenen Namen handelnde Person unmittelbar berechtigt und verpflichtet (s. z.B. § 392 Abs. 1). Indessen können Rechtsfolgen ähnlich wie bei der Stellvertretung auch unmittelbar in der Person des anderen eintreten (§ 185 BGB).
cc) Handeln für fremde Rechnung. Unscharf ist die Bezeichnung, ein Geschäft werde „für 13 Rechnung“ eines anderen vorgenommen. Im Gesetz wird dieser Ausdruck für das Handeln einer Person im eigenen Namen, aber im fremden Interesse gebraucht (§§ 383, 407 HGB, 43 Abs. 1 VVG). Im Handelsverkehr wird der Ausdruck „für fremde Rechnung“ dagegen keineswegs eindeutig verwandt. Es kann damit das Handeln im eigenen Namen gemeint sein. Die Bezeichnung kann jedoch auch ein Handeln im fremden Namen als Vertreter bedeuten.14 Der Wille der Parteien ist durch Auslegung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände festzustellen.15 dd) Geschäft für den, den es angeht. Unmittelbare Fremdwirkungen führt auch das von der 14 hM anerkannte Geschäft für denjenigen, welchen es angeht, herbei. Ein solches Geschäft liegt vor, wenn dem Geschäftsgegner nach der typischen Interessenlage die Person seines Geschäftspartners gleichgültig ist (insbesondere bei Bargeschäften des täglichen Lebens) und objektive Umstände ergeben, dass das Geschäft von dem Handelnden auch für einen anderen abgeschlossen worden sein kann. Für den Geschäftspartner bleibt zunächst unbestimmt, in wessen Namen gehandelt worden ist. Da hier die Person des Geschäftsherrn für den Geschäftspartner ohne Interesse ist, wird auf den durch den Offenkundigkeitsgrundsatz bezweckten Schutz des Vertretenen verzichtet; die Wirkungen des Geschäfts treten in der Person dessen, den es angeht, ein.16 c) Abgrenzung von Vertreter und Bote. Von der Stellvertretung ist das Handeln als Bote 15 eines anderen zu unterscheiden. Die Abgrenzung ist nach funktionalen Kriterien vorzunehmen. Der Stellvertreter handelt rechtsgeschäftlich selbst, d.h. er bildet bei der Abgabe einer Willenserklärung den Willen selbst und nimmt bei der passiven Stellvertretung die Willenserklärung wirksam selbst entgegen. Ein Bote überbringt die Willenserklärung eines anderen (Erklärungsbote) bzw. nimmt eine Willenserklärung zur Weiterleitung an einen anderen entgegen (Empfangsbote). Dabei kommt es nach hM nicht darauf an, ob im Innenverhältnis zwischen dem Handelnden und dem Geschäftsherrn dieser den Inhalt der Willenserklärung bereits verbindlich vorgegeben hat. Entscheidend ist vielmehr, wie die Hilfsperson im Außenverhältnis 13 MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 125 f mwN. 14 RGZ 97, 260 (261); RG JW 1936, 1952. 15 In RGZ 97, 260 (261) wird angenommen, die Bezeichnung „für Rechnung“ eines anderen bedeute regelmäßig ein Handeln im Namen des anderen; anders RGZ 35, 38 (41).
16 Zu den Einzelheiten s. Soergel/Leptien vor § 164 Rn 23 ff; MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 137 ff. 525
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zum Geschäftspartner aufgetreten ist; dabei wird auch das Handeln nach genauen Weisungen des Geschäftsherrn als Stellvertretung angesehen.17
16 d) Vertretungsmacht. Das rechtsgeschäftliche Handeln des Vertreters wirkt nur für und gegen den Vertretenen, wenn es von der dem Vertreter zustehenden Vertretungsmacht gedeckt wird (§ 164 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Vertretungsmacht ist kein subjektives Recht des Vertreters, sondern nur eine rechtliche Befähigung (rechtliche Möglichkeit), für den Vertretenen wirksam zu handeln. Die Vertretungsmacht wird herkömmlich nach der Art ihrer Begründung wie folgt gegliedert:
17 aa) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht). Die Vertretungsmacht kann durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Vertretenen begründet werden (Vollmacht, § 166 Abs. 2 Satz 1 BGB). Es handelt sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Die Erklärung kann gegenüber dem zu Bevollmächtigenden (Innenvollmacht) oder gegenüber dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll (Außenvollmacht), erfolgen, § 167 Abs. 1 BGB; einen Sonderfall bildet die öffentliche Bekanntmachung einer Bevollmächtigung, § 171 Abs. 1 BGB. Die Vollmachtserteilung ist grundsätzlich formfrei möglich, § 167 Abs. 2 BGB. Die Erklärung kann wie bei sonstigen Willenserklärungen auch stillschweigend erfolgen (zur Duldungsvollmacht s. Rn 22). 18 Zweifelhaft ist, ob das Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilung, nachdem von der Vollmacht Gebrauch gemacht worden ist, der Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung nach §§ 119, 123 BGB unterliegt. Im Schrifttum wird die Anfechtung wohl überwiegend zugelassen,18 von anderen Autoren aber ausgeschlossen.19 Die Problematik besteht darin, dass die Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB die Vollmacht beseitigen würde, so dass der Vertretene an das Vertretergeschäft nicht gebunden wäre. Der Dritte könnte gegen den Vertretenen allenfalls einen Anspruch auf das negative Interesse gemäß § 122 BGB haben. Das widerspricht im Ergebnis dem Sinn der Anerkennung einer Rechtsscheinvollmacht. Dieser liegt gerade darin, den Vertretenen trotz Fehlens eines rechtsgeschäftlichen Erklärungswillens an das Vertretergeschäft zu binden und den Dritten nicht auf das negative Interesse zu beschränken. Ein stärkerer Rechtsschein als derjenige, der von einer zunächst wirksam erteilten, sodann aber mit Rückwirkung angefochtenen Vollmacht ausgeht, lässt sich aber kaum denken, so dass der Dritte auch in diesem Falle geschützt werden muss. Dies rechtfertigt indessen nicht den Ausschluss der Anfechtung, sondern führt zur Anwendung der Grundsätze über die Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht. Der Dritte wird also nur geschützt, wenn er auf die Vertretungsmacht vertraut und berechtigterweise vertrauen darf, also gutgläubig ist.20 Die ganze Frage ist indessen ohne größere praktische Relevanz, da Anfechtungen handelsrechtlicher Vollmachten in der veröffentlichten Entscheidungspraxis nicht vorkommen. Für die eingetragene Prokura ist sie ohnehin ohne Belang, da der Dritte nach § 15 geschützt ist. Der Vertretene bestimmt mit seiner Willenserklärung den Inhalt der Vertretungsmacht, ins19 besondere deren Umfang. Die Vertretungsmacht reicht also nur soweit, wie es sich aus der bevollmächtigenden Erklärung des Vertretenen ergibt. Den Umfang der Bevollmächtigung kann der Vertretene frei bestimmen, da es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt. Gegebenen-
17 Näher dazu MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 79 ff; Soergel/Leptien vor § 164 Rn 42 ff. 18 Z.B. MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 48 f; Stüsser S. 212 ff mwN (anders ders. für handelsrechtliche Vollmachten S. 274 ff). 19 Z.B. Eujen/Frank JZ 1973, 232 ff. 20 Ebenso im Ergebnis Canaris Handelsrecht24 § 14 V., wonach die Anfechtung gegenüber gutgläubigen Dritten nicht geltend gemacht werden kann. Fischinger
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falls ist der Inhalt der Vertretungsmacht durch Auslegung der Willenserklärung des Vertretenen festzustellen.21 Die Bestimmung des Umfangs der Vertretungsmacht nach der Bevollmächtigungserklärung 20 des Vertretenen ist für den Rechtsverkehr gefährlich. Wer sich mit einem Vertreter einlässt, trägt selbst das Risiko, dass dessen Handeln von der Vertretungsmacht nicht gedeckt wird. Deren Umfang kann der Geschäftspartner nicht stets zuverlässig feststellen (zum Verlangen nach Vorlage einer Vollmachtsurkunde bei einseitigen Rechtsgeschäften s. § 174 BGB). Dies ist der Grund dafür, dass im Handelsrecht in Gestalt von Prokura und Handlungsvollmacht der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz festgelegt wird. Es handelt sich mithin um Vollmachten, deren Umfang gesetzlich umschrieben ist.
bb) Duldungsvollmacht, Anscheinsvollmacht. Im Allgemeinen trägt der Geschäftspartner 21 das Risiko, dass die Vollmacht überhaupt besteht, da die wirksame Vertretungsmacht eine Voraussetzung für den Eintritt der Vertretungswirkungen ist. Das BGB gewährt dem Geschäftspartner in §§ 170 bis 173 BGB nur einen schmalen Vertrauensschutz. Man hat dies seit langem als einen spürbaren Mangel der gesetzlichen Regelung empfunden. In der Rechtsprechung sind deshalb besondere Grundsätze über einen erweiterten Verkehrsschutz mit den Rechtsfiguren der Duldungsvollmacht und der Anscheinsvollmacht anerkannt worden. Duldungs- und Anscheinsvollmacht stehen damit für die Rechtspraxis weitgehend außer Streit. Gleichwohl sind Rechtsgrund und dogmatische Einordnung beider Erscheinungen noch immer umstritten.22 Eine Duldungsvollmacht setzt voraus, dass der Geschäftsherr das Auftreten des Vertreters 22 positiv kennt und duldet. Die Meinungen darüber, worauf in einem solchen Fall die Vertretungsmacht beruht, gehen auseinander. Teilweise wird in dem Dulden eine konkludente Bevollmächtigung gesehen, so dass eine rechtsgeschäftlich begründete Vollmacht vorliegt.23 Indessen werden die Beteiligten nur selten davon ausgehen, dass in dem bloßen wissentlichen Dulden allein eine Bevollmächtigung liegen soll. Zumeist wird insbesondere der Dritte das Verhalten so verstehen, dass die Vollmacht bereits früher erteilt worden war. Deshalb ist mit der hM davon auszugehen, dass im Regelfall ein Rechtsscheintatbestand vorliegt, der eine Rechtsscheinvollmacht begründet.24 Der notwendige Rechtsschein entsteht bei der Duldungsvollmacht, wenn der Vertreter 23 unter wissentlicher Duldung des Vertretenen während eines nicht unerheblichen Zeitraums wiederholt für den Geschäftsherrn als Vertreter auftritt.25 Eine rechtlich erhebliche Duldung liegt nur dann vor, wenn der Geschäftsherr die Möglichkeit hatte, das Verhalten des Vertreters zu unterbinden. Für den Geschäftspartner wird subjektiv vorausgesetzt, dass er den Duldungstatbestand kannte, sich auf ihn verlassen hat und nach Treu und Glauben auch darauf vertrauen durfte, der Geschäftsherr habe dem Vertreter die entsprechende Vollmacht erteilt.26 Die Anscheinsvollmacht unterscheidet sich in ihren subjektiven Voraussetzungen von der 24 Duldungsvollmacht. Der Rechtsscheintatbestand besteht hier darin, dass der Geschäftsherr das Verhalten des Vertreters zwar nicht kennt, er es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte kennen
21 BGH NJW 1988, 3012. 22 Zu den Einzelheiten s. MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 94 ff; Peters AcP 179 (1979), 214 ff. 23 Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl. 1979, S. 828 ff; Hopt AcP 183 (1983), 619 f; Vgl. näher dazu Soergel/Leptien § 167 Rn 15 ff. 24 BGH LM § 167 BGB Nr. 15; grundlegend Canaris Vertrauenshaftung, S. 39 ff; Canaris Handelsrecht § 14 III. 1. a); Neuner Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, § 50 Rn 86; differenzierend MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 108. 25 Damit wird nicht ausgeschlossen, dass auch bei einmaliger Duldung eine Rechtsscheinvollmacht gegeben sein kann; vgl. Grüneberg/Ellenberger § 172 Rn 9. 26 BGH LM § 167 BGB Nr. 13; BGH LM § 164 BGB Nr. 24. 527
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und verhindern können27 und der Geschäftspartner das Verhalten des Vertreters nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte so verstehen durfte, dass es dem Geschäftsherrn bei pflichtgemäßer Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben können.28 Wer einen Vollmachtsmissbrauch (s. § 50 Rn 35 ff) fahrlässig nicht erkennt, kann sich auf eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht nicht berufen.29 25 Den der Rechtsscheinvollmacht zugrundeliegenden Grundsatz, das Bestehen (bzw. der Umfang) der Vollmacht müsse nach dem äußerlich in Erscheinung getretenen Verhalten des Geschäftsherrn und nicht nach dessen rechtsgeschäftlichem Willen beurteilt werden, hat die Rechtsprechung ursprünglich für den kaufmännischen Verkehr entwickelt30 und mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Klarheit begründet. Dem Einzelnen könne nicht zugemutet werden, über die Vertretungsmacht genaue Ermittlungen anzustellen, solange er nach dem äußeren Anschein annehmen dürfe, der Geschäftsherr decke das Verhalten des Vertreters.31 Allerdings hat schon das Reichsgericht diese Grundsätze nicht auf den kaufmännischen Verkehr im handelsrechtlichen Sinne beschränkt, sondern zunächst auch auf sonstige wirtschaftliche Unternehmen, die wie kaufmännische Unternehmen geführt werden, erstreckt32 und sodann allgemein im Zivilrecht angewandt.33 Dem sind der Bundesgerichtshof34 und das ganz überwiegende Schrifttum35 gefolgt. 26 Für den kaufmännischen Rechtsverkehr sind die Grundsätze über die Rechtsscheinvollmacht von großer praktischer Bedeutung. Der Rechtsschein einer Bevollmächtigung wird vielfach dadurch zurechenbar hervorgerufen, dass der Kaufmann eine Person in einer Weise beschäftigt, die beim Publikum den Eindruck erweckt, die Person sei bevollmächtigt worden. Der Rechtsverkehr wird dann in seinem guten Glauben an die Vollmacht geschützt. Insofern ist die gesetzliche Regelung in § 56 mit ihrer Verknüpfung von Beschäftigung und Vollmacht nur die Ausprägung eines weiterreichenden Rechtsgedankens.36
27 cc) Gesetzliche Vertretungsmacht. In den Fällen der gesetzlichen Vertretung beruht die Vertretungsmacht unmittelbar auf dem Gesetz. Die wichtigsten Fälle sind die Vertretungsmacht der Eltern (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 Satz 1 BGB), des Vormundes (§ 1793 Abs 1 Satz 1 BGB, ab 1.1.2023: § 1789 Abs 1 Satz 1 BGB) und des Pflegers (§ 1915 Abs. 1 BGB, ab 1.1.2023: § 1813 Abs 1 BGB). Die gesetzlichen Vermögensverwalter (Insolvenzverwalter, § 80 InsO; Zwangsverwalter, §§ 150, 152 ZVG; Nachlassverwalter, §§ 1981, 1985 BGB; Testamentsvollstrecker, §§ 2197, 2205 BGB) werden von der hM nicht als gesetzliche Vertreter, sondern als im eigenen Namen handelnde Inhaber eines Amtes angesehen.37 27 Für eine Ersetzung des Verschuldensprinzips durch den Gedanken des kaufmännischen Organisationsrisikos Canaris Vertrauenshaftung, S. 194 f. 28 BGH NJW 1981, 1727 (1728) mwN. 29 BGH WM 1966, 491 (494). 30 S. bereits aus der Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts ROHGE 10, 141 (142 f); sodann RGZ 1, 8 (9); RGZ 65, 292 (295); RGZ 100, 48 (49); RG JW 1927, 1249 Nr. 5 m. Anm. Schmidt-Rimpler; RGZ 117, 164 (165); RGZ 162, 129 (148). 31 RGZ 100, 48 (49). 32 RG JW 1927, 1089 Nr. 8. 33 RG DR 1942, 172 m. zust. Anm. Barz; anders noch RGZ 162, 129 (148 f) für die Reichspost. 34 BGH NJW 1951, 309; BGH LM § 164 BGB Nr. 9; BGH LM § 167 BGB Nr. 4; anders noch BGHZ 5, 205 (213). 35 Soergel/Leptien § 167 Rn 17 mwN. Für eine Beschränkung der Anscheinsvollmacht auf den kaufmännischen Verkehr Canaris Vertrauenshaftung, S. 48 ff, 191 ff; für eine Beschränkung auf den Berufsverkehr Hopt AcP 183 (1983), 697 ff. 36 Im Schrifttum wird teilweise die Rechtsscheinvollmacht wegen Einräumung einer bestimmten Beschäftigung sogar dogmatisch verselbständigt; s. etwa Canaris Handelsrecht § 14 II.; Hopt AcP 183 (1983), 695 ff; Gotthardt JZ 1971, 313. 37 Näher dazu Soergel/Leptien vor § 164 Rn 74 ff; MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 69 f. Fischinger
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dd) Organschaftliche Vertretung. Juristische Personen sind als solche nicht handlungsfähig 28 und bedürfen zum Handeln im Rechtsverkehr der Vertretung durch besondere Organe. Deren Vertretungsmacht beruht auf der Satzung der juristischen Person bzw. einem besonderen Bestellungsakt. Die Organe haben die Stellung eines gesetzlichen Vertreters (Vereinsvorstand, § 26 Abs. 2 BGB; Vorstand der Aktiengesellschaft, § 78 AktG; Geschäftsführer der GmbH, § 35 GmbHG).38 Organschaftliche Vertretungsmacht haben auch die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft. Seit der Anerkennung ihrer Rechtsfähigkeit gilt dies auch für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts.39 Die Bestimmungen der §§ 164 ff BGB finden auf die organschaftliche Vertretung in weitem Umfang Anwendung, weil diese sich im Hinblick auf die darin ausgedrückten Prinzipien das Organhandeln vom Vertreterhandeln nicht wesentlich unterscheidet.40
e) Unzulässigkeit der Vertretung. Die Stellvertretung kann bei bestimmten Rechtsgeschäften 29 gesetzlich ausgeschlossen sein. Das ist insbesondere der Fall bei höchstpersönlichen Geschäften namentlich des Familienrechts (Eheschließung, § 1311 BGB) und des Erbrechts (Testamentserrichtung, § 2064 BGB). Auch für den Handelsverkehr wichtig ist die allgemeine Beschränkung des Selbstkontrahierens in § 181 BGB. Nach dieser Bestimmung kann ein Vertreter nicht zugleich im Namen des Vertretenen und mit sich selbst im eigenen Namen oder wiederum als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft vornehmen. Eine Ausnahme gilt, wenn das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Die Beschränkung der Vertretungsmacht durch § 181 BGB ist nicht zwingenden Rechts. Der Vertretene kann das Selbstkontrahieren gestatten, indem er die Vollmacht entsprechend erweitert. Verstößt ein Rechtsgeschäft gegen § 181 BGB, so ist es deshalb noch nicht endgültig unwirksam. Der Vertretene kann das Rechtsgeschäft (nachträglich) genehmigen; bis zur Genehmigung ist es schwebend unwirksam.41
f) Wirkung aa) Bestehende Vertretungsmacht. Handelt der Vertreter im Namen des Vertretenen und 30 innerhalb seiner Vertretungsmacht, so wirkt die Willenserklärung „unmittelbar für und gegen den Vertretenen“, § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Rechtsgeschäft erlangt nur in der Person des Vertretenen Wirksamkeit; der Vertreter wird aus ihm nicht berechtigt oder verpflichtet. Ein Rechtsübergang vom Vertretenen auf den Vertreter ist weder nötig noch möglich. Die dogmatische Erklärung der Fremdwirkung des Vertreterhandelns innerhalb der Privatautonomie und dabei insbesondere die Vereinbarkeit mit der Selbstbestimmungsidee sind nach wie vor umstritten.42 Nach hM sind jedenfalls das Vertretergeschäft und die Vollmachtserteilung in der Weise zu trennen, dass beide selbständige Rechtsgeschäfte sind. Sie stehen aber insofern in einem Zusammenhang, als erst beide Rechtsgeschäfte zusammen den „Gesamttatbestand“43 der wirksamen Stellvertretung ergeben.
38 39 40 41 42
Zur Unterscheidung von Organstellung und Vertreterstellung s. K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 10 I. 2. Näher dazu MünchKommBGB/Schäfer § 714 Rn 16 f. Näher dazu MünchKommBGB/Schäfer § 714 Rn 17; K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 10 II. 1. Allg. M., vgl. BGHZ 65, 123 (126). Zum Theorienstreit im vorvorigen Jahrhundert und zum gegenwärtigen Meinungsstand s. etwa Soergel/Leptien vor § 164 Rn 5 ff. 43 MünchKommBGB/Schramm6 vor § 164 Rn 68. 529
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31 bb) Keine Vertretungsmacht. Handelt der Vertreter zwar im Namen des Vertretenen, aber ohne Vertretungsmacht, oder überschreitet er die ihm zustehende Vertretungsmacht, so gelten unterschiedliche Regelungen für Verträge und einseitige Rechtsgeschäfte. Einen Vertrag kann der Vertretene mit Rückwirkung genehmigen, §§ 177, 184 Abs. 1 BGB. Bis zur Genehmigung oder deren Verweigerung ist der Vertrag schwebend unwirksam. Ein ohne Vertretungsmacht vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft ist dagegen grundsätzlich von vornherein unwirksam, § 180 Satz 1 BGB. Der Geschäftspartner soll davor geschützt werden, dass die Wirksamkeit des einseitigen Rechtsgeschäfts, auf dessen Abschluss und Inhalt er keinen Einfluss hat, in der Schwebe bleibt und dadurch Rechtsunsicherheit eintritt. Nach § 180 Satz 2 BGB ist aber eine Genehmigungsfähigkeit gegeben, wenn der Geschäftspartner die behauptete Vertretungsmacht nicht beanstandet oder mit der Vertretung ohne Vertretungsmacht einverstanden ist.
32 cc) Haftung des Vertreters. Handelt der Vertreter ohne Vertretungsmacht und wird das Geschäft nicht genehmigt, so trifft den Vertreter eine besondere Haftung nach § 179 BGB. Daneben kann ihn eine besondere Haftung wegen Verletzung von Pflichten bei Vertragsverhandlungen treffen, wenn er in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, § 311 Abs. 3 BGB. Der Angestellte eines Handelsgeschäfts haftet aber in der Regel nicht persönlich wegen der Verletzung von Verhandlungspflichten.44
33 dd) Handeln im eigenen Namen. Handelt der Vertreter nicht im Namen des Vertretenen, sondern im eigenen Namen, so treten die Wirkungen der Stellvertretung nicht ein. Es liegt ein Eigengeschäft vor, das, abgesehen von § 185 BGB, Wirkungen nur in der Person des Handelnden entfaltet (oben Rn 12).
2. Außenverhältnis und Innenverhältnis 34 Für das Verständnis des Vertretungsrechts ist es von wesentlicher Bedeutung, innerhalb des gesamten Tatbestandes der Vertretung mehrere Teile zu unterscheiden. Es geht einmal um die von dem Vertreter im Namen des Vertretenen abgegebene, nach außen gegenüber dem Erklärungsempfänger wirkende Willenserklärung, ferner um die dem Vertreter zustehende Vertretungsmacht und schließlich um die rechtliche Beziehung zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter. Dabei lassen sich die Möglichkeit des Vertreters, für den Vertretenen nach außen im Rechtsverkehr zu handeln, als Außenverhältnis und die Rechtsbeziehung zwischen dem Vertreter und dem Vertretenen als Innenverhältnis bezeichnen.
35 a) Bevollmächtigung als selbständiges Rechtsgeschäft. Die Unterscheidung von Innenverhältnis (Grundgeschäft) und Außenverhältnis (Vollmacht) war im älteren Recht noch nicht anerkannt. Legislatorisch wurde sie erstmalig zur Grundlage des kaufmännischen Vertretungsrechts im ADHGB gemacht45 und ist sodann unter Hinweis auf die handelsrechtliche Regelung
44 BGHZ 88, 67 (69 f). 45 Grundlegend dazu die Analyse von Laband ZHR 10 (1866), 183 ff, welche die weitere Entwicklung stark beeinflusst hat. Zu Laband s. Müller-Freienfels Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 74 ff; ders Die Abstraktion der Vollmachtserteilung im 19. Jahrhundert, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hrsg. von Coing und Wilhelm, Band II, 1977, S. 164 ff (= ders. Stellvertretungsregelungen in Einheit und Vielfalt, 1982, S. 81 ff); Dölle Juristische Entdeckungen, 1958, S. B 3 ff. Fischinger
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für das BGB übernommen worden.46 Sie gelangt deutlich in § 168 BGB zum Ausdruck, indem dort das Weiterbestehen der Vollmacht von dem „zugrundeliegenden Rechtsverhältnis“ abgegrenzt wird. Die Vollmachtserteilung ist danach gegenüber dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (Grundgeschäft) ein von diesem zu trennendes selbständiges Rechtsgeschäft (Trennungsgrundsatz), so dass auch die Vertretungsmacht auf diesem selbständigen Rechtsgeschäft beruht.
b) Arten des Innenverhältnisses. Bei der Bevollmächtigung ist das Innenverhältnis in der 36 Regel ein schuldrechtlicher Vertrag (Grundgeschäft), z.B. ein Auftrag (§ 662 BGB), ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) oder eine Nebenabrede zu einem Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag. Auch eine isolierte Vollmacht ohne Grundgeschäft wird allgemein für zulässig gehalten.47 Dabei ist aber zu beachten, dass sich bei Fehlen eines rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnisses das Innenverhältnis nach den gesetzlichen Regeln bestimmt, z.B. der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff BGB).
c) Abstraktionsgrundsatz. Die gedankliche Trennung von Innenverhältnis und Vertretungs- 37 macht besagt allein noch nichts darüber, in welchem rechtlichen Verhältnis beide Rechtsgeschäfte zueinander stehen. Nach hM ist die Vertretungsmacht abstrakt, so dass – jedenfalls bei der Innenvollmacht – Mängel des Grundgeschäfts die Vollmacht nicht unmittelbar berühren.48 Folgerichtig werden Grundgeschäft und Bevollmächtigung auch nicht als Teile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Sinne von § 139 BGB angesehen.49 Die hM ist häufig kritisiert worden.50 Sie begegnet in der Tat durchgreifenden Bedenken. 38 Schon die zweite Kommission zur Beratung des BGB hatte sich dahingehend geäußert, dass „die Vollmacht kein abstraktes Rechtsgeschäft sei, sondern sich stets an ein anderes Rechtsverhältnis anlehne und mit dessen Existenz stehe und falle“.51 Darüber hinaus bestimmt § 168 BGB ausdrücklich, dass die Vollmacht in ihrem Weiterbestehen von dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis abhängig ist. Die Abstraktion der Vollmacht vom Grundgeschäft bezweckt einen Verkehrsschutz, indem 39 sich der Erklärungsempfänger auf die Vollmacht auch bei Mängeln im Grundgeschäft verlassen kann. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dieser Verkehrsschutz für das Entstehen der Vollmacht durch die Abstraktion der Vollmachtserklärung anzuerkennen, für das Weiterbestehen und Erlöschen der Vollmacht dagegen im Hinblick auf § 168 BGB zu versagen ist. Der Rechtsverkehr ist in beiden Fällen gleichermaßen schutzbedürftig. Die Anerkennung der Abstraktheit der Vollmacht ist demzufolge ein nicht zu rechtfertigender Widerspruch zu der entgegenstehenden Wertung in § 168 BGB. Dem entspricht es, dass im Rahmen der §§ 170 bis 172 BGB, die unmittelbar nur das Weiterbestehen der Vertretungsmacht betreffen, allgemein davon ausgegangen wird, dass die Bestimmungen auch auf das Entstehen der Vollmacht anzuwenden sind.52 Schließlich gewährleistet die Abstraktion der Vollmacht einen vom guten Glauben des Erklärungsempfän-
46 Motive zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches Band I, 1888, S. 228 f. 47 Frotz S. 331. 48 Flume (Fn 23) S. 841 f (unter Hervorhebung, dass beide Rechtsgeschäfte den gleichen Fehler aufweisen könnten und dies regelmäßig auch der Fall sei); Soergel/Leptien vor § 164 Rn 39 f.
49 Soergel/Leptien vor § 164 Rn 40; anders Flume (Fn 23) S. 572 für die Innenvollmacht; Köhler BGB Allgemeiner Teil, § 15 Rn 6. 50 Frotz S. 328 ff, 397 ff; Müller-Freienfels Die Abstraktion der Vollmachtserteilung im 19. Jahrhundert, in: Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, hrsg. von Coing und Wilhelm, Band II, 1977, S. 164 ff; Medicus/Petersen Allgemeiner Teil des BGB, Rn 949. 51 Protokolle der zweiten Kommission bei Mugdan Die gesammten Materialien zum BGB, Erster Band, 1899, S. 742. 52 BGH NJW 1985, 730 mwN. 531
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gers unabhängigen Verkehrsschutz, obwohl dies weder gerechtfertigt erscheint, noch mit § 173 BGB im Einklang steht. 40 Die dargestellten Bedenken führen dazu, im Anschluss an Flume und Frotz53 jedenfalls für die Innenvollmacht eine Geschäftseinheit mit dem Grundgeschäft anzunehmen. Diese Ansicht hat auch die Rechtsprechung mehrfach geäußert.54 Bei unwirksamem Grundgeschäft ist daher im Regelfall nach § 139 BGB auch die Vollmacht nicht wirksam. Der notwendige Verkehrsschutz gegenüber gutgläubigen Dritten ist durch § 15 HGB und die Anwendung der Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht zu gewährleisten.
41 d) Umfang der Vertretungsmacht. Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich nach dem Inhalt der Bevollmächtigung als einem selbständigen Rechtsgeschäft. Insbesondere bei der Innenvollmacht ist aber zu beachten, dass die Bevollmächtigung eine Geschäftseinheit mit dem Grundgeschäft bildet. Die Vollmacht ist Mittel zum Zweck, und der verfolgte Zweck ergibt sich aus dem Innenverhältnis. Sofern sich aus dem Rechtsgeschäft der Bevollmächtigung nichts anderes ergibt, hat daher die Auslegung der Vollmachtserklärung nach dem im Innenverhältnis beabsichtigten Zweck zu erfolgen. Auf diese Weise ist das Innenverhältnis mittelbar mitbestimmend für den Umfang der Vertretungsmacht. Diese Verknüpfung von Vollmacht und Grundgeschäft erkennt die hM auch insoweit an, als sie im Übrigen von der Abstraktheit der Vollmacht ausgeht.55 Indessen kann der Umfang der Vollmacht als eines selbständigen Rechtsgeschäfts wei42 terreichen, als die Befugnisse im Innenverhältnis. Dem Bevollmächtigten kann wirksam eine Vertretungsmacht eingeräumt sein, von der er nach den im Innenverhältnis bestehenden Bindungen keinen Gebrauch machen darf.56 Dies zeigt sich besonders deutlich bei der Generalvollmacht, die im Außenverhältnis unbeschränkt ist, bei der aber regelmäßig im Innenverhältnis eine Bindung an die Weisungen des Vollmachtgebers besteht. Handelt der Vertreter innerhalb des Umfangs seiner Vertretungsmacht, aber unter Überschreitung seiner Befugnisse im Innenverhältnis, so ist sein Handeln im Außenverhältnis zum Geschäftspartner rechtsgeschäftlich wirksam und bindet den Vertretenen. Zum Missbrauch der Vertretungsmacht s. § 50 Rn 36 ff.
43 e) Rechte und Pflichten von Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem. Das Rechtsgeschäft der Bevollmächtigung bewirkt das Entstehen der Vertretungsmacht im Außenverhältnis. Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten gegenüber dem Vollmachtgeber ergeben sich allein aus dem Innenverhältnis. Dies gilt für Ansprüche auf Vergütung, Verpflichtungen zum Schadensersatz (§ 280 BGB), Bindung an Weisungen und sonstige Verhaltenspflichten. Insbesondere im Falle einer Missachtung der Weisungen des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten oder einer Überschreitung der durch das Innenverhältnis gezogenen Handlungsgrenzen kann sich der Bevollmächtigte wegen einer Verletzung des im Innenverhältnis bestehenden Rechtsverhältnisses schadensersatzpflichtig machen.
III. Kaufmännisches Vertretungsrecht 44 Da das BGB ein allgemeines Vertretungsrecht geschaffen hat, das auf den im Handelsrecht bereits früher anerkannten Prinzipien beruht, kann sich das geltende kaufmännische Vertretungs53 Flume (Fn 23) S. 572; Frotz S. 331. 54 RGZ 81, 49 (51 f); RGZ 94, 147 (149); RGZ 97, 273 (275); BGH WM 1964, 182 (183); offengelassen von BGH NJW 1985, 730. 55 Neuner (Fn 24) § 50 Rn 9. 56 BGH WM 2003, 749 (750). Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
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recht auf ergänzende Regelungen beschränken. Das HGB regelt insbesondere nicht die Zulässigkeit der Vertretung und das Prinzip der Offenkundigkeit; Erteilung und Erlöschen der Vertretungsmacht werden nur kursorisch behandelt. Es sind daher die allgemeinen Regeln des BGB über die Stellvertretung anzuwenden, die ihrerseits durch die handelsrechtlichen Bestimmungen ergänzt bzw. abgeändert werden. Eine einheitliche, Prokura und Handlungsvollmacht gleichermaßen umfassende Theorie 45 des kaufmännischen Vertretungsrechts lässt sich nicht begründen. Sie könnte am ehesten auf der beiden Erscheinungsformen der kaufmännischen Vertretungsmacht gemeinsamen Grundlage entwickelt werden, dass die handelsrechtlichen Besonderheiten dem Verkehrsschutz dienen. Indessen steuern die Regelungen über die Prokura und die Handlungsvollmacht dieses gemeinsame Ziel auf so verschiedenen Wegen an, dass es an einer Übereinstimmung in den wesentlichen Grundlagen fehlt.
1. Prokura Bei der Prokura hängen das Entstehen und der Fortbestand der Vertretungsmacht zwar von dem 46 rechtsgeschäftlichen Willen des Kaufmanns als Vertretenem ab. Eine Klarstellung des rechtsgeschäftlichen Willens wird jedoch bereits dadurch erreicht, dass die Prokura nur durch eine ausdrückliche Erklärung erteilt werden kann (§ 48 Abs. 1). Die Abhängigkeit der Vertretungsmacht von dem rechtsgeschäftlichen Willen des Vertretenen bürdet nach allgemeinem bürgerlichen Recht dem Geschäftspartner das Risiko des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Vertretungsmacht auf; sein guter Glaube an die Vertretungsmacht wird nur in engen Grenzen geschützt (§§ 170 bis 173 BGB). Darüber geht das Handelsrecht weit hinaus, indem das Risiko des Nichtbestehens der Vertretungsmacht durch den allgemeinen Registerschutz zugunsten des gutgläubigen Rechtsverkehrs auf den Vertretenen verlagert wird (§ 15). Die Wirkungen der Vertretung in der Person des vertretenen Kaufmanns beruhen also entweder auf dessen rechtsgeschäftlichem Willen (wirksam erteilte Prokura) oder auf den Rechtsscheinwirkungen des Handelsregisters. Der Schutz des Rechtsverkehrs wird noch dadurch verstärkt, dass ein Zwang zur Eintragung der Prokura im Handelsregister besteht (§ 53 Rn 4). Ist die Prokura wirksam erteilt worden oder kann das Nichtbestehen der Vertretungsmacht 47 dem gutgläubigen Rechtsverkehr infolge des Registerschutzes oder nach den allgemeinen Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht (oben Rn 21 ff) nicht entgegengesetzt werden, so wird der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz verbindlich und unbeschränkbar festgelegt (§§ 49, 50). Damit wird der Rechtsverkehr auch hinsichtlich des Inhalts der Vollmacht umfassend geschützt, so dass insoweit eine zusätzliche Regelung über den Schutz des guten Glaubens überflüssig ist. Der Kaufmann trägt das Risiko, dass sich der Prokurist nicht an die ihm erteilten Weisungen hält. Diese Risikoverteilung lässt die Problematik des Missbrauchs der Vertretungsmacht entstehen (s. § 50 Rn 35 ff).
2. Handlungsvollmacht Auf ganz andere Weise als bei der Prokura wird der Verkehrsschutz bei der Handlungsvollmacht 48 angestrebt. Die Erteilung der Vertretungsmacht hängt wiederum von dem rechtsgeschäftlichen Willen des vertretenen Kaufmanns ab. Es besteht aber kein Registerschutz zugunsten des gutgläubigen Rechtsverkehrs und mit Ausnahme des in § 56 geregelten Tatbestandes auch kein sonstiger allgemeiner Gutglaubensschutz. Im Gegensatz zur Prokura trägt daher nach der gesetzlichen Regelung der Geschäftspartner das Risiko des Nichtbestehens der Vertretungsmacht. Mit den praktischen Erfordernissen des Handelsverkehrs ist dies unvereinbar. Die Recht- 49 sprechung hat sich deshalb schon früh veranlasst gesehen, das Risiko auf den vertretenen Kaufmann zu verlagern. Das Reichsgericht hat dazu den Rechtssatz entwickelt, dass die Frage der 533
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Vertretungsmacht weniger nach dem rechtsgeschäftlichen Willen des Vertretenen als vielmehr maßgeblich danach zu beurteilen sei, ob der Dritte nach Treu und Glauben das Verhalten des Vertretenen so verstehen dürfe, dass diesem bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Verhalten des Vertreters nicht habe verborgen bleiben können und dass es daher von dem Vertretenen geduldet werde.57 Auf dieser Grundlage hat die Rechtsprechung das Recht der Handlungsvollmacht fortentwickelt, indem die Beschäftigung von Angestellten als stillschweigende bzw. konkludente Erteilung einer Handlungsvollmacht angesehen wird (s. § 54 Rn 21 f). 50 Die mit der Annahme stillschweigender bzw. konkludenter Erklärungen verbundene Verobjektivierung des Erklärungswertes führt dazu, dass der Nachweis eines fehlenden Bevollmächtigungswillens im Ergebnis nicht zugelassen wird. Damit geht die so verstandene Regelung der Handlungsvollmacht noch über den Registerschutz bei der Prokura hinaus, da die stillschweigende bzw. konkludente Bevollmächtigung keinen guten Glauben des Geschäftspartners voraussetzt. Soweit eine stillschweigende bzw. konkludente Bevollmächtigung in der Beschäftigung mangels einer entsprechenden Typizität nicht zu sehen ist, gelten für die Handlungsvollmacht die Grundsätze der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (s. § 54 Rn 90 ff). Hierdurch wird ein Schutz des guten Glaubens bewirkt, der hinter dem Registerschutz der Prokura insofern zurückbleibt, als die Feststellung einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht mehr voraussetzt als die Registereintragung. 51 Erst wenn eine Handlungsvollmacht rechtsgeschäftlich wirksam erteilt worden ist oder nach den ungeschriebenen Grundsätzen von einer Vertretungsmacht auszugehen ist, setzt die gesetzliche Regelung ein. Sie normiert Verkehrsschutz für den Umfang der Vertretungsmacht. Dieser besteht aber nicht umfassend und endgültig wie im Recht der Prokura. Er ist einmal beschränkt auf einen Teil der Handelsgeschäfte, zum anderen insofern unsicher, als der Umfang der Vertretungsmacht für den Regelfall gesetzlich nur vage umschrieben wird (§ 54 Abs. 1) und Präzisierungen lediglich für Sonderfälle erfolgen (§§ 54 Abs. 2, 55, 56). Der Verkehrsschutz wird gegenüber dem Recht der Prokura weiter dadurch abgeschwächt, dass rechtsgeschäftliche Beschränkungen der Handlungsvollmacht zulässig sind und die gesetzliche Regelung nur den gutgläubigen Geschäftspartner schützt, der die Beschränkungen nicht kennt. Diese dogmatisch besonders bedeutsame Abweichung von dem für die Prokura geltenden gegenteiligen Grundsatz ist erst durch § 54 Abs. 3 HGB eingeführt worden. Bis dahin legte Art. 47 ADHGB den Umfang der Handlungsvollmacht im Einklang mit der Prokura verbindlich fest. 52 Trotz der nicht zu verkennenden Unsicherheiten hinsichtlich der Erteilung und des Umfangs der Handlungsvollmacht wird das Ziel des Verkehrsschutzes durch die gesetzliche Regelung im praktischen Ergebnis erreicht. Diese Annahme erscheint deshalb gerechtfertigt, weil gerichtliche Streitfälle gemessen an der tatsächlichen Häufigkeit des Auftretens von Handlungsbevollmächtigten eher selten sind.
IV. Internationales Privatrecht 53 Art. 3 EGBGB räumt zwar den unionsrechtlichen und staatsvertraglichen Kollisionsnormen den Vorrang vor den Regelungen des EGBGB ein.58 Das Recht der organschaftlichen und rechtsgeschäftlichen Stellvertretung ist jedoch nach Art. 1 Abs. 2 lit. g) Rom I-VO vom Anwendungsbereich der Rom I-VO ausgenommen.59 Das Statut der Prokura bestimmt sich deshalb nach Art. 8 EGBGB.60 Dem steht nicht entgegen, dass Art. 8 EGBGB allein die durch Rechtsgeschäft erteilte
57 58 59 60
RGZ 65, 292 (295); RG JW 1927, 1249 Nr. 5; RGZ 117, 164 (165 f). Grüneberg/Thorn, EGBGB Art. 3 Rn 1; MünchKommBGB/v. Hein EGBGB Art. 3 Rn 1. Ferrari IntVertragsR/Kieninger VO (EG) 593/2008 Art. 1 Rn 23; MünchKommBGB/Martiny Rom I-VO Art. 1 Rn 75. Zum Umfang des Vollmachtstatuts Staudinger/Magnus EGBGB Art 8 Rn 133 ff.
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Vertretungsmacht erfasst.61 Denn entgegen einer früher vertretenen Ansicht62 handelt es sich bei der Prokura nach heute ganz h.M. um eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, ist bei ihr doch lediglich der Umfang gesetzlich festgelegt ist.63 Vom Anwendungsbereich des Art. 8 EGBGB ausgenommen sind Vollmachten zu Verfügungen über Grundstücke bzw. Grundstücksrechte und Vollmachten zu Börsengeschäften (Art. 8 Abs. 6 und 7 EGBGB). Das auf die Prokura anwendbare Recht bestimmt sich vorrangig nach der Rechtswahl. Die 54 Rechtswahl kann unilateral durch den Vertretenen vorgenommen werden (Art. 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB), wenn der Prokurist und der Dritte vor Gebrauch der Prokura davon Kenntnis erlangen.64 Wird explizit „Prokura“ erteilt und erfolgt die Eintragung ins deutsche Handelsregister, so spricht der starke Bezug zur deutschen Rechtsordnung für eine konkludente Wahl des deutschen Rechts.65 Das anwendbare Recht kann auch zwischen allen Parteien des Vertretergeschäfts durch einen dreiseitigen Vertrag bestimmt werden (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Die dreiseitige Rechtswahl ist vorrangig gegenüber der unilaterelan (Art. 8 Abs. 1 Satz 3 EGBGB),66 kann konkludent und sogar nach Gebrauch der Prokura vorgenommen werden.67 Die ausdrückliche Wahl des Prokurastatuts ist eine ins Handelsregister eintragungsfähige Tatsache.68 Soweit es an einer Rechtswahl fehlt, wird das Statut der Prokura durch eine selbstständige Anknüpfung bestimmt.69 Die Anknüpfung ist unabhängig von dem auf das Innenverhältnis und das Vertretergeschäft anwendbaren Recht, was der überwiegend vertretenen Ansicht vor Geltung des Art. 8 EGBGB entspricht.70 Wird der Prokurist iSv § 14 BGB unternehmerisch tätig, ist das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Prokurist zum Zeitpunkt der Ausübung der Prokura seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 8 Abs. 2 EGBGB). Handelt der Prokurist als Arbeitnehmer, was regelmäßig der Fall sein wird (vgl. § 48 Rn 139),71 ist nach Art. 8 Abs. 3 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Prokuraerteiler im Zeitpunkt der Ausübung der Prokura seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Bei juristischen Personen und Handelsgesellschaften tritt an die Stelle des gewöhnlichen Aufenthalts der Ort der tatsächlichen Hauptverwaltung (Art. 8 Abs. 8 EGBGB iVm Art. 19 Abs. 1 Rom I-VO),72 bei Einzelkaufleuten der Ort der Hauptniederlassung.73 Die Anknüpfung an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts erfolgt nicht, wenn dieser Ort oder die Arbeitnehmerstellung des Prokuristen74 für den Dritten nicht erkennbar waren, was vom Gesetz allerdings vermutet wird. Subsidiär gilt nach Art. 8 Abs. 4 und 5 EGBGB das
61 BT-Drs. 18/10714 S. 24; Staudinger/Magnus EGBGB Art 8 Rn 37. 62 Raape Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 1961, S. 502; Rabel RabelsZ 3 (1929), 834 f. 63 BeckOK-BGB/Mäsch, EGBGB Art. 8 Rn 22; Staudinger/Magnus EGBGB Art 8 Rn 38; MünchKommBGB/Spellenberg, EGBGB Art. 8 Rn 59; Heymann/Teichmann HGB § 48 Rn 1; Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (474).
64 S. dazu MünchKommBGB/Spellenberg EGBGB Art. 8 Rn 87 ff. 65 Staudinger/Magnus EGBGB Art 8 Rn 72; MünchKommBGB/Spellenberg EGBGB Art. 8 Rn 88 ff; BeckOK-BGB/ Mäsch EGBGB Art. 8 Rn 37. Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (478) wollen in der Erteilung der Prokura regelmäßig eine konkludente Rechtswahl zugunsten des Gesellschaftsstatuts sehen, was mit Art. 4 Abs. 2 EGBGB in Konflikt steht. Die Kenntnis des Dritten oder des Vertreters könne jedenfalls nicht allein aufgrund der Eintragung fingiert werden. 66 MünchKommBGB/Spellenberg EGBGB Art. 8 Rn 97 ff; Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (474). 67 BGH NJW 2009, 1205; Staudinger/Magnus EGBGB Art 8 Rn 71. 68 Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (479). 69 Oetker/Schubert HGB § 48 Rn 82; Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473. 70 BGHZ 43, 21 (26); BGHZ 64, 183 (192); BGH NJW 1982, 2733; Rabel RabelsZ 3 (1929), 807 ff; Zweigert RabelsZ 24 (1959), 334 ff; Braga RabelsZ 24 (1959), 337 ff; Kropholler NJW 1965, 1644 ff; Reithmann/Martiny/Hausmann Rn 6, 398 ff mwN. 71 Oetker/Schubert HGB § 48 Rn 83. 72 Ferrari IntVertragsR/Ferrari VO (EG) 593/2008 Art. 19 Rn 6 ff; Staudinger/Magnus Art 19 Rom I-VO Rn 10 ff. 73 Staudinger/Magnus Art 19 Rom I-VO Rn 14 ff; BeckOK-BGB/Spickhoff VO (EG) 593/2008 Art. 19 Rn 5; zur früheren Rechtslage Ebenroth JZ 1983, 822 ff; MünchKommBGB6/Spellenberg Vor Art. 11 EGBGB Rn 148 ff; Kegel Internationales Privatrecht9 § 17 V. 2. a). 74 MünchKommBGB/Spellenberg EGBGB Art. 8 Rn 125; Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473, (475). 535
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Wirkungsstatut, damit ist kollisionsrechtlich das Recht des Staates maßgeblich, in dem von der Prokura Gebrauch gemacht wird. 55 Weicht der Satzungssitz vom Ort der tatsächlichen Hauptverwaltung ab, ist auf die organschaftliche Vertretung, die an den Satzungssitz anknüpft, ein anderes Recht anzuwenden als auf die Prokura.75 Die gemischte Gesamtvertretung, d.h. die Mitwirkung des Prokuristen an der organschaftlichen Vertretung einer Gesellschaft, hat die Rechtssprechung bisher einheitlich dem Recht unterstellt, in dem der Verwaltungsitz der Gesellschaft lag.76 Nach Art. 8 EGBGB erfolgt die Anknüpfung in diesen Fällen, sowie bei dem Wirken zweier Prokuristen, für jeden selbstständig. Die (Gesamt-)Vertretung kann für ein Rechtsgeschäft nach zwei unterschiedlichen Rechtsordnungen beurteilt werden.77
75 Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (476). 76 BGH NJW 1992, 618. 77 Kindler/Brüggemann RiW 2018, 473 (477). Fischinger
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§ 48 [Erteilung der Prokura, Gesamtprokura] (1) Die Prokura kann nur von dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden. (2) Die Erteilung kann an mehrere Personen gemeinschaftlich erfolgen (Gesamtprokura).
Schrifttum Bärwaldt/Hadding Die Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung des Prinzipals, NJW 1998, 1103; Beck, Zur Funktionsweise der Prokura als handelsrechtliche Vollmacht; JURA 2016, 969; Beuthien Die Miterbenprokura, FS Fischer 1979, 1; ders. abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nur Gemischte Gesamtvertretung und unechte Gesamtprokura im deutschen Gesellschaftsrecht, FS Hyung-Bae Kim 1995, 127; Beuthien/Müller Gemischte Gesamtvertretung und unechte Gesamtprokura, DB 1995, 461; Bohnstedt Prokura, Handlungsvollmacht und Generalvollmacht, MittRhNotK 1974, 579; Bondi Der Testamentsvollstrecker des Kaufmanns, ZBlHR 1926, 308; Bondi Kann eine Handelsgesellschaft oder eine juristische Person des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts Handlungsbevollmächtigter, Handlungsgehilfe, Handlungsagent und dergl. sein oder andere Vertreter- und Vertrauensstellungen wie Liquidator, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter und dergl. einnehmen? ZBlHR 1929, 34; Brox Erteilung, Widerruf und Niederlegung von Prokura und Handlungsvollmacht im neuen Aktienrecht, NJW 1967, 801; Bucher Organschaft, Prokura, Stellvertretung, FS Bürgi 1971, 39; Cassel Stillschweigende Bevollmächtigung und Scheinvollmacht im Handelsrecht, Diss. Marburg 1934; Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil I), Jura 2002, 289; Düsterdieck Bemerkung zu dem Aufsatz: „Der Testamentsvollstrecker des Kaufmanns“ (von Bondi ZBlHR 1926, 308), ZBlHR 1927, 112; Fischer Die zivilrechtliche Haftung des Prokuristen, WiB 1996, 921; Frotz Verkehrsschutz im Vertretungsrecht (1972); Germer Die Prokura der GmbH & Co. KG, BaWüNotZ 1986, 54; Grothus Zur Rechtsstellung des Prokuristen einer GmbH, BB 1960, 775; Grüter Prokura der GmbH & Co. KG und Aufsichtsrat der Komplementär-GmbH, BB 1979, 243; Gruß Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft, DB 1955, 573; Heim Zur gesetzlichen und gewillkürten Vertretung einer Handelsgesellschaft, BB 1957, 235; Heining Der Prokurist der GmbH, GmbHR 1950, 68; ders. Die Rechtsstellung des Prokuristen in der GmbH, GmbHR 1956, 565; Hesselmann Die Prokura bei der GmbH, GmbHR 1960, 157; Hofmann/Fladung/Ghemen Der Prokurist, 8. Aufl. (2007); Honsell Die Besonderheiten der handelsrechtlichen Stellvertretung, JA 1984, 17; Hornung Einzelfragen aus dem novellierten Genossenschaftsrecht, Rpfleger 1975, 384; H. Hübner Die Prokura als formalisierter Vertrauensschutz, FS Klingmüller 1974, 173; Kahler Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 105 AktG, BB 1983, 1382; Köhl Der Prokurist in der unechten Gesamtvertretung, NZG 2003, 197; Krebs Ungeschriebene Prinzipien der handelsrechtlichen Stellvertretung als Schranken der Rechtsfortbildung – speziell für Gesamtvertretungsmacht und Generalvollmacht, ZHR 159 (1995), 635; Kruse Zum Verhältnis von Testamentsvollstreckung und Prokura nach dem Tode des Erblassers, DB 1956, 885; Lepke Zur prozessualen Stellung der Kommanditisten mit Prokura, DB 1969, 1591; Meyer-Arndt Kredite an Geschäftsführer und Prokuristen einer GmbH, DB 1980, 2328; H.-F. Müller Der Prokurist und das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG, ZGR 2003, 441; K. J. Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; Niethammer Haftung eines zum Prokuristen bestellten Kommanditisten, BB 1959, 725; Obermüller Erteilung von Handlungsvollmacht oder Prokura durch den Konkursverwalter? BB 1957, 412; Orlowski Die arbeitsrechtliche Stellung des Prokuristen, Diss. Bielefeld 2003; Plagemann Der unecht gesamtvertretende Prokurist im Spannungsfeld der Kompetenzverteilung des GmbH-Gesetzes, GmbHR 2006, 576; Karsten Schmidt Die Prokura in Liquidation und Konkurs der Handelsgesellschaften, BB 1989, 229; Grooterhorst/Spitzbarth Vollmachten in Unternehmen, 6. Aufl. (2014); Sprengel Die Vertretung öffentlich-rechtlicher Sparkassen durch Bevollmächtigte, ZHR 119 (1956), 1; Staab Die Vertretung einer Kommanditgesellschaft durch einen Kommanditisten, BB 1959, 435; Stoll Der Mißbrauch der Vertretungsmacht, FS Lehmann 1937, 115; Stüsser Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht (1986); Walchshöfer Die Erteilung der Prokura und ihre Eintragung in das Handelsregister, Rpfleger 1975, 381; Weimar Rechtsfragen der Vertretungsmacht, Prokura und Handlungsvollmacht, MDR 1969, 22; ders. Prokura und Handlungsvollmacht, MDR 1974, 121; ders. Der Prokurist als das zweite Ich des Prinzipals, MDR 1981, 898; v. Westphalen Die Prokura – Erteilung, Umfang, Mißbrauch und Erlöschen, DStR 1993, 1183; Wurm Prokura und Handlungsvollmacht (1988).
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II.
Entstehung der Prokura (Abs. 1)
537 https://doi.org/10.1515/9783111097510-035
1.
Prokurafähige Unternehmen 5 a) Kaufmann b) Handelsgesellschaft
4 9 Fischinger
§ 48
2.
3.
4.
5. 6.
7.
1. Buch. Handelsstand
aa) Vorgesellschaft 10 11 bb) Liquidationsgesellschaft 14 c) Handelsgeschäft unter Verwaltung 15 aa) Insolvenz 16 bb) Testamentsvollstreckung cc) Nachlasspflegschaft, Nachlassverwal19 tung 20 d) Staat 21 Person des Prokuristen 22 a) Natürliche Personen 23 b) Juristische Personen c) Personenverschiedenheit vom Inha24 ber 25 aa) Gesetzlicher Vertreter 26 bb) Miterbe cc) Testamentsvollstrecker und Nachlass30 verwalter 31 dd) Vorerbe und Nacherbe 32 ee) Insolvenzschuldner 33 ff) Insolvenzverwalter 34 gg) Gesellschafter 38 hh) Organmitglieder 44 ii) Rechtsnachfolge Erteilung 45 a) Erklärungsperson 54 b) Rechtsgeschäft 57 c) Ausdrückliche Erklärung 60 d) Bedingung/Befristung 61 e) Eintragung im Handelsregister 62 f) Wirksamwerden Rechtsfolgen einer unwirksamen Pro63 kura 64 a) Umdeutung 67 b) Rechtsscheinvollmacht 68 Legitimation Anspruch auf Erteilung einer Prokura 70 a) Erfüllungsanspruch 74 b) Vergütungsansprüche 75 c) Fristlose Eigenkündigung 77 d) Schadensersatz aa) Vertraglicher Schadensersatzan78 spruch bb) Außervertraglicher Schadensersatzan80 spruch cc) Schadensersatz wegen Kündi82 gung Verpflichtung zur Nichterteilung einer Pro83 kura
III. 1. 2. 3. 4.
5.
6. IV. 1.
Gesamtprokura (Abs. 2) 84 Zweck 87 Bedeutung der Gesamtprokura 90 Voraussetzungen und Erteilung 93 Gestaltungen 94 a) Echte Gesamtprokura 95 aa) Allseitige Gesamtprokura 96 bb) Halbseitige Gesamtprokura 97 b) Gemischte Gesamtvertretung 99 aa) Inhaber des Handelsgeschäfts 101 bb) Organschaftliche Vertreter cc) Von der Vertretung ausgeschlossene 107 Gesellschafter 108 dd) Handlungsbevollmächtigter ee) Rechtsgeschäftlicher Vertre110 ter Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 112 a) Umfang 117 b) Art des Zusammenwirkens 118 aa) Zustimmung 122 bb) Bevollmächtigung 125 c) Passive Vertretungsmacht 129 d) Kenntnis; Willensmängel 130 e) Formbedürftiges Rechtsgeschäft 131 f) Selbstkontrahieren g) Verhinderung eines Gesamtprokuris132 ten h) Erweiterungen der Vertretungs133 macht 136 i) Rechtsscheinvollmacht 137 Eintragung im Handelsregister
3. 4. 5. 6. 7. 8.
Rechtliche Stellung des Prokuristen Organisatorische Stellung im kaufmännischen 138 Unternehmen Prokura und Anstellungsverhältnis (Arbeits139 recht) 141 Besonderes Pflichtenverhältnis 143 Haftung 144 Betriebsverfassungsrecht 147 Prozessrechtliche Stellung Steuerrecht 150 Ordnungswidrigkeiten
V.
Darlegungs- und Beweislast
2.
151
I. Regelungsziel 1 Der Zweck der Prokura als gesetzlicher Institution besteht darin, dem Rechtsverkehr eine verlässliche Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit des Vertreterhandelns zu verschaffen. Dem dient der besonders weite und rechtsgeschäftlich nicht beschränkbare Umfang der Prokura im Außenverhältnis (§§ 49, 50). Der Schutz des Rechtsverkehrs führt zu Gefährdungen des InhaFischinger
538
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 48
bers des Handelsgeschäfts, der die Handlungen des Prokuristen auch dann gegen sich gelten lassen muss, wenn sie seinen Interessen oder sogar seinen ausdrücklichen Weisungen zuwiderlaufen. Das damit gegebene Sicherungsbedürfnis berücksichtigt das Gesetz in § 48, indem die Begründung der Prokura von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht und in Gestalt der Gesamtprokura eine Kontrollmöglichkeit geboten wird. Aus praktischer Sicht kommt es auf die besonderen Voraussetzungen der Prokuraerteilung nur an, wenn das Vertretergeschäft nicht auch schon bei Annahme einer bloßen Handlungsvollmacht für den Kaufmann verbindlich ist (Rn 64). Rechtstatsächliche Angaben über Häufigkeit und Arten der Prokura finden sich bei Kornblum u.a. GmbHR 1985, 16 f. Die Prokura ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht). Im Schrift- 2 tum wird demgegenüber vereinzelt angenommen, die Vertretungsmacht beruhe nicht auf dem (rechtsgeschäftlichen) Willen des Vertretenen, sondern auf einem von ihm geschaffenen Rechtsschein.1 Das überzeugt nicht, denn damit wird das Zusammenspiel zwischen der Vertretungswirkung auf Grund der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht (§ 48 HGB, § 167 BGB) und der Vertretungswirkung auf Grund des Registerschutzes (§§ 53, 15) verkannt, der nur bei Fehlen einer Vollmacht zum Zuge kommt. Die Prokura ist auch keine gesetzliche Vertretungsmacht, denn sie entsteht nicht kraft Gesetzes, sondern ausschließlich auf Basis eines entsprechenden rechtsgeschäftlichen Begründungsaktes. Daran vermag die Tatsache nichts zu ändern, dass der Umfang der Vollmacht gesetzlich umschrieben ist. Allerdings kann ein Prokurist im Wege der gemischten Gesamtvertretung an der organschaftlichen Vertretung einer Handelsgesellschaft mitwirken (Rn 101 ff). Die Bemerkung von Thöl, der Prokurist sei das „Alter Ego“ des Kaufmanns,2 ist aus heuti- 3 ger Sicht nicht mehr vollständig zutreffend, da die Befugnisse des Prokuristen hinter denen des Kaufmanns erheblich zurückbleiben. In früherer Zeit wurde als alter ego des Kaufmanns der Institor (Administrator) bezeichnet, der anstelle des Inhabers das gesamte Handelsgeschäft leitete und damit eine weitergehende Zuständigkeit als der heutige Prokurist hatte,3 so dass die Bezeichnung für diese Person treffender war.
II. Entstehung der Prokura (Abs. 1) 1. Prokurafähige Unternehmen Als handelsrechtliche Vollmacht kann die Prokura nur durch den Inhaber eines Handelsge- 4 schäftes bzw. für ihn erteilt werden, § 48 Abs. 1. Andere Vollmachten, mögen sie noch so umfassend sein, sind keine Prokura. Daraus ergeben sich im Einzelnen die nachfolgenden Anforderungen an die Person des Vollmachtgebers.
a) Kaufmann. Der Inhaber des Handelsgeschäftes muss Kaufmann nach §§ 1 ff sein. Im Falle 5 von § 1 besteht die Kaufmannseigenschaft ohne Weiteres, sodass es auf die Eintragung der Firma im Handelsregister nicht ankommt. In den Fällen der §§ 2 und 3 liegt dagegen ein Handelsgewerbe erst vor, wenn die Firma in das Handelsregister eingetragen worden ist. Hier setzt daher auch die Prokuraerteilung die Eintragung der Firma in das Handelsregister voraus.4 Eine vorher erteilte Prokura ist als solche nicht wirksam. Ein nichtkaufmännischer Kleingewerbetreibender kann keine Prokura erteilen. Eine unwirksame Erteilung kann auch nicht in die Erteilung 1 Bucher S. 40. 2 Thöl Das Handelsrecht, 6. Aufl. 1879, Erster Band, S. 190. 3 Vgl. Schindler Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hrsg. von Lutz, Erster Theil, 1858, S. 72. Vgl. auch Vor § 48 Rn 4. 4 KG NJW 1959, 1086 (1087). 539
Fischinger
§ 48
1. Buch. Handelsstand
einer Handlungsvollmacht umgedeutet werden, weil ein Kleingewerbetreibender eine Handlungsvollmacht ebensowenig erteilen kann5 (s. § 54 Rn 9). 6 Wenn andererseits eine Firma im Handelsregister eingetragen ist, kann der Geschäftsinhaber nach § 5 nicht geltend machen, er betreibe kein Handelsgewerbe.6 Demgemäß kann sich der Inhaber auch nicht darauf berufen, eine von ihm erteilte Prokura sei wegen Fehlens eines Handelsgewerbes unwirksam.7 Soweit sich jemand nach der Lehre vom Scheinkaufmann als Kaufmann behandeln lassen muss (§ 5 Rn 24 ff), gilt dies auch für eine von ihm erteilte Prokura. Sie ist zwar nicht wirksam, weil der Vollmachtgeber kein Kaufmann ist. Er muss die unwirksame Prokura aber gegenüber gutgläubigen Dritten als Vollmacht mit dem Umfang gegen sich gelten lassen, den eine Prokura hat (§ 5 Rn 29).8 Es ist dies ein Fall der Anscheinsvollmacht mit Prokuraumfang (s. Rn 67). 7 Stirbt ein Kaufmann und wird er von mehreren Personen beerbt, so können die Miterben auch ohne gesellschaftlichen Zusammenschluss ein ererbtes Handelsgeschäft in ungeteilter Erbengemeinschaft ohne zeitliche Begrenzung fortführen.9 Die Miterben können als Inhaber des Handelsgeschäftes Prokura erteilen.10 Eine bereits vom Erblasser erteilte Prokura wird durch den Tod des Kaufmanns nicht beendet, § 52 Abs. 3. Zur Problematik, ob die Prokura einem der Miterben erteilt werden kann und ob eine bestehende Prokura erlischt, wenn der Prokurist Miterbe wird, s. Rn 26 ff und § 52 Rn 35. 8 Ein Apotheker ist Kaufmann, da der Betrieb der Apotheke als Handelsgewerbe nach § 1 anzusehen ist.11 Gleichwohl ist umstritten, ob ein Apotheker Prokura erteilen kann. Dem wird entgegen gehalten, dass der Apotheker die Apotheke gemäß § 7 Satz 1 ApothekenG und der ApothekenBetrO persönlich und in eigener Verantwortung zu leiten hat, womit sich die Bestellung eines Prokuristen nicht vertrage.12 Es ist aber andererseits nicht zu übersehen, dass der Gesetzgeber in den letzten Jahren an verschiedenen Stellen eine Liberalisierung des Apothekenrechts eingeläutet hat (Online-Handel, Zulassung mehrerer Filialapotheken). Angesichts dieser gesetzgeberischen Wertentscheidungen ist es nicht überzeugend, an einem Verbot der Prokuraerteilung für Apotheker festzuhalten.13
9 b) Handelsgesellschaft. Die Bestimmungen über Kaufleute gelten auch für die Handelsgesellschaften, § 6 Abs. 1. OHG und KG können daher für ihr Handelsgewerbe Prokuristen bestellen. Gleiches gilt für Aktiengesellschaften (§ 3 AktG), Kommanditgesellschaften auf Aktien (§§ 278, 3 AktG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 13 Abs. 3 GmbHG), Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (§ 172 VAG) eingetragene Genossenschaften (§ 42 GenG), Europäische Aktiengesellschaften (§ 3 SEBG iVm § 3 AktG) sowie Europäische Genossenschaften (§ 3 SCE-Ausführungsgesetz iVm § 3 AktG). Dagegen können keine Prokura erteilen: Eine Partnerschaftsgesell-
5 Müller JuS 1998, 1000 (1001). 6 Nach hM kann er freilich trotz § 5 geltend machen, er betreibe überhaupt kein Gewerbe: BAG DB 1988, 125 (126); BGHZ 32, 307 (313 f). Diese Ansicht höhlt den mit § 5 bezweckten Schutz des Rechtsverkehrs und das Vertrauen auf das Handelsregister in bedenklicher Weise aus. Vgl. dazu auch § 5 Rn 8 f. 7 A. Hueck ArchBürgR 43 (1919), 456. 8 A. Hueck ArchBürgR 43 (1919), 456. 9 BGHZ 92, 259 (262) mwN. 10 KG HRR 1939 Nr. 1472; OLG Stuttgart WM 1976, 700 (702); vgl. auch BGHZ 30, 391 (397 f). 11 BGH NJW 1983, 2085 (2086). 12 OLG Celle Rpfleger 1988, 487, wo offengelassen wird, ob eine befristete Prokuraerteilung möglich ist, wenn sich ein Apotheker in gesetzlich zulässiger Weise für eine begrenzte Zeit durch einen anderen Apotheker vertreten lässt; R. Schiedermair FS Laufke, 1971, S. 263 Fn 30; Staub/Joost (2008) § 48 Rn 8. 13 So iE auch OLG Karlsruhe NZG 2017, 186 (187); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 6; MünchKommHGB/ Krebs Rn 14; offen gelassen von BGH NZG 2017, 1226 (1229). Fischinger
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§ 48
schaft (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 PartGG), ein Verein, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, eine reine vermögensverwaltende (Innen-)Gesellschaft.14
aa) Vorgesellschaft. Die im Gründungsstadium von Kapitalgesellschaften bestehende Vorge- 10 sellschaft kann bereits eine Prokura erteilen.15 Praktische Bedeutung hat dies insbesondere, wenn ein bestehendes Handelsunternehmen im Zuge der Gründung von der Vorgesellschaft fortgeführt wird. Gegen die Zulässigkeit der Prokuraerteilung scheint zwar zu sprechen, dass die Prokura entgegen § 53 Abs. 1 nicht in das Handelsregister eingetragen werden kann, da auch die Vorgesellschaft als solche nicht eintragungsfähig ist.16 Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Nach dem heutigen Stand der Rechtsentwicklung ist die Vorgesellschaft eine besondere Organisationsform, „die einem Sonderrecht untersteht, das aus den im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag gegebenen Gründungsvorschriften und dem Recht der rechtsfähigen GmbH, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt, besteht“.17 Die Vorgesellschaft kann Trägerin eines Unternehmens sein.18 Die Anerkennung der Vorgesellschaft als besonderer Gesellschaftsform führt notwendig dazu, dass der Betrieb eines Handelsunternehmens der Vorgesellschaft die Kaufmannseigenschaft verleiht. Dafür ist die Eintragung im Handelsregister keine zwingende Voraussetzung. Bedenken wegen der grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Eintragung einer Prokura verlieren demgegenüber ihr Gewicht. Die Eintragung der Prokura ist für deren Bestehen nicht konstitutiv (s. Rn 61). Die Pflicht zur Eintragung besteht nur für denjenigen Inhaber des Handelsgeschäfts, der selbst nach § 29 eintragungspflichtig ist. Wenn die Vorgesellschaft als solche nicht als eintragungspflichtig angesehen wird, entfällt für sie auch die Pflicht zur Eintragung der Prokuraerteilung. bb) Liquidationsgesellschaft. Umstritten ist die Zulässigkeit der Erteilung einer Prokura für 11 eine in Liquidation befindliche Handelsgesellschaft. Die Problematik weist Gemeinsamkeiten mit der Bestellung einer Prokura durch einen Insolvenzverwalter (s. Rn 15) und dem Erlöschen einer bereits bestehenden Prokura bei Liquidation und Eröffnung des Insolvenzverfahrens (s. § 52 Rn 46 ff) auf. Eine gesetzliche Regelung fehlt. In § 210 Abs. 5 AktG 1937 war die Bestellung von Prokuristen für die in Liquidation befindliche Aktiengesellschaft ausgeschlossen worden. Die Bestimmung ist im Aktiengesetz 1965 weggelassen worden, wobei der Gesetzgeber damit unter Anerkennung eines entsprechenden wirtschaftlichen Bedürfnisses die Absicht verband, im Gegensatz zum früheren Recht die Bestellung von Prokuristen zuzulassen.19 Die hM hält deshalb die Bestellung eines Prokuristen für die in Liquidation befindliche Aktiengesellschaft für zulässig.20 Diese Entwicklung hat zugleich die Beurteilung im Recht der GmbH beeinflusst und geän- 12 dert. Nach der früher hM war die Bestellung einer Prokura für die in Liquidation befindliche
14 OLG München NJW 2005, 3730. 15 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 6; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2a; GrosskommGmbHG/Ulmer/Habersack § 11 Rn 61; Rittner Die werdende juristische Person, 1973, S. 359 mN zum älteren Schrifttum. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 5. 16 Aus diesem Grunde ablehnend zur Prokuraerteilung Schnorr v. Carolsfeld DNotZ 1963, 410 Fn 29. Zur Problematik der Eintragung der Vorgesellschaft s. K. Schmidt JZ 1973, 304. 17 BGHZ 21, 242 (246). 18 K. Schmidt Gesellschaftsrecht § 34 III. 3. a). 19 Begründung des Regierungsentwurfs bei Kropff AktG 1965, S. 358 f. 20 GroßkommAktG/K. Schimdt § 269 Rn 5; MünchKommAktG/J. Koch § 269 Rn 16; KölnKomm-AktG/Winnen § 269 Rn 6. 541
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GmbH nicht möglich.21 Die heute ganz hM lässt dagegen die Prokuraerteilung zu.22 Auch im Bereich des Personengesellschaftsrechts setzt sich – entgegen der überkommenen Auffassung, nach der eine Prokuraerteilung für eine in Liquidation befindliche Handelsgesellschaft unzulässig sei23 – wohl langsam überwiegend die zutreffende Meinung durch, dass die Erteilung einer Prokura für alle Liquidationsgesellschaften zulässig ist.24 Ihr Ausschluss im Liquidationsstadium ist nicht überzeugend begründbar. Die Erteilung einer Prokura könnte nur dann als unzulässig angesehen werden, wenn deren Sinn und Zweck den Zielen des Liquidationsverfahrens zuwiderlaufen würden. Eine derartige Annahme entbehrt jedoch der Grundlage. Zwar dient das Liquidationsverfahren nur mehr einem Abwicklungsziel. In diesem Rahmen können jedoch grundsätzlich alle Geschäfte erforderlich werden, die auch bei einer werbenden Gesellschaft vorgenommen werden, insbesondere auch die Eingehung neuer Geschäfte (§ 149 Satz 1). Eine Unvereinbarkeit des Zwecks der Liquidation mit dem Zweck der Prokuraerteilung ist daher nicht ersichtlich. 13 Auch die von der hM angenommene gesetzliche Beschränkung der Vertretungsmacht von Liquidatoren einer Personenhandelsgesellschaft durch § 149 Satz 225 erfordert nicht den Ausschluss der Prokuraerteilung. Zwar kann die Prokura als von dem Inhaber des Handelsgeschäfts abgeleitete Vertretungsmacht nicht weitergehen als die eigene Handlungsbefugnis des Inhabers bzw. seines gesetzlichen Vertreters. Dem lässt sich aber ohne Weiteres dadurch entsprechen, dass die Vertretungsbefugnis des Prokuristen gesetzlich durch den Liquidationszweck beschränkt wird.26
14 c) Handelsgeschäft unter Verwaltung. Wenn anstelle des Inhabers des Handelsgeschäfts eine andere Person das Handelsgeschäft auf der Grundlage eines besonderen Verwaltungsrechts führt, entsteht in gleicher Weise wie bei der Liquidation einer Handelsgesellschaft die Frage, ob der Verwalter Prokura erteilen kann (s. bereits Rn 11 ff sowie zum Erlöschen bestehender Prokuren § 52 Rn 46 f).
15 aa) Insolvenz. Der Insolvenzverwalter kann – entgegen der früheren Rechtsprechung27 – Prokura erteilen.28 Es ist dabei ohne Bedeutung, dass der Insolvenzverwalter kein Kaufmann ist. Der Schuldner, für dessen Unternehmen die Prokura bestellt wird, verliert die Kaufmannseigenschaft durch die Insolvenzeröffnung nicht. Nachdem für die Praxis feststeht, dass der Insolvenzverwalter das Handelsunternehmen fortführen kann,29 ist festzustellen, dass er gerade auf die Mitwirkung kaufmännisch befähigter Personen angewiesen ist. Das Verkehrsbedürfnis nach einer im Umfang formalisierten Vollmacht ist bei einer Fortführung des Handelsgeschäftes durch 21 Nachweise bei Scholz/K. Schmidt GmbHG § 69 Rn 7; K. Schmidt BB 1989, 229 Fn 12. 22 Scholz/K. Schmidt GmbHG § 69 Rn 7; K. Schmidt BB 1989, 233; Noack/Servatius/Haas GmbHG § 69 Rn 19; Hachenburg/Hohner GmbHG § 69 Rn 51; Altmeppen GmbHG § 69 Rn 5; MünchKommGmbHG/Müller § 68 Rn 13. 23 ROHGE 13, 223 (225); RGZ 72, 119 (123); Hueck Das Recht der OHG, 4. Aufl. 1971, S. 501. 24 OLG München NZG 2011, 1183; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. a); ders. BB 1989, 229 ff; Hopt/Merkt Rn 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 6; MünchKommHGB/Krebs Rn 11; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2a; Oetker/Schubert Rn 13; Heymann/Teichmann HGB Rn 9. 25 BGH NJW 1984, 982; Hopt/Roth § 149 Rn 7. AA K. Schmidt AcP 174 (1974), 64 ff; ders. AcP 184 (1984), 532 ff; ders. Gesellschaftsrecht 1986 § 11 V. 4. d); ders. BB 1989, 231. 26 Oetker/Schubert Rn 13; Heymann/Teichmann HGB Rn 10 fasst Handlungen, die über den Liquidationszweck hinausgehen unter die Figur des Missbrauchs der Vertretungsmacht. 27 BGH WM 1958, 430 (431). 28 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 14; Hopt/Merkt Rn 1; MünchKommHGB/Krebs Rn 18; Canaris Handelsrecht § 12 II. 1. a); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; K. Schmidt NJW 1987, 1908; ders. BB 1989, 230 (233); Walchshöfer Rpfleger 1975, 381 f. 29 BGHZ 99, 151 (155 ff). Fischinger
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§ 48
den Insolvenzverwalter in gleicher Weise gegeben wie bei einer in Liquidation befindlichen Handelsgesellschaft.
bb) Testamentsvollstreckung. Der Testamentsvollstrecker hat nach § 2205 Satz 1 BGB den 16 Nachlass zu verwalten.30 Ob und wie der Testamentsvollstrecker ein zum Nachlass gehöriges Unternehmen fortführen kann, ist zweifelhaft. Die Schwierigkeiten entstehen daraus, dass einerseits der Testamentsvollstrecker den Erben nicht ohne Weiteres unbeschränkt mit dessen Privatvermögen verpflichten kann, die Führung eines einzelkaufmännischen Unternehmens andererseits die unbeschränkte Haftung des Unternehmensinhabers voraussetzt. Im Schrifttum wird auf verschiedene Weise versucht, dem praktischen Bedürfnis nach einer 17 Führung des Unternehmens durch den Testamentsvollstrecker zu entsprechen.31 Nach der Testamentsvollstreckerkonzeption ist der Erbe Inhaber des Handelsgeschäfts, das aber von dem Testamentsvollstrecker unter Ausschluss des Erben geführt wird; die von dem Testamentsvollstrecker eingegangenen Verbindlichkeiten sind Nachlassverbindlichkeiten, ohne dass der Erbe mit seinem Privatvermögen haften würde. Nach der Vollmachtskonzeption ist ebenfalls der Erbe Träger des Unternehmens, das von dem Testamentsvollstrecker im Namen und mit Vollmacht des Erben geführt wird; Verpflichtungsgeschäfte führen zu einer unbeschränkten Haftung des Erben mit seinem Privatvermögen. Die Treuhandkonzeption geht davon aus, dass der Testamentsvollstrecker das Unternehmen im eigenen Namen für Rechnung des Erben fortführt; Verpflichtungsgeschäfte führen zu einer unbeschränkten persönlichen Haftung des Testamentsvollstreckers mit Ausgleichsansprüchen gegen den Erben im Innenverhältnis. Soweit danach die Unternehmensfortführung zulässig ist, lässt sich die Möglichkeit zur 18 Prokuraerteilung nicht einheitlich beurteilen.32 Der das Unternehmen im eigenen Namen führende Testamentsvollstrecker kann bei der Treuhandkonzeption selbst als Unternehmensinhaber Prokura erteilen.33 Handelt der Testamentsvollstrecker dagegen in Vollmacht des Erben, kann er eine Prokura nicht erteilen,34 weil dies dem Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. seinem gesetzlichen Vertreter vorbehalten ist (s. Rn 45). Bei der Testamentsvollstreckerkonzeption bestehen gegen eine Prokuraerteilung durch den Testamentsvollstrecker keine durchgreifenden Bedenken,35 da der Testamentsvollstrecker hier als gesetzlicher Vertreter des Inhabers des Unternehmens bzw. in einer vergleichbaren Stellung (Inhaber eines privaten Amtes) tätig wird. cc) Nachlasspflegschaft, Nachlassverwaltung. Der Nachlasspfleger hat gemäß § 1960 BGB 19 für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Soweit damit zulässigerweise die Führung eines zum Nachlass gehörigen Handelsgeschäfts verbunden ist, kann er als gesetzlicher Vertreter des Erben eine Prokura erteilen.36 Der beschränkte Zweck der Nachlasspflegschaft steht der Prokuraerteilung nicht entgegen, weil die Sicherung des Nachlasses eine Geschäftsführung erforderlich machen kann; insoweit gelten ähnliche Erwägungen wie bei der Liquidation von Handelsgesellschaften (s. Rn 11 ff). Die gleichen Grundsätze sind für den Nachlassverwalter maßgeblich.
30 Ob der Testamentsvollstrecker als Inhaber eines privaten Amtes im eigenen Namen oder als Vertreter des Erben in dessen Namen handelt, ist nach wie vor umstritten; s. dazu MünchKommBGB/Zimmermann Vor § 2197 Rn 5. 31 Zu den Einzelheiten s. MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 14 ff. 32 Uneingeschränkt aber für die Möglichkeit einer Prokuraerteilung Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 13; MünchKommHGB/Krebs Rn 24. 33 KG NJW 1959, 1086 (1088); MünchKommBGB/Zimmermann § 2205 Rn 22. 34 Kruse DB 1956, 885. AA KG NJW 1959, 1086 (1088). 35 KG KGJ 41 (1912), A 75, 76 (für den in der Verwaltung nicht beschränkten Testamentsvollstrecker); LG Neisse LZ 1907, 236 f; Bondi ZBH 1926, 311 mwN; Düsterdieck ZBH 1927, 112; Dempewolf DB 1955, 889; ders. DB 1956, 886 f. 36 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 9; MünchKommHGB/Krebs Rn 24; Walchshöfer Rpfleger 1975, 382. AA Hofmann S. 38. 543
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Er handelt nach hM im eigenen Namen.37 Sofern man annimmt, dass er ein Handelsgeschäft weiterführen kann,38 ist jedenfalls die Beschränkung des Zwecks der Nachlassverwaltung kein Grund, die Prokuraerteilung für unzulässig zu halten.39
20 d) Staat. Es ist anerkannt, dass die öffentliche Hand, insoweit sie ein rechtlich unselbständiges Unternehmen betreibt, Kaufmannseigenschaft haben kann.40 Liegen die allgemeinen Voraussetzungen eines Handelsgewerbes vor, kann für den Bereich des Handelsunternehmens eine Prokura erteilt werden.
2. Person des Prokuristen 21 Für eine wirksame Prokuraerteilung bestehen bestimmte Anforderungen im Hinblick auf die Person desjenigen, dem die Prokura erteilt werden soll.
22 a) Natürliche Personen. Grundsätzlich kann jede natürliche Person zum Prokuristen bestellt werden. Da die Prokura eine Vertretungsmacht bei der Abgabe von Willenserklärungen begründen soll, kann sie einem Geschäftsunfähigen allerdings nicht erteilt werden,41 da dieser zur Abgabe von Willenserklärungen nicht fähig ist, § 105 BGB. Umstritten ist, ob in der Geschäftsfähigkeit beschränkten Personen (§§ 106, 114 BGB) Prokura erteilt werden kann.42 Das ist richtigerweise zu bejahen, weil sie nach § 165 BGB wirksam als Vertreter auftreten können und die von ihnen für den Inhaber des Handelsgeschäfts abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nur für und wider diesen, nicht aber für sie selbst gelten (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).
23 b) Juristische Personen. Die Zulässigkeit der Erteilung einer Prokura an eine juristische Person ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die überwiegende Ansicht hält eine derartige Prokura für ausgeschlossen.43 Die Gegenansicht weist darauf hin, dass einer juristischen Person weitgehende Vollmachten erteilt werden können, die in ihrer Tragweite der Prokura zumindest gleichkommen.44 Die Erteilung einer Prokura an eine juristische Person ist jedoch mit der gesetzlichen Konzeption der Prokura nicht vereinbar. §§ 52, 53 zeigen, dass diese Konzeption von einer gewissen Stabilität der Prokura im Verhältnis zwischen Kaufmann und Prokurist getragen ist. Dagegen bedeutet die Prokura einer juristischen Person im Ergebnis, dass die Vertretungsmacht durch das jeweilige Vertretungsorgan der juristischen Person ausgeübt wird, auf dessen Bestellung der Kaufmann keinen Einfluss hat. Damit kann es entgegen § 52 Abs. 2 zu einem Wechsel des Entscheidungsträgers ohne Zustimmung des Kaufmanns kommen. Zugleich tritt 37 MünchKommBGB/Küpper § 1975 Rn 3 und § 1985 Rn 2. 38 MünchKommBGB/Küpper § 1985 Rn 5. 39 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 9; MünchKommHGB/Krebs Rn 24; Walchshöfer Rpfleger 1975, 382. AA Hofmann S. 38.
40 BGHZ 95, 155 (158 f). 41 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 15; MünchKommHGB/Krebs Rn 29; Heymann/Teichmann HGB Rn 26. AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5.
42 Bejahend MünchKommHGB/Krebs Rn 29; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn. 5; Röhricht/v. Westphalen/Haas/ Wagner/Wöstmann Rn. 21; Fischinger Handelsrecht, Rn 386. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 15.
43 KG NZG 2002, 48; Hopt/Merkt Rn 2; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 15; MünchKommHGB/Krebs Rn 27; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Müller JuS 1998, 1000 (1001); Müller-Freienfels Die Vertretung beim Rechtsgeschäft, 1955, S. 64 Fn 61; Bondi ZBH 1929, 35; Heymann/Teichmann HGB Rn 27. AA GK-HGB/Nickel6 Rn 4; Wasmann BB 2002, 478 (479). 44 Walchshöfer Rpfleger 1975, 382. Fischinger
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eine Entpersonalisierung der Prokura ein, da die juristische Person nur formal Prokurist, der tatsächliche Entscheidungsträger aber eine andere Person wäre. Das ist nicht vereinbar mit der Vorstellung eines zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen bestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses. Die Erteilung einer Prokura an eine juristische Person ist deshalb als unzulässig anzusehen.
c) Personenverschiedenheit vom Inhaber. Stellvertretung bedeutet Handeln mit Fremdwir- 24 kung. Hieraus ergibt sich der bereits nach allgemeinem bürgerlichem Recht bestehende Grundsatz, dass niemand sein eigener Stellvertreter sein kann. Demzufolge ist es nicht möglich, den Inhaber des Handelsgeschäfts zum Prokuristen zu bestellen45 (zur Gesamtprokura s. aber noch unten Rn 99). Die Umsetzung dieses Grundsatzes bereitet Rechtswissenschaft und Praxis bei einzelnen Gestaltungen erhebliche Schwierigkeiten. Sie werden dadurch ausgelöst, dass der Grundsatz zu stark auf die Person des Inhabers des Handelsgeschäfts bezogen wird. Der Sinn des Grundsatzes besteht indessen nicht allein darin, dass „niemand Herr und Diener des Geschäfts in einer Person sein kann“.46 Der Grundsatz geht vielmehr darüber weit hinaus, da er auf der Erwägung beruht, dass die Prokura als umfassende rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht funktionslos ist, soweit für dieselbe Person bereits eine originäre (Eigenhandeln) oder organschaftliche Handlungsbefugnis besteht bzw. eine organschaftliche Handlungsbefugnis geschaffen werden kann. Versteht man den Grundsatz in dieser Weise funktionsbezogen, so ergibt sich folgendes: aa) Gesetzlicher Vertreter. Die Frage, ob ein gesetzlicher Vertreter des Inhabers des Handels- 25 geschäfts zum Prokuristen bestellt werden kann, wird vor allem für den Vormund und die Eltern praktisch relevant. In der Literatur wird die Prokuraerteilung zum Teil für zulässig gehalten und für die Erteilung die Mitwirkung eines Pflegers und die Zustimmung des Familiengerichts nach § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) verlangt.47 Dagegen bestehen Bedenken. Allerdings scheitert die Prokuraerteilung nicht am Erfordernis der Personenverschiedenheit, da der gesetzliche Vertreter das Handelsgeschäft nicht im eigenen Namen führt. Die Prokuraerteilung würde aber bewirken, dass der gesetzliche Vertreter von den Beschränkungen, die ihm als gesetzlichem Vertreter auferlegt sind (§§ 1804 ff BGB [ab 1.1.2023: §§ 1852 ff BGB], besonders § 1822 BGB [ab 1.1.2023: § 1852 BGB]), befreit würde.48 Der gesetzliche Vertreter wäre also nur noch den geringfügigen Beschränkungen des § 49 ausgesetzt. Gerade bei der risikoreichen Fortführung eines Handelsgeschäfts erscheint dies mit dem Sinn der gesetzlichen Beschränkung der Vertretungsmacht des Vormunds nicht vereinbar. Die Erteilung einer Prokura an die Eltern oder den Vormund als gesetzliche Vertreter ist deshalb als unzulässig anzusehen.49 Dem steht nicht entgegen, dass ein für das Handelsgeschäft bestellter Prokurist seinerseits nicht mehr an eine Mitwirkung des Familiengerichts bei der Ausübung seiner Handlungsbefugnisse gebunden ist. Der Prokurist steht im Innenverhältnis unter der Kontrolle des gesetzlichen Vertreters, so dass auf diese Weise die gesetzlichen Beschränkungen bei der Kontrolle wirksam werden können. bb) Miterbe. Soweit die Miterbengemeinschaft als solche fähig ist, ein Handelsgewerbe zu be- 26 treiben (s. oben Rn 7), kann sie Prokuristen bestellen. Zweifelhaft ist, ob auch ein einzelner
45 46 47 48 49 545
KG KGJ 48 (1916), 125 (126 f). So die in der Folgezeit prägend wirkende Formulierung in KG KGJ 48 (1916), 127 (129). Hofmann S. 22 f. Hierin sieht Schlegelberger/Schröder Rn 12 den Sinn der Prokuraerteilung. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 16; MünchKommHGB/Krebs Rn 37. Fischinger
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Miterbe Prokurist werden kann. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Kammergerichts50 hält der Bundesgerichtshof eine derartige Miterbenprokura für unzulässig.51 Die Literatur ist zum Teil dieser Ansicht gefolgt.52 Der Bundesgerichtshof stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, die Erbengemeinschaft sei anders als die Personenhandelsgesellschaft kein geschlossenes Ganzes, so dass ein Vertreter nicht die Erbengemeinschaft als solche, sondern immer nur die einzelnen Miterben vertreten könne; die von den Erben erteilte Vollmacht sei deshalb im Rechtssinne keine einheitliche Vollmacht, sondern eine Vielzahl von Vollmachten. Ein zum Prokuristen bestellter Miterbe könne daher nicht im Namen der Erbengemeinschaft als Inhaberin des Handelsgeschäfts auftreten, sondern seine Tätigkeit sei ein Handeln im Namen der übrigen Miterben und zugleich im eigenen Namen. Die Prokura werde in einem solchen Falle nicht von dem Inhaber des Handelsgeschäfts erteilt, da nicht alle Erben an dieser Erteilung mitwirken würden. Dies widerspreche § 48 Abs. 1. 27 Die Begründung des Bundesgerichtshofs trägt begriffsjuristische Züge.53 § 48 Abs. 1 besagt nur, dass die Prokura nicht von einem anderen als dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter erteilt werden kann. Die Miterbenprokura wird nicht von anderen Personen als denen, die in § 48 Abs. 1 bezeichnet sind, erteilt. Die Problematik, dass die zum Prokuristen zu bestellende Person Mitglied einer Gruppe ist, die das Handelsgeschäft betreibt, ist in § 48 Abs. 1 nicht geregelt. Ihre Lösung ist nicht von der begrifflichen Einordnung der Miterbengemeinschaft abhängig zu machen. Entscheidend ist vielmehr, ob es teleologische Gründe gibt, welche die Miterbenstellung 28 als unvereinbar mit der Prokuristenstellung erscheinen lassen. Das ist nicht der Fall.54 Der Grundsatz der Personenverschiedenheit zwischen dem Prokuristen und dem Inhaber des Handelsgeschäftes beruht darauf, dass der Inhaber bereits als solcher unbeschränkt mit Wirkung für das Handelsgeschäft im Rechtsverkehr auftreten kann. Sind mehrere Personen Inhaber des Handelsgeschäfts, so hängt diese Möglichkeit davon ab, ob jedes Mitglied der Inhabergruppe eine Einzelvertretungsmacht hat. So liegt es bei einer offenen Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter folgerichtig nicht zu Prokuristen bestellt werden können (s. unten Rn 35 f). Der Miterbe ist dagegen nach § 2038 BGB zur Verwaltung des Nachlasses nur gemeinschaftlich mit den anderen Erben zuständig, hat also keine organschaftliche Alleinvertretungsmacht und kann sie auch nicht erhalten. Hierin liegt der die Zulassung der Prokuraerteilung an den Miterben rechtfertigende bedeutsame Unterschied zum alleinvertretungsberechtigten Organ einer Personenhandelsgesellschaft.55 Zugleich ergibt sich hieraus ein wesentliches praktisches Bedürfnis für die Zulässigkeit der Prokura. Die Miterbenprokura verstößt ferner auch deshalb nicht gegen den Grundsatz der Personenverschiedenheit von Prokurist und Inhaber des Handelsgeschäfts, weil der Miterbe als Prokurist nur die anderen Miterben vertritt, für sich selbst aber ein Eigenhandeln vorliegt. Die Miterbenprokura ist daher zulässig.56
50 KG KGJ 48 (1916), 127 (128 f); KG JW 1939, 565 f = HRR 1939 Nr. 313; KG HRR 1939 Nr. 1472. 51 BGHZ 30, 391 (397 f); ebenso BGHZ 32, 60 (67). 52 Walchshöfer Rpfleger 1975, 382; Robert Fischer ZHR 144 (1980), 9; MünchKommHGB/Krebs Rn 34; Oetker/Schubert Rn 26; G. Reinicke MDR 1960, 29. Kritisch zur Rechtsprechung Baur JZ 1961, 215. 53 Canaris Handelsrecht § 9 I. 5. So auch schon G. Reinicke MDR 1960, 29. 54 So überzeugend Beuthien S. 3 ff. 55 AA MünchKommHGB/Krebs Rn 34; Oetker/Schubert Rn 26. 56 Beuthien S. 9 ff (dort auch S. 10 ff zur Frage, mit welchen Haftungsmassen die Miterben verpflichtet werden); Heymann/Teichmann HGB Rn 37; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 22; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. c) (in NJW 1985, 2789 meint K. Schmidt allerdings, für die unternehmenstragende Erbengemeinschaft gelte das Prinzip der organschaftlichen Einzelvertretung. In diesem Falle müsste die Miterbenprokura aus den gleichen Gründen ausgeschlossen sein, wie bei einem einzelvertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, s. dazu unten Rn 35); Canaris Handelsrecht § 12 II. 1., § 9 I. 5.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 22; Hopt/Merkt Rn 2; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 33; Hüffer ZGR 1986, 630 ff. Fischinger
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Unproblematisch ist die Bestellung eines Miterben zum Prokuristen, wenn das Handelsge- 29 schäft nicht von der Miterbengemeinschaft fortgeführt wird, sondern von einem Testamentsvollstrecker im eigenen Namen.57
cc) Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter. Die Möglichkeit, bei Zugehörigkeit ei- 30 nes Handelsgeschäfts zum Nachlass einen auf den Nachlass eingesetzten Testamentsvollstrecker zum Prokuristen zu bestellen, hängt davon ab, in wessen Person das Handelsgeschäft fortgeführt wird (s. dazu oben Rn 16 ff). Wird der Testamentsvollstrecker nach der Treuhandkonzeption im eigenen Namen tätig, so scheitert die Prokuraerteilung an ihn an dem Erfordernis der Personenverschiedenheit zwischen Unternehmensinhaber und Prokurist. Führt der Testamentsvollstrecker das Unternehmen dagegen nach der Vollmachtskonzeption im Namen des Erben fort, so bestehen gegen seine Bestellung zum Prokuristen keine Bedenken.58 Bei der Testamentsvollstreckerkonzeption wird der Testamentsvollstrecker zwar ähnlich wie ein gesetzlicher Vertreter des Erben tätig. Er unterliegt jedoch nicht den Beschränkungen eines Vormunds, so dass die Gründe, welche die Bestellung eines Vormunds zum Prokuristen ausschließen (s. oben Rn 25), hier keine Geltung beanspruchen. Die Prokuraerteilung ist daher als zulässig anzusehen.59 Dem Nachlassverwalter kann, da er nach hM den Nachlass im eigenen Namen verwaltet,60 keine Prokura erteilt werden.61
dd) Vorerbe und Nacherbe. Der Vorerbe wird mit dem Erbfall Vollerbe, so dass er ein zum 31 Nachlass gehöriges Handelsgeschäft im eigenen Namen fortführt. Er kann daher nicht für dasselbe Handelsgeschäft Prokurist sein. Dagegen ist der Nacherbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls noch kein Erbe und damit auch nicht der Inhaber des von dem Vorerben fortgeführten Handelsgeschäfts. Der Nacherbe kann deshalb zwischen dem Vorerbfall und dem Nacherbfall Prokurist sein,62 gegebenenfalls auch vom Vorerben dazu bestellt werden (zum Erlöschen der Prokura bei Eintritt des Nacherbfalls s. § 52 Rn 36).
ee) Insolvenzschuldner. Mit der Insolvenzeröffnung verliert der Insolvenzschuldner die Be- 32 fugnis, das zur Insolvenzmasse gehörige Handelsgeschäft selbst zu führen; die Befugnis geht gemäß § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter über. Zwar kann der Insolvenzverwalter eine neue Prokura erteilen (s. oben Rn 15), die Bestellung des Insolvenzschuldners zum Prokuristen würde jedoch den Zwecken des Insolvenzverfahrens wegen der mit der Prokura verbundenen weitreichenden Vertretungszuständigkeiten widersprechen. Dem Gemeinschuldner kann deshalb keine Prokura erteilt werden.63
ff) Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter übt bereits kraft seines Amtes die Zuständig- 33 keiten des Unternehmensinhabers umfassend aus. Der Gemeinschuldner kann ihm keine Prokura erteilen,64 da er diese Befugnis mit der Insolvenzeröffnung ganz allgemein verloren hat. 57 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 Rn 12. 58 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 11. 59 Anders MünchKommHGB/Krebs Rn 36; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Heymann/Teichmann HGB Rn 31. MünchKommBGB/Küpper § 1975 Rn 3 und § 1985 Rn 2. Ebenso Oetker/Schubert Rn 24. BGHZ 32, 60 (67). MünchKommHGB/Krebs Rn 39. MünchKommHGB/Krebs Rn 36; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6.
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34 gg) Gesellschafter. Die Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft sind nicht selbst Inhaber des von der Kapitalgesellschaft (GmbH, AG) betriebenen Handelsgewerbes. Sie können daher zu Prokuristen der Kapitalgesellschaft bestellt werden. Dies gilt auch für den einzigen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft.65 Soweit ein persönlich haftender Gesellschafter einer Personengesellschaft entsprechend 35 dem gesetzlichen Regelfall (§ 125 Abs. 1) organschaftliche Einzelvertretungsmacht hat, kann ihm keine Prokura erteilt werden.66 Für die Prokura besteht kein sinnvoller Funktionsbereich, da sie keine zusätzlichen Vertretungsmöglichkeiten schafft. Hierin liegt ein Unterschied zur Miterbengemeinschaft, bei der ein einzelner Miterbe mangels organschaftlicher Vertretungsmacht die anderen Miterben nicht ohne Weiteres vertreten kann und deshalb ein Bedürfnis für die Prokuraerteilung besteht (s. Rn 26 ff). Nach hM ist es dagegen zulässig, einem von der Vertretung ausgeschlossenen persön36 lich haftenden Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft Prokura zu erteilen.67 Folgerichtig muss dies auch gelten, wenn einem nur gesamtvertretungsberechtigten Gesellschafter Einzelprokura erteilt werden soll.68 Die hM ist insofern nicht unbedenklich, als die Entscheidung über den gesellschaftsvertraglichen Ausschluss oder die Beschränkung der Vertretungsmacht von allen Gesellschaftern getroffen wird, während es für die Bestellung eines Prokuristen nur der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter bedarf (§ 116 Abs. 3). Es besteht deshalb die Gefahr, dass die gesellschaftsvertraglichen Entscheidungen durch die Erteilung einer Prokura umgangen werden. Es liegt daher näher, die Regelung der Vertretungsmacht allein dem Gesellschaftsvertrag zuzuordnen; praktische Bedeutung hat die Frage bislang nicht gehabt. Anders liegt es bei einem Kommanditisten. Er ist von der organschaftlichen Vertretung gesetzlich ausgeschlossen, § 170. Die Erteilung einer Prokura an den Kommanditisten wird deshalb mit Recht fast allgemein für zulässig gehalten69 (§ 170 Rn 35). Zur Möglichkeit des Widerrufs der Prokura eines Kommanditisten s. § 52 Rn 5 f. Ohne Weiteres zulässig ist die Erteilung einer Prokura an einen stillen Gesellschafter.70 37 Der stille Gesellschafter wird durch seine Beteiligung nicht zum Inhaber des Handelsgeschäfts, § 230.
38 hh) Organmitglieder. Die Mitglieder der Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften (Vorstandsmitglieder der AG, Geschäftsführer der GmbH) sind zwar nicht selbst Inhaber des Handelsgeschäfts, sie können aber bereits auf Grund ihrer organschaftlichen Vertretungsmacht mit Wirkung für die Kapitalgesellschaft als Inhaberin des Handelsgeschäfts auftreten. Soweit es sich dabei um eine Einzelvertretungsmacht handelt, ist deshalb eine Prokuraerteilung an die Organmitglieder unzulässig, da für die Prokura kein Anwendungsbereich verbleiben würde. Auch dem einzigen ständigen Vertreter einer Limited kann keine Einzelprokura erteilt werden.71 Darüber hinaus ist die Prokuraerteilung aber auch dann ausgeschlossen, wenn der gesetzli39 che Regelfall einer Gesamtvertretungsmacht vorliegt, die Satzung also keine Einzelvertretungsmacht vorsieht (§§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG, 78 Abs. 2 Satz 1 AktG).72 Es ist Aufgabe der
65 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. c); Heymann/Teichamnn Rn 35; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6. 66 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 18; MünchKommHGB/Krebs Rn 33. 67 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 19; MünchKommHGB/Krebs Rn 33; Walchshöfer Rpfleger 1975, 382; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. c); Heymann/Teichmann HGB Rn 32. Vgl. auch BGHZ 30, 391 (397).
68 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 20; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. c); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 24. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 33. 69 BGHZ 17, 392 (394); OLG Karlsruhe BB 1973, 1551; Hopt/Merkt Rn 2; MünchKommHGB/Krebs Rn 33; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Walchshöfer Rpfleger 1975, 382. 70 So (beiläufig) RGZ 142, 13 (16); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 17. 71 OLG München NZG 2011, 1072 (1073). 72 MünchKommHGB/Krebs Rn 33. AA K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. c); Canaris Handelsrecht § 12 II. 1. Fischinger
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Satzung, darüber zu bestimmen, ob ein Organmitglied eine Einzelvertretungsmacht erhält oder nicht. Es besteht kein Anlass, diese Zuweisung durch die Zulassung einer Prokuraerteilung zu umgehen. Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Liquidatoren einer Gesellschaft. Mitglieder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft können nach § 105 Abs. 1 AktG nicht zu Prokuristen bestellt werden.73 Grundsätzlich gilt dies auch für die Mitglieder des Aufsichtsrats einer GmbH, § 52 Abs. 1 GmbHG; die Satzung kann jedoch etwas anderes bestimmen.74 Die Unvereinbarkeit des Aufsichtsratsmandats mit der Prokuristenstellung gilt auch für Arbeitnehmervertreter im mitbestimmten Aufsichtsrat,75 wird aber in § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG aufgelockert. Danach ist die Wählbarkeit eines Prokuristen zum Aufsichtsratsmitglied der Arbeitnehmer nur ausgeschlossen, wenn der Prokurist dem zur gesetzlichen Vertretung des Unternehmens befugten Organ unmittelbar unterstellt und zur Ausübung der Prokura für den gesamten Geschäftsbereich des Organs befugt ist. Zu den Rechtsfolgen einer Kollision von Prokura und Wahl in den Aufsichtsrat vgl. § 52 Rn. 41. Bei der GmbH & Co. KG (bzw. der GmbH & Co. OHG) ist die Komplementärgesellschaft im Verhältnis zur Personenhandelsgesellschaft rechtlich selbständig. Hieraus hat die Rechtsprechung abgeleitet, dass der Geschäftsführer der GmbH zum Prokuristen der KG (OHG) bestellt werden kann,76 und zwar auch der alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer der GmbH.77 Dies soll unabhängig davon gelten, ob hierfür ein besonderes wirtschaftliches Bedürfnis besteht.78 Der Bundesgerichtshof hat die Frage bislang offengelassen.79 Die Rechtsprechung der Instanzgerichte ist bedenklich. Es ist schon befremdlich, dass die Organisation eines Wirtschaftsunternehmens ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse erfolgen soll. Jedenfalls aber besagt die rechtliche Selbständigkeit der Gesellschaften nichts über die Zulässigkeit der Prokuraerteilung. Das alleinvertretungsberechtigte Mitglied des Vorstands einer Aktiengesellschaft ist gegenüber der Aktiengesellschaft ebenfalls rechtlich selbständig, ohne dass er deswegen zum Prokuristen bestellt werden könnte. Die Rechtsprechung verkennt den tragenden Grundsatz (s. oben Rn 24), dass zum Prokuristen nicht bestellt werden kann, wer kraft einer organschaftlichen Alleinvertretungsmacht bereits umfassend für den Inhaber des Handelsgeschäfts handeln kann. Die organschaftliche Vertretungsmacht der GmbH für die KG (OHG) wird durch den Geschäftsführer der GmbH ausgeübt. Der Geschäftsführer ist also die Person des Entscheidungsträgers, für die eine doppelte Kompetenz funktionswidrig wäre. Der Geschäftsführer der GmbH kann deshalb nicht Prokurist der KG (OHG) sein. Dies gilt auch für einen nur gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH. Es ist Aufgabe der Satzung, die Vertretungsmacht des Geschäftsführers festzusetzen (vgl. oben Rn 36). Prokuristen der GmbH sind dagegen keine organschaftlichen Vertreter der GmbH bzw. der KG (OHG). Sie können deshalb gleichzeitig auch zu Prokuristen der Personenhandelsgesellschaft bestellt werden.80 Zur Bindung eines Gesamtprokuristen der KG an die Mitwirkung der Komplementär-GmbH s. unten Rn 103. Wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaften können Prokuristen der KG trotz § 52 Abs. 1 GmbHG zu Mitgliedern des Aufsichtsrats der Komplementär-GmbH gewählt werden.81 Dies gilt auch für einen nach § 4 MitbestG mitbestimmten Aufsichtsrat der Komplementär73 74 75 76
Zu den Rechtsfolgen einer gesetzwidrigen Bestellung s. Kahler BB 1983, 1382. Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 21; MünchKommHGB/Krebs Rn 40. Brox NJW 1967, 801. BayObLG WM 1970, 333 f; BayObLG DB 1980, 2232 f; HansOLG Hamburg GmbHR 1961, 128 (129) mit zust. Anm. Hesselmann; OLG Hamm DB 1973, 567; OLG Hamm DB 1977, 1255 (1256); ebenso Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 10. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 18; MünchKommHGB/Krebs Rn 35; Hopt/Merkt Rn 2; Heymann/Teichmann HGB Rn 36. 77 BayObLG DB 1980, 2232. 78 BayObLG DB 1980, 2232; OLG Hamm DB 1973, 567. 79 BGH Rpfleger 1977, 359. 80 OLG Hamm DB 1973, 567. 81 Grüter BB 1979, 243 ff. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 42. 549
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GmbH.82 Zwar fingiert § 4 MitbestG, dass die Arbeitnehmer der Kommanditgesellschaft als Arbeitnehmer des persönlich haftenden Gesellschafters gelten. Das gilt aber nur für die Zwecke des Mitbestimmungsgesetzes, um also zu gewährleisten, dass die Komplementär-GmbH nach der Arbeitnehmerzahl vom Anwendungsbereich des Mitbestimmungsgesetzes erfasst wird. Es besteht deshalb kein Anlass, die Fiktion dahin zu verstehen, dass auch die Prokura mitbestimmungsrechtlich als Prokura der Komplementär-GmbH anzusehen wäre.
44 ii) Rechtsnachfolge. Die Prokura erlischt, wenn der Prokurist Rechtsnachfolger des Inhabers des Handelsgeschäftes wird oder eine Stellung erlangt, die mit einer Prokura unvereinbar ist; s. dazu § 52 Rn 35 ff.
3. Erteilung 45 a) Erklärungsperson. Die Prokura kann nach § 48 Abs. 1 nur durch den Inhaber des Handelsgeschäfts selbst oder dessen gesetzlichen Vertreter erteilt werden. Der Grund dafür liegt im Schutz der Interessen des Inhabers des Handelsgeschäfts. Wegen des weiten Umfangs der Prokura soll gewährleistet sein, dass der Prokurist das persönliche Vertrauen des Inhabers des Handelsgeschäfts bzw. dessen gesetzlichen Vertreters genießt. Die Bestimmung ist zwingendes Recht; die Erteilung der Prokura durch andere Personen ist unwirksam (zur Genehmigung durch den Kaufmann s. unten Rn 59). Der gesetzliche Vertreter des Inhabers des Handelsgeschäfts bedarf zur Erteilung der Proku46 ra der Genehmigung des Familiengerichts83 (zur Erteilung der Prokura an den gesetzlichen Vertreter selbst s. oben Rn 25). Für den Vormund folgt dies aus § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB), für den Betreuer aus §§ 1908i, 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: 1852 Nr. 3 BGB), für den Pfleger aus §§ 1915, 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: §§ 1915, 1852 Nr. 3 BGB) und für die Eltern aus §§ 1643, 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: §§ 1643 Abs. 1, 1852 Nr. 3 BGB). Die Genehmigung ist zwingend erforderlich. Eine ohne die Genehmigung erfolgte Eintragung im Handelsregister führt nicht zur Wirksamkeit der Prokura.84 Auch der gutgläubige Rechtsverkehr ist in seinem Vertrauen auf das Bestehen der Prokura nicht nach § 15 HGB geschützt.85 Der mit § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) bezweckte Schutz des Mündels geht also den Interessen des Rechtsverkehrs vor. Zur fehlenden Genehmigung als Hindernis für die Eintragung der Prokura im Handelsregister s. § 53 Rn 18. Da die Erteilung der Prokura ein einseitiges Rechtsgeschäft ist (s. unten Rn 54), kann die Genehmigung des Familiengerichts gemäß § 1831 BGB nicht nachgeholt werden; eine nachträgliche Genehmigung kann allenfalls als Zustimmung zu einer neuen Prokuraerteilung verstanden werden.86 Zum Umfang einer mit Genehmigung des Familiengerichts erteilten Prokura s. § 49 Rn 16. Das Genehmigungserfordernis bezieht sich nur auf den gesetzlichen Vertreter des Einzel47 kaufmanns. Wenn ein Minderjähriger mit Genehmigung des Familiengerichts nach § 1822 Nr. 3 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 1 lit. a] BGB) Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft geworden ist, so bedarf es zur Erteilung einer Prokura keiner erneuten Genehmigung, da die Erteilung durch die Gesellschaft erfolgt, nicht aber durch den gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen.87
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Grüter BB 1979, 245 f. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 8. RGZ 127, 153 (158). RGZ 127, 153 (158, 159). RGZ 127, 153 (158). BGHZ 38, 26 (30).
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Führen ein Elternteil und der Minderjährige das ererbte Handelsgeschäft in ungeteilter Erbengemeinschaft fort, so kann der Elternteil zwar für sich selbst eine Prokura erteilen. Dies genügt jedoch für eine wirksame Prokura nicht. Die ebenfalls notwendige Erteilung als gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen bedarf auch hier der Genehmigung des Familiengerichts.88 Wird ein minderjähriger Inhaber des Handelsgeschäfts von dem gesetzlichen Vertreter zum selbständigen Betrieb des Geschäfts ermächtigt, so wird er damit zwar insoweit unbeschränkt geschäftsfähig; die Prokuraerteilung bedarf aber gleichwohl weiterhin der Genehmigung des Familiengerichts, § 112 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter des Inhabers des Handelsgeschäfts kann keine Prokura erteilen. Dies gilt selbst für einen Generalbevollmächtigten.89 Da § 48 Abs. 1 zwingendes Recht ist, kann der Inhaber des Handelsgeschäfts auch keine Spezialvollmacht des Inhalts erteilen, dass der Bevollmächtigte zur Erteilung einer Prokura befugt sein soll. Die Vertretungsmacht des Prokuristen beruht ihrerseits auf einer Vollmacht (s. unten Rn 54), so dass auch ein Prokurist keine weitere Prokura erteilen kann90 (s. auch § 52 Abs. 2). Soweit Verwalter anstelle des Inhabers das Handelsgeschäft führen und eine Prokura erteilt werden kann, erfolgt die Erklärung durch den Verwalter (s. im Einzelnen oben Rn 14 ff). Bei einer Miterbengemeinschaft gehört die Prokuraerteilung zur Verwaltung des Nachlasses. Gemäß §§ 2038 Abs. 2, 745 BGB wird über Maßnahmen der Verwaltung mit Stimmenmehrheit beschlossen. Hieraus ist aber nicht zu entnehmen, dass die Mehrheit eine Prokura gegen den Willen einzelner Miterben erteilen kann.91 Inhaber des Handelsgeschäfts ist jeder Miterbe. Da die Prokura von dem Inhaber persönlich erteilt werden muss, ist eine Ersetzung durch einen Mehrheitsbeschluss nicht möglich. Es bedarf der Zustimmung aller Miterben. Die gegenteilige Ansicht würde zu unlösbaren Widersprüchen mit dem jedem einzelnen Miterben zustehenden Widerrufsrecht führen (s. § 52 Rn 8). Für Handelsgesellschaften erfolgt die Bestellung eines Prokuristen durch den organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft. In der GmbH & Co. KG wird die Prokura für die KG durch die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin erteilt.92 Bei der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft bedarf es zur Bestellung des Prokuristen der Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter, falls nicht Gefahr im Verzuge vorliegt, § 116 Abs. 3 Satz 1. Die Bestimmung hat jedoch nur gesellschaftsinterne Bedeutung. Die Wirksamkeit einer unter Verstoß gegen die interne Zuständigkeit erfolgten Prokuraerteilung durch einen alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter bleibt dementsprechend unberührt, § 126 Abs. 1 der Prokura ist grundsätzlich an keine besondere.93 Bei einer Aktiengesellschaft hat die Satzung oder ein Beschluss des Aufsichtsrats die Vornahme bestimmter Arten von Geschäften an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Dadurch kann die Zuständigkeit des Vorstands als organschaftlicher Vertreter zur Erteilung der Prokura an die Mitwirkung des Aufsichtsrats geknüpft werden. Indessen wird dadurch die Vertretungsbefugnis des Vorstands nicht eingeschränkt, § 82 Abs. 1 AktG, so dass lediglich eine interne Bindung vorliegt. Die ohne Zustimmung des Aufsichtsrats durch den Vorstand erteilte Prokura ist demzufolge wirksam.94 In der GmbH unterliegt die Bestellung von Prokuristen der Bestimmung der Gesellschafter, § 46 Nr. 7 GmbHG. Es handelt sich dabei ebenfalls um eine rein interne Zuständigkeitsverteilung. Die Erteilung der Prokura erfolgt durch den Geschäftsführer als organschaftlicher Vertreter 88 89 90 91
RGZ 127, 153 (157). U. Hübner ZHR 143 (1979), 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 16; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. RGZ 134, 303 (305); Hopt/Merkt Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. AA OLG Stuttgart WM 1976, 700 (702). Vgl. auch K. Schmidt NJW 1985, 2789, wonach die Miterben eine organschaftliche Einzelvertretungsmacht haben sollen. 92 OLG Hamm NJW 1967, 2163; MünchKommHGB/Krebs Rn 26; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 10. 93 RGZ 134, 303 (305); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 10; MünchKommHGB/Krebs Rn 49. 94 Grunsky BB 1973, 195. Vgl. auch RGZ 134, 303 (305). 551
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der GmbH.95 Die Erteilung ist auch dann wirksam, wenn intern die Beschlussfassung der Gesellschafter fehlt.96 Soweit die Prokuraerteilung trotz eines Verstoßes gegen interne Zuständigkeitsbestimmungen wirksam ist, hat das Registergericht die angemeldete Prokura in das Handelsregister einzutragen ohne Prüfung, ob die intern notwendige Zustimmung vorliegt.97
54 b) Rechtsgeschäft. Die Erteilung der Prokura erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Inhabers des Handelsgeschäftes oder seines gesetzlichen Vertreters. Für dieses Rechtsgeschäft gelten die allgemeinen Regeln über die Erteilung der Vollmacht (zur Irrtumsanfechtung s. Vor § 48 Rn 18; zur Erklärung unter einer Bedingung oder Befristung s. unten § 50 Rn 9 f; zum Problem der Unabhängigkeit der Prokuraerteilung vom Grundverhältnis s. Vor § 48 Rn 35 ff). Einer Annahmeerklärung des Prokuristen bedarf es zur Wirksamkeit der Prokura nicht.98 Hieraus kann sich ein Kollisionsproblem ergeben, wenn die Person, der Prokura erteilt wird, bereits Mitglied eines Aufsichtsrats ist oder werden will, was insbesondere bei einem mitbestimmten Aufsichtsrat praktische Bedeutung erlangen kann.99 Im ersten Fall ist die Prokuraerteilung bei Unvereinbarkeit von Aufsichtsratsmandat und Prokura (§§ 105 Abs. 1 AktG, 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG) unwirksam; im zweiten Fall erlischt die Prokura durch die Annahme des Aufsichtsratsmandates (s. § 52 Rn 41). 55 Die Bevollmächtigung wird gewöhnlich als Innenvollmacht dem künftigen Prokuristen erklärt; ist der Empfänger in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, gilt § 131 Abs. 2 BGB. Die Bevollmächtigung kann aber auch als Außenvollmacht dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, oder durch öffentliche Bekanntmachung erklärt werden, §§ 167, 171 BGB. Dies gilt auch für die Prokura.100 Abweichend davon wird im Schrifttum zum Teil angenommen, als Außenvollmacht könne die Prokura nicht gemäß § 167 Abs. 1 BGB einzelnen Dritten erklärt werden, da die Prokura nicht auf die Vertretung gegenüber einer einzelnen Person beschränkbar sei.101 Die Unbeschränkbarkeit der Prokura schließt die so erteilte Außenvollmacht jedoch richtigerweise nicht aus. Vielmehr wirkt die Prokuraerteilung auch in diesem Falle gegenüber jedermann, begründet also eine unbeschränkte Vertretungsmacht.102 56 Nach hM liegt in der Anmeldung einer (nicht bestehenden) Prokura zur Eintragung im Handelsregister mit nachfolgender Bekanntmachung eine Außenvollmacht in Form der Erklärung gegenüber der Öffentlichkeit.103 Dem ist nicht zu folgen.104 Die Anmeldung der Prokura zur Eintragung im Handelsregister beruht auf einer gesetzlichen Pflicht des Kaufmanns. Sie bezieht sich also auf eine anderweitig bereits erklärte Prokura. Fehlt der Anmeldung durch den Kaufmann damit im Regelfall schon der Bevollmächtigungswille, so ist darüber hinaus auch das Erfordernis der Ausdrücklichkeit (s. unten Rn 57 f) nicht gewahrt. Die Anmeldung besagt ausdrücklich weder, dass sie selbst eine Bevollmächtigung enthalte, noch dass diese durch die Eintragung bzw. die nachfolgende Bekanntmachung erfolgen solle. Allenfalls könnte in der Anmeldung schlüssig ein Bevollmächtigungswille des Anmeldenden erblickt werden. Das genügt für eine ausdrückliche Erklärung indes gerade nicht. Im Übrigen kann die Bekanntmachung der 95 BGHZ 91, 334 (336); OLG Düsseldorf DB 1998, 1026. 96 BGHZ 62, 166 (168) mwN; BGHZ 91, 334 (336 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 10; MünchKommHGB/ Krebs Rn 49. 97 BGHZ 62, 166 (169). 98 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 23; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 44. 99 Eingehend zu diesen Kollisionsfällen Brox NJW 1967, 801 ff. 100 Hopt/Merkt Rn 3; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 23; MünchKommHGB/Krebs Rn 45. 101 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 16; Th. Honsell JA 1984, 18. 102 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 46; Heymann/Teichmann HGB Rn 39. 103 RGZ 133, 229 (232); MünchKommHGB/Krebs Rn 45; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 16 und 17. 104 So auch Heymann/Teichmann HGB Rn 39. Fischinger
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Eintragung auch deshalb keine Prokuraerteilung darstellen, weil sie nicht durch den Kaufmann selbst erfolgt. Dementsprechend bewirkt die Anmeldung einer tatsächlich nicht bestehenden Prokura zur Eintragung im Handelsregister nicht die rechtsgeschäftliche Entstehung einer Prokura durch Erklärung an die Öffentlichkeit, sondern lediglich einen Rechtsscheintatbestand.105 Der Schutz des Rechtsverkehrs ist demzufolge nach Rechtsscheinregeln zu gewährleisten (Rn 67), insbesondere durch Anwendung des § 15 Abs. 3.
c) Ausdrückliche Erklärung. Die Erteilung der Prokura ist grundsätzlich an keine besondere 57 Form gebunden (§ 167 Abs. 2 BGB). Sie kann also durch mündliche oder schriftliche Erklärung erfolgen, auch in elektronischer Form oder in Textform (§§ 126a, 126b BGB). Notwendig ist allerdings nach § 48 Abs. 1 stets eine ausdrückliche Erklärung. Dies schließt eine stillschweigende Erklärung ebenso aus wie eine Erklärung durch schlüssiges Verhalten. Es gibt daher keine den Grundsätzen der Duldungsvollmacht entsprechende Duldungsprokura106 und ebensowenig eine Anscheinsprokura nach Rechtsscheingrundsätzen. Damit wird jedoch keineswegs ausgeschlossen, dass eine Rechtsscheinvollmacht im Umfang einer Prokura entstehen kann107 (s. dazu unten Rn 67). Ist eine nicht bestehende Prokura im Handelsregister eingetragen und die Eintragung bekannt gemacht worden, wird der Rechtsverkehr nach § 15 Abs. 3 geschützt. Die Erteilung der Prokura muss in der Erklärung eindeutig zum Ausdruck gelangen.108 Es 58 genügt nicht, dass die Bedeutung als Prokuraerteilung erst durch Auslegung der Erklärung ermittelt werden kann. Andererseits ist es nicht erforderlich, dass die Erklärung das Wort Prokura enthält.109 Es genügt, wenn der Wille des Kaufmanns zur Erteilung der Prokura auf andere Weise eindeutig hervortritt. Dies kann etwa geschehen durch die Erklärung „Ab heute sind Sie Prokurist“ oder durch die Wendung „Ab heute zeichnen Sie ppa.“.110 Die Erklärung, dass eine weite Vollmacht erteilt werden soll, genügt hingegen allein nicht, da es sich dabei auch um eine gegenüber § 54 Abs. 1 erweiterte Generalhandlungsvollmacht handeln könnte. Die Erteilung der Prokura durch eine dazu nicht berechtigte Person kann von dem Inha- 59 ber des Handelsgeschäfts nicht genehmigt werden, weil die Erklärung als solche von dem Inhaber selbst stammen muss. In der Genehmigung wird aber in der Regel eine neue Erteilung der Prokura zu erblicken sein. Sie muss dann ebenfalls ausdrücklich erfolgen.111
d) Bedingung/Befristung. Eine Prokura kann nicht wirksam (auflösend oder aufschiebend) 60 bedingt oder befristet werden, widerspricht dies doch § 50 Abs. 1. Geschieht dies dennoch, so ist nicht die Prokura als solche unwirksam, sondern „lediglich“ die Bedingung respektive Befristung.112
e) Eintragung im Handelsregister. Die Erteilung der Prokura ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 61 von dem Inhaber des Handelsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Die Eintragung ist kein konstitutives Wirksamkeitserfordernis, sondern hat lediglich deklaratori-
105 S. dazu bereits eingehend Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 153 (156 ff). 106 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. e); Heymann/Teichmann HGB Rn 43. 107 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 24; MünchKommHGB/Krebs Rn 47; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Roth Rn 26. 108 BGH WM 1956, 727 (728). 109 So auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 24; Hopt/Merkt Rn 3; MünchKommHGB/Krebs Rn 47. 110 Vgl. K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 2. e); Heymann/Teichmann HGB Rn 38. 111 BGH WM 1956, 727 (728) wo offengelassen wird, ob eine Genehmigung als solche überhaupt möglich ist. 112 MünchKommHGB/Krebs Rn 52. 553
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sche Bedeutung (s. § 53 Rn 1). Die Eintragung vermag Mängel bei der Erteilung der Prokura und damit die Unwirksamkeit der Prokura nicht zu heilen.113
62 f) Wirksamwerden. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens hängt davon ab, auf welchem Wege die Prokura erteilt wird: Wird sie als Innenvollmacht gegenüber dem künftigen Prokuristen erteilt, so wird sie in dem Zeitpunkt wirksam, indem die Erklärung ihm zugeht; als Außenvollmacht gegenüber einem Dritten wird sie mit Zugang bei diesem wirksam. Bei einer Kundgabe durch öffentliche Bekanntmachung (§ 171 Abs. 1 Alt. 2 BGB) wird die Prokura wirksam, wenn sie einer unbestimmten Anzahl von Personen so zugänglich ist, dass diese Kenntnisnahmemöglichkeit haben.114
4. Rechtsfolgen einer unwirksamen Prokura 63 Die Erteilung der Prokura kann aus vielfältigen Gründen unwirksam sein. Es gelten zunächst die allgemeinen rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen der Vollmachtserteilung (z.B. Geschäftsfähigkeit; Willensmängel etc.; zur Abhängigkeit der Vollmacht von einem wirksamen Grundverhältnis s. Vor § 48 Rn 35 ff). Hinzu treten die besonderen Voraussetzungen für die Prokura (Erteilung durch den Inhaber oder seinen gesetzlichen Vertreter; Kaufmannseigenschaft; Ausdrücklichkeit der Erklärung). Die Eintragung der Prokura im Handelsregister heilt die Unwirksamkeit nicht (s. § 53 Rn 1; zur Frage, ob in der Anmeldung zum Handelsregister eine selbständige Prokuraerteilung liegt, s. oben Rn 63). Der Rechtsverkehr wird in seinem Vertrauen auf den Bestand der eingetragenen Prokura, wenn die unrichtige Eintragung bekannt gemacht worden ist, nach § 15 Abs. 3 geschützt. Darüber hinaus kann bei einer unwirksamen Prokuraerteilung Vertretungsmacht nach den folgenden Grundsätzen bestehen:
64 a) Umdeutung. Die Prokuraerteilung als unwirksames Rechtsgeschäft kann nach § 140 BGB in die Erteilung einer Handlungsvollmacht gemäß § 54 umzudeuten sein.115 So kann es etwa liegen bei Fehlen einer ausdrücklichen Erklärung, wenn der Inhaber des Handelsgeschäfts das Auftreten als Prokurist kennt und duldet; bei einer Erteilung der Prokura durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter, etwa einen Prokuristen; bei Fehlen der Genehmigung des Familiengerichts nach § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB). Soweit der Handelsgesellschaft in Liquidation entgegen der hier vertretenen Auffassung die Fähigkeit, einen Prokuristen zu haben, abgesprochen wird (s. oben Rn 11 ff), verwandelt sich eine bestehende Prokura mit dem Eintritt der Liquidation in eine Handlungsvollmacht.116 Die Neuerteilung einer Prokura ist unter dieser Voraussetzung in eine Handlungsvollmacht umzudeuten. 65 Der Umfang der Vertretungsmacht ergibt sich im Falle der Umdeutung nicht aus § 49. Es ist vielmehr gemäß § 140 BGB festzustellen, welcher Umfang der Handlungsvollmacht bestimmt worden wäre. Im Zweifel ist § 54 anzuwenden. 66 Eine Umdeutung in eine bürgerlich-rechtliche Vollmacht scheidet aus. Prokura ist eine Vollmacht zum Betrieb des Handelsgewerbes. Ein Kaufmann, der sie erteilt, will zur Vornahme von Handelsgeschäften bevollmächtigen. Die Umdeutung muss daher auf diesen Bereich beschränkt bleiben. Eine Vollmacht zur Vornahme von Handelsgeschäften ist begrifflich Handlungsvollmacht (s. § 54 Rn 5 f), wenn sie keine Prokura ist.
113 114 115 116
RGZ 127, 153 (158) = JW 1930, 1382 m. Anm. Pinner. Oetker/Schubert Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 48. MünchKommHGB/Krebs Rn 55. RGZ 72, 119 (123); s. dazu K. Schmidt BB 1989, 230.
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b) Rechtsscheinvollmacht. Die bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über Rechtsscheinvoll- 67 machten gelten auch im Handelsrecht (s. Vor § 48 Rn 21 ff). Allerdings gibt es keine Anscheinsprokura117 und auch keine Duldungsprokura, da es an der dafür notwendigen ausdrücklichen Erteilung der Prokura fehlt (s Rn 57). Wenn aber der Kaufmann das Auftreten als Prokurist kennen müsste und nicht verhindert, obwohl er dazu in der Lage wäre, so begründet dies eine Rechtsscheinvollmacht.118 Sie ist im Umfang mit einer wirksamen Prokura deckungsgleich, weil der Geschäftsinhaber zurechenbar den Anschein erweckt, als könne der Scheinprokurist mit den Wirkungen einer Prokura im Rechtsverkehr für ihn auftreten. Folgerichtig muss dies erst recht gelten, wenn der Kaufmann das Auftreten des Scheinprokuristen sogar kennt und duldet.119
5. Legitimation Im Rechtsverkehr wird der Prokurist sich vielfach als solcher legitimieren müssen. Bei der Vor- 68 nahme einseitiger Rechtsgeschäfte hat der Erklärungsempfänger nach § 174 Satz 1 BGB das Recht, das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückzuweisen, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmachtsurkunde vorlegt. Der Prokurist kann sich durch Vorlage eines amtlichen Ausdrucks aus dem Handelsregister gemäß § 9 Abs. 4 legitimieren. Der Geschäftspartner kann sich selbst durch Einblick in das elektronische Handelsregister nach § 9 Abs. 1 Satz 1 über das Bestehen einer Prokura informieren und über das Internet einen aktuellen Handelsregisterausdruck kostenpflichtig herunterladen (www.handelsregister.de). Ist die Prokura im Handelsregister eingetragen, so muss der Erklärungsempfänger dies auch bei einem einseitigen Rechtsgeschäft ohne besondere Legitimation gegen sich gelten lassen, §§ 15 Abs. 2 HGB, 174 Satz 2 BGB.
6. Anspruch auf Erteilung einer Prokura Schrifttum Siehe die Angaben vor Rn 1. Ferner: Grunsky Schadensersatzanspruch wegen Rufschädigung infolge Nichterteilung der Prokura?, BB 1973, 194; Weimar Kann durch Vertrag ein Anspruch auf Erteilung von Prokura oder Handlungsvollmacht begründet werden?, MDR 1974, 720.
Die Rechtsprechung ist mehrfach mit der Frage befasst gewesen, ob jemandem ein Anspruch 69 auf Erteilung einer Prokura wirksam zustehen kann und ob die Nichterfüllung dieses Anspruchs eine Schadensersatzpflicht des Inhabers des Handelsgeschäfts oder eine Kündigungsmöglichkeit seines Angestellten begründen kann.
a) Erfüllungsanspruch. Ein im Klagewege durchsetzbarer Anspruch gegen den Inhaber des 70 Handelsgeschäfts auf Erteilung einer Prokura kann vertraglich nicht wirksam begründet werden.120 Die Prokura ist nach § 52 Abs. 1 „ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich“. Die Bestimmung ist zwingenden Rechts (s. § 52 Rn 23). 117 Heinz Hübner FS Klingmüller, 1974, S. 174; MünchKommHGB/Krebs Rn 54. 118 MünchKommHGB/Krebs Rn 54; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 26; Canaris Handelsrecht § 14 III. 2. c), wo aber weitergehend eine verschuldensunabhängige Zurechnung des Betriebsrisikos befürwortet wird.
119 So zutreffend Canaris Handelsrecht § 14 III. 1. b). 120 Ganz hM; so bereits RGZ 2, 30 (34) und RGZ 27, 35 (37 ff) zum ADHGB; sodann BGHZ 17, 392 (394); BAG NJW 1987, 862 (863); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 60; Heymann/Teichmann HGB Rn 44; Weimar MDR 1974, 720. AA, aber ohne Problemerörterung, Grunsky BB 1973, 195. 555
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Sie beruht darauf, dass dem Prokuristen mit der Erteilung der Prokura eine umfassende und im Außenverhältnis unbeschränkbare Vertretungsmacht eingeräumt wird. Hierin liegen für den Geschäftsinhaber besondere Risiken, denen die jederzeitige freie Widerruflichkeit der Prokura entgegenwirken soll. Das Bestehen der Prokura ist daher „stets eine Frage des gegenwärtigen Vertrauens“ des Geschäftsinhabers.121 Eine unentziehbare umfassende Vertretungsmacht würde den Geschäftsherrn einer Fremdbestimmung unterwerfen, die mit den Grundsätzen der Privatautonomie nicht zu vereinbaren wäre. Ein den Inhaber des Handelsgeschäfts wirksam verpflichtender Anspruch auf Erteilung einer Prokura kann deshalb vertraglich nicht begründet werden. Dem Verlangen nach Erfüllung stünde außerdem die Arglisteinrede (dolo petit) entgegen, da der Geschäftsinhaber die zu erteilende Prokura sofort nach freiem Belieben widerrufen könnte. Dies gilt auch für die Prokuraerteilung an einen von dem Vertragspartner zu benennenden Dritten122 oder für eine bloße Titularprokura.123 Aufgrund derselben Überlegungen kann es auch keinen wirksamen Anspruch auf Wie71 dererteilung einer entzogenen Prokura geben.124 Wird die auf der Grundlage eines Anstellungsvertrages erteilte Prokura von dem Geschäftsinhaber widerrufen, so macht er von einem ihm unabdingbar zustehenden Recht Gebrauch. Die Unabdingbarkeit des Widerrufsrechts schließt es aus, dass er zu einer Wiedererteilung der Prokura verpflichtet sein könnte. Ansprüche auf Erteilung einer Prokura werden dagegen von der Rechtsprechung seit lan72 gem bei Gesellschaftsverhältnissen anerkannt.125 In der Tat ist nicht zu verkennen, dass in einer Gesellschaft die Erteilung der Prokura oder der Widerruf einer Prokura zur Geschäftsführung gehören. Die Befugnis zur Geschäftsführung kann von den Gesellschaftern verbindlich vereinbart werden, §§ 114 ff. Insbesondere kann die Mitwirkung bei der Bestellung eines Prokuristen oder bei dem Widerruf einer Prokura geregelt werden, §§ 109, 116 Abs. 3. Dies rechtfertigt es, gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen über die Erteilung oder den Widerruf einer Prokura für wirksam zu halten. Zum Widerruf einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten Prokura s. § 52 Rn 6. 73 Ein unwirksamer Anspruch auf Erteilung einer Prokura kann möglicherweise nach den Umständen des Einzelfalles der Umdeutung in einen Anspruch auf Erteilung von Handlungsvollmacht gemäß § 140 BGB unterliegen. Dabei ist aber zu beachten, dass auch bestimmte Handlungsvollmachten zwingend widerruflich sind (s. § 54 Rn 81) und insoweit eine Umdeutung ausscheidet. Außerdem wird die Handlungsvollmacht zumeist nicht dem Willen der Parteien entsprechen, da sie innerhalb der Organisation des Unternehmens nicht die hohe Wertschätzung hat, die mit einer Prokura verbunden wird.
74 b) Vergütungsansprüche. Die Freiheit des Inhabers des Handelsgeschäfts, ohne Rücksicht auf das zugrundeliegende Rechtsverhältnis eine Prokura nicht zu erteilen oder eine erteilte Prokura zu widerrufen, bezieht sich allein auf die Einräumung oder Beseitigung der mit der Prokura verbundenen umfassenden Vertretungsmacht. Bestand und Inhalt des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses bleiben davon unberührt. Insbesondere erfolgt der Widerruf einer Prokura gemäß § 52 Abs. 1 „unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung“. Bei einem wirksamen Anstellungsvertrag hat daher der Angestellte, dem eine Prokura zugesagt, aber nicht erteilt worden ist, den vollen vertraglichen Vergütungsanspruch, auch wenn dessen Höhe 121 122 123 124 125
BGHZ 17, 392 (394). RGZ 27, 35 (37 ff). BAG NJW 1987, 862 (863). BAG NJW 1987, 862 (863). RGZ 2, 30 (34 f); RGZ 27, 35 (40 f); RG Seufferts Archiv 94 (1940) Nr. 8 (Beauftragter eines Kommanditisten); RGZ 163, 35 (36 ff); BGHZ 17, 392 (394 ff); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 33; MünchKommHGB/Krebs Rn 61. S. auch OLG Celle EWiR § 52 HGB 1/86, 79 m. abl. Anm. Weipert (von der Geschäftsführung ausgeschlossener Kommanditist als Titularprokurist). Fischinger
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mit Rücksicht auf die Bestellung zum Prokuristen festgesetzt worden ist126 (s. § 52 Rn 21). Ein Anspruch auf eine höhere als die vereinbarte Vergütung ist mit der Prokuraerteilung nicht kraft Gesetzes verbunden.127
c) Fristlose Eigenkündigung. Das dem Inhaber des Handelsgeschäfts eingeräumte Recht zur 75 freien Entscheidung über die Erteilung oder den Widerruf einer Prokura lässt die Rechte des Arbeitnehmers aus dem zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis unberührt. Die Entscheidung kann deshalb Rechtsfolgen auf der Vertragsebene auslösen. Insbesondere kann der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsvertrages i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB haben, wenn ihm entgegen den getroffenen Zusagen eine Prokura nicht erteilt oder eine erteilte Prokura entzogen bzw. nicht wieder erteilt wird.128 Denn auch wenn ein wirksamer Anspruch auf Prokuraerteilung/-erhalt nicht begründet werden kann, verletzt der Arbeitgeber mit der Unterlassung der Erteilung (respektive dem Entzug der Prokura) doch seine Pflicht, auf berechtigte Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Dabei stellt sich allerdings nicht bereits die Nichterteilung oder der Entzug der Prokura 76 allein schon als wichtiger Grund für die fristlose Kündigung dar. Erforderlich ist vielmehr, dass (1) der Kaufmann keinen sachlichen Grund für dieses Verhalten hatte und (2) es die besonderen Umstände des Einzelfalles dem Arbeitnehmer unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis ohne die Prokura fortzusetzen, er also durch die Rechtsstellung ohne Prokura unzumutbar diskriminiert wird.129 Die Kündigungsmöglichkeit hängt also entscheidend von Bedeutung und Gewicht der Prokura für den Arbeitnehmer und seiner Stellung innerhalb des kaufmännischen Unternehmens ab. d) Schadensersatz. Soweit gesellschaftsvertraglich die Prokuraerteilung wirksam und ver- 77 bindlich regelbar ist (s. oben Rn 72), können bei vertragswidrigem Verhalten eines Gesellschafters Schadensersatzansprüche auf der Grundlage der Verletzung des Gesellschaftsvertrages entstehen.130 Dagegen kann ein Schadensersatzanspruch für den Regelfall, dass eine wirksame vertragliche Pflicht zur Erteilung der Prokura nicht besteht, nur unter engen Voraussetzungen gegeben sein (zur Vereinbarung einer Vertragsstrafe s. § 52 Rn 25). Es sind dabei folgende Gestaltungen zu unterscheiden: aa) Vertraglicher Schadensersatzanspruch. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch 78 kann jedenfalls nicht auf Erteilung oder Wiedererteilung einer Prokura (§ 249 BGB) gerichtet sein.131 Dem freien Entscheidungsrecht des Inhabers des Handelsgeschäfts muss auch hier der Vorrang gebühren, da der auf Naturalherstellung gerichtete Schadensersatzanspruch mit der freien Widerruflichkeit der Prokura genauso unvereinbar wäre wie ein wirksamer vertraglicher Anspruch.
126 127 128 129
Vgl. Weimar MDR 1974, 720. BAG AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 unter D. der Gründe m. Anm. M. Wolf. Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 63. RAGE 3, 281 (283 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 64; Soergel/Fischinger/Hofer § 626 Rn 158. Offengelassen wird die Kündigungsmöglichkeit in BAG NJW 1987, 862 (863). Vgl. auch BAG AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 m. Anm. M. Wolf. 130 RGZ 2, 30 (35); RGZ 163, 35 (38). 131 Zutreffend BAG NJW 1987, 862 (863). 557
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Ob ein auf Geldersatz gerichteter, auf eine Vertragsverletzung gestützter Schadensersatzanspruch anzuerkennen ist, ist hingegen umstritten.132 Im laufenden Arbeitsverhältnis ist die Frage weitgehend ohne Bedeutung, weil dem Arbeitnehmer in der Regel schon gar kein Vermögensschaden entsteht,133 bleiben doch seine Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag, insbesondere die Gehaltsansprüche, von der Nichterteilung der Prokura unberührt134 (s. oben Rn 74). Relevant wird die Frage deshalb wohl nur, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aufgrund der Nichterteilung der Prokura bzw deren Entzug außerordentlich kündigt und Schadensersatz nach § 628 Abs. 2 BGB verlangt (s. dazu Rn 82).
80 bb) Außervertraglicher Schadensersatzanspruch. Ein außervertraglicher Schadensersatzanspruch wird zumeist ebenfalls nicht gegeben sein. Werden einem Stellenbewerber die Erteilung der Prokura zugesagt und danach der Anstellungsvertrag nicht abgeschlossen, so kommt nach hier vertretener Auffassung zwar im Grundsatz ein Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB) in Betracht.135 Es dürfte aber regelmäßig am erforderlichen Vermögensschaden des Stellenbewerbers fehlen. Ein solcher ist nur denkbar, wenn er im Vertrauen auf die Zusage des Kaufmanns mit ihm einen Arbeitsvertrag schloss und deshalb ein besser dotiertes Angebot eines anderen Arbeitgebers ablehnte. 81 Deliktische Ansprüche wegen Nichterteilung/Entzug der Prokura scheiden mangels verletzten Rechts oder Rechtsgut i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB aus.136 Etwas anderes gilt, wenn sich das Verhalten des Arbeitgebers insgesamt als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Stellenbewerbers darstellt,137 insbesondere wenn die Nichterteilung der zugesagten Prokura unter Umständen erfolgt, die zu einer Rufschädigung des Stellenbewerbers führen.
82 cc) Schadensersatz wegen Kündigung. Die Nichterteilung oder der Entzug einer Prokura kann den Arbeitnehmer zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen (s. oben Rn 75 f). Gemäß § 628 Abs. 2 BGB kann der Arbeitnehmer in einem solchen Falle Ersatz des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verlangen. Voraussetzung ist dafür allerdings, dass die Kündigung „durch vertragswidriges Verhalten“ des Arbeitgebers veranlasst worden ist. Dabei genügt aber die schuldhafte Verletzung vertraglicher Sekundärpflichten.138 Auch wenn eine Pflicht zur Prokuraerteilung nicht wirksam begründet werden kann, ist eine solche Sekundärpflichtverletzung im vorliegenden Kontext möglich, wenn der Kaufmann dadurch seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer verletzt (§ 241 Abs. 2 BGB, s. Rn 75). In einem solchen Fall kommt deshalb durchaus – entgegen der Vorauflage – ein auf Geld gerichteter Schadensersatzanspruch in Betracht.139
132 Bejahend Grunsky BB 1973, 195; MünchKommHGB/Krebs Rn 63; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32; offengelassen in BAG NJW 1987, 862 (863); ablehnend Staub/Joost5 Rn 77. 133 Zutreffend BAG AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 unter D. der Gründe. 134 Das wird wohl übersehen in BAG AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 unter D. der Gründe, soweit dort ein Schadensersatzanspruch für möglich gehalten wird, wenn mit der Prokuraerteilung eine höhere Vergütung verknüpft ist. 135 AA Grunsky BB 1973, 195; MünchKommHGB/Krebs Rn 64. 136 ArbG Ludwigsburg BB 1973, 90; MünchKommHGB/Krebs Rn 64. 137 S. dazu aber ArbG Ludwigsburg BB 1973, 90. 138 Siehe Soergel/Fischinger/Hofer § 628 Rn 39. 139 So auch RAGE 3, 281 (284 f); BAG AP Nr. 5 zu § 628 BGB; BAG AP Nr. 8 zu § 4 KSchG 1969 unter D. der Gründe; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 64. Vgl. dazu aber auch BAG NJW 1987, 862 (863). Fischinger
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7. Verpflichtung zur Nichterteilung einer Prokura Aus der freien Widerruflichkeit der Prokura nach § 52 Abs. 1 ergibt sich der Grundsatz, dass sich 83 der Inhaber des Handelsgeschäfts nicht rechtswirksam zur Erteilung oder zum Unterlassen des Widerrufs einer Prokura verpflichten kann.140 Umgekehrt bestehen aber keine Bedenken dagegen, dass sich der Inhaber des Handelsgeschäfts dazu verpflichtet, einer bestimmten Person keine Prokura zu erteilen. Eine solche Verpflichtung steht nicht im Widerspruch zu dem mit § 52 Abs. 1 bezweckten Schutz des Inhabers des Handelsgeschäfts, da die Nichterteilung der Prokura zu keiner Gefährdung des Geschäftsinhabers führt. Aus diesem Grunde kann auch ein Erblasser nach § 1940 BGB den Erben des Handelsgeschäfts im Wege der Auflage wirksam dazu verpflichten, eine bestimmte Person nicht zum Prokuristen zu bestellen. Wird die Bestellung testamentswidrig gleichwohl vorgenommen, so ist sie allerdings wegen der nur schuldrechtlichen Wirkung der Auflage rechtswirksam.141
III. Gesamtprokura (Abs. 2) Schrifttum Siehe die Angaben vor Rn 1. Ferner: Grothus Gegenzeichnung und „aktualisierte“ Überwachung von Gesamtprokuristen, GmbHR 1958, 186; Harrer Grenzen der Zulässigkeit einer „gemischten Gesamtprokura“, RdW 1984, 34; Heim Bevollmächtigung von Mitgliedern einer gesetzlichen Gesamtvertretung bei Kapitalgesellschaften, AG 1959, 271; Kötter Vom „alter ego“ des Prinzipals zur gemischten „Halbseitigen“ Gesamtprokura?, FS Hefermehl 1976, 75; Lüdtke-Handjery Gebundene Prokura, DB 1973, 2502; Münch Gesamtvertretung im Gesellschaftsrecht (1989); Roquette Rechtsfragen zur unechten Gesamtvertretung im Rahmen der gesetzlichen Vertretung von Kapitalgesellschaften, FS Oppenhoff 1985, 335; Stötter Die personelle Beschränkung der Prokura, BB 1975, 767; Viehöver/Eser Probleme der Vertretungsbefugnis bei der sog. unechten Gesamtprokura, BB 1984, 1326; Ziegler Prokura mit einem gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer, Rpfleger 1984, 5.
1. Zweck In Form einer Legaldefinition lässt § 48 Abs. 2 die Erteilung der Prokura an mehrere Personen 84 gemeinschaftlich als Gesamtprokura zu. Die Bestimmung dient dem Schutz des Inhabers des Handelsgeschäfts. Die Zulässigkeit der Bindung des Handelns eines Prokuristen an die Mitwirkung einer weiteren Person ist ein Ausgleich für die Gefährdungen, die durch den unbeschränkbaren weiten Umfang der Prokura nach § 49 Abs. 1 eintreten.142 Die Gesamtprokura hat große praktische Bedeutung, weil von ihr häufig und in vielfältiger Weise (s. unten Rn 93 ff) Gebrauch gemacht wird. Eine dem Schutz des Geschäftsherrn dienende Gesamtvertretungsmacht gibt es außer für 85 den Einzelkaufmann auch für Gesellschaften. Bei der GmbH (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG), der eingetragenen Genossenschaft (§ 25 Abs. 1 GenG) und der Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 2 Satz 1 AktG) ist, wenn das Vertretungsorgan aus mehreren Personen besteht, Gesamtvertretungsmacht kraft Gesetzes vorgesehen; die Satzung kann davon abweichen. Beim Verein besteht gesetzlich eine Mehrheitsvertretung (§§ 26 Abs. 2 Satz 1, 28 Abs. 1, 32 Abs. 1 Satz 3 BGB). Bei den Personenhandelsgesellschaften besteht umgekehrt kraft Gesetzes Einzelvertretungsmacht (§§ 125 Abs. 1, 161 Abs. 2); hier kann durch den Gesellschaftsvertrag eine Gesamtvertretung eingeführt werden. 140 MünchKommHGB/Krebs Rn 65. 141 OLG Koblenz GmbHR 1986, 430, 431 f (dort auch zur Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses in der GmbH, wenn ein Gesellschafter-Erbe testamentswidrig an dem Bestellungsbeschluss mitwirkt). 142 Zu weiteren Zwecken s. Kötter S. 75 ff. 559
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Die Gesamtprokura ist ein Fall der Gesamtvertretungsmacht als allgemeinem Rechtsinstitut. Deren Grundsätze sind in § 48 nicht geregelt, sondern anderweit entwickelt worden, insbesondere für die organschaftliche Gesamtvertretung im Gesellschaftsrecht. Die dafür maßgebenden Grundsätze sind für die Gesamtprokura heranzuziehen, soweit dem nicht die Eigenart der Gesamtprokura entgegensteht.
2. Bedeutung der Gesamtprokura 87 Die Gesamtprokura bedeutet ebenso wie die bürgerlich-rechtliche Gesamtvertretungsmacht (z.B. der Eltern, § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB), dass den mehreren Personen nur insgesamt eine einheitliche Vertretungsmacht zusteht. Der Geschäftsherr wird nur wirksam vertreten, wenn die mehreren Personen zusammenwirken (zur Passivvertretung s. aber unten Rn 125 ff). Die Beschränkung der Vertretungsmacht in Form der Gesamtvertretungsmacht hat unmittelbare Außenwirkung, indem eine wirksame Vertretung nur vorliegt, wenn sämtliche Gesamtvertreter die Willenserklärung abgeben. Diese Außenwirkung setzt aber voraus, dass die Prokura in wirksamer Weise als Gesamtprokura ausgestaltet worden ist (s. im Einzelnen unten Rn 90 ff). 88 Dagegen kann der Inhaber des Handelsgeschäftes dem Prokuristen im Innenverhältnis auch solche Beschränkungen auferlegen, die in Form einer Gesamtprokura nicht möglich sind, z.B. die Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines Handlungsbevollmächtigten (s. unten Rn 108 f) oder eines nicht zur Vertretung berechtigten Handlungsgehilfen bzw. sogar einer unternehmensfremden Person. Derartige Beschränkungen gelten gegenüber Dritten grundsätzlich nicht, sondern allenfalls nach den Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht (s. § 50 Rn 35 ff). 89 Die Zulässigkeit der Gesamtprokura ist keine Durchbrechung des in § 50 Abs. 1 niedergelegten Grundsatzes, wonach eine Beschränkung des Umfanges der Prokura Dritten gegenüber unwirksam ist. Denn die Erteilung der Gesamtprokura beschränkt nicht den sachlichen Umfang der Vertretungsmacht, sondern enthält (lediglich) eine personelle Beschränkung. Dementsprechend bleiben die Gesamtprokuristen im Umfang des § 49 zur Vertretung berechtigt. Die Erteilung der Gesamtprokura enthält also keine gegenständliche (sachliche) Beschränkung der Vertretungsmacht.
3. Voraussetzungen und Erteilung 90 Für die Erteilung der Prokura gelten die allgemeinen Regeln. Insbesondere muss die Prokura ausdrücklich erteilt werden. Darüber hinaus muss aber auch die Beschränkung als Gesamtprokura ausdrücklich vorgenommen werden.143 Der Inhaber des Handelsgeschäftes muss also den Prokuristen bei der Erteilung erklären, dass die Erteilung der Prokura gemeinschaftlich an sie erfolge. Fehlt diese ausdrückliche Erklärung, so entstehen Einzelprokuren, da diese den gesetzlichen Regelfall bilden. Eine Gesamtprokura setzt voraus, dass die Prokura mehreren Personen erteilt wird.144 Sie 91 kann daher nicht mit dem Inhalt begründet werden, dass der weitere (Gesamt-)Prokurist erst in Zukunft bestellt werden solle.145 Wird die Gesamtprokura nur an eine Person erteilt, so ist der Vorgang der Erteilung der ganzen Vertretungsmacht noch nicht abgeschlossen. Der bislang einzige Gesamtprokurist hat noch keine wirksame Vertretungsmacht, und zwar auch nicht etwa in dem Umfang, wie sie ihm als wirksam bestelltem Gesamtprokuristen zukommen würde, etwa 143 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; Heymann/Teichmann HGB Rn 47. Vgl. aber auch BGH WM 1964, 151. 144 KG JW 1938, 876; OLG Hamm DNotZ 1968, 445 f mit insoweit zust. Anm. Braun; OLG Frankfurt DB 1973, 1234 m. Anm. Lüdtke-Handjery S. 2502 ff.
145 OLG Stuttgart Rpfleger 1969, 245. Fischinger
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in Form der Passivvertretungsmacht.146 Demzufolge kann die bisher nur eine Person betreffende Gesamtprokura noch nicht in das Handelsregister eingetragen werden.147 Ist dagegen bereits ein Prokurist vorhanden, so kann einer weiteren Person Gesamtprokura erteilt werden (s. unten Rn 96). Bei der gemischten Gesamtvertretung (Rn 97) genügt es, dass der weitere Vertreter bestellt ist; ein weiterer Prokurist braucht nicht vorhanden zu sein148 (vgl. auch Rn 105). Eine bisherige Einzelprokura kann nicht nachträglich in eine Gesamtprokura umgewandelt 92 werden. Notwendig ist ein Widerruf der Prokura als Einzelprokura unter gleichzeitiger Begründung einer neuen Gesamtprokura. Dies ist zur Eintragung im Handelsregister anzumelden.
4. Gestaltungen Die Gesamtprokura tritt in außerordentlich vielfältigen Gestaltungen auf. Sie lassen sich danach 93 unterscheiden, ob an der Gesamtvertretung nur Prokuristen mitwirken (sog. echte Gesamtprokura) oder neben Prokuristen auch andere Personen auftreten (gemischte Gesamtvertretung).
a) Echte Gesamtprokura. Eine echte Gesamtprokura besteht nach der Legaldefinition in § 48 94 Abs. 2, wenn die Vertretungsmacht durch mehrere Prokuristen ausgeübt wird. Die echte Gesamtprokura tritt in verschiedenen Varianten auf. aa) Allseitige Gesamtprokura. Bei dieser Form der Gesamtprokura kann ein Prokurist nur 95 gemeinsam mit allen anderen Prokuristen handeln. Der Inhaber des Handelsgeschäfts kann aber auch bestimmen, dass ein Prokurist nur mit einem oder mehreren – der Person nach bestimmten – anderen Prokuristen vertreten kann (Gruppenprokura).
bb) Halbseitige Gesamtprokura. Unter einer halbseitigen Gesamtvertretung wird der Fall 96 verstanden, dass von zwei Prokuristen der eine Gesamtvertretungsmacht, der andere aber Einzelprokura hat. Eine gesetzliche Regelung hierfür fehlt. Die heute hM hält diese Gestaltung entgegen früheren Ansichten mit Recht für zulässig.149 Der gegen diese Gestaltung vorgebrachte Einwand, der Gesamtprokurist habe im Ergebnis keinerlei Vertretungsmacht, weil der Einzelprokurist, an dessen Mitwirkung er gebunden sei, auch allein handeln könne, trifft nicht zu. Zunächst hat der Gesamtprokurist eine echte Vertretungsmacht bereits insofern, als er im Bereich der Passivvertretung allein handeln kann (s. unten Rn 125). Darüber hinaus besteht für die halbseitige Gesamtprokura auch insofern ein erhebliches praktisches Bedürfnis, als der Einzelprokurist möglicherweise im Unternehmen den Geschäftsbereich, in dem der Gesamtprokurist tätig
146 KG JW 1938, 876; OLG Hamm DNotZ 1968, 445 (446). 147 KG JW 1938, 876; OLG Hamm DNotZ 1968, 445 (446) mit insoweit zust. Anm. von Braun; OLG Hamm NJW 1971, 1369. AA aus registerökonomischen Gründen BGHZ 62, 166 (173 f), wenn die Gesamtvertretungsmacht eines bereits vorhandenen Geschäftsführers mit einem noch nicht bestellten weiteren Prokuristen begründet werden soll; ebenso OLG Frankfurt DB 1973, 1234 m. Anm. Lüdtke-Handjery S. 2502 ff und Walchshöfer Rpfleger 1975, 383. Anders aber auch für diesen Fall OLG Hamm DNotZ 1968, 445 f m. Anm. Braun; offen gelassen in OLG Hamm DB 1983, 1700 (1701). 148 BGHZ 62, 166 (173 f) mwN. 149 BGHZ 62, 166 (170 ff) mwN; OLG Neustadt MittBayNot 1963, 287 = DNotZ 1963, 760 (LS); Hopt/Merkt Rn 6; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 40; für die Vertretungsmacht von Personenhandelsgesellschaftern auch schon RGZ 90, 21 (22 f), kritisch Kötter S. 99 ff. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 74 ff; Krebs ZHR 159 (1995), 635 (656 ff). 561
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wird, nicht leitet und deshalb eine Alleinvertretung durch ihn beim Abschluss eines Geschäfts nicht angemessen wäre.150
97 b) Gemischte Gesamtvertretung. Eine gemischte Gesamtvertretung (häufig auch als gemischte oder unechte Gesamtprokura bezeichnet) liegt vor, wenn die Ausübung der Vertretungsmacht des Prokuristen an die Mitwirkung einer anderen Person gebunden wird, die selbst nicht Prokurist ist. In § 48 ist diese Form der Gesamtvertretung nicht unmittelbar geregelt. Es ist die kaufmännische Praxis selbst gewesen, die eine außerordentliche Fülle von derartigen Gestaltungen hervorgebracht hat.151 Die rechtliche Anerkennung beruht weniger auf begrifflich und dogmatisch überzeugenden Konzeptionen als vielmehr darauf, dass für die verschiedenen Formen der Gesamtvertretung praktische Bedürfnisse gegeben sind. Deren Berücksichtigung ist stets ein besonderes Anliegen des Handelsrechts gewesen. 98 Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass der Prokurist im Außenverhältnis nicht an die Mitwirkung eines unternehmensfremden Dritten gebunden werden kann.152 Der Grund dafür liegt darin, dass die Beschränkung der Prokura aus dem Handelsregister ersichtlich sein muss und das Verhältnis zu unternehmensfremden Dritten im Handelsregister nicht eingetragen werden kann. Im Innenverhältnis des Prokuristen zum Inhaber des Handelsgeschäfts ist dagegen die Bindung an die Mitwirkung eines unternehmensfremden Dritten wirksam. Der Prokurist kann aber mit Wirksamkeit auch im Außenverhältnis an die Mitwirkung bestimmter unternehmensangehöriger Personen in der Weise gebunden werden, dass dem Prokuristen nur eine Gesamtvertretungsmacht zusteht153 (zum Umfang dieser Vertretungsmacht s. unten Rn 113 ff). Diese gemischte Gesamtvertretung ist trotz der eingebürgerten Bezeichnung als gemischte (oder unechte) Gesamtprokura rechtlich keine Gesamtprokura, da diese nach der Legaldefinition in § 48 Abs. 2 auf den Fall beschränkt ist, dass mehrere Personen als Prokuristen zu Vertretern bestellt werden. Es liegt eine besondere Art der (Einzel-)Prokura dergestalt vor, dass sie nur in Form einer Gesamtvertretung ausgeübt werden kann.154 Der Ausdruck Gesamtprokura sollte deshalb vermieden werden. Zur Eintragung im Handelsregister s. § 53 Rn 23. Im Einzelnen sind folgende Gestaltungen zu unterscheiden:
99 aa) Inhaber des Handelsgeschäfts. Die Vertretungsmacht des Prokuristen kann mit Wirksamkeit im Außenverhältnis an die Mitwirkung des Inhabers des Handelsgeschäfts gebunden werden.155 Zwar kann der Inhaber des Handelsgeschäfts nicht zugleich sein eigener Vertreter sein, so dass keine echte Gesamtvertretung vorliegt. Dies ist jedoch ein rein begriffliches Bedenken. Sachlich besteht kein Grund, die Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung des Inhabers des Handelsgeschäfts anders zu beurteilen als die ebenfalls zulässige Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines organschaftlichen Vertreters einer Handelsgesellschaft (s. unten Rn 101 ff). Für das Erfordernis der Mitwirkung des Inhabers des Handelsgeschäfts besteht ein anerkennenswertes wirtschaftliches Bedürfnis, da dem Inhaber des Handelsgeschäfts daran ge-
150 So überzeugend BGHZ 62, 166 (171 ff), kritisch MünchKommHGB/Krebs Rn 76. 151 Zur entstehungsgeschichtlichen Entwicklung der gemischten Gesamtvertretung im Handelsrecht s. Kötter S. 78 ff.
152 HansOLG Hamburg GmbHR 1961, 128 m. Anm. Hesselmann; BayObLG WM 1970, 333; Heymann/Teichmann HGB Rn 55.
153 Anders Beuthien/Müller DB 1995, 461 (462). 154 BayObLG WM 1970, 333; BayObLG NJW 1971, 810 (811); OLG Hamm DNotZ 1968, 445 (446) m. Anm. Braun; OLG Frankfurt DB 1973, 1234; vgl. ferner OLG Stuttgart Rpfleger 1969, 245 und OLG Hamm NJW 1971, 1369 (1370).
155 Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 20; Bärwaldt/Hadding NJW 1998, 1103 (1104 f). AA BayObLG NJW 1998, 1161 f; Canaris Handelsrecht § 12 IV. 4. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 81 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 48; Stötter BB 1975, 768. Fischinger
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legen sein kann, die Tätigkeit des Prokuristen zu kontrollieren. In jedem Falle ist es zulässig, den Prokuristen im Innenverhältnis zum Inhaber des Handelsgeschäfts an dessen Zustimmung zu binden. Es handelt sich hierbei aber stets nur um eine Bindung des Prokuristen, also um eine halb- 100 seitige gemischte Gesamtvertretung. Der Inhaber des Handelsgeschäfts kann sich nicht selbst an die Mitwirkung des Prokuristen binden,156 insbesondere auch nicht dadurch, dass er sich zum Gesamtprokuristen bestellt.157 Die Handlungsbefugnis des Inhabers des Handelsgeschäfts folgt stets zwingend aus seiner Stellung als Rechtsträger und kann mit Wirkung im Außenverhältnis nicht personell eingeschränkt werden.
bb) Organschaftliche Vertreter. Die Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines organ- 101 schaftlichen Vertreters einer Handelsgesellschaft ist gesetzlich nicht geregelt. In §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG und 25 Abs. 2 GenG wird aber umgekehrt die Bindung eines organschaftlichen Vertreters an die Mitwirkung eines Prokuristen im Rahmen der gesetzlichen Vertretung für zulässig erklärt.158 Hieraus wird mit Recht fast allgemein gefolgert, dass auch der Prokurist mit Wirkung im Außenverhältnis an die Mitwirkung eines organschaftlichen Vertreters bei der rechtsgeschäftlichen Vertretung gebunden werden kann.159 Der organschaftliche Vertreter einer Handelsgesellschaft kann infolge seiner übergeordneten Stellung nicht stärkeren Bindungen unterliegen, als sie für einen Prokuristen zulässig sind. Für diese Form der Gesamtvertretung besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis.160 Möglich ist daher die Bindung des Prokuristen an die Mitwirkung eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Handelsgesellschaft,161 eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft162 oder eines Vorstandsmitglieds einer Genossenschaft.163 Umgekehrt ist gesellschaftsrechtlich aufgrund des Grundsatzes der Selbstorganschaft allerdings erforderlich, dass entweder die Prokura aus Sicht des persönlich haftenden Gesellschafters eine halbseitige ist (sprich: dass er die Gesellschaft auch ohne Mitwirkung des Prokuristen vertreten kann) oder noch mindestens ein weiterer Gesellschafter vorhanden ist, der die Gesellschaft ohne den Prokuristen vertreten kann. Für die GmbH fehlt es an einer den Bestimmungen der §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG 102 und 25 Abs. 2 GenG vergleichbaren gesetzlichen Regelung. Gleichwohl ist schon seit langem mit Recht anerkannt, dass der Prokurist auch an die Mitwirkung des Geschäftsführers einer GmbH als vertretungsberechtigtem Organ (§ 35 GmbHG) gebunden werden kann.164 Die Zulässigkeit der Gesamtvertretung eines Prokuristen mit einem organschaftlichen Vertreter der Handelsgesellschaft beruht nicht auf den genannten gesetzlichen Bestimmungen, sondern auf einem allgemeinen handelsrechtlichen Grundsatz. Es gibt keinen sachlichen Grund, weshalb für die GmbH eine Ausnahme zu machen wäre.
156 OLG Hamm NJW 1971, 1369 (1370); LG Bremen NJW 1963, 2279. 157 Vgl. KG KGJ 48 (1916), 125 (126 f). 158 Zur Mitwirkung des Prokuristen an der gesetzlichen Vertretung, wenn von zwei notwendigen organschaftlichen Vertretern einer wegfällt, s. Roquette S. 335 ff. 159 BGHZ 99, 76 (78); BayObLG WM 1970, 333 mwN; Lüdtke-Handjery DB 1973, 2502 ff. AA Beuthien/Müller DB 1995, 461 (462 ff). 160 Vgl. Canaris Handelsrecht § 12 IV. 2., 3. Näher dazu Kötter S. 77 f. Ablehnend MünchKommHGB/Krebs Rn 84 ff. 161 BGH WM 1961, 321; BayObLG WM 1970, 333. AA österr. OGH SZ 23 Nr. 91; dazu Harrer österr. RdW 1984, 34 ff mwN. 162 OLG München HRR 1941 Nr. 37; OLG München HRR 1942 Nr. 113. 163 OLG Stuttgart ZfgG 26 (1976), 191 (192) m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; LG Heilbronn, mitgeteilt in ZfgG 26 (1976) 191; LG Frankenthal Rpfleger 1975, 137; LG Regensburg Rpfleger 1977, 315. 164 BGHZ 62, 166 (170); BGHZ 99, 76 (77 ff); OLG Hamm DNotZ 1968, 445 (446) m. Anm. Braun; OLG Hamm DB 1983, 1700 (1701) = BB 1983, 1629 m. Anm. Bräutigam (dazu auch Viehöver/Eser BB 1984, 1326 ff); OLG Stuttgart Rpfleger 1969, 245; OLG Düsseldorf BB 1986, 2089; OLG Stuttgart BB 1998, 2546. 563
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Die dargestellten Grundsätze gelten auch für die GmbH & Co. KG. Die Vertretungsmacht des Prokuristen kann daher an die Mitwirkung des persönlich haftenden Gesellschafters der Handelsgesellschaft auch dann geknüpft werden, wenn dieser eine Kapitalgesellschaft ist; bei der Mitzeichnung zur Prokura wird die Kapitalgesellschaft von ihrem gesetzlichen Vertretungsorgan vertreten.165 Eine andere Frage ist es, ob die Vertretungsmacht des Prokuristen der Handelsgesellschaft von vornherein an die Mitwirkung der (jeweiligen oder namentlich benannten) Geschäftsführer der GmbH gebunden werden kann. Die Rechtsprechung hat dies mit Recht abgelehnt.166 Die Geschäftsführer der GmbH sind als solche keine Angehörigen des Unternehmens der KG, sondern Dritte. An deren Mitwirkung kann ein Prokurist aber mit Wirksamkeit im Außenverhältnis nicht gebunden werden (s. oben Rn 98). Für diese Art der Prokura besteht auch kein praktisches Bedürfnis. Es genügt, wenn der Prokurist an die Mitwirkung der Kapitalgesellschaft als persönlich haftender Gesellschafterin gebunden wird, um die Kontrolle durch deren vertretungsberechtigte Organe sicherzustellen. 104 Für die Zulässigkeit der Gesamtvertretung zwischen einem Prokuristen und einem vertretungsberechtigten Organ der Handelsgesellschaft ist es ohne Bedeutung, welche Vertretungsmacht dem Organ zukommt. Die Gesamtvertretung kann daher nicht nur mit einem einzelvertretungsbefugten Organ167 bestimmt werden, sondern auch mit einem gesamtvertretungsberechtigten Organ.168 Hierin liegt kein Verstoß gegen § 50, da es sich um eine personelle Beschränkung handelt, nicht aber der Umfang der Prokura in unzulässiger Weise beschränkt wird.169 Auch wird die gesetzliche Vertretungsbefugnis des nur gesamtvertretungsbefugten Organs nicht erweitert, da es lediglich um die rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft durch den Prokuristen im Zusammenwirken mit einer anderen Person geht. Einer Zulassung dieser Form der Prokura insbesondere durch die Satzung im Falle einer GmbH bedarf es nicht.170 105 Eine Gesamtvertretung durch den Prokuristen mit einem vertretungsberechtigten Organ kann in dem Sinne als ausschließliche Vertretung bestimmt werden, dass kein weiterer Prokurist vorhanden ist, der Prokurist also nur in Verbindung mit einem vertretungsberechtigten Organ handeln kann.171 Ebenso ist es möglich, die Gesamtvertretung des Prokuristen dahin zu bestimmen, dass er alternativ entweder gemeinsam mit einem vertretungsberechtigten Organ oder mit einem bereits vorhandenen oder gleichzeitig zu bestellenden Prokuristen handeln kann.172 Darüber hinaus ist es zulässig, auch bei Vorhandensein mehrerer Prokuristen bei einem oder mehreren von ihnen eine Gesamtvertretung allein mit einem vertretungsbefugten Organ vorzusehen.173 106 Wie bei einer gewöhnlichen Gesamtprokura kann auch die Gesamtvertretung eines Prokuristen mit einem vertretungsberechtigten Organ der Handelsgesellschaft als halbseitige Gesamtvertretung ausgestaltet werden.174 Bei dieser Gestaltung kann der Prokurist stets nur im Zusammenwirken mit dem vertretungsberechtigten Organ handeln, während umgekehrt das 103
165 BayObLG WM 1970, 333; BayObLG NJW 1994, 2965; OLG Frankfurt/Main NZG 2001, 222; vgl. auch Germer BaWüNotZ 1986, 56; Grüter BB 1979, 245. 166 HansOLG Hamburg GmbHR 1961, 128 f m. Anm. Hesselmann; BayObLG WM 1970, 333 f; BayObLG NJW 1994, 2965; OLG Frankfurt/Main NZG 2001, 222; ebenso Germer BaWüNotZ 1986, 56; Grüter BB 1979, 245. 167 BGHZ 62, 166 (170); OLG Stuttgart Rpfleger 1969, 245; OLG Hamm DB 1983, 1700 (1701) = BB 1983, 1629 m. Anm. Bräutigam; ablehnend OLG Frankfurt DB 1973, 1234 mit gegenteiliger Anm. Lüdtke-Handjery, 2504. 168 BGHZ 99, 76 (78 ff); OLG Düsseldorf BB 1986, 2089. Canaris Handelsrecht § 12 IV. 2. hält nur diese Konstellation für sinnvoll. 169 AA OLG Hamm DB 1983, 1700 (1701 f) = BB 1983, 1629 m. Anm. Bräutigam; s. dazu auch Viehöver/Eser BB 1984, 1326 ff; Ziegler Rpfleger 1984, 5 ff. 170 BGHZ 99, 76 (81); vgl. dazu auch Bräutigam BB 1983, 1629. 171 BGHZ 99, 76 (78 ff); Pabst BB 1956, 1056. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 84 ff. 172 OLG München HRR 1941 Nr. 37. 173 OLG München HRR 1941 Nr. 37. 174 BGHZ 62, 166, 170 ff (dazu Stötter BB 1975, 768). Kritisch Kötter S. 98 ff („reichlich widersinnige Vertretungsform“) und Harrer österr. RdW 1984, 36 ff. Fischinger
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vertretungsberechtigte Organ einzelvertretungsbefugt ist. Dies hat insbesondere Bedeutung für den Fall, dass die Handelsgesellschaft nur ein einziges vertretungsberechtigtes Organ mit notwendiger175 Alleinvertretungsbefugnis hat. Die Begründung einer Gesamtvertretungsbefugnis des Prokuristen wird also hierdurch nicht gehindert.
cc) Von der Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter. Die Begründung einer Gesamt- 107 vertretungsmacht des Prokuristen gemeinsam mit einem gesellschaftsvertraglich (§ 125 Abs. 1) oder gesetzlich (§ 170) von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft wird allgemein mit Recht für unzulässig gehalten.176 Gesamtvertretung setzt stets voraus, dass zwei Personen Vertretungsmacht haben. Daran fehlt es den gesellschaftsvertraglich oder gesetzlich von der Vertretung ausgeschlossenen Gesellschaftern. Sie könnten die Gesellschaft nicht vertreten, sondern lediglich ihre Zustimmung zum Handeln des Prokuristen erteilen, der dann alleiniger rechtsgeschäftlicher Vertreter der Handelsgesellschaft und damit Einzelprokurist wäre. Eine derartige mit Wirksamkeit im Außenverhältnis versehene Bindung eines Prokuristen an die Zustimmung eines Dritten ist nicht möglich. Dagegen kann dem Kommanditisten selbst eine Prokura erteilt werden (s. oben Rn 36, dort auch zur Problematik der Erteilung an einen gesellschaftsvertraglich von der Vertretung ausgeschlossenen persönlich haftenden Gesellschafter), und zwar auch in Form einer Gesamtprokura gemeinschaftlich mit anderen Prokuristen. dd) Handlungsbevollmächtigter. Die Begründung einer Gesamtvertretung des Prokuristen 108 gemeinsam mit einem Handlungsbevollmächtigten ist nicht zulässig.177 Die Rechtsprechung sieht hierin einen Verstoß gegen § 50, weil die Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten hinter derjenigen des Prokuristen zurückbleibe. Damit lässt sich indessen diese Form der Gesamtvertretungsmacht nicht in Frage stellen. Wenn nach §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG und 25 Abs. 2 GenG die vertretungsberechtigten Organe einer Handelsgesellschaft oder einer Genossenschaft an die Mitwirkung des Prokuristen gebunden werden können, dessen Vertretungsmacht ebenfalls hinter derjenigen der vertretungsberechtigten Organe zurückbleibt, so zeigt dies, dass ein unterschiedlicher Umfang der Vertretungsmacht nicht notwendig ein Hindernis für eine Gesamtvertretung ist. Gegebenenfalls erweitert sich der Umfang der beschränkten Vertretungsmacht auf den Umfang der umfassenderen Vertretungsmacht. Gleichwohl ist der Rechtsprechung im Ergebnis zu folgen. Maßgeblicher Gesichtspunkt 109 hierfür ist, dass die Vertretungsbefugnis des Prokuristen aus dem Handelsregister ersichtlich sein muss. Die Handlungsvollmacht wird jedoch nicht in das Handelsregister eingetragen. Bei einer Gesamtvertretung bliebe dementsprechend unklar, auf welche Person sich das Mitwirkungserfordernis bezöge. Dies wäre mit der Regelung der Prokura nicht vereinbar.178 Zur Bindung des Handlungsbevollmächtigten an die Mitwirkung eines Prokuristen s. § 54 Rn 37; zur Erteilung einer (Gesamt-)Handlungsvollmacht an den Prokuristen s. unten Rn 131.
ee) Rechtsgeschäftlicher Vertreter. Wenn schon die Bindung des Prokuristen an die Mitwir- 110 kung eines Handlungsbevollmächtigten nicht zulässig ist (s. Rn 108 f), so ist erst Recht eine Bindung an eine Person, die eine gewöhnliche Vollmacht für den Bereich des Handelsgeschäfts 175 Vgl. BGHZ 26, 330 (332 f); BGHZ 99, 76 (79); OLG Stuttgart Rpfleger 1969, 245. 176 Canaris Handelsrecht § 12 IV. 4. b); Heymann/Teichmann HGB Rn 56; Oetker/Schubert Rn 60; Röhricht/ v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 60; Pabst BB 1956, 1056.
177 BGH WM 1961, 321 (322); BGH BB 1964, 151 mwN; KG HRR 1940 Nr. 614; OLG München HRR 1941 Nr. 37. Vgl. auch HansOLG Hamburg OLGE 46 (1928), 257; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 49. 178 Canaris Handelsrecht § 12 IV. 4. b); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 21. 565
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hat, nicht möglich.179 Rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter werden mit Ausnahme der Prokuristen nicht in das Handelsregister eingetragen, so dass eine Gesamtvertretung aus den gleichen Gründen ausscheidet wie bei einem Handlungsbevollmächtigten (s. oben Rn 108 f). 111 Allerdings: Soweit ausnahmsweise ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter in das Handelsregister eingetragen wird, fehlt es an dem entscheidenden Grund für die Unzulässigkeit der Gesamtvertretung mit einem Prokuristen. Die Gesamtvertretung sollte deshalb in einem derartigen Falle zugelassen werden. So liegt es bei dem Hauptbevollmächtigten eines ausländischen Versicherungsunternehmens, der nach § 68 Abs. 2 Satz 1 VAG für die inländische Niederlassung zu bestellen ist. Entgegen der früheren Rechtslage ist der Hauptbevollmächtigte gemäß § 68 Abs. 2 Satz 4 VAG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Dementsprechend kann auch eine Gesamtvertretung mit einem Prokuristen begründet und eingetragen werden.180 Gleiches gilt für den Geschäftsleiter der deutschen Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts nach § 53 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 KWG.
5. Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 112 a) Umfang. Für den Umfang der Vertretungsmacht bei einer echten Gesamtprokura bestehen keine Besonderheiten. Der Umfang richtet sich daher nach § 49. Die Gesamtprokura bedeutet keine sachliche, sondern eine personelle Beschränkung der Vertretungsmacht. Der Gesamtprokurist kann auch in dem eingeschränkten Wirkungskreis eines Handlungbevollmächtigten nicht allein vertreten, da die Gesamtprokura nicht ohne Weiteres eine (Einzel-)Handlungsvollmacht enthält.181 Die Befugnisse eines (Einzel-)Handlungsbevollmächtigten können daher über diejenigen eines Gesamtprokuristen hinausgehen. Zweifelhaft ist der Umfang bei der gemischten Gesamtvertretung, wenn der Prokurist in 113 Gemeinschaft mit einem vertretungsberechtigten Organ der Handelsgesellschaft diese vertreten kann. Verschiedentlich wird angenommen, dass sich die Vertretungsmacht des Prokuristen in allen Fällen der gemischten Gesamtvertretung auf den sachlichen Umfang der Vertretungsmacht des vertretungsberechtigten Organs erweitere.182 Danach würde die Prokura entgegen § 49 in gleicher Weise sachlich unbeschränkt sein wie die organschaftliche Vertretungsmacht. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Sie beruht auf einer unzulässigen Gleichsetzung ver114 schiedener Gestaltungen der gemischten Gesamtvertretung. Ist im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass die Gesellschaft durch ein vertretungsberechtigtes Organ in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten wird (s. oben Rn 101 ff), so nimmt der Prokurist ungeachtet dessen, dass seine Prokura eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht ist, an der gesetzlichen Vertretung der Handelsgesellschaft teil.183 Wird dagegen von demjenigen, der die Prokura bestellt, eine Gesamtprokura nach § 48 Abs. 2 bestimmt, so nimmt der Prokurist eine rechtsgeschäftliche Vertretung auch dann wahr, wenn eine gemischte Gesamtvertretung mit einem vertretungsberechtigten Organ der Handelsgesellschaft bei der Bestellung der Prokura bestimmt wird. Diese Unterscheidung beeinflusst den sachlichen Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen. Wirkt der Prokurist infolge der gesellschaftsvertraglichen Anordnung an der gesetzlichen Vertretung der Handelsgesellschaft mit, so bestimmt sich der Umfang seiner Vertretungsmacht
179 OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 314 f; BayObLG NJW 1994, 2965; Hopt/Merkt Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber Rn 49. 180 AA zur früheren Rechtslage und in der Annahme, dass der Hauptbevollmächtigte nicht in das Handelsregister eingetragen werden konnte, OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 314 f mwN. AA auch Hopt/Merkt Rn 7. S. dazu Voigt VerBAV 1976, 447 ff. 181 RGZ 90, 299 (300). 182 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 3. c) cc) ccc); Heymann/Teichmann HGB Rn 57. 183 Er ist daher nicht Erfüllungsgehilfe des organschaftlichen Vertreters: BGHZ 13, 61 (64). Fischinger
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nach der Vertretungsmacht des vertretungsberechtigten Organs.184 Der Vertretungsumfang ist hier also gegenüber § 49 erweitert. Wird dagegen nicht die Ausübung der organschaftlichen Vertretungsmacht an die Mitwirkung des Prokuristen gebunden, sondern umgekehrt bei der Erteilung der Prokura eine Gesamtvertretung durch den Prokuristen gemeinschaftlich mit einem organschaftlichen Vertreter bestimmt, so wird hierdurch der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen gegenüber § 49 nicht geändert.185 Der Prokurist nimmt seine sachlich unveränderte rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht wahr und ist dabei lediglich an die Mitwirkung des vertretungsberechtigten Organs gebunden. Die Unterscheidung des Umfangs der Vertretungsmacht des Prokuristen bei einer Mitwir- 115 kung an der gesetzlichen Vertretung der Handelsgesellschaft und seiner rechtsgeschäftlichen Vertretung wirkt sich bei der Aktivvertretung nicht aus, wenn der organschaftliche Vertreter eine Einzelvertretungsmacht hat. In diesem Fall ist das Rechtsgeschäft aufgrund der Einzelvertretungsmacht des organschaftlichen Vertreters auch dann wirksam, wenn der organschaftliche Vertreter an der rechtsgeschäftlichen Vertretung des Prokuristen lediglich mitwirkt und die Grenzen der Vertretungsmacht des Prokuristen überschritten sind. Die unbeschränkbare organschaftliche Vertretungsmacht genügt für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Die Unterscheidung des Umfangs der Vertretungsmacht hat aber erhebliche Bedeutung für den Fall, dass der organschaftliche Vertreter durch den Gesellschaftsvertrag nur eine Gesamtvertretungsmacht zusammen mit anderen organschaftlichen Vertretern erlangt hat. Wirkt er an der rechtsgeschäftlichen Vertretung durch einen Prokuristen mit, so kann das Rechtsgeschäft nur Wirksamkeit erlangen, wenn es innerhalb der Grenzen der Vertretungsmacht des Prokuristen liegt. Außerhalb dieser Grenzen kann der organschaftliche Vertreter die Handelsgesellschaft weder allein noch im Zusammenwirken mit einem Prokuristen vertreten; dazu bedürfte es vielmehr der Mitwirkung eines weiteren organschaftlichen Vertreters. Die genaue Unterscheidung der Mitwirkung an der gesetzlichen Vertretung und der bloßen 116 Ausübung der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht ist ferner von Bedeutung, wenn gesellschaftsvertraglich eine Gesamtvertretung des organschaftlichen Vertreters mit einem Prokuristen bestimmt ist, der Prokurist aber eine Einzelprokura hat. Hier ist zwar der organschaftliche Vertreter stets an die Mitwirkung des Prokuristen gebunden. Umgekehrt kann aber der Prokurist im Umfang des § 49 von seiner Einzelprokura Gebrauch machen, also allein handeln. Den Prokuristen auch insoweit an die Mitwirkung des organschaftlichen Vertreters zu binden, hieße die Einzelprokura zu beseitigen. Dafür besteht kein Anlass. Die organschaftliche Gesamtvertretung dient der Kontrolle des organschaftlichen Vertreters. Die Kontrolle des Einzelprokuristen bedarf keiner anderen Maßnahmen als in dem Fall, dass es an einer gemischten Gesamtvertretung fehlt.
b) Art des Zusammenwirkens. Die Ausübung der Gesamtprokura erfordert weder ein räum- 117 liches noch ein zeitliches Zusammenwirken der Prokuristen. Es genügt eine zeitlich aufeinanderfolgende Mitwirkung in der Weise, dass jeder Gesamtprokurist die Erklärung nacheinander selbst abgibt. Es ist darüber hinaus seit langem anerkannt, dass die Gesamtprokuristen auch in anderer Weise zusammenwirken können. Für die organschaftliche Gesamtvertretung wird durch §§ 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, 78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG ausdrücklich zugelassen, dass die Gesamtvertreter einzelne von ihnen zur Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften ermächtigen. Hierbei handelt es sich um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, 184 RGZ 134, 303 (305 ff); BGHZ 13, 61 (64); BGHZ 62, 166 (170); BGHZ 99, 76 (81); BayObLG NJW 1973, 2068; KG JW 1937, 890 m. Anm. Groschuff; KG NJW 1962, 1349 (1350); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 52; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19; Stötter BB 1975, 768; Beuthien/Müller DB 1995, 461 (462 ff). AA Krebs ZHR 159 (1995), 635 (645 f); MünchKommHGB/Krebs Rn 92 ff; wohl auch OLG Hamm NJW 1971, 1369 (1370). S. ferner Kirberger Rpfleger 1979, 51. 185 BGHZ 62, 166 (170); BGHZ 99, 76 (81); OLG Hamm NJW 1971, 1369 (1370); Pabst BB 1956, 1056. 567
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der auch für die Gesamtprokura gilt. Diese Art des Zusammenwirkens kann rechtlich auf verschiedene Weise verstanden werden:
118 aa) Zustimmung. Die Gesamtvertreter können dem von einem Gesamtvertreter vorgenommenen Rechtsgeschäft zustimmen. Auf die Zustimmung sind § 174 BGB186 und die §§ 182 bis 184 BGB entsprechend anzuwenden. Dabei lässt die im voraus erteilte Zustimmung bei einer organschaftlichen Gesamtvertretungsmacht diese zu einer Einzelvertretungsmacht erstarken, ohne dass der Vertreter aufgrund einer zusätzlichen weiteren, von dem anderen Gesamtvertreter erteilten Vollmacht tätig werden würde.187 Aus den gleichen Gründen wie bei Erteilung einer besonderen Vollmacht an einen Gesamtprokuristen (s. unten Rn 123) kann die Zustimmung nur für einzelne Geschäfte oder einzelne Arten von Geschäften erteilt werden.188 Im Handelsregister ist sie nicht eintragungsfähig. 119 Hat ein Gesamtprokurist einen Vertrag ohne vorherige Zustimmung allein geschlossen, so liegt eine Vertretung ohne Vertretungsmacht vor. Der andere Gesamtprokurist kann den Vertrag gemäß § 177 BGB genehmigen, wobei die Genehmigung dem anderen Vertragsteil oder dem Gesamtprokuristen, der den Vertrag geschlossen hat, erklärt werden kann.189 Die Genehmigung kann durch schlüssige Handlungen oder stillschweigend erklärt werden.190 Zur Genehmigung bei formbedürftigen Rechtsgeschäften s. unten Rn 130. 120 Da die Genehmigung für die Wirksamkeit des Vertrages erforderlich ist, muss der Gesamtprokurist, der den Vertrag abgeschlossen hat, auch im Zeitpunkt der Genehmigung noch den Willen zum Vertragsabschluss haben.191 Eine Bindungswirkung tritt also durch den Abschluss des Vertrages allein noch nicht ein. Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist eine Vertretung ohne Vertretungsmacht nach § 180 121 Satz 1 BGB unzulässig. Nimmt ein Gesamtprokurist ein einseitiges Rechtsgeschäft allein vor, so ist dieses unwirksam. Eine Genehmigung durch den anderen Gesamtprokuristen ist nicht möglich, sofern nicht der Ausnahmefall des § 180 Satz 2 BGB vorliegt.
122 bb) Bevollmächtigung. In der Rechtsprechung wird seit langem angenommen, dass Gesamtprokuristen (Gesamtvertreter) einen von ihnen bevollmächtigen können, ein Rechtsgeschäft allein vorzunehmen.192 Die Auffassung des Bundesgerichtshofs,193 dass die Ermächtigung eines Gesamtvertreters bei der organschaftlichen Gesamtvertretungsmacht keine Vollmacht sei, sondern die organschaftliche Gesamtvertretungsmacht zur organschaftlichen Einzelvertretungsmacht erstarken lasse, entzieht dieser Rechtsprechung nicht die Grundlage.194 Sie wird vom Bundesgerichtshof damit begründet, dass niemand in demselben Bereich gleichzeitig gesetzliche und gewillkürte Vertretungsmacht innehaben könne. Diese Erwägung trifft auf Gesamtprokuristen nicht zu, weil sie keine organschaftlichen, sondern rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter sind. Ein rechtsgeschäftlich bestellter Vertreter kann mehrere verschiedene Vollmachten
186 187 188 189
BAG NJW 1981, 2374. BGHZ 64, 72 (75); BAG NJW 1981, 2374 mwN. BGH NJW-RR 1986, 778 (zur gesellschaftsrechtlichen Gesamtvertretung). RGZ 81, 325 (327 ff); RGZ 101, 342 (343) unter Aufgabe der abweichenden früheren Rechtsprechung, die stets eine Erklärung gegenüber dem anderen Vertragsteil verlangt hatte: RGZ 40, 17 (18 f); RGZ 61, 223 (225 f); RGZ 75, 419 (423). Vgl. auch RGZ 112, 215 (220 f). 190 RGZ 75, 419 (424); OLG München BB 1972, 113 (114). 191 RGZ 81, 325 (329); BGH WM 1976, 1053 (1054) mwN (zur Gesamtvertretung durch Geschäftsführer). 192 RGZ 106, 268 (269); vgl. ferner RGZ 80, 180 (182 f); RGZ 81, 325 (328 f); RGZ 112, 215 (221); RG JW 1928, 2626; BAG NZA 2015, 159 (161). 193 BGHZ 64, 72 (75). 194 Anders wohl Soergel/Leptien § 164 Rn 29. Fischinger
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haben. Die Vollmacht ist eine gewöhnliche Vollmacht und daher im Handelsregister nicht eintragbar. Eine Prokura können die Gesamtprokuristen nicht erteilen (s. oben Rn 49). Die Erteilung einer besonderen Vollmacht ist jedoch nicht unbeschränkt wirksam. Die Ertei- 123 lung einer Vollmacht an einen Gesamtvertreter durch die übrigen Gesamtvertreter ist ein Insichgeschäft nach § 181 BGB195 und daher nur insoweit unzulässig, als in der Erteilung der Gesamtprokura durch den Inhaber des Handelsgeschäfts zugleich die Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts gesehen werden kann.196 Das wird im allgemeinen nicht der Fall sein. Entsprechend §§ 125 Abs. 2 Satz 2 HGB, 78 Abs. 4 AktG, 25 Abs. 3 GenG wird aber eine Vollmacht für ein bestimmtes Geschäft oder für bestimmte Arten von Geschäften als zulässig anzusehen sein. Eine allgemeine Vollmacht für alle Geschäfte ist unwirksam,197 weil sie dem Sinn der Gesamtprokura zuwiderläuft. Ebenfalls ausgeschlossen ist eine Generalhandlungsvollmacht.198 Die Vollmacht ist bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich. Macht ein Gesamt- 124 prokurist von der Vollmacht Gebrauch, so muss er beim Abschluss des Rechtsgeschäfts dem anderen Teil erkennbar machen, dass er in Ausübung einer weiteren Vollmacht handelt.199
c) Passive Vertretungsmacht. In den Bestimmungen über die organschaftliche Gesamtvertre- 125 tung ist vorgesehen, dass, wenn dem Vertretenen gegenüber eine Willenserklärung abzugeben ist, die Abgabe gegenüber einem Gesamtvertreter genügt (§§ 28 Abs. 2 BGB, 125 Abs. 2 Satz 3 und 150 Abs. 2 Satz 2 HGB, 78 Abs. 2 Satz 2 AktG, 25 Abs. 1 Satz 3 GenG, 35 Abs. 2 Satz 3 GmbHG; vgl. auch § 170 Abs. 3 iVm § 171 ZPO). Es handelt sich dabei um einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der für alle Fälle der Gesamtvertretung gilt.200 Er ist daher auch auf die Gesamtprokura anzuwenden,201 obwohl eine entsprechende Regelung im Gesetz fehlt. Der Zugang von Willenserklärungen bei einem Gesamtprokuristen ist also gegenüber dem Inhaber des Handelsgeschäfts wirksam, auch wenn ein Zugang bei dem oder den anderen Gesamtprokuristen nicht vorliegt. Dies gilt entsprechend für andere rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen wie z.B. Mahnungen oder Mängelrügen nach § 377 sowie für prozessuale Zustellungen. Es kommt nicht darauf an, ob der die Erklärung empfangende Gesamtprokurist an dem früheren Abschluss des Rechtsgeschäfts beteiligt gewesen ist.202 Eine von dem Gesamtprokuristen allein wahrnehmbare Passivvertretung liegt aber nur inso- 126 weit vor, als es um die bloße Entgegennahme von Erklärungen geht. Hängen weitere Rechtsfolgen davon ab, dass der Gesamtprokurist seinerseits Erklärungen abgibt, so bedarf es hierfür wiederum der Mitwirkung des oder der anderen Gesamtprokuristen. Ein Gesamtprokurist kann daher allein den Erklärungen des anderen Teils nicht in verbindlicher Weise zustimmen, z.B. eine Mängelrüge als berechtigt anerkennen. Wird einem Gesamtprokuristen gegenüber ein Vertragsantrag abgegeben, so kommt gemäß § 151 BGB der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Die Annahme selbst muss aber auf der Grundlage eines entsprechenden Vertragswillens vorliegen; nach § 151 BGB ist nur die Erklärung gegenüber dem Antragenden
195 In der Rechtsprechung des Reichsgerichts wird die Vollmachterteilung nicht als Verstoß gegen § 181 BGB angesehen; vgl. RGZ 80, 180 (182); RGZ 81, 325 (328 f); RGZ 106, 268 (269); RGZ 112, 215 (221). Zur Anwendung von § 181 BGB auf § 125 Abs. 2 Satz 2 vgl. auch BGHZ 64, 72 (74 ff). 196 MünchKommHGB/Krebs Rn 100. 197 Canaris Handelsrecht § 12 IV. 1. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 98; Fischinger Handelsrecht Rn 400. Vgl. BGH WM 1978, 1047 (1048) für den Gesamtgeschäftsführer. 198 Canaris Handelsrecht § 12 IV. 1. a). 199 RGZ 106, 268 (269) mwN. 200 RGZ 53, 227 (230 f). 201 BGHZ 62, 166 (173); OLG München BB 1972, 113 (114). 202 OLG München BB 1972, 113 (114). 569
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entbehrlich.203 Die Bildung und Betätigung eines Annahmewillens ist Ausübung von Aktivvertretungsmacht und kann daher durch einen Gesamtprokuristen allein nicht erfolgen. 127 Soweit dagegen das bloße Untätigbleiben des Vertretenen nach Zugang einer Erklärung Rechtsfolgen auslöst, führt die Wirksamkeit des Zugangs der Erklärung bei einem der Gesamtprokuristen und nachfolgendem Untätigbleiben zu einer Bindung des Inhabers des Handelsgeschäfts.204 So liegt es insbesondere beim Zugang eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens. Nach den dafür entwickelten Grundsätzen205 kommt der Vertrag mit dem bestätigten Inhalt zustande, wenn der Kaufmann dem kaufmännischen Bestätigungsschreiben nicht unverzüglich widerspricht; auf einen entsprechenden Annahmewillen des Empfängers kommt es nicht an.206 Es genügt daher der Zugang des kaufmännischen Bestätigungsschreibens bei einem Gesamtprokuristen in Verbindung mit einem nachfolgenden Unterlassen des Widerspruchs.207 Ob der Inhaber des Handelsgeschäfts oder die anderen Gesamtprokuristen von dem Zugang des kaufmännischen Bestätigungsschreibens Kenntnis erlangt haben, ist ohne Bedeutung.208 128 Die alleinige Passivvertretungsmacht eines Gesamtprokuristen kann sich über den Anwendungsbereich des kaufmännischen Bestätigungsschreibens hinaus allgemein im Bereich der Rechtsscheinhaftung auswirken. Soweit es für die Beurteilung des Verhaltens des Vertretenen nach den Grundsätzen der Rechtsscheinlehre auf den vorherigen Zugang von Erklärungen ankommt, genügt wiederum der Zugang bei einem Gesamtprokuristen.209 Es ist auch hier nicht erforderlich, dass der Vertretene oder die anderen Gesamtprokuristen von dem Zugang Kenntnis erlangt haben. Interne Organisationsmängel hat der Vertretene zu verantworten.
129 d) Kenntnis; Willensmängel. Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt es nach § 166 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf die Person des Vertreters und nicht auf diejenige des Vertretenen an. Für die Gesamtvertretung gilt der Grundsatz, dass bereits die Kenntnis oder das Kennenmüssen eines Gesamtvertreters dem Vertretenen zugerechnet wird.210 Dies gilt auch für die Gesamtprokura.211 Eine von den Gesamtprokuristen abgegebene Erklärung kann daher von dem Inhaber des Handelsgeschäfts schon dann angefochten werden, wenn sich nur einer der Gesamtprokuristen in einem rechtlich beachtlichen Irrtum befunden hat.212 Umgekehrt kann der Geschäftspartner seine Willenserklärung anfechten, wenn auch nur einer der Gesamtprokuristen eine arglistige Täuschung begangen hat.213
130 e) Formbedürftiges Rechtsgeschäft. Besteht für den Abschluss eines Rechtsgeschäftes ein Formerfordernis, so müssen grundsätzlich die Erklärungen aller Gesamtprokuristen, die das Geschäft abschließen, der erforderlichen Form entsprechen.214 Wird z.B. ein vertragliches Wettbewerbsverbot zwischen einem Kaufmann und einem Handlungsgehilfen vereinbart, das nach § 74 Abs. 1 der Schriftform bedarf, so müssen alle Gesamtprokuristen die Wettbewerbsklausel 203 204 205 206 207 208
MünchKommBGB/Busche § 151 Rn 3. OLG München BB 1972, 113 (114). Dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn § 346 Rn 63 ff. MünchKommHGB/K. Schmidt4 § 346 Rn 166. Vgl. RG Seufferts Archiv 81 (1927) Nr. 197. Vgl. BGHZ 20, 149, 152 f (zur Gesamtvertretung des Vorstandes einer Genossenschaft); ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 103. 209 MünchKommHGB/Krebs Rn 103. 210 BGHZ 20, 149, 153 (zur Gesamtvertretung der Vorstandsmitglieder einer Genossenschaft). 211 BGHZ 62, 166, 173 (für die gemischte Gesamtvertretung von Prokurist und organschaftlichem Vertreter). 212 MünchKommHGB/Krebs Rn 105. 213 MünchKommHGB/Krebs Rn 105. 214 RGZ 106, 268, 269 (schriftliches kaufmännisches Bestätigungsschreiben); MünchKommHGB/Krebs Rn 101. Fischinger
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unterzeichnen.215 Anders liegt es, wenn nur ein Gesamtprokurist das Rechtsgeschäft vornimmt und dabei zugleich in Vollmacht des oder der anderen Gesamtprokuristen handelt (s. dazu oben Rn 122). Deren Vollmachtserteilung bedarf nicht der für das Rechtsgeschäft bestimmten Form, § 167 Abs. 2 BGB. Es genügt, dass der handelnde Gesamtprokurist dem Geschäftsgegner erkennbar macht, dass er zugleich in Vollmacht des oder der anderen Gesamtprokuristen handelt.216 In gleicher Weise kann die Zustimmung (Genehmigung) des oder der anderen Gesamtprokuristen zu einem Rechtsgeschäft, das nur ein Gesamtprokurist vorgenommen hat, nach § 182 Abs. 2 BGB formfrei erfolgen.217
f) Selbstkontrahieren. Das Verbot des Selbstkontrahierens (Insichgeschäft) nach § 181 BGB 131 gilt auch für Gesamtprokuristen. Der Inhaber des Handelsgeschäfts kann daher durch Gesamtprokuristen nicht gegenüber einem von ihnen vertreten werden, da der Gesamtprokurist als Geschäftsgegner zugleich auch auf der Seite des Inhabers des Handelsgeschäfts rechtsgeschäftlich tätig werden müsste.218 Ausnahmen bestehen nach § 181 BGB, wenn das Selbstkontrahieren von dem Inhaber des Handelsgeschäfts gestattet ist oder es sich ausschließlich um die Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt. Für die Bevollmächtigung eines Gesamtprokuristen, zugleich auch im Namen des oder der anderen Gesamtprokuristen zu handeln, bestehen besondere Grundsätze (s. oben Rn 123). g) Verhinderung eines Gesamtprokuristen. Ein Gesamtprokurist kann an der Mitwirkung 132 zur Gesamtvertretung des Inhabers des Handelsgeschäfts gehindert sein. Die Verhinderung kann auf rechtlichen Gründen beruhen, z.B. auf dem Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB, oder auf tatsächlichen Gründen wie bei einer Erkrankung, einer Urlaubsabwesenheit etc. Es ist Sache des Kaufmanns, für solche Fälle Vorsorge zu treffen. Die Vertretungsmacht des oder der verbleibenden Gesamtprokuristen wird durch die Verhinderung eines Gesamtprokuristen personell nicht erweitert, so dass gegebenenfalls eine Vertretung des Inhabers des Handelsgeschäfts ohne seine eigene Mitwirkung nicht mehr möglich ist. Die Annahme einer personellen Erweiterung der Vertretungsmacht des oder der verbleibenden Gesamtprokuristen verbietet sich, weil dadurch eine der gesetzlichen Regelung der Prokura gänzlich zuwiderlaufende Rechtsunsicherheit über das Bestehen der Vertretungsmacht und die Wirksamkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts eintreten würde. h) Erweiterungen der Vertretungsmacht. Die personelle Beschränkung des Gesamtprokuris- 133 ten kann zwar nicht darin bestehen, dass er an die Mitwirkung eines Handlungsbevollmächtigten oder sonstigen rechtsgeschäftlichen Vertreters gebunden wird (s. oben Rn 108, 110). Ohne Weiteres zulässig ist es aber, dass der Inhaber des Handelsgeschäfts dem Gesamtprokuristen zusätzlich zu dessen Gesamtprokura eine weitere Vollmacht als Handlungsvollmacht erteilt. Auf diese Weise kann z.B. den Verhinderungsfällen (s. oben Rn 132) vorgebeugt werden. Insbesondere ist die Erteilung einer Gesamtprokura unter gleichzeitiger Erteilung einer Handlungsvollmacht kein Widerspruch. Beide handelsrechtlichen Vollmachten können in derselben Per215 BAG NZA 1985, 429. Davon macht das BAG eine Ausnahme, wenn die Wettbewerbsklausel nur durch einen Gesamtprokuristen unterzeichnet ist, der Arbeitsvertrag aber auf die in seinem Anhang befindliche Wettbewerbsklausel verweist, die Urkunde über den Arbeitsvertrag den gesetzlichen Anforderungen entspricht und mit der im Anhang befindlichen Wettbewerbsklausel eine Gesamturkunde darstellt. 216 RGZ 106, 268 (269); MünchKommHGB/Krebs Rn 101. 217 RGZ 118, 168, 170 f (zur Gesamtvertretung durch Geschäftsführer); BGH WM 1976, 1053, 1054 (zur Gesamtvertretung durch Geschäftsführer). 218 MünchKommHGB/Krebs Rn 104. 571
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son nebeneinander gegeben sein.219 Dem Gesamtprokuristen kann eine Handlungsvollmacht als Einzelhandlungsvollmacht220 wie auch als Gesamthandlungsvollmacht221 erteilt werden. Die Erteilung einer Einzelhandlungsvollmacht führt dazu, dass der Gesamtprokurist innerhalb des Umfangs, zu welcher die Handlungsvollmacht zur Vertretung berechtigt, von der personellen Beschränkung befreit wird und als Einzelvertreter auftreten kann. Will der Inhaber des Handelsgeschäfts verhindern, dass bei einseitigen Rechtsgeschäften eine Zurückweisung nach § 174 BGB erfolgt, so muss er zwar den Geschäftsgegner grundsätzlich von der zusätzlichen Handlungsvollmacht in Kenntnis setzen. Nach der Auffassung des BAG genügt es aber für ein derartiges In-Kenntnis-Setzen im Sinne von § 174 S 2 BGB, wenn der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter – wie (Gesamt-)Prokuristen – in eine Position berufen haben, mit überlichwerweise die Berechtigung zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen einhergeht und dies nach außen im Betrieb ersichtlich ist oder sonst bekanntgemacht wurde.222 Die Handlungsvollmacht kann in allen für sie vorgesehenen Gestaltungen erteilt werden, 134 also als Generalhandlungsvollmacht, als Arthandlungsvollmacht223 oder als Spezialhandlungsvollmacht (§ 54 Rn 5). Durch die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht kann die Vertretungsbefugnis des Gesamtprokuristen weitgehend derjenigen eines Einzelprokuristen angenähert werden. Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, unter welchen Voraussetzungen von einer 135 zusätzlichen Handlungsvollmacht eines Gesamtprokuristen auszugehen ist, wenn die Handlungsvollmacht nicht ausdrücklich erteilt worden ist. Die Handlungsvollmacht kann stillschweigend erteilt werden (s. § 54 Rn 21) und daher bereits in der Erteilung der Gesamtprokura liegen. Hiervon ist jedoch nur bei Vorliegen besonderer Umstände auszugehen.224 Die Handlungsvollmacht kann ferner dadurch erteilt werden, dass der Inhaber des Handelsgeschäfts oder seine zur Erteilung einer Handlungsvollmacht berechtigten Vertreter das Auftreten eines Gesamtprokuristen als Einzelvertreter im rechtsgeschäftlichen Verkehr dulden.225 Die an eine Bank gerichtete Mitteilung, dass ein Handlungsbevollmächtigter gemeinsam mit einem Prokuristen, der im Übrigen nur mit einem Gesellschafter zeichnungsberechtigt ist, unterzeichnen darf, soll nach der Rechtsprechung die Erteilung einer Handlungsvollmacht für den Prokuristen enthalten.226 Nach der Instanzrechtsprechung werden die sich aus der bloßen Bestellung als Gesamtprokuristen ergebenden Beschränkungen durch die Berufung in die Stellung als Personalleiter für den Ausspruch von Kündigungen konkludent aufgehoben.227
136 i) Rechtsscheinvollmacht. Tritt ein Gesamtprokurist im Rechtsverkehr als Einzelprokurist auf, so kann hierdurch eine Bindung des Inhabers des Handelsgeschäfts eintreten, sofern dieser nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht das Auftreten des Gesamtprokuristen gegen sich gelten lassen muss. Insbesondere kann ein Gesamtprokurist Einzelvertretungsmacht als Duldungs- oder Anscheinsvollmacht erhalten.228 Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich 219 RGZ 90, 299 (300); BGH WM 1961, 321 (322); BGH WM 1964, 151; OLG München NJOZ 2012, 52; LG Siegen Rpfleger 1986, 482; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 57; vgl. auch RGZ 48, 56, 57 ff (Erteilung einer Handlungsvollmacht an das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft). 220 RGZ 90, 299 (300); LG Siegen Rpfleger 1986, 482. 221 BGH WM 1961, 321 (322); BGH WM 1964, 151; LG Siegen Rpfleger 1986, 482. 222 BAG NZA 2015, 159 (161); vgl. dazu auch Eufinger BB 2015, 376. 223 BGH WM 1961, 321 (322). 224 RGZ 90, 299 (300). 225 Vgl. RGZ 48, 56, 57 ff (zur Handlungsvollmacht eines gesamtvertretungsberechtigten Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft). 226 BGH WM 1961, 321 (322); BGH WM 1964, 151. S. aber auch zu den strengen Anforderungen des Grundbuchrechts an den Nachweis einer zusätzlichen Handlungsvollmacht des Prokuristen LG Siegen Rpfleger 1986, 482. 227 LAG Baden-Württemberg 15.11.2012 – 18 Sa 68/12, juris Rn 79. 228 OLG München BB 1972, 113 (114); vgl. auch BGH BB 1982, 892 (893) für den organschaftlichen Gesamtvertreter. Fischinger
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nicht nach der Gesamtprokura (§ 49), sondern nach dem zurechenbar veranlassten Rechtsschein. Gegebenenfalls liegt eine Rechtsscheinhandlungsvollmacht vor. Eine Einzelprokura entsteht nicht, auch nicht im Falle der Duldung des Auftretens des Gesamtprokuristen durch den Inhaber des Handelsgeschäfts.229 Da die Einzelprokura und die Gesamtprokura nur durch ausdrückliche Erklärung erteilt werden können (Rn 57, Rn 90), bedarf auch der Wegfall der personellen Beschränkung des Gesamtprokuristen durch Widerruf seiner Gesamtprokura und Neuerteilung einer Einzelprokura einer ausdrücklichen Erklärung. Ist die Gesamtprokura im Handelsregister eingetragen, wird der Berufung auf eine weitergehende Rechtsscheinvollmacht vielfach § 15 Abs. 2 entgegenstehen.
6. Eintragung im Handelsregister Die personelle Beschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht durch Erteilung einer Gesamt- 137 prokura ist in gleicher Weise wie die Erteilung einer Einzelprokura zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; s. § 53 Rn 7. Die eingetragene Gesamtprokura nimmt an den Rechtsscheinwirkungen der Eintragung nach § 15 teil. Ein konstitutives Erfordernis ist die Eintragung hier wie auch sonst nicht. Die mit der Gesamtprokura verbundene personelle Beschränkung der Vertretungsmacht entsteht also auch dann wirksam, wenn nach Erteilung einer Gesamtprokura die Eintragung im Handelsregister unterbleibt. Allerdings kann nach Rechtsscheingrundsätzen der Anschein einer Einzelvertretungsmacht zu Lasten des Inhabers des Handelsgeschäfts entstehen (s. oben Rn 136).
IV. Rechtliche Stellung des Prokuristen 1. Organisatorische Stellung im kaufmännischen Unternehmen Prokurist zu sein bedeutet im juristischen Sinne lediglich, eine in bestimmter Weise gesetzlich 138 umschriebene und unbeschränkbare Vertretungsmacht für den Inhaber des Handelsgeschäfts zu haben. Die Prokura begründet rechtlich also nicht mehr als die Fähigkeit, rechtsgeschäftlich wirksam für den Inhaber des Handelsgeschäfts handeln zu können. Der allgemeine Sprachgebrauch verbindet mit der Bezeichnung Prokurist eine weitere Bedeutung. Sie gibt innerhalb der Unternehmensorganisation eine hohe Leitungsebene nach dem Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. dem gesetzlichen Vertretungsorgan an.230 In dieser Bedeutung bezeichnet der Ausdruck Prokurist die binnenorganisatorische Geschäftsführungskompetenz. Indessen gibt es keinen Aufgabenbereich, der sozialtypisch einem Prokuristen – gar: zwingend – zugewiesen wäre.231 Die internen Kompetenzen eines Prokuristen als Entscheidungsträger hängen von der jeweiligen Organisation des Unternehmens ab.
2. Prokura und Anstellungsverhältnis (Arbeitsrecht) Der Prokurist wird in der Regel nicht „isoliert“ für den Kaufmann tätig, sondern eingebettet in 139 ein schuldrechtliches Grundverhältnis, in dem seine Pflichten und Rechte geregelt werden. Auch wenn er im Außenverhältnis über weitreichende Befugnise verfügt, ist er im Innenverhält229 Die Duldung durch einen anderen Gesamtprokuristen bindet den Kaufmann nicht; für die Duldung des Alleinauftretens eines gesamtvertretungsbefugten Geschäftsführers einer GmbH vgl. BGH NJW 1988, 1199 (1200). 230 Krebs ZHR 159 (1995), 435 (436) weist darauf hin, dass in der Unternehmenswirklichkeit eine hierarchische Abwertung der Stellung des Prokuristen festzustellen sei. 231 BAG NJW 1987, 862 (863). 573
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nis meist weisungsgebunden tätig und in die Arbeitsorganisation des Kaufmanns eingegliedert. Er ist deshalb typischerweise Arbeitnehmer (§ 611a BGB) in der Spezialform eines Handlungsgehilfen nach §§ 59 ff.232 Als Folge ist das Arbeitsrecht grundsätzlich in seiner ganzen Breite auf ihn anwendbar: Er unterliegt dem arbeitsrechtlichen Weisungsrecht des Inhabers des Handelsgeschäfts (§ 106 GewO) und ihn treffen die arbeitsrechtlichen Haupt- und Nebenpflichten für Arbeitnehmer (Arbeitspflicht, Verschwiegenheitspflicht, Verbot von Wettbewerbshandlungen etc.)233 Umgekehrt genießt er im Ausgangspunkt die allen Arbeitnehmern zukommenden Rechte (Lohn- und Beschäftigungsanspruch, Anspruch auf Schutz seiner Persönlichkeit usw.) und haftet für dem Arbeitgeber zugefügte Schäden nur im Rahmen der Grundsätze beschränkter Arbeitnehmerhaftung234 (s aber Rn 141). Zudem genießt er grundsätzlich den besonderen und allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz. Besonderheiten bestehen nur vereinzelt: Ist er leitender Angestellter gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG, so ist er nicht nur dem Anwendungsbereich des BetrVG entzogen, sondern es findet auch das Arbeitszeitgesetz gemäß § 18 Abs. 1 Nr 1 ArbZG auf ihn keine Anwendung. Ist er sowohl nach außen als auch intern zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern befugt, so modifiziert § 14 Abs. 2 KSchG seinen allgemeinen Kündigungsschutz dergestaltet, dass er über §§ 14 Abs. 2 S 2, 9 Abs. 1 S 2 KSchG keinen Bestandsschutz, sondern nur über einen bloßen Abfindungsschutz verfügt.235 Über die Möglichkeit der fristlosen Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer bei Nichterteilung oder Widerruf der Prokura s. oben Rn 75. Zum Betriebsverfassungsrecht s Rn 144 ff. 140 Die Prokura als Rechtsverhältnis ist von dem der Anstellung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu unterscheiden. Eine Prokura kann insbesondere auch ohne ein Anstellungsverhältnis oder ein sonstiges Dienstverhältnis bestehen. Zum Problem der Unabhängigkeit der Prokura von der Wirksamkeit des Grundverhältnisses s. Vor § 48 Rn 35 ff.
3. Besonderes Pflichtenverhältnis 141 Die Prokura wird auf Grund eines besonderen Vertrauensverhältnisses erteilt. Wegen dieses besonderen Vertrauensverhältnisses steht er in einer stärkeren Pflichtbindung zum Inhaber des Handelsgeschäfts. Er hat eine gegenüber den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen gesteigerte Treuepflicht. Darüber hinaus können höhere Anforderungen an die Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten im Rahmen seines Aufgabenbereiches bestehen. Insbesondere hat ein weitgehend selbständig handelnder Prokurist die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Vermögenswerte des Inhabers des Handelsgeschäfts z.B. bei dem Einziehen von ausstehenden Forderungen nicht geschädigt werden.236 Das kann sich auf die im Rahmen der Haftungsprivilegierung für Arbeitnehmer vorzunehmende Abwägung der Verschuldensanteile zu seinen Lasten auswirken.237 Adressat des Auszahlungsverbots nach § 30 GmbHG ist der Prokurist nicht; eine Haftung des Prokuristen bei einem Verstoß gegen die Kapitalerhaltung kommt daher nur unter besonderen zusätzlichen Voraussetzungen in Betracht, z.B. bei weisungswidrigen oder eigenmächtigen Auszahlungen.238 Bei einer gemischten Gesamtvertretung des Prokuristen mit einem organschaftli-
232 Zum Arbeitnehmerbegriff und seinen Voraussetzungen s ausführlich Staudinger/Fischinger § 611a Rn 16 ff. Die Tatsache, dass der Prokurist über weitreichende Vertretungsmacht verfügt, ändert daran schon deshalb nichts, weil die Prokura jederzeit widerrufbar ist (Thüringer LSG 1.7.2014 – L 6 R 1488/13). 233 Dazu näher Staudinger/Fischinger § 611a Rn 959 ff, 1050 ff. 234 Dazu näher Staudinger/Fischinger § 619a Rn 28 ff. 235 Vgl. Fischinger Arbeitsrecht Rn 987. 236 BAG AP Nr. 60 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. 237 Vgl zur Bedeutung der Stellung des Arbeitnehmers bei der Haftungsprivilegierung Staudinger/Fischinger § 619a Rn 84 mwN. 238 BGH DB 2001, 1770 (1771 f); s. dazu H.-F. Müller ZGR 2003, 441 ff. Fischinger
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chen Vertreter kann der Prokurist gewissen Kontrollpflichten unterliegen.239 Verletzt der Prokurist schuldhaft seine Pflichten, so haftet er dem Inhaber des Handelsgeschäftes aus positiver Verletzung des Anstellungsvertrages nach § 280 BGB; der arbeitsrechtliche Grundsatz, wonach der Arbeitgeber das Wirtschaftsrisiko zu tragen hat, steht dem nicht entgegen.240 Nach § 74 Abs. 2 ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für den Handlungsgehil- 142 fen nur verbindlich, wenn sich der Inhaber des Handelsgeschäfts verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen. Die Bestimmung ist vom Bundesarbeitsgericht auf alle Arbeitnehmer erstreckt worden.241 Dagegen lehnt der Bundesgerichtshof die Anwendung der Bestimmung auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften, insbesondere die Geschäftsführer einer GmbH, ab.242 Der Grund dafür liegt darin, dass Organmitglieder im Geschäftsverkehr in hohem Maße mit dem von ihnen geleiteten Unternehmen gleichgesetzt und die Leistungen des Unternehmens ihnen zugeschrieben werden. Die nach ihrem Ausscheiden aufgenommene Konkurrenztätigkeit bedeutet für das Unternehmen eine weit stärkere Gefahr als diejenige eines früheren leitenden Angestellten, so dass Organmitglieder einer weitergehenden nachwirkenden Treuepflicht unterliegen; hierfür passt die generalisierende Regelung in § 74 Abs. 2 nicht. Für einen Prokuristen können diese Erwägungen nicht gelten. Er ist im Unterschied zum Geschäftsführer Handlungsgehilfe und damit von vornherein in den Schutzbereich des § 74 einbezogen.243 Trotz seiner leitenden Stellung wird er nicht mit dem von ihm vertretenen Unternehmen identifiziert, so dass ein nachvertraglicher Wettbewerb das Unternehmen nicht in gleicher Weise gefährdet wie bei einem Organmitglied. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot eines Prokuristen ist daher zumindest im Regelfall nur gegen Entschädigung zulässig.244
4. Haftung Das Handeln des Prokuristen im Rechtsverkehr berechtigt und verpflichtet im Allgemeinen nur 143 den Inhaber des Handelsgeschäftes, nicht den Prokuristen persönlich. Bewegt er sich innerhalb der ihm zustehenden Rechtsmacht, so kann den Prokuristen im Außenverhältnis nur unter besonderen Umständen eine Haftung treffen. Dies gilt etwa nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB, wenn dem Prokuristen vom Vertragsgegner ein besonderes Vertrauen entgegengebracht wurde oder der Prokurist am Abschluss des Geschäfts ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte.245 Auch eine Haftung des Prokuristen nach § 826 BGB kann gegeben sein, z.B. wenn er einen Lieferanten zur schnellen Lieferung und zum Einbau der gelieferten Ware drängt, obwohl er weiß, dass das Unternehmen kurz vor der Insolvenzeröffnung steht.246 Überschritt der Prokurist hingegen seine Vertretungsmacht (falsus procurator) und greift auch nicht § 15 Abs. 3 oder ein Vertrauensschutztatbestand ein, so gelten die §§ 177 ff BGB und der Prokurist haftet nach § 179 Abs. 1 BGB. Möglich ist schließlich, dass den Prokuristen in einer Vor-GmbH oder Vor-AG die Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG respektive § 41 Abs. 1 S 2 AktG trifft.
239 240 241 242 243
Vgl. LAG Hamburg BB 1996, 2533 ff. BAG AP Nr. 60 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers. BAGE 22, 6 (9 ff); BAGE 22, 125 (132 ff); BAGE 22, 324 (326 f); BAG BB 1972, 447 (448); BAG BB 1974, 1531 (1532). BGHZ 91, 1 (3 ff). Zur Frage, ob die Erteilung einer Prokura für ein anderes Unternehmen bereits einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstellt, vgl. näher Luke BB 2016, 762. 244 OLG Karlsruhe OLGZ 1987, 211 (213 ff) für den Gesellschafter-Prokuristen einer GmbH. Vgl. zu den Anforderungen an eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede näher Staudinger/Fischinger § 611a Rn 1222 ff. 245 BGH DB 1966, 336. 246 BGH DB 1966, 336 f. 575
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5. Betriebsverfassungsrecht 144 Nach § 5 Abs. 3 BetrVG unterliegen leitende Angestellte mit geringfügigen sachlichen Ausnahmen nicht den Regelungen des Betriebsverfassungsrechts. Leitender Angestellter ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG, „wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen […] Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist“. Da eine Prokura nie unbedeutend ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Aufgaben dem Prokuristen im Innenverhältnis zum Arbeitgeber zugewiesen sind;247 erforderlich ist, dass dem Prokuristen im Innenverhältnis die Ausübung der Prokura auf einem für den Arbeitgeber nicht unbedeutenden Sektor gestattet ist.248 Die nach dem Gesetz zulässigen Beschränkungen der Prokura in Form der Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2) oder der Niederlassungsprokura (§ 50 Abs. 3) nehmen dem Prokuristen nicht die Stellung eines leitenden Angestellten, und zwar auch nicht, wenn sie miteinander kombiniert werden.249 Erforderlich für die Anwendbarkeit von § 5 Abs. 3 BetrVG ist aber, dass der Prokurist von seiner Vertretungsmacht auch in der betrieblichen Praxis Gebrauch machen darf und diese nicht lediglich „auf dem Papier steht“.250 145 Soweit ein Prokurist leitender Angestellter ist, entfaltet eine Betriebsvereinbarung wegen § 5 Abs. 3 BetrVG keine normative Wirkung für ihn. Rechte aus einer Betriebsvereinbarung können ihm daher allenfalls zustehen, soweit diese zugleich einen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat abgeschlossenen Vertrag zugunsten Dritter darstellt oder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden ist.251 Prokuristen sind dementsprechend regelmäßig dem Anwendungsbereich des BetrVG entzo146 gen, eine Vertretung ihrer Interessen durch den Betriebsrat erfolgt nicht. Verfügt der Betrieb in der Regel aber über mindestens zehn leitende Angestellte, so kann allerdings ein Sprecherausschuss nach dem SprAuG gewählt werden. Dieser vertritt die Interessen der leitenden Angestellten gegenüber dem Arbeitgeber. Seine Kompetenzen sind im Vergleich zu denen des Betriebsrats aber äußerst schwach ausgestaltet und erschöpft sich weitgehend in Informations-, Anhörungsund Beratungsrechten (s. vor allem §§ 25 ff SprAuG).
6. Prozessrechtliche Stellung 147 Die Vollmacht des Prokuristen umfasst die Vornahme von Prozesshandlungen (s. § 49 Rn 39). In Rechtsstreitigkeiten des Inhabers des Handelsgeschäftes mit Dritten ist der Prokurist nicht als Partei, sondern als Zeuge zu vernehmen.252 Der Parteivernehmung unterliegen nur die gesetzlichen Vertreter der Prozesspartei, § 455 ZPO. Der Prokurist ist aber rechtsgeschäftlicher Vertreter. Dies gilt auch dann, wenn der Prokurist zugleich Kommanditist einer Kommanditgesellschaft als Prozesspartei ist.253 Die Prokura verleiht dem Kommanditisten zwar eine weitgehende Vertretungsmacht, führt aber nicht dazu, dass er organschaftlicher Vertreter der Kommanditgesellschaft wird; dies ist nach § 170 nicht möglich. Gleiches gilt für den Prokuristen, wenn ein vertretungsbefugtes Organ nach dem Gesellschaftsvertrag Gesamtvertretungsmacht mit einem Prokuristen hat.254
247 248 249 250 251 252 253 254
BAG AP Nr. 55 zu § 5 BetrVG 1972. Vgl. auch BAG DB 2009, 1825. Richardi/Richardi BetrVG § 5 Rn 231. BAG DB 1988, 2003; Richardi/Richardi BetrVG § 5 Rn 230. BAG AP Nr. 55 zu § 5 BetrVG 1972; Richardi/Richardi BetrVG § 5 Rn 230. BAG WM 1979, 1130 (1132 ff). RGZ 102, 328 (331); RGZ 134, 303 (307). BAG DB 1980, 935 f; Lepke DB 1969, 1592. RGZ 134, 303 (307).
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7. Steuerrecht Schrifttum Siehe die Angaben vor Rn 1. Ferner: W. Hoffmann Prokuristen als Bevollmächtigte i.S. von § 108 AO?, GmbHR 1976, 25; Lottich Zur Haftung des Prokuristen für Steuerschulden des Kaufmanns nach § 109 Abs. 1 AO, FR 1973, 86; Stakemann Der Prokurist als Bevollmächtigter im Sinne der AO, DB 1960, 1441.
Der Prokurist hat gemäß § 35 AO die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters nach § 34 AO, soweit 148 er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann.255 Dazu gehört insbesondere die Entrichtung der Steuern aus den Mitteln, die der Prokurist verwaltet. An der tatsächlichen Erfüllung dieser Pflichten ist der Prokurist gehindert, wenn er in dem Unternehmen für derartige Angelegenheiten nicht zuständig ist oder entgegenstehende Weisungen des Kaufmanns vorliegen; § 35 AO erweitert den Pflichtenkreis des Prokuristen nicht, soweit er nicht tatsächlich seinen Wirkungskreis überschreitet.256 Der Prokurist ist nach seiner Stellung steuerrechtlich grundsätzlich kein Mitunternehmer. 149 Mitunternehmer ist nur, wer zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und ein Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt. Das ist bei einem Prokuristen einer Personengesellschaft auch dann nicht der Fall, wenn er selbst zusätzlich ein Einzelunternehmen betreibt, das enge Bindungen zu der Personengesellschaft aufweist.257
8. Ordnungswidrigkeiten Die Verantwortlichkeit eines Prokuristen für Ordnungswidrigkeiten richtet sich nicht nach § 9 150 Abs. 1 OWiG, da diese Bestimmung lediglich gesetzliche und organschaftliche Vertreter betrifft. Eine Verantwortlichkeit kommt nur nach § 9 Abs. 2 OWiG in Betracht, soweit der Prokurist mit Leitungsfunktionen oder der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Aufgaben betraut ist.258
V. Darlegungs- und Beweislast Wer sich auf die Erteilung der Prokura beruft, trägt hierfür nach allgemeinen zivilprozessualen 151 Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Weil die Einzelprokura der gesetzliche „Normalfall“ ist, muss derjenige, der geltend macht, dass nicht eine solche, sondern eine – wie auch immer geartete – Gesamtprokura vorliegt, dies darlegen und ggf. beweisen. Daran vermag die Tatsache, dass die Gesamtprokura der praktische Regelfall ist, nichts – auch nicht im Sinne einer Vermutung – zu ändern.259
255 Zur Anwendbarkeit des § 35 AO auf Prokuristen s. BFG DStRE 2007, 1210 (1211); vgl auch FG Hamburg 13.8.2012 – 6 V 51/12. 256 BFH DB 1984, 2546 (noch zu § 108 aF AO ergangen; s. dazu auch Hoffmann GmbHR 1976, 25); Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 35; MünchKommHGB/Krebs Rn 67. 257 BFH DB 1985, 209 f, s. auch FG Köln EFG 1986, 232 f. 258 OLG Hamm MDR 1974, 425; MünchKommHGB/Krebs Rn 67; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 35. 259 MünchKommHGB/Krebs Rn 108. 577
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§ 49 [Umfang der Prokura] (1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist.
Schrifttum Bärwaldt Mitwirkung des Prokuristen bei der Handelsregisteranmeldung der ihm erteilten Prokura, NJW 1997, 1404; Brüggemann „Generalvollmacht“ eines Kaufmanns – insbesondere einer Handelsgesellschaft – für den kaufmännischen Betrieb? JA 1977, 500; Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil I), Jura 2002, 289; Eder „Generalvollmacht“ bei der GmbH? GmbHR 1962, 225; Gericke Kontoeröffnung durch Prokuristen, DB 1967, 1839; Gustavus Die Vollmacht zu Handelsregisteranmeldungen bei Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbHR 1978, 219; Heim Bevollmächtigung von Mitgliedern einer gesetzlichen Gesamtvertretung bei Kapitalgesellschaften, AG 1959, 271; Hofmann Der Prokurist, 7. Aufl. (1996); U. Hübner Zur Zulässigkeit der Generalvollmacht bei Kapitalgesellschaften, ZHR 143 (1979), 1; Joost Die Vertretungsmacht des Prokuristen für Anmeldungen zum Handelsregister, ZIP 1992, 463; Joussen Die Generalvollmacht im Handels- und Gesellschaftsrecht, WM 1994, 273; Kuttner Generalvollmacht für eine GmbH, DR 1943, 607; Lenz Inkassovollmacht des Stadtreisenden; Rechtsschein einer Vollmacht, JR 1931, 150; Loos Betriebsführungsverträge und damit verbundene Generalvollmacht bei Handelsgesellschaften, BB 1963, 615; Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; Obermüller Erteilung von Handlungsvollmacht oder Prokura durch den Konkursverwalter? BB 1957, 412; Pabst Gesetzliche und gewillkürte Vertretung einer Handelsgesellschaft, BB 1956, 1055; Patschovsky Generalvollmacht für eine GmbH, DR 1943, 607; Prehl Handlungsvollmacht kraft Rechtsscheins, Diss. Jena (1936); Schaub Stellvertretung bei Handelsregisteranmeldungen, DStR 1999, 1699; Schroeder/Oppermann Die Eintragungsfähigkeit der kaufmännischen Generalvollmacht in das Handelsregister, JZ 2007, 176; Spitzbarth Die rechtliche Stellung des Generalbevollmächtigten, BB 1962, 851; Spitzbarth/Preuss Vollmachten im Unternehmen, 4. Aufl. (2000); Weimar Aufnahme von Krediten durch Vertreter nach dem HGB, MDR 1980, 993; v. Westphalen Die Prokura – Erteilung, Umfang, Mißbrauch und Erlöschen, DStR 1993, 1186; Witte Eröffnung von Firmenkonten durch Prokuristen, DB 1968, 254.
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II.
Vertretener; Haftungsmassen
III. 1.
5 Umfang der Vertretungsmacht Rechtsgeschäftlicher Verkehr (außergerichtliche Handlungen) 6 a) Handelsgeschäfte 17 b) Grundlagengeschäfte aa) Änderung des Unternehmensgegen18 standes; Firmenänderung bb) Errichtung von Zweigniederlassun19 gen; Sitzverlegung cc) Erwerb eines Handelsge20 schäfts dd) Veräußerung des Handelsgeschäfts; Stilllegung; Insolvenzverfahren; Ver21 pachtung
2
Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-036
2.
ee) Abwicklung 22 ff) Gesellschaftsrechtliche Maßnah23 men 27 c) Grundstücksgeschäfte, Abs. 2 aa) Beschränkung der Vertretungs29 macht 36 bb) Besondere Befugnis 39 Gerichtsverkehr
IV.
Rechtsfolgen bei Überschreitung der Vertre44 tungsmacht
V. 1. 2. 3.
45 Besondere Vollmachten 46 Vollmachtsarten 50 Form der Erteilung Eintragung im Handelsregister
VI.
Darlegungs- und Beweislast
51 52
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 49
I. Regelungsziel Die Bestimmung verwirklicht das Prinzip der in ihrem Umfang gesetzlich fest umschriebenen 1 kaufmännischen Vertretungsmacht. Die Prokura wird inhaltlich auf alle Handelsgeschäfte erstreckt. Ausgenommen wird in § 49 Abs. 2 die Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Der so umschriebene Umfang der kaufmännischen Vertretungsmacht wird vom Gesetz nicht nur als bloßer Regelfall normiert, sondern zwingend als Umfang jeder Prokura, indem § 50 eine Beschränkung des Umfanges der Prokura für unwirksam erklärt. Die abschließende gesetzliche Festlegung des Inhalts der Prokura gilt nur für das Außenverhältnis des Kaufmanns zum Rechtsverkehr. Im Innenverhältnis zum Kaufmann kann der Prokurist engen Bindungen unterliegen (s. § 50 Rn 53 ff).
II. Vertretener; Haftungsmassen Die Prokura ist eine Vertretungsmacht für die Person des Inhabers des Handelsgeschäfts. Wird 2 der Prokurist innerhalb seiner Vertretungsmacht tätig, so wird daraus der Kaufmann unmittelbar verpflichtet, § 164 Abs. 1 BGB. Die Vertretungsmacht bezieht sich zwar nur auf Handelsgeschäfte (s. unten Rn 6 f). Für die Verbindlichkeiten aus Handelsgeschäften haftet der Kaufmann aber mit seinem gesamten Vermögen. Ein Einzelkaufmann haftet daher für die Verbindlichkeiten aus Geschäften, die sein Prokurist abgeschlossen hat, auch mit seinem Privatvermögen.1 Ist eine Gesellschaft Inhaberin des Handelsgeschäfts, so bezieht sich die Vertretungsmacht 3 des Prokuristen nur auf die Gesellschaft, die allein er durch sein Handeln unmittelbar berechtigen und verpflichten kann. Dagegen kann der Prokurist die Gesellschafter (persönlich haftender Gesellschafter; Kommanditist; Anteilseigner bei einer Kapitalgesellschaft) nicht unmittelbar verpflichten; dementsprechend kann er z.B. im Namen eines Gesellschafters weder eine Bürgschaftsverbindlichkeit eingehen noch ein Bankkonto eröffnen bzw. über ein bestehendes Bankkonto eines Gesellschafters verfügen. Handelt es sich bei der Gesellschaft um eine Personenhandelsgesellschaft, so begründen allerdings die von einem Prokuristen für die Gesellschaft abgeschlossenen Geschäfte eine unbeschränkte Haftung der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 128) mit ihrem gesamten Privatvermögen; mittelbar führt also das Handeln des Prokuristen für eine Personenhandelsgesellschaft auch dazu, dass eine Verbindlichkeit in der Person der persönlich haftenden Gesellschafter entsteht. Wird der Prokurist für eine Kapitalgesellschaft tätig, so scheidet eine Haftung der Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen grundsätzlich aus; etwas anderes kann – je nachdem, welcher Meinung insoweit dazu jeweils gefolgt wird – bei materieller Unterkapitalisierung der Gesellschaft, bei existenzvernichtenden Eingriffen oder bei Vermögensverschmischung gelten.2 Bei einer GmbH & Co. KG übt die GmbH die organschaftliche Vertretungsmacht für die KG 4 aus; die GmbH wird ihrerseits durch die Geschäftsführer organschaftlich vertreten, § 35 GmbHG. Ein Prokurist der GmbH ist nicht deren organschaftlicher Vertreter, da die Prokura eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht ist. Die Ausübung der organschaftlichen Befugnisse der GmbH in der GmbH & Co. KG ist jedoch nicht auf die Geschäftsführer der GmbH beschränkt. Sie kann auch durch rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter der persönlich haftenden Gesellschafterin erfolgen. Die Geschäftsführung und Vertretung für die KG stellt sich für die KomplementärGmbH als eine Tätigkeit innerhalb des Bereichs ihres Unternehmensgegenstandes und damit als ein Handelsgeschäft nach § 343 Abs. 1 dar, weil diese Geschäftsführung und Vertretung zum Betrieb des Handelsgewerbes der GmbH gehören. Die Ausübung der organschaftlichen Vertretungsmacht der GmbH für die KG kann daher im Namen der GmbH durch deren Prokuristen
1 Zur Haftung bei einer Miterbenprokura s. Beuthien FS Robert Fischer, 1979, S. 10 ff. 2 Siehe dazu jeweils näher Fischinger Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, 2015, S. 320 ff. 579
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1. Buch. Handelsstand
erfolgen.3 Darüber hinaus kann ein Prokurist der GmbH gleichzeitig auch zum Prokuristen der KG bestellt werden. Ein Prokurist der KG kann die Komplementär-GmbH nicht vertreten,4 sofern er nicht zusätzlich zum Prokuristen der GmbH bestellt wird.
III. Umfang der Vertretungsmacht 5 § 49 Abs. 1 gestaltet die Prokura entsprechend den Bedürfnissen des kaufmännischen Rechtsverkehrs als eine umfassende Vertretungsmacht für alle Geschäfte im Rahmen eines Handelsgewerbes aus. Eine Ausnahme gilt nach § 49 Abs. 2 für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Der weite Umfang der Vertretungsmacht besteht nicht nur bei der Einzelprokura, sondern auch bei der personell beschränkten Gesamtprokura (§ 48 Abs. 2)5 und der Niederlassungsprokura (§ 50 Abs. 3).
1. Rechtsgeschäftlicher Verkehr (außergerichtliche Handlungen) 6 a) Handelsgeschäfte. Die Prokura bevollmächtigt zu allen Arten von Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Dies sind die Handelsgeschäfte i.S.d. § 343. Dazu gehören nicht nur übliche und typische Geschäfte, sondern darüber hinaus alle Geschäfte, die sich – wenn auch nur mittelbar – auf ein Handelsgewerbe beziehen, also mit ihm zumindest noch in einem entfernten, lockeren Zusammenhang stehen.6 7 Keine Handelsgeschäfte sind die Geschäfte und Rechtshandlungen, die den privaten Lebensbereich des Kaufmanns betreffen.7 Insoweit fehlt dem Prokuristen jegliche Vertretungsmacht. Das Vorliegen eines Handelsgeschäfts wird nach § 344 vermutet. Darüber hinaus wird der Dritte geschützt, wenn er nicht erkennen konnte, dass ein Geschäft des privaten Rechtskreises vorlag.8 Testamente und Erbverträge kann der Prokurist für den Kaufmann schon deshalb nicht errichten bzw. abschließen, weil insoweit eine Vertretung schlechthin ausgeschlossen ist, §§ 2064, 2274 BGB. Zu beachten ist dabei aber, dass sich dann, wenn das Geschäft § 49 Abs. 1 unterfällt, die Vertretungsmacht des Prokuristen gegenständlich nicht auf das Geschäftsvermögen beschränkt, sondern der Inhaber des Handelsgeschäfts mit seinem gesamten Vermögen einschließlich des Privatvermögens haftet (s Rn 2);9 es kommt nur darauf an, ob es sich der Art nach um ein Geschäft handelt, das bei dem Betrieb irgendeines Handelsgewerbes vorkommen kann.10 Ausgenommen sind ferner höchstpersönliche Rechtsgeschäfte (s. dazu § 50 Rn 27). 8 Der Umfang der Prokura geht in zweifacher Weise über den Umfang einer bloßen Handlungsvollmacht hinaus. Die Handlungsvollmacht bezieht sich nach § 54 Abs. 1 nur auf Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb des Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Die Prokura verleiht dagegen Vertretungsmacht für alle Handelsgeschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringen kann. Es ist unerheblich, ob das vorgenommene Geschäft im allgemeinen oder im besonderen Fall untypisch oder geradezu außergewöhnlich ist. 9 Die Handlungsvollmacht bezieht sich außerdem nach § 54 Abs. 1 nur auf solche Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes der Art, wie es der Kaufmann 3 OLG Hamm NJW 1967, 2163; Baumbach/Hopt/Roth Anhang nach § 177a Rn 37; Germer BaWüNotZ 1986, 55. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 31; vgl. auch Grüter BB 1979, 245.
4 Grüter BB 1979, 245. 5 LAG München NZA 1987, 464; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 2. 6 BGHZ 63, 32, 35 (Bau eines Hauses). S. dazu auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn § 343 Rn 24. 7 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn § 343 Rn 23. 8 BGH WM 1976, 424 (425). 9 KG KGJ 37 (1909), A 226 (228 f). 10 KG KGJ 37 (1909), A 226 (228 f). Zur Verfügung über Bankkonten s. Gericke DB 1967, 1839 f; Witte DB 1968, 254 f. Fischinger
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führt, mit sich bringt. Auch diese Beschränkung gilt für die Prokura nicht. Der Prokurist kann alle Geschäfte und Rechtshandlungen wirksam vornehmen, die der Betrieb irgendeines beliebigen Handelsgewerbes mit sich bringen kann. Es genügt also, dass es sich um ein Geschäft handelt, das für irgendeinen Kaufmann ein Handelsgeschäft wäre. Der Prokurist ist damit in der Lage, mit Wirksamkeit im Außenverhältnis Geschäfte vorzunehmen, die weit außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Kaufmanns liegen (branchenfremde Geschäfte). Die Prokura bevollmächtigt z.B. zu folgenden Rechtsgeschäften: Einkauf und Verkauf sowie die dazu gehörenden Erfüllungshandlungen; Import- und Exportgeschäfte; Versicherungsverträge;11 Geschäfte des Bankverkehrs, z.B. Kontoeröffnung, Kontoauflösung sowie Kontoüberziehung;12 Globalzession;13 Darlehensgewährung und Darlehensaufnahme; Wechselerklärungen; Scheckerklärungen;14 Bürgschaften; Miet- und Pachtverhältnisse; Aktienkäufe oder Grundstücksgeschäfte in den durch § 49 Abs. 2 gezogenen Grenzen (s. unten Rn 27 ff). Die Vertretungsmacht besteht für den Abschluss, die Durchführung (z.B. Mängelrügen nach § 377) und die Beendigung (Kündigung oder Auflösung) von Verträgen. Der Umfang der eingegangenen Verbindlichkeiten ist ohne Bedeutung; es bestehen keine Wertgrenzen. Die Vertretungsmacht besteht gleichermaßen für Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte. Der Prokurist kann Vollmachten erteilen, insbesondere eine Handlungsvollmacht nach § 54,15 und das vollmachtlose Handeln eines Vertreters, z.B. bei Überschreitung einer Handlungsvollmacht, genehmigen.16 Die Erteilung einer Prokura durch einen Prokuristen ist dagegen unwirksam, da die Prokura nach § 48 Abs. 1 nur von dem Inhaber des Handelsgeschäfts persönlich erklärt werden kann, nicht aber durch einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter wie einen Prokuristen. Auch eine Generalvollmacht kann der Prokurist nicht erteilen, da diese über seine eigene Vertretungsmacht hinausgehen würde.17 Die Vertretungsmacht ist nicht auf den Privatrechtsverkehr beschränkt. Sie besteht auch im öffentlichen Recht, z.B. bei der Vertretung gegenüber Behörden (Widerspruch gegen Verwaltungsakte; Stellung von Strafanträgen18). Allerdings kann er nach Auffassung des BGH nicht im Namen der Gesellschaft einen Strafantrag gegen Geschäftsführer, Gesellschafter oder Mitglieder von Aufsichtsrat oder Betriebsrat stellen.19 Die Prokura bevollmächtigt zu organisatorischen, das Handelsgewerbe betreffenden Maßnahmen. Dazu gehören etwa: Produktumstellungen; Einführung neuer Fertigungsmethoden; Betriebseinschränkungen; Stilllegung einzelner Betriebe (zu Grundlagengeschäften s. aber unten Rn 17 ff). Zu beachten ist dabei, dass sich die Prokura als Vertretungsmacht bei organisatorischen Maßnahmen nur insoweit auswirkt, als es um Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftsähnliche Handlungen geht. Die Prokura verleiht ferner zu allen auf die Mitarbeiter im kaufmännischen Unternehmen bezogenen Rechtsgeschäften Vertretungsmacht. Der Prokurist kann den Kaufmann also auch bei arbeitsrechtlichen Maßnahmen umfassend vertreten. Dazu gehören etwa: Abschluss, Durchführung (Ausübung des Weisungsrechts) und Beendigung von Arbeitsverhältnissen (ordentliche und außerordentliche Kündigung;20 zu Beschränkungen der Kündigungszuständigkeit s. § 50 Rn 4, 7, 11; Abschluss von Aufhebungsverträgen; Zeugniserteilungen), Abschluss ei-
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OLG Hamm BB 1956, 900 (Lebensversicherung zu eigenen Gunsten). S. dazu Gericke DB 1967, 1839 f; Witte DB 1968, 254 f. OLG Stuttgart WM 1976, 700 (702). Zur Einlösung eines Firmenschecks durch einen Prokuristen auf seinem Privatkonto s. LAG Hamm ZIP 1986, 1262 ff. 15 BGH LM § 54 Nr. 1 = DB 1952, 949 (LS). 16 Vgl. BGH WM 1966, 491 (494). 17 U. Hübner ZHR 143 (1979), 3 f. 18 Vgl. RGSt 15, 144 (145 f). S. aber auch OLG Dresden JW 1932, 2639. 19 BAG NJW 2010, 92 (97). 20 BAG WM 1976, 598 (599). 581
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nes Firmentarifvertrages (§ 2 Abs. 1 TVG). Der Prokurist kann die Befugnisse des Kaufmanns als Arbeitgeber bzw. Unternehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz wahrnehmen, z.B. Betriebsvereinbarungen abschließen. Er kann Kurzarbeit einführen und einen Sozialplan vereinbaren (s. dazu aber noch unten Rn 22). 15 In der GmbH & Co. KG führt die GmbH die Geschäfte der KG als organschaftliche Vertreterin. Diese Geschäftsführung ist für die GmbH ein Handelsgeschäft und kann daher auch durch deren Prokuristen ausgeübt werden (s. oben Rn 4). 16 Der Prokurist braucht zur Vornahme von Geschäften für einen minderjährigen Kaufmann keine Zustimmung des Vormundschaftsgerichts.21 Zwar bedarf der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen zur Erteilung einer Prokura nach § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, und auch darüber hinaus sind viele Geschäfte des gesetzlichen Vertreters genehmigungsbedürftig. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die Vertretungsbefugnis eines Prokuristen. Wenn daher bei einem minderjährigen Inhaber des Handelsgeschäfts wirksam eine Prokura besteht, sei es durch Erteilung des Erblassers, den der Minderjährige beerbt hat, sei es durch Bestellung seitens des gesetzlichen Vertreters mit vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung, so kann der Prokurist allein alle Handelsgeschäfte wirksam vornehmen. Die Vertretungsmacht des Prokuristen kann damit weitergehen als die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters.
17 b) Grundlagengeschäfte. Die Prokura bevollmächtigt nur zu Rechtshandlungen, die zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehören. Damit ist der laufende Betrieb einschließlich auch ungewöhnlicher Geschäfte gemeint. Den Gegensatz hierzu bilden aber Rechtshandlungen, die sich auf die rechtlichen Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens beziehen. Zu derartigen Grundlagengeschäften bevollmächtigt die Prokura nicht. So allgemein anerkannt dieser Grundsatz auch ist, seine Konkretisierung im einzelnen Fall und damit die Feststellung, was ein Grundlagengeschäft ist, erweist sich als nicht einfach (über Anmeldungen zum Handelsregister s. Rn 41). Zu beachten ist außerdem, dass es auf das Bestehen der Vertretungsmacht stets nur insoweit ankommen kann, als es um Rechtsgeschäfte oder rechtsgeschäftsähnliche Handlungen des Prokuristen geht.22 Bei rein tatsächlichen Handlungen ist die Vertretungsmacht ohne Bedeutung.
18 aa) Änderung des Unternehmensgegenstandes; Firmenänderung. Der Prokurist kann nach allgemeiner Ansicht den Geschäftszweig ändern, indem er die Branche wechselt. Dies ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass der Prokurist alle Handelsgeschäfte vornehmen kann, also auch solche, die nicht zu dem bisherigen Geschäftsbetrieb des Kaufmanns gehört haben. Unterlässt er gleichzeitig die zum bisherigen Handelsgeschäft gehörenden Maßnahmen, so kann in der Tat ein Wechsel der Branche vorliegen. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Prokurist den Unternehmensgegenstand (das Sachziel des Unternehmens) ändern könnte. Denn die Änderung des Unternehmensgegenstandes gehört zu den Grundlagengeschäften, die dem Prokuristen verwehrt sind.23 Bei einem Einzelkaufmann erfolgt die Änderung des Unternehmensgegenstandes nicht durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung, so dass sich die Frage der Vertretungsmacht des Prokuristen hier nicht stellen kann.24 Bei einer Handelsgesellschaft wird der Unternehmensgegenstand gesellschaftsvertraglich bestimmt, so dass dessen Änderung ebenfalls nur durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages vorgenommen wird, die von der Vertretungsmacht des Prokuristen 21 22 23 24
RGZ 106, 185 (186 f); OLG Hamm BB 1956, 900. Zum vertretungsberechtigten Gesellschafter s. RGZ 125, 380 (381). Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 8 f. K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 3. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 26; Müller JuS 1998, 1000 (1002 f). Nach Canaris Handelsrecht § 12 III. 1. soll es bei Einzelkaufleuten einen Unternehmensgegenstand im Rechtssinne nicht geben. Fischinger
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nicht erfasst wird. Auch die Firma des Kaufmanns kann sein Prokurist nicht ändern25 und ihre Änderung oder Löschung im Handelsregister beantragen.26
bb) Errichtung von Zweigniederlassungen; Sitzverlegung. Zum Betrieb des Handelsge- 19 werbes gehören die Errichtung von Zweigniederlassungen sowie deren Aufhebung, es handelt sich mithin nach zutreffender Meinung nicht um ein dem Prokuristen entzogenes Grundlagengeschäft.27 Bei einer Sitzverlegung wird man zu unterscheiden haben: Die eigentliche Verlegung des Sitzes erfolgt bei einem Einzelkaufmann durch tatsächliche Handlungen, für die sich die Frage der Vertretungsmacht des Prokuristen nicht stellt.28 Werden im Zuge der Verlegung dagegen Rechtsgeschäfte vorgenommen, so ist hierzu auch der Prokurist berechtigt.29 Bei Kapitalgesellschaften wird der Sitz der Gesellschaft durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, 5 Abs. 1 AktG), so dass die Sitzverlegung einer Änderung des Gesellschaftsvertrages bedarf. Dazu befähigt die Prokura nicht. Für Personenhandelsgesellschaften nimmt die hM an, dass es auf den tatsächlichen Sitz ankomme und die Sitzverlegung keine Änderung des Gesellschaftsvertrages erfordere.30 Folgt man dem, so gelten bezüglich des Prokuristen die gleichen Grundsätze wie bei einem Einzelkaufmann. Nimmt man entsprechend der Rechtslage bei Kapitalgesellschaften auch für die Personenhandelsgesellschaft einen gesellschaftsvertraglichen Sitz an,31 kann die Änderung des Sitzes durch den Prokuristen ohnehin nicht vorgenommen werden.
cc) Erwerb eines Handelsgeschäfts. Die Prokura bevollmächtigt zum Erwerb eines Handels- 20 geschäfts, das bislang von einem anderen Kaufmann selbständig geführt worden ist.32 Ein solches Rechtsgeschäft gehört in gleicher Weise zum Betrieb des Handelsunternehmens wie ein Beteiligungserwerb (Rn 25). dd) Veräußerung des Handelsgeschäfts; Stilllegung; Insolvenzverfahren; Verpach- 21 tung. Die Beendigung des Handelsgewerbes gehört nicht mehr zu dessen Betrieb. Der Prokurist kann daher das bestehende Handelsgeschäft, für dessen Bereich er Prokura erhalten hat, weder veräußern33 noch verkaufen.34 Desgleichen kann der Prokurist nicht den ganzen Betrieb stilllegen35 (zur Löschung der Firma s. Rn 41). Die Vertretungsmacht des Prokuristen erstreckt sich ferner nicht auf die Stellung von Anträgen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns. Auch zur Verpachtung des Handelsgewerbes berechtigt die Prokura nicht, führte sie doch dazu, dass ein anderer berechtigt wäre, die Nutzungen aus dem Handelsgewerbe zu ziehen.36
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Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 13; MünchKommHGB/Krebs Rn 28. Oetker/Schubert Rn 18. MünchKommHGB/Krebs Rn 29; Baumbach/Hopt Rn 1. AA Oetker/Schubert Rn 14. Heymann/Teichmann HGB Rn 10; anders Canaris Handelsrecht § 12 III. 1. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 9. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Born § 106 Rn 14. S. die Erl. zu § 106. OGH OGHZ 1, 62 (64). BGH BB 1965, 1373 (1374); LAG München NZA 1987, 464. ROHGE 23, 28. ROHGE 23, 28; RG Recht 1923, Nr. 908. Oetker/Schubert Rn 18. Fischinger
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22 ee) Abwicklung. Der Grundsatz, dass ein Prokurist das Handelsunternehmen nicht stilllegen kann, wird vielfach dahingehend verstanden, dass er auch einzelne Geschäfte im Zuge der Abwicklung nicht vornehmen kann. So soll etwa nach Ansicht des LAG München der Prokurist bei vollständiger Stillegung des einzigen Betriebs des Kaufmanns keine Vertretungsmacht zum Abschluss eines Sozialplans (§ 112 Abs. 1 S 2 BetrVG) haben.37 Diese Auffassung begegnet Bedenken. Die Firma des Einzelkaufmanns erlischt erst mit dem Ende der Abwicklung, die ihrerseits noch zum Betrieb des Handelsgewerbes gehört.38 Demzufolge ist das Erlöschen der Firma gemäß § 31 erst mit Beendigung der Abwicklung im Handelsregister einzutragen. Würde im Stadium der Abwicklung die Vertretungsmacht des Prokuristen entfallen, so hätte dies eine unangemessene Beeinträchtigung der Sicherheit des Rechtsverkehrs zur Folge. Die Geschäftspartner können nicht erkennen, ob ein bestimmtes von einem Prokuristen vorgenommenes Geschäft schon zu einer Abwicklung gehört oder nicht. Darüber hinaus ist der Wegfall der Vertretungsmacht auch aus der Sicht des Kaufmanns nicht sinnvoll. Im Zuge der Abwicklung müssen regelmäßig zahlreiche Rechtsgeschäfte getätigt werden, für die der Kaufmann den Prokuristen in gleicher Weise bedarf wie für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit. Aus diesem Grunde ist bereits die Erteilung einer Prokura durch die Abwickler einer Handelsgesellschaft für zulässig erklärt worden (s. § 48 Rn 11 ff). Der Kaufmann ist auch nicht schutzwürdig, denn wenn er während der Abwicklung nicht durch einen Prokuristen vertreten sein möchte, so kann er die Prokura jederzeit widerrufen (§ 52 Abs. 1) und dies zur Eintragung im Handelsregister anmelden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die Vertretungsmacht des Prokuristen auch im Abwicklungsstadium besteht.39 Er ist zu einzelnen Rechtsgeschäften im Zuge der Abwicklung bevollmächtigt. Die Vertretungsmacht fehlt ihm also nur für solche Rechtsgeschäfte, welche selbst eine Beendigung des Handelsgeschäfts bedeuten, z.B. die Veräußerung des gesamten Handelsunternehmens. Zu Einschränkungen der Vertretungsmacht im Liquidationsstadium vgl. § 48 Rn 13.
23 ff) Gesellschaftsrechtliche Maßnahmen. Die Prokura verleiht keine Vertretungsmacht für Rechtshandlungen, welche die gesellschaftsvertraglichen Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens betreffen. Hierzu gehören z.B. der Abschluss und die Änderung von Gesellschaftsverträgen; die Aufnahme weiterer Gesellschafter; die Kündigung gegenüber und der Ausschluss von Gesellschaftern; die Einbringung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine Handelsgesellschaft; die Aufnahme eines Teilhabers in das einzelkaufmännische Unternehmen mit Gründung einer Personenhandelsgesellschaft; die Einberufung von Gesellschafterversammlungen;40 die Annahmeerklärung einer GmbH zur Übernahme einer Stammeinlage durch einen (oder den einzigen) Gesellschafter nach einer Kapitalerhöhung;41 die Anmeldung des Ausscheidens eines Geschäftsführers einer GmbH zum Handelsregister42 oder die Anmeldung der Änderung der Geschäftsanschrift beim Handelsregister.43 24 Das Reichsgericht hat – unter Aufgabe seiner früher abweichenden Rechtsprechung – die Aufnahme eines stillen Gesellschafters durch einen alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft ohne Zustimmung der übrigen Gesellschafter als wirksam beurteilt.44 Im Anschluss daran wird im Schrifttum allgemein angenommen, dass auch ein Prokurist einen Vertrag über eine stille Beteiligung abschließen könne, da es sich hierbei im 37 38 39 40 41 42 43 44
LAG München NZA 1987, 464 f. Näher dazu die Erl. zu § 31. MünchKommHGB/Krebs Rn 30. KG OLGE 24 (1912), 158 f. BGHZ 49, 117 (120 f). OLG Düsseldorf NZG 2012, 1223. OLG Karlsruhe NZG 2014, 1346; KG NZG 2016, 1031. RGZ 153, 371 (373 f).
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Wesentlichen um einen darlehensähnlichen Vertrag handele.45 Dem hat Karsten Schmidt46 für den Abschluss eines Vertrages über eine atypische stille Gesellschaft mit Recht widersprochen, also bei über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vereinbarungen über eine Beteiligung am Unternehmensvermögen, über Mitverwaltungsrechte und über eine verbandsmäßige Organisation.47 Noch weitergehend ist jedoch die Befugnis zum Abschluss von Verträgen über eine stille Gesellschaft ganz allgemein zu bestreiten, also auch bei einer dem gesetzlichen Regelfall entsprechenden stillen Gesellschaft. Die stille Gesellschaft ist zwar keine Handelsgesellschaft, gleichwohl aber eine Gesellschaft, die dem stillen Gesellschafter in Gestalt der Beteiligung an Gewinn und Verlust (§ 232) und des Kontrollrechtes (§ 233) Rechte verleiht, die weit über die rechtliche Stellung eines bloßen Darlehensgläubigers hinausgehen. Berücksichtigt man dies, so ist die Aufnahme eines stillen Gesellschafters als gesellschaftsrechtliches Grundlagengeschäft zu beurteilen, das einem Prokuristen verwehrt ist.48 Indessen sind dem Prokuristen nicht alle Rechtshandlungen versagt, die sich auf das Ge- 25 sellschaftsrecht beziehen. Der Prokurist kann Tochtergesellschaften gründen oder sich an einer Gründung beteiligen,49 Beteiligungen an anderen Unternehmen erwerben und die bestehenden gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsrechte ausüben. Der Prokurist kann die Beteiligungen auch wieder aufgeben. Die Prokura für den Betrieb einer Handelsgesellschaft bevollmächtigt zur Vertretung der 26 Gesellschaft (nicht: der Gesellschafter) gegenüber den Gesellschaftern bei der Geltendmachung von Ansprüchen (z.B. bei der Einforderung ausstehender Einlagen).50 Es handelt sich dabei nur um die von der Gesellschaft vorzunehmende Durchführung anderweitig getroffener Grundlagenbeschlüsse. Nicht hingegen berechtigt sie auch zur Begründung von Ansprüchen auf Beiträgen und Einlagen, handelt es sich hier doch um Grundlagenangelegenheiten.51
c) Grundstücksgeschäfte, Abs. 2. Nach § 49 Abs. 2 erstreckt sich der regelmäßige Umfang 27 der Prokura nicht auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken. Die Bestimmung beruht nicht etwa auf der Erwägung, dass dem Prokuristen besonders bedeutsame Geschäfte versagt sein sollten.52 Die Einschränkung in der gesetzlichen Festlegung des Umfangs der Vertretungsmacht erklärt sich allein entstehungsgeschichtlich daraus, dass man bei den Beratungen des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches Verfügungen über Immobilien nicht als Handelsgeschäfte betrachtete,53 so dass die Grundstücksgeschäfte auch nicht in den Katalog der Handelsgewerbe nach § 1 Abs. 2 ADHGB aufgenommen worden sind. In den späteren Beratungen des Handelsgesetzbuches von 1897 wurde zunächst vorgeschlagen, die für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken geltende Beschränkung zu streichen, da sie in der Wirklichkeit keine erhebliche Bedeutung habe und den „jetzigen Verkehrsverhältnissen“ nicht mehr entspreche.54 Nach Ansicht der Mehrheit sollte es jedoch bei dem überkommenen Recht bleiben, weil im Kaufmannsstand eine Abneigung gegen die Vermischung des Grundbesitzes mit dem
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 3; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 9. K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 3. a) Fn 59. Vgl. zum Begriff der atypischen stillen Gesellschaft MünchKommHGB/K. Schmidt § 230 Rn 74 ff. Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 33; Heymann/Teichmann HGB Rn 9. OLG Dresden RJA 15 (1918), 56. ROHGE 7 (1873), 412 (416 f). Oetker/Schubert Rn 20. So aber KG HRR 1929 Nr. 1607. S. Protokolle der Kommission zur Beratung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hrsg. von J. Lutz, I. Theil, 1858, S. 77 und dazu KG RJA 3 (1903), 231 (232). 54 Denkschrift zum Entwurf eines Handelsgesetzbuches für das Deutsche Reich, aufgestellt im Reichs-Justizamt 1895, S. 45 (abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II, Erster Halbband, 1987, S. 45).
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Geschäftsbetriebe bestehe und es häufig zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen über die Zweckmäßigkeit von Grundstücksverfügungen komme.55 28 Rechtspolitisch ist die Beschränkung umstritten. Joost führt in der Vorauflage (damals: Rn 28) gegen sie an, dass die Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf ihren Unternehmensgegenstand schon immer als Handelsgesellschaften (§§ 13 Abs. 3 GmbHG, 3 AktG) galten, so dass der Handel mit Grundstücken ohne Weiteres von Handelsgesellschaften betrieben werden kann. Dann aber sei es nicht einzusehen, weshalb sich die Prokura darauf nicht erstrecken sollte. Ferner sei nicht erkennbar, weshalb nur die Verfügung über Immobilien kein Handelsgeschäft sein solle. Auch sonstige die dingliche Rechtslage an Grundstücken betreffende Geschäfte müssten folgerichtig von der Vertretungsmacht des Prokuristen ausgenommen sein, was aber nach der engen Fassung des § 49 Abs. 2 nicht der Fall ist (s. näher dazu unten Rn 33, 34). § 49 Abs. 2 stelle sich damit als eine historische Erscheinung ohne aktuelle Überzeugungskraft dar. Stellungnahme: In der Tat ist der vom historischen Gesetzgeber mit der Norm verfolgte Zweck überholt und lässt sich mit den heutigen Gegebenheiten und auch den von der ganz hM von § 49 Abs. 2 gemachten Ausnahmen nicht vereinbaren. Das schließt es aber nicht aus, die Vorschrift aufgrund anderer Erwägungen im Ergebnis doch für rechtspolitisch überzeugend zu halten. Es ist dies die Überlegung, dass Grundstücke anders als andere Handelsgüter ein nicht vermehrbares Wirtschaftsgut darstellen und eine Ersatzbeschaffung oftmals gar nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich wäre. Dies im Verein mit dem Umstand, dass das Grundeigentum einen der wertvollsten Vermögenswerte des Handelsbetriebs ausmachen, rechtfertigt eine besondere Schutzbedürftigkeit des Kaufmanns vor Geschäften durch den Prokuristen.56
29 aa) Beschränkung der Vertretungsmacht. Die Prokura bevollmächtigt nicht zu Veräußerungen und Belastungen von Grundstücken, und zwar auch dann nicht, wenn die Grundstücke zum Geschäftsvermögen des Kaufmanns gehören. § 49 Abs. 2 greift selbst dann ein, wenn der Handel mit Grundstücken gerade der Gegenstand des Handelsbetriebs ist und die Grundstücke deshalb nicht zum Anlage-, sondern zum Umlaufvermögen gehören (s. auch Rn 36).57 Dafür spricht der insoweit nicht differenzierende Wortlaut sowie die sich anderenfalls ergebenden Abgrenzungsschwierigkeiten, die mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden wären. § 49 Abs. 2 stellt eine gesetzliche Beschränkung mit Außenwirkung gegenüber Dritten dar. 30 Die Beschränkung ist objektivrechtlicher Natur, so dass sie auch gegenüber dem gutgläubigen Rechtsverkehr wirkt; § 15 ist demgegenüber nicht anwendbar. Wenn ein Prokurist bei einer gemischten Gesamtvertretung an der organschaftlichen Vertretung einer Handelsgesellschaft mitwirkt, erweitert sich jedoch der Umfang seiner Vertretungsmacht auf die Befugnisse des organschaftlichen Vertreters (s. § 48 Rn 114). Die Beschränkung nach § 49 Abs. 2 gilt insoweit nicht.58 Unter Veräußerung ist die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück zu verstehen. 31 Dazu gehört auch die Einräumung von Miteigentum oder die Einbringung eines Grundstücks in eine Gesellschaft. Die Veräußerung grundstücksgleicher Rechte wie etwa des Erbbaurechts oder des Wohnungseigentums steht dem gleich, § 49 Abs. 2 ist zumindest analog anwendbar. Entsprechend dem Zweck der Vorschrift gilt die Beschränkung der Vertretungsmacht auch für obligatorische Geschäfte, die den Kaufmann zur Veräußerung von Grundstückseigentum verpflichten.59 Auf
55 Protokolle über die Beratungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuches, S. 171 (abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe, Fn 46, S. 383).
56 So iE auch MünchKommHGB/Krebs Rn 37; K. Schmidt DB 1994, 515 (520). 57 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 18; Oetker/Schubert Rn 25; Fischinger Handelsrecht Rn 416. AA OLG Hamm NJW 1967, 2163; OLG Hamm DNotZ 2012, 230 (231).
58 KG KGJ 43 (1913), 162 (165); AG Langen/Hessen Rpfleger 1980, 288 m. Anm. Lerch. 59 OLG Rostock OLGE 21 (1910), 379 f. Fischinger
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eingetragene Seeschiffe60 und eingetragene Luftfahrzeuge61 ist § 49 Abs. 2 nicht anzuwenden, auch nicht analog; Schiffe und Luftfahrzeuge werden insoweit als bewegliche Sachen behandelt.62 Umstritten ist, ob die Beschränkung der Vertretungsmacht des Prokuristen auch besteht, wenn er nicht über ein Grundstück des Kaufmanns, sondern über das Grundstück eines Dritten im Namen des Inhabers des Handelsgeschäfts verfügt. Entgegen der Vorauflage (damals: Rn 31) ist das zu verneinen, der Kaufmann ist hier nicht schutzwürdig (vgl zum Zweck von § 49 Abs. 2 oben Rn 28).63 Die Beschränkung der Prokura gilt nach allgemeiner Ansicht nicht für den Erwerb von Grundstücken64 oder für Verpflichtungsverträge zum Erwerb von Grundstücken. Für zulässig wird es auch gehalten, wenn der Prokurist ein Grundstück erwirbt und für den Kaufpreis oder einen Teil davon Grundpfandrechte zur Sicherung bestellt, da dies im Ergebnis dem Erwerb eines bereits belasteten Grundstücks gleichkomme.65 Eine Beschränkung der Vertretungsmacht besteht ferner nicht, soweit es sich um Geschäfte handelt, die sich zwar auf das Grundstück beziehen, aber nicht dessen Veräußerung zum Gegenstand haben. So kann der Prokurist etwa Miet- und Pachtverträge über Grundstücke schließen, Rechtsgeschäfte im Rahmen der Verwaltung des Grundstücks vornehmen sowie Geschäfte zum Bau eines Hauses66 tätigen. Dagegen führt der Tausch von Grundstücken dazu, dass das bestehende Grundeigentum aufgegeben werden muss, es gilt dementsprechend die Beschränkung der Vertretungsmacht des § 49 Abs. 2.67 Die Prokura bevollmächtigt nicht zu Belastungen von Grundstücken oder dem Eingehen von Verpflichtungen zu Belastungen. Unter Belastung ist die Bestellung dinglicher Rechte am Grundstück zu verstehen, z.B. einer Hypothek, Grundschuld, Reallast oder Dienstbarkeit. Dazu gehört auch die Bestellung einer Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs jedenfalls insoweit, als der Anspruch auf eine Verfügung gerichtet ist, die vom Umfang der Vertretungsmacht nicht erfasst wird.68 Die Beschränkung der Vertretungsmacht gilt nur für das Grundstück selbst. Der Prokurist kann daher wirksam über bereits bestehende Grundpfandrechte verfügen. Eine Ausnahme gilt nicht für die Übertragung einer Eigentümergrundschuld, verwandelt diese sich dadurch doch in eine Fremdgrundschuld und damit eine Belastung des Grundstücks; dazu ist der Prokurist nicht befugt.69 Der Prokurist kann dingliche Rechte verpfänden und Rangänderungen bewilligen.70 Die Prokura bevollmächtigt auch zur Tilgung eingetragener Belastungen, ferner zur Bewilligung der Löschung von für den Kaufmann eingetragenen Rechten.71 60 61 62 63
LG Braunschweig NJW-RR 1987, 23 f; Schaps-Abraham Das deutsche Seerecht, 3. Aufl. 1959, Erster Band, S. 383. LG Braunschweig NJW-RR 1987, 23 f. MünchKommHGB/Krebs Rn 40. Wie (nunmehr) hier auch OLG Hamm DNotZ 2012, 230; LG Chemnitz NotBZ 2008, 241; Baumbach/Hopt Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 42; Heymann/Teichmann HGB Rn 16. AA OLG Köln NJW-RR 2020, 530 (531); KG Berlin NJW 2021, 2810. 64 KG KGJ 43 (1913), 162 (163 f), wo aber für den Austausch von Grundstücken zutreffend eine besondere Ermächtigung verlangt wird. 65 KG HRR 1929 Nr. 1607 unter Aufgabe des gegenteiligen Standpunkts in KG KGJ 29 (1905), A 240 (241 ff). Zur gleichen Problematik bei der Gütergemeinschaft s. RGZ 69, 177 (178 ff) und zur Problematik der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung RGZ 108, 356 (362 ff). 66 BGHZ 63, 32 (35). 67 MünchKommHGB/Krebs Rn 44. 68 So mit Recht Heymann/Teichmann HGB Rn 17; MünchKommHGB/Krebs Rn 45; vgl. auch KG Berlin NJW 2021, 2810. 69 Baumbach/Hopt Rn 4; Heymann/Teichmann HGB Rn 17. AA KG JW 1937, 1743 (1744). 70 MünchKommHGB/Krebs Rn 39; v. Westphalen DStR 1993, 1186 (1187). AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 19. 71 KG KGJ 37 (1909), A 226 (229); vgl. auch BayObLG WM 1982, 647 (649). 587
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1. Buch. Handelsstand
36 bb) Besondere Befugnis. Der Kaufmann kann den Prokuristen zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken bevollmächtigen, indem er ihm dazu eine besondere Befugnis erteilt (sog. Immobiliarklausel oder Grundstücksklausel). Es handelt sich dabei nicht um eine zusätzliche Vollmacht, sondern um eine Erweiterung der Prokura selbst.72 Zwar liegt der Grund für die Beschränkung der Vertretungsmacht entstehungsgeschichtlich darin, dass die Veräußerung und Belastung von Grundstücken nicht als Handelsgeschäft angesehen wurde (s. oben Rn 27). Der Gesetzgeber wollte es aber dem Kaufmann überlassen, insoweit den Umfang der Prokura selbst zu bestimmen. Dementsprechend ist die Befugnis als Teil der Prokura in das Handelsregister einzutragen.73 37 Die besondere Befugnis muss ausdrücklich erteilt werden.74 Es handelt sich dabei um eine Folge dessen, dass die besondere Befugnis keine zusätzliche Vollmacht darstellt, sondern Inhalt der Prokura ist und deshalb für die Erteilung § 48 Abs. 1 gilt, wonach eine ausdrückliche Erklärung notwendig ist. Dagegen wird z.T. die Erteilung einer besonderen Befugnis für entbehrlich gehalten, wenn der Geschäftsbetrieb nur im Handel mit Grundstücken besteht.75 Richtig ist zwar, dass der Handel mit Grundstücken insbesondere bei einer Kapitalgesellschaft, die ohne Rücksicht auf ihren Unternehmensgegenstand als Handelsgesellschaft gilt, ein Handelsgeschäft sein kann (s. oben Rn 28). Das ändert aber nichts daran, dass die Beschränkung nach § 49 Abs. 2 für jeden Kaufmann und damit auch für eine Kapitalgesellschaft unabhängig davon gilt, welchen Gegenstand das Handelsgewerbe hat. Eine stillschweigend oder schlüssig erteilte Befugnis zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken kann aber als Handlungsvollmacht aufrechterhalten werden,76 da es für sie keiner ausdrücklichen Erklärung bedarf (s. § 54 Rn 21). 38 Den Inhalt der Erweiterung der Vertretungsmacht kann richtigerweise der Kaufmann bestimmen, mithin auch darüber entscheiden, ob die Befugnis zur Veräußerung und zur Belastung von Grundstücken erteilt wird oder nur für eines von beiden.77 Der Wortlaut von § 49 Abs. 2 steht dem nicht entgegen. Da es sich aber um eine Erweiterung der Prokura selbst handelt und diese stets zu allen Handelsgeschäften bevollmächtigt, kann die Befugnis nicht für einen bestimmten Einzelfall ausgesprochen werden.78 Zur Zulässigkeit einer zusätzlichen Vollmacht s. unten Rn 45 ff.
2. Gerichtsverkehr 39 Die Prokura verleiht Vertretungsmacht für alle gerichtlichen Rechtshandlungen, insbesondere Prozesshandlungen, die sich auf den Betrieb eines Handelsgeschäfts beziehen (zur Stellung des Prokuristen im Prozess s. bereits § 48 Rn 147). Der Prokurist kann z.B. eine Prozessvollmacht erteilen,79 Rechtsmittel einlegen oder einen Prozessvergleich abschließen.80 Gemäß § 171 ZPO können in den durch den Betrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten Zustellungen an den Prokuristen erfolgen. Versäumt ein Kaufmann eine Rechtsmittelfrist, weil sein Prokurist schuldhaft den Rechtsanwalt nicht rechtzeitig verständigt hat, so kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.81 72 BayObLG NJW 1971, 810 mwN; KG RJA 3 (1903), 231 (232 f). 73 BayObLG NJW 1971, 810 mwN; BayObLG DB 1980, 2232 (2233); KG RJA 3 (1903), 231 (232 f); KG KGJ 25 (1903), A 250 (252); KG JW 1937, 1743 (1744); LG Aachen MittRhNotK 1968, 563 f = DNotZ 1969, 562 (LS). 74 MünchKommHGB/Krebs Rn 57. 75 OLG Hamm NJW 1967, 2163; ebenso Germer BaWüNotZ 1986, 55. 76 MünchKommHGB/Krebs Rn 57. 77 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 21. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 18; MünchKommHGB/Krebs Rn 58. 78 AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 21. 79 BGH NZG 2019, 511 (512 f); OGHZ 1, 62 (65); OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 146044. 80 Bork Der Vergleich, 1988, S. 276 mwN. 81 OLG Hamm BB 1956, 900. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 49
Die Vertretungsbefugnis besteht in allen Gerichtsbarkeiten, also außer für die Zivilge- 40 richtsbarkeit auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit (zur steuerrechtlichen Stellung des Prokuristen s. § 48 Rn 148 f) und die Strafgerichtsbarkeit, z.B. durch Stellung von Strafanträgen. Sie bezieht sich jedoch in gleicher Weise wie bei außergerichtlichen Handlungen nur auf Angelegenheiten, die zum Handelsbetrieb gehören.82 In Rechtsstreitigkeiten über private Angelegenheiten des Kaufmanns hat der Prokurist also keine Vertretungsbefugnis. Die Beschränkung der Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 2 betreffend Grundstücke gilt auch für gerichtliche Handlungen. Auch kann der Prokurist nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht im Namen der Gesellschaft einen Strafantrag gegen Geschäftsführer, Gesellschafter oder Mitglieder von Aufsichtsrat oder Betriebsrat stellen.83 Ebenso wenig kann er eine GmbH in einem Rechtsstreit gegen deren einzigen Gesellschafter vertreten.84 Bei Anmeldungen zum Handelsregister hängt die Vertretungsmacht des Prokuristen da- 41 von ab, ob es sich bei der Vornahme der Anmeldung um den laufenden Betrieb des Handelsgewerbes handelt.85 Zumeist wird es bei den Anmeldungen um Grundlagengeschäfte des Kaufmanns gehen (z.B. Änderung der Firma, Änderung der Geschäftsanschrift, Ausscheiden eines GmbH-Geschäftsführers). Sie werden von der gewöhnlichen Vertretungsmacht des Prokuristen nicht erfasst.86 Insoweit kann der Prokurist auch keine Rechtsbehelfe einlegen.87 Gleiches gilt für die Anmeldung der eigenen, ihm erteilten Prokura.88 Der Kaufmann kann dem Prokuristen aber eine besondere Vollmacht für Registeranmeldungen erteilen, wobei die Form des § 12 Abs. 1 Satz 2 zu wahren ist.89 Demgegenüber erstreckt sich die Prokura (ohne besondere Vollmacht) auch auf Anmeldungen zum Handelsregister, soweit es sich nicht um Grundlagengeschäfte des eigenen Handelsgeschäfts handelt, sondern um dessen Betrieb.90 So liegt es insbesondere bei der Verwaltung von Beteiligungsbesitz des eigenen Unternehmens.91 Die diesbezüglichen Anmeldungen zum Handelsregister werden von der Prokura erfasst, auch wenn es sich um Grundlagengeschäfte des von der Anmeldung betroffenen Unternehmens handelt.92 Dies gilt z.B. für die Anmeldung einer Firmenänderung einer Kommanditgesellschaft durch die Prokuristen einer anderen Kommanditgesellschaft, die Gesellschafterin der durch die Firmenänderung betroffenen Kommanditgesellschaft ist.93 Das Gleiche gilt bei einer GmbH & Co. KG für Anmeldungen durch den Prokuristen der Komplementär-GmbH für die Kommanditgesellschaft.94 Zur Mitwirkung des Prokuristen an der organschaftlichen Vertretung einer Handelsgesellschaft s. § 53 Rn 16. Der Prokurist kann nach § 49 Abs. 1 gerichtliche Handlungen nur als rechtsgeschäftlich be- 42 stellter Vertreter (Bevollmächtigter) des Kaufmanns vornehmen. Er ist kein gesetzlicher Vertreter
82 83 84 85
OGHZ 1, 62 (64 f). BAG NJW 2010, 92 (97). OLG Frankfurt NJW-RR 1997, 31. BGHZ 116, 190 (192 ff); Canaris Handelsrecht § 12 III. 1; Joost ZIP 1992, 463 ff. Die frühere Ansicht der Rechtsprechung, wonach Anmeldungen zum Handelsregister generell von der Vertretungsmacht des Prokuristen ausgenommen seien (BayObLG DB 1974, 1521 f mwN; BayObLG WM 1982, 647 (648 f) mwN), ist überholt. Zur Problematik vgl auch Seebach RNotZ 2015, 68 ff. 86 BGHZ 116, 190 (193); OLG Düsseldorf NZG 2012, 1223; Joost ZIP 1992, 463 (464 f); Heymann/Teichmann HGB Rn 13; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 35. 87 KG KGJ 47 (1915), 242 f; OLG Karlsruhe NZG 2014, 1346; KG NZG 2016, 1031. 88 OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 982. 89 OLG Frankfurt NJW-Spezial 2012, 369; Oetker/Schubert Rn 12. 90 Vgl. BGHZ 116, 190 (193 ff); OLG Karlsruhe NZG 2014, 1346; Joost ZIP 1992, 463 (464 f); Heymann/Teichmann HGB Rn 13. 91 Joost ZIP 1992, 463 (465). 92 AA MünchKommHGB/Krebs Rn 31. 93 BGHZ 116, 190 (193 ff); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 8; Joost ZIP 1992, 463 (465). 94 Schaub DStR 1999, 1699 (1701). 589
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§ 49
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des Kaufmanns.95 Die Prozessfähigkeit eines prozessunfähigen Kaufmanns erfordert daher die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters nach §§ 51 ff ZPO. Desgleichen kann der Prokurist einer Handelsgesellschaft, die keinen organschaftlichen Vertreter hat, keine Prozessfähigkeit verleihen.96 Materiellrechtlich kann einem Minderjährigen Prokura erteilt werden (s. § 48 Rn 22). In ei43 nem Zivilprozess kann der minderjährige Prokurist den Kaufmann gleichwohl nicht vertreten, weil nach § 79 ZPO dazu erforderlich ist, dass der Bevollmächtigte selbst prozessfähig ist; daran aber fehlt es beim Minderjährigen (§ 52 ZPO).
IV. Rechtsfolgen bei Überschreitung der Vertretungsmacht 44 Wenn der Prokurist mit einem Vertragsschluss seine gesetzlich umschriebene Vertretungsmacht überschreitet, ist das Geschäft schwebend unwirksam. Eine Überschreitung der Vertretungsmacht kann etwa vorliegen, wenn der Prokurist ein Grundlagengeschäft (s. oben Rn 17) oder ein Geschäft im privaten Rechtskreis des Kaufmanns (s. oben Rn 7) vornimmt, desgleichen bei der Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, wenn dem Prokuristen keine besondere Befugnis nach § 49 Abs. 2 erteilt ist. Der Kaufmann kann den unwirksamen Vertrag nach § 177 BGB genehmigen. In solchen Fällen kann außerdem eine Bindung des Kaufmanns eintreten, wenn er das Handeln des Prokuristen nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht oder Anscheinsvollmacht gegen sich gelten lassen muss; s. Vor § 48 Rn 21 ff. Ein einseitiges Rechtsgeschäft ist gemäß § 180 Satz 1 BGB grundsätzlich unwirksam; eine Genehmigungsmöglichkeit besteht unter den Voraussetzungen nach § 180 Satz 2 BGB. Die Genehmigungsfiktion des § 91a ist nicht analog auf die Prokura anwendbar, es fehlt schon an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke und überdies an der vergleichbaren Interessenlage.97
V. Besondere Vollmachten 45 Der Umfang der Prokura ist durch § 49 gesetzlich festgelegt. Eine Erweiterung ist nur in sehr engen Grenzen möglich: (1) Der Kaufmann kann dem Prokuristen die besondere Befugnis nach § 49 Abs. 2 für die Veräußerung und Belastung von Grundstücken erteilen. (2) Er kann ihn vom Verbot des Selbstkontrahierens (§ 181 BGB) befreien. (3) In den Fällen der gemischten Gesamtvertretung kann der Prokurist bei der Mitwirkung an der organschaftlichen Vertretung einer Handelsgesellschaft zwar im Umfang der organschaftlichen Vertretungsmacht handeln; dies beruht jedoch genau genommen nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Erweiterung der handelsrechtlichen Vertretungsmacht, sondern auf der Mitwirkung zur gesetzlichen Vertretung. Im Übrigen können die gesetzlichen Grenzen des Umfangs der Prokura nicht erweitert werden. Andererseits hindert dies den Kaufmann nicht daran, seinem Prokuristen zusätzliche selbständige Vollmachten zu erteilen, welche die Prokura unberührt lassen.
1. Vollmachtsarten 46 Der Kaufmann kann dem Prokuristen eine Vollmacht für bestimmte Arten von Rechtshandlungen erteilen, z.B. gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 für Anmeldungen zum Handelsregister. Die Voll-
95 RGZ 66, 240 (244); vgl. auch RGZ 102, 328 (331). 96 RGZ 66, 240 (243 f). 97 Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 64. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 49
macht kann sich ferner auf ein einzelnes Geschäft beziehen, z.B. einen Übernahmevertrag für eine Kapitaleinlage bei einer GmbH.98 Einem Einzelprokuristen kann eine Handlungsvollmacht nicht erteilt werden, weil sie ihm 47 keine Befugnisse verschaffen könnte, die er nicht kraft seiner Einzelprokura ohnehin schon hat. Eine Handlungsvollmacht kommt für den Einzelprokuristen nur in Betracht, wenn seine Prokura gemäß § 50 Abs. 3 auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen des Geschäftsinhabers beschränkt ist und die Handlungsvollmacht dem Betreiben des gesamten Handelsgewerbes dient.99 Zulässig ist dagegen die Erteilung einer Handlungsvollmacht an einen Gesamtprokuristen, weil er sodann im Umfang der Handlungsvollmacht allein handeln kann (s. § 54 Rn 15). Zweifelhaft ist, ob für ein kaufmännisches Gewerbe eine Generalvollmacht erteilt werden 48 kann.100 Unter einer Generalvollmacht versteht man üblicherweise eine Vollmacht zur Vertretung bei allen Rechtsgeschäften, soweit nicht die Vertretung gesetzlich ausgeschlossen oder ein höchstpersönliches Handeln notwendig ist. Eine derartige Generalvollmacht ist von einer Generalhandlungsvollmacht zu unterscheiden,101 über deren gewöhnlichen Umfang nach § 54 Abs. 1 sie ebenso hinausgeht wie über den der Prokura.102 Sie ist aber auch mit einer durch den Kaufmann weitestgehend erweiterten Generalhandlungsvollmacht nicht identisch,103 da die Generalhandlungsvollmacht stets nur auf den Betrieb des Handelsgewerbes bezogen ist, die Generalvollmacht dagegen auch Grundlagengeschäfte (vgl. Rn 17 ff) erfassen kann, z.B. Anmeldungen zum Handelsregister. Der Bundesgerichtshof hat die Zulässigkeit einer Generalvollmacht für die Personenhan- 49 delsgesellschaft anerkannt,104 für die GmbH dagegen abgelehnt.105 Dieser Differenzierung ist nicht zu folgen. Das Verbot der Erteilung einer Generalvollmacht für ein kaufmännisches Unternehmen liefe auf einen gesetzlichen Typenzwang handelsrechtlicher Vollmachten in Form der Prokura und der Handlungsvollmacht hinaus, den es nicht gibt. Darüber hinaus ist nicht zu erkennen, weshalb die Möglichkeiten der Erteilung einer Vollmacht im Handelsverkehr stärker beschränkt sein sollen als im allgemeinen bürgerlichen Rechtsverkehr. Das besondere Bedürfnis des Handelsverkehrs nach Rechtssicherheit spricht nicht gegen die Zulassung der Generalvollmacht, da sich der betroffene Dritte die Generalvollmacht nachweisen lassen kann (vgl. § 174 BGB). Die Generalvollmacht ist daher auch im Handelsverkehr und dabei insbesondere für den Einzelkaufmann zulässig;106 gleiches gilt für die GmbH.107 Die Generalvollmacht kann auch einem Prokuristen erteilt werden. Auf ihrer Grundlage kann er Rechtshandlungen vornehmen, die nicht zur Vertretungsbefugnis eines Prokuristen gehören, z.B. Anmeldungen zum Handelsregister nach § 12 Abs. 2. In solchen Fällen wird der Prokurist nicht im Rahmen der Prokura tätig, so dass deren Rechtsregeln nicht anzuwenden sind.108 In jedem Falle bleibt es auch der GmbH, wie es sogar gesetzlich vorausgesetzt ist (§ 46 Nr. 7 GmbHG), unbenommen, einen Generalhandlungsbevollmächtigten zu bestellen.109 S. dazu näher § 54 Rn 5.
98 BGHZ 49, 117 (120 f). 99 MünchKommHGB/Krebs Rn 61. 100 Zur Zulässigkeit der Generalvollmacht nach bürgerlichem Recht s. MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 66 f. 101 KG OLGE 40 (1920), 183 (185); U. Hübner ZHR 143 (1979), 3. Anders MünchKommHGB/Krebs Vor § 48 Rn 93 für unternehmensangehörige Bevollmächtigte. 102 BGHZ 36, 292 (295). 103 AA Eder GmbHR 1962, 225 ff. 104 BGHZ 36, 292 (295); ebenso bereits KG OLGE 40 (1920), 183 (185). 105 BGH NJW 1977, 199 f; BGH WM 2003, 747. Zust. Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 23. 106 Ebenso U. Hübner ZHR 143 (1979), 7 ff. AA Brüggemann JA 1977, 502 f. S. auch Eder GmbHR 1962, 225 ff. 107 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Vor §§ 48–58 Rn 5; Joussen WM 1994, 273 (277 mwN). 108 BGHZ 49, 117 (120). 109 BGH WM 1978, 1047 (1048), wo auch eine Umdeutung der Generalvollmacht in eine Generalhandlungsvollmacht für zulässig erklärt wird; ebenso BGH WM 2003, 747. 591
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§ 49
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2. Form der Erteilung 50 Die zusätzliche Vollmacht kann gemäß § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich formlos erteilt werden, z.B. durch schlüssige Handlungen.110 Das Erfordernis der ausdrücklichen Erklärung nach § 48 Abs. 1 gilt auch dann nicht, wenn es sich um eine Generalvollmacht handelt.111
3. Eintragung im Handelsregister 51 Eine zusätzliche Vollmacht erweitert die Prokura nicht, sondern ist, abgesehen von der besonderen Befugnis nach § 49 Abs. 2, stets eine besondere Vollmacht. Ihre Eintragung im Handelsregister ist unzulässig.112 Die Generalvollmacht ist keine handelsrechtliche Vollmacht und daher weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig.113
VI. Darlegungs- und Beweislast 52 Wer sich als Dritter darauf beruft, dass der Inhaber des Handelsgeschäfts wirksam durch den Prokuristen vertreten wurde, muss darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass die Prokura wirksam erteilt wurde (hier hilft unter Umständen § 14 Abs. 2) und im Umfang das entsprechende Rechtsgeschäft deckte. Werden die oben ausgeführten materiellen Grenzen der Prokura überschritten, so muss er vortragen und beweisen, dass eine diese Handlung abdeckende gesonderte Vollmacht respektive Befugniserteilung im Sinne von § 49 Abs. 2 vorliegt.114
110 BGHZ 49, 117 (120). Es ist jedoch die Form des § 311b Abs. 1 S 1 BGB zu beachten, wenn die Bevollmächtigung in ihrer Bindungswirkung bereits einem Rechtsgeschäft im dortigen Sinne gleichkommt (näher BGH NJW 1952, 1210; BGH NJW 1979, 2306). 111 AA U. Hübner ZHR 143 (1979), 8. 112 BayObLG NJW 1971, 810 mwN. AA für die Generalvollmacht U. Hübner ZHR 143 (1979), 8. 113 AA Schroeder/Oppermann JZ 2007, 176 (180 ff). 114 MünchKommHGB/Krebs Rn 65. Fischinger
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§ 50 [Beschränkung des Umfangs der Prokura] (1) Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam. (2) Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten ausgeübt werden soll. (3) 1Eine Beschränkung der Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen des Geschäftsinhabers ist Dritten gegenüber nur wirksam, wenn die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden. 2Eine Verschiedenheit der Firma im Sinne dieser Vorschrift wird auch dadurch begründet, daß für eine Zweigniederlassung der Firma ein Zusatz beigefügt wird, der sie als Firma der Zweigniederlassung bezeichnet.
Schrifttum Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil I), Jura 2002, 289; R. Fischer Der Mißbrauch der Vertretungsmacht, auch unter Berücksichtigung der Handelsgesellschaften, Festschrift für Schilling 1973, 3; Frotz Verkehrsschutz im Vertretungsrecht (1972), S. 602 ff; Hezel Der Mißbrauch der Vertretungsmacht, Diss. Tübingen (1937); Hofmann Der Prokurist, 7. Aufl. 1996; H. Hübner Die Prokura als formalisierter Vertrauensschutz, FS Klingmüller 1974, 173; Knieper/Jahrmarkt Zweigniederlassung, Zweigbüro, Filiale, Nebenbetrieb (1972); Merz Vertretungsmacht und ihre Beschränkungen im Recht der juristischen Personen, der kaufmännischen und der allgemeinen Stellvertretung, FS Westermann, 1974, 399; Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; Rinck Pflichtwidrige Vertretung (1936); Schott Der Mißbrauch der Vertretungsmacht, AcP 171 (1971), 385; Siebert Zur Lehre vom Mißbrauch der Vertretungsmacht, ZStaatsW 95 (1935), 629; Stoll Der Mißbrauch der Vertretungsmacht, FS Lehmann 1937, 115; Tank Der Mißbrauch von Vertretungsmacht und Verfügungsbefugnis, NJW 1969, 2; Watter Die Verpflichtung der AG durch rechtsgeschäftliches Handeln ihrer Stellvertreter, Prokuristen und Organe speziell bei sog. „Mißbrauch der Vertretungsmacht“, Diss. Zürich 1985; H. P. Westermann Mißbrauch der Vertretungsmacht, JA 1981, 521; v. Westphalen Die Prokura – Erteilung, Umfang, Mißbrauch und Erlöschen, DStR 1993, 1186.
Übersicht I.
Regelungsziel
II. 1.
Grundsatz der Unbeschränkbarkeit, Abs. 1 und 2 4 Allgemeine Prokura a) Beschränkung auf gewisse Ge7 schäfte b) Beschränkung auf gewisse Arten von Ge8 schäften c) Beschränkung auf die Ausübung unter ge9 wissen Umständen d) Beschränkung auf eine gewisse 10 Zeit e) Beschränkung der Ausübung auf einzelne 13 Orte 14 Niederlassungsprokura, § 50 Abs. 3 a) Voraussetzungen 15 aa) Firma 17 bb) Erteilung cc) Eintragung im Handelsregis19 ter b) Wirkung der Beschränkung
2.
1
593 https://doi.org/10.1515/9783111097510-037
c)
aa) Umfang der Vertretungsmacht 20 bb) Erfüllung von Verbindlichkei22 ten cc) Verwendung der Niederlassungs23 firma 25 Erlöschen
III. 1. 2. 3.
26 Gesetzliche Beschränkungen 27 Unzulässigkeit der Vertretung Genehmigung des Familiengerichts Insichgeschäft 30 a) Grundlagen 32 b) Beispiele 34 c) Ausnahmen vom Verbot
IV. 1. 2.
35 Missbrauch der Vertretungsmacht 36 Grundsätze nach bürgerlichem Recht 38 Handelsrechtliche Vertretungsmacht 40 a) Voraussetzungen 41 aa) Nachteil und Pflichtwidrigkeit
28
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§ 50
1. Buch. Handelsstand
bb) Verhalten des Vertreters 42 cc) Verhalten des Geschäftspart44 ners
b) V.
47
Rechtsfolgen
Innenverhältnis
52
I. Regelungsziel 1 Die Bestimmung verwirklicht in Verbindung mit § 49 das mit dem Institut der Prokura verbundene Ziel, die Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs durch eine Vollmacht mit allgemein festgelegtem Umfang zu fördern. Bei der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht bestimmt der Vertretene in dem Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilung, welchen Umfang die Vollmacht im Einzelfall hat bzw. welche Beschränkungen der Vertretungsmacht bestehen. § 50 weicht davon ab, indem die in § 49 gegebene feste Grundlage für den Umfang der Prokura der Privatautonomie entzogen wird. Beschränkungen des gesetzlich umschriebenen Umfangs der Prokura sind im Außenverhältnis zu Dritten unwirksam. Unberührt bleiben allgemeine gesetzliche Einschränkungen der Vertretungsmacht oder der gesetzliche Ausschluss der Vertretung (s. unten Rn 26 ff). Zur Bedeutung von § 50 Abs. 3 s. unten Rn 20 ff. Wegen der unbeschränkbaren Reichweite der Prokura ist diese nach § 52 jederzeit widerruflich. 2 Weisungen und Beschränkungen im Innenverhältnis des Kaufmanns zum Prokuristen bleiben davon unberührt (s. unten Rn 52 ff). Nur unter engen Voraussetzungen können Beschränkungen im Innenverhältnis nach den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht auch Dritten entgegengehalten werden (s. unten Rn 35 ff). 3 Ob die – von § 50 Abs. 3 abgesehene – rechtsgeschäftliche Unbeschränkbarkeit der Prokura rechtspolitisch zu überzeugen vermag, ist fraglich.1 Ein praktisches Problem stellt sie aber insofern nicht da, als § 50 den Kaufmann nicht dazu nötigt, eine Vollmacht mit größerem Umfang zu erteilen, als er dies für richtig hält. Denn als Alternative kann er stets eine Handlungsvollmacht mit einem Umfang erteilen, der über § 54 hinausgeht und der Prokura angenähert ist. Nur ist eine solche Vollmacht eben keine Prokura und ihr Inhaber darf sich nicht als Prokurist bezeichnen.
II. Grundsatz der Unbeschränkbarkeit, Abs. 1 und 2 1. Allgemeine Prokura 4 Rechtsgeschäftlich erklärte Beschränkungen des Umfanges der Prokura sind Dritten gegenüber gemäß § 50 Abs. 1 unwirksam. Der Rechtsverkehr kann sich also darauf verlassen, dass die ausdrücklich erteilte Prokura unabhängig vom Einzelfall stets den in § 49 umschriebenen Umfang hat. Er wird damit der Nachprüfung enthoben, für welche Geschäfte die Vollmacht gelten soll. Der Umfang der Vertretungsmacht ist durch das Gesetz abschließend gegenüber jedermann festgelegt. Die Prokura kann deshalb nicht einmal durch eine Vereinbarung des Kaufmanns mit einem Geschäftspartner wirksam eingeschränkt werden.2 Die Beschränkung der Vertretungsmacht kann auch nicht durch einen vom Gesetz abweichenden Handelsbrauch oder durch All-
1 Vgl. MünchKommHGB/Krebs Rn 2. 2 Nicht unbedenklich ist daher die Formulierung in BAG WM 1976, 598 (599), wonach eine Vereinbarung, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung dem Geschäftsinhaber selbst vorbehalten bleiben solle, dann keine Geltung habe, wenn der Geschäftsinhaber nicht nur ganz kurzfristig an der Entscheidung verhindert sei. Diese Ansicht setzt voraus, dass die Vereinbarung grundsätzlich wirksam wäre. Das ist nicht der Fall. Der Kaufmann kann den Ausspruch außerordentlicher Kündigungen selbst durch eine Vereinbarung mit dem Erklärungsempfänger nicht wirksam von der Vertretungsmacht des Prokuristen ausnehmen. Fischinger
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§ 50
gemeine Geschäftsbedingungen des Geschäftspartners erfolgen.3 Beschränkungen der Prokura dürfen nicht in das Handelsregister eingetragen werden; gleichwohl vorgenommene Eintragungen führen keine wirksame Beschränkung der Prokura herbei. Die Einschränkung der Privatautonomie in § 50 Abs. 1 bezieht sich nur auf das Außenverhält- 5 nis des Kaufmanns zum Geschäftspartner. Die internen, von dem Kaufmann einseitig festgesetzten Bindungen des Prokuristen bleiben davon unberührt (s. unten Rn 52 ff). Keine Ausnahme von dem Grundsatz der Unbeschränkbarkeit der Prokura ist die Zulassung der Gesamtprokura in § 48 Abs. 2. Denn die Gesamtprokura ist keine Beschränkung des sachlichen Umfangs der Prokura, worum es in § 50 allein geht, sondern eine personelle Einschränkung (s. § 48 Rn 89). Die Prokura ermächtigt gemäß § 49 zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte, die der Betrieb 6 irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringen kann; ausgenommen sind lediglich die Veräußerung und Belastung von Grundstücken (s. dazu näher § 49 Rn 27 ff). § 50 Abs. 2 gibt eine beispielhafte (nicht abschließende) Aufzählung von Beschränkungen, die im Außenverhältnis zu Dritten unwirksam sind. Die Aufzählung ist streng genommen im Hinblick auf § 50 Abs. 1 überflüssig.
a) Beschränkung auf gewisse Geschäfte. Die Prokura kann nicht auf die Vornahme be- 7 stimmter Geschäfte beschränkt werden. Es ist daher nicht möglich, Prokura nur für einzelne Vertretungsfälle zu erteilen. Umgekehrt können auch nicht gewisse Geschäfte von der Vertretungsmacht ausgenommen werden. Der Inhaber des Handelsgeschäfts kann sich z.B. den Ausspruch außerordentlicher Kündigungen von Arbeitsverhältnissen nicht selbst vorbehalten.4
b) Beschränkung auf gewisse Arten von Geschäften. Unwirksam ist des Weiteren die Be- 8 schränkung auf die Vornahme gewisser Arten von Rechtsgeschäften. Damit wird ausgeschlossen, dass die Prokura auf einzelne Bereiche des Handelsunternehmens (z.B. Einkauf oder Verkauf) beschränkt wird. Die Prokura bevollmächtigt notwendig zum Betrieb des gesamten Handelsgewerbes. Will der Kaufmann nur für einzelne Bereiche eine Vertretungsmacht begründen, so muss er eine Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 erteilen (Arthandlungsvollmacht). Die Prokura kann nicht auf Geschäfte bestimmter Größenordnungen beschränkt werden. Wirksam ist nicht einmal die Beschränkung auf Geschäfte im Rahmen des Handelsgewerbes, das von dem Kaufmann betrieben wird, da die Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 1 für alle Geschäfte gilt, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringen kann.
c) Beschränkung auf die Ausübung unter gewissen Umständen. Unwirksam ist die Be- 9 schränkung, dass der Prokurist seine Vertretungsmacht nur unter gewissen Umständen ausüben soll. Damit wird verhindert, dass die Vertretungsmacht vom Eintritt unsicherer Umstände abhängt. Demgemäß kann die Prokura nicht unter einer Bedingung erteilt werden.5 Die beigefügte Bedingung ist im Außenverhältnis unwirksam. Sie kann aber zu internen Bindungen des Prokuristen führen (s. unten Rn 53 ff). Demgegenüber ist die Erteilung einer bürgerlich-rechtlichen Vollmacht unter einer Bedingung grundsätzlich möglich.6 d) Beschränkung auf eine gewisse Zeit. Die Ausübung der Vertretungsmacht kann nicht 10 auf einen Zeitraum oder auf bestimmte Zeiten beschränkt werden, z.B. Zeiten der Abwesenheit 3 4 5 6
S. aber zur Eröffnung von Girokonten durch Prokuristen Gericke DB 1967, 1839 f. Anders BAG WM 1976, 598 (599), vgl. Fn 1. So im Ergebnis auch MünchKommHGB/Krebs Rn 7. MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 7 mwN.
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des Kaufmanns (Urlaubsreise). Die Prokura kann daher nicht befristet erteilt werden; die Befristung ist im Außenverhältnis unwirksam. Gleiches gilt für die Erklärung, dass die Prokura erst ab einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt gelten soll (Anfangsbefristung).7 Ebensowenig kann umgekehrt bestimmt werden, dass die Vertretungsmacht in gewissen Zeiten nicht bestehen soll. Wenn der Kaufmann sein Ziel erreichen will, die Vertretungsmacht des Prokuristen zu beseitigen, so muss er die Prokura nach § 52 widerrufen und gegebenenfalls nach Ablauf der Zeit neu begründen.8 Der Grundsatz, dass die Prokura zeitlich nicht beschränkt werden kann, hat insbesondere 11 Auswirkungen für die Fälle, in denen sich der Geschäftsinhaber die Entscheidungen selbst vorbehalten will. Mit Wirksamkeit im Außenverhältnis ist dies nicht möglich. Demgegenüber meint das Bundesarbeitsgericht, der Geschäftsinhaber könne durch Vereinbarung mit dem Erklärungsempfänger die Vertretungsmacht des Prokuristen dahin bestimmen, dass dieser nur vorübergehend, z.B. in Zeiten der Erkrankung des Geschäftsinhabers, zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB bevollmächtigt sei.9 Die Prokura ist jedoch nicht in dieser Weise beschränkbar,10 auch nicht durch Vereinbarung mit dem Erklärungsempfänger. Der Prokurist ist stets zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen unbeschränkbar bevollmächtigt. Der von ihm im Namen des Geschäftsinhabers ausgesprochenen Kündigung fehlt daher in keinem Falle die Vertretungsmacht. 12 Eine ganz andere Frage ist es, ab welchem Zeitpunkt die Kündigungserklärungsfrist für eine außerordentliche Kündigung läuft. Nach § 626 Abs. 2 BGB muss die außerordentliche Kündigung innerhalb von zwei Wochen erfolgen, nachdem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Die Kenntnisnahme von Tatsachen ist kein rechtsgeschäftlicher Vorgang, so dass sich hierauf die Prokura nicht bezieht. Sie lässt sich allenfalls mit der passiven Vertretung bei der Empfangnahme von Willenserklärungen vergleichen.11 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Beurteilung, wer kündigungsberechtigt ist, vom Normzweck des § 626 Abs. 2 BGB abhängt. Der Ausspruch der Kündigung setzt einen Willensbildungsprozess voraus, und dieser tatsächliche Vorgang kann binnenorganisatorisch von dem Kaufmann so geregelt werden, dass er nicht zur internen Zuständigkeit eines Prokuristen gehört. Die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB hängt mit diesem Entscheidungsprozess untrennbar zusammen. Kündigungsberechtigter ist deshalb, soweit es um die Kenntniserlangung geht, nicht schon jeder Prokurist wegen seiner unbeschränkbaren Vertretungsmacht, sondern nur derjenige, der binnenorganisatorisch dafür zuständig ist. Die Berechtigung zur Kündigung im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB betrifft also nicht das Außenverhältnis zum Arbeitnehmer, sondern das Innenverhältnis zwischen Kaufmann und Hilfsperson (Prokurist). Eine (unzulässige) Beschränkung der Vertretungsmacht des Prokuristen ist damit nicht verbunden.
13 e) Beschränkung der Ausübung auf einzelne Orte. Die Ausübung der Vertretungsmacht kann nicht auf einzelne Orte beschränkt werden. Damit ist gemeint, dass die Prokura keinen Beschränkungen auf geographische Bereiche zugänglich ist. Demzufolge bevollmächtigt die
7 AA Frels AG 1967, 229. 8 Nach Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 9 führt die Möglichkeit des Widerrufs zu größerer Rechtsunsicherheit, als wenn eine befristete Prokura zugelassen würde. Die freie Widerrufsmöglichkeit beeinträchtigt die Rechtssicherheit aber insofern nicht, als der gutgläubige Rechtsverkehr nach § 15 geschützt wird, was bei einer befristeten Prokura nicht in gleicher Weise der Fall wäre. 9 BAG WM 1976, 598 (599). S. dazu Wenzel MDR 1977, 987. 10 Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 6. 11 Hierauf wird vielfach abgestellt, soweit die Kenntniserlangung durch ein gesamtvertretungsberechtigtes Organmitglied für ausreichend erachtet wird; s. zu dieser verwandten Problematik BAG DB 1985, 237 f; BGH NJW 1981, 166 f; BGH NJW 1984, 2689 f; Densch/Kahlo DB 1987, 581 ff; Lüders BB 1990, 790 ff. Fischinger
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Prokura zu weltweiten Geschäften. Der Ort der Ausübung der Prokura und das auf das dadurch begründete Rechtsgeschäft anwendbare Recht ist ohne Bedeutung.
2. Niederlassungsprokura, § 50 Abs. 3 Die Prokura ist eine auf das ganze Handelsunternehmen des Kaufmanns bezogene Vertretungs- 14 macht. Nach hL kann ein Einzelkaufmann mehrere Unternehmen unter verschiedenen Firmen führen.12 Das Bestehen verschiedener Unternehmen wird dann angenommen, wenn eine organisatorische Verselbständigung insbesondere in der Leitung der Unternehmen vorliegt. In einer solchen Situation berechtigt die Prokura nur zur Vertretung für das Unternehmen, für das sie erteilt wurde; auf § 50 Abs. 3 kommt es nicht an. Davon ist der Fall zu unterscheiden, dass der Kaufmann ein einheitliches Unternehmen so organisiert, dass es durch mehrere Niederlassungen betrieben wird. In einer solchen Situation erstreckt sich die Prokura grundsätzlich auf das gesamte Unternehmen samt all seiner Niederlassungen. Allerdings lässt § 50 Abs. 3 eine Niederlassungsprokura (Filialprokura; Filialvollmacht) zu.
a) Voraussetzungen aa) Firma. Eine Niederlassungsprokura kann gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 nur erteilt werden, wenn 15 ein einheitliches kaufmännisches Unternehmen mehrere Niederlassungen hat13 und die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden. Ein Kaufmann kann verschiedene Niederlassungen desselben Handelsunternehmens unter identischer Firma betreiben, die dann für das ganze Unternehmen gilt. Firmenrechtlich sind jedoch auch verschiedene Firmen zulässig.14 Insbesondere kann eine Zweigniederlassung die Firma des Kaufmanns mit einem Zusatz, der die Unterscheidung der Zweigniederlassung ermöglicht, führen; nach § 30 Abs. 3 ist ein derartiger unterscheidender Zusatz sogar erforderlich, wenn eine gleiche eingetragene Firma bereits am Orte besteht. Für die Erteilung einer Niederlassungsprokura genügt die Firma mit Zweigniederlassungs- 16 zusatz, wie in § 50 Abs. 3 Satz 2 hervorgehoben wird. Fehlt es an der Unterscheidbarkeit der Firmen, was sich nach der Verkehrsanschauung richtet,15 so ist die Beschränkung der Prokura auf die Niederlassung unwirksam16 mit der Folge, dass eine unbeschränkte Prokura für das ganze Unternehmen vorliegt. bb) Erteilung. Die Erteilung einer Niederlassungsprokura hat nach § 48 durch den Kaufmann 17 oder seinen gesetzlichen Vertreter zu erfolgen. Sie muss ausdrücklich erfolgen, wobei auch die Beschränkung auf die Niederlassung ausdrücklich zu erklären ist.17 In der Rechtsprechung wird demgegenüber angenommen, es sei eine Frage der Auslegung, ob bei Bestehen von Niederlassungen unter verschiedenen Firmen eine Niederlassungsprokura erteilt worden sei.18 Das steht mit dem Zweck des § 48, Klarheit für den Rechtsverkehr zu schaffen, nicht im Einklang. In
12 13 14 15 16 17 18 597
K. Schmidt Handelsrecht § 12 II. 2. a) mwN. Zum Begriff der Zweigniederlassung s. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Pentz § 13 Rn 20 ff. Zu den Einzelheiten s. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Reuschle § 17 Rn 13. KG OLGE 43 (1924), 283 Fn 1. KG OLGE 43 (1924), 282 (283 Fn 1); BayObLG OLGE 27 (1913), 315 Fn 1. Knieper/Jahrmarkt S. 110; MünchKommHGB/Krebs Rn 8. KG KGJ 37 (1909), A 191 (193). Fischinger
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jedem Falle ist die Prokura nicht allein schon deshalb als bloße Niederlassungsprokura erteilt, weil die Niederlassung tatsächlich eine andere Firma führt.19 18 Die Erteilung der Prokura kann auf die Hauptniederlassung20 oder eine Zweigniederlassung des Unternehmens beschränkt werden. Möglich ist ferner die Erteilung einer Prokura für mehrere Niederlassungen oder sogar für alle Niederlassungen; der Wortlaut von § 50 Abs. 3 Satz 1 („einer von mehreren Niederlassungen“) soll dies nicht ausschließen, sondern nur den Grundsatz der Beschränkbarkeit regeln. Der Kaufmann kann nebeneinander Prokuristen für das ganze Handelsunternehmen bestellen und anderen Personen eine bloße Niederlassungsprokura erteilen.21 Die Niederlassungsprokura kann gemäß § 48 Abs. 2 als Gesamtprokura22 erteilt werden. Dabei kann der Kaufmann eine Gesamtvertretung mit Prokuristen derselben Niederlassung, einer anderen Niederlassung (auch der Hauptniederlassung) oder des ganzen Unternehmens anordnen. Auch kann dieselbe Person für eine Niederlassung Einzelprokura, für eine andere Niederlassung Gesamtprokura erhalten.
19 cc) Eintragung im Handelsregister. Die Niederlassungsprokura ist zur Eintragung im Handelsregister der Hauptniederlassung oder des (Gesellschafts-)Sitzes anzumelden, § 13 Abs. 1 Satz 2 (s. im Einzelnen § 53 Rn 7).
b) Wirkung der Beschränkung 20 aa) Umfang der Vertretungsmacht. Entgegen der Vorauflage23 ist § 50 Abs. 3 mit der hM so zu verstehen, dass sich die Niederlassungsprokura richtigerweise nur auf solche Geschäfte beschränkt, die über die Niederlassung und auf deren Rechnung abgewickelt werden.24 Nicht dagegen berechtigt sie den Niederlassungsprokuristen z.B. zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen von Arbeitnehmern anderer Niederlassungen. Der Rechtsverkehr erleidet dadurch keinen unzumutbaren Nachteil, ist die Beschränkung der Prokura auf die Niederlassung doch im Handelsregister einzutragen (s. § 53 Rn 19). Allerdings gilt auch für die Niederlassungsprokura, dass sie zu allen Typen von Geschäften berechtigt, die der Betrieb irgendeines Handelsgeschäfts – und nicht nur der der jeweiligen Niederlassung – berechtigt.25 21 Wer sich auf die wirksame Vertretung durch den Niederlassungsprokurist beruft, muss darlegen und ggf. beweisen, dass es sich um ein Rechtsgeschäft für die Niederlassung handelt.26
22 bb) Erfüllung von Verbindlichkeiten. Aus dem unter Rn 20 Gesagten folgt nicht, dass der Kaufmann aus Geschäften, die in Ausübung einer Niederlassungsprokura getätigt worden sind, nur dazu verpflichtet werde, durch oder über diese Niederlassung zu leisten, so dass der Gläubiger auch nur durch oder über diese Niederlassung Erfüllung verlangen könne.27 Denn der Prokurist ist nicht Vertreter der Niederlassung, sondern stets Vertreter des Kaufmanns als Rechts19 20 21 22 23 24
BayObLG OLGE 30 (1915), 389 (390); BayObLG OLGE 42 (1922), 212. BayObLG OLGE 30 (1915), 389 (390); BayObLG OLGE 42 (1922), 212; KG JW 1937, 1743 (1744). BayObLG OLGE 42 (1922), 212. S. die Fälle BayObLG OLGE 30 (1915), 389 (390); BayObLG OLGE 42 (1922), 212. Staub/Joost5 Rn 20. BGHZ 104, 61 (63); MünchKommHGB/Krebs Rn 13; Oetker/Schubert Rn 13; z.T. abweichend Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Weber Rn 7. 25 Dies war schon der Standpunkt der Gesetzesverfasser; s. Protokolle über die Berathungen der Kommission zur Begutachtung des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs, S. 172 (abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II, Erster Halbband, 1987, S. 384). 26 MünchKommHGB/Krebs Rn 14; Schlegelberger/Schröder Rn 14. 27 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 20; Hopt/Merkt Rn 2; Hofmann S. 151 f. Fischinger
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person. Die von dem Prokuristen vorgenommenen Rechtsgeschäfte wirken nicht für und gegen die Niederlassung, sondern für und gegen den Kaufmann. Die Ausübung einer Niederlassungsprokura kann daher keine Beschränkung der Haftung des Kaufmanns auf die Niederlassung herbeiführen. Eine Beschränkung der Leistungspflicht auf die Niederlassung müsste im Übrigen dazu führen, dass der Kaufmann von seiner Verpflichtung zur Leistung frei wird, wenn sie durch die Niederlassung nicht mehr erfüllt werden kann (z.B. bei späterem Wegfall der Niederlassung). Diese Konsequenz wird aber zu Recht allgemein abgelehnt, weil der Kaufmann auch im Falle der Ausübung einer Niederlassungsprokura für die Verbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen haftet,28 insbesondere also auch mit dem außerhalb der Niederlassung bestehenden Unternehmensvermögen. Das richtige Ergebnis ist mit der These von der Beschränkung der Leistungspflicht nicht vereinbar.
cc) Verwendung der Niederlassungsfirma. Die hL ist der Ansicht, dass die Handlungen ei- 23 nes Niederlassungsprokuristen nur dann wirksam sind, wenn der Niederlassungsprokurist unter der Firma der Niederlassung handelt, bei Zeichnung der Firma einer anderen Niederlassung der Kaufmann jedoch nicht verpflichtet werde.29 Diese Ansicht ist nicht unbedenklich. Zwar hat der Niederlassungsprokurist die Firma zu zeichnen, unter der die Niederlassung betrieben wird (s. § 51 Rn 9). Indessen wird ganz allgemein bei der Prokura die Zeichnung der richtigen Firma nach § 51 nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für das Vertreterhandeln angesehen; es genügt, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Prokurist für den Kaufmann aufgetreten ist (s. § 51 Rn 10 ff). Es ist nicht zu erkennen, weshalb dies für die Niederlassungsprokura nicht gelten sollte. Die Niederlassung hat weder eine eigene Rechtspersönlichkeit noch eine eigene Firma. Es handelt sich stets um eine Firma des Kaufmanns als Rechtsperson, unter der er selbst die Niederlassung betreibt. Der Niederlassungsprokurist handelt daher auch bei richtiger Zeichnung der Firma immer im Namen des Kaufmanns, nicht im Namen der Niederlassung. Die richtige Zeichnung der Firma ist daher nur die Form, in welcher der Niederlassungsprokurist sein Handeln für den Kaufmann ausdrückt. Da es sich stets nur um eine Firma des Kaufmanns handelt, kann die Bedeutung der richtigen Zeichnung der Firma der Niederlassungsprokura keine andere sein als bei der allgemeinen Prokura. Die Beschränkung der Prokura auf eine Niederlassung wirkt sich daher nur dann aus, wenn 24 es aus besonderen Gründen darauf ankommt, dass der Prokurist die richtige Firma zeichnet und dadurch in Bezug auf das vorzunehmende Geschäft als vertretungsberechtigt ausgewiesen wird. Ein solcher Fall wird in der Rechtsprechung angenommen, wenn ein Niederlassungsprokurist Grundbucherklärungen abgibt. So soll z.B. ein Niederlassungsprokurist nicht den Antrag stellen können, dass eine auf den Kaufmann eingetragene Hypothek auf die Niederlassung umgeschrieben werde.30 Über im Grundbuch eingetragene Rechte des Kaufmanns soll der Niederlassungsprokurist nur verfügen können, wenn sie unter der Firma eingetragen sind, unter der die Niederlassung von dem Kaufmann betrieben wird.31
c) Erlöschen. Für das Erlöschen der Niederlassungsprokura gelten die allgemeinen Grundsätze 25 (s. § 52 Rn 4 ff; 25 ff). Außerdem erlischt die Niederlassungsprokura, wenn die Niederlassung, für die sie erteilt worden ist, wegfällt. Sie bleibt nicht als Prokura für das übrige Handelsunternehmen bestehen.32
28 29 30 31 32 599
Heymann/Teichmann HGB Rn 9. Heymann/Teichmann HGB Rn 9; Knieper/Jahrmarkt S. 111; MünchKommHGB/Krebs Rn 13. KG KGJ 32 (1906), A 203 (205); KG JW 1937, 1743 (1744). KG JW 1937, 1743 (1744). MünchKommHGB/Krebs Rn 15. Fischinger
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III. Gesetzliche Beschränkungen 26 § 50 schließt nur die Möglichkeit rechtsgeschäftlicher, vom Kaufmann vorgenommener Beschränkungen der Prokura aus. Davon unberührt bleiben gesetzliche Einschränkungen der Vertretungsmacht; sie gelten für die Prokura in gleicher Weise wie für Vollmachten nach bürgerlichem Recht.
1. Unzulässigkeit der Vertretung 27 Der Prokurist kann den Kaufmann insoweit nicht vertreten, als es sich um höchstpersönliche Rechtsgeschäfte handelt. Dazu gehören nach bürgerlichem Recht z.B. die Errichtung eines Testamentes (§ 2064 BGB) und der Abschluss eines Erbvertrages auf Seiten des Erblassers (§ 2274 BGB). Der Prokurist kann ferner keine Prokura erteilen (§ 48 Abs. 1), den Jahresabschluss nicht unterzeichnen (§ 245),33 keinen aktienrechtlichen Gründungsbericht erstatten (§ 32 Abs. 1 AktG)34 und auch nicht die Gesellschafter- oder Hauptversammlung einberufen (§ 49 GmbHG bzw. § 121 Abs. 2 AktG). Im Prozess kann der Prokurist den Kaufmann bei der Parteivernehmung (§ 445 ZPO) und der Eidesleistung (§ 478 ZPO) nicht vertreten. Zur Vertretungsmacht des Prokuristen im Liquidationsstadium s. § 48 Rn 13; über die Vertretungsmacht bei Anmeldungen zum Handelsregister s. § 49 Rn 41.
2. Genehmigung des Familiengerichts 28 Der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kaufmanns bedarf nach §§ 1821 ff BGB (ab 1.1.2023: §§ 1848 ff BGB) für eine Reihe von Geschäften der Genehmigung des Familiengerichts. Hat aber der gesetzliche Vertreter eine Prokura erteilt, wozu er ebenfalls der familiengerichtlichen Genehmigung bedarf (§ 1822 Nr. 11 BGB, ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB)), so gelten die Einschränkungen der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters für den Prokuristen nicht. Der Prokurist bedarf daher für die gleichen Geschäfte, die bei dem gesetzlichen Vertreter genehmigungspflichtig sind, keiner Genehmigung des Familiengerichts.35 An diesen Grundsätzen ändert sich durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts 29 vom 13. Mai 198636 nichts. In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern insoweit für unvereinbar mit dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen nach Art. 2 Abs. 1 GG erklärt, als die Eltern ihr minderjähriges Kind unbegrenzt finanziell verpflichten können. Eine unbegrenzte und unübersehbare Haftung des Minderjährigen kann auch durch Handlungen des Prokuristen entstehen. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wird aber den sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Minderjährigen nach Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen genügt, wenn die Führung eines Handelsgeschäfts (bzw. dessen Fortführung) und damit die Möglichkeit der Entstehung unbegrenzter Verpflichtungen von einer familiengerichtlichen37 Genehmigung abhängig gemacht wird.38 Diese Anforderungen werden dadurch erfüllt, dass die Erteilung einer Prokura für einen minderjährigen Kaufmann bei Fortführung eines ererbten Handelsgeschäfts von der Genehmigung des Familiengerichts gemäß § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) abhängig ist, die Beteili33 RGZ 112, 19 (25) zum entsprechenden § 41 a.F. 34 Der Gründungsbericht ist keine Willenserklärung, so dass Stellvertretungsrecht nicht anwendbar ist; KölnKomm-AktG/Arnold § 32 Rn 3 mwN. RGZ 106, 185 (186); OLG Hamm BB 1956, 900. BVerfG NJW 1986, 1859 ff. Damals: vormundschaftlichen Genehmigung. BVerfG NJW 1986, 1859 (1861).
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gung an einer Personenhandelsgesellschaft ebenfalls (§ 1822 Nr. 3 BGB, ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 2 BGB) und der Minderjährige im Übrigen durch § 1629a BGB geschützt ist.39
3. Insichgeschäft a) Grundlagen. Nach § 181 BGB kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen mit sich selbst 30 im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht vornehmen. Diese gesetzliche Einschränkung der Vertretungsmacht gilt auch für die Prokura.40 Über den allgemeinen Anwendungsbereich der Bestimmung bestehen unterschiedliche 31 Auffassungen.41 Die früher hL ging von einer formalen Ordnungsbestimmung in dem Sinne aus, dass die Anwendung der Norm allein von dem Handeln des Vertreters auf beiden Seiten abhängig sein soll. Ein Interessengegensatz zwischen Vertreter und Vertretenem war danach weder erforderlich noch ausreichend für das Vertretungsverbot. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich von dieser Ansicht gelöst. Danach kann die Anwendung von § 181 BGB ausgeschlossen sein, wenn ein Interessengegensatz nach der Natur des Rechtsgeschäfts allgemein ausgeschlossen ist.42 Umgekehrt kann das Verbot des Insichgeschäfts auch dann anwendbar sein, wenn ein Interessengegensatz besteht, der Vertreter aber die Erklärung nicht sich selbst gegenüber abgibt.43
b) Beispiele. Einen dem Kaufmann zustehenden Scheck kann der Prokurist nicht an sich selbst 32 girieren und über ein eigenes Privatkonto einlösen.44 Der Prokurist kann die Löschung einer dem Vertretenen zustehenden Hypothek gegenüber dem Grundbuchamt nicht bewilligen, wenn er selbst Eigentümer oder Miteigentümer des belasteten Grundstücks ist.45 In gleicher Weise wird die Vertretung als unzulässig anzusehen sein, wenn der Prokurist im Namen des Kaufmanns einen langjährigen Lebensversicherungsvertrag zu seinen eigenen Gunsten abschließt.46 § 181 BGB ist dagegen nicht anwendbar, wenn der Prokurist einer GmbH mit einem einge- 33 tragenen Verein einen Vertrag schließt, wobei der Verein von einem alleinvertretungsberechtigten Vorstandsmitglied vertreten wird, das zugleich Geschäftsführer der GmbH ist.47 Denn der Prokurist nimmt damit gegenüber der Gesellschaft eine eigenständige Vertretungsaufgabe wahr und ist kein bloßer Unterbevollmächtigter des Geschäftsführers.48 Ebenso ist § 181 BGB grundsätzlich nicht anwendbar, wenn der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen und der Prokurist des Arbeitgebers des Minderjährigen einen Lehrvertrag abschließen, der gesetzliche Vertreter aber ebenfalls zur Vertretung des Arbeitgebers berechtigt ist.49
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Ebenso MünchKommHGB/Krebs § 49 Rn 53. BayObLG DB 1980, 2232 (2233); vgl. auch BGHZ 91, 334 (336 f). MünchKommBGB/Schubert § 181 Rn 33 ff. BGHZ 75, 358 (359 ff) mwN. BGHZ 77, 7 (9 f); vgl. auch BGHZ 91, 334 (336 f). LAG Hamm ZIP 1986, 1262 (1264). BGHZ 77, 7 (9 f). AA OLG Hamm BB 1956, 900. Die Entscheidung beruht aber noch auf der früheren Auffassung, dass es sich bei § 181 BGB um eine formale Ordnungsbestimmung handelt. 47 BGHZ 91, 334 (335 ff). 48 Eine analoge Anwendung von § 181 BGB kommt allerdings in Betracht, wenn der Geschäftspartner Alleingesellschafter oder beherrschender Gesellschafter der von dem Prokuristen vertretenen GmbH ist; s. dazu U. H. Schneider JR 1985, 233 f mwN. 49 BAG DB 1969, 1704 f. 601
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34 c) Ausnahmen vom Verbot. Die Vertretung ist nach § 181 BGB zulässig, wenn der Prokurist ausschließlich in Erfüllung einer Verbindlichkeit handelt oder der Kaufmann das Insichgeschäft gestattet hat. Die Gestattung ist von dem Kaufmann selbst oder derjenigen Person vorzunehmen, die für den Inhaber des Handelsgeschäfts die Prokura erteilen kann.50 Wird die Gestattung für einen bestimmten Einzelfall erteilt, so handelt es sich um eine besondere Zustimmung, die entsprechend § 182 Abs. 2 BGB formlos, auch stillschweigend erteilt werden kann. Wenn dem Prokuristen dagegen allgemein für alle Handlungen eine Befreiung vom Verbot des Insichgeschäfts erteilt wird, so ist die Gestattung kein besonderes Rechtsgeschäft, sondern Inhalt der Prokura.51 Die allgemeine Gestattung muss daher gemäß § 48 Abs. 1 ausdrücklich erklärt werden.52 Die bloße Anmeldung zum Handelsregister genügt dafür nicht.53 Da die allgemeine Gestattung zum Inhalt der Prokura gehört, ist sie im Handelsregister einzutragen.54
IV. Missbrauch der Vertretungsmacht 35 Für das Vertretungsrecht ist die genaue Unterscheidung von Außenverhältnis und Innenverhältnis kennzeichnend. Die Wirksamkeit des Vertretergeschäfts im Außenverhältnis zum Geschäftspartner hängt allein davon ab, ob der Vertreter Vertretungsmacht hat. Ob er von ihr im Innenverhältnis zum Vertretenen Gebrauch machen durfte, ist dagegen grundsätzlich ohne Bedeutung. Der Geschäftspartner kann sich daher auf die Vollmacht, wenn sie rechtlich wirksam besteht, verlassen, ohne die internen Bindungen des Vertreters nachprüfen zu müssen.55 Der dadurch gewährleistete Schutz des Geschäftspartners geht zu Lasten des Vertretenen, der im Außenverhältnis an Geschäfte gebunden wird, die im Widerspruch zu seinem, dem Vertreter erklärten Willen stehen. Ob und inwieweit es Grenzen für die Bindung des Vertretenen im Außenverhältnis gibt, ist Gegenstand der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht.
1. Grundsätze nach bürgerlichem Recht 36 Es ist seit langem anerkannt, dass der mit der Unterscheidung von Außenverhältnis und Innenverhältnis bezweckte Schutz des Geschäftspartners nicht unbegrenzt ist. Die rechtsdogmatische Grundlage für die Einschränkung der Bindungswirkung des Vertreterhandelns ist jedoch ebenso umstritten, wie es die genauen Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Missbrauchs der Vertretungsmacht sind.56 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Missbrauchsrisiko zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner in der Weise verteilt, dass der Vertretene zwar grundsätzlich das Risiko zu tragen hat, er gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragsgegner aber dann geschützt ist, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt.57
50 51 52 53 54 55 56 57
BayObLG DB 1980, 2232 (2234). BayObLG DB 1980, 2232 (2233). Oetker/Schubert § 49 Rn 30. AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 § 49 Rn 15. BayObLG DB 1980, 2232 (2233); OLG Hamm DB 1983, 982 = Rpfleger 1983, 280 ff mit ablehnender Anm. Gröger. BGH NJW 2011, 66; BKR 2016, 383. Zum Streitstand s. MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 225 ff. BGH NJW 1966, 1911; BGHZ 50, 112 (114); BGH NJW 1984, 1461 (1462); BGH NJW-RR 1987, 307; BGH NJW 1994, 2082 (2083). Fischinger
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Welcher Sorgfaltsmaßstab damit für den Geschäftspartner gelten soll, ist unklar. Teils 37 stellt der Bundesgerichtshof auf einfaches Verschulden ab,58 anderen Orts aber darauf, dass sich dem Geschäftspartner die Erkenntnis des Missbrauchs geradezu aufdrängen musste59 bzw. eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs erforderlich sei.60 Ob der Bundesgerichtshof dem Geschäftspartner die Berufung auf die Vertretungsmacht nur dann versagt, wenn der Vertreter bewusst gegen seine internen Bindungen bzw. das Interesse des Vertretenen verstößt, ist ebenfalls zweifelhaft. Einige Entscheidungen legen diese Annahme nahe, soweit dort auf einen Missbrauch bzw. Treueverstoß des Vertreters abgestellt wird.61 Andererseits heißt es aber, dass es auf ein vorsätzliches Handeln des Vertreters nicht ankomme.62
2. Handelsrechtliche Vertretungsmacht Die Anwendung der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht stößt bei der Prokura, ebenso 38 wie bei der organschaftlichen Vertretungsmacht, auf die Besonderheit, dass der gesetzlich festgelegte Umfang der Vertretungsmacht rechtsgeschäftlich nicht beschränkt werden kann. Damit stellt sich die Frage, ob bei unbeschränkbarer Vertretungsmacht für eine Berücksichtigung des Innenverhältnisses überhaupt Raum bleibt. Die Rechtsprechung hat dies seit langem mit Recht angenommen.63 Die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht betrifft das Problem, ob eine Bindung des Vertretenen trotz wirksamen Bestehens der Vertretungsmacht auf Grund besonderer Umstände nicht eintritt. Diese Problematik hat nichts mit dem Umfang der Vertretungsmacht, ihrer Beschränkbarkeit im Außenverhältnis und der Art ihrer Entstehung zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein allgemeines Problem der Abgrenzung der schützenswerten Interessen zwischen dem Vertretenen und dem Geschäftspartner. Für das Handelsrecht besteht die Kernproblematik der Lehre vom Missbrauch der Vertre- 39 tungsmacht also nicht in ihrer grundsätzlichen Anwendbarkeit auf handelsrechtliche Vollmachten, sondern in der richtigen Bestimmung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen. Dabei müssen Sinn und Zweck der handelsrechtlichen Festlegung des Umfangs der Vertretungsmacht maßgeblich berücksichtigt werden.
a) Voraussetzungen. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt unstreitig dann vor, wenn 40 der Vertreter und der Geschäftspartner bewusst und arglistig zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken (Kollusion).64 Im Übrigen – den Fallkonstellationen des sogenannten Missbrauchs der Vertretungsmacht im engeren Sinne – ist aber zweifelhaft und umstritten, einmal, ob bereits eine bloße Pflichtwidrigkeit als Missbrauch angesehen werden kann, zum anderen, welche subjektiven Voraussetzungen bei dem Vertreter und dem Geschäftspartner jeweils gegeben sein müssen, damit der Vertretene an das Vertretergeschäft nicht gebunden ist.
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BGHZ 50, 112 (114). BGH NJW 1988, 3012 (3013). BGH NJW 1994, 2082 (2083). Vgl. etwa BGH NJW 1966, 1911 und BGH NJW-RR 1987, 307. BGH NJW 1988, 3012 (3013). RGZ 9, 148, 149 (mN zur Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichtes); RG JW 1935, 1084 (1085) mwN; BGH WM 1966, 491 f; BGHZ 50, 112 (114); BGHZ 91, 334 (337); BGH NJW 1990, 384 (385). 64 BGH NJW-RR 1989, 642; BGHZ 50, 112 (114); BGHReport 2003, 1051; BGH NZG 2014, 389, 390; Staudinger/Fischinger § 138 Rn 495; Staudinger/Schilken § 167 Rn 93 mwN. 603
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41 aa) Nachteil und Pflichtwidrigkeit. Die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht ist für Fälle entwickelt worden, in denen das Vertretergeschäft für den Vertretenen objektiv nachteilig ist. Fehlt es daran, so wird der Vertretene im allgemeinen keinen Anlass haben, dass Geschäft nicht anzuerkennen. Will er es gleichwohl nicht gelten lassen, so dient dies allein dazu, den Prokuristen im Gegensatz zu § 50 Abs. 1 im Außenverhältnis an die internen Weisungen des Kaufmanns zu binden. Das widerspricht dem Grundsatz, dass interne Weisungen sich eben nicht auf die Vertretungsmacht im Außenverhältnis auswirken. Mit der systematischen Unterscheidung von Innenverhältnis und Vertretungsmacht ist zugleich vorgegeben, dass letztere vom Innenverhältnis nicht abhängig ist. Dann kann aber auch die Kenntnis des Innenverhältnisses allein daran nichts ändern. Der Missbrauch liegt nicht darin, dass der Dritte das Innenverhältnis unbeachtet lässt,65 denn das wird durch den Vertretenen selbst herbeigeführt, wenn er eine über die internen Bindungen hinausreichende Vollmacht erteilt. Der Missbrauch besteht im funktionswidrigen Einsatz der Vollmacht gegen die objektiven Interessen des Vertretenen. Er setzt also über den bloßen Weisungsverstoß hinaus einen Nachteil des Vertretenen voraus.66
42 bb) Verhalten des Vertreters. Die Rechtsprechung ist seit je davon ausgegangen, dass ein Missbrauch der Vertretungsmacht nur vorliege, wenn der Prokurist bewusst zum Nachteil des Vertretenen handelt,67 den Verstoß gegen seine Pflichten also positiv kennt. In einer die organschaftliche Vertretungsmacht betreffenden Entscheidung vom 5. Dezember 1983 hat der Bundesgerichtshof die Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht „unter Umständen“ auch dann für anwendbar gehalten, wenn zwar nicht feststeht, dass der Vertreter bewusst zum Nachteil des Vertretenen gehandelt hat, der Vertreter dem Geschäftsherrn aber Tatsachen vorenthält, bei deren Kenntnis der Geschäftsherr den Vertrag nicht abgeschlossen hätte.68 Im Urteil vom 18. Mai 1988 heißt es sodann, die Rechtsfolgen des Missbrauchs einer Vertretungsmacht im engeren Sinne, deren Inhalt rechtsgeschäftlich bestimmt ist, könnten auch dann eintreten, wenn der Vertreter nicht vorsätzlich gehandelt habe.69 In der Entscheidung vom 3. Oktober 1989 wird hingegen wieder auf den bewussten Missbrauch des Vertreters abgestellt.70 Im Schrifttum wird zum Teil ebenfalls ein bewusster Missbrauch des Vertreters verlangt.71 Insbesondere in der neueren Rechtslehre wird dagegen vielfach ein objektiver Interessenverstoß des Vertreters für ausreichend gehalten.72 43 Das in der Rechtsprechung hervorgehobene Erfordernis eines bewussten Interessenverstoßes des Vertreters ist nicht sachlich begründet, sondern historisch bedingt. Die Grenzen der Vertretungsmacht sind zunächst für die evidenten Fälle des arglistigen Zusammenwirkens von Vertreter und Geschäftspartner entwickelt worden, in denen die Einrede des Rechtsmissbrauchs
65 Anders für die organschaftliche Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH BGH NJW 1984, 1461 (1462); BGH WM 1988, 704 (706); BGH NJW 2006, 2776.
66 So wohl auch R. Fischer FS Schilling, 1973, S. 16; Canaris Handelsrecht § 12 V. 1. c); v. Westphalen DStR 1993, 1186 (1188); ferner Th. Honsell JA 1984, 20 Fn 46. 67 RGZ 9, 148 (149); RG JW 1935, 1084 (1085); ebenso unter ausdrücklicher Hervorhebung des Erfordernisses des bewussten Handelns BGHZ 50, 112, 114 (II. Senat); offengelassen in BGH WM 1976, 658 (659) – II. Senat; zum GmbH-Geschäftsführer). BAG WM 1976, 598 (600) beschränkt den Missbrauch der Vertretungsmacht auf den Fall des arglistigen Zusammenwirkens von Vertreter und Geschäftspartner, ohne die Problematik freilich näher zu behandeln. 68 BGH NJW 1984, 1461, 1462 (II. Senat). 69 BGH NJW 1988, 3012, 3013 (IVa. Senat). 70 BGH NJW 1990, 384, 385 (XI. Senat). 71 Canaris Handelsrecht § 12 V. 1. b); weitgehend auch R. Fischer FS Schilling, 1973, S. 16 ff. Differenzierend Roth ZSR 1985, 295 ff. 72 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) bb); Heymann/Teichmann HGB Rn 13; MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 235; H. Hübner S. 181. Fischinger
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anerkannt wurde.73 Das Erfordernis eines bewussten Interessenverstoßes ist Folge der Suggestivkraft des Rechtsmissbrauchsgedankens. Die Fälle des Rechtsmissbrauchs sind jedoch nicht geeignet, um an ihnen die allgemeinen Voraussetzungen für den Wegfall der Bindung des Vertretenen zu entwickeln. Die dogmatische Grundlage der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht ist nicht die Lehre vom Rechtsmissbrauch, sondern eine nach Treu und Glauben vorzunehmende Restriktion der Vertretungsmacht im Hinblick auf den Zweck der Stellvertretung.74 Stellvertretung bedeutet fremdwirkendes und in der Regel fremdnütziges Handeln. Die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht betrifft Gestaltungen, in denen von der Vertretungsmacht in einer Weise Gebrauch gemacht wird, die mit der Fremdnützigkeit nicht im Einklang steht. Hierfür ist das Bewusstsein des Vertreters ohne Bedeutung. Es genügt daher richtigerweise, wenn der Vertreter objektiv gegen die Interessen des Vertretenen verstößt. Weitere subjektive Anforderungen bestehen nicht.
cc) Verhalten des Geschäftspartners. Da sich ein Geschäftspartner auf eine wirksam beste- 44 hende Vertretungsmacht grundsätzlich verlassen kann, kommt eine Versagung der Bindungswirkung des Vertretergeschäfts nur unter besonderen, in der Person des Geschäftspartners liegenden Voraussetzungen in Betracht. Darüber, wie diese zu bestimmen sind, herrscht keine Einigkeit. Klar ist allerdings, dass die Kenntnis des Geschäftspartners von dem Interessenverstoß des Vertreters stets genügt, um einen Missbrauch der Vertretungsmacht im engeren Sinne anzunehmen. Da die Prokura im Außenverhältnis zum Geschäftspartner unbeschränkbar ist, wird die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht für die Prokura vielfach auf das vorsätzliche Handeln des Geschäftspartners beschränkt.75 Einige Autoren stellen auf die Evidenz des Missbrauchs ab, um Fälle zu erfassen, in denen sich der Geschäftspartner der Kenntnisnahme von dem Missbrauch verschließt.76 Dem steht die Auffassung nahe, dass dem Geschäftsgegner die grob fahrlässige Unkenntnis des Missbrauchs der Vertretungsmacht entgegengehalten werden kann.77 Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nicht einheitlich. Gelegentlich wird auf Kenntnis und grob fahrlässige Unkenntnis abgestellt,78 überwiegend aber einfaches Verschulden für ausreichend erachtet.79 Auszugehen ist davon, dass die Prokura im Außenverhältnis zum Dritten kraft Gesetzes 45 unbeschränkbar ist und dies gerade die Interessen des Dritten schützen soll. Die gesetzliche Risikoverteilung kann daher nur dann keine Geltung beanspruchen, wenn die Interessen des Geschäftspartners nicht schutzwürdig sind. Das ist nicht schon bei einfacher Fahrlässigkeit der Fall, wie überhaupt die Kategorien der groben und einfachen Fahrlässigkeit wenig geeignet erscheinen, die Grenzen der Vertretungsmacht genau zu bezeichnen.80 Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen die richtigen, sich aus dem Zweck der 46 Prokura ergebenden Kriterien genannt; sie sollten lediglich nicht mit der Kategorie des einfachen Verschuldens bzw. der einfachen Fahrlässigkeit belegt werden. Mit dem Sinn der Prokura 73 RGZ 9, 148 (149); RG JW 1935, 1084 f. 74 Das Prinzip von Treu und Glauben wird in BGH WM 1966, 491 f mit Recht als entscheidende Rechtsgrundlage herangezogen. Zur Rechtsgrundlage der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht s. näher R. Fischer FS Schilling, 1973, S. 7 ff mwN; Schott AcP 171 (1971), 389 ff mwN; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) aa) mwN. 75 RGZ 9, 148 (149); RG JW 1935, 1084 (1085); BAG WM 1976, 598 (600); Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 27 unter Gleichsetzung der böswilligen Vermeidung einer möglichen Kenntnisnahme; für das schweizerische Recht Merz S. 407. 76 Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Zweiter Band, Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl. 1992, S. 789 f; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) bb) (3) mwN; Roth ZSR 1985, 295. 77 Soergel/Leptien § 177 Rn 18 mwN; Schott AcP 171 (1971), 397; R. Fischer FS Schilling, 1973, S. 21; Roth ZSR 1985, 295. 78 BGH NJW 1990, 384, 385 (XI. Senat). 79 BGH WM 1966, 491, 492 (VII. Senat); BGHZ 50, 112, 114 (II. Senat). 80 Vgl. H. Hübner, FS Klingmüller, S. 179 ff (181 f). 605
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ist es unvereinbar, dem Geschäftspartner generell eine besondere Prüfungspflicht aufzuerlegen, ob der Vertreter von seiner Prokura in einer den Interessen des Vertretenen dienlichen Weise Gebrauch macht.81 Ein Missbrauch der Vertretungsmacht setzt voraus, dass von der Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht wird, so dass dem Geschäftspartner begründete Zweifel entstehen müssen, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliegt.82 Die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftspartners bei dem Vertretenen muss sich also geradezu aufdrängen.83 Der Geschäftspartner muss sich demnach den Missbrauch entgegenhalten lassen, wenn er weiß oder es sich ihm aufdrängen muss, dass der Vertreter die Grenzen missachtet, die seiner Vertretungsbefugnis im Innenverhältnis gezogen sind.84 Damit werden die schutzwürdigen Interessen von Vertretenem und Geschäftspartner in einer den Zweck der Unbeschränkbarkeit der Prokura gewährleistenden Weise zum Ausgleich gebracht.
47 b) Rechtsfolgen. Über die Rechtsfolgen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht besteht keine Einigkeit. Die Problematik besteht im Wesentlichen darin, ob die Rechtshandlung des Vertreters bei Vorliegen eines Missbrauchs der Vertretungsmacht nichtig ist oder ob der Vertretene eine Wahlmöglichkeit hat, ob er das Geschäft z.B. durch eine Genehmigung aufrechterhält. Bei Kollusion nimmt die heute hM einen Verstoß gegen die guten Sitten an und kommt 48 deshalb über § 138 Abs. 1 BGB apodiktisch zur Nichtigkeit des Geschäfts, wenn dieses für den Vertretenen nachteilig ist.85 Der Vertreter und der Geschäftspartner haften dem Vertretenen auf Schadensersatz aus § 826 BGB sowie gegebenenfalls auch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.86 Beim Missbrauch der Vertretungsmacht im engeren Sinne lässt sich dagegen eine eindeutige, dogmatisch konsistente Rechtsprechungslinie weder im allgemeinen Zivilrecht noch im Spezialfall handelsrechtlicher Vollmachten ausmachen. In den Entscheidungen des Reichsgerichts heißt es entsprechend dem historischen Ausgangspunkt, dass den Ansprüchen des Geschäftspartners die Einrede der Arglist (exceptio doli) entgegenstehe.87 Auch findet sich die Formulierung, das Geschäft sei Dritten gegenüber nicht verbindlich.88 Der Bundesgerichtshof meint demgegenüber, bei einem Vollmachtsmissbrauch könne sich der Geschäftspartner nicht auf die Vertretungsmacht berufen89 bzw. aus dem Geschäft keine Rechte herleiten.90 Es heißt aber auch, der Vertretene brauche das Rechtsgeschäft grundsätzlich nicht gegen sich gelten zu lassen.91 Festhalten lässt sich aber jedenfalls, dass beim Missbrauch der Vertretungsmacht im engeren Sinne der Vertrag nicht nach § 138 BGB nichtig sein soll und es vielmehr allein der Entscheidung des Vertretenen obliegt, ob er den Vertrag gelten lassen wolle oder nicht.92 Das entspricht im Wesentlichen dem Schrifttum, in dem dem Vertretenen entsprechend
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BGH WM 1966, 491 (492). BGH WM 1966, 491 (492); BGHZ 50, 112 (114); Canaris Handelsrecht § 12 V. 1. A). BGH WM 1966, 491 (492); BGH WM 1976, 658, 659 (zum GmbH-Geschäftsführer). BGH WM 1980, 953 (954); BGH NJW 1984, 1461 (1462); BGH WM 1984, 730 (731); BGHZ 94, 132 (138) und BGH NJW 1988, 2241, 2243 (alle zum GmbH-Geschäftsführer). 85 BGH NJW-RR 1989, 642; BGH WM 2003, 2456; BGHZ 50, 112 (114); BGHReport 2003, 1051; BGH WM 2014, 628 (629); BGH BKR 2016, 383 (385); OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 737; Staudinger/Schilken § 167 Rn 93; MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 226; Soergel/Leptien § 177 Rn 21; H. Hübner S. 175. 86 BGH NZG 2011, 1225 (1226); MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 225. 87 RGZ 9, 148 (149); RG JW 1935, 1084 (1085). 88 RGZ 9, 148 (149). 89 BGH WM 1966, 491 (492). 90 BGH NJW 1984, 1461 (1462). 91 BGH NJW 1990, 384 (385). 92 Vgl. BGHZ 50, 112 (114); BGH NJW 1966, 1911. Fischinger
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den Grundsätzen des vollmachtlosen Handelns (§§ 177 ff BGB) die Möglichkeit zugebilligt wird, das Geschäft zu genehmigen bzw. anzuerkennen.93 Stellungnahme. Die Problematik ist eine allgemeine des bürgerlichen Rechts; handels- 49 rechtliche Besonderheiten spielen für sie keine Rolle. Im Schrifttum ist zutreffend erkannt worden, dass die Bestimmung der Rechtsfolgen nicht entscheidend von der rechtsdogmatischen Grundlage der Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht abhängig ist.94 Insbesondere kann eine Genehmigungsfähigkeit des Geschäfts auch dann angenommen werden, wenn die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht auf das Prinzip von Treu und Glauben gestützt werden. Die Rechtsfolgen ergeben sich aus dem Sinn der Begrenzung der Vertretungsmacht. Bei 50 einem Missbrauch der Vertretungsmacht wird das Institut der Stellvertretung funktionswidrig gegen die Interessen des Vertretenen eingesetzt. Über seine eigenen Interessen und die von ihm erteilten internen Weisungen kann der Vertretene jederzeit selbst befinden. Das schließt die Entscheidung ein, das Geschäft trotz des Missbrauchs aufrechtzuerhalten. Der Vertretene hat daher in allen Fällen ein Wahlrecht, das Geschäft entsprechend §§ 177 ff BGB anzuerkennen.95 Das gilt auch für den Fall kollusiven Zusammenwirkens von Vertreter und Geschäftspartner – auch in diesem Fall ist das abgeschlossene Geschäft entgegen der hM also nicht sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB.96 Es geht allein um den Schutz der Interessen des Vertretenen, über die er, wie die Wertung in § 123 BGB zeigt, allein befinden kann. Der Bundesgerichtshof hat die Ansicht vertreten, bei einem Missbrauch der Vertretungs- 51 macht im engeren Sinne seien die nachteiligen Folgen des Geschäfts unter entsprechender Anwendung von § 254 BGB nach Maßgabe des auf jeder Seite vorliegenden Verschuldens zu verteilen, wenn der Vertretene die gebotene Kontrolle des Vertreters unterlassen habe.97 Dem kann nicht zugestimmt werden.98 Die Lehre vom Missbrauch der Vertretungsmacht betrifft die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Ein Rechtsgeschäft kann nicht nach Maßgabe des beiderseitigen Verschuldens teilweise wirksam sein, ganz abgesehen von den unlösbaren praktischen Schwierigkeiten für die richterliche Bestimmung der Vertragsbedingungen, die nach einer Abwägung entsprechend § 254 BGB als gültig anzusehen wären. Die Anwendung von § 254 BGB kommt nur insoweit in Betracht, als der Geschäftsvorgang zu einer Schadensersatzhaftung insbesondere nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB wegen culpa in contrahendo führt.99
V. Innenverhältnis Die Unbeschränkbarkeit der Prokura betrifft nur das Außenverhältnis des Kaufmanns. Für das 52 Innenverhältnis zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen gelten andere Grundsätze. Die Prokura als rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht mit gesetzlich festgelegtem Umfang besagt nichts darüber, welche Geschäfte der Prokurist nach seiner Stellung zum Inhaber des Handelsgeschäfts vornehmen darf.100 Die Stellung des Prokuristen richtet sich nach dem Grundgeschäft (s. Vor § 48 Rn 35 f), das regeltypisch ein Arbeitsvertrag zwischen Kaufmann und Prokurist ist 93 Heymann/Teichmann HGB Rn 15; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) aa); MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 239; Soergel/Leptien § 177 Rn 15 mwN. 94 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) aa); Canaris Handelsrecht § 12 V. 2. 95 MünchKommHGB/Krebs Vor § 48 Rn 80. 96 So auch bereits Kipp Festgabe der juristischen Fakultäten zum 50jährigen Bestehen des Reichsgerichts, Zweiter Band, 1929, S. 287; Staudinger/Fischinger § 138 Rn 497; BeckOK-BGB/Schäfer § 167 Rn 51; K. Schmidt AcP 174 (1974) 55 (58 ff). 97 BGHZ 50, 112 (114 f); ebenso R. Fischer FS Schilling, 1973, S. 21. 98 Ablehnend auch K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) aa) mwN; MünchKommBGB/Schubert § 164 Rn 239 mwN; Soergel/Leptien § 177 Rn 19; H. Hübner S. 182 f; MünchKommHGB/Krebs Vor § 48 Rn 80. 99 K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 4. b) aa) mwN. 100 RGZ 122, 143 (145). 607
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(s. § 48 Rn 139). Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses kann der Kaufmann beliebige Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis des Prokuristen aufstellen und diese sogar ganz entziehen.101 Der Kaufmann kann sich einzelne Angelegenheiten selbst vorbehalten, z.B. die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.102 Derartige Abreden werden in ihrer Wirksamkeit durch § 50 nicht berührt. Beschränkungen der Geschäftsführung können im Arbeitsvertrag geregelt werden. Eine vertragliche Vereinbarung ist indessen rechtlich nicht erforderlich. Der Kaufmann kann dem Prokuristen Weisungen erteilen (§ 106 GewO) und, vor allem außerhalb von Arbeitsverhältnissen relevant, entsprechend §§ 665, 675 BGB einseitig Bindungen auferlegen. Die Prokura als Vertretungsmacht gibt dem Prokuristen kein Recht auf Ausübung der Vertretungsmacht. Der Prokurist bleibt aber im Verhältnis zum Geschäftspartner auch dann Vertreter des Kaufmanns, wenn er im Innenverhältnis keinen oder keinen wesentlichen Entscheidungsspielraum hat (s. Vor § 48 Rn 15). Der Prokurist muss die Beschränkungen seiner Geschäftsführungsbefugnis einhalten und die Weisungen des Kaufmanns befolgen. Entsprechend § 665 BGB darf er von Weisungen des Kaufmanns nur abweichen, wenn er nach den Umständen annehmen darf, dass dieser die Abweichung bei Kenntnis der Sachlage billigen würde. Der praktische Anwendungsbereich dieser Bestimmung wird jedoch dadurch eingeschränkt, dass der Prokurist nach § 665 Satz 2 BGB gehalten ist, die vorherige Entscheidung des Kaufmanns einzuholen, sofern nicht mit der Verzögerung Gefahr verbunden ist. Verstößt der Prokurist gegen Weisungen des Kaufmanns, so wirkt sich dies im Außenverhältnis zum Geschäftspartner, sofern nicht ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegt (s. oben Rn 35 ff), nicht aus; das unter Verstoß gegen die internen Bindungen vorgenommene Rechtsgeschäft ist also wirksam. Da die Beschränkungen im Innenverhältnis keine Auswirkungen auf die Prokura als Vollmacht haben, sind sie im Handelsregister nicht eintragbar. Wenn gleichwohl unzulässigerweise eine Eintragung vorgenommen wird, so löst dies die Rechtsfolgen nach § 15 nicht aus. Ein weisungswidriges Verhalten des Prokuristen kann den Kaufmann jedoch im Innenverhältnis ggf. dazu berechtigen, den zwischen ihnen bestehenden Vertrag zu kündigen. Die im weisungswidrigen Handeln liegende Pflichtverletzung stellt einen verhaltensbedingten Grund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sowie einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB dar. Allerdings ist stets eine Interessenabwägung im Einzelfall erforderlich, in deren Rahmen unter anderem eine Rolle spielt, ob die Weisungswidrigkeit vorsätzlich oder „nur“ fahrlässig war, ob und in welchem Umfang dem Kaufmann daraus ein Schaden entstand und ob eine Wiederholungsgefahr besteht. Wird der Kaufmann durch ein schuldhaftes Verhalten des Prokuristen geschädigt, so steht ihm ferner ein Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB zu. Gegebenenfalls kommen auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 266 StGB in Betracht. Bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ist aber eine mögliche Haftungsmilderung aufgrund der Grundsätze beschränkter Arbeitnehmerhaftung zu bedenken; diese werden zumindest dann relevant, wenn der Prokurist „nur“ fahrlässig handelte.103 Von (arbeits-)vertraglichen Sanktionen unberührt bleibt die Möglichkeit des Kaufmanns, die Prokura nach § 52 Abs. 1 jederzeit zu widerrufen. Es liegt im Ermessen des Kaufmanns, ob und in welcher Weise er auf ein weisungswidriges Verhalten des Prokuristen reagiert. Er kann das Verhalten auch nachträglich billigen mit der Folge, dass er daran keine weiteren Sanktionen im obigen Sinne (Rn 55) knüpfen darf, z.B. keine Kündigung des Anstellungsvertrages. Die bloße Erfüllung des Vertrages mit dem Geschäftspartner enthält jedoch keine Billigung, da der Vertrag wegen der Unbeschränkbarkeit der Prokura wirksam ist und vom Kaufmann erfüllt werden muss.104 101 RGZ 30, 18 (21). 102 Vgl. BAG WM 1976, 598 (599). 103 S. näher zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung Fischinger, Haftungsbeschränkung im Bürgerlichen Recht, S. 508 ff; Staudinger/Fischinger, § 619a Rn 28 ff mwN. 104 MünchKommHGB/Krebs Rn 17. Fischinger
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§ 51 [Zeichnung des Prokuristen] Der Prokurist hat in der Weise zu zeichnen, daß er der Firma seinen Namen mit einem die Prokura andeutenden Zusatze beifügt.
Schrifttum Beck Die Richtigkeit der Firmenzeichnung zur Aufbewahrung bei Gericht, BB 1962, 1265.
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II.
Anwendungsbereich
III.
Zeichnung des Prokuristen
2
1. 2. 3.
3 Einzelprokura 8 Gesamtprokura Niederlassungsprokura
IV.
Bedeutung
9
10
I. Regelungsziel Die Bestimmung dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs, indem sie den Pro- 1 kuristen anhält, sein Handeln als Vertreter des Kaufmanns in bestimmter Weise offenzulegen. Die rechtliche Bedeutung der Bestimmung ist jedoch gering, da sie nur als Ordnungsvorschrift verstanden wird und ihr deshalb nur Appellfunktion zukommt (s. unten Rn 10).
II. Anwendungsbereich Die Bestimmung gilt für alle schriftlichen Erklärungen des Prokuristen, also gleichermaßen 2 für gerichtliche und außergerichtliche Erklärungen, ohne hierbei auf das rechtsgeschäftliche Handeln (Willenserklärungen) beschränkt zu sein.1 Auf mündliche, stillschweigende oder konkludente Erklärungen des Prokuristen ist die Bestimmung nicht anwendbar. Sie hat auch nicht den Sinn, den Prokuristen zu einer schriftlichen Zeichnung zu veranlassen. Bei einer Erklärung durch e-mail oder sonstige moderne Kommunikationsform (z.B. Instant Messaging) ist die Bestimmung wegen des Erfordernisses der handschriftlichen Unterzeichnung (Rn 3) nicht anwendbar. Gleichwohl sollte der Prokurist die elektronische Erklärung mit der Firma, dem Zusatz ppa. und der Angabe seines Namens abschließen.
III. Zeichnung des Prokuristen 1. Einzelprokura Schriftliche Erklärungen soll der Prokurist in der Weise unterschreiben, dass er zunächst die 3 Firma aufführt und sodann mit seinem (Familien-)Namen unter Beifügung eines die Prokura andeutenden Zusatzes unterschreibt. Die Firma ist gemäß § 17 Abs. 1 der Name des Kaufmanns, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt. Der Prokurist hat daher diesen vollständigen Handelsnamen aufzuführen.2 Betreibt der Kaufmann mehrere handelsrechtlich selbständige Un1 Oetker/Schubert Rn 1; MünchKommHGB/Krebs Rn 1. 2 Näheres zur Zeichnung der Firma bei Beck BB 1962, 1265 f. 609 https://doi.org/10.1515/9783111097510-038
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ternehmen unter verschiedenen Firmen, so hat der Prokurist diejenige Firma aufzuführen, die der Kaufmann für das Unternehmen verwendet, für dessen Geschäftskreis der Prokurist bestellt worden ist (zur Vertretungsmacht des Prokuristen s. aber unten Rn 12). Der Prokurist braucht die Firma nicht eigenhändig zu schreiben; es genügt eine maschinenschriftliche oder andere Form. Die Unterschrift mit dem Namen des Prokuristen ist handschriftlich zu leisten.3 4 Die Firma des Kaufmanns und der Name des Prokuristen werden mit einem die Prokura andeutenden Zusatz verbunden. Der Zusatz wahrt die Offenheit des Vertreterhandelns (s. Vor § 48 Rn 9). In der Praxis ist durchweg der Zusatz ppa. üblich geworden;4 früher wurde die Abkürzung pp. viel verwandt.5 Die Unterschrift des Prokuristen erfolgt unterhalb der Firma. Der Zusatz steht üblicherweise neben der Unterschrift. Es ist jedoch auch möglich, den Zusatz der Firma beizufügen. 5
Beispiele: Der Prokurist Franz Steinke des Kaufmanns Hans Petersen zeichnet: Hans Petersen ppa. Steinke. Führt Hans Petersen das ererbte Handelsgeschäft unter dem weitergeführten Handelsnamen Friedrich Petersen, so lautet die Zeichnung des Prokuristen: Friedrich Petersen ppa. Steinke.
6 Bei einer GmbH & Co. KG hängt die Zeichnung davon ab, welche Gesellschaft von dem Prokuristen vertreten wird.6 Wird der Prokurist unmittelbar für die Kommanditgesellschaft tätig, so zeichnet er nur deren vollständige Firma. Wird er lediglich für die GmbH tätig, so zeichnet er die Firma der GmbH. Vertritt der Prokurist die GmbH und wird diese gleichzeitig in ihrer Eigenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft tätig, so ist dies zum Ausdruck zu bringen. In diesem Falle ist zuerst die Firma der Kommanditgesellschaft und danach die Firma der GmbH aufzuführen; der Prokurist zeichnet sodann die Firma der GmbH mit seinem Namen und dem Zusatz ppa. 7 Wird der Prokurist durch einen Liquidator oder Insolvenzverwalter bestellt (zur Zulässigkeit s. § 48 Rn 11 ff, 15), so hat er seiner Zeichnung einen Hinweis auf die Liquidation oder die Insolvenz hinzuzufügen. Verletzt der Prokurist diese Vorgabe, so kann er sich haftbar machen.7
2. Gesamtprokura 8 Für die Gesamtprokura gelten keine Besonderheiten. Die Gesamtprokuristen haben die Firma des Kaufmanns mit dem gewöhnlichen Prokurazusatz zu zeichnen. Das Bestehen einer Gesamtprokura muss dabei – außer durch die mehrfache Zeichnung – nicht besonders offengelegt werden, um eine wirksame Stellvertretung sicherzustellen.8 Dies gilt auch, wenn die Gesamtprokuristen ihre Erklärungen nacheinander abgeben oder ein Gesamtprokurist mit interner Zustimmung des/der anderen Gesamtprokuristen handelt (s. dazu näher § 48 Rn 117 ff).
3 4 5 6 7 8
BGH NJW 1966, 1077. Vgl. BAG NJW 1983, 2405 (2407). ROHGE 18, 99 (101). Vgl. dazu Germer BaWüNotZ 1986, 55. Näher K. Schmidt BB 1989, 234. Ebenso BAG NJW 2014, 3595 (3597); Oetker/Schubert Rn 7. Einen Hinweis auf die Gesamtprokura fordern hingegen MünchKommHGB/Krebs Rn 5; BeckOK-HGB/Meyer Rn 7. Fischinger
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3. Niederlassungsprokura Nach § 50 Abs. 3 kann die Prokura auf den Betrieb einer von mehreren Niederlassungen des 9 Kaufmanns beschränkt werden, wenn die Niederlassungen unter verschiedenen Firmen betrieben werden. In einem solchen Falle hat der Prokurist die Firma der Niederlassung zu zeichnen. Auf den sachlichen Umfang seiner Vertretungsmacht wirkt sich dies jedoch nicht aus (s. § 50 Rn 20 ff).
IV. Bedeutung § 51 ist nach allgemeiner Ansicht nur eine Ordnungsvorschrift. Die kategorische Fassung des Gesetzes könnte zwar die Annahme nahelegen, dass es sich um eine zwingende gesetzliche Bestimmung über die Form der Unterschrift handelt. Die Gesetzesfassung ist jedoch missverständlich. Nach dem von der Redaktionskommission erarbeiteten Entwurf des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches war in Art. 44 Abs. 1 vorgesehen, dass die Einhaltung der Form zur „rechtsgültigen Zeichnung der Prokura“ gehöre.9 Der Hinweis auf die Rechtsgültigkeit ist aber sodann gestrichen worden, weil „nur eine Ordnungsvorschrift über die Art gegeben werde, wie der Prokurist gewöhnlich zeichnen solle“.10 Art. 44 ADHGB und § 51 beruhen auf dieser Vorstellung. Dementsprechend hat die Rechtsprechung die Bestimmungen über die Zeichnung des Prokuristen stets zutreffend nur als Ordnungsvorschriften angesehen.11 § 51 enthält also keine gesetzliche Formbestimmung i.S.d. § 125 BGB.12 Verstöße gegen § 51 führen daher nicht zur Unwirksamkeit des Geschäfts nach § 125 Satz 1 BGB.13 Die Wirksamkeit der Vertretung durch den Prokuristen richtet sich allein nach § 164 Abs. 1 BGB. Erforderlich und genügend ist, dass entweder ausdrücklich im Namen des Kaufmanns gehandelt wird oder dass die Umstände ein Handeln in seinem Namen ergeben (Offenkundigkeit; zu den Einzelheiten s. Vor § 48 Rn 9 ff). So ist es etwa ausreichend, wenn der Prokurist nur mit der Firma ohne Hinzusetzung seines eigenen Namens unterschreibt14 oder zwar die Firma und seinen Namen verwendet, den die Prokura andeutenden Zusatz aber weglässt. Die bloße Verwendung des eigenen Namens kann genügen, wenn sich die Vertretung aus den sonstigen Umständen ergibt (z.B. Handeln in den Geschäftsräumen). Die Bedeutung des § 51 besteht daher im Wesentlichen nur darin, dass bei Einhaltung der richtigen Zeichnungsform das Handeln im Namen des Kaufmanns stets hinreichend klargestellt ist, eine wirksame Stellvertretung sichergestellt wird und ein ungewolltes Eigenhandeln des Prokuristen verhindert wird. Auch bei einseitigen Rechtsgeschäften hindert der Verstoß gegen § 51 die Wirksamkeit des Geschäfts nicht. Insbesondere besteht kein Zurückweisungsrecht nach § 174 BGB, wenn die Prokura im Handelsregister eingetragen ist. Denn durch die Eintragung hat der Kaufmann den Empfänger über die Prokura in Kenntnis gesetzt, so dass gemäß § 174 Satz 2 BGB eine Zurückweisung ausgeschlossen ist.15 Die vorstehenden Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn der Kaufmann mehrere Handelsunternehmen unter verschiedenen Firmen oder mehrere Niederlassungen desselben Handelsunternehmens unter verschiedenen Firmen betreibt. Der Prokurist handelt auch in diesen 9 Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hrsg. von J. Lutz, Beilagenband, 1858, S. 149.
10 Protokolle der Kommission zur Berathung eines allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches, hrsg. von J. Lutz, III. Theil, 1858, S. 953. ROHGE 18, 99 (100); RGZ 50, 51 (60); BGH NJW 1966, 1077. Verfehlt LAG Hamm NZA-RR 2005, 428. BAG NZA 1992, 449; BAG NZA 2008, 753 (754); OLG Stuttgart AG 2009, 204. ROHGE 18, 99 (100 f); RGZ 50, 51 (60); vgl. auch BGH NJW 1966, 1077; LG Berlin Rpfleger 1972, 421 (422). BAG NZA 1992, 449; BAG NZA 2008, 753 (754).
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§ 51
1. Buch. Handelsstand
Fällen stets im Namen des Kaufmanns, nicht im Namen des Unternehmens oder der Niederlassung. Da die Verwendung der richtigen Firma keine Voraussetzung für die Wirksamkeit seines Handelns ist, verpflichtet der Prokurist stets den Kaufmann, soweit nach dem Prinzip der Offenheit von einem Vertreterhandeln überhaupt auszugehen ist. Eine sachliche Beschränkung auf den Betrieb eines bestimmten Unternehmens (bzw. einer Niederlassung) gibt es nicht16 (s. § 50 Rn 20 ff). 14 Die Möglichkeit, für den Kaufmann wirksam durch bloße Zeichnung der Firma aufzutreten, schließt nicht aus, dass für die Einhaltung besonderer Formbestimmungen die Nennung des eigenen Namens des Prokuristen notwendig ist. So wird etwa für Rechtsmittelschriften die bloße Nennung des Firmennamens einer juristischen Person nicht für ausreichend gehalten, weil damit nicht zum Ausdruck gelange, welche natürliche Person die Schrift gezeichnet habe, so dass die Echtheit der Unterschrift nicht aufgeklärt werden könne.17 Zur Abgabe von Grundbucherklärungen durch einen Niederlassungsprokuristen s. § 50 Rn 24. Umstritten ist, ob für wertpapierrechtliche Erklärungen Besonderheiten gelten. Die 15 Rechtsprechung18 und die hL im Schrifttum19 gehen aus Gründen des Verkehrsschutzes von dem Grundsatz aus, dass für die Auslegung außer der Urkunde selbst nur solche Umstände heranzuziehen seien, die einem am Begebungsvertrag nicht beteiligten Dritten mutmaßlich bekannt sind oder von ihm ohne Schwierigkeiten erkannt werden können. Danach sollen z.B., wenn als Bezogene auf dem Wechsel eine Personenhandelsgesellschaft aufgeführt wird, zwei untereinander angebrachte Unterschriften ohne Vertretungszusatz gemäß Art. 31 Abs. 3 WG als Bürgschaften im eigenen Namen gelten, selbst wenn die Vertretungsverhältnisse im Handelsregister verlautbart sind;20 die Zeichnung mit dem eigenen Namen ohne Vertretungszusatz soll den Vertreter selbst verpflichten, auch wenn der Wechselnehmer auf das Vertretungsverhältnis hingewiesen wird.21 Einen Auslegungsgrundsatz der dargestellten Art gibt es jedoch nicht. Die von der hM befür16 wortete Beschränkung der Auslegungsmöglichkeiten beruht auf zwei Fehlvorstellungen grundsätzlicher Art. Zum einen ist nicht einzusehen, weshalb Gründe des Verkehrsschutzes zu einer Beschränkung der Auslegungsmittel führen sollen, obwohl es um die Auslegung eines einheitlichen Rechtsgeschäftes geht und dieses dem ersten Nehmer gegenüber vorgenommen wird, der des Verkehrsschutzes gerade nicht bedarf.22 Zum anderen, und das ist entscheidend, geht es überhaupt nicht um die Auslegung der Urkunde, da diese nicht das die wertpapierrechtliche Verbindlichkeit hervorbringende Rechtsgeschäft ist.23 Die Auffassung der hM ist ein Relikt der schon lange überholten Kreationstheorie, wonach die Unterzeichnung des Papiers die wertpapierrechtliche Verbindlichkeit zur Entstehung gelangen lässt. Die Verbindlichkeit entsteht vielmehr durch den mit dem ersten Nehmer geschlossenen Begebungsvertrag, und hierfür gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze;24 der notwendige Verkehrsschutz für spätere Erwerber des Wertpapiers wird durch die Regeln über die Rechtsscheinhaftung bzw. den Einwen16 Anders wohl Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 § 50 Rn 21. 17 BGH NJW 1966, 1077. 18 BGHZ 64, 11 (14 – Wechsel); BGHZ 65, 218 (219 – Scheck). S. ferner BGH WM 1976, 1244 ff; BGH NJW 1979, 2141; BGH WM 1981, 375.
19 Zöllner Wertpapierrecht § 12 X.; Baumbach/Hefermehl/Casper WechselG u. ScheckG Einl. WG Rn 63 f; Richardi Wertpapierrecht, 1987, S. 123; MünchKommHGB/Krebs Rn 8; GK-HGB/B. Schmidt Rn 3; Pflug ZHR 148 (1984), 1 ff; MünchKommBGB/Busche § 133 Rn 36. 20 BGH NJW 1979, 2141. 21 BGH WM 1981, 375 f. 22 Im Ergebnis ähnlich MünchKommBGB/Busche § 133 Rn 36. 23 Insofern bleiben die Vertreter der hM ohnehin die Erklärung schuldig, was im Sinne ihrer Auffassung rechtlich Gegenstand der „Auslegung“ sein soll. Tatsächlich geht es um die Feststellung eines Rechtsscheins: Joost WM 1977, 1397. 24 Näher dazu Joost WM 1977, 1394 ff. Dieser Auffassung zuneigend auch Hueck/Canaris Recht der Wertpapiere § 6 VI. 2. b). Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 51
dungsausschluss gewährleistet. Die Rechtsprechung ist demgegenüber gezwungen, dem ersten Nehmer wegen der Maßgeblichkeit des Begebungsvertrages die Berufung auf die Urkunde nach Treu und Glauben zu versagen; dies ist dogmatisch schief, weil es nicht um den Einwand des Rechtsmissbrauchs gegenüber einer entstandenen Verbindlichkeit, sondern um den Inhalt der Verbindlichkeit entsprechend ihrem Entstehungsgrund geht. Richtigerweise ist daher die Erklärung nach dem erkennbaren Willen der Beteiligten auszulegen. Weiß der erste Nehmer, dass es sich um einen Vertreter handelt, oder tritt dies auf andere Weise in Erscheinung, was auch durch Umstände außerhalb der Urkunde geschehen kann, so liegt eine Unterschrift im Namen des Vertretenen vor. Jedenfalls wird das Handeln für den Inhaber des Handelsgeschäfts hinreichend deut- 17 lich, wenn ein Prokurist nur die Firma ohne seinen eigenen Namen zeichnet25 oder wenn ein Vertreter unterhalb des Firmenstempels eines Einzelkaufmanns mit seinem Namen ohne Vertretungszusatz zeichnet.26 Wird dagegen ein Vertreter als Bezogener aufgeführt, so liegt in der bloßen Zeichnung mit dem eigenen Namen eine Erklärung für die eigene Person.27 Bei einem Scheck, den der Vertreter mit seinem Namen ohne Vertretungszusatz zeichnet, wird allein durch die Angabe der entsprechenden Kontonummer nicht erkennbar, dass in fremdem Namen gehandelt wird.28
25 26 27 28 613
RGZ 50, 51 (60). Vgl. auch schon ROHGE 18, 99 (100 f). BGHZ 64, 11 (14 ff). Vgl. BGH WM 1981, 375. BGHZ 65, 218 (219 f). Fischinger
§ 52 [Widerruf und Übertragung der Prokura; Tod des Inhabers] (1) Die Prokura ist ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung. (2) Die Prokura ist nicht übertragbar. (3) Die Prokura erlischt nicht durch den Tod des Inhabers des Handelsgeschäfts.
Schrifttum Brox Erteilung, Widerruf und Niederlegung von Prokura und Handlungsvollmacht im neuen Aktienrecht, NJW 1967, 801; Beuthien Die Miterbenprokura, FS Fischer 1979, 1; P. Bydlinski Die Übertragung von Gestaltungsrechten (1986); Dempewolf Zum Verhältnis von Testamentsvollstreckung und Prokura nach dem Tode des Erblassers, DB 1955, 889 u. 1956, 886; Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil I), Jura 2002, 289; Frey Rechtsnachfolge in Vollmachtnehmer- und Vollmachtgeberstellungen, 1997; Grothus Zur Rechtsstellung des Prokuristen einer GmbH, DB 1960, 775; Gruß Die Fortführung eines Handelsgeschäfts durch eine Erbengemeinschaft, DB 1955, 573; Hofmann Der Prokurist, 7. Aufl. 1996; Hopt Die Auswirkungen des Todes des Vollmachtgebers auf die Vollmacht und das zugrundeliegende Rechtsverhätnis, ZHR 133 (1970), 305; Köhler Fortbestand betrieblicher Vollmachten bei Betriebsübergang? BB 1979, 912; Kruse Zum Verhältnis von Testamentsvollstreckung und Prokura nach dem Tode des Erblassers, DB 1956, 885; Metzing, Das Erlöschen handelsrechtlicher Vollmachten, JURA 2019, 143; Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; K. Schmidt Die Prokura in Liquidation und Konkurs der Handelsgesellschaften, BB 1989, 229.
Übersicht I.
Regelungsziel
II. 1. 2. 3. 4.
4 Widerruf, Abs. 1 5 Freie Widerruflichkeit 7 Erklärungsperson 13 Widerrufserklärung Wirkungen a) Erlöschen der Vertretungsmacht 19 b) Anstellungsverhältnis 22 Unabdingbarkeit
5. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
9. 10.
1
13.
Gesamtprokura 43 Einstellung des Handelsgewerbes a) Einzelkaufmännisches Unterneh44 men b) Liquidation einer Handelsgesell46 schaft Insolvenz 47 a) Insolvenz des Kaufmanns 49 b) Insolvenz des Prokuristen Wechsel des Unternehmensinhabers a) Einzelkaufmännisches Unterneh50 men b) Entstehung einer Gesellschaft durch Ein52 tritt eines Gesellschafters 53 c) Gesellschafterwechsel 54 d) Erbengemeinschaft 55 e) Umwandlung 56 f) Betriebsübergang 57 Löschung im Handelsregister
IV.
Unübertragbarkeit, Abs. 2
V.
Darlegungs- und Beweislast
11. 16
25 Weitere Erlöschensgründe Beendigung des Anstellungsverhältnis27 ses Verlust der Kaufmannseigenschaft; Einstellung 30 des Handelsgewerbes Änderung der Firma und des Unternehmensge31 genstandes 32 Tod des Kaufmanns, Abs. 3 38 Tod des Prokuristen 39 Geschäftsunfähigkeit 41 Organstellung; gesetzlicher Vertreter 42 Niederlegung
12.
58 61
I. Regelungsziel 1 Die Bestimmung regelt zwei grundsätzlich verschiedene Fragenkreise. Es geht einmal um die Beendigung der Prokura durch Widerruf und durch den Tod des Kaufmanns (Abs. 1 und 3), Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-039
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
zum anderen um die strikte Bindung der Prokura an die Person des vom Kaufmann ausgewählten Prokuristen (Abs. 2). Eine gemeinsame Grundlage haben die Regelungen allenfalls insofern, als sie mit dem besonderen Vertrauensverhältnis verknüpft sind, das zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen besteht. Insbesondere ist die freie Widerruflichkeit der Prokura nach Abs. 1 eine Folgewirkung dieses Vertrauensverhältnisses. Die Prokura birgt infolge der weiten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht (§§ 49 Rn 51) erhebliche Gefahren für den Kaufmann. Sie sind nur dann hinnehmbar, wenn der Kaufmann tatsächlich volles Vertrauen zu der Person seines Prokuristen hat. Ist das nicht mehr der Fall, so muss der Kaufmann in der Lage sein, die zu seinen Lasten bestehende umfassende Vertretungsmacht des Prokuristen schnell zu beseitigen. Das Gesetz bestimmt deshalb die jederzeitige freie Widerruflichkeit der Prokura, wobei die Vorschrift – anders als diejenige in § 168 Satz 2 BGB – zwingend ist. Zugleich ist Abs. 1 gesetzgeberischer Ausdruck der klaren Trennung zwischen der Prokuraerteilung und dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (regelmäßig ein Arbeitsverhältnis, vgl. § 48 Rn 139 ff).1 Die Regelung in Abs. 3 setzt sich allerdings über diesen Zusammenhang der Prokura mit 2 dem besonderen persönlichen Vertrauensverhältnis zwischen Kaufmann und Prokurist hinweg, damit zur Erleichterung des Handelsverkehrs die Identität und Kontinuität der Vertretungsorganisation auch beim Tod des Kaufmanns erhalten bleibt. Die Unübertragbarkeit (Abs. 2) der Prokura lässt sich ebenfalls damit erklären, dass die 3 Erteilung der Prokura auf einem persönlichen Vertrauen beruht, womit die Übertragung der Prokura auf eine andere Person unvereinbar erscheint. Die Prokura ist aber bereits aus ganz anderen Gründen unübertragbar, so dass die Bestimmung in Abs. 2 überflüssig erscheint (s. unten Rn 58).
II. Widerruf, Abs. 1 Bereits die gewöhnliche Vollmacht nach bürgerlichem Recht ist gemäß § 168 Satz 2 BGB wi- 4 derruflich. Allerdings kann sich aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergeben; insbesondere kann der Widerruf vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt werden.2 Demgegenüber ist nach § 52 Abs. 1 die Prokura „ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich“. Die Widerrufsmöglichkeit kann also durch das Grundgeschäft nicht beschränkt sein.
1. Freie Widerruflichkeit Der Widerruf hängt allein von der Entscheidung des Kaufmanns ab. Er liegt in seinem freien 5 Belieben. Ein nachvollziehbarer objektiver Grund ist nicht erforderlich. Insbesondere kommt es in keiner Weise auf ein Fehlverhalten des Prokuristen an. Die freie Widerruflichkeit soll den Kaufmann vor den mit der Prokura verbundenen Gefahren schützen (s. oben Rn 1), so dass er allein und gerichtlich nicht nachprüfbar zu befinden hat, ob er weiterhin durch den Prokuristen vertreten sein will. Die Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich.3 Eine bestimmte Frist für den Widerruf muss nicht eingehalten werden, eine Fristbestimmung ist im Übrigen unwirksam (s. Rn 15). Die freie Widerrufbarkeit besteht auch dann, wenn der Prokurist nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis einen – juristisch ohnehin nicht durchsetzbaren (vgl. dazu § 48 Rn 69 ff) – Anspruch auf Erteilung und Erhalt der Prokura hat; das Fehlen eines sachlichen Grundes für den Entzug der Prokura kann in einem solchen Fall aber einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB für den vormaligen Prokuristen sein, das Arbeitsverhältnis seinerseits per 1 LAG Hamburg BeckRS 2014, 65060. 2 Zu den Voraussetzungen des Ausschlusses des Widerrufs näher MünchKommBGB/Schubert § 168 Rn 20 ff. 3 BAG NJW 1987, 862. 615
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außerordentlicher Kündigung zu beenden (s. näher § 48 Rn 75 f) und/oder (ausnahmsweise) einen Anspruch auf Schadensersatz zu begründen (s. im Einzelnen § 48 Rn 77 ff.). 6 Eine Ausnahme von der freien Widerruflichkeit wird teilweise angenommen, wenn einem geschäftsführungsberechtigten Kommanditisten4 im Gesellschaftsvertrag mit Rücksicht auf seine Stellung als Gesellschafter Prokura erteilt wird.5 Die gesellschaftsvertragliche Begründung der Vertretungsmacht eines geschäftsführungsberechtigten Kommanditisten steht in so engem Zusammenhang mit dessen Geschäftsführungsbefugnis, dass sie nur unter den gleichen Voraussetzungen wie die Geschäftsführungsbefugnis selbst bzw. die gesellschaftsrechtliche Vertretungsmacht (§§ 117, 127, 161 Abs. 2) entzogen werden kann, also bei Vorliegen eines wichtigen Grundes.6 Das überzeugt jedoch nicht. Das Erfordernis eines wichtigen Grundes betrifft nur das Innenverhältnis zwischen den Gesellschaftern. Es wirkt sich auf das Außenverhältnis zu Dritten nicht aus, da sie nicht beurteilen können, ob die Prokura des Kommanditisten eine gewöhnliche ist, für welche die dargestellten Grundsätze nicht gelten, oder ob sie auf dem Gesellschaftsvertrag beruht. Der Widerruf einer Prokura durch einen vertretungsberechtigten Gesellschafter ist daher im Außenverhältnis auch dann wirksam und bringt die Prokura zum Erlöschen, wenn es an einem wichtigen Grund fehlt.7 Der Kommanditist kann aufgrund seines gesellschaftsvertraglichen Anspruchs auf Wiedererteilung der Prokura klagen (s. § 48 Rn 72).8
2. Erklärungsperson 7 Der Widerruf der Prokura ist der actus contrarius zu ihrer Erteilung. Er hat durch diejenige Person zu erfolgen, die im Zeitpunkt des Widerrufs zur Erteilung einer Prokura befugt wäre (s. im Einzelnen § 48 Rn 45 ff). Der Widerruf ist daher in erster Linie eine Angelegenheit des Kaufmanns oder seines gesetzlichen Vertreters.9 Bei einem minderjährigen Kaufmann ist zwar die Erteilung der Prokura an die Genehmigung des Familiengerichts gebunden (§ 1822 Nr. 11 BGB, ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB), nicht aber der Widerruf, weil durch ihn keine besondere Gefährdungslage geschaffen, eine solche vielmehr gerade beendet wird. Soweit Verwalter eine Prokura erteilen können (s. § 48 Rn 14 ff), sind sie auch zum Widerruf einer Prokura befugt.10 Dies gilt gleichermaßen für die von dem Verwalter selbst erteilte wie für die bei seinem Amtsantritt bereits bestehende Prokura. Ein anderer Prokurist kann den Widerruf nicht erklären.11 8 Bei einer Miterbengemeinschaft ist jeder Miterbe Inhaber des Handelsgeschäfts. Der Prokurist vertritt jeden Miterben. Es kann daher jeder Miterbe, obwohl im Übrigen Maßnahmen der Verwaltung mit Stimmenmehrheit beschlossen werden (§§ 2038 Abs. 2, 745 BGB), die für ihn selbst geltende Prokura allein widerrufen.12 Damit erlischt die Prokura insgesamt, weil sie nur für einen Teil der Inhaber des Handelsgeschäfts nicht bestehen kann.13 4 Zur Anwendung entsprechender Grundsätze auf den Beauftragten eines Kommanditisten s. RG Seufferts Archiv 94 (1940) Nr. 8 und auf den Gesellschafter einer GmbH s. K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 5. b).
5 BGHZ 17, 392 (394 ff); OLG Saarbrücken JZ 1968, 386 m. Anm. Baur. AA John Die organisierte Rechtsperson, 1977, S. 295 f; Th. Honsell JA 1984, 19 f. Kritisch MünchKommHGB/Krebs Rn 3.
6 Nach OLG Celle EWiR § 52 HGB 1/86, 79 m. abl. Anm. Weipert soll die freie Widerruflichkeit auch dann ausgeschlossen sein, wenn der Kommanditist nicht geschäftsführungsbefugt ist, die Erteilung der Prokura aber auf der Gesellschafterstellung beruht. 7 BGHZ 17, 392 (396); OLG Saarbrücken JZ 1968, 386 m. krit. Anm. Baur. AA Canaris Handelsrecht § 12 II. 2. b), der den Widerruf ohne wichtigen Grund für unwirksam und den Rechtsverkehr durch § 15 für ausreichend geschützt hält. 8 Zur Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung s. OLG Saarbrücken JZ 1968, 386 m. krit. Anm. Baur. 9 KG JW 1931, 2995 (2996) m. Anm. Goldschmit. 10 KG NJW 1959, 1086 (1088für den Testamentsvollstrecker). 11 KG JW 1931, 2995 (2996) m. Anm. Goldschmit. 12 BGHZ 30, 391 (397 f); KG DR 1939, 1949; Beuthien S. 15 ff mwN; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 6. 13 KG HRR 1939 Nr. 1472; Beuthien S. 17. Fischinger
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Entsprechend den für die Erteilung der Prokura geltenden Grundsätzen ist bei Handelsgesellschaften zwischen dem Innenverhältnis der Gesellschafter zueinander und dem Außenverhältnis gegenüber dem Prokuristen (bzw. zu Dritten) zu unterscheiden. Im Innenverhältnis kann der Widerruf grundsätzlich von jedem geschäftsführenden Gesellschafter allein ausgesprochen werden, § 116 Abs. 3 Satz 2. Die Bestimmung ist abdingbar. Gesellschaftsvertraglich kann daher der Widerruf im Innenverhältnis an die Zustimmung aller geschäftsführenden Gesellschafter gebunden werden. Darüber hinaus kann gesellschaftsvertraglich auch vorgesehen werden, dass es der Zustimmung von Gesellschaftern bedarf, die von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind.14 Gesellschaftsvertragliche Zustimmungserfordernisse können sich auf bestimmte Prokuristen und bestimmte Gesellschafter beziehen.15 Verweigert ein Gesellschafter die Zustimmung zum Widerruf unter Verstoß gegen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, so kann er im Klagewege auf Erteilung der Zustimmung in Anspruch genommen werden.16 Wird einem Kommanditisten im Gesellschaftsvertrag Prokura eingeräumt und soll er die Interessen der anderen Kommanditisten dem Komplementär gegenüber wahren, so kann dies bedeuten, dass der Widerruf der Prokura nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter erfolgen darf.17 Im Außenverhältnis ist der Widerruf der Prokura Ausübung von Vertretungsmacht für die Handelsgesellschaft (§ 126 Abs. 1). Der Widerruf erfolgt daher wirksam bei Einzelvertretungsmacht durch jeden vertretungsberechtigten Gesellschafter, bei Gesamtvertretungsmacht gemeinsam durch die zur Gesamtvertretung berechtigten Gesellschafter (§ 125 Abs. 1 und 2). Ein solcher Widerruf ist auch dann wirksam, wenn er gegen die Bindungen im Innenverhältnis verstößt.18 Der im Innenverhältnis rechtswidrig handelnde Gesellschafter kann von den anderen Gesellschaftern auf Schadensersatz sowie auf Neuerteilung der Prokura in Anspruch genommen werden.19 Bei der GmbH erfolgt der Widerruf der Prokura durch den Geschäftsführer. Eine Beteiligung der Gesellschafter im Innenverhältnis ist in § 46 Nr. 7 GmbHG nur für die Erteilung der Prokura vorgesehen. Über den Widerruf entscheidet der Geschäftsführer daher allein.20 Die Entscheidungskompetenz der Gesellschafter kann aber durch den Gesellschaftsvertrag vorgesehen oder durch einen bindenden Gesellschafterbeschluss herbeigeführt werden.21 Im Außenverhältnis obliegt der Widerruf der Prokura allein dem Geschäftsführer. Der Widerruf ist daher auch dann wirksam, wenn er unter Verstoß gegen Bindungen im Innenverhältnis erfolgt. Sind im Außenverhältnis mehrere Vertreter mit Einzelvertretungsmacht für die Erteilung und den Widerruf der Prokura zuständig, so kann es zu gegenläufigen Erklärungen kommen. Der Widerruf bringt die Prokura endgültig zum Erlöschen. Er kann daher nicht von einem anderen Vertreter widerrufen werden. In einer solchen Erklärung wird im allgemeinen auch keine Neuerteilung der Prokura liegen,22 da dies nach § 48 Abs. 1 ausdrücklich geschehen müsste. Die Wiedereintragung einer auf Widerruf gelöschten Prokura einer offenen Handelsgesellschaft auf der Grundlage einer Wiederanmeldung durch einen vertretungsberechtigten Gesellschafter ohne Zustimmung der anderen Gesellschafter ist in der Rechtsprechung abgelehnt worden.23
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RGZ 163, 35 (37). RGZ 163, 35 (37 f). RGZ 163, 35 (38). OLG Karlsruhe BB 1973, 1551. RGZ 163, 35 (38). RGZ 163, 35 (38 f). OLG Düsseldorf DB 1998, 1026; Lutter/Hommelhoff/Bayer GmbHG § 46 Rn 33. Scholz/K. Schmidt GmbHG § 46 Rn 133. Anders OLG Hamm BB 1957, 448 m. Anm. Gottschling GmbHR 1957, 168; MünchKommHGB/Krebs Rn 12. BayObLG HRR 1928 Nr. 638 (bedenklich); s. dazu auch RGZ 163, 35 (39) und OLG Hamm BB 1957, 448. Fischinger
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3. Widerrufserklärung 13 Für die Erklärung des Widerrufs gelten ähnliche Regeln wie für die Erteilung der Prokura. Der Widerruf erfolgt durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Entsprechend § 48 Abs. 1 hat der Widerruf durch ausdrückliche Erklärung zu erfolgen, damit das Bestehen der Vertretungsmacht nicht von Unsicherheiten abhängig ist.24 Im Übrigen ist eine besondere Form für die Erklärung gesetzlich nicht vorgesehen. Einer Änderungskündigung des Arbeitsvertrages bedarf es nicht.25 Wird nur das Anstellungsverhältnis gekündigt, so liegt zwar kein Widerruf vor; die Prokura erlischt in diesem Fall letztlich aber ebenfalls, nämlich mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses (s. unten Rn 27). Der Widerruf kann nach §§ 168 Satz 3, 167 Abs. 1 BGB dem Prokuristen erklärt werden. Die 14 Erklärung wird mit dem Zugang bei dem Empfänger wirksam. Darüber hinaus kann der Widerruf auch durch Verlautbarung gegenüber der Öffentlichkeit geschehen, indem das Erlöschen der Prokura aufgrund einer Anmeldung im Handelsregister eingetragen und bekanntgemacht wird. Die Möglichkeit des Widerrufs gegenüber einem einzelnen Dritten wird im Schrifttum bestritten.26 Durchgreifende Bedenken bestehen dagegen ebensowenig wie für die Erteilung der Prokura auf diese Weise (s. § 48 Rn 55). Jedenfalls ist dies kein teilweiser Widerruf gegenüber einem bestimmten Dritten, sondern ein vollständiger Widerruf der ganzen Prokura gegenüber jedermann. Von praktischer Bedeutung ist die Widerrufsmöglichkeit gegenüber einem Dritten nur, wenn ein Zugang des Widerrufs bei dem Prokuristen auf Schwierigkeiten stößt und der Widerruf durch Verlautbarung der Handelsregistereintragung zu spät käme. Insoweit besteht für die Zulassung der Widerrufserklärung gegenüber einem Dritten ein praktisches Bedürfnis. Der gutgläubige Rechtsverkehr wird nach § 15 geschützt (s. unten Rn 16). 15 Der Widerruf kann entsprechend § 50 Abs. 2 nicht mit einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung versehen werden. Wird er entgegen dieser Vorgabe bedingt oder befristet, so ist der Widerruf aber nicht unwirksam, widerspräche dies doch der freien Widerruflichkeit und wäre mit dem berechtigen Interesse des Inhabers des Kaufmanns an der sofortigen Beseitigung der mit der Prokura einhergehenden weitreichenden Rechtsstellung sowie dem Rechtsgedanken des § 50 Abs. 2 nicht zu vereinbaren. Dementsprechend ist allein die Bedingung/Zeitbefristung als solches unwirksam, der Widerruf hingegen sofort wirksam.27 Ein Widerruf durch eine letztwillige Verfügung des Kaufmanns ist nicht möglich.28 Eine für die Kündigung des Anstellungsverhältnisses geltende Frist wirkt sich auf den Widerruf der Prokura nicht aus. Die Prokura erlischt gegebenenfalls, bevor das Anstellungsverhältnis endet.
4. Wirkungen 16 a) Erlöschen der Vertretungsmacht. Mit Wirksamwerden des Widerrufs erlischt die durch Erteilung der Prokura begründete Vertretungsmacht.29 Ein etwaiges weiteres Vertreterhandeln des früheren Prokuristen ist nach §§ 177 ff BGB zu beurteilen. Bei der bürgerlich- nach zutreffender Auffassung gemäß § 307 rechtlichen Vollmacht gilt jedoch die Vertretungsmacht gegenüber gutgläubigen Dritten gemäß §§ 169, 674 BGB als fortbestehend, wenn das der Erteilung der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsverhältnis in anderer Weise als durch Widerruf gegenüber 24 25 26 27
MünchKommHGB/Krebs Rn 13; Heymann/Teichmann HGB Rn 11. BAG AP § 1 BetrAVG Wartezeit Nr. 12 m. Anm. Blomeyer. Oetker/Schubert Rn 10. Oetker/Schubert Rn 9; MünchKommHGB/Krebs Rn 15; Heymann/Teichmann HGB Rn 13; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Weber Rn 9; GK-HGB/B. Schmidt Rn 9. 28 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 9; Hofmann S. 166 f; im Ergebnis auch MünchKommHGB/Krebs Rn 15. 29 Zum Bestehenbleiben einer anderweit erteilten Vertretungsmacht im Bankverkehr s. Gericke DB 1967, 1839. Fischinger
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dem Bevollmächtigten erlischt. Diese Regelung wird für die Prokura durch § 15 verdrängt. Das Erlöschen der Prokura durch Widerruf ist zur Eintragung im Handelsregister anzumelden, § 53 Abs. 2. Solange die Eintragung und Bekanntmachung nicht erfolgt sind, kann das Erlöschen der Prokura gemäß § 15 Abs. 1 einem Dritten, sofern es ihm nicht bekannt war, nicht entgegengesetzt werden. Fahrlässige Unkenntnis schadet dem Dritten entgegen § 169 BGB nicht. Ist das Erlöschen hingegen eingetragen und bekanntgemacht worden, so muss der Dritte dies gemäß § 15 Abs. 2 auch bei Unkenntnis grundsätzlich gegen sich gelten lassen. Für die Anwendung von §§ 169, 674 BGB bleibt daher kein Raum. Gleiches gilt für den Schutz gutgläubiger Dritter nach §§ 170 bis 173 BGB. Der Widerruf bringt die Vertretungsmacht insgesamt zum Erlöschen. Einen teilweisen Wi- 17 derruf gibt es ebensowenig wie die Erteilung einer Prokura für einen beschränkten Bereich. Etwas anderes gilt für die Erstreckung der Prokura auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 2. Diese Befugnis ist zwar Inhalt der Prokura, beruht aber auf einer besonderen Erteilung und kann demzufolge auch gesondert widerrufen werden, so dass eine Prokura im gewöhnlichen Umfang bestehten bleibt. Der gleiche Grundsatz gilt, wenn der Prokurist für mehrere selbständige Niederlassungen nach § 50 Abs. 3 bestellt worden ist. Der Widerruf kann auf eine oder mehrere Niederlassungen beschränkt werden, so dass die Vertretungsmacht im Hinblick auf die anderen Niederlassungen unberührt bleibt.30 Eine für das ganze Handelsgeschäft bestehende Prokura kann dagegen nicht durch teilweisen Widerruf auf eine selbständige Niederlassung nach § 50 Abs. 3 beschränkt werden; insoweit bedarf es eines vollständigen Widerrufs unter Neuerteilung der Niederlassungsprokura.31 Der Widerruf einer Gesamtprokura bewirkt nur den Wegfall der Vertretungsmacht des be- 18 treffenden Gesamtprokuristen. Die Vertretungsmacht der anderen Gesamtprokuristen bleibt davon unberührt. Zu beachten ist aber, dass eine alleinige Gesamtprokura nicht bestehen kann.32 Der Widerruf einer Gesamtprokura bringt daher zugleich eine allein übrigbleibende Gesamtprokura zum Erlöschen.33 Eine Einzelprokura kann nicht durch bloßen Widerruf in eine Gesamtprokura umgewandelt werden; es bedarf einer Neuerteilung als Gesamtprokura (s. § 48 Rn 92).
b) Anstellungsverhältnis. Die Prokura ist nach § 52 Abs. 1 ohne Rücksicht auf das der Ertei- 19 lung zugrundeliegende Rechtsverhältnis (Anstellungsverhältnis) jederzeit widerruflich. Hierin gelangt die rechtliche Trennung des Bestehens der Prokura als Vertretungsmacht einerseits, des Anstellungsverhältnisses andererseits zum Ausdruck. Der Widerruf der Prokura lässt deshalb das Anstellungsverhältnis unberührt. Es besteht unverändert mit allen Rechten und Pflichten für beide Vertragsteile fort.34 Wenn der Kaufmann das Anstellungsverhältnis beenden will, so muss er es unter Einhal- 20 tung der etwa bestehenden Kündigungsfristen kündigen. Die Prokura erlischt dagegen unabhängig von Kündigungsfristen sofort mit Zugang der Widerrufserklärung (s. oben Rn 14 f). In dem Widerruf der Prokura kann zugleich auch eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses liegen. Dies hängt von einer Auslegung der Willenserklärung des Kaufmanns im Einzelfall unter Berücksichtigung der gesamten Umstände ab. Maßgeblich ist, ob der Kaufmann erkennbar nur die Vertretungsmacht des Prokuristen oder auch das gesamte Arbeitsverhältnis beenden will. Handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis, so kommt das wirksam aber nur in Betracht, wenn das Schriftformgebot des § 623 BGB gewahrt ist. Die Wirksamkeit der Kündigung richtet sich 30 31 32 33
Oetker/Schubert Rn 12. Oetker/Schubert Rn 12. KG KGJ 48 (1916), 125 (127). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 10; MünchKommHGB/Krebs Rn 16; Heymann/Teichmann HGB Rn 14. AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 12, wonach die passive Gesamtvertretungsmacht bestehen bleibt; ebenso Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hofmann S. 174. 34 BAG NJW 1987, 862. 619
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im Übrigen nach den allgemeinen Regeln, bei Arbeitsverhältnissen insbesondere nach den Anforderungen des besonderen und allgemeinen Kündigungsschutzes (der allgemeine Kündigungsschutz ist ggf. über § 14 KSchG auf einen reinen Abfindungsschutz beschränkt, vgl. näher § 48 Rn 139). 21 § 52 Abs. 1 hebt ausdrücklich hervor, dass der Widerruf der Prokura den Anspruch des Prokuristen auf die vertragsmäßige Vergütung unberührt lässt. Die Bestimmung dient insoweit nur der Klarstellung. Der Anspruch auf die Vergütung beruht auf dem zugrundeliegenden Vertragsverhältnis, regelmäßig also einem Arbeitsvertrag. Das Arbeitsrecht kennt aber keinen Tatbestand, der zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs bei Entzug von Kompetenzen des Arbeitnehmers führen würde. Der vertragliche Vergütungsanspruch bleibt auch dann in voller Höhe bestehen, wenn er unter Berücksichtigung der Stellung als Prokurist festgesetzt worden ist. Dies ist eine Folge davon, dass dem Kaufmann der jederzeitige freie Widerruf auch ohne nachvollziehbaren Grund zugebilligt wird. Dadurch soll er sich aber nicht einseitig von den vertraglich übernommenen Verpflichtungen lösen können. Eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der bestimmte Lohnbestandteile nur so lange geschuldet sind, wie der Arbeitnehmer Prokura hat, ist nach zutreffender Auffassung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.35 Der Vergütungsanspruch entfällt nur und erst, wenn das Vertragsverhältnis, z.B. durch eine Kündigung, wirksam aufgelöst wird. Zu Vertragsstrafen s. Rn 24.
5. Unabdingbarkeit 22 Nach § 168 Satz 2 BGB ist die bürgerlich-rechtliche Vollmacht widerruflich, sofern sich nicht aus dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergibt. § 52 Abs. 1 bestimmt hingegen die freie Widerruflichkeit der Prokura ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrundeliegende Rechtsverhältnis. Die Bestimmung sagt nicht ausdrücklich, ob dies nur eine gesetzliche Regel ist, die vertraglich abbedungen werden kann. Aus dem Sinn des Widerrufsrechts ergibt sich jedoch, dass es sich um eine zwingende Regelung handelt.36 Die jederzeitige freie Widerruflichkeit ist ein Ausgleich dafür, dass der zwingend festgelegte weite Umfang der Prokura nach §§ 49, 50 Abs. 1 zu erheblichen Gefährdungen des Kaufmanns führt. Die Prokura darf nicht zu einer Selbstentmündigung des Kaufmanns werden. Ihm muss daher jederzeit die freie Entscheidung über den Widerruf der Vertretungsmacht zustehen.37 Auf den Widerruf kann weder einseitig durch den Kaufmann verzichtet noch kann er vertraglich ausgeschlossen werden. Zur Prokura auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage s. aber oben Rn 5. 23 Mittelbare Beschränkungen sind ebenfalls unzulässig, soweit sie die Möglichkeit eines jederzeitigen freien Widerrufs beeinträchtigen. Es kann deshalb keine Widerrufsfrist des Inhalts vereinbart werden, dass der Widerruf erst mit Ablauf der Frist wirksam wird. Gegen eine vereinbarte Form der Widerrufserklärung bestehen im allgemeinen keine Bedenken. Es muss jedoch der sofortige Widerruf gewährleistet sein. Das schließt die Vereinbarung aus, dass der Widerruf nur durch eingeschriebenen Brief erklärt werden kann, da der Kaufmann in einem solchen Fall keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Widerrufserklärung hätte. 24 Eine Vertragsstrafe für den Fall des Widerrufs der Prokura kann nicht wirksam vereinbart werden.38 Die Vertragsstrafe führt zu einer unzulässigen mittelbaren Bindung des Kaufmanns an die erteilte Vertretungsmacht, welche dem Zweck des zwingend gegebenen Widerrufsrechts zuwiderläuft. Im Zeitpunkt der Vereinbarung der Vertragsstrafe kann der Kaufmann noch nicht 35 LAG Hamburg BeckRS 2014, 65060. AA Staub/Joost5 Rn 21. 36 BAG NJW 1987, 862; vgl. auch schon RGZ 27, 35 (39 f). 37 Ähnliche Überlegungen führen zur zwingenden Widerruflichkeit der Generalvollmacht; s. dazu Soergel/Leptien § 168 Rn 25 mwN.
38 Oetker/Schubert Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 7; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 1; Heymann/Teichmann HGB Rn 4. AA Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 5. Fischinger
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beurteilen, welche Umstände ihn später zu einem Widerruf der Prokura veranlassen werden. In dieser Entscheidung soll er im Hinblick auf die mit der Prokuraerteilung verbundenen Gefahren frei sein. Eine im Voraus vereinbarte Vertragsstrafe, die gemäß § 348 nicht einmal herabgesetzt werden könnte, würde den Entschluss des Kaufmanns über den Widerruf von der Inkaufnahme der Sanktion abhängig machen, eines Umstandes also, der gerade nichts mit dem Zweck der freien Widerruflichkeit zu tun hat (zu dem auf ähnlichen Gründen beruhenden Ausschluss von Schadensersatzansprüchen s. § 48 Rn 77 ff). Dagegen schränkt eine arbeitsvertragliche Abrede, nach der die Gewährung einer Zusatzvergütung vom Fortbestand der Prokura abhängig ist, die freie Widerruflichkeit der Prokura nicht ein; sie ist deshalb nicht wegen Verstoßes gegen § 53 Abs. 1 unwirksam (jedoch wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, Rn 21).39
III. Weitere Erlöschensgründe Das Gesetz gibt keine allgemeine Regelung über das Erlöschen der Prokura, sondern behan- 25 delt in § 52 Abs. 1 lediglich den Widerruf und bestimmt in § 52 Abs. 3, dass die Prokura durch den Tod des Inhabers des Handelsgeschäfts nicht beendet wird (Rn 32 ff). Eine allgemeine Regel, wann die Prokura erlischt, lässt sich nicht aufstellen (zur Irrtumsanfechtung s. Vor § 48 Rn 18). Die Erlöschensgründe müssen deshalb für die einzelnen Gestaltungen selbständig entwickelt werden. Dabei ist davon auszugehen, dass die Prokura keine Vertretungsmacht für das Unterneh- 26 men, sondern für den Unternehmensträger als Rechtsperson ist. Ein Wechsel des Unternehmensträgers führt daher zumeist, aber nicht stets zum Erlöschen der Prokura (vgl. näher Rn 50 ff). Auf den ersten Blick könnte zwar § 52 Abs. 3, wonach die Prokura durch den Tod des Kaufmanns nicht erlischt, zu der Annahme verleiten, dem Gesetz liege allgemein die Vorstellung einer auf das Unternehmen bezogenen Kontinuität zugrunde. Bei näherer Betrachtung erweist sich die Bestimmung jedoch nur als Ausnahmeregelung für einen Fall, in dem die Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit für das Handelsgeschäft notwendig wird (s. unten Rn 32).
1. Beendigung des Anstellungsverhältnisses Nach § 168 Satz 1 BGB erlischt die Vollmacht mit dem ihrer Erteilung zugrundeliegenden Rechts- 27 verhältnis, regelmäßig einem Anstellungsvertrag. Eines selbständigen Widerrufs der Prokura nach § 52 Abs. 1 bedarf es dafür nicht. Notwendig ist der Widerruf nur, wenn die Prokura bereits vor Beendigung des Anstellungsvertrages erlöschen, insbesondere während der Kündigungsfrist nicht mehr bestehen soll. Der Widerruf ist ggf. ausdrücklich zu erklären (s. oben Rn 13). Er wird im Allgemeinen sinnvoll sein, um Unklarheiten zu vermeiden, die sich daraus ergeben können, dass die Beendigung des Anstellungsverhältnisses rechtlich unsicher ist. Wird der in Vollzug gesetzte Anstellungsvertrag wirksam angefochten, so kann dies zwar 28 entgegen § 142 Abs. 1 BGB nach den Grundsätzen des fehlerhaften Arbeitsverhältnisses40 für die Vergangenheit nicht geltend gemacht werden. Die Gründe für diese Einschränkung der Anfechtungswirkung liegen jedoch allein im Innenverhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber. Sie bezwecken nicht den Schutz des Rechtsverkehrs. Eine faktische Prokura gibt es nicht. Die Anfechtung des Arbeitsvertrages führt daher zum rückwirkenden Wegfall der Prokura41 (zur Abhängigkeit der Prokura vom Grundverhältnis s. Vor § 48 Rn 35 ff). Der gutgläubige Rechtsverkehr wird nach § 15 und nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht geschützt. 39 So iE auch Oetker/Schubert Rn 4. 40 Siehe dazu näher Staudinger/Fischinger § 611a Rn 687 ff. 41 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 15; Oetker/Schubert Rn 17. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 37; Heymann/Teichmann HGB Rn 22. 621
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Die Beendigung des Grundverhältnisses richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Beendigungsgründe können sein die Kündigung, ein vereinbarter Zeitablauf oder der Eintritt einer auflösenden Bedingung, ein Aufhebungsvertrag etc.
2. Verlust der Kaufmannseigenschaft; Einstellung des Handelsgewerbes 30 Die Prokura kann nur für einen Kaufmann bestehen. Verliert der Unternehmensinhaber die Kaufmannseigenschaft, so erlischt die Prokura. Gleiches gilt, wenn der Kaufmann sein Geschäft aufgibt.42 Solange die Firma im Handelsregister eingetragen ist, kann der Unternehmensinhaber das Erlöschen jedoch nach § 5 Dritten gegenüber nicht geltend machen.43 Ist die Prokura (noch) im Handelsregister eingetragen, so wird der gutgläubige Rechtsverkehr außerdem nach § 15 Abs. 1 geschützt. Sinkt das kaufmännische Gewerbe zu einem Kleingewerbe ab und ist es nicht mehr im Handelsregister eingetragen, so wird im Schrifttum vielfach von einer Aufrechterhaltung der erloschenen Prokura als Handlungsvollmacht ausgegangen.44 Dies setzt allerdings voraus, dass ein Kleingewerbetreibender überhaupt eine Handlungsvollmacht erteilen kann. S. dazu § 54 Rn 9.
3. Änderung der Firma und des Unternehmensgegenstandes 31 Eine Änderung der Firma führt nicht zu einem Wechsel der Identität des Unternehmensinhabers. Die Prokura bleibt deshalb davon unberührt. Gleiches gilt für den – auch vollständigen – Wechsel des Unternehmensgegenstandes.
4. Tod des Kaufmanns, Abs. 3 32 Soweit sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt, erlischt das Grundverhältnis beim Tod des Vollmachtgebers weder, wenn es sich um ein entgeltliches Arbeitsverhältnis handelt, noch bei einem unentgeltlichen Rechtsverhältnis (§ 672 Satz 1 BGB). Die Vollmacht bleibt daher nach § 168 Satz 1 BGB im Regelfall über den Tod des Vollmachtgebers hinaus bestehen. § 52 Abs. 3 bestimmt darüber hinaus das Weiterbestehen für die Prokura unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Der Grund dafür liegt darin, dass der Tod des Kaufmanns allein nicht zur Beendigung des Handelsgeschäfts führen soll. Es ist nach § 27 Sache des oder der Erben, über die Weiterführung zu entscheiden. § 52 Abs. 3 sichert die notwendige Handlungsfähigkeit für das Handelsgeschäft in der Zwischenzeit.45 Der Erbe wird dadurch nicht unzumutbar belastet, kann doch auch er die Prokura nach § 52 Abs. 1 jederzeit widerrufen (zum Miterben s. Rn 8). § 52 Abs. 3 ist zwingenden Rechts. Das Erlöschen der Prokura für den Fall des Todes des 33 Kaufmanns kann daher nicht mit Wirkung im Außenverhältnis vereinbart werden.46 Im Innenverhältnis zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen ist die Vereinbarung jedoch wirksam. Der Prokurist hat sich in diesem Falle der Vertretungshandlungen ab dem Todeszeitpunkt zu enthalten.47 Bei Verstößen macht er sich ggf. nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig und liefert
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OLG Oldenburg WiB 1996, 949. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 16; MünchKommHGB/Krebs Rn 28. Canaris Handelsrecht § 12 II. 2. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 28; Drexl/Mentzel Jura 2002, 289 (292). Nach Hopt ZHR 133 (1970), 309 soll der Gesetzeszweck darin liegen, dem Rechtsverkehr die Nachprüfung des Fortbestandes der Prokura zu ersparen. Diesem Interesse dient aber § 15 Abs. 1 genügend. 46 KG JW 1927, 2433. 47 Zu einem etwaigen Missbrauch der Vertretungsmacht s. Hopt ZHR 133 (1970), 309 f. Fischinger
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dem Erben ggf. einen (wichtigen) Grund zur (außer-)ordentlichen Kündigung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses. Da der Tod des Kaufmanns das Bestehen der Prokura nicht berührt, hat der Prokurist ab dem Todeszeitpunkt Vertretungsmacht für den oder die Erben des Kaufmanns in dem bisherigen Umfang, ggf. also auch mit einer nach § 49 Abs. 2 erteilten Erweiterung.48 Der Erbe braucht die Prokura nicht neu zu erteilen. Wird der Erbe als neuer Inhaber des Handelsgeschäfts im Handelsregister eingetragen, so braucht die Eintragung der Prokura demgemäß nicht wiederholt zu werden.49 Die Prokura besteht auch dann weiter, wenn der Kaufmann sie vor seinem Tod wirksam erteilt und dies zur Eintragung im Handelsregister angemeldet hat, er aber vor der Eintragung stirbt. Da die Eintragung nur rechtsbekundende Wirkung hat, ist es für das Weiterbestehen der Prokura ohne Bedeutung, wenn die Eintragung erst nach dem Tode des Kaufmanns erfolgt50 oder sogar ganz unterbleibt. § 52 Abs. 3 besagt nur, dass die Prokura durch den Tod des Kaufmanns allein nicht berührt wird. Damit wird keineswegs ausgeschlossen, dass die Prokura im Zusammenhang mit dem Tod des Kaufmanns aus anderen Gründen erlischt. So liegt es, wenn die notwendige Personenverschiedenheit zwischen dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem Prokuristen wegfällt (s. dazu § 48 Rn 24 ff). Die Prokura erlischt daher, wenn der Prokurist den Kaufmann allein beerbt.51 Gleiches gilt, wenn ein Kommanditist Prokura hat, den einzigen persönlich haftenden Gesellschafter allein beerbt und das Handelsgeschäft als einzelkaufmännisches Unternehmen fortführt.52 Wird der Prokurist Miterbe, so hängt die Beurteilung des Fortbestandes seiner Prokura davon ab, ob die Prokura eines Miterben überhaupt für zulässig gehalten wird. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs erlischt die Prokura entsprechend seiner Grundauffassung, dass der Miterbe nicht zugleich im eigenen Namen für sich selbst und in Vertretung der anderen Miterben handeln kann.53 Diese Ansicht ist aus den oben (§ 48 Rn 28) dargestellten Gründen abzulehnen. Die Prokura bleibt daher bestehen, wenn der Prokurist Miterbe des Kaufmanns wird.54 Der Widerruf der Prokura kann durch jeden einzelnen Miterben allein erfolgen55 (Rn 8). Wird der Prokurist Vorerbe, so erlischt die Prokura. Wird der Prokurist Nacherbe, so erlischt die Prokura nicht schon mit dem Vorerbfall, sondern erst mit dem Nacherbfall, weil der Prokurist gemäß § 2139 BGB erst in diesem Zeitpunkt Erbe wird.56 Unterliegt das Handelsgeschäft der Testamentsvollstreckung, so hängt der Fortbestand der Prokura57 davon ab, in welcher Form der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft weiterführt (s. im Einzelnen § 48 Rn 16 ff) und ob dabei der Rechtsträger des Unternehmens identisch bleibt. Nach der Vollmachtskonzeption und der Testamentsvollstreckerkonzeption bleibt die Prokura bestehen. Dagegen erlischt sie, wenn der Testamentsvollstrecker das Handelsgeschäft nach der Treuhandkonzeption im eigenen Namen fortführt.58 Die gleichen Grundsätze gelten bei einer Ernennung des Prokuristen zum Testamentsvollstrecker. Wird ein Minderjähriger Erbe oder Miterbe, so bleibt die Prokura bestehen.59 Zwar ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Mai 1986 eine unbeschränkte Haftung des Minderjährigen durch Fortführung des Handelsgeschäfts wegen Verstoßes gegen das allge48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58
Hopt ZHR 133 (1970), 309. KG HRR 1939 Nr. 313. KG KGJ 48 (1916), 125 (126). KG KGJ 48 (1916), 125 (126). LG Düsseldorf MittRhNotK 1979, 134 (135). BGHZ 30, 391 (397 f); ebenso KG JW 1939, 565. Ebenso Beuthien S. 5 ff. Beuthien S. 15 ff. BGHZ 32, 60 (67). S. dazu Dempewolf DB 1955, 889 f und DB 1956, 886 f; Kruse DB 1956, 885 f; Bondi ZBH 1926, 312. KG JW 1936, 1137 (1138 – Erlöschen der Prokura bei Fortführung durch den Testamentsvollstrecker im eigenen Namen). 59 MünchKommHGB/Krebs Rn 36. 623
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meine Persönlichkeitsrecht verfassungswidrig.60 Diesem Schutzbedürfnis wird aber ausreichend durch § 1629a BGB Rechnung getragen.
5. Tod des Prokuristen 38 Nach bürgerlichem Recht erlischt die Vollmacht mit dem Tode des Bevollmächtigten nur im Zweifel, soweit sich also aus den Vereinbarungen oder Umständen nichts anderes ergibt (§§ 168 Satz 1, 673 Satz 1 BGB). Für die Prokura kann diese Regelung nicht gelten. Die Erteilung der Prokura ist Ausdruck eines besonderen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen, das von der Person des Prokuristen nicht ablösbar ist. Damit ist die Ausübung der Prokura durch Erben des Prokuristen unvereinbar. Die Prokura erlischt daher stets mit dem Tod des Prokuristen.
6. Geschäftsunfähigkeit 39 Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Kaufmanns berührt die Prokura ebensowenig wie der Umstand, dass der Kaufmann nach ihrer Erteilung in der Geschäftsfähigkeit beschränkt wird. Das Weiterbestehen der Vertretungsmacht setzt keine familiengerichtliche Genehmigung voraus, da § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) nur für die erstmalige Erteilung der Prokura gilt.61 Der Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Prokuristen führt dagegen zum Erlöschen der 40 Prokura,62 da der geschäftsunfähige Prokurist keine wirksamen Erklärungen mehr abgeben kann und ihm eine Prokura nicht erteilt werden könnte (s. § 48 Rn 22). Der gutgläubige Rechtsverkehr kann sich hinsichtlich der nich mehr bestehenden Prokura zwar auf § 15 Abs. 1 berufen, dieser hilft jedoch nicht über die Unwirksamkeit nach § 105 BGB hinweg. Eine beschränkte Geschäftsfähigkeit steht der Prokura gemäß § 165 BGB nicht entgegen, da der beschränkt Geschäftsfähige als Vertreter handeln kann. Auch eine Betreuung steht dem Fortbestand der Prokura nicht entgegen.63
7. Organstellung; gesetzlicher Vertreter 41 Wird der Prokurist Mitglied des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organs einer Handelsgesellschaft, so erlischt die Prokura.64 Gleiches gilt, wenn der Prokurist gesetzlicher Vertreter des Kaufmanns wird (s. dazu § 48 Rn 25). Umstritten ist, was geschieht, wenn der Prokurist Aufsichtsratsmitglied wird. Aufgrund §§ 105 Abs. 1 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG, 6 Abs. 2 MitbestG ist lediglich klargestellt, dass ein Prokurist grundsätzlich (Ausnahmen existieren nur bei § 6 Abs. 2 MitbestG) nicht gleichzeitig Aufsichtsratmitglied sein kann bzw. umgekehrt ein Aufsichtsratsmitglied nicht zugleich Prokurist sein kann. Damit ist aber noch nicht entschieden, welche Rechtsfolge eintritt, wenn beides (scheinbar) doch zusammenfällt, weil der Prokurist in den Aufsichtsrat gewählt wird. Die Kollision kann theoretisch entweder dadurch aufgelöst werden, dass die vor der Wahl in den Aufsichtsrat erteilte Prokura erlischt, oder dadurch, dass der Wahl zum Aufsichtrat die Wirksamkeit zu versagen ist. Für letzteres spricht der Wortlaut des § 6 Abs. 2 MitbestG, nach dem „die Wählbarkeit des Prokuristen als Aufsichtsratsmitglied“ nur ausnahmsweise in den 60 61 62 63 64
BVerfG NJW 1986, 1859 (1860 f). Vgl. dazu RGZ 88, 345 (350 f); RGZ 106, 185 (186 f). MünchKommHGB/Krebs Rn 39; Heymann/Teichmann HGB Rn 32. AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8. Oetker/Schubert Rn 26. OLG Düsseldorf NZG 2012, 957 (958); MünchKommHGB/Krebs Rn 41; K. Schmidt Handelsrecht § 16 III. 5. d).
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dort genannten Fällen ausgeschlossen ist – das lässt den Rückschluss zu, dass sie im Übrigen (und damit insbesondere im orginären Anwendungsbereich von § 105 Abs. 1 AktG) zu verneinen und folglich die Wahl unwirksam ist.65 Andererseits lässt sich durchaus vertreten, dass in der Annahme der Wahl durch den Prokuristen zugleich die Erklärung der Niederlegung (dazu Rn 42) seiner bislang bestehenden Prokura zu erblicken ist mit der Folge, dass eine auflösungsbedürftige, weil mit § 105 Abs. 1 AktG nicht zu vereinbarende Kollision in Wahrheit gar nicht entsteht und der frühere Prokurist wirksam Mitglied des Aufsichtsrats wird.66 Dieses Ergebnis dürfte regelmäßig der Interessenlage der Beteiligten besser entsprechen und ist daher letztlich vorzugswürdig. Der aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 2 MitbestG resultierenden Problematik lässt sich dadurch entkommen, dass man den ursprünglichen Wahlfehler durch die Niederlegung der Prokura (per Annahme der Wahl) als geheilt ansieht. Greift eine der Ausnahmen des § 6 Abs. 2 MitbestG ein, so wird der Betroffene natürlich nicht nur wirksam Aufsichtsratsmitglied, sondern behält auch seine Stellung als Prokurist. Wird umgekehrt einem Aufsichtsratsmitglied Prokura erteilt, so berührt das die Wirksamkeit der früheren Aufsichtsratswahl nicht, sondern es ist vielmehr nach §§ 105 Abs. 1 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG, 6 Abs. 2 MitbestG die Prokuraerteilung als unwirksam anzusehen.
8. Niederlegung Eine einseitige Niederlegung der Prokura durch den Prokuristen ist im Gesetz nicht vorgesehen. 42 Eine derartige einseitige Befugnis ist aber grundsätzlich anzuerkennen.67 Diese Vorstellung liegt z.B. § 58 zugrunde, da die Ersatzbevollmächtigung einen Verzicht auf die eigene Vertretungsmacht enthält. Es gibt keinen zwingenden Grund, einen Verzicht darüber hinaus auszuschließen. Die Interessen des Kaufmanns gebieten dies nicht, da er ohnehin nicht verhindern kann, dass der Prokurist von seiner Vertretungsmacht keinen Gebrauch macht und damit das gleiche Ergebnis herbeiführt. Der Kaufmann ist ausreichend dadurch geschützt, dass sich der Prokurist schadensersatzpflichtig macht, wenn die Niederlegung ein schuldhafter Verstoß gegen die Pflichten aus dem Innenverhältnis ist. Auch das gegen die Möglichkeit einer Niederlegung vorgebrachte Argument, der Prokurist könnte die Prokura dadurch zum Erlöschen bringen, dass er das Grundverhältnis kündigt (s. dazu Rn 27 ff),68 überzeugt nicht und ist sogar einigermaßen zynisch, würde es ihn doch ggf. dazu zwingen, auf seinen (arbeits-)rechtlichen Bestandsschutz zu verzichten. In jedem Fall kann zwischen dem Kaufmann und dem Prokuristen vertraglich vereinbart werden, dass der Prokurist von der Ausübung der Vertretungsmacht einseitig absehen kann. Überdies überzeugt es, dem Prokuristen gegen die ursprüngliche Erteilung der Prokura ein Zurückweisungsrecht analog § 333 BGB zuzusprechen.69 Entgegen einer teilweise verbreiteten Auffassung70 muss die Niederlegung nicht ausdrücklich erklärt werden. Die Vorschrift des § 48 findet keine Anwendung, es gibt daher keinen Grund, von den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen abzuweichen, die keine explizite Erklärung verlangen.
65 So iE Oetker/Schubert Rn 25; MünchKommAktG/Habersack § 105 Rn 18 f; Koch AktG § 105 Rn 6; ErfK/Oetker AktG § 105 Rn 3. 66 So Staub/Joost5 Rn 42. AA wohl Brox NJW 1967, 801 (804 f), der statt für ein Erlöschen der Prokura lediglich eine Pflicht zur Niederlegung der Prokura befürwortet. 67 Hopt/Merkt Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 43; Grothus DB 1960, 777 f; Heymann/Teichmann HGB Rn 35. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 26; GK-HGB /Nickel Rn 14. Vgl. auch Brox NJW 1967, 801 (804 f.); einschränkend auch Schäuble/Lindemann GWR 2015, 155 (157 ff). 68 So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 26; HK-HGB/Schmidt Rn 20. 69 Oetker/Schubert Rn 28; BeckOK-HGB/Meyer Rn 18. 70 MünchKommHGB/Krebs Rn 43. 625
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9. Gesamtprokura 43 Erlischt eine Gesamtprokura, so bleiben die übrigen Gesamtprokuren davon unberührt, sofern noch zumindest zwei Gesamtprokuren vorhanden sind (s. oben Rn 18). Ist keine weitere Person mehr vorhanden, welche die Gesamtvertretung ausüben kann, erlischt die Gesamtprokura.71
10. Einstellung des Handelsgewerbes 44 a) Einzelkaufmännisches Unternehmen. Die Prokura erlischt, wenn der Kaufmann sein Handelsgewerbe einstellt, mit der vollständigen Beendigung der Abwicklung. Bis zu diesem Zeitpunkt behält der Prokurist seine Vertretungsmacht für diejenigen Handelsgeschäfte, die im Zuge der Abwicklung vorzunehmen sind (s. näher dazu § 49 Rn 22). Erfolgt die Einstellung des Handelsgewerbes ohne Abwicklung, so erlischt die Prokura mit der Einstellung.72 Ist eine Niederlassungsprokura gemäß § 50 Abs. 3 erteilt worden, so beschränkt sich die 45 Prokura auf den Betrieb der Niederlassung. Damit ist zwar keine sachliche Beschränkung der Vertretungsmacht verbunden (s. § 50 Rn 20 ff), die Beschränkung bewirkt aber das Erlöschen der Prokura, wenn die Niederlassung von dem Kaufmann aufgegeben wird. Die Niederlassungsprokura wandelt sich also nicht in eine gewöhnliche Prokura für das ganze Unternehmen um. In gleicher Weise erlischt die Prokura, wenn der Kaufmann mehrere selbständige Unternehmen unter verschiedenen Firmen betreibt und das Unternehmen aufgibt, für welches die Prokura bestellt worden ist.
46 b) Liquidation einer Handelsgesellschaft. Kapitalgesellschaften können auch während der Liquidation von Prokuristen vertreten werden (s. § 48 Rn 11 f). Prokuren, die von den Gesellschaftsorganen erteilt worden sind, erlöschen daher durch den Eintritt in das Liquidationsstadium nicht.73 Gleiches gilt für Personenhandelsgesellschaften,74 da für sie im Liquidationsstadium noch Prokuren erteilt werden können (§ 48 Rn 12). Die Liquidatoren können die Prokura nach § 52 Abs. 1 widerrufen. Die Vertretungsmacht der Prokuristen beschränkt sich auf den Umfang der Vertretungsmacht der Liquidatoren (s. § 48 Rn 13).
11. Insolvenz 47 a) Insolvenz des Kaufmanns. Nach § 117 Abs. 1 InsO erlischt die Prokura wie jede Vollmacht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns. Dies ist folgerichtig, weil dem Kaufmann die Befugnis zum Betrieb seines Handelsgewerbes nicht mehr zusteht (§ 80 Abs. 1 InsO). Die Vertretungsmacht des Prokuristen entfällt deshalb ganz und bleibt nicht im Umfang einer Handlungsvollmacht bestehen,75 da auch eine Handlungsvollmacht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. Der Insolvenzverwalter kann eine neue Prokura erteilen (§ 48 Rn 15). Bei Gefahr im Verzug behält der Prokurist seine Vertretungsmacht gemäß §§ 117 Abs. 2, 115 Abs. 2 InsO, bis der Insolvenzverwalter anderweitig Fürsorge treffen kann. Das Erlöschen der Prokura durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist von erheblicher 48 praktischer Bedeutung. Der gutgläubige Rechtsverkehr wird in seinem Vertrauen auf die Pro71 72 73 74
Offengelassen in KG JW 1938, 876. OLG Karlsruhe NJW 1969, 1724 m. Anm. Coring: Mit dem Erlöschen der Firma werde die Prokura gegenstandslos. K. Schmidt BB 1989, 234 mwN. OLG München NZG 2011, 1183; K. Schmidt BB 1989, 234; MünchKommHGB/Krebs Rn 29; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Weber Rn 19. Anders noch RGZ 72, 119 (123). 75 MünchKommHGB/Krebs Rn 30. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 52
kura nicht nach § 15 geschützt, da die Anwendung dieser Bestimmung durch § 32 Abs. 2 ausgeschlossen ist.
b) Insolvenz des Prokuristen. Wird über das Vermögen des Prokuristen das Insolvenzverfah- 49 ren eröffnet, so verliert der Prokurist nur seine Handlungsbefugnis in Bezug auf das eigene Vermögen. Die Fähigkeit zur Vertretung anderer Personen wird dadurch nicht berührt. Die Prokura bleibt daher bestehen. Der Kaufmann ist darauf angewiesen, die Prokura zu widerrufen. 12. Wechsel des Unternehmensinhabers a) Einzelkaufmännisches Unternehmen. Die hM geht mit unterschiedlichen Begründungen 50 davon aus, dass die Prokura erlischt, wenn der Kaufmann sein Handelsunternehmen veräußert.76 Im Ergebnis ist das zutreffend. Denn mit der Erteilung der Prokura erlangt der Prokurist Vertretungsmacht für den Kaufmann, nicht für das Unternehmen. Veräußert der Kaufmann das Unternehmen, so beendet er für seine Person die kaufmännische Tätigkeit. Er betreibt daher kein Handelsgewerbe mehr, so dass für ihn keine Prokura mehr bestehen kann. Der entscheidende Zeitpunkt für das Erlöschen ist die Aufgabe der kaufmännischen Tätigkeit in der Person des Veräußerers, die regelmäßig in der Übertragung des Unternehmens auf den Erwerber liegt; der Zeitpunkt des Abschlusses des Schuldvertrages ist nicht entscheidend.77 Da die Prokura nicht übertragbar ist (s. unten Rn 58), kann die Prokura auch nicht auf den 51 Unternehmenserwerber vertraglich übergeleitet werden.78 Aus § 613a BGB ergibt sich kein anderes Ergebnis.79 Danach geht zwar ein Arbeitsverhältnis des Prokuristen mit allen Rechten und Pflichten auf den Unternehmenserwerber über. Die Prokura ist jedoch kein Recht aus dem Arbeitsverhältnis, da Erteilung und Widerruf der Prokura im freien Belieben des Kaufmanns stehen. Für die Anwendung von § 613a BGB als Arbeitnehmerschutzbestimmung besteht auch kein Bedürfnis, da der Unternehmenserwerber selbst bei einem Weiterbestehen der Prokura diese ohne Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis jederzeit widerrufen könnte. Allerdings kann die Prokura u.U. weiterbestehen, wenn der zunächst nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergangene Prokurist dem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 6 BGB widerspricht (s. Rn 56). b) Entstehung einer Gesellschaft durch Eintritt eines Gesellschafters. Nimmt der bishe- 52 rige Einzelkaufmann einen Gesellschafter auf und entsteht dadurch eine offene Handelsgesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft, so erlischt die Prokura.80 Die bisherige Prokura war eine Vertretungsmacht für den Einzelkaufmann, der als solcher das Handelsgeschäft nicht mehr weiterbetreibt. Neuer Inhaber des Handelsgeschäfts ist die entstandene Gesellschaft. Sie muss durch ihr vertretungsberechtigtes Organ die Prokura durch ausdrückliche Erklärung neu erteilen.81 Die Prokura erlischt auch in dem umgekehrten Fall, dass eine bisherige Personenhandelsgesellschaft aufgelöst und künftig nur noch durch einen Einzelkaufmann geführt wird.82 76 KG OLGE 11 (1905), 378 (379); KG JW 1927, 2433; BayObLG BB 1971, 238 (239); anders Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber Rn 19. WN bei Köhler BB 1979, 912 f. 77 Köhler BB 1979, 914. 78 Köhler BB 1979, 914. 79 Ebenso Köhler BB 1979, 913 f. 80 KG JW 1927, 2433; KG OLGE 11 (1905), 378 (379); BayObLGZ 1970, 317 (318 f) mwN; MünchKommHGB/Krebs Rn 35; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 9. AA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 21. 81 BayObLGZ 1970, 317 (319), wo es aber gleichwohl für ausreichend angesehen wird, dass ein Bestehenbleiben der Prokura angemeldet und im Handelsregister eingetragen wird. 82 Oetker/Schubert Rn 21. 627
Fischinger
§ 52
1. Buch. Handelsstand
53 c) Gesellschafterwechsel. Wird in eine bestehende Personenhandelsgesellschaft ein neuer Gesellschafter aufgenommen, so berührt dies die Identität der Gesellschaft und damit des Vollmachtgebers auch dann nicht, wenn zugleich der bisher allein zur Vertretung berufene Gesellschafter ausscheidet. Die Prokura bleibt daher bestehen.83 Dies gilt erst recht für den Gesellschafterwechsel bei einer Kapitalgesellschaft. Die Identität bleibt ebenfalls erhalten, wenn bei einer Personenhandelsgesellschaft sämtliche Gesellschafter durch andere Personen ersetzt werden; die Prokura erlischt daher nicht.84
54 d) Erbengemeinschaft. Stirbt der Kaufmann und wird das Handelsgeschäft von einer Erbengemeinschaft fortgeführt, so bleibt die Prokura nach § 52 Abs. 3 bestehen. Wenn die Erben die Fortführung als Personenhandelsgesellschaft betreiben, so erlischt die Prokura, weil die Gesellschaft ein neuer Inhaber des Handelsgeschäfts ist.85
55 e) Umwandlung. Bei einer formwechselnden Umwandlung (§§ 190 ff UmwG) bleibt die Identität der Gesellschaft gewahrt; es ändert sich nur ihre Rechtsform (§ 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Die Prokura bleibt daher bestehen.86 Bei einer übertragenden Verschmelzung (§§ 2 ff UmwG) findet dagegen ein Wechsel des Unternehmensinhabers statt, so dass die Prokura für die übertragende Gesellschaft erlischt.87 Bei einer Spaltung des Rechtsträgers (§§ 123 ff UmwG) ist zu unterscheiden: Bei einer Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) erlischt der übertragende Rechtsträger (§ 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Damit erlöschen auch die für ihn bestehenden Prokuren.88 Bei einer Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) bleibt der übertragende Rechtsträger dagegen bestehen; die bei ihm vorhandenen Prokuren bleiben daher von dem Vorgang unberührt. Gleiches gilt für die Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG).
56 f) Betriebsübergang. Nach § 613a BGB gehen bei der Veräußerung von Betrieben oder Betriebsteilen die Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten auf den Erwerber über. Soweit damit das Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber (Veräußerer) beendet wird, erlischt die Prokura (Rn 27). Sie bleibt nicht für die Person des Erwerbers bestehen89 (s. oben Rn 50 f). Macht der von einem Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang betroffene Prokurist von seinem Recht Gebrauch, dem Übergang zu widersprechen (§ 613a Abs. 6 BGB), so bleibt sein Arbeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber bestehen.90 Der Fortbestand der Prokura hängt sodann davon ab, ob der Veräußerer sein ganzes Handelsgeschäft veräußert hat (dann erlischt die Prokura) oder ob er es zumindest teilweise noch als kaufmännisches Gewerbe weiterbetreibt; im letzteren Falle bleibt die Prokura bestehen.
13. Löschung im Handelsregister 57 Die Eintragung der Prokura im Handelsregister hat keine rechtsbegründende Bedeutung, sondern wirkt lediglich deklaratorisch. Eine ungerechtfertigte Löschung der Prokura im Handels83 84 85 86 87
LG Düsseldorf Rpfleger 1968, 228. AA Heymann/Sonnenschein/Weitmeyer2 HGB Rn 30. BayObLG OLGE 34 (1917), 332 f. OLG Köln GmbHR 1996, 773 f; Lutter/Hoger UmwG § 202 Rn 41; MünchKommHGB/Krebs Rn 33. OLG Hamm Rpfleger 1962, 351; MünchKommHGB/Krebs Rn 31 f; Kallmeyer/Marsch-Barner/Oppenhoff UmwG § 20 Rn 24. AA Lutter/Grunewald UmwG § 20 Rn 25. Differenzierend Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 31. 88 MünchKommHGB/Krebs Rn 31 f. 89 Köhler BB 1979, 913 f; MünchKommHGB/Krebs Rn 31. 90 BAG DB 2007, 975 (977). Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 52
register wirkt sich daher auf ihren Bestand nicht aus. Gleiches gilt für eine versehentliche Löschung der Firma. Allerdings kann bei der Löschung einer nach §§ 2 oder 3 eingetragenen Firma ein Verlust der Kaufmannseigenschaft vorliegen (s. § 2 Rn 17), so dass aus diesem Grunde auch die Prokura erlischt (s. oben Rn 30).
IV. Unübertragbarkeit, Abs. 2 § 52 Abs. 2 hebt hervor, dass die Prokura nicht auf eine andere Person übertragen werden kann. 58 Die Bestimmung beruht auf ungenauen Vorstellungen des Gesetzgebers. Prokura bedeutet Vertretungsmacht. Die Rechtsmacht, rechtsgeschäftlich für einen anderen handeln zu können, ist kein subjektives Recht, das einer Übertragung durch ein Verfügungsgeschäft zugänglich wäre.91 Die Unübertragbarkeit der Prokura folgt also nicht erst aus der positivrechtlichen Anordnung in § 52 Abs. 2, sondern schon aus ihrer Rechtsnatur. Im Übrigen ist die Bestimmung für die Übertragung durch den Prokuristen ohnehin entbehrlich, weil hierin eine Neuerteilung der Prokura liegt, die gemäß § 48 Abs. 1 nur durch den Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinen gesetzlichen Vertreter, nicht aber durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter erfolgen kann. Die Prokura kann weder durch den Prokuristen noch durch den Inhaber des Handelsge- 59 schäfts bzw. dessen gesetzlichen Vertreter übertragen werden, also auch nicht durch den Prokuristen mit Zustimmung des Kaufmanns. Rechtsgeschäfte mit diesem Inhalt sind unwirksam und führen nicht dazu, dass die betreffende Person Prokura erhält. Erforderlich ist stets die Erteilung der Prokura in einer Weise, die den Anforderungen des § 48 Abs. 1 genügt. Der Kaufmann kann also eine weitere Prokura erteilen und gegebenenfalls die bisherige Prokura durch Widerruf nach § 52 Abs. 1 zum Erlöschen bringen. Die Unübertragbarkeit bedeutet lediglich, dass die Vertretungsmacht des Prokuristen nicht 60 auf eine andere Person verlagert werden kann. Im Übrigen ist damit keine Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Prokuristen verbunden. Er kann daher trotz § 52 Abs. 2 anderen Personen Vollmachten erteilen, da dies vom Umfang seiner Vertretungsmacht nach § 49 Abs. 1 gedeckt wird. Insbesondere kann er Handlungsbevollmächtigte nach § 54 bestellen.92 Die Erteilung von Generalvollmacht und Prokura ist ihm dagegen versagt (s. § 49 Rn 11).
V. Darlegungs- und Beweislast Wer sich auf das Erlöschen aufgrund eines der oben genannten Umstände beruft, trägt dafür 61 die Darlegungs- und Beweislast. Zu beachten ist allerdings, dass das Erlöschen der Prokura nach § 53 Abs. 2 im Handelsregister einzutragen und bekanntzumachen ist; solange das nicht geschehen ist, kann sich ein gutgläubiger Dritter auf § 15 Abs. 1 berufen. Gleiches gilt grundsätzlich für die anderen oben genannten Erlöschenstatbestände. Etwas anderes gilt allerdings, wenn das Unternehmen eingestellt wird und/oder die Firma erlischt. Hier bedarf es keiner gesonderten Löschung der Prokura; der Verkehrsschutz wird hier über § 31 iVm § 15 bewirkt.93
91 MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 80. S. dazu auch P. Bydlinski S. 257 ff. 92 BGH LM § 54 Nr. 1 = DB 1952, 949 (LS). 93 Oetker/Schubert Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 44. 629
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§ 53 [Erteilung und Erlöschen der Prokura, Anmeldung Handelsregister] (1)
1
Die Erteilung der Prokura ist von dem Inhaber des Handelsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. 2Ist die Prokura als Gesamtprokura erteilt, so muß auch dies zur Eintragung angemeldet werden. (2) Das Erlöschen der Prokura ist in gleicher Weise wie die Erteilung zur Eintragung anzumelden.
Schrifttum Bärwaldt Mitwirkung des Prokuristen bei der Handelsregisteranmeldung der ihm erteilten Prokura, NJW 1997, 1404; Bondi Sind Veränderungen der im Handelsregister vermerkten Personalien (Namen, Stand, Wohnort) dort eingetragener natürlicher Personen ebenfalls in das Handelsregister einzutragen? JW 1928, 201; Germer Die Prokura der GmbH & Co. KG, BaWüNotZ 1986, 54; Groß Die registermäßige Behandlung der Filialprokura, Rpfleger 1977, 153; Hofmann/Fladung/Ghemen Der Prokurist, 8. Aufl. (2007); A. Hueck Gilt § 15 Abs. 1 HGB auch beim Erlöschen und bei der Änderung nicht eingetragener, aber eintragungspflichtiger Rechtsverhältnisse?, AcP 118 (1920), 350; Melchior Handelsregisteranmeldungen und EHUG – Was ist neu?, NotBZ 2006, 409; Meyer Handelsregistererklärung und Widerruf der Prokura, ZHR 81 (1918), 365; Michel Schreiben – wie das Gesetz es befiehlt!, ZRP 1987, 353; Schaub Stellvertretung bei Handelsregisteranmeldungen, DStR 1999, 1699; Schröder/Oppermann, Die Eintragungsfähigkeit der kaufmännischen Generalvollmacht in das Handelsregister, JZ 2007, 176; Stötter Die personelle Beschränkung der Prokura, BB 1975, 767; Walchshöfer Die Erteilung der Prokura und ihre Eintragung in das Handelsregister, Rpfleger 1975, 381; Ziegler Prokura mit einem gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführer, Rpfleger 1984, 5.
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II. 1. 2. 3. 4. 5.
3 Eintragungspflichtige Tatsachen 4 Erteilung 5 Zeitpunkt der Anmeldepflicht 7 Art und Inhalt der Prokura 9 Erlöschen 12 Änderungen
III.
Person des Anmeldepflichtigen
IV.
Anmeldung
13
17
V. 1. 2. 3. 4. 5.
Eintragung Prüfung 18 Beschränkungen der Prokura Erweiterungen der Prokura Erlöschen und Neuerteilung Gemischte Gesamtvertretung
VI.
Verletzung der Anmeldungspflicht
VII. Kosten VIII. Beschwerde
19 20 21 23 24
25 26
I. Regelungsziel 1 Die Bestimmung dient dazu, die Vertretungsverhältnisse für den Rechtsverkehr offenzulegen. Das Handelsregister verlautbart insoweit die außerhalb des Registers entstandene Rechtslage. Die Eintragungen im Register wirken daher nicht rechtsbegründend, sind also insbesondere keine Voraussetzung für das Entstehen bzw. das Erlöschen der Prokura, sondern haben nur eine rechtsbekundende (deklaratorische) Funktion.1 Die Anmeldungsbestimmungen sind demzufolge Ordnungsvorschriften. Materiellrechtliche Bedeutung kommt ihnen insofern zu, als die Anmeldepflicht die Erteilung und das Erlöschen der Prokura zu eintragungspflichtigen Tatsachen macht, so dass der gutgläubige Rechtsverkehr nach § 15 geschützt wird, und zwar bei einer unwirksamen Erteilung der eingetragenen und bekanntgemachten Prokura nach § 15 Abs. 3 (vgl. § 48 Rn 56), bei einem nicht eingetragenen und bekanntgemachten Erlöschen nach § 15 1 RGZ 134, 303 (307); OLG Stuttgart WM 1976, 700 (702); OLG München ZfBR 2009, 494. Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-040
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 53
Abs. 1. Der Schutz des guten Glaubens gemäß § 15 Abs. 1 besteht nach hM auch dann, wenn bei fehlender Voreintragung die Eintragung des Erlöschens unterbleibt.2 Eine unwirksame Erteilung der Prokura z.B. durch eine dazu nicht berechtigte Person wird durch Eintragung im Handelsregister nicht geheilt.3 Sie bleibt unwirksam, so dass nur der gutgläubige Rechtsverkehr nach § 15 Abs. 3 geschützt wird. § 15 wirkt allgemein nur zugunsten des Dritten. Es bleibt ihm unbenommen, sich auf die wahre Rechtslage zu berufen.4 Dies gilt auch für Eintragungen über die Prokura. Für Genossenschaften erfolgt die Eintragung gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GenG in das Genossenschaftsregister. Die ursprünglich in Abs. 2 vorgesehene Hinterlegung einer Unterschriftsprobe des Prokuris- 2 ten bei dem Registergericht ist durch Art. 1 Nr. 14 EHUG5 beseitigt worden, weil bei einem elektronisch geführten Handelsregister die Echtheitsprüfung nicht sicher erfolgen könne und eine eingescannte Unterschrift ein beträchtliches Missbrauchsrisiko berge.6 Dadurch ist der bisherige Abs. 3 zu Abs. 2 geworden.
II. Eintragungspflichtige Tatsachen Zur Eintragung in das Handelsregister sind die Erteilung und das Erlöschen der Prokura anzu- 3 melden, gegebenenfalls auch Art und Inhalt der erteilten Prokura.
1. Erteilung Anzumelden ist grundsätzlich jede Erteilung einer Prokura. Dabei ist der Name des Prokuristen 4 anzugeben.7 Die Anmeldepflicht nach § 53 Abs. 1 betrifft unmittelbar nur die Prokura. Es können aber auch andere Vertretungsverhältnisse eintragungspflichtig sein. Der Geschäftsleiter der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Kreditinstituts ist gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 KWG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden.8 Der Hauptbevollmächtigte der deutschen Zweigniederlassung eines ausländischen Versicherungsunternehmens ist gemäß § 68 Abs. 2 Satz 4 VAG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden9 (s. § 48 Rn 111; dort auch zum Geschäftsleiter der deutschen Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts). Eine Generalvollmacht ist demgegenüber nach zutreffender hM nicht eintragungsfähig und daher nicht anmeldepflichtig.10
2. Zeitpunkt der Anmeldepflicht Anmeldepflichtig und anmeldefähig ist die Erteilung der Prokura erst dann, wenn sie wirksam 5 vorgenommen worden ist. Bei einer Gesamtprokura müssen mindestens zwei Personen vorhanden sein, welche die Gesamtvertretungsmacht ausüben können. Die Erteilung einer Gesamt2 Vgl. BGHZ 116, 37 (44); BAG NJW 2013, 297 (298); MünchKommHGB/Krebs § 15 Rn 39 f mwN. 3 RGZ 127, 153 (159); BGH WM 1956, 727 (728). 4 BGH WM 1990, 638 (639). 5 BGBl. I 2006, 2553 ff. 6 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 16/960, S. 47 f. 7 OLG Düsseldorf WM 1994, 1443. 8 BayObLG NJW 1973, 2162 f, wonach die Eintragung aus einer Analogie zu § 53 folgt, ist überholt. 9 OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 314 f, wonach die Eintragung unzulässig sein soll, ist überholt. 10 OLG Hamburg NZG 2009, 957; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 2 u. Vor § 48 Rn 7; MünchKommHGB/ Krebs Rn 4; Flume Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Erster Band, Zweiter Teil, Die juristische Person, 1983, S. 367. AA Canaris Handelsrecht § 4 I. 2. b); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Schroeder/Oppermann JZ 2007, 176, (180 ff). Vgl. auch U. Hübner ZHR 143 (1979), 21. 631
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§ 53
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prokura an nur eine Person ohne Vorhandensein eines weiteren Vertreters ist keine wirksame Prokuraerteilung und kann deshalb noch nicht in das Handelsregister eingetragen werden (s. § 48 Rn 91). Die Erteilung ist demzufolge (noch) nicht anmeldepflichtig. Bei einer gemischten Gesamtvertretung (s. § 48 Rn 97 ff) genügt es für die Eintragung, dass der weitere Vertreter bereits bestellt ist, auch wenn kein weiterer Prokurist vorhanden ist.11 Hier ist die Bestellung nur eines Gesamtprokuristen wirksam, so dass damit die Anmeldepflicht ausgelöst wird. 6 Wird die Hauptniederlassung oder der Sitz aus dem Bezirk des bisherigen Registergerichts verlegt, so werden die Eintragungen gemäß § 13h Abs. 2 Satz 4 ohne weitere Nachprüfung in das neue Handelsregister übernommen. Dies gilt auch für Prokuren.12 Einer besonderen Anmeldung bedarf es nicht.
3. Art und Inhalt der Prokura 7 Weist die erteilte Prokura Besonderheiten auf, so ist dies ebenfalls anzumelden. § 53 Abs. 1 Satz 2 hebt dies für die Gesamtprokura hervor. Gleiches gilt für eine gemischte Gesamtvertretung13 (zum Begriff s. § 48 Rn 97, zur Eintragung s. unten Rn 23). Die Anmeldung einer Niederlassungsprokura hat gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bei dem Gericht der Hauptniederlassung bzw. des Sitzes zu erfolgen. Wird der Inhalt der Prokura gegenüber dem gesetzlichen Umfang in zulässiger Weise er8 weitert, so ist auch dies anzumelden. Dies gilt gleichermaßen für die Erstreckung der Prokura auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken gemäß § 49 Abs. 214 wie für die Befreiung von dem Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB (s. näher dazu unten Rn 20).
4. Erlöschen 9 Das Erlöschen der Prokura ist nach § 53 Abs. 2 in gleicher Weise wie die Erteilung der Prokura zur Eintragung im Handelsregister anzumelden. Das gilt selbst dann, wenn die ursprüngliche Erteilung der Prokura entgegen § 53 Abs. 1 nicht im Handelsregister eingetragen worden war. Dabei ist der Name des Prokuristen anzugeben, bei einem Erlöschen aller Prokuren die Namen aller Prokuristen.15 Die Gründe für das Erlöschen (s. dazu § 52 Rn 16, 25 ff) brauchen nicht mitgeteilt zu werden. Erlischt die Prokura durch einen Wechsel des Unternehmensinhabers, so müssen Erlöschen und etwaige Wiedererteilung der Prokura angemeldet werden; ein bloßes Unterlassen der Anmeldung des Erlöschens genügt nicht.16 Der Gesellschafterwechsel lässt die Prokura dagegen unberührt, so dass auch von einem neuen alleinigen vertretungsberechtigten Gesellschafter keine Erklärung über das Erlöschen der Prokura oder ihr Bestehenbleiben verlangt werden kann.17 Wird das Erlöschen der Firma angemeldet, so liegt hierin gleichzeitig auch die Anmeldung 10 des Erlöschens der Prokura, da diese durch das Erlöschen der Firma gegenstandslos wird.18 Einer besonderen Anmeldung bedarf es daher nicht.19 Gleiches gilt bei der Anmeldung einer alleinigen Fortführung des Handelsgeschäftes durch den bisherigen Prokuristen als Erbe und neuer Inha-
11 12 13 14 15 16 17 18 19
BGHZ 62, 166 (173 f) mwN. Vgl. BayObLG Rpfleger 1987, 163 f; OLG Köln Rpfleger 1988, 28. Vgl. BGHZ 62, 166 ff; BayObLG NJW 1971, 810 (811). BayObLG NJW 1971, 810 (811); BayObLG DB 1980, 2232 (2233). AA Canaris Handelsrecht § 4 I. 2. a). OLG Düsseldorf WM 1994, 1443. BayObLGZ 1970, 317 (319); KG OLGE 11 (1905), 378 (379). LG Düsseldorf Rpfleger 1968, 228. OLG Karlsruhe NJW 1969, 1724 m. Anm. Coring; OLG Oldenburg WiB 1996, 949. OLG Oldenburg WiB 1996, 949.
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
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ber20 sowie der Anmeldung einer Auflösung (Beendigung) durch übertragende Verschmelzung des Unternehmens.21 Das Erlöschen einer Prokura, die nicht im Handelsregister eingetragen ist, muss ebenfalls angemeldet werden. Zur umstrittenen Frage, ob der Vertrauensschutz nach § 15 Abs. 1 eingreift, wenn weder die Erteilung der Prokura noch ihr Erlöschen eingetragen werden, s. § 15.22 Bei der Gesamtprokura ist zu beachten, dass sie allein nicht bestehen kann und deshalb Löschungen nicht dazu führen dürfen, dass nur eine Gesamtprokura übrig bleibt.23 Keine Eintragungspflicht hinsichtlich des Erlöschens der Prokura besteht bei der Eröffnung 11 des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts. Denn in diesem Falle erlischt die Vollmacht bereits nach § 117 InsO und der Handelsverkehr ist über § 32 HGB ausreichend geschützt.24
5. Änderungen Das Gesetz bestimmt keine Anmelde- und Eintragungspflicht, wenn sich die Personalien des 12 Prokuristen ändern, z.B. bei einem Namenswechsel. Der Funktion des Handelsregisters entspricht es jedoch am besten, wenn solche Änderungen vermerkt werden. Die Eintragung ist daher von Amts wegen zu berichtigen.25
III. Person des Anmeldepflichtigen Die Anmeldung der Erteilung der Prokura und ihres Erlöschens hat gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 und 13 Abs. 2 durch den Inhaber des Handelsgeschäfts zu erfolgen. Soweit für ihn ein gesetzlicher Vertreter handelt, hat dieser die Anmeldung vorzunehmen,26 obwohl § 53 dies im Unterschied zu § 48 Abs. 1 nicht eigens hervorhebt. Wenn Verwalter im eigenen Namen das Handelsgeschäft führen und Prokura erteilen können (s. § 48 Rn 16 ff), sind sie selbst anmeldepflichtig. Der Prokurist kann die ihm selbst erteilte Prokura nicht zur Eintragung im Handelsregister anmelden (näher u. Rn 16 und § 49 Rn 41).27 Der Anmeldepflichtige kann die Anmeldung durch einen bevollmächtigten Vertreter vornehmen lassen, der seine Vollmacht elektronisch in öffentlich beglaubigter Form vorzulegen hat, § 12 Abs. 1 Satz 3. Die besondere Vollmacht kann auch einem anderen Prokuristen erteilt werden. Wird das Handelsgeschäft von Miterben geführt, so sind sie Inhaber des Handelsgeschäfts 14 und deshalb alle für die Neuerteilung und das Erlöschen28 einer Prokura anmeldepflichtig. Hat ein Miterbe die Prokura allein widerrufen und ist sie dadurch erloschen (s. § 52 Rn 8), so kann er den Erlöschenstatbestand dem Registergericht anzeigen, damit es die Miterben zur Anmeldung anhält (§ 14). Im Übrigen kann er die anderen Miterben im Klagewege auf Erfüllung der Anmeldepflicht in Anspruch nehmen. Handelsgesellschaften sind nicht selbst anmeldepflichtig; die Anmeldepflicht trifft die 15 Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans.29 Für die Personenhandelsgesellschaft ist die
20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 633
LG Düsseldorf MittRhNotK 1979, 134 (135). OLG Hamm Rpfleger 1962, 351. Vermittelnd Fischinger Handelsrecht Rn 128. KG KGJ 48 (1916), 125 (127). Vgl. LG Halle NZI 2004, 631; LG Leipzig ZInsO 2007, 279; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. BayObLGZ 1920, 63 (64 f). AA MünchKommHGB/Krebs Rn 15. RGZ 134, 303 (307); KG RJA 17, 77; KG JW 1931, 2995 (2996) m. Anm. Goldschmit. OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 982; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. KG DR 1939, 1949. BayObLG WM 1973, 1226 (1227). Fischinger
§ 53
1. Buch. Handelsstand
Anmeldung von den vertretungsberechtigten Gesellschaftern vorzunehmen.30 Zwar bestimmt § 108 Abs. 1 Satz 1, dass die Anmeldungen von sämtlichen Gesellschaftern zu bewirken sind, also auch von den nicht vertretungsberechtigten Gesellschaftern. Die Bestimmung bezieht sich jedoch nur auf die in §§ 106, 107 bezeichneten grundlegenden Vorgänge, nicht dagegen auf sonstige Anmeldungen. Der Prokurist kann seine Handelsgesellschaft bei der Anmeldung nicht vertreten (s. § 49 Rn 41), und zwar auch dann nicht, wenn ein vertretungsberechtigter Gesellschafter fehlt.31 Bei einer GmbH und einer Aktiengesellschaft hat das gesetzliche Vertretungsorgan (Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder) die Anmeldung in der Zusammensetzung vorzunehmen, die allgemein für die Vertretung der Gesellschaft bestimmt ist.32 Besonderheiten bestehen für die gemischte Gesamtvertretung durch einen Prokuristen 16 (zum Begriff s. § 48 Rn 97). Soweit lediglich bei der Erteilung der Prokura eine Gesamtvertretung durch den Prokuristen gemeinschaftlich mit einem organschaftlichen Vertreter bestimmt wird, hat der Prokurist nur Vertretungsmacht in dem Umfang, der durch § 49 bestimmt wird (s. § 48 Rn 114), also bei Anmeldungen, die den Betrieb des Handelsgeschäfts betreffen. Soweit er dagegen auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages an der organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft teilnimmt, erweitert sich seine Vertretungsmacht auf den Umfang der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertretungsorgans (s. § 48 Rn 114). Insoweit kann er die Gesellschaft bei Anmeldungen zum Handelsregister auch bei Grundlagengeschäften vertreten.33 Bei der Anmeldung der ihm selbst erteilten Prokura kann der Prokurist jedoch nach zutreffender hM auch unter Wahrnehmung der organschaftlichen Vertretungsmacht nicht mitwirken.34 Der Grund dafür liegt darin, dass das Registergericht in der Regel die Richtigkeit der angemeldeten Tatsache nicht nachprüft. Die Anmeldung der Prokura zur Eintragung im Handelsregister begründet eine Vermutung für die Wirksamkeit der Erteilung. Dies setzt aber voraus, dass die Anmeldung von den Personen erklärt wird, die zur Erteilung dieser Prokura berechtigt sind.35 Dazu gehört der Prokurist bei der Anmeldung seiner eigenen Prokura nicht. Möglich ist aber, dass ihm vom Inhaber des Handelsgeschäfts hierfür eine gesonderte Vollmacht erteilt wird, mit der er seine Prokura zur Eintragung anmeldet.36
IV. Anmeldung 17 In der Anmeldung ist die erteilte Prokura mit allen eintragungspflichtigen Tatsachen (s. oben Rn 7 ff) anzugeben. Der Kaufmann kann sich bei der Unterzeichnung der Anmeldungserklärung seiner Firma bedienen, braucht also nicht seinen bürgerlichen Namen zu verwenden.37 Die Unterzeichnung hat eigenhändig durch den Anmeldepflichtigen zu erfolgen.38 Führt ein Umstand bereits kraft Gesetzes zum Erlöschen der Prokura, so wird der Anmeldepflicht bereits dann genügt, wenn dieser Tatbestand angemeldet wird.39
30 RGZ 134, 303 (307). Zum Streitwert einer Klage eines nicht vertretungsberechtigten Gesellschafters auf Vornahme der Anmeldung s. OLG Köln DB 1973, 2087 f. KG JW 1931, 2995 (2996) m. Anm. Goldschmit. RGZ 134, 303 (307); KG KGJ 41 (1912), 131 (132); LG Mainz NJW-RR 2000, 1567. RGZ 134, 303 (307 f); BGH NJW 1962, 1349 f; BayObLG WM 1982, 647 (648); KG JW 1937, 890 m. Anm. Groschuff. BayObLG NJW 1973, 2068 f; OLG Frankfurt/Main ZIP 2005, 1463 (1464). AA Bärwaldt NJW 1993, 1404 (1406). BayObLG NJW 1973, 2068 (2069). Oetker/Schubert Rn 7. KG OLGE 40 (1920), 178. Zu den Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung s. Melchior NotBZ 2006, 409 (410 f). OLG Düsseldorf NZG 2012, 957.
31 32 33 34 35 36 37 38 39
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§ 53
V. Eintragung 1. Prüfung Das Gericht hat die Eintragung im Handelsregister40 auf der Grundlage der Anmeldung vorzu- 18 nehmen, wobei es die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung zu prüfen hat. Die ordnungsgemäße Anmeldung begründet eine Vermutung für die wirksame Erteilung der Prokura, so dass eine weitere materiellrechtliche Nachprüfung durch das Gericht im Allgemeinen nicht stattfindet.41 Hängt jedoch die Wirksamkeit der Prokuraerteilung von weiteren gesetzlichen Voraussetzungen ab, z.B. der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB), so hat das Registergericht ihr Vorliegen zu prüfen und sich nachweisen zu lassen. Das angemeldete Erlöschen der Prokura ist auch dann ohne Weiteres einzutragen, wenn ein noch nicht angemeldeter Inhaberwechsel vorliegt; eine Koppelung zwischen beiden Eintragungen besteht nicht.42
2. Beschränkungen der Prokura Die persönliche Beschränkung der Prokura als Gesamtprokura ist gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 ein- 19 zutragen. Für die nach § 50 Abs. 3 zulässige Beschränkung der Prokura auf den Betrieb einer Niederlassung fehlt es an einer gesetzlichen Bestimmung. Gleichwohl ist auch diese Beschränkung einzutragen,43 weil sie zum Inhalt der Prokura gehört. Dies gilt gleichermaßen für die Beschränkung auf eine Zweigniederlassung und die (zulässige) Beschränkung auf die Hauptniederlassung. Die Eintragung hat gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 im Register des Gerichts der Hauptniederlassung zu erfolgen. Beschränkungen im Innenverhältnis sind für die Wirksamkeit ohne Bedeutung (s. § 50 Rn 52 ff) und deshalb vom Registergericht nicht zu beachten.44
3. Erweiterungen der Prokura Wird die Prokura in zulässiger Weise inhaltlich erweitert, so ist dies aufgrund der Anmeldung 20 ebenfalls in das Handelsregister einzutragen. Dies gilt gleichermaßen für die Befugnis zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken nach § 49 Abs. 245 und die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB.46 Auch im letzteren Falle ist, da die Befreiung den Inhalt der Prokura betrifft, nicht nur eine Eintragungsfähigkeit, sondern eine Eintragungspflicht anzunehmen.47 Unzulässige rechtsgeschäftliche Erweiterungen der Prokura dürfen weder als Inhalt der Prokura noch als Gegenstand einer besonderen Vollmacht in das Handelsregister aufgenommen werden.
40 41 42 43 44
Zur Eintragung der Berufsbezeichnung des Prokuristen („Steuerberater“) s. LG Augsburg WM 1989, 1099 f. BayObLG NJW 1973, 2068 (2069); OLG Frankfurt DB 1973, 1234. KG NJW 1959, 1086 (1087). BayObLG NJW 1971, 810 (811); BayObLG DB 1980, 2232 (2233); LG Aachen MittRhNotK 1968, 563. RGZ 134, 303 (307); BGHZ 62, 166 (169 – Zustimmung der Gesellschafter einer GmbH); KG JW 1925, 268 f m. Anm. Cohn und Altschul 1745 (Zustimmung des Aufsichtsrates einer AG); KG KGJ 41 (1912), 131 (132 f – Beschluss des Vorstandes einer AG); OLG Frankfurt DB 1973, 1234 (Untersagungsbeschluss der Gesellschafter einer GmbH). Anders BayObLG HRR 1928 Nr. 638. 45 BayObLG NJW 1971, 810 f mwN; LG Aachen MittRhNotK 1968, 563 f; Canaris Handelsrecht § 4 I. 2. a). 46 BayObLG DB 1980, 2232 (2233 f); Canaris Handelsrecht § 4 I. 2. a). 47 AA OLG Hamm Rpfleger 1983, 280 (281) m. Anm. Gröger. 635
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§ 53
1. Buch. Handelsstand
4. Erlöschen und Neuerteilung 21 In einigen Fällen, insbesondere bei einem Wechsel des Unternehmensinhabers, erlischt die Prokura zwar (s. § 52 Rn 50 ff), kann aber sogleich derselben Person durch den neuen Rechtsträger wieder erteilt worden sein. Streng genommen müsste dieser Tatbestand angemeldet und sodann zunächst das Erlöschen der Prokura und im Anschluss daran deren (neue) Erteilung eingetragen werden. Die Rechtsprechung lässt demgegenüber die Eintragung zu, dass die Prokura bestehen bleibt.48 Durchgreifende Bedenken sind dagegen nicht zu erheben. Die Eintragung gibt die Rechtslage nicht unrichtig wieder, wenn man sie als Kurzfassung dafür versteht, dass die Prokura erloschen und wieder erteilt ist. Die Ansicht der Rechtsprechung hat den Vorzug, dass sie Verwirrungen des Rechtsverkehrs vermeidet, die entstehen könnten, wenn gleichzeitig Erlöschen und Erteilung der Prokura für dieselbe Person eingetragen würden. 22 Die Rechtsprechung hat gelegentlich die Eintragung abgelehnt, wenn von mehreren einzelvertretungsbefugten Vertretern einer Handelsgesellschaft gegenüber derselben Person eine Prokura erteilt und widerrufen wird.49 Diese Ansicht ist abzulehnen.50 Die Eintragung hat stets zu erfolgen, sofern eine wirksame Erteilung der Prokura bzw. ein Erlöschen der Prokura vorliegt. Die sachlich gegenläufigen Erklärungen der einzelvertretungsbefugten Vertreter ändern nichts daran, dass die Prokura durch jede Erklärung entsteht bzw. erlischt. Der Registerrichter hat keine Legitimation, die für die Gesellschaft wegen § 15 Abs. 2 wesentliche Kundbarmachung dieser Vorgänge zu verweigern.
5. Gemischte Gesamtvertretung 23 Wird die Prokura in der Weise erteilt, dass eine gemischte Gesamtvertretung besteht (zum Begriff s. § 48 Rn 97), so ist dies auf der Grundlage der Anmeldung in das Handelsregister einzutragen.51 Da es sich nicht um eine Gesamtprokura handelt (s. § 48 Rn 98), sollte die Prokura nicht als Gesamtprokura eingetragen werden,52 auch nicht als unechte oder gemischte Gesamtprokura. Die Prokura ist als gewöhnliche Prokura einzutragen mit dem Zusatz, dass Gesamtvertretungsmacht mit den jeweiligen weiteren Personen besteht.53
VI. Verletzung der Anmeldungspflicht 24 Kommt der Anmeldepflichtige seiner Anmeldungspflicht nicht (rechtzeitig) nach, so ist er vom Registergericht durch Festsetzung von Zwangsgeld zur Erfüllung seiner Pflicht anzuhalten (§ 14). Zivilrechtlich kann die Verletzung der Anmeldepflicht über § 15 Konsequenzen haben. Angesichts des deklaratorischen Charakters der Eintragung führt die Verletzung der Anmeldepflicht aber nicht zur Unwirksamkeit der Erteilung (oder des Erlöschens) der Prokura.
VII. Kosten 25 Die Gebühren für die Eintragung einer Prokura richten sich gemäß § 58 GNotKG nach der Handelsregistergebührenverordnung vom 30. September 2004 (BGBl. I S. 2562). Teil 4 des Anhangs 48 49 50 51 52 53
BayObLGZ 1970, 317 (319); KG OLGE 11 (1905), 378 (379). BayObLG HRR 1928 Nr. 638; OLG Hamm BB 1957, 448. Vgl. auch KG HRR 1939 Nr. 312. Für eine Löschung der bestehenden Prokura MünchKommHGB/Krebs Rn 17. BayObLG NJW 1971, 810 (811). OLG Hamm NJW 1971, 1369 f; Ziegler Rpfleger 1984, 6. OLG München HRR 1941 Nr. 37.
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§ 53
zu § 1 HRegGebV sieht für die Eintragung, Änderung oder Löschung einer Prokura einheitlich eine Gebühr von 40 A vor (Nr. 4000); sind mehrere Prokuren aufgrund derselben Anmeldung betroffen, so beträgt die Gebühr für die zweite und jede weitere Prokura 30 A (Nr. 4001). Die Frage, ob sich aus der Entscheidung des EuGH zu Art. 10 lit. c) der Richtlinie des Rates 69/335/ EWG vom 17. Juli 1969 ein Verbot ergibt, höhere als kostendeckende Abgaben zu verlangen,54 hat sich damit erledigt. Wird die Firma ohne vorherige Liquidation im Handelsregister gelöscht und erlischt damit die Prokura, so entsteht für die Eintragung der Löschung einer Prokura keine gesonderte Gebühr, da es sich um einen einheitlichen Eintragungsvorgang handelt.55 Gleiches gilt bei einer Verlegung der Hauptniederlassung oder des Sitzes aus dem bisherigen Gerichtsbezirk für die Eintragung der Übernahme einer bestehenden Prokura in das Handelsregister der neuen Hauptniederlassung bzw. des neuen Sitzes.56
VIII. Beschwerde Eintragungen in das Handelsregister sind nicht rechtsmittelfähig. Die Eintragung einer Pro- 26 kura kann daher nicht mit der Beschwerde angegriffen werden.57 Anders liegt es, wenn der Eintragungsantrag vollständig abgelehnt wird oder von der Anmeldung abgewichen wird und hierin eine teilweise Ablehnung der Eintragung liegt. Gegen diese Ablehnung kann sich die Beschwerde richten.58 Im Übrigen ist ein Amtslöschungsverfahren einzuleiten.59
54 55 56 57 58 59 637
Vgl. OLG Köln NJW-RR 2000, 1527 f; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5a. OLG Karlsruhe NJW 1969, 1724 m. Anm. Coring mwN. OLG Köln Rpfleger 1988, 28 mwN; sehr streitig, AA BayObLG Rpfleger 1987, 163 f mwN. BGHZ 104, 61 (63); BayObLG DB 1986, 1769. BGHZ 104, 61 (63 f). Ähnlich MünchKommHGB/Krebs Rn 19. BayObLG DB 1986, 1769. Fischinger
§ 54 [Handlungsvollmacht] (1) Ist jemand ohne Erteilung der Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht (Handlungsvollmacht) auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozeßführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist. (3) Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte.
Schrifttum Bohnstedt Prokura, Handlungsvollmacht und Generalvollmacht, MittRhNotK 1974, 579; Bondi Kann eine Handelsgesellschaft oder eine juristische Person des bürgerlichen oder des öffentlichen Rechts Handlungsbevollmächtigter, Handlungsgehilfe, Handlungsagent und dergl. sein oder andere Vertreter- und Vertrauensstellungen, wie Liquidator, Testamentsvollstrecker, Konkursverwalter und dergl. einnehmen? ZBIHR 1929, 34; Bork Notiz zur Dogmatik des § 54 HGB, JA 1990, 249; Brox Erteilung, Widerruf und Niederlegung von Prokura und Handlungsvollmacht im neuen Aktienrecht, NJW 1967, 801; Brüggemann „Generalvollmacht“ eines Kaufmanns – insbesondere einer Handelsgesellschaft – für den kaufmännischen Betrieb? JA 1977, 500; Brülle Der Rechtsschein bei den gesetzlichen Vollmachten des Privatrechts mit besonderer Berücksichtigung des Handelsrechts, Diss. Breslau 1916; Cassel Stillschweigende Bevollmächtigung und Scheinvollmacht im Handelsrecht, Diss. Marburg 1934; Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil I), Jura 2002, 289; Eder „Generalvollmacht“ bei der GmbH?, GmbHR 1962, 225; Fabricius Stillschweigen als Willenserklärung, JuS 1966, 50; Frotz Verkehrsschutz im Vertretungsrecht (1972) S. 343; Geitzhaus Die Generalbevollmächtigung – empfehlenswertes Instrument der Unternehmensführung? (I), GmbHR 1989, 229; Grönfors Willenselement und Sanktionselement im Vollmachtsrecht, JZ 1984, 932; Gustavus Die Vollmacht zu Handelsregisteranmeldungen bei Personengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbHR 1978, 219; Honsell Die Besonderheiten der handelsrechtlichen Stellvertretung, JA 1984, 17; U. Hübner Zur Zulässigkeit der Generalvollmacht bei Kapitalgesellschaften, ZHR 143 (1979), 1; Kahler Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen § 105 AktG, BB 1983, 1382; Köhler Fortbestand betrieblicher Vollmachten bei Betriebsübergang?, BB 1979, 912; Krebs Ungeschriebene Prinzipien der handelsrechtlichen Stellvertretung als Schranken der Rechtsfortbildung – speziell für Gesamtvertretungsmacht und Generalvollmacht, ZHR 159 (1995), 635; Kuttner Generalvollmacht für eine GmbH, DR 1942, 1477; Lenz Inkassovollmacht des Stadtreisenden; Rechtsschein einer Vollmacht, JR 1931, 150; Loos Betriebsführungsverträge und damit verbundene Generalvollmacht bei Handelsgesellschaften, BB 1963, 615; Merz Vertretungsmacht und ihre Beschränkungen im Recht der juristischen Personen, der kaufmännischen und der allgemeinen Stellvertretung, FS H. Westermann 1974, 399; Metzing Das Erlöschen handelsrechtlicher Vollmachten, JURA 2019, 143; Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; Münch Gesamtvertretung im Gesellschaftsrecht (1989); Obermüller Erteilung von Handlungsvollmacht oder Prokura durch den Konkursverwalter?, BB 1957, 412; Patschovsky Generalvollmacht für eine GmbH, DR 1943, 607; Prehl Handlungsvollmacht kraft Rechtsscheins, Diss. Jena 1936; Ripfel Ist Generalvollmacht an GmbH-Gesamtgeschäftsführer oder Dritten zulässig?, GmbHR 1953, 181; v. Seeler Vollmacht und Scheinvollmacht ArchBürgR 28 (1906), 1; Spitzbarth Die rechtliche Stellung des Generalbevollmächtigten, BB 1962, 851; Spitzbarth Vollmachten im modernen Management. Handlungsvollmacht – Prokura – Generalvollmacht, 2. Aufl. (1989); Sprengel Die Vertretung öffentlich-rechtlicher Sparkassen durch Bevollmächtigte, ZHR 119 (1956), 1; Stüsser Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht (1986); Trost Die Arten der Handlungsvollmacht, Diss. Leipzig 1933; Weimar Rechtsfragen der Vertretungsmacht, Prokura und Handlungsvollmacht, MDR 1969, 22; Weimar Prokura und Handlungsvollmacht, MDR 1974, 121; Weimar Kann durch Vertrag ein Anspruch auf Erteilung von Prokura oder Handlungsvollmacht begründet werden?, MDR 1974, 720; Weimar Aufnahme von Krediten durch Vertreter nach dem HGB, MDR 1980, 993; Winter Handlungsvollmacht und patentgerichtliches Beschwerdeverfahren, GRUR 1978, 233; Wurm Prokura und Handlungsvollmacht (1988).
Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-041
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§ 54
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
Übersicht I.
Regelungsziel
II.
Begriff und Gegenstand der Handlungsvoll5 macht
III.
Vollmachtgeber
IV.
Bevollmächtigter
V. 1.
Erteilung Erklärungsperson a) Inhaber des Handelsgeschäfts 17 b) Handelsgesellschaft c) Rechtsgeschäftlicher Vertreter Rechtsgeschäft a) Einseitige Willenserklärung 20 b) Erklärungsempfänger 21 c) Form 25 Eintragung 26 Anspruch auf Erteilung
2.
3. 4. VI. 1. 2. 3.
4.
1
8 11 5. 16 18 19
Umfang 27 Grundlagen Allgemeine Begrenzung der Vertretungs30 macht Bestimmung des Umfangs durch den Kaufmann 31 a) Grundlagen b) Rechtsgeschäftliche Erweiterung/Begren32 zung 35 c) Gesamthandlungsvollmacht 39 d) Niederlassung 40 Subsidiär: Gesetzliche Umschreibung 41 a) Regelmäßiger Umfang, Abs. 1 42 aa) Art des Handelsgewerbes 44 bb) Üblichkeit
6. 7. 8. VII. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
47 cc) Art der Handlungsvollmacht 48 dd) Einzelfälle b) Ausnahmen nach Abs. 2 52 aa) Grundlagen bb) Veräußerung oder Belastung von 61 Grundstücken 62 cc) Wechselverbindlichkeiten 63 dd) Aufnahme von Darlehen 64 ee) Prozessführung 66 Schutz des guten Glaubens, Abs. 3 68 a) Anwendungsbereich 71 b) Voraussetzungen 74 c) Wirkungen 75 Beweislast 77 Missbrauch der Vertretungsmacht 78 Überschreitung der Vertretungsmacht 80 Erlöschen 81 Widerruf 83 Anfechtung Wegfall der Kaufmannseigenschaft 85 Tod 86 Mitglied des Aufsichtsrats Liquidation einer Handelsgesellschaft 88 Insolvenz Betriebs- und Unternehmensveräuße89 rung
84
87
VIII. Duldungsvollmacht und Anscheinsvoll90 macht 94
IX.
Innenverhältnis
X.
Haftung des Kaufmanns für Handlungen des 95 Handlungsbevollmächtigten
I. Regelungsziel Die Bestimmung regelt als zweite handelsrechtliche Vertretungsmacht die Handlungsvollmacht. 1 Sie ist wie die Prokura eine Vollmacht zum (ganzen oder teilweisen) Betrieb des Handelsgewerbes, aber mit gewöhnlich geringerem Umfang. Das Institut der Handlungsvollmacht dient wie dasjenige der Prokura dem Zweck, dem Handelsverkehr eine feste Grundlage für das Vertretungshandeln der kaufmännischen Gehilfen zu bieten. Der Handelsverkehr soll sich ohne Weiteres auf das Bestehen und den Umfang der Vertretungsmacht verlassen können. Dieser Zweck wird aber im Gegensatz zur Prokura nur unvollkommen erreicht, so dass die 2 gesetzliche Regelung fragwürdig erscheint. Der Umfang der Handlungsvollmacht ist nämlich nicht gesetzlich zwingend festgelegt, sondern wird durch den Kaufmann mit der Erteilung der Handlungsvollmacht bestimmt (s. unten Rn 27 ff). Außerdem gibt es keinen Registerschutz (s. unten Rn 25), so dass der Handelsverkehr von der Prüfung des Bestehens der Vertretungsmacht und ihres Erlöschens nicht ohne Weiteres befreit ist. Gegenüber einer bürgerlich-rechtlichen Vollmacht werden die Interessen des Handelsverkehrs bei der Handlungsvollmacht im Wesentlichen nur dadurch stärker geschützt, dass er Beschränkungen der Handlungsvollmacht 639
Fischinger
§ 54
1. Buch. Handelsstand
bei sorgfältigem Verhalten nicht gegen sich gelten zu lassen braucht (§ 54 Abs. 3) und die Beweislast für einen abweichend vom Gesetz bestimmten Umfang der Handlungsvollmacht bei dem Kaufmann liegt (s. unten Rn 75). 3 Dementsprechend regelt § 54 für die Handlungsvollmacht im Gegensatz zu §§ 48 und 49 für die Prokura nicht die Erteilung und den Umfang der Vollmacht. Die genaue dogmatische Einordnung der Vorschrift ist umstritten. Abs. 1 wird zum Teil als dispositive gesetzliche Umfangsbeschreibung qualifiziert.1 Überzeugender ist jedoch, in Abs. 1 eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten Umfang der erteilten Vollmacht zu erblicken. Diese wird durch Abs. 3 ergänzt, der einen Gutglaubensschutz gegenüber Beschränkungen des Umfangs und damit eine Rechtsscheinvollmacht enthält.2 Die Rechtsprechung weist die Tendenz auf, den Handelsverkehr über § 54 hinaus durch 4 Annahme von stillschweigend oder konkludent erteilten Handlungsvollmachten (s. unten Rn 21) bzw. Duldungs- und Anscheinsvollmachten (s. unten Rn 90 ff) zu schützen. Eine gesetzliche Erweiterung des Schutzes der Interessen des Rechtsverkehrs tritt durch § 56 ein, wonach für Angestellte in einem Laden oder in einem offenen Warenlager eine besondere Vertretungsmacht vermutet wird.
II. Begriff und Gegenstand der Handlungsvollmacht 5 Die auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtete Vollmacht ist Handlungsvollmacht, sofern sie keine Prokura ist. Während die Prokura stets zum Betrieb des gesamten Handelsgewerbes unter Einschluss aller Geschäfte, die in einem Handelsgewerbe überhaupt vorkommen können, bevollmächtigt (§ 49 Abs. 1), regelt § 54 Abs. 1 unter dem Oberbegriff Handlungsvollmacht drei verschiedene Spielarten dieser handelsrechtlichen Vollmacht. Die Handlungsvollmacht kann zum Betrieb des ganzen Handelsgewerbes bevollmächtigen, wobei sie sich von der Prokura dadurch unterscheidet, dass sie nur für die gewöhnlichen Geschäfte eines derartigen Handelsgewerbes gilt. Diese Handlungsvollmacht wird als Generalhandlungsvollmacht bezeichnet. Der in der älteren Rechtsprechung und im früheren Schrifttum vielfach gebrauchte Ausdruck Generalvollmacht sollte vermieden werden, weil die Generalhandlungsvollmacht gerade keine Generalvollmacht ist. Die Generalvollmacht ist eine Vollmacht mit weiterem Umfang als die Handlungsvollmacht (zur Zulässigkeit einer durch den Kaufmann erteilten Generalvollmacht s. § 49 Rn 48 f). Gegebenenfalls muss durch Auslegung ermittelt werden, ob eine Generalhandlungs- oder einer Generalvollmacht vorliegt. Die vom Kaufmann gewählte Bezeichnung hat hierbei nur indizielle Wirkung, entscheidend ist vielmehr, ob der Vertreter Vertretungsmacht für alle Aufgaben erhält, die mit dem Unternehmen verbunden sind (dann: Generalvollmacht), oder ob ihm Vollmacht „nur“ im Rahmen der Handelsgeschäfte erteilt wird, die gewöhnlich zum Betrieb des Handelsgewerbes gehören.3 Die Handlungsvollmacht kann sich nach § 54 Abs. 1 ferner auf die Vornahme einer bestimmten zu dem Handelsgewerbe gehörenden Art von Geschäften beziehen, sog. Arthandlungsvollmacht. Schließlich kann die Handlungsvollmacht ein einzelnes Geschäft oder bestimmte einzelne Geschäfte des Handelsgewerbes betreffen, sog. Spezialhandlungsvollmacht. Die Anwendung des Rechts der Handlungsvollmacht setzt deren Abgrenzung von der bür6 gerlich-rechtlichen Vollmacht voraus. Die Handlungsvollmacht ist begrifflich ein Unterfall der allgemeinen Vollmacht. Sofern daher eine Vollmacht Vertretungsmacht zur Vornahme der in § 54 Abs. 1 genannten Geschäfte verleiht, ist sie eine Handlungsvollmacht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Kaufmann den Willen hat, eine Handlungsvollmacht zu begründen. Maßgeblich ist allein, dass er eine Vollmacht mit dem in § 54 Abs. 1 geregelten Inhalt erteilt. Er kann 1 ZB MünchKommHGB/Krebs Rn 4. 2 Canaris Handelsrecht § 13 II.; Bork JA 1990, 249 ff. 3 KG NJW-RR 1992, 34 (35); Oetker/Schubert Rn 24. Fischinger
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§ 54
daher mit Wirkung im Außenverhältnis nicht einmal die Geltung des Rechts der Handlungsvollmacht einseitig ausschließen. Es ist einem Kaufmann also nicht möglich, dem Recht der Handlungsvollmacht auszuweichen und stattdessen eine bürgerlich-rechtliche Vollmacht mit dem in § 54 Abs. 1 geregelten Inhalt zu erteilen. Darüber hinaus gilt auch für die Vollmacht § 344 Abs. 1. Wenn daher ein Kaufmann eine Vollmacht erteilt, so wird vermutet, dass sie sich auf den Betrieb des Handelsgewerbes bezieht, so dass im Rahmen der Vermutung von einer Handlungsvollmacht auszugehen ist. Diese Grundsätze gelten auch für eine Generalvollmacht (zu deren Zulässigkeit s. § 49 7 Rn 48 f). Die Generalvollmacht enthält zugleich eine Generalhandlungsvollmacht, weil sie zur Vornahme der in § 54 Abs. 1 genannten Geschäfte bevollmächtigt. Insoweit ist auch auf die Generalvollmacht das Recht der Handlungsvollmacht anwendbar. Dagegen enthält die Generalvollmacht keine Prokura, weil es an der nach § 48 Abs. 1 erforderlichen ausdrücklichen Erklärung der Prokura fehlt.
III. Vollmachtgeber Eine Handlungsvollmacht kann durch jeden Inhaber eines Handelsgeschäfts i.S. von § 1 un- 8 abhängig von der Rechtsform erteilt werden, also durch Einzelkaufleute, Personenhandelsgesellschaften und juristische Personen. Eine Genossenschaft kann Handlungsvollmacht nach § 42 Abs. 2 GenG erteilen. Auch die Vorgesellschaft kann eine Handlungsvollmacht begründen, sofern sie Trägerin eines kaufmännischen Unternehmens ist4 (s. § 48 Rn 10). Ist jemand zu Unrecht im Handelsregister als Kaufmann eingetragen, so kann er gemäß § 5 nicht geltend machen, dass ein unter der Firma betriebenes Gewerbe kein Handelsgewerbe sei; § 54 ist daher anwendbar. Ist der Inhaber des Handelsgeschäfts minderjährig, so bedarf es für die Erteilung einer Handlungsvollmacht – anders als für die Prokuraerteilung – keiner familiengerichtlichen Genehmigung gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB). Auf Gewerbetreibende, die keine Kaufleute sind (Kleingewerbetreibende) und die Kauf- 9 mannseigenschaft auch nicht durch Eintragung im Handelsregister erworben haben, ist § 54 nicht anzuwenden.5 Eine analoge Anwendung scheitert daran, dass die handelsrechtlichen Bestimmungen ganz allgemein die Kaufmannseigenschaft voraussetzen.6 Ein etwa notwendiger Vertrauensschutz ist durch Anwendung der entsprechenden Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht zu erreichen7 (s. Vor § 48 Rn 21 ff). Als Ausnahme von der Beschränkung der Handlungsvollmacht auf Handelsgewerbe ist in § 91 Abs. 1 bestimmt, dass die Grundsätze der §§ 54 und 55 auch zur Anwendung gelangen, wenn ein Handelsvertreter zum Abschluss von Geschäften für einen nichtkaufmännischen Unternehmer bevollmächtigt ist. Für angestellte Bevollmächtigte eines nichtkaufmännischen Unternehmers gilt § 91 Abs. 1 analog (s. § 55 Rn 11, 14). Eine Handlungsvollmacht kann durch eine Liquidationsgesellschaft erteilt werden. Wäh- 10 rend dies für die Prokura umstritten ist (s. § 48 Rn 11 ff), wird die Befugnis der Liquidatoren zur Erteilung einer Handlungsvollmacht seit je anerkannt.8 Der Umfang der Vertretungsmacht richtet sich im Rahmen der Erteilung nach § 149. Auch für ein Handelsgeschäft unter Verwaltung
4 GroßkommGmbHG/Ulmer/Habersack § 11 Rn 61; Hachenburg/Ulmer GmbHG § 11 Rn 47. 5 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 2; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 7; Heymann/Teichmann HGB Rn 13; Müller JuS 1998, 1000 (1005). AA Karsten Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 2. a) aa); Canaris Handelsrecht § 13 VII.; MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hopt/Merkt Rn 6. 6 Oetker/Schubert Rn 6. AA K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 2. a) aa); Canaris Handelsrecht § 13 VII.; MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Hopt/Merkt Rn 6. 7 Heymann/Teichmann HGB Rn 13. 8 Vgl. RGZ 72, 119 (123); ferner Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 3; MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Koller/ Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. 641
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können Handlungsvollmachten erklärt werden, z.B. durch den Insolvenzverwalter, der das Handelsgeschäft fortführt9 (s. im Einzelnen § 48 Rn 15 ff).
IV. Bevollmächtigter 11 Die Erteilung einer Handlungsvollmacht setzt wie allgemein im Vertretungsrecht (s. § 48 Rn 24) Personenverschiedenheit zwischen Kaufmann und zu Bevollmächtigendem voraus. Handlungsvollmacht kann einer natürlichen voll geschäftsfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen (§ 165 BGB) Person erteilt werden. Ein Geschäftsunfähiger kann dagegen kein Handlungsbevollmächtigter sein. Zwar gilt das für die Prokura bestehende Bedenken, dass der Rechtsverkehr durch die Eintragung im Handelsregister irregeführt wird, für die Handlungsvollmacht nicht, da sie im Handelsregister nicht eingetragen wird (s. unten Rn 25). Die Unwirksamkeit ergibt sich jedoch daraus, dass ein Geschäftsunfähiger Willenserklärungen auch als Vertreter nicht wirksam abgeben kann und deshalb eine rechtlich begründete Vertretungsmacht nicht möglich ist. Im Übrigen kann eine Handlungsvollmacht dem Geschäftsunfähigen gegenüber nach § 131 Abs. 1 BGB nicht erklärt werden. 12 Umstritten ist, ob eine Handlungsvollmacht nur an Hilfspersonen des Kaufmanns erteilt werden kann, die in dessen Handelsgewerbe eingebunden sind und daher quasi von innen heraus als Teil des Unternehmens handeln. Während nach einer Ansicht nur Personen Handlungsbevollmächtigte sein können, die dem Kaufmann als Arbeitnehmer, mitgliedschaftlich oder sonst – vor allem familiär – verbunden sind,10 kann nach der zweiten Auffassung Handlungsvollmacht auch an juristisch, wirtschaftlich und organisatorisch außenstehende Dritte (wie z.B. Rechtsanwälte oder Wirtschaftsprüfer) erteilt werden.11 Letzteres überzeugt, auch Außenstehenden kann also richtigerweise Handlungsvollmacht erteilt werden. Dafür spricht schon der Wortlaut von § 54, der eine entsprechende Einschränkung im Sinne der Gegenauffassung in keiner Weise auch nur andeutet. Die Vorschrift des § 55, die den Anwendungsbereich des § 54 auf Handelsvertreter und Handlungsgehilfen in Bezug auf Geschäfte außerhalb des Betriebs des Prinzipals erstreckt, spricht ebenfalls nicht gegen, sondern für die hier vertretene Auffassung, bestätigt sie doch die Einschätzung des Gesetzgebers, dass eine – wie auch immer geartete – Einbindung nicht erforderlich ist. Die gegenteilige Ansicht krankt des Weiteren daran, dass sie in Grenzbereichen notwendigerweise zu der Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs abträglichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen muss. So bleibt nebulös, welches Maß an familiärer Verbundenheit, welcher Grad an Einbindung in das Handelsgewerbe erforderlich, aber auch ausreichend sein soll. Wenn dem entgegengehalten wird, der gesteigerte Verkehrsschutz durch § 54 sei nur gerechtfertigt, wenn der Handlungsbevollmächtigte dergestalt in das kaufmännische Gewerbe eingegliedert sei, dass der Inhaber ihn kontrollieren und steuern könne,12 so vermag das nicht zu überzeugen. Denn ein Kaufmann, der einem nicht im Sinne der Gegenauffassung in sein Handelsgewerbe eingebundenem Dritten eine Handlungsvollmacht erteilt, ist überhaupt nicht schutzwürdig, ist dies doch erstens seine freie Entscheidung, die er zweitens durch Widerruf auch jederzeit korrigieren kann. Umgekehrt aber ist der Rechtsverkehr sehr wohl schutzwürdig, kann er doch vielfach diese Einbindung gar nicht beurteilen. Die Gegenansicht führt mithin dazu, dass § 54 noch weiter an praktischer Bedeutung verliert. Überdies beruht die Gegenauffassung auf einer unzulässigen Gleichsetzung der Handlungsvollmacht als Vertretungsmacht mit der sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Stellung des Handlungsbe9 Obermüller BB 1957, 412; Grothus DB 1960, 775; MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Weber Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. 10 K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 1. a); Heymann/Teichmann HGB Rn 8; Krebs ZHR 1995, 635 (647 ff); MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Hopt/Merkt Rn 1; Drexl/Mentzel Jura 2002, 289 (296). 11 KG NZG 2014, 150 (ohne Diskussion der Problematik); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 5. 12 So z.B. Oetker/Schubert Rn 10. Fischinger
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vollmächtigten im Unternehmen und ist mit dem Trennungsgrundsatz (s. Vor § 48 Rn 35) nicht vereinbar. Das Recht der Handlungsvollmacht betrifft die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten, nicht aber dessen Stellung zum Kaufmann im Innenverhältnis. Es ist deshalb kein Grund dafür ersichtlich, die Anwendung des Rechts der Handlungsvollmacht davon abhängig zu machen, in welchem Verhältnis der Bevollmächtigte zu dem Kaufmann steht. Die weiteren Anforderungen an die Person dessen, dem die Handlungsvollmacht erteilt wer- 13 den soll, richten sich im Wesentlichen nach den für die Prokura geltenden Grundsätzen (s. § 48 Rn 22 ff). Es sind aber einige Besonderheiten zu beachten. Die Erteilung der Handlungsvollmacht an eine juristische Person wird im Gegensatz zur Prokura nach hM für zulässig gehalten.13 Richtigerweise sollte jedoch die Handlungsvollmacht nur eingeschränkt zugelassen werden. Die Generalhandlungsvollmacht und die Arthandlungsvollmacht bergen ähnlich wie die Prokura das Risiko weitreichender Verpflichtungen des Kaufmanns. Sie sind auf eine gewisse Stabilität des Vertretungsverhältnisses angelegt, da von ihnen nicht nur im Einzelfall Gebrauch gemacht wird. Diese Stabilität ist, wie § 58 zeigt, mit der Person des Handlungsbevollmächtigten verbunden, wozu die wechselnde Ausübung von Vertretungsbefugnissen durch die Organe einer juristischen Person (s. § 48 Rn 23) nicht passt. Die Erteilung von Generalhandlungsvollmacht und Arthandlungsvollmacht an eine juristische Person ist deshalb als unzulässig zu betrachten. Die dargestellten Bedenken gelten jedoch nicht für eine Spezialhandlungsvollmacht, die daher auch einer juristischen Person erteilt werden kann. Ein Aufsichtsratsmitglied einer Aktiengesellschaft kann gemäß § 105 Abs. 1 AktG kein zum 14 gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter der Gesellschaft sein. Die Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht ist daher unzulässig (näher dazu § 48 Rn 40 sowie § 52 Rn 41); unberührt bleibt allerdings die Möglichkeit, ihm eine Art- oder Spezialhandlungsvollmacht zu erteilen.14 Gleiches gilt für die sonstigen von § 1 MitbestG erfassten Unternehmen, § 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG. Die Möglichkeit der Erteilung von Arthandlungsvollmacht und Spezialhandlungsvollmacht bleibt davon unberührt. Für Aufsichtsratsmitglieder einer GmbH gilt im Übrigen die Regelung bei Fehlen einer abweichenden Satzungsbestimmung entsprechend, § 52 Abs. 1 GmbHG. Einem Prokuristen kann regelmäßig keine Handlungsvollmacht erteilt werden, weil er die 15 damit zu begründende Vertretungsmacht bereits durch seine Prokura hat. Eine Handlungsvollmacht ist aber dann zulässig, wenn sie Befugnisse verleiht, die über die Prokura hinausgehen. So kann etwa, statt die Prokura gemäß § 49 Abs. 2 auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken zu erstrecken, dem Prokuristen eine Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 2 mit diesem Inhalt erteilt werden.15 Auf diese Weise wird der für die Prokura geltende Eintragungszwang (s. § 49 Rn 36) vermieden. Ein Gesamtprokurist kann Handlungsvollmacht erhalten und in deren Umfang Rechtsgeschäfte allein vornehmen.16 Dem nur zusammen mit einem vertretungsberechtigten Gesellschafter zeichnungsberechtigten Prokuristen kann eine Gesamthandlungsvollmacht zusammen mit einem weiteren Handlungsbevollmächtigten erteilt werden.17 Der Niederlassungsprokurist kann eine Handlungsvollmacht für andere Niederlassungen desselben Kaufmanns erhalten.18
13 K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 1. a); Hopt/Merkt Rn 7; Heymann/Teichmann HGB Rn 11. AA Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Weber Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 11. S. dazu eingehend Bondi ZBH 1929, 34 ff. – Schwierigkeiten bereitet hierbei jedoch, so man eine solche entgegen der hier vertretenen Auffassung fordert (Rn. 12), die Einbindung der juristischen Person in das Handelsgewerbe des Kaufmanns (insoweit zutreffend Oetker/Schubert Rn 11). 14 MünchKommHGB/Krebs Rn 12. 15 Heymann/Teichmann HGB Rn 10. 16 RGZ 90, 299 (300). 17 BGH WM 1961, 321 (322). 18 Heymann/Teichmann HGB Rn 10. 643
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V. Erteilung 1. Erklärungsperson 16 a) Inhaber des Handelsgeschäfts. Die Handlungsvollmacht wird durch den Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. seinen gesetzlichen Vertreter erteilt. Im letzteren Falle ist die Genehmigung des Familiengerichts – anders als bei der Bestellung eines Prokuristen – nach §§ 1643 Abs. 1, 1822 Nr 11 BGB (ab 1.1.2023: § 1852 Nr. 3 BGB) nicht erforderlich. Wird das Handelsgeschäft von einem Verwalter geführt (s. oben Rn 10), so hat dieser die Bevollmächtigung zu erklären, z.B. der Insolvenzverwalter.19
17 b) Handelsgesellschaft. Für Handelsgesellschaften erfolgt die Bevollmächtigung durch den organschaftlichen Vertreter der Gesellschaft. In der GmbH unterliegt die Bestellung von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb gemäß § 46 Nr. 7 GmbHG der Bestimmung der Gesellschafter. Dabei handelt es sich um eine rein interne Zuständigkeitsverteilung. Die Bevollmächtigung erfolgt allein durch den Geschäftsführer als organschaftlichem Vertreter der GmbH. Sie ist auch dann wirksam, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss fehlt20 oder sie im Widerspruch zu einem Gesellschafterbeschluss vorgenommen worden ist. Im Gesellschaftsvertrag oder in der Satzung enthaltene Zustimmungsvorbehalte wirken ebenfalls nur intern (s. für die Prokura § 48 Rn 51 ff). Die Wirksamkeit der Bevollmächtigung hängt von der Beachtung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht ab.
18 c) Rechtsgeschäftlicher Vertreter. Die Beschränkung der Erteilung der Prokura auf den Inhaber des Handelsgeschäfts bzw. seinen gesetzlichen Vertreter nach § 48 Abs. 1 gilt für die Handlungsvollmacht nicht. Die Bevollmächtigung kann deshalb im Namen des Kaufmanns von jeder Person erklärt werden, die eine dafür ausreichende Vertretungsmacht hat. Ein Prokurist kann eine Handlungsvollmacht erteilen,21 weil dies zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehört. Bei einem Generalbevollmächtigten und einem sonstigen nach bürgerlichem Recht Bevollmächtigten kommt es darauf an, ob deren Vollmacht ausdrücklich die Bestellung von Handlungsbevollmächtigten umfasst bzw. dies im Wege der Auslegung ihrer Vollmacht festgestellt werden kann. Selbst ein Handlungsbevollmächtigter kann weitere Handlungsbevollmächtigte bestellen; s. dazu § 58 Rn 6 ff.
2. Rechtsgeschäft 19 a) Einseitige Willenserklärung. Die Erteilung der Handlungsvollmacht erfolgt wie jede Bevollmächtigung durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung.22 Es gelten dafür die allgemeinen Regeln über die Vollmacht (zum Problem der Unabhängigkeit der Vollmacht vom Grundverhältnis s. Vor § 48 Rn 35 ff). Einer Annahmeerklärung des Handlungsbevollmächtigten bedarf es zur Wirksamkeit der Bevollmächtigung nicht. Im Falle einer Generalhandlungsvollmacht kann sich hieraus ein Kollisionsproblem ergeben, sofern Aufsichtsratsmandat 19 Obermüller BB 1957, 412; Grothus DB 1960, 775; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 3; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 3; Hopt/Merkt HGB Rn 6.
20 RGZ 75, 164 (166 ff); BGHZ 62, 166 (168); BGH WM 1978, 1047 (1048); BGH NJW 1988, 1199 (1200). 21 BGH DB 1952, 949. 22 Unzutreffend ist die Ansicht von Bucher Festgabe Bürgi, 1971, S. 40 Fn 2, die Handlungsvollmacht löse wesensmäßig Vertretungswirkungen nicht aufgrund eines (rechtsgeschäftlichen) Willens des Vertretenen, sondern aufgrund eines Rechtsscheins aus; s. dazu bereits § 48 Rn 2. Fischinger
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und Stellung als Handlungsbevollmächtigter miteinander unvereinbar sind (§§ 105 Abs. 1 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG, 6 Abs. 2 Satz 1 MitbestG). Es gelten dafür die gleichen Grundsätze wie für die Unvereinbarkeit von Aufsichtsratsmandat und Prokura (s. § 48 Rn 40). Die Vollmachtserteilung ist als Willenserklärung zwar grundsätzlich nach den §§ 119 ff BGB anfechtbar. Ein Irrtum des Kaufmanns über den gesetzlich vermuteten Umfang der von ihm erteilten Vollmacht stellt jedoch keinen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum dar.23
b) Erklärungsempfänger. Die Erteilung der Handlungsvollmacht erfolgt gewöhnlich durch Er- 20 klärung gegenüber dem künftigen Handlungsbevollmächtigten (§ 167 Abs. 1, 1. Fall BGB, sog. Innenvollmacht). Die Vollmacht kann aber auch dem Dritten erklärt werden, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll (§ 167 Abs. 1, 2. Fall BGB),24 sowie durch öffentliche Bekanntmachung (§ 171 Abs. 1 BGB) erfolgen, sog. Außenvollmacht.
c) Form. Die Prokura kann gemäß § 48 Abs. 1 nur durch eine ausdrückliche Erklärung erteilt 21 werden. Für die Handlungsvollmacht besteht hingegen keine derartige Beschränkung. Die Erteilung ist daher an keine Form gebunden und kann insbesondere stillschweigend bzw. durch schlüssiges Verhalten erfolgen.25 Davon wird in der Rechtsprechung häufig ausgegangen. Sie weist insgesamt die Tendenz auf, eine stillschweigende oder konkludente Erteilung der Handlungsvollmacht anzunehmen, wenn einer Person innerhalb des kaufmännischen Unternehmens eine Stellung eingeräumt wird, mit der nach der Verkehrsauffassung gewöhnlich eine Handlungsvollmacht verbunden ist.26 Einzelfälle. Die Erteilung einer Handlungsvollmacht ist z.B. angenommen worden: konklu- 22 dent in der Überlassung der Geschäftsführung;27 in der Bestellung des Schalterpersonals einer Bank für alle Geschäfte, die der Schalterverkehr gewöhnlich mit sich bringt;28 in der Beschäftigung eines Bankangestellten zur Erteilung von mündlichen Auskünften, selbst wenn allgemein für die Vertretung die Erklärung von mindestens zwei vertretungsberechtigten Personen vorgesehen ist;29 in der Bestellung zum Vorsteher einer Depositenkasse für Geschäfte, die nach der Verkehrsauffassung von ihm allein vorgenommen werden können;30 die Ernennung zum „Deputy General Director“31 oder zum „Head of Personnel and Finance“.32 Ein zur Bedienung des Fernsprechers eingesetzter Angestellter wird dadurch nicht zur Abgabe bindender Erklärungen bevollmächtigt,33 kann aber Erklärungen, insbesondere Mängelanzeigen gemäß § 377, mit Wir-
23 Fischinger Handelsrecht Rn 443; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 6; Hopt/Merkt Rn 10. 24 Vgl. BGH WM 1976, 769. 25 RGZ 1, 8 (9); RGZ 90, 299 (300); RGZ 100, 48 (49); BGH WM 2003, 749 (750); BGH WM 2015, 1580; OLG München OLGE 36 (1918), 248; LAG Mecklenburg-Vorpommern 28.7.2017 – 5 Ta 34/17, juris Rn 28. Zum Ausschluss einer stillschweigenden Bevollmächtigung durch die Satzung einer Sparkasse s. RGZ 116, 247 (252 ff); RG LZ 1928, 56 ff; RG Warneyer 1932 Nr. 155. 26 Vgl. z.B. BGH NJW 1982, 1389 (1390); NJW 2015, 2584 (2588). 27 OLG München OLGE 36 (1918), 248; OLG München OLGZ 1966, 25 (26); LAG Mecklenburg-Vorpommern 28.7.2017 – 5 Ta 34/17, juris Rn 28; vgl. auch OLG Düsseldorf WuW 2018, 49. 28 RGZ 86, 86 (89); vgl. auch RGZ 118, 234 (237 ff). 29 BGH WM 1973, 635 (dort auch zur Bedeutung eines Hinweises des Vertreters, er sei für die Auskunftserteilung nicht zuständig). 30 BGH LM § 665 BGB Nr. 2. 31 BGH NJW 2015, 2584 (2588). 32 OLG Stuttgart VersR 2018, 748 (750). 33 RG LZ 1926, 925. 645
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kung gegen den Kaufmann entgegennehmen.34 Die Erteilung einer Gesamtprokura enthält nicht ohne Weiteres zugleich die Erteilung einer (Einzel-)handlungsvollmacht.35 23 Bei einem größeren Unternehmen, welches im Rahmen eines umfassenden Vertriebs- und Kundendienstnetzes Reparaturannahmestellen unterhält, kann dem zur Annahme der Geräte und zur Verhandlung mit den Kunden eingesetzten Personal Handlungsvollmacht für die Erledigung aller mit einem Reparaturauftrag zwangsläufig verbundenen Geschäfte schlüssig erteilt sein.36 Wird das Personal angewiesen, sich verbindlicher Erklärungen zu enthalten, so ist die Bedeutung dieser Erklärung durch Auslegung festzustellen. Es kann sich dabei um eine nur das Innenverhältnis betreffende Beschränkung handeln, die das Bestehen der Handlungsvollmacht unberührt lässt37 (s. dazu auch Vor § 48 Rn 41 f). Es kann aber auch gemeint sein, dass eine zu Erklärungen im Außenverhältnis befähigende Handlungsvollmacht nicht erteilt werden soll. Eine Vertretungsmacht kann dann nur gemäß § 56 oder nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht bestehen. 24 Außer durch schlüssiges Verhalten kann die Handlungsvollmacht auch nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht entstehen (s. unten Rn 90 ff). Eine Handlungsvollmacht kann ferner dadurch gegeben sein, dass eine als Prokura erteilte Vertretungsmacht nur noch im Umfang einer Handlungsvollmacht fortbestehen kann.38 Die unwirksame Erteilung einer Prokura oder Generalvollmacht kann in die Erteilung einer Handlungsvollmacht gemäß § 140 BGB umzudeuten sein.39
3. Eintragung 25 Im Gegensatz zur Prokura ist die Erteilung einer Handlungsvollmacht keine in das Handelsregister einzutragende Tatsache. Sie ist nicht einmal der Eintragung fähig. Als Folge davon entfällt der Schutz des gutgläubigen Rechtsverkehrs nach § 15. Der Rechtsverkehr kann sich insbesondere nicht ohne Weiteres auf das Bestehen einer Handlungsvollmacht verlassen. Damit kann die Handlungsvollmacht das Ziel des kaufmännischen Vertretungsrechts, dem Rechtsverkehr eine sichere Grundlage für die Beurteilung der Vertretungsverhältnisse zu bieten, nicht ohne Weiteres erreichen. Insbesondere hat der Rechtsverkehr sich selbst Gewissheit darüber zu verschaffen, ob eine Handlungsvollmacht wirksam erteilt worden ist (zur Annahme stillschweigend erteilter Vollmachten s. oben Rn 21). Der Schutz des guten Glaubens wird nur in den gegenüber § 15 engeren Grenzen der allgemeinen Grundsätze über die Rechtsscheinvollmacht bewirkt (s. unten Rn 90 ff). Ein zusätzlicher Schutz besteht nach § 56.
4. Anspruch auf Erteilung 26 Wegen der zwingend bestimmten jederzeitigen Widerruflichkeit der Prokura kann ein Anspruch auf Erteilung einer Prokura nicht wirksam begründet werden (s. § 48 Rn 70). Die Handlungsvollmacht ist dagegen zwar widerruflich, aber nicht jederzeit zwingend widerruflich (s. unten Rn 84). Es kann daher ein Anspruch auf Erteilung einer Handlungsvollmacht vertraglich begründet werden,40 wobei allerdings die Grenzen zu beachten sind, die sich aus der Widerruflichkeit der Handlungsvollmacht ergeben (s. unten Rn 83). Eine unwirksame Vereinbarung über 34 35 36 37 38 39 40
RGZ 102, 295 (296). RGZ 90, 299 (300). BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte. So BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte, wo aber die Auslegungsproblematik nicht gesehen wird. So RGZ 72, 119 (123) für die Liquidationsgesellschaft; s. dazu aber auch § 52 Rn 47. BGH WM 1978, 1047 (1048). Weimar MDR 1974, 721.
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einen Anspruch auf Erteilung der Prokura kann gemäß § 140 BGB in eine Vereinbarung über eine Handlungsvollmacht umzudeuten sein.
VI. Umfang 1. Grundlagen Die für die Praxis wichtigste und zugleich schwierigste Problematik der Handlungsvollmacht 27 betrifft ihren Umfang. Die Fassung des § 54 kann leicht zu Missverständnissen führen. Trotz der Regelung in § 54 Abs. 1 ist die Handlungsvollmacht im Gegensatz zur Prokura keine Vertretungsmacht mit gesetzlich festgelegtem Umfang. Der Inhalt der Handlungsvollmacht kann vielmehr von dem Kaufmann ohne Bindung an gesetzliche Vorgaben selbst bestimmt werden. Das ergibt sich aus § 54 Abs. 3, wonach ein Dritter von dem Kaufmann festgelegte Beschränkungen der Handlungsvollmacht gegenüber dem in § 54 Abs. 1 geregelten Umfang gegen sich gelten lassen muss, wenn er sie kannte oder kennen musste. Damit wird die Wirksamkeit derartiger Beschränkungen vorausgesetzt, weil sie anderenfalls überhaupt nicht gelten würden, auch nicht gegen einen Dritten, der sie kennt. Die Handlungsvollmacht lässt sich daher als eine Vollmacht bezeichnen, deren Umfang von 28 dem Kaufmann bestimmt (Rn 31 ff – sub 3.) und subsidiär – dh beim Fehlen einer derartigen Bestimmung – durch das Gesetz festgelegt wird (dazu Rn 40 ff – sub 4.). Neben dem fehlenden Registerschutz (s. oben Rn 25) ist dies der zweite Grund dafür, dass die Handlungsvollmacht in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung das Ziel des kaufmännischen Vertretungsrechts, dem Rechtsverkehr eine sichere Beurteilung für die Vertretungsverhältnisse zu ermöglichen, nur bedingt erreicht. Wenn ein Dritter den Umfang der Vertretungsmacht falsch beurteilt, so schadet ihm nach § 54 Abs. 3 schon einfache Fahrlässigkeit. In Zweifelsfällen muss der Rechtsverkehr daher, wenn er Unsicherheiten ausschließen will, den Umfang der Handlungsvollmacht stets im Einzelfall feststellen. § 54 regelt demnach in Abs. 1 eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten Umfang 29 der erteilten Handlungsvollmacht, in Abs. 2 negativ Ausnahmen von dieser Vermutung und in Abs. 3 einen Vertrauenstatbestand.
2. Allgemeine Begrenzung der Vertretungsmacht Eine Handlungsvollmacht ist nur eine Vollmacht zum Betrieb eines Handelsgewerbes. Dement- 30 sprechend ist der Handlungsbevollmächtigte nicht befähigt, private Geschäfte des Inhabers des Handelsgeschäfts zu tätigen;41 bei der Abgrenzung ist § 344 Abs. 1 zu beachten. Gleichermaßen gehören Geschäfte und Rechtshandlungen, welche die Grundlagen des Unternehmens betreffen, nicht zum Betrieb des Handelsgewerbes und werden von der Handlungsvollmacht folglich nicht gedeckt; es gilt insoweit das zur Prokura Gesagte weitgehend entsprechend (s. § 49 Rn 17).
3. Bestimmung des Umfangs durch den Kaufmann a) Grundlagen. Der Kaufmann entscheidet, ob er eine Handlungsvollmacht erteilt, für wel- 31 chen Bereich sie gelten (Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht oder Spezialhandlungsvollmacht) und welchen Umfang die einzelne Vollmacht haben soll. Nur wenn der 41 BGH WM 1976, 769 (Ausstellung eines Schecks zu privaten Zwecken); OLG Kiel OLGE 38 (1919), 173 (Miete einer Privatwohnung). 647
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Kaufmann bei der Vollmachtserteilung den Umfang der Handlungsvollmacht nicht näher bestimmt, greifen § 54 Abs. 1 und 2 ein (s. Rn 40).
32 b) Rechtsgeschäftliche Erweiterung/Begrenzung. Der Kaufmann kann die Vollmacht über den Umfang des § 54 Abs. 1 hinaus erweitern42 oder zusätzlich zu § 54 Abs. 2 beliebige Geschäfte von der Vertretungsmacht ausnehmen. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann die erteilte Handlungsvollmacht allenfalls dann wirksam eingeschränkt werden, wenn der Geschäftspartner darauf rechtzeitig bei Vertragsschluss hingewiesen wird.43 Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass nach Vertragsschluss getroffene mündliche Abmachungen zwischen dem Kunden und dem Vertreter ohne schriftliche Bestätigung keine Gültigkeit haben, sind unwirksam.44 Von dem Kaufmann bestimmte Beschränkungen müssen nicht notwendig die Vertretungs33 macht betreffen. Es kann sich auch um bloße Anweisungen im Innenverhältnis handeln, dass der Handlungsbevollmächtigte von seiner bestehenden Vertretungsmacht keinen oder nur einen eingeschränkten Gebrauch machen soll.45 Derartige Weisungen sind im Innenverhältnis verbindlich und von dem Handlungsbevollmächtigten zu befolgen. Verstößt er gegen die Weisungen, so kann er sich bei Verschulden nach § 280 Abs. 1 BGB (und gegebenenfalls auch nach § 266 Abs. 1 StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB)46 schadensersatzpflichtig machen und einen Anlass für den Widerruf der Handlungsvollmacht oder die Kündigung des Anstellungsverhältnisses geben; es gelten insoweit im Wesentlichen die Ausführungen zur Prokura entsprechend (s dazu näher § 50 Rn 55). 34 Im Außenverhältnis zu Dritten haben Weisungen, sofern sie nicht die Vertretungsmacht selbst betreffen, grundsätzlich keine Wirkung. Das von dem Handlungsbevollmächtigten vorgenommene Geschäft ist daher nicht wegen des Verstoßes gegen eine Weisung unwirksam. Es gelten jedoch die allgemeinen Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht (s. unten Rn 77), so dass die an sich rein im Innenverhältnis relevante Weisung doch wieder Auswirkungen auf das Außenverhältnis haben kann. Ob eine Weisung an den Handlungsbevollmächtigen eine Beschränkung der Vertretungsmacht oder eine interne Weisung darstellen soll, ist durch Auslegung zu ermitteln.
35 c) Gesamthandlungsvollmacht. Obwohl eine § 48 Abs. 2 entsprechende Bestimmung fehlt, ist anerkannt, dass der Kaufmann die Handlungsvollmacht als Gesamthandlungsvollmacht personell beschränken kann, indem er mehreren Personen Gesamtvertretungsmacht erteilt.47 Hierfür gelten im Wesentlichen die gleichen Grundsätze wie für die Prokura (s. § 48 Rn 84 ff). 36 Eine echte Gesamthandlungsvollmacht liegt vor, wenn alle Gesamtvertreter Handlungsbevollmächtigte sind. Der Gesamthandlungsbevollmächtigte kann auch an die Mitwirkung eines Einzelhandlungsbevollmächtigten gebunden werden (halbseitige Gesamthandlungsvollmacht). Der Gegenstand der Handlungsvollmacht ist ohne Belang. Von mehreren Gesamtvertretern kann daher einer eine Generalhandlungsvollmacht, ein anderer eine Arthandlungsvollmacht oder eine Spezialhandlungsvollmacht haben. Außerdem können einer Person gleichzeitig Einzel-
42 Vgl. RGZ 88, 231 (236). 43 BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte. Vgl. auch BGH JZ 1986, 698 (699); LG Hamburg ZIP 1981, 746; Lindacher JR 1982, 1 ff. BGH JZ 1986, 698 (699). Vgl. auch Lindacher JR 1982, 1 ff. BGH WM 1976, 769; BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte. Siehe LAG Rheinland-Pfalz 30.1.2008 – 8 Sa 601/06, juris Rn 33. BGH WM 1964, 151; OLG München 26.1.2011 – 34 Wx 151/10, juris Rn 10.
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handlungsvollmacht und Gesamthandlungsvollmacht mit verschiedenem Umfang erteilt werden, z.B. Einzelarthandlungsvollmacht und Gesamtgeneralhandlungsvollmacht.48 Die Handlungsvollmacht kann zur gemischten Gesamtvertretung benutzt werden, indem 37 der Handlungsbevollmächtigte Gesamtvertretungsmacht mit einer anderen Person erhält, deren Vertretungsmacht keine Handlungsvollmacht ist.49 Insbesondere kann der Handlungsbevollmächtigte an die Mitwirkung eines Einzelprokuristen gebunden werden. Eine Gesamtvertretung durch einen Gesamtprokuristen und einen Gesamthandlungsbevollmächtigten ist dagegen nicht möglich,50 weil ein Prokurist nicht an die Mitwirkung eines Handlungsbevollmächtigten gebunden werden kann (s. § 48 Rn 108 f). Hier muss dem Gesamtprokuristen eine zusätzliche Gesamthandlungsvollmacht erteilt werden.51 Dies kann stillschweigend geschehen52 und konkludent in der Bestellung des anderen Gesamthandlungsbevollmächtigten53 oder der Erteilung der Prokura liegen.54 Möglich ist auch die Begründung einer Gesamtvertretungsmacht zusammen mit einem 38 organschaftlichen Vertreter einer Handelsgesellschaft.55 Anders als ein Prokurist kann jedoch ein Handlungsbevollmächtigter nicht zum Gesamtvertreter im Rahmen der gesetzlichen Vertretung einer Handelsgesellschaft berufen werden, da dies in §§ 125 Abs. 3 HGB, 78 Abs. 3 AktG und 25 Abs. 2 GenG nicht vorgesehen ist und das Erfordernis der Kundbarmachung der gesetzlichen Vertretung im Handelsregister wegen der fehlenden Eintragungsfähigkeit der Handlungsvollmacht nicht erfüllt werden kann. Demzufolge kann der Handlungsbevollmächtigte stets nur im Umfang seiner Handlungsvollmacht vertreten, nicht dagegen im Umfang der organschaftlichen Befugnisse (vgl. dazu § 48 Rn 114 f).
d) Niederlassung. Der Kaufmann kann die Ausübung der Handlungsvollmacht auf den Betrieb 39 einer oder mehrerer Niederlassungen beschränken.56 Es ist dafür anders als bei der Prokura (§ 50 Abs. 3) nicht notwendig, dass der Kaufmann die Niederlassung unter einer selbständigen Firma betreibt. Anders als bei der Prokura (s. § 50 Rn 20 ff) ist unstrittig, dass der Kaufmann bestimmen kann, dass die Niederlassungshandlungsvollmacht nur zu solchen Geschäften bevollmächtigt, die tatsächlich zum Tätigkeitsbereich der betreffenden Niederlassung gehören. 4. Subsidiär: Gesetzliche Umschreibung Hat der Kaufmann bei der Erteilung der Handlungsvollmacht keine nähere Bestimmung über 40 ihren Umfang getroffen, so wird dieser durch § 54 Abs. 1 und 2 allgemein festgelegt.
a) Regelmäßiger Umfang, Abs. 1. Der Umfang der Vertretungsmacht wird in § 54 Abs. 1 auf 41 dreifache Weise festgelegt: durch die Art des Handelsgewerbes, durch die Üblichkeit des Geschäftes und durch die Art der Handlungsvollmacht.
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BGH WM 1957, 1055 (1056); HansOLG Hamburg MDR 1961, 855 (856). Kritisch MünchKommHGB/Krebs Rn 23. Vgl. HansOLG Hamburg OLGE 46 (1928), 257. Vgl. BGH WM 1964, 151. Dasselbe gilt für einen Prokuristen als gemischten Gesamtvertreter: BGH WM 1961, 321 (322). 52 Vgl. dazu und zu den Nachweisanforderungen im Grundbuchverkehr LG Siegen Rpfleger 1986, 482. 53 LG Berlin JW 1937, 2835; Heim NJW 1961, 1516. 54 BGH WM 1964, 151. 55 LG Berlin JW 1937, 2835; Heim NJW 1961, 1515 f. 56 Vgl. RG LZ 1911, 221. 649
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42 aa) Art des Handelsgewerbes. Das Geschäft muss zu einem Handelsgewerbe gerade der Art, wie es der Kaufmann betreibt, gehören. Hierdurch unterscheidet sich die Handlungsvollmacht wesentlich von der Prokura, die nach § 49 Abs. 1 stets zu allen Geschäften bevollmächtigt, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt. Es ist aber für die Handlungsvollmacht nicht notwendig, dass vergleichbare Geschäfte gerade in dem Unternehmen des Kaufmanns tatsächlich vorgenommen werden. Es reicht aus, wenn das vorgenommene Geschäft allgemein zum Tätigkeitsbereich von Unternehmen der Art gehört, wie es von dem Kaufmann betrieben wird. Danach können z.B. der Handlungsbevollmächtigte eines Teppichhändlers keine Bankiersgeschäfte, der Handlungsbevollmächtigte eines Versicherers keine Geldwechslergeschäfte und der Handlungsbevollmächtigte eines Buchverlages keine Gaststättengeschäfte vornehmen. 43 Die Handlungsvollmacht kann im Rahmen der Branchenüblichkeit an jedem Ort ausgeübt werden. Zwar ist sie nach § 54 Abs. 1 auf den Betrieb des Handelsgewerbes beschränkt. Der Ausdruck „Betrieb“ bezeichnet jedoch nicht die Räumlichkeit der Niederlassung des Kaufmanns, sondern seinen unternehmerischen Tätigkeitsbereich (s. § 55 Rn 17). Die gewöhnliche Handlungsvollmacht kann daher auch zur Vornahme von Geschäften außerhalb der Niederlassung bevollmächtigen. Der Kaufmann kann aber rechtsgeschäftlich Einschränkungen der Handlungsvollmacht vorsehen, die Dritten gegenüber nach Maßgabe des § 54 Abs. 3 wirken. Außerdem kann die Handlungsvollmacht gemäß § 55 auf den Außendienst beschränkt werden.
44 bb) Üblichkeit. Die Handlungsvollmacht erstreckt sich nur auf gewöhnliche Geschäfte. Dies steht wiederum im Gegensatz zur Prokura, die auch zu unüblichen und sogar ganz ungewöhnlichen Geschäften bevollmächtigt (§ 49 Abs. 1), sofern es nur überhaupt Geschäfte sind, die der Betrieb irgendeines Handelsgewerbes mit sich bringt. Maßgeblich ist, welche Geschäfte üblicherweise in Unternehmen vergleichbarer Art vorgenommen werden (Branchenüblichkeit); nicht notwendig ist es demgegenüber, dass das Geschäft gerade in dem Unternehmen des Kaufmanns, den der Handlungsbevollmächtigte vertritt, üblich ist. Andererseits wird ein Geschäft von der Handlungsvollmacht gedeckt, wenn es in dem Betrieb des Kaufmanns häufig vorkommt,57 auch wenn es nicht branchenüblich ist. Bei einer auf eine Niederlassung beschränkten Handlungsvollmacht kommt es darauf an, was in einer Zweigniederlassung üblich ist.58 45 Im Übrigen gibt das Gesetz keine nähere Erläuterung dessen, was als üblich anzusehen ist, sondern bestimmt in § 54 Abs. 2 nur negativ, welche Geschäfte nicht üblich sind. Ein Umkehrschluss aus § 55 Abs. 2 bis 4 ist nicht statthaft, weil es sich bei diesen Regelungen um Besonderheiten des Außendienstes handelt, die für eine gewöhnliche Handlungsvollmacht, bei der es auf die jeweilige Üblichkeit ankommt, nichts besagen. Die fehlende Konkretisierung im Gesetz ist ein weiterer Grund dafür, weshalb die Tragweite einer Handlungsvollmacht und damit die Vertretungsverhältnisse im Rechtsverkehr keineswegs klar sind. 46 Die Kriterien für die Beurteilung der Üblichkeit lassen sich nicht abschließend angeben. Von Bedeutung können u.a. sein: die Größe des Unternehmens;59 der Gegenstand des Geschäfts; die wirtschaftliche und finanzielle Tragweite des Geschäfts;60 die Vertragsbedingungen; das Ausmaß einer Bindung der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit des Kaufmanns;61 die äußeren Umstände der Geschäftsvornahme; die Person des Geschäftspartners; die Zuweisung bestimmter Aufgaben im Organisationsbereich des Unternehmens.62 Die Feststellung, ob es sich
57 58 59 60 61 62
BGH WM 1976, 769; BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte; BGH WM 2003, 749 (750). RG LZ 1911, 221 stellt auf die Niederlassung des einzelnen Kaufmanns ab. BGH DB 1978, 2118 (2119); BGH WM 2003, 749 (750). RGZ 52, 89 (90); BGH WM 2003, 749 (750); OLG Stuttgart VersR 2018, 748. OLG Düsseldorf DB 1988, 1063. OLG Stuttgart VersR 2018, 748.
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um ein gewöhnliches Geschäft handelt, liegt vornehmlich auf tatsächlichem Gebiet und ist insoweit einem Beweis durch Sachverständigengutachten zugänglich.63
cc) Art der Handlungsvollmacht. Das Geschäft muss schließlich seiner Art nach von der er- 47 teilten Handlungsvollmacht gedeckt sein. Bei einer Generalhandlungsvollmacht ist das ohne Weiteres der Fall, weil sie zu allen branchenüblichen Geschäften bevollmächtigt. Bei einer Arthandlungsvollmacht muss das Geschäft darüber hinaus zu dem Wirkungskreis gehören, für den die Handlungsvollmacht erteilt worden ist. Die Spezialhandlungsvollmacht deckt von vornherein nur die einzelnen Geschäfte, für welche die Vollmacht erteilt worden ist. Hat der Kaufmann den Inhalt des Geschäftes vorgegeben und der Spezialhandlungsbevollmächtigte es dementsprechend vorgenommen, so kommt es auf die Branchenüblichkeit nicht weiter an. Sie ist bei der Spezialhandlungsvollmacht nur dann von Bedeutung, wenn der nähere Inhalt des einzelnen Geschäfts bei der Erteilung der Vollmacht offengeblieben ist. Die Vollmacht erstreckt sich auf die Vereinbarung üblicher Vertragsklauseln.
dd) Einzelfälle. Die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle sind nicht ohne Weiteres ver- 48 allgemeinerungsfähig, weil die Annahme oder Ablehnung einer wirksamen Handlungsvollmacht davon abhängt, welches Handelsgewerbe und welcher Gegenstand der Handlungsvollmacht im Einzelfall gegeben sind. Auch kann sich die Branchenüblichkeit im Laufe der Zeit ändern. Die nachfolgenden Hinweise sind deshalb im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen des Einzelfalls zu verstehen. Als von der Handlungsvollmacht umfasst wurden angesehen: Einkauf von Waren durch 49 in der Einkaufsabteilung tätige Personen, auch wenn die Handlung nicht zu dem besonderen Tätigkeitsgebiet des Bevollmächtigten gehört;64 Angaben über Inhalt und Bedeutung der Vertragsbedingungen durch Schalterangestellte einer Bank;65 verbindliche Angaben über die Reparaturzeit durch Beschäftigte von Reparaturannahmestellen eines großen Unternehmens mit umfassendem Vertriebs- und Kundendienstnetz;66 Rückkauf eines gerade verkauften Neuwagens;67 Gestaltung von Vertragsklauseln durch einen cif-Agenten;68 Annahme von Zahlungen durch Kassenangestellte69 (zur Vollmacht des Geschäftsstellenleiters einer Bank s. noch unten Rn 51); Devisenverkäufe eines Lebensmittelimportgeschäftes;70 Abschluss eines mietähnlichen Vertrages durch ein Transportunternehmen über einen in seinem Betrieb zu verwendenden Wagen;71 Zahlungen durch Scheck;72 Schuldanerkenntnis durch einen Stationsleiter einer Tankstelle wegen Falschbetankung eines Kundenfahrzeugs;73 Errichtung weiterer Bankkonten mit gleicher Zeichnungsbefugnis bei einer Handlungsvollmacht für den Bankverkehr;74 Ausübung von Stimmrechten bei einer Tochtergesellschaft;75 Abschluss einer Versicherung gegen Einbruchdiebstahl durch einen Filialleiter;76 Abschluss eines Speditionsvertrages unter Umgehung besat63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 651
Canaris Handelsrecht § 13 III. 2. KG OLGE 40 (1920), 183. RGZ 86, 86 (89). BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte. OLG Brandenburg 30.9.2008 – 6 U 137/07, juris Rn 75. HansOLG Hamburg DB 1953, 169. RGZ 119, 272 (278). RG Recht 1924 Nr. 1531. OGH Köln VRS 2 (1950), 33 (35). BGH WM 1976, 769. Vgl. auch RG Recht 1926 Nr. 2409. OLG Hamm NJW-RR 2011, 532. BGH WM 1961, 321 (322). BGH NZG 2009, 30. LG Hamburg VersR 1953, 61 f. Fischinger
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zungsrechtlicher Vorschriften;77 Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses durch einen Handlungsbevollmächtigten, dem die finanzielle und wirtschaftliche Betreuung eines Bauvorhabens übertragen ist;78 Abschluss eines Vergleichs über eine Forderung aus einem Warenverkauf;79 Unterzeichnung von Erfinderbenennungen.80 50 Eine Vertretungsmacht durch die Handlungsvollmacht wurde abgelehnt für: Abschluss eines Vertrages über die Errichtung einer Seilbahn für ein Steinkohlenbergwerk;81 (bei mittelständischem Unternehmen) der Abschluss von Rechtsgeschäften zur Begründung einer betrieblichen Altersversorgung;82 Handel mit Speiseöl, wenn sich der Handelsbetrieb nur mit technischen Ölen befasst;83 Abschluss einer Lieferverpflichtung zu einem außerordentlich großen Wert durch einen Handlungsreisenden;84 das von einem Handlungsreisenden abgeschlossene, der Steuerhinterziehung dienende Geschäft;85 ein Geschäft von großer finanzieller Tragweite und Bedeutung durch den Bevollmächtigten einer Niederlassung;86 Bürgschaften;87 Zahlungsverpflichtungserklärungen in ungewöhnlicher Art und Form;88 Vereinbarung fester Preise durch einen Handlungsreisenden bei fortschreitender Geldentwertung;89 verbindliche Annahme von Zahlungen durch Kassenangestellte vor Fälligkeit in Zeiten des Währungsverfalls;90 Manipulationen zu kurzfristiger Kreditschöpfung durch Bankangestellte (deckungslose Schecks mit Garantieerklärungen der Bank);91 Abschluss eines Automatenaufstellvertrages im Rahmen eines Gaststättengewerbes;92 eine langjährige Ausschließlichkeitsbindung, die für den Kaufmann die Möglichkeit beseitigt, das günstigste Angebot im Markt auszuwählen;93 Verzichtserklärungen durch den Rendanten einer kleinen Gemeindesparkasse;94 Vertragsstrafenversprechen;95 Anmeldungen zum Handelsregister durch einen Generalhandlungsbevollmächtigten.96 Die Handlungsvollmacht des Geschäftsstellenleiters einer Bank umfasst zwar nicht not51 wendig (stillschweigend) die Befugnis zur Entgegennahme von Festgeldeinlagen mit entsprechenden Zinsvereinbarungen, insbesondere, wenn die Bank derartige Geschäfte nur gelegentlich tätigt.97 Da es sich aber um ein bankübliches Geschäft handelt, liegt die Annahme von Festgeldeinlagen durch einen Geschäftsstellenleiter einer Bank regelmäßig innerhalb der Vertretungsmacht nach § 54 Abs. 1, so dass eine Beschränkung gemäß § 54 Abs. 3 nicht gegenüber gutgläubigen Dritten wirkt.98
77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98
RG Seufferts Archiv 84 (1930) Nr. 127, S. 211 (212). OLG München NJW 1984, 63 (64). RG Recht 1907 Nr. 1222. BPatG Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1975, 379 (380). RG JW 1904, 475 f. OLG Stuttgart VersR 2018, 748. OLG Dresden LZ 1917, 1370 f. RGZ 52, 89 (90). BGH LM § 177 BGB Nr. 5. RG LZ 1911, 221. RG Warneyer 1932 Nr. 155. BGH WM 1966, 491 (493). RG Recht 1923 Nr. 762; RG Recht 1924, Nr. 658; vgl. auch RG JW 1925, 1276 m. Anm. Bondi. RGZ 119, 272 (278). BGH WM 1964, 224 (225). OLG Celle BB 1983, 1495. OLG Düsseldorf DB 1988, 1063. RG HRR 1930 Nr. 1034. OLG Düsseldorf DB 1988, 1063. BGH WM 1969, 43. BGH BB 1980, 1605. Anders BGH BB 1980, 1605 f, wo stattdessen eine Pflicht der Bank zur Verhinderung von Missverständnissen angenommen wird, bei deren Verletzung sie nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo hafte. Fischinger
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b) Ausnahmen nach Abs. 2 aa) Grundlagen. § 54 Abs. 2 nimmt, über die Beschränkung der Prokura nach § 49 Abs. 2 weit 52 hinausgehend, einige Geschäfte von dem gesetzlichen Regelumfang der Handlungsvollmacht aus und verlangt für sie eine besonders erteilte Befugnis. Zweck der Bestimmung ist der Schutz des Kaufmanns vor Geschäften, die als besonders gefährlich angesehen werden. Die Handlungsvollmacht wird von einem Kaufmann üblicherweise – weil das Handelsgeschäft vielfach anders nicht betrieben werden kann – bereits zu einem Zeitpunkt erteilt, zu dem er die Vertrauenswürdigkeit des Bevollmächtigten noch nicht genau beurteilen kann. Eine zu weitgehende handelsrechtliche Vollmacht würde damit in Widerspruch stehen. Das Gesetz bietet aber keinen umfassenden Schutz des Kaufmanns, da die von dem regelmäßigen Umfang der Handlungsvollmacht ausgenommenen Geschäfte nicht abstrakt-generell aufgeführt werden, sondern durch eine Einzelaufzählung, die nicht erweiterbar ist. Außerhalb der Ausnahmen von § 54 Abs. 2 bleibt es deshalb dem Kaufmann selbst überlassen, die von ihm erteilte Handlungsvollmacht für weitere Fälle zu beschränken und dies dem Rechtsverkehr gemäß § 54 Abs. 3 erkennbar zu machen. Die Ausnahmen gelten unabhängig davon, ob die in § 54 Abs. 2 bezeichneten Geschäfte im Einzelfall branchenüblich sind oder nicht. Die besondere Befugnis ist sogar dann notwendig, wenn die in § 54 Abs. 2 bezeichneten Geschäfte in dem Betrieb des Kaufmanns üblich sind, sofern sie nicht geradezu dessen notwendige Grundlage bilden.99 Sie betreffen gleichermaßen Verpflichtungsgeschäfte und Erfüllungsgeschäfte. Die Bestimmung ist nach ihrem Zweck auch auf Vorverträge anzuwenden,100 da sie den Eintritt einer Verpflichtung des Kaufmanns verhindern soll. Auf die Kenntnis des Dritten von den gesetzlichen Beschränkungen des Regelumfangs der Handlungsvollmacht kommt es nicht an. Einen Schutz des guten Glaubens an einen weitergehenden Umfang der Handlungsvollmacht gibt es also nicht. Jedoch kann eine Anscheinsvollmacht (s. unten Rn 90 ff) für die in § 54 Abs. 2 bezeichneten Bereiche bestehen.101 Die in § 54 Abs. 2 verlangte besondere Bevollmächtigung kann nach allgemeiner Ansicht stillschweigend bzw. konkludent erteilt werden.102 Hierin liegt ein Gegensatz zur Prokura, die nur durch ausdrückliche Erklärung auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken erstreckt werden kann (s. § 49 Rn 37). Der Grund für die unterschiedliche Behandlung liegt darin, dass es in beiden Fällen um den Inhalt der Vollmacht geht, die Prokura aber im Gegensatz zur Handlungsvollmacht nur ausdrücklich erteilt werden kann und sich dies auf die Bestimmung des Inhalts der Vollmacht auswirkt. Ist die Erweiterung der Prokura auf die Veräußerung und Belastung von Grundstücken mangels Ausdrücklichkeit der Erklärung unwirksam, so kann sie als zusätzlich erteilte Handlungsvollmacht aufrechterhalten werden. Eine stillschweigende besondere Bevollmächtigung ist in der Rechtsprechung angenommen worden: zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, wenn der Kaufmann wissentlich längere Zeit hindurch die Wechselzeichnung des Bevollmächtigten unbeanstandet geschehen lässt103 oder wenn in der Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht erklärt wird, sie gelte für „überhaupt alle Rechtshandlungen ohne Ausnahme“;104 zur Aufnahme von Bankkrediten
99 OLG Rostock OLGE 21 (1910), 379. 100 Heymann/Teichmann HGB Rn 40; MünchKommHGB/Krebs Rn 34. 101 BGH WM 1969, 1301, 1302 (Prozessführung durch den selbständig handelnden Leiter der kaufmännischen Abteilung). Vgl. auch OLG Jena JW 1928, 2151. 102 RGZ 76, 202 (203); RGZ 117, 164 (165); BGH WM 1961, 321 (322); BGH WM 1969, 43; BGH WM 1978, 1046 (1047); OLG Jena JW 1928, 2151; OLG München WM 1984, 834 (835). 103 RG JW 1901, 844 (845); RG LZ 1914, 279 f; RGZ 117, 164 (165 f) m. Anm. Titze JW 1927, 2417; BGH WM 1978, 1046 (1047). Anders wohl OLG Rostock OLGE 21 (1910), 379 (380). 104 RGZ 76, 202 (203). 653
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bei Erteilung einer Handlungsvollmacht für den Bankverkehr105 oder durch zeitweise Überlassung der ganzen Geschäftsführung an den Handlungsbevollmächtigten.106 58 Keine stillschweigende Bevollmächtigung zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten liegt in der Überlassung der gesamten Geschäftsführung,107 der Erteilung einer Generalhandlungsvollmacht108 oder einer Vollmacht zur Scheckbegebung.109 In der Bevollmächtigung zur Ziehung eines Wechsels ist keine Vollmacht zur Zeichnung einer Zahlungsverpflichtungserklärung in ungewöhnlicher Art und Form gesehen worden.110 Die Vollmacht zum Abschluss von Vergleichen befähigt nicht zur Prozessführung.111 Die besondere Befugnis kann für ein einzelnes Geschäft oder allgemein für alle Geschäfte 59 erteilt werden.112 Wenn eine Spezialhandlungsvollmacht ohnehin bereits ein unter § 54 Abs. 2 fallendes Geschäft betrifft, so bedarf es keiner zusätzlichen Erklärung, weil der Schutzzweck der Bestimmung bereits durch die Vollmachtserteilung erreicht wird. Das Gleiche gilt für eine Arthandlungsvollmacht, wenn die in der Vollmacht bezeichnete Art von Geschäften unter § 54 Abs. 2 fällt. Die besondere Befugnis ist Inhalt der Handlungsvollmacht. Ihr Umfang richtet sich nach 60 den allgemeinen Grundsätzen einer Handlungsvollmacht. Die besondere Befugnis deckt daher, soweit nicht ein anderes erklärt wird, Geschäfte nach § 54 Abs. 2 nur im üblichen Umfang ab.113 Zu außergewöhnlichen Geschäften bevollmächtigt die besondere Befugnis regelmäßig nicht.
61 bb) Veräußerung oder Belastung von Grundstücken. Eine Handlungsvollmacht erstreckt sich ohne besondere Erteilung nicht auf die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken. Dies entspricht der für den Prokuristen nach § 49 Abs. 2 geltenden Regelung. Zweck und Tragweite beider Bestimmungen sind gleich. Zu den Einzelheiten s. daher § 49 Rn 27 ff.
62 cc) Wechselverbindlichkeiten. Eine Handlungsvollmacht verleiht ohne besondere Erteilung keine Vertretungsmacht zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten (zur konkludenten Erteilung vgl. Rn 56 ff). Dazu gehören z.B. das Akzept, die Wechselbürgschaft und wegen Art. 15 WG das Indossament. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Bestimmung bedarf es auch für die Begründung schuldrechtlicher Verpflichtungen zur Eingehung einer Wechselverbindlichkeit einer besonders erteilten Befugnis.114 Für den Scheckverkehr gelten hingegen keinerlei Besonderheiten. Das lässt sich damit erklären, dass der Scheck – anders als der Wechsel – nicht der Kreditgewährung dient, sondern allein den Zahlungsverkehr erleichtert.115 Dementsprechend ist zum einen die Eingehung von Scheckverbindlichkeiten nach den allgemeinen Grundsätzen (s. oben Rn 41 ff) von einer Handlungsvollmacht umfasst, zum anderen befreit die vom Kaufmann erteilte explizite Befugnis an den Handlungsbevollmächtigten, Schecks hinzugeben, nicht von den Fesseln des § 54 Abs. 2 in Bezug auf die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten.116
105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116
BGH WM 1961, 321 (322) (nicht unbedenklich); vgl. dazu auch Heymann/Teichmann HGB Rn 43. BGH WM 1969, 43. RG Warneyer 1926 Nr. 119; RG Warneyer 1930 Nr. 18; OLG München OLGZ 1966, 25 (26). RG JW 1901, 844. RG Recht 1926 Nr. 2409. BGH WM 1966, 491 (493). RG LZ 1918, 1144 f. BGH WM 1969, 43. Vgl. BGH WM 1961, 321 (322): Aufnahme von üblichen Bankkrediten. RG HRR 1928 Nr. 1211; OLG Rostock OLGE 21 (1910), 379. Oetker/Schubert Rn 33. MünchKommHGB/Krebs Rn 38.
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dd) Aufnahme von Darlehen. Eine Handlungsvollmacht erstreckt sich nicht auf die Aufnahme 63 von Darlehen. Nach dem uneingeschränkten Gesetzeswortlaut gilt dies nicht nur für Gelddarlehen (§ 488 BGB), sondern auch für Sachdarlehen117 (§ 607 BGB). Die Beschränkung besteht auch für einen Generalhandlungsbevollmächtigten.118 Die Überziehung eines Bankkontos ist eine Darlehensaufnahme. Hat jedoch das Kreditinstitut dem Kaufmann einen Kredit für Kontoüberziehungen eingeräumt, so kann ein Handlungsbevollmächtigter durch Scheckziehung über den Betrag verfügen,119 weil die Scheckziehung nicht selbst eine Darlehensaufnahme bedeutet. Die Gewährung von Darlehen wird durch § 54 Abs. 2 hingegen nicht eingeschränkt.120 Gleiches gilt für die Gewährung eines Zahlungsaufschubs oder der Gestattung von Teilzahlungen.121 ee) Prozessführung. Eine Handlungsvollmacht befähigt nicht zur Prozessführung.122 Grund 64 hierfür ist, dass selbst Streitigkeiten über kleine Beträge geeignet sind, Geschäftsbeziehungen gravierend zu belasten.123 Das gilt für alle Gerichtszweige, ferner für das Verfahren vor einem Schiedsgericht.124 Verfahren in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei denen nur ein einzelner Beteiligter vorhanden ist, sind dagegen keine Prozesse i.S.d. § 54 Abs. 2.125 Gleiches gilt für das patentgerichtliche Verfahren, so dass ein Handlungsbevollmächtigter im Rahmen seiner allgemeinen Handlungsvollmacht an einer patentgerichtlichen Beschwerde mitwirken kann.126 Unter Prozessführung sind alle unmittelbar den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlun- 65 gen zu verstehen. Dazu gehören z.B. die Beantragung eines Mahnbescheides, die Klageerhebung, die Einreichung von Schriftsätzen, die Erteilung einer Prozessvollmacht an einen Rechtsanwalt und der Abschluss eines Prozessvergleichs. Der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs ist auch dann keine Prozesshandlung, wenn über den Gegenstand des Vergleichs ein Rechtsstreit geführt wird; soweit der außergerichtliche Vergleich ein übliches Geschäft ist, kann er daher auch von einem Handlungsbevollmächtigten abgeschlossen werden.127 Anmeldungen zur Eintragung in einem Register sind keine Prozesshandlungen128 und können daher im Rahmen seiner allgemeinen Vollmacht auch von einem Handlungsbevollmächtigten vorgenommen werden (zum Handelsregister s. aber oben Rn 50). Nicht als Prozessführung anzusehen ist die Teilnahme an einer Mediation,129 jedenfalls wenn sie außergerichtlich erfolgt. Umstritten ist, ob Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen von § 54 Abs. 2 erfasst sind. Dafür spricht, dass sie für die spätere Prozessführung oftmals von nicht unerheblicher Bedeutung sind. Andererseits ist aber nicht zu übersehen, dass es sich um bloße schuldrechtliche, zudem später gegebenenfalls abänderbare Vereinbarungen handelt, die außerhalb und – unter Umständen – zeitlich weit vor dem eigentlichen Prozess getroffen werden. Sie sind deshalb richtigerweise grundsätz-
117 118 119 120 121 122 123 124 125
MünchKommHGB/Krebs Rn 39. Vgl. BGH WM 1969, 43. BGH NJW 1969, 694 (695). Oetker/Schubert Rn 34. Oetker/Schubert Rn 34. AA Anders/Gehle/Becker ZPO § 80 Rn 8. BGH NJW 2018, 3176. RG LZ 1918, 1144 (1145). BGH NJW 2018, 3176; BPatG BPatGE 19, 156 (157) = BB 1977, 267. Weitergehend Winter GRUR 1978, 233, wonach die Handlungsvollmacht für alle Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt. 126 BPatG BPatGE 19, 156 (157) = BB 1977, 267; Winter GRUR 1978, 233. 127 RG Recht 1907 Nr. 1222. Vgl. dazu Bork Der Vergleich, 1988, S. 276 mwN. 128 Heymann/Teichmann HGB Rn 45; anders LG Hildesheim BB 1960, 1076 für Anmeldungen zum Geschmacksmusterregister. 129 MünchKommHGB/Krebs Rn 41. 655
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lich nicht als Prozessführung im Sinne von § 54 Abs. 2 anzusehen;130 etwas anderes gilt, wenn zwischen den Parteien bereits Streit entbrannt ist und eine baldige gerichtliche Auseinandersetzung zu erwarten ist.131
5. Schutz des guten Glaubens, Abs. 3 66 Nach § 54 Abs. 3 braucht ein Dritter sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste. Die Bestimmung ist missverständlich formuliert. Den Inhalt der Handlungsvollmacht bestimmt der Kaufmann unabhängig von der gesetzlichen Regelung in § 54 Abs. 1. Die Vertretungsmacht gelangt also stets in dem vom Kaufmann bestimmten Umfang zur Entstehung. Dabei handelt es sich nicht um Beschränkungen eines anderweit vorgegebenen Umfangs der Vertretungsmacht, sondern um die originäre Festlegung ihrer Reichweite. 67 § 54 Abs. 3 behandelt daher Vollmachten, deren Umfang der Kaufmann in einer Weise festgelegt hat, die sich gegenüber der Umschreibung in § 54 Abs. 1 als Einschränkung darstellt. Die Vollmacht ist, da sie nur mit diesem Inhalt zur Entstehung gelangt, auch bezüglich der Einschränkung Dritten gegenüber wirksam. § 54 Abs. 3 schützt den guten Glauben eines Dritten daran, dass der Kaufmann die Handlungsvollmacht nicht mit einem geringeren als dem in § 54 Abs. 1 umschriebenen Umfang erteilt hat. Es handelt sich also im Verhältnis zur wirksamen Erteilung der Vollmacht mit eingeschränktem Umfang um einen Rechtsscheintatbestand.
68 a) Anwendungsbereich. § 54 Abs. 3 gilt nur, wenn der Kaufmann die Handlungsvollmacht enger bestimmt, als dies in § 54 Abs. 1 vorgesehen ist. Dazu gehören zunächst sachliche Beschränkungen des Umfangs der Vollmacht. Erfasst werden aber darüber hinaus personelle Beschränkungen, wenn durch Erteilung einer Gesamthandlungsvollmacht die regelmäßige Einzelvertretungsmacht beschränkt wird.132 Der Dritte darf also nach § 54 Abs. 3 darauf vertrauen, dass eine bestehende Vollmacht eine Einzelhandlungsvollmacht ist. Hingegen ist § 54 Abs. 3 nicht anwendbar, wenn der Kaufmann eine Handlungsvollmacht 69 überhaupt nicht erteilt hat oder die Erteilung unwirksam ist. Die Bestimmung bezieht sich ferner nicht auf den Gegenstand der Handlungsvollmacht, also die Erteilung als Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht oder Spezialhandlungsvollmacht. Insoweit handelt es sich nicht um Einschränkungen des in § 54 Abs. 1 geregelten Umfanges, sondern um die Auswahl von im Gesetz vorgesehenen Gestaltungen. Auch auf § 54 Abs. 2 ist die Bestimmung nicht anwendbar. Ein Dritter wird daher nach § 54 Abs. 3 nicht geschützt, wenn er ohne Fahrlässigkeit eine besondere Bevollmächtigung annimmt. In allen diesen Fällen kann aber eine Rechtsscheinvollmacht gegeben sein (s. unten Rn 90 ff). Zur Anwendung auf § 56 s. dort Rn 44. 70 § 54 Abs. 3 bezieht sich nur auf den Umfang der Vollmacht, also der nach außen wirkenden Vertretungsmacht. Beschränkungen der Befugnisse des Handlungsbevollmächtigten im Innenverhältnis zum Kaufmann schränken die Vertretungsmacht nicht ein und sind daher im Verhältnis zu einem Dritten wirkungslos.133 Eines Schutzes des guten Glaubens bedarf es daher nicht. Kennt der Dritte die Beschränkungen im Innenverhältnis oder sind sie ihm zumindest erkennbar, so kann ein Missbrauch der Vertretungsmacht vorliegen (s. unten Rn 77).
130 Ebenso Hopt/Merkt Rn 15; Oetker/Schubert Rn 36. AA OLG München NJW-RR 2009, 417 (419); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 17; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 12.
131 Vgl. auch MünchKommHGB/Krebs Rn 41. 132 Canaris Handelsrecht § 13 I. 3. f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 25; Drexl/Mentzel Jura 2002, 269 (297). AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 14; MünchKommHGB/Krebs Rn 42. 133 BGH ZIP 1982, 588 (589) m. Anm. Bunte. Fischinger
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b) Voraussetzungen. Ein Dritter braucht den wirksam eingeschränkten Umfang der Hand- 71 lungsvollmacht nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Abweichung von dem in § 54 Abs. 1 geregelten Umfang entweder positiv kannte oder kennen musste, also infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 122 Abs. 2 BGB). Fahrlässig handelt gemäß § 276 Abs. 2 BGB, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Bei Kaufleuten kommt es auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns an (§ 347 Abs. 1). Im Übrigen hängen die Sorgfaltsanforderungen unter Kaufleuten von den im Handelsverkehr geltenden Anschauungen ab (§ 346). Die Sorgfaltsanforderungen lassen sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängen von 72 den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Danach ist insbesondere auch zu beurteilen, ob der Dritte Nachforschungen anstellen muss. Es handelt sich weitgehend um eine tatrichterliche Würdigung, die der Revision verschlossen ist.134 Unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks, dass dem Rechtsverkehr mit dem Institut der Handlungsvollmacht eine sichere und leichte Beurteilung der kaufmännischen Vertretungsverhältnisse ermöglicht werden soll, dürfen an die Sorgfaltsanforderungen aber keine zu hohen Maßstäbe angelegt werden. Der Rechtsverkehr handelt daher im Allgemeinen nicht fahrlässig, wenn er sich auf die ihm ohne Weiteres erkennbaren Umstände verlässt. Fahrlässigkeit wird z.B. anzunehmen sein, wenn der Dritte in einem Laden einen gut 73 sichtbaren Anschlag, dass nur an der Kasse zu zahlen ist, außer Acht lässt und an einen anderen Angestellten zahlt (zur entsprechenden Anwendung von § 54 Abs. 3 auf § 56 s. dort Rn 44) oder der Dritte einen Aufdruck auf einem Bestellschein nicht zur Kenntnis nimmt.135 Aus einem Aushang im Kassenraum, der die zur Quittierung befugten Angestellten benennt, muss ein Dritter nicht entnehmen, dass diese Angestellten keine weiteren Befugnisse haben.136 Auf Angaben des Handlungsbevollmächtigten über den Umfang seiner Vertretungsmacht darf der Dritte nicht ohne Weiteres vertrauen.137
c) Wirkungen. Ist der Dritte gutgläubig, so können ihm die Beschränkungen der Vertretungs- 74 macht nicht entgegengehalten werden. Dies wirkt sich nur zu seinen Gunsten aus. Entsprechend einem allgemeinen Grundsatz der Vertrauenshaftung hat der Dritte deshalb nach zutreffender Auffassung eine Wahlmöglichkeit, ob er das Nichtbestehen der Vertretungsmacht oder seinen guten Glauben auf ihr Bestehen geltend macht138 (s. näher dazu § 56 Rn 46). 6. Beweislast Materiellrechtlich ist die von dem Kaufmann im Verhältnis zu § 54 Abs. 1 vorgenommene Ein- 75 schränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis grundsätzlich wirksam. Der Schutz des gutgläubigen Dritten nach § 54 Abs. 3 ist demgegenüber eine auf einem Rechtsscheintatbestand beruhende Ausnahme. Die Beweislast ist jedoch abweichend von diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis geregelt. Nach der Formulierung in § 54 Abs. 3 behandelt das Gesetz die Wirksamkeit von Beschränkungen der Handlungsvollmacht als Ausnahme und das Bestehen einer Handlungsvollmacht in dem in § 54 Abs. 1 bestimmten Umfang als Regelfall. Es wird also widerlegbar vermutet, dass die erteilte Handlungsvollmacht den in § 54 Abs. 1 umschriebenen Umfang hat. Dementsprechend ist es Sache des Kaufmanns, darzulegen und gegebenenfalls zu bewei134 135 136 137 138
RGZ 118, 234 (240 f). RG Recht 1924 Nr. 658; RG HRR 1931 Nr. 529; s. dazu auch Lenz JR 1931, 150 f. Vgl. RGZ 118, 234 (240). RG LZ 1911, 221. Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 27; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 17; Oetker/Schubert Rn 42; Fischinger Handelsrecht Rn 457; differenzierend Heymann/Teichmann HGB Rn. 52 ff. AA OLG Braunschweig MDR 2002, 42; MünchKommHGB/Krebs Rn 46. 657
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sen, dass er die Vollmacht beschränkt hat. Darüber hinaus wird der gute Glaube des Dritten widerlegbar vermutet. Der Kaufmann hat deshalb auch zu beweisen, dass der Dritte die Beschränkung kannte oder aus Fahrlässigkeit nicht kannte, wenn dieser die Wirksamkeit der Vertretungsmacht geltend macht (zur Wahlmöglichkeit des Dritten s. oben Rn 74). Will umgekehrt der Geschäftspartner die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts wegen fehlender Vertretungsmacht geltend machen, so obliegt es ihm, ihr Fehlen darzulegen und zu beweisen.139 Die Erteilung einer Handlungsvollmacht, die Bevollmächtigung in der Gestalt, die für das 76 Geschäft erforderlich ist (Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht oder Spezialhandlungsvollmacht), die Gewöhnlichkeit des Geschäfts140 und eine etwa erforderliche besondere Befugnis nach § 54 Abs. 2141 ist von der Partei zu beweisen, deren Rechte von dem Bestand der Vollmacht abhängen. Insbesondere wird nach § 54 nicht die (ausdrückliche, stillschweigende oder konkludente) Erteilung der Vollmacht vermutet.142
7. Missbrauch der Vertretungsmacht 77 Hält sich der Handlungsbevollmächtigte zwar innerhalb seiner Vertretungsmacht, handelt er aber gegen die Interessen des Kaufmanns oder verstößt er gegen dessen interne Weisungen, so kann das Geschäft wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam sein. Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie für den Missbrauch der Prokura143 (s. § 50 Rn 36 ff). Erforderlich ist daher insbesondere, dass sich dem Dritten der Missbrauch aufdrängen musste.144 Demgegenüber soll nach Canaris die Bindungswirkung des Vertretergeschäfts nicht erst entfallen, wenn sich dem Dritten der Missbrauch aufdrängen musste, sondern entsprechend § 54 Abs. 3 schon dann, wenn ihm einfache Fahrlässigkeit im gewöhnlichen Sinne zur Last fällt, weil der Umfang der Vertretungsmacht bei der Handlungsvollmacht nicht zwingend gesetzlich festgelegt ist.145 Indessen handelt es sich beim Missbrauch der Vertretungsmacht nicht um die Tragweite von Beschränkungen der Vollmacht, die bei Prokura und Handlungsvollmacht in der Tat unterschiedlich ist. Es geht vielmehr um die Problematik, welche Grenzen der Vertretungsmacht bei unbeschränkter Vollmacht anzunehmen sind. Dafür spielt es keine Rolle, ob die Vertretungsmacht gesetzlich unbeschränkbar (§ 50 Abs. 1) oder rechtsgeschäftlich unbeschränkt ist (§ 54 Abs. 1). Es sollten daher einheitliche Maßstäbe angewandt werden.
8. Überschreitung der Vertretungsmacht 78 Überschreitet der Handlungsbevollmächtigte seine Vertretungsmacht, so handelt er als vollmachtloser Vertreter. Hierauf sind die allgemeinen Bestimmungen der §§ 177 ff BGB anzuwenden. Die Genehmigung des Geschäfts kann durch einen Prokuristen erfolgen, was aber voraussetzt, dass dieser sich der Unwirksamkeit bewusst ist.146 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann den Kaufmann eine Schadenser79 satzpflicht wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten treffen, wenn er den Dritten, insbesondere einen nichtkaufmännischen Geschäftspartner, nicht über den (beschränkten) Umfang der
139 140 141 142 143 144 145 146
Vgl BGH NJW-RR 2009, 544. Canaris Handelsrecht § 13 I. 3. e). OLG Jena JW 1928, 2151. K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 4. AA, aber unzutreffend, Bunte ZIP 1982, 591. Vgl. BGH WM 1966, 491 (494). Ebenso Bork JA 1990, 249 (250 f); Drexl/Mentzel Jura 2002, 269 (298); Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 19. Canaris Handelsrecht § 13 V. BGH WM 1966, 491 (494).
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erteilten Handlungsvollmacht aufklärt.147 Im Allgemeinen wird die Beschränkung aber in solchen Fällen unerkennbar sein, so dass sie dem Dritten gemäß § 54 Abs. 3 nicht entgegengehalten werden kann. Eine Haftung wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten kommt daher regelmäßig nur in Betracht, wenn die Beschränkung erkennbar und damit gegenüber dem Dritten wirksam war, gleichwohl aber eine Pflicht zur Aufklärung bestanden hatte.
VII. Erlöschen Über das Erlöschen der Handlungsvollmacht enthält das HGB im Gegensatz zur Prokura (§ 52) 80 keine Bestimmungen. Es gelten dementsprechend die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln der Vollmacht, so dass die Handlungsvollmacht insbesondere nach § 168 Satz 1 BGB mit dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis erlischt, regelmäßig also dem Anstellungsvertrag. Im Übrigen sind die Erlöschensgründe weitgehend mit denen der Prokura identisch, so dass die dortigen Ausführungen (s. § 52 Rn 3 ff, 25 ff) entsprechend herangezogen werden können. Hervorzuheben sind folgende Besonderheiten:
1. Widerruf Eine § 52 Abs. 1 entsprechende Bestimmung über die jederzeitige Widerruflichkeit der Hand- 81 lungsvollmacht fehlt im Gesetz, so dass die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätze gelten. Nach § 168 Satz 2 BGB ist die Vollmacht jederzeit frei widerruflich, auch wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis fortbesteht, sofern sich nicht aus ihm ein anderes ergibt. Die Handlungsvollmacht ist daher in der Regel frei widerruflich. Der Widerruf kann im Gegensatz zur Prokura aber vertraglich148 ausgeschlossen werden.149 Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Ausschluss nach bürgerlichem Recht nur insoweit wirksam ist, als die Vollmacht zumindest auch im Interesse des Bevollmächtigten oder eines Dritten liegt.150 Das wird bei einer Handlungsvollmacht nur selten gegeben sein. Entsprechend den für Dauerschuldverhältnisse geltenden Grundsätzen (§ 314 BGB) bleibt in jedem Falle das Recht zum Widerruf aus wichtigem Grund erhalten.151 Trotz wirksamen Widerrufs der Vollmacht kann die Vertretungsmacht im Verhältnis zu gut- 82 gläubigen Dritten gemäß §§ 170 bis 173 BGB bestehen bleiben, die das Erlöschen weder kennen noch kennen müssen. Die Rechtsprechung hat in der mit Handlungsvollmacht verbundenen Beschäftigung in einem Laden oder offenen Warenlager (§ 56) zugleich die öffentliche Bekanntmachung der Vollmacht gemäß § 171 BGB gesehen, so dass ein Widerruf nur nach §§ 171 Abs. 2, 173 BGB wirksam sei.152
2. Anfechtung Die Erteilung der Handlungsvollmacht ist nach allgemeinen Regeln (§§ 119 ff BGB) anfechtbar. 83 Dies hat selbst dann rückwirkende Wirkung (§ 142 Abs. 1 BGB), wenn der Handlungsbevollmächtigte von ihr bereits Gebrauch gemacht hatte. Keinen zur Anfechtung berechtigenden Wil147 BGH BB 1980, 1605 f (Annahme von Festgeldeinlagen durch den Geschäftsstellenleiter einer Bank). 148 Nach hM genügt ein einseitiger Widerrufsverzicht nicht: RGZ 109, 331 (333). AA MünchKommBGB/Schubert § 168 Rn 26; Staudinger/Schilken BGB § 168 Rn 11 mwN. KG KGJ 40 (1911), 67 (71), wo aber für die GmbH eine Ausnahme gemacht wird. BGH WM 1971, 956 f mwN.; Staudinger/Schilken BGB § 168 Rn 8 mwN. BGH WM 1969, 1009 mwN. RG Recht 1923 Nr. 1026.
149 150 151 152 659
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lensmangel stellt allerdings der Irrtum des Kaufmanns über den gesetzlich vermuteten Umfang der von ihm erteilten Vollmacht dar.153
3. Wegfall der Kaufmannseigenschaft 84 Die Handlungsvollmacht erlischt, wenn die Voraussetzungen für ein kaufmännisches Gewerbe nach § 1 entfallen und auch kein Fall von § 5 oder § 2 vorliegt.154 Der Grund dafür liegt darin, dass Kleingewerbetreibende keine Handlungsvollmacht erteilen können (Rn 9).
4. Tod 85 Nach § 52 Abs. 3 erlischt die Prokura unabhängig von den Umständen des Einzelfalls durch den Tod des Kaufmanns nicht. Für die Handlungsvollmacht fehlt es an einer entsprechenden Bestimmung. Nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts gilt jedoch die gleiche Regelung, soweit sich nicht aus den Umständen ein anderes ergibt. Für unentgeltliche Grundverhältnisse folgt dies aus § 672 Satz 1 BGB, für entgeltliche Grundverhältnisse daraus, dass sie durch den Tod des Vollmachtgebers nicht beendet werden. Das Fortbestehen der Handlungsvollmacht ist darüber hinaus handelsrechtlich aus den gleichen Gründen wie bei der Prokura sinnvoll und geboten.155 Im Gegensatz zur Prokura (s. § 52 Rn 33) kann jedoch das Erlöschen der Handlungsvollmacht beim Tod des Kaufmanns auch mit Wirkung im Außenverhältnis gegenüber Dritten vertraglich vereinbart werden. Beim Tod des Handlungsbevollmächtigten erlischt die Handlungsvollmacht jedoch ebenso wie wenn er geschäftsunfähig wird; die bloße beschränkte Geschäftsfähigkeit berührt die Wirksamkeit der Handlungsvollmacht hingegen nicht.
5. Mitglied des Aufsichtsrats 86 Die Stellung als Mitglied des Aufsichtsrats ist mit einer Handlungsvollmacht nur dann unvereinbar, wenn es sich um eine Generalhandlungsvollmacht handelt (§§ 105 Abs. 1 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG). Insoweit gelten für das Verhältnis von Handlungsvollmacht und Wahl in den Aufsichtsrat die gleichen Grundsätze wie für die Prokura156 (s. § 48 Rn 40 und § 52 Rn 41). Eine Arthandlungsvollmacht und eine Spezialhandlungsvollmacht bleiben von der Stellung des Handlungsbevollmächtigten als Mitglied des Aufsichtsrats unberührt, eine Kollisionsfrage stellt sich hier mithin nicht.
6. Liquidation einer Handelsgesellschaft 87 Im Liquidationsstadium einer Handelsgesellschaft bleibt die Handlungsvollmacht bestehen und erlischt erst mit der Beendigung des Handelsgewerbes.157 Bei Vollbeendigung der kaufmännischen Aktivitäten erlischt die Handlungsvollmacht jedoch.158
153 Fischinger Handelsrecht Rn 443; Oetker/Schubert Rn 46. 154 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 31; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 18; Heymann/Teichmann HGB Rn 72. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 62; Drexl/Mentzel Jura 2002, 269 (298). Hopt ZHR 133 (1970), 311 ff. Vgl. Brox NJW 1967, 801 ff. MünchKommHGB/Krebs Rn 62; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32. MünchKommHGB/Krebs Rn 62.
155 156 157 158
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7. Insolvenz Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Kaufmanns erlischt die von 88 ihm erteilte Handlungsvollmacht gemäß § 117 InsO, soweit nicht mit dem Aufschub von Geschäften Gefahr verbunden ist (§ 115 Abs. 2 InsO). Der Insolvenzverwalter kann neue Handlungsvollmachten erteilen (s. oben Rn 10).
8. Betriebs- und Unternehmensveräußerung Bei einem Wechsel des Betriebs- oder Unternehmensinhabers erlischt die Handlungsvollmacht 89 aus den gleichen Gründen wie eine Prokura (s. § 52 Rn 50 ff). Dies gilt auch, wenn das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB mit dem Erwerber fortbesteht,159 da die Handlungsvollmacht nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses ist und Vertretungsmacht nur für die Person verleiht, die sie erteilt hat. Belässt der Erwerber dem bisherigen Handlungsbevollmächtigten seinen Wirkungskreis, so kann darin eine konkludente Neuerteilung bzw. eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht liegen.160
VIII. Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht Ist die Erteilung einer Handlungsvollmacht unterblieben oder unwirksam oder überschreitet der 90 Handlungsbevollmächtigte seine Vertretungsmacht, so kann das von dem Vertreter vorgenommene Geschäft nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (s. Vor § 48 Rn 21 ff) Wirksamkeit in der Person des Kaufmanns erlangen.161 Hiervon ist die Rechtsprechung häufig ausgegangen. Die Annahme von Duldungs- und Anscheinsvollmachten berührt sich mit der Tendenz, Handlungsvollmachten als stillschweigend oder konkludent erklärt anzusehen (s. oben Rn 21). Es besteht aber der Unterschied, dass Duldungs- und Anscheinsvollmachten die Gutgläubigkeit des Geschäftspartners voraussetzen (s. Vor § 48 Rn 23 f). Die Duldungs- oder Anscheinsvollmacht kann im Umfang einer Handlungsvollmacht beste- 91 hen, nach den Umständen des Einzelfalles aber auch darüber hinausgehen.162 Will der Kaufmann seine Haftung für die Zukunft ausschließen, so muss er dies entsprechend §§ 170, 171 BGB dem Rechtsverkehr bekannt machen; andernfalls besteht die Vertretungsmacht gegenüber gutgläubigen Dritten weiter.163 Anders als für die Prokura sieht das Gesetz keinen Verkehrsschutz beim Erlöschen einer 92 Handlungsvollmacht vor. Es ist jedoch unverkennbar, dass ein Verkehrsschutz notwendig ist, da sich der Dritte nicht durch das Handelsregister über den Fortbestand der Handlungsvollmacht unterrichten kann. Dies hat die Rechtsprechung dazu veranlasst, in der mit Handlungsvollmacht verbundenen Beschäftigung in einem Laden zugleich eine öffentliche Bekanntmachung der Vollmacht zu sehen, so dass ein Verkehrsschutz nach §§ 171 Abs. 2, 173 BGB erreicht wird (s. oben Rn 82). Man wird darüber hinaus von einer Anscheinsvollmacht auszugehen haben, wenn
159 Köhler BB 1979, 912 (914 f); Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 51. AA Th. Honsell JA 1984, 17 (21); MünchKommHGB/Krebs § 58 Rn 11; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 32.
160 Köhler BB 1979, 915. 161 RGZ 1, 8 (9); RGZ 100, 48 (49 f); RGZ 118, 234 (236 ff); RGZ 133, 97 (100); RG Warneyer 1926 Nr. 119; BGH WM 1969, 1301 (1302); HansOLG Hamburg HRR 1930 Nr. 200; Hopt AcP 183 (1983), 695 ff. 162 RGZ 118, 234 (236). 163 HansOLG Hamburg Seufferts Archiv 74 (1919) Nr. 82, S. 148 (149). 661
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im Einzelfall trotz Erlöschens der Vollmacht der Anschein ihres Weiterbestehens veranlasst wird.164 93 Einzelfälle. In der Rechtsprechung ist z.B. eine wirksame Vertretung des Kaufmanns nach diesen Grundsätzen angenommen worden für den Abschluss eines Ingenieurvertrages;165 ein Schuldanerkenntnis;166 die Aufnahme von Darlehen;167 die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten;168 die Prozessführung.169 Dagegen ist eine Anscheinsvollmacht abgelehnt worden für die unter Verstoß gegen eine dem Dritten bekannte Zeichnungsliste abgegebenen Verpflichtungserklärungen von Bankangestellten;170 für einen untergeordneten Angestellten des Innendienstes zum Abschluss von Verträgen unter Änderung der bisherigen Geschäftspraxis.171
IX. Innenverhältnis 94 Das Bestehen der Handlungsvollmacht ist von dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (Innenverhältnis; Grundverhältnis) zu unterscheiden (s. Vor § 48 Rn 35). Der Handlungsbevollmächtigte ist regelmäßig – jedoch nicht notwendigerweise – Handlungsgehilfe gemäß § 59 und wird aufgrund seines Anstellungsvertrages (meist: Arbeitsvertrag, vgl. auch § 48 Rn 139 ff) tätig. Seine Pflichten ergeben sich aus diesem Vertragsverhältnis.172 Er muss, auch wenn seine Vollmacht einen weitergehenden Umfang hat, alle Beschränkungen beachten, die ihm vom Kaufmann im Innenverhältnis auferlegt werden. Bei Verstößen kann er sich nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig machen und Anlass für die Kündigung seines Anstellungsvertrages geben.
X. Haftung des Kaufmanns für Handlungen des Handlungsbevollmächtigten 95 Der Handlungsbevollmächtigte ist zwar weder gesetzlicher noch verfassungsmäßig berufener Vertreter des Kaufmanns, so dass § 31 BGB nicht anwendbar ist. Er ist jedoch dessen Erfüllungsund Verrichtungsgehilfe mit der Folge, dass der Kaufmann für seine Handlungen nach §§ 278, 831 BGB einzustehen hat.173 Aus den mit Vertretungsmacht abgeschlossenen Verträgen wird der Kaufmann allein berechtigt und verpflichtet. Wegen der Verletzung von Pflichten bei Vertragsverhandlungen (z.B. Aufklärungspflichten) kann der Angestellte eines Kaufmanns in der Regel nicht persönlich in Anspruch genommen werden. Die Haftung kann aber nach § 311 Abs. 3 BGB bestehen.
164 Weitergehend Canaris Handelsrecht § 13 VI., wonach §§ 170 ff BGB stets anwendbar sein sollen, wenn der Kaufmann den Handlungsbevollmächtigten als solchen auftreten lässt. 165 BGH WM 1978, 1046 (1047). 166 BGH WM 1978, 1047 (1048). 167 BGH WM 1969, 43. 168 RGZ 118, 234 (238); RGZ 119, 198 (203 f); BGH WM 1978, 1046 (1047). 169 BGH WM 1969, 1301 (1302). 170 BGH WM 1955, 230 (232). 171 OLG Karlsruhe BB 1970, 777 f. 172 Zu den Pflichten nach dem Tode des Kaufmanns s. Hopt ZHR 133 (1970), 314 f. 173 Vgl. BGH WM 1966, 491 (495). Fischinger
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§ 55 [Abschlussvertreter] (1) Die Vorschriften des § 54 finden auch Anwendung auf Handlungsbevollmächtigte, die Handelsvertreter sind oder die als Handlungsgehilfen damit betraut sind, außerhalb des Betriebes des Prinzipals Geschäfte in dessen Namen abzuschließen. (2) Die ihnen erteilte Vollmacht zum Abschluß von Geschäften bevollmächtigt sie nicht, abgeschlossene Verträge zu ändern, insbesondere Zahlungsfristen zu gewähren. (3) Zur Annahme von Zahlungen sind sie nur berechtigt, wenn sie dazu bevollmächtigt sind. (4) Sie gelten als ermächtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware, die Erklärung, daß eine Ware zur Verfügung gestellt werde, sowie ähnliche Erklärungen, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sie vorbehält, entgegenzunehmen; sie können die dem Unternehmer (Prinzipal) zustehenden Rechte auf Sicherung des Beweises geltend machen.
Schrifttum Siehe die Angaben zu § 54. Ferner: Böhme Die Vollmacht des Versicherungsvertreters und ihre Grenzen, DB 1957, 61; Cassel Stillschweigende Bevollmächtigung und Scheinvollmacht im Handelsrecht, Diss. Marburg 1934; Klemm Das Recht des Handlungsreisenden, Diss. Leipzig 1905; Lenz Inkassovollmacht des Stadtreisenden: Rechtsschein einer Vollmacht, JR 1931, 150; Manigk Stillschweigend bewirkte Vollmachten im Handelsrecht, FS Heymann, Bd. 2 1931, 590; Wolf Der reisende Handlungsgehilfe und der Handelsvertreter als Bevollmächtigte. Geschichtliche Entwicklung von den Beratungen zum ADHGB bis zur Handelsvertreternovelle von 1953, Diss. Würzburg 1971.
Übersicht I.
Entstehungsgeschichte
II.
Regelungsziel
III.
Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbei8 ters 10 Persönliche Voraussetzungen 11 a) Handelsvertreter 13 b) Handlungsgehilfe 15 c) Nicht erfasste Personen 16 Ort der Vollmachtsausübung 20 Bestehen einer Handlungsvollmacht 23 Abschlussvollmacht 25 Umfang der Vertretungsmacht 26 a) Vertragsänderung, Abs. 2
1.
2. 3. 4. 5.
1
5
b) c)
Annahme von Zahlungen, Abs. 3 33 Entgegennahme von Mängelanzeigen etc., 38 Abs. 4 39 aa) Zweck bb) Rechtsnatur; Abdingbarkeit; Beweis41 last cc) Entgegennahme von Erklärun45 gen dd) Vertretung bei Fremdgeschäf47 ten 48 ee) Mängelanzeige ff) Erklärung, dass die Ware zur Verfü49 gung gestellt wird 50 gg) Ähnliche Erklärungen 53 hh) Sicherung des Beweises
I. Entstehungsgeschichte Die Fassung der Bestimmung beruht auf der Novelle zum Handelsvertreterrecht aus dem Jahre 1 1953. Die Regelung der Handlungsvollmacht von Handlungsreisenden hat eine wechselvolle Geschichte erfahren. Ursprünglich enthielt Art. 47 ADHGB eine dem heutigen § 54 entsprechende Bestimmung, bezeichnete als Handlungsvollmacht aber die Vollmacht einer Person, die von dem Kaufmann zu Geschäften „in seinem Handelsgewerbe bestellt“ wird. Nach Art. 49 ADHGB sollte Art. 47 ADHGB auch Anwendung finden „auf Handlungsbevollmächtigte, welche ihr Prinzipal als Handlungsreisende zu Geschäften an auswärtigen Orten verwendet“. Die Bestimmung 663 https://doi.org/10.1515/9783111097510-042
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war überflüssig,1 weil der in Art. 47 ADHGB verwandte Begriff des Handelsgewerbes keinen örtlichen Bereich bezeichnete, sondern einen Tätigkeitsbereich, und die außerhalb der örtlich verstandenen Niederlassung des Kaufmanns tätigen Handlungsreisenden innerhalb des Handelsgewerbes des Kaufmanns, als Tätigkeitsbereich verstanden, handelten. Die Anwendung der allgemeinen Bestimmung über die Handlungsvollmacht auf die einem Handlungsreisenden erteilte Vollmacht verstand sich daher von selbst. 2 Eigenständige Bedeutung besaß Art. 49 ADHGB nur insofern, als er für Handlungsreisende als Fernreisende die Bestimmung traf, dass sie als ermächtigt galten, den Kaufpreis aus den von ihnen abgeschlossenen Verkäufen einzuziehen oder dafür Zahlungsfristen zu bewilligen. Für gewöhnliche Handlungsbevollmächtigte und Stadtreisende fehlte eine derartige Bestimmung, so dass es insoweit auf den allgemeinen Umfang der Handlungsvollmacht ankam. Als Handlungsbevollmächtigter im Sinne beider Bestimmungen wurde damals nur eine Person verstanden, die in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Kaufmann stand,2 da die Bestimmungen eine Bestellung durch den Prinzipal in seinem Handelsgewerbe voraussetzten. In § 54 wurde sodann – nach hier vertretener Auffassung (s. § 54 Rn 12) – die Beschränkung 3 auf abhängige Personen beseitigt und die Handlungsvollmacht nur noch im Hinblick auf den Inhalt der Vollmacht definiert. Nach § 55 a.F. sollte § 54 auch auf Handlungsbevollmächtigte Anwendung finden, die als Handlungsreisende zur Vornahme von Geschäften an Orten verwandt wurden, in denen sich eine Niederlassung des Geschäftsinhabers nicht befand. Die Bestimmung über die Einziehung des Kaufpreises und die Bewilligung von Zahlungsfristen wurde beibehalten. Hinzugefügt wurde eine dem heutigen Abs. 4 weitgehend entsprechende Regelung. Durch das Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs vom 6. August 19533 ist § 55 we4 sentlich verändert worden. In Abs. 1 wird der Ausdruck „Handlungsreisende“ nicht mehr verwendet, stattdessen werden die Vollmachten des selbständigen Handelsvertreters und des unselbständigen Handlungsgehilfen gleichermaßen als Handlungsvollmacht i.S.d. § 54 bezeichnet. Die dem früheren Recht zugrundeliegende, durch die Entwicklung überholte Unterscheidung zwischen Stadtreisenden und Fernreisenden ist beseitigt, da es nicht mehr auf die Vornahme von Geschäften außerhalb des Niederlassungsortes ankommt, sondern auf den Geschäftsabschluss außerhalb des Betriebes des Kaufmanns. In Abs. 2 und 3 wird das frühere Recht hinsichtlich des Umfangs der Vollmacht für die Einziehung des Kaufpreises und die Bewilligung von Zahlungsfristen in sein Gegenteil gekehrt. Damit übernimmt das jetzige Recht Vorstellungen, die bereits anlässlich der Beratungen des HGB geäußert worden waren, sich damals aber nicht durchgesetzt hatten.4
II. Regelungsziel 5 Die Bestimmung des § 55 Abs. 1 ist – zumindest in ihrer heutigen Fassung – überflüssig. Sie ordnet die Anwendung des § 54 auf Handlungsbevollmächtigte an, die außerhalb des Betriebes des Kaufmanns Geschäfte in dessen Namen abschließen sollen. Die Anwendung des § 54 versteht sich indessen von selbst, weil der Begriff der Handlungsvollmacht nach § 54 in keinem Zusammenhang mit dem Ort der Vornahme des Rechtsgeschäfts steht. Handlungsvollmacht ist die Vollmacht zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts, das zum Handelsgewerbe gehört (s. § 54 1 Anders wohl K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 1. a). 2 ROHGE 9, 104 f; Puchelt Commentar zum Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, 2. Aufl. 1876, Art. 49 Anm. 1. 3 BGBl. I S. 771. 4 S. § 51 Abs. 2 des Entwurfes eines Handelsgesetzbuchs, aufgestellt im Reichs-Justizamt, 1896, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band I, 1986, S. 360; Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 (Denkschrift zum Entwurf des Reichs-Justizamtes), abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe a.a.O., Band II, Erster Halbband, 1987, S. 47. Fischinger
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Rn 5 f). Die Rechtsgeschäfte brauchen keineswegs örtlich innerhalb der Niederlassung des Kaufmanns vorgenommen zu werden. § 55 Abs. 1 hat daher allenfalls eine gewisse klarstellende Bedeutung. Demzufolge findet § 54 auf die in § 55 Abs. 1 bezeichneten Handlungsbevollmächtigten unmittelbar Anwendung.5 Anders muss § 55 Abs. 1 allerdings verstehen, wer – wie z.B. Karsten Schmidt6 – § 54 auf 6 selbständige Handelsvertreter nicht anwenden will, weil sie nicht „Mitglied des Unternehmens“ seien und § 54 nur eingreife, wenn der Handlungsbevollmächtigte „von innen heraus“ handele. Nach dieser Auffassung müsste § 55 Abs. 1 insoweit, als er selbständige Handelsvertreter betrifft, eigenständige Bedeutung haben. Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen.7 § 55 Abs. 1 regelt bereits nach seinem Wortlaut eine Handlungsvollmacht und keine andere Vollmacht, die nur in gewissen Beziehungen wie eine Handlungsvollmacht anzusehen wäre. Das Gesetz sieht den selbständigen Handelsvertreter und den unselbständigen Handlungsgehilfen ohne Unterscheidung gleichermaßen als Handlungsbevollmächtigte an, und es trifft damit das Richtige. Ob eine Person selbständiger Handelsvertreter oder unselbständiger Handlungsgehilfe ist, richtet sich nach dem zwischen ihr und dem Kaufmann bestehenden Innenverhältnis. Die rechtliche Trennung der Vollmacht vom Innenverhältnis (Grundgeschäft) bedeutet, dass die Vollmacht als solche auf dem selbständigen Rechtsgeschäft der Vollmachtserteilung beruht. Diese Vollmachtserteilung setzt weder bei der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht noch bei der Handlungsvollmacht ein bestimmtes Innenverhältnis, z.B. in Form eines unselbständigen Anstellungsverhältnisses, voraus. Der Begriff der Handlungsvollmacht betrifft also auch im Bereich des § 55 nicht den Inhalt des Innenverhältnisses, sondern den Inhalt der Vollmacht. Dieser muss auf den Abschluss von Handelsgeschäften gerichtet sein. Mehr ist für den Begriff der Handlungsvollmacht nicht erforderlich. Siehe zu diesem Streit auch § 54 Rn 12. Die Abs. 2 bis 4 des § 55 enthalten im Gegensatz zu Abs. 1 konstitutive Regelungen für 7 die Handlungsvollmacht. § 54 beschreibt den Inhalt der Handlungsvollmacht nur vage, indem allein auf die Üblichkeit des Geschäfts abgestellt wird und im Übrigen nur einige besondere Geschäfte von der Vertretungsmacht ausgenommen werden. Für die Bedürfnisse bei Geschäftsabschlüssen im Außendienst erscheint diese Regelung als unzureichend. Hier wird vielfach eine Vertretung bei der Geschäftsabwicklung erforderlich, ohne dass es für den Geschäftspartner zumutbar wäre, jeweils im Einzelfall den Umfang der Handlungsvollmacht festzustellen, um Risiken auszuschalten. § 55 Abs. 2 bis 4 legt deshalb für einige praktisch wichtige Fälle fest, was im Außendienst als üblich bzw. nicht als üblich zu gelten hat. Die Bestimmung ist insofern eine Konkretisierung des § 54. Inhaltlich stellt sie einen Ausgleich zwischen dem Schutzbedürfnis des Kaufmanns und dem Vertrauensschutz zugunsten des Rechtsverkehrs dar (s. im Einzelnen unten Rn 25 ff).
III. Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters § 55 betrifft die Vollmacht von Personen, die damit betraut sind, Geschäfte außerhalb des Betrie- 8 bes des Kaufmanns abzuschließen (zumeist als Reisende). Sie werden im Folgenden zusammenfassend als Mitarbeiter im Außendienst bezeichnet. Es kann sich dabei um Handelsvertreter oder Handlungsgehilfen handeln (s. unten Rn 11 ff, 13 f). Ihre Vollmacht ist eine gewöhnliche Handlungsvollmacht (s. unten Rn 25), weist jedoch einige Besonderheiten hinsichtlich ihres Umfangs auf (s. unten Rn 26 ff). Die Bestimmung gilt, wie in Abs. 1 hervorgehoben wird, als Regelung des Vollmachtsum- 9 fangs nur für das Handeln des Außendienstmitarbeiters im Namen des Kaufmanns. Ob eine Stellvertretung oder ein Handeln im eigenen Namen vorliegt, ist nach den allgemeinen Grund5 AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 1 und 3. 6 K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 1. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 3; Krebs ZHR 1995, 635 (647 ff). 7 Ebenso KG NZG 2014, 150 (ohne Diskussion der Problematik); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 5. 665
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sätzen zu beurteilen, z.B. beim Abschluss von Beförderungsverträgen, Beherbergungsverträgen etc. Im Zweifel liegen insoweit Eigengeschäfte des Vertreters vor (§ 164 Abs. 2 BGB). Der Kaufmann wird hieraus nicht unmittelbar verpflichtet, und es entstehen an seinen, von dem Außendienstmitarbeiter mitgeführten Sachen (Koffer, Muster etc.) keine Pfandrechte (§ 704 BGB) oder Zurückbehaltungsrechte des Dritten. Andererseits kann der Kaufmann selbst Schadensersatzansprüche bei Beschädigung seiner von einem Außendienstmitarbeiter eingebrachten Sachen gegen den Herbergswirt erlangen, indem er sich die entsprechenden Ansprüche des Mitarbeiters abtreten lässt (§§ 285, 701 Abs. 1 BGB). Daneben können dem Kaufmann Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen den Schädiger zustehen.8
1. Persönliche Voraussetzungen 10 Die Sonderregelung in § 55 Abs. 2 bis 4 über den Umfang der Handlungsvollmacht gilt nur für selbständige Handelsvertreter und unselbständige Handlungsgehilfen. Der Umfang der Handlungsvollmacht sonstiger Personen richtet sich unmittelbar nach § 54, auch wenn sie die Geschäfte außerhalb des Betriebes des Kaufmanns abzuschließen haben.
11 a) Handelsvertreter. Handelsvertreter ist gemäß § 84 Abs. 1, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (zur Frage, ob der Handelsvertreter Abschlussvollmacht haben muss, s. unten Rn 24). Der Handelsvertreter kann nach § 84 für einen Kaufmann oder einen nichtkaufmännischen Unternehmer tätig werden. Die Handlungsvollmacht setzt jedoch begrifflich voraus, dass der Vertretene Kaufmann ist. Die dadurch entstehende Regelungslücke für die Vertretungsmacht schließt § 91 Abs. 1, indem § 55 und nach dessen Abs. 1 auch § 54 für die von einem nichtkaufmännischen Unternehmer erteilte Vollmacht entsprechend gelten. Der Handelsvertreter ist kein Arbeitnehmer, er kann aber arbeitnehmerähnliche Person sein.9 Als Einfirmenvertreter genießt er den besonderen Schutz des § 92a. 12 Handelsvertreter ist gemäß § 92 auch der Versicherungsvertreter (Versicherungsagent), der ständig damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen. Für die einem Versicherungsvertreter erteilte Handlungsvollmacht besteht eine Sonderregelung nach §§ 69 ff VVG. Entgegen § 55 Abs. 2 ist ein Versicherungsvertreter mit Abschlussvollmacht bevollmächtigt, abgeschlossene Versicherungsverträge zu ändern oder zu verlängern sowie Kündigungs- und Rücktrittserklärungen abzugeben (§ 71 VVG). Alle Versicherungsvertreter gelten entgegen § 55 Abs. 3 als bevollmächtigt, Zahlungen des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss des Versicherungsvertrages anzunehmen (§ 69 Abs. 2 VVG). Die für Versicherungsverträge ohnehin nicht passende Regelung in § 55 Abs. 4 wird durch § 69 Abs. 1 VVG ersetzt, wonach eine „gesetzliche Vollmacht“ für die Entgegennahme von Erklärungen des Versicherungsnehmers besteht. § 55 Abs. 2 bis 4 hat gegenüber dieser Sonderregelung keinen Anwendungsbereich.
13 b) Handlungsgehilfe. Handlungsgehilfe ist gemäß § 59, wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist.10 Der Handlungsgehilfe ist als Angestellter des Kaufmanns unselbständig und weisungsabhängig. Als Angestellter gilt nach § 84 Abs. 2 auch, wer, ohne selbständig i.S.d. § 84 Abs. 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. 8 Vgl. BGH NJW 1985, 2411 (2412). 9 Siehe Staudinger/Fischinger § 611a Rn 242. 10 Vgl. dazu auch Staudinger/Fischinger § 611a Rn 337. Fischinger
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Der Begriff des Handlungsgehilfen nach § 59 setzt voraus, dass kaufmännische Dienste 14 geleistet werden sollen, der Geschäftsherr also Kaufmann ist. Nach § 91 Abs. 1 gilt § 55 auch für einen Handelsvertreter, der einen nichtkaufmännischen Unternehmer vertritt. Eine entsprechende gesetzliche Bestimmung für den angestellten Vertreter fehlt. Jedoch ist insoweit § 91 Abs. 1 entsprechend anzuwenden, so dass sich der Umfang der Vollmacht nach § 55 bestimmt, wenn ein nichtkaufmännischer Unternehmer einen angestellten Vertreter im Außendienst einsetzt.11 Dafür spricht entscheidend der Zweck des § 91. Er ist darin zu sehen, dass der Rechtsverkehr bei im Außendienst tätigen Vertretern häufig nicht erkennen kann, ob der Geschäftsherr Kaufmann ist oder nicht. Dies gilt gleichermaßen für die Geschäfte eines Handelsvertreters wie diejenigen eines angestellten Vertreters.
c) Nicht erfasste Personen. Vom Handelsvertreter und -gehilfen zu unterscheiden sind die 15 folgenden Personen: Zunächst der Eigenhändler und der Kommissionär (§ 383), die – anders als Handelsvertreter/-gehilfe – bei Geschäftsabschluss im eigenen Namen handeln,12 ferner der Makler, weil er nicht ständig damit betraut ist, für andere Personen Geschäfte zu vermitteln (§ 93). Auf Eigenhändler, Kommissionäre und Makler ist § 55 nicht anzuwenden;13 es gilt, wenn ihnen eine Vollmacht erteilt wird, allein § 54. Als Kommissionsagent wird bezeichnet, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, im eigenen Namen für Rechnung eines anderen Unternehmers Waren zu verkaufen oder zu kaufen.14 Der Kommissionsagent steht dem Handelsvertreter zwar nahe, da er aufgrund eines ständigen Rechtsverhältnisses tätig wird. Gleichwohl ist § 55 auf den Kommissionsagenten nicht anzuwenden,15 weil er im Außenverhältnis im eigenen Namen handelt, also nicht von einer Handlungsvollmacht Gebrauch macht, die ein Handeln im fremden Namen voraussetzt. Für Versicherungsvertreter gelten die speziellen Vorschriften der §§ 69 ff VVG (s. Rn 12). 2. Ort der Vollmachtsausübung § 55 gilt nur für Vertreter, die damit betraut sind, Geschäfte außerhalb des Betriebes des Kauf- 16 manns (Unternehmers) in dessen Namen abzuschließen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes besteht diese Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 55 allerdings nur für Handlungsgehilfen.16 Möglicherweise ist an eine Geschäftstätigkeit von Handelsvertretern im Innendienst nicht gedacht worden. Es gibt jedoch keinen sinnvollen Grund, die Vollmacht eines im Innendienst auftretenden Handelsvertreters im Gegensatz zu derjenigen eines Handlungsgehilfen nach der Sonderregelung des § 55 zu behandeln. Es besteht im Gegenteil ein erhebliches Verkehrsbedürfnis nach gleicher Behandlung, da der Rechtsverkehr häufig nicht ohne Weiteres beurteilen kann, ob der Mitarbeiter Handelsvertreter oder Handlungsgehilfe ist. Die Bestimmung ist daher in Korrektur des Gesetzeswortlauts auf Handelsvertreter nur dann anzuwenden, wenn diese damit betraut sind, außerhalb des Betriebes des Unternehmers Geschäfte abzuschließen.17 Unerheblich ist, ob der Vertreter selbst eine Niederlassung hat und in ihr tätig wird.
11 Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 8; Hopt/Merkt Rn 2; Oetker/Schubert Rn 7; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3. AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 7; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 3. 12 Für den Kommissionär vgl. BeckOGK-HGB/Fischinger § 383 Rn 2. 13 Ebenso MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Heymann/Teichmann HGB Rn 8. 14 BeckOGK-HGB/Fischinger § 406 Rn 35. 15 So auch MünchKommHGB/Krebs Rn 5; Heymann/Teichmann HGB Rn 8. 16 Die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches, BT-Drs. 1/ 3856, S. 43 gibt entgegen Heymann/Teichmann HGB Rn 8 nichts dafür her, dass der Nachsatz in § 55 Abs. 1 auch für Handelsvertreter gelten sollte, da dieser in der Begründung ebenfalls nur den Handlungsgehilfen beigefügt wird. 17 Ebenso Heymann/Teichmann HGB Rn 13; MünchKommHGB/Krebs Rn 11. 667
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Der Ausdruck „Betrieb“ wird in § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 mit unterschiedlichem Sinn verwandt. Der rechtliche Inhalt der Bezeichnungen Betrieb und Unternehmen ist nicht eindeutig. Mit beiden Ausdrücken können jeweils mindestens vier verschiedene Gegebenheiten gemeint sein: Ein Gegenstand, ein Tätigkeitsbereich, ein Subjekt oder ein sozialer Verband.18 In § 54 Abs. 1 bezeichnet der Ausdruck „Betrieb“ den unternehmerischen Tätigkeitsbereich des Kaufmanns im Sinne des Betreibens seines Handelsgewerbes. Im Gegensatz dazu ist in § 55 Abs. 1 mit der Einschränkung „außerhalb des Betriebes“ der Ort der Niederlassung des Kaufmanns im Sinne seines Geschäftslokals gemeint.19 Denn die Geschäfte im Außendienst sind Handelsgeschäfte und gehören ebenfalls zum Betreiben des Handelsgewerbes, finden also nicht außerhalb des Betriebes im tätigkeitsbezogenen Sinne statt. § 55 betrifft demzufolge Geschäftsvorfälle im Außendienst. 18 Die Anwendung des § 55 setzt voraus, dass der Vertreter damit betraut ist, die Geschäfte außerhalb der Niederlassung des Kaufmanns abzuschließen. Die in Art. 49 ADHGB und auch noch in der ursprünglichen Fassung des § 55 enthaltene Unterscheidung zwischen Stadtreisenden, die eine gewöhnliche Handlungsvollmacht haben, und Fernreisenden, für welche die besonderen Grundsätze gelten sollten, ist entfallen (s. oben Rn 1 ff). § 55 gilt daher auch für Vertreter, die in der Stadt tätig werden sollen, in der sich die Niederlassung befindet (Stadtreisende), sofern ihr Tätigkeitsgebiet nur außerhalb der Räumlichkeiten der Niederlassung liegt. Die Unterscheidung von Hauptniederlassung und Zweigniederlassung bzw. Filiale ist für § 55 ohne Bedeutung. Soll also eine Handlungsvollmacht in einer Zweigniederlassung ausgeübt werden, so bestimmt sich der Umfang der Vollmacht nach § 54.20 19 Keine ausdrückliche Regelung enthält das Gesetz für Handlungsbevollmächtigte, die damit betraut sind, innerhalb und außerhalb des Betriebes Geschäfte abzuschließen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass im Regelfall eine einheitliche Handlungsvollmacht erteilt sein wird, deren Umfang nicht davon abhängt, an welchem Ort die Vollmacht ausgeübt wird. Der Umfang der Vollmacht ist durch eine kumulative Anwendung der §§ 54 und 55 in dem Sinne zu bestimmen, dass der Vertreter stets jede Vertretungsmacht hat, die zumindest nach einer der beiden Bestimmungen gegeben ist.21 Es gilt daher die Umschreibung der Vertretungsmacht nach § 55 Abs. 4, während die Beschränkungen nach § 55 Abs. 2 und 3 nicht zur Anwendung gelangen. 17
3. Bestehen einer Handlungsvollmacht 20 § 55 begründet weder eine Handlungsvollmacht kraft Gesetzes22 noch eine Vermutung für das Bestehen einer Handlungsvollmacht. Die Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters muss vielmehr rechtsgeschäftlich erteilt worden sein. § 55 bestimmt nur den Umfang der anderweit erteilten Vollmacht. 21 Die Erteilung der Vollmacht erfolgt nach den allgemeinen, auch für § 54 geltenden Regeln.23 Es wird aber keine Kaufmannseigenschaft des Unternehmers vorausgesetzt (s. oben Rn 11, 15). Die Grundsätze über die Duldungsvollmacht und die Rechtsscheinvollmacht sind anzuwenden, so dass sich in diesen Fällen der Umfang der Vertretungsmacht von Außendienstmit18 Näher dazu Joost Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe im Arbeitsrecht, 1988, S. 4 und passim. 19 Dagegen rekurriert Oetker/Schubert Rn 4 darauf, dass das Geschäft „außerhalb der Sphäre des Kaufmanns“ geschlossen wurde. Im praktischen Ergebnis dürfte das i.d.R. keinen Unterschied machen.
20 Insofern ist es unrichtig, wenn in BGH BB 1980, 1605 die Inkassovollmacht des Geschäftsstellenleiters einer Bank mit § 55 Abs. 3 in Zusammenhang gebracht wird. Die Geschäftsstelle ist ein Ort des Betriebes, sodass nur § 54 anzuwenden ist. 21 AA MünchKommHGB/Krebs Rn 13; Heymann/Teichmann HGB Rn 15. 22 RGZ 97, 1 (2); RG Recht 1923 Nr. 762 und 909. 23 RGZ 97, 1 f. Fischinger
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arbeitern nach § 55 bestimmt. War eine Handlungsvollmacht erteilt und von dem Kaufmann nach Geschäftsabschluss widerrufen worden, so muss der Kaufmann den Geschäftspartner hiervon benachrichtigen. Unterlässt er dies, so besteht die Vertretungsmacht entsprechend § 171 BGB im Umfang des § 55 weiter.24 Handelt ein Außendienstmitarbeiter ohne Vertretungsmacht, so finden die §§ 177 ff BGB 22 Anwendung. Insbesondere kann der Kaufmann das Geschäft genehmigen. Die Genehmigung gilt gemäß §§ 75h, 91a als erteilt, wenn der Kaufmann das Geschäft dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich ablehnt, nachdem er von dem Handlungsgehilfen bzw. Handelsvertreter oder dem Dritten über den Abschluss und den wesentlichen Inhalt des Geschäfts benachrichtigt worden ist.
4. Abschlussvollmacht Die Bestimmung gilt nur für Handlungsgehilfen mit Abschlussvollmacht. Auf Handlungsgehil- 23 fen, die bloße Vermittlungsgehilfen sind, ist § 55 mit Ausnahme seines Abs. 4 hingegen nicht anzuwenden, § 75g. Zweifelhaft ist, ob die Anwendung von § 55 auf einen Handelsvertreter ebenfalls voraus- 24 setzt, dass ihm eine Abschlussvollmacht erteilt worden ist. Der Wortlaut des § 55 Abs. 1 führt das Erfordernis der Abschlussvollmacht nur für Handlungsgehilfen auf. Außerdem wird die Abschlussvollmacht in § 55 Abs. 2 im Unterschied zu den beiden folgenden Absätzen eigens hervorgehoben. Hieraus könnte zu entnehmen sein, dass § 55 grundsätzlich auch auf einen Handelsvertreter als bloßen Vermittlungsvertreter anzuwenden ist. Andererseits ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs,25 dass „die Vorschrift nur für Handelsvertreter mit Abschlussvollmacht […] gilt“. Außerdem hat § 91 Abs. 2 nur bei diesem Verständnis einen Anwendungsbereich. § 55 setzt daher auch bei Handelsvertretern eine Abschlussvollmacht voraus.26 Die Frage ist indessen ohne praktische Bedeutung. Wenn schon die weiterreichende Vollmacht eines Abschlussvertreters nur in den Grenzen des § 55 Abs. 2 und 3 besteht, so gilt dies erst recht für einen bloßen Vermittlungsvertreter, soweit er überhaupt eine Handlungsvollmacht hat. Die Vertretungsmacht nach § 55 Abs. 4 hat der bloße Vermittlungsvertreter jedenfalls nach § 91 Abs. 2.
5. Umfang der Vertretungsmacht Der Umfang der Vertretungsmacht bestimmt sich auch bei Außendienstmitarbeitern zunächst 25 nach § 54. Dies ergibt sich aus der Verweisung in § 55 Abs. 1 sowie daraus, dass auch die Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters eine echte Handlungsvollmacht i.S.d. § 54 ist. Die Handlungsvollmacht kann daher als Generalhandlungsvollmacht, als Arthandlungsvollmacht oder als Spezialhandlungsvollmacht27 bestehen. Der Vollmachtsumfang hängt sodann davon ab, welche Geschäfte und Rechtshandlungen der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes bzw. die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Die Bestimmung des Umfangs der Vertretungsmacht unterliegt aber darüber hinaus der Sonderregelung in § 55 Abs. 2 bis 4, die gegenüber § 54 Vorrang genießt. Überschreitet der Außendienstmitarbeiter seine Vertretungsmacht, so kann eine Genehmigung entsprechend §§ 75h Abs. 2, 91a Abs. 2 eintreten. 24 OLG Dresden OLGE 35, 314 (315). 25 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches, BT-Drs. 1/3856 S. 43. 26 MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 5. 27 AA tendenziell MünchKommHGB/Krebs Rn 9; wie hier Oetker/Schubert Rn 12. 669
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26 a) Vertragsänderung, Abs. 2. Entgegen der früheren Fassung, aber im Einklang mit der früheren Regelung für den sog. Platzagenten (§§ 86 a.F., 87 a.F.) enthält die Handlungsvollmacht zum Abschluss von Geschäften nicht die Befugnis, die geschlossenen Verträge zu ändern, insbesondere Zahlungsfristen zu gewähren. Diese bedeutsame Änderung der Rechtslage wird damit begründet, dass angesichts der modernen Benachrichtigungsmittel und Verkehrsverhältnisse die Entscheidung über derartige Maßnahmen dem Kaufmann überlassen bleiben könne.28 Es handelt sich nicht um eine gesetzliche Beschränkung des gewöhnlichen Umfangs der Handlungsvollmacht, da Letztere die Vertragsänderung nicht ohne Weiteres umfasst, sondern nur dann, wenn sie als branchenübliches Geschäft anzusehen ist. § 55 Abs. 2 ist vielmehr eine gesetzliche Festlegung des regelmäßigen Umfangs der Handlungsvollmacht eines Außendienstmitarbeiters. Sie wirkt auch gegenüber gutgläubigen Dritten; ein allgemeiner Vertrauensschutz besteht nicht. Der zum Abschluss von Versicherungsverträgen bevollmächtigte Versicherungsvertreter kann dagegen gemäß § 71 VVG explizit auch Vertragsänderungen vornehmen. 27 Die Festlegung gilt für alle abgeschlossenen Verträge, gleichgültig, wer sie abgeschlossen hat. Es sind also nicht nur die von dem Außendienstmitarbeiter abgeschlossenen Verträge gemeint, sondern auch die Abschlüsse durch den Kaufmann selbst oder durch andere Vertreter. Unerheblich ist, ob die Änderung zugunsten oder zulasten des Kaufmanns vereinbart wird29 und ob sie unwesentlich oder wesentlich ist. Ohne Bedeutung ist es ferner, ob der Vertreter die geänderten Bedingungen von vornherein hätte wirksam vereinbaren können.30 § 55 Abs. 2 ist abdingbar. Nur die gewöhnliche Handlungsvollmacht eines Außendienstmit28 arbeiters bevollmächtigt nicht zur Änderung abgeschlossener Verträge. Der Kaufmann kann aber einem Außendienstmitarbeiter eine entsprechend erweiterte Handlungsvollmacht (durch einseitige Erklärung) erteilen. Zwar fehlt in § 55 Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 3 ein entsprechender gesetzlicher Vorbehalt. Es gibt jedoch keinen Grund, die Beschränkung der Vertretungsmacht in § 55 Abs. 2 als zwingend anzusehen. Die Bevollmächtigung zur Vertragsänderung bedarf keiner besonderen Form und kann auch stillschweigend erfolgen, muss aber, damit § 55 Abs. 2 nicht leerläuft, eindeutig sein. Sie kann ferner nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht oder Rechtsscheinvollmacht bestehen.31 29 Vertragsänderung ist jede Erklärung oder Vereinbarung, die sich auf den rechtlichen Bestand des Vertrages oder seinen Inhalt auswirkt. Der Handlungsbevollmächtigte kann also z.B. den abgeschlossenen Vertrag nicht anfechten oder kündigen, kein Rücktrittsrecht ausüben und keinen Aufhebungsvertrag schließen. 30 Der Handlungsbevollmächtigte kann den Inhalt des Vertrages nachträglich nicht ändern, z.B. den Preis, den Leistungsgegenstand, die Fälligkeit, die Zahlungsbedingungen oder die Lieferbedingungen. Minderung kann der Abschlussvertreter weder verlangen noch bewilligen, weil dies eine unzulässige Änderung des Preises bedeuten würde. 31 Der Handlungsbevollmächtigte kann nach § 55 Abs. 2 insbesondere auch nachträglich keine Zahlungsfristen einräumen. Ebenso wenig kann er nachträglich eine Ratenzahlung bewilligen, selbst wenn der Vertragspartner Sicherheiten stellt, oder eine Leistung an Erfüllung statt oder erfüllungshalber annehmen.32 Die Vertretungsmacht, von vornherein ein Abzahlungsgeschäft oder hinausgeschobene Zahlungstermine bzw. Fälligkeiten zu vereinbaren, richtet sich nach § 54, also danach, ob es sich um ein gewöhnliches Geschäft handelt. § 55 Abs. 2 regelt die Vertretungsmacht des Außendienstmitarbeiters hinsichtlich solcher 32 Rechtshandlungen nicht, die der Durchführung des Vertrages dienen, sich aber auf seinen Bestand und seinen Inhalt nicht auswirken. Insoweit bestimmt sich der Umfang der Vertretungs28 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches, BT-Drs. 1/3856 S. 44. MünchKommHGB/Krebs Rn 18; Heymann/Teichmann HGB Rn 18. Oetker/Schubert Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 14. Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 14; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 17. MünchKommHGB/Krebs Rn 18; Oetker/Schubert Rn 14.
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macht allein nach § 54. Dies gilt z.B. für das Erfüllungsverlangen, die Mahnung und die Fristsetzung; ferner für die Mängelanzeige nach § 377, da sie dem Kaufmann nur seine Rechte erhält, nicht aber den Vertrag ändert bzw. umgestaltet.
b) Annahme von Zahlungen, Abs. 3. Die gewöhnliche Handlungsvollmacht des Außen- 33 dienstmitarbeiters bevollmächtigt gemäß § 55 Abs. 3 nicht zur Annahme von Zahlungen. Diese Änderung gegenüber dem früheren Recht33 wird damit begründet, dass angesichts der modernen Möglichkeiten des Zahlungs- und Überweisungsverkehrs keine Notwendigkeit mehr dafür besteht, einen Vertreter im Außendienst allgemein mit einer Inkassobefugnis auszustatten.34 Es handelt sich wie bei § 55 Abs. 2 um eine gesetzliche Festlegung des Umfangs der Vertretungsmacht, so dass sie auch gegenüber gutgläubigen Geschäftspartnern wirkt.35 Sie ist aber, wie im Gesetz eigens hervorgehoben wird, abdingbar, indem der Kaufmann die Handlungsvollmacht auf die Annahme von Zahlungen erstreckt. Es gelten die gleichen Grundsätze wie für eine Vollmacht zur Änderung des abgeschlossenen Vertrages (s. oben Rn 28). Die Inkassovollmacht kann insbesondere stillschweigend erteilt werden36 und ferner nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht oder Rechtsscheinvollmacht bestehen.37 Die Beweislast für das Bestehen einer Inkassovollmacht hat der Geschäftspartner, wenn er sich auf die befreiende Wirkung einer Zahlung an den Abschlussvertreter beruft.38 Ist in einem formularmäßigen Kaufvertrag vereinbart, dass der Käufer einen Betrag anzahlt 34 und der Restbetrag auf ein Konto des Kaufmanns überwiesen werden soll, so hat der Abschlussvertreter auch dann keine Inkassovollmacht, wenn er bei reinen Bargeschäften die Zahlung entgegennehmen darf.39 In Allgemeinen Geschäftsbedingungen kann zulässigerweise eine Klausel aufgenommen werden, dass der Vertreter im Außendienst keine Inkassovollmacht hat, weil damit nur die Rechtslage zutreffend wiedergegeben wird.40 Unter Zahlung ist zunächst die Begleichung der Schuld durch Übereignung von Bargeld zu 35 verstehen. Der Zahlung ist die Annahme von Barschecks gleichzustellen, sodass der Käufer von seiner Kaufpreisschuld nicht frei wird, wenn er dem Abschlussvertreter Barschecks aushändigt, die dieser selbst einlöst, ohne den Gegenwert an den Kaufmann abzuführen.41 Die Bestimmung ist außerdem auf den kartengestützten Zahlungsverkehr anzuwenden (ec-Karte; Kreditkarte). Wird dem Abschlussvertreter durch den Kaufmann eine Quittung ausgehändigt, so wird 36 hierin in der Regel die konkludente Bevollmächtigung zum Inkasso liegen. In jedem Fall gilt auch bei einem nicht inkassobevollmächtigten Abschlussvertreter die Regelung des § 370 BGB, wonach der Überbringer einer Quittung als ermächtigt gilt, die Leistung zu empfangen, sofern nicht die dem Leistenden bekannten Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenstehen. § 370 BGB hat Vorrang gegenüber § 55 Abs. 3. Eine Quittung weist den Abschlussvertreter daher als empfangsberechtigt aus, obwohl seine allgemeine Handlungsvollmacht die Annahme von Zahlungen gemäß § 55 Abs. 3 nicht umfasst.
33 Nach §§ 55 Abs. 2 a.F., 86 a.F. waren die fernreisenden Vertreter zum Inkasso befugt, nicht aber die Platzagenten. 34 Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches, BT-Drs. 1/3856, S. 44. 35 Vgl. BGH WM 1976, 715 (716). 36 RG HRR 1931 Nr. 529 m. Anm. Lenz JR 1931, 150 f. 37 ROHGE 13, 210 (211 f); RG HRR 1931 Nr. 529 m. Anm. Lenz JR 1931, 150 f; OLG Hamm ZIP 1982, 594 (595) m. Anm. Bunte S. 590 ff; vgl. auch BGH WM 1976, 715 (716). 38 BGH WM 1976, 715 (716). 39 BGH WM 1976, 715 (716). 40 OLG Hamm ZIP 1982, 594 (595) m. Anm. Bunte S. 590 ff mwN. 41 BGH WM 1976, 715 (716). 671
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Versicherungsvertreter gelten hingegen gemäß § 69 Abs. 2 VVG als bevollmächtigt, Zahlungen des Versicherungsnehmers im Zusammenhang mit der Vermittlung oder dem Abschluss eines Versicherungsvertrages anzunehmen.
38 c) Entgegennahme von Mängelanzeigen etc., Abs. 4. Der Umfang der Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters wird in § 55 Abs. 4 im Hinblick auf bestimmte Abwicklungsmaßnahmen gesetzlich festgelegt. Gegenüber dem früheren Recht ist eine Erweiterung auf die Wahrnehmung der Rechte zur Sicherung des Beweises erfolgt und die Beschränkung der Vertretungsmacht auf anwesende Außendienstmitarbeiter entfallen. Eine gleichartige Regelung gibt § 75g für den Vermittlungsgehilfen im Außendienst und § 91 Abs. 2 für den Vermittlungsvertreter.
39 aa) Zweck. Die Bestimmung dient der Erleichterung der Geschäftsabwicklung. Sie ermöglicht es dem Geschäftspartner des Kaufmanns, bestimmte Erklärungen, die den Leistungsgegenstand betreffen, auch an den Außendienstmitarbeiter zu richten. Das liegt insbesondere dann nahe, wenn das Geschäft von einem Außendienstmitarbeiter abgeschlossen worden ist und der Geschäftspartner diesen näher kennt. Insofern entspricht die Bestimmung einem Verkehrsbedürfnis. Das Risiko der fehlenden Weiterleitung von Erklärungen trägt damit der Kaufmann. Seine Interessen werden dadurch nicht unangemessen gefährdet, weil es sich lediglich um eine passiv Vertretungsmacht handelt (s. unten Rn 45). Soweit der Außendienstmitarbeiter selbst aktiv die Sicherung des Beweises betreiben kann, dient die Bestimmung ohnehin den Interessen des Kaufmanns, da der Außendienstmitarbeiter die zu veranlassenden Maßnahmen häufig besser beurteilen kann. 40 § 55 Abs. 4 wird vielfach als Erweiterung der Handlungsvollmacht verstanden.42 Die Bestimmung legt jedoch nur den regelmäßigen Umfang der Handlungsvollmacht eines Außendienstmitarbeiters fest. Das erscheint zweckmäßig, damit die Beurteilung der Vertretungsmacht durch die Geschäftspartner eine feste Grundlage erhält. Ohne § 55 Abs. 4 würde sich die Vertretungsmacht des Außendienstmitarbeiters nach § 54 richten. Es käme also auf die Art der Handlungsvollmacht und die Üblichkeit der Vertretung an. Danach könnte durchaus auch eine gewöhnliche Handlungsvollmacht den gleichen Umfang wie nach § 55 Abs. 4 haben. Es handelt sich daher nicht notwendig um eine Erweiterung, sondern um eine Festlegung.
41 bb) Rechtsnatur; Abdingbarkeit; Beweislast. Das Gesetz enthält nichts darüber, worauf die Vertretungsmacht beruht. Der Wortlaut „gelten als ermächtigt“ ist mehrdeutig, weil damit u.a. eine Fiktion, eine unwiderlegbare Vermutung oder eine widerlegbare Vermutung gemeint sein kann. Letzteres ist hier der Fall.43 Die Bestimmung muss im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Handlungsvollmacht ausgelegt werden. Den Inhalt der Handlungsvollmacht bestimmt der Kaufmann selbst. Das Gesetz gibt nur für den Fall, dass der Kaufmann bei der Vollmachtserteilung nichts anderes erklärt, bestimmte Regeln über den Umfang der Vertretungsmacht; hinzu tritt ein Schutz des guten Glaubens Dritter, soweit der Kaufmann von dem gesetzlich geregelten Umfang abweicht. Dies gilt nicht nur für die gewöhnliche Handlungsvollmacht (s. im Einzelnen § 54 Rn 3, 75), sondern darüber hinaus für den Ladenangestellten (§ 56), den Vermittlungsgehilfen im Außendienst (§ 75g) und den Handelsvertreter als Vermittlungsvertreter im Außendienst (§ 91 Abs. 2). 42 Im Einklang mit diesem allgemeinen Grundsatz der Handlungsvollmacht ist § 55 Abs. 4 als gesetzliche Festlegung des gewöhnlichen Umfangs der Handlungsvollmacht eines Außendienst42 So z.B. Oetker/Schubert Rn 17; Heymann/Teichmann HGB Rn 16. 43 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 13. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 24. Fischinger
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mitarbeiters anzusehen, die aber dem Kaufmann die Möglichkeit belässt, hiervon abzuweichen, indem er nur eine Vollmacht mit geringerem Umfang erteilt. In diesem Sinne ist die Bestimmung einseitig durch den Kaufmann abdingbar.44 Der Geschäftspartner wird aber gemäß §§ 55 Abs. 1, 54 Abs. 3 in seinem guten Glauben 43 geschützt, dass eine Einschränkung der Vertretungsmacht nicht vorliegt. Der Zweck der Bestimmung würde vereitelt, wenn der Rechtsverkehr sich auf die Vertretungsmacht des Außendienstmitarbeiters im gesetzlich geregelten Umfang nicht verlassen könnte. Gemäß § 54 Abs. 3 braucht deshalb ein Dritter die Beschränkung der Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste. Das ergibt sich außerdem unzweideutig aus den entsprechenden Regelungen in §§ 75g Satz 2, 91 Abs. 2 Satz 2. Dies gilt auch für Beschränkungen der Vertretungsmacht zur Wahrnehmung der Rechte auf Sicherung des Beweises,45 da der Dritte ein Interesse daran haben kann, dass die Wirksamkeit dieser Maßnahmen im Namen des Kaufmanns außer Frage steht. In §§ 75g Satz 2, 91 Abs. 2 Satz 2 wird der Schutz des guten Glaubens ebenfalls auf die Maßnahmen zur Beweissicherung erstreckt. § 55 Abs. 4 enthält eine widerlegbare Vermutung für den Umfang der Vertretungsmacht. Der 44 Kaufmann trägt daher, wenn er die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen seines Mitarbeiters im Außendienst geltend macht, die Beweislast dafür, dass er die Handlungsvollmacht mit einem gegenüber § 55 Abs. 4 eingeschränkten Umfang erteilt hat und der Geschäftspartner dies gemäß § 54 Abs. 3 wusste oder wissen musste. Der Geschäftspartner hat zu beweisen, dass eine Handlungsvollmacht erteilt worden war.
cc) Entgegennahme von Erklärungen. Die Vollmacht besteht außerhalb der Wahrnehmung 45 von Rechten auf Sicherung des Beweises nur zur Entgegennahme von Erklärungen. Der Abschlussvertreter hat also eine passive Vertretungsmacht. Er kann selbst keine Erklärungen auf der Grundlage von § 55 Abs. 4 abgeben. Insbesondere kann er die vom Geschäftspartner angezeigten Mängel nicht anerkennen. Auch die Vertretungsmacht zur Anzeige von Mängeln einer Ware gegenüber dem Geschäftspartner ergibt sich nicht aus § 55 Abs. 4. Soweit der Außendienstmitarbeiter hierzu nicht besonders bevollmächtigt ist, hängt die Vertretungsmacht von dem allgemeinen Umfang der ihm erteilten Handlungsvollmacht ab (s. oben Rn 25). Eine aktive Vertretungsmacht hat der Außendienstmitarbeiter dagegen, soweit er Rechte auf Sicherung des Beweises geltend macht (s. unten Rn 53). § 55 Abs. 4 legt den Umfang der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten fest 46 (s. oben Rn 38). Mit Zugang der Erklärung bei dem Handlungsbevollmächtigten wird die Erklärung gemäß § 164 Abs. 3 BGB für und gegen den Kaufmann wirksam. Einer Bereitschaft des Handlungsbevollmächtigten, die Erklärung entgegenzunehmen, bedarf es, solange er Handlungsvollmacht hat, hier wie auch sonst im Stellvertretungsrecht nicht.46 Der Vertreter kann die Entgegennahme der Erklärung dem Dritten gegenüber auch nicht ablehnen,47 da dies den allgemeinen Grundsätzen des Stellvertretungsrechts und dem Zweck der Bestimmung widersprechen würde. dd) Vertretung bei Fremdgeschäften. § 55 Abs. 4 macht die Vertretungsmacht zur Entgegen- 47 nahme von Erklärungen und zur Wahrnehmung der Rechte auf Sicherung des Beweises nicht davon abhängig, dass der Vertreter den Vertrag, um den es sich handelt, selbst für den Kaufmann abgeschlossen hat. Die Vertretungsmacht ist daher auch dann gegeben, wenn entweder 44 45 46 47 673
Heymann/Teichmann HGB Rn 24. MünchKommHGB/Krebs Rn 25. Anders wohl Heymann/Teichmann HGB Rn 32. Ebenso Heymann/Teichmann HGB Rn 26. Hopt/Merkt Rn 8. Fischinger
§ 55
1. Buch. Handelsstand
der Kaufmann oder ein anderer Abschlussvertreter48 das Geschäft abgeschlossen hat. Für eine Beschränkung der Vertretungsmacht auf selbst abgeschlossene Geschäfte besteht kein Anlass. Es kommt häufig vor, dass Außendienstmitarbeiter gerade als Kundenbetreuer auftreten, so dass die Vertretungsmacht nach § 55 Abs. 4 auch dann zweckmäßig ist, wenn das Geschäft von einer anderen Person abgeschlossen worden ist. Gleiches gilt für den Fall, dass der Handlungsbevollmächtigte Nachfolger eines Außendienstmitarbeiters ist, der das Geschäft getätigt hatte (vgl. § 91 Rn 15).
48 ee) Mängelanzeige. Der handlungsbevollmächtigte Außendienstmitarbeiter gilt als bevollmächtigt, die Anzeige von Mängeln einer Ware durch den Geschäftspartner für den Kaufmann entgegenzunehmen (zur Abgabe einer Mängelanzeige s. oben Rn 45). Dazu gehören insbesondere die Anzeigen nach §§ 377, 391. Darüber hinaus gilt die Vollmacht auch für Mängelanzeigen nach bürgerlichem Recht. Sie sind zwar im Gegensatz zum Handelsrecht für die Erhaltung der Gewährleistungsrechte nicht erforderlich, können aber Bedeutung für die Rechte des Geschäftspartners haben, z.B. als implizite Voraussetzung für die Fristsetzung nach §§ 281, 323 BGB. Die Vollmacht besteht nicht nur für Kaufverträge, sondern für alle Verträge, bei denen der Mangel einer Ware erheblich werden kann.
49 ff) Erklärung, dass die Ware zur Verfügung gestellt wird. Mit dieser Erklärung fordert der Geschäftspartner den Kaufmann zur Übernahme bzw. Rücknahme der Ware auf, z.B. bei Ablehnung eines Vertragsschlusses über unverlangt zugesandte Ware.49 Auf die Entgegennahme der Ware für den Kaufmann ist § 55 Abs. 4 nicht anzuwenden.50 Damit wird verkannt, dass die Entgegennahme der Ware im Allgemeinen kein Rechtsgeschäft ist, sondern ein Realakt, auf den die Grundsätze des Stellvertretungsrechts unmittelbar nicht zur Anwendung gelangen. Es ist daher nicht die Wirksamkeit der Übergabe als Realakt zu beurteilen, sondern die Befreiung von seiner Leistungspflicht, wenn der Geschäftspartner die Ware einem Außendienstmitarbeiter aushändigt.51 Maßgeblich ist dafür entsprechend §§ 362 Abs. 2, 185 BGB, ob die Übergabe an den Außendienstmitarbeiter mit Zustimmung des Kaufmanns erfolgt.52 Davon wird auszugehen sein, wenn der Außendienstmitarbeiter die Auslieferung der Ware (z.B. aus einem von ihm unterhaltenen ständigen Lager) vorzunehmen hat oder von dem Kaufmann anderweit aktiv in die Vertragsabwicklung einbezogen wird, z.B. durch besondere Erteilung einer Inkassovollmacht nach § 55 Abs. 3.
50 gg) Ähnliche Erklärungen. Der handlungsbevollmächtigte Außendienstmitarbeiter ist ferner zur Entgegennahme aller ähnlichen Erklärungen bevollmächtigt, durch die ein Dritter seine Rechte aus mangelhafter Leistung geltend macht oder sie sich vorbehält. Die Bestimmung bezieht sich nicht auf sämtliche Erklärungen des Geschäftspartners, welche der Abwicklung des Vertrages dienen. Sie müssen vielmehr stets mit einer mangelhaften Leistung im Zusammenhang stehen. Der Begriff der mangelhaften Leistung ist jedoch nicht beschränkt auf Mängel der Ware im Sinne des Gewährleistungsrechts. In Betracht kommen vielmehr sämtliche Erklärungen, die im Zusammenhang mit einer Leistungsstörung jedweder Art stehen. 48 Hopt/Merkt Rn 8. 49 Sächs. OLG, Annalen des Königl. Sächs. OLG, 28 (1907), 429 (431). 50 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 16; MünchKommHGB/Krebs Rn 32; Heymann/Teichmann HGB Rn 29. AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 10; wohl auch bei unverlangt zugesandter Ware, Sächs. OLG, Annalen des Königl. Sächs. OLG, 28 (1907), 429 (431). 51 So zutreffend Heymann/Teichmann HGB Rn 29. 52 Zust. Hopt/Merkt Rn 10. Fischinger
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§ 55
Der Handlungsbevollmächtigte kann daher z.B. folgende Erklärungen entgegennehmen: 51 Mahnung; Fristsetzung; Verlangen nach Nachlieferung, Nachbesserung oder Schadensersatz; Rücktritt; Minderung; Widerruf nach § 355 BGB;53 Vornahme einer Bestimmung nach § 375 Abs. 2; sonstige Erklärungen, wenn sie ihre Grundlage in einer mangelhaften Leistung finden, z.B. Zurückbehaltungsrechte, Leistungsverweigerungsrechte, Anfechtung, Kündigung oder Androhung einer Versteigerung. Zur Entgegennahme des Widerspruchs des Geschäftspartners gegen ein kaufmännisches 52 Bestätigungsschreiben bevollmächtigt § 55 Abs. 4 jedoch nicht. Denn der Widerspruch betrifft keine Leistungsstörung, sondern eine Erklärung, die unmittelbar den Vertragsschluss betrifft. Für die Vertretungsmacht des Außendienstmitarbeiters ist daher § 54 unmittelbar maßgeblich. Im Regelfall wird davon auszugehen sein, dass die Handlungsvollmacht zum Abschluss eines Geschäftes auch Vertretungsmacht dazu verleiht, Widersprüche gegen kaufmännische Bestätigungsschreiben entgegenzunehmen, die von dem Vertreter abgeschlossene Geschäfte betreffen. In Betracht kommt ferner eine Vertretungsmacht des Außendienstmitarbeiters nach den Grundsätzen der Duldungsvollmacht und der Anscheinsvollmacht.
hh) Sicherung des Beweises. Die Handlungsvollmacht des Außendienstmitarbeiters umfasst 53 schließlich die Wahrnehmung der Rechte auf Sicherung des Beweises für den Kaufmann. Insofern betrifft § 55 die Aktivvertretung. Dies gilt aber, wie der Zusammenhang mit dem ersten Teil des § 55 Abs. 4 ergibt, nur für eine Beweissicherung, die mit einer mangelhaften Leistung im Sinne einer Leistungsstörung zusammenhängt. Die Bevollmächtigung besteht gleichermaßen für außergerichtliche und gerichtliche Rechtshandlungen. Der Außendienstmitarbeiter ist bevollmächtigt zur Abgabe von Erklärungen sowie zur Ein- 54 leitung und Durchführung des gesamten Verfahrens. Eine Beschränkung auf Leistungen, die der Kaufmann oder sein Vertreter an den Geschäftspartner erbracht hat, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.54 Der Handlungsbevollmächtigte kann die Beweissicherung also auch dann betreiben, wenn der Geschäftspartner an den Kaufmann eine mangelhafte Lieferung erbracht hat, wofür aber nur selten eine praktische Notwendigkeit bestehen wird. Als Maßnahmen kommen z.B. in Betracht der Abschluss eines Verwahrungsvertrages, die 55 Einholung eines Sachverständigengutachtens und insbesondere die Einleitung und Durchführung des Beweissicherungsverfahrens nach §§ 485 ff ZPO. Zu beachten ist, dass die Vornahme von Realakten (z.B. Probeentnahmen) nicht nach dem Vertretungsrecht und damit auch nicht nach § 55 Abs. 4 zu beurteilen ist. § 55 Abs. 4 enthält lediglich eine Umschreibung des Umfangs der Vollmacht, von welcher 56 der Handlungsbevollmächtigte Gebrauch machen kann. Ob er zur Wahrnehmung der Rechte auf Sicherung des Beweises im Verhältnis zum Kaufmann berechtigt und verpflichtet ist, beurteilt sich nach dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis.
53 MünchKommHGB/Krebs Rn 31 (für Analogie); einschränkend Oetker/Schubert Rn 19. 54 AA Heymann/Teichmann HGB Rn 32; MünchKommHGB/Krebs Rn 34. 675
Fischinger
§ 56 [Angestellte in Laden oder Warenlager] Wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist, gilt als ermächtigt zu Verkäufen und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen.
Schrifttum Bader Duldungs- und Anscheinsvollmacht, Diss. Regensburg (1978), S. 150 ff; Canaris Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht (1971), S. 189 ff; Cassel Stillschweigende Bevollmächtigung und Scheinvollmacht im Handelsrecht, Diss. Marburg (1934); v. Craushaar Die Bedeutung der Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der Scheinvollmacht, AcP 174 (1974), 2; Drexl/Mentzel Handelsrechtliche Besonderheiten der Stellvertretung (Teil II), Jura 2002, 375; Fabricius Stillschweigen als Willenserklärung, JuS 1966, 50; Frotz Verkehrsschutz im Vertretungsrecht (1972), S. 345 ff; Grönfors Willenselement und Sanktionselement im Vollmachtsrecht, JZ 1984, 432; Häuberlein Die Ladenvollmacht (zu Müller JuS 1998, 1000 ff), JuS 1999, 624; Honsell Die Besonderheiten der handelsrechtlichen Stellvertretung, JA 1984, 17; Hopt Nichtvertragliche Haftung außerhalb von Schadens- und Bereicherungsausgleich, AcP 183 (1983), 608; Krause Schweigen im Rechtsverkehr (1933), S. 150 ff; Manigk Stillschweigend bewirkte Vollmachten im Handelsrecht, FS Heymann, Bd. 2 1931, 590; Marks Die Scheinvollmacht im Handelsverkehr unter besonderer Berücksichtigung des § 56 HGB, Diss. Marburg (1939); Müller Prokura und Handlungsvollmacht, JuS 1998, 1000; Peters Zur Geltungsgrundlage der Anscheinsvollmacht, AcP 179 (1979), 214, 232 ff; Petersen Scheinvollmachten im Handelsrecht, Jura 2012, 683; R. Schmidt Die Obliegenheiten (1953); v. Seeler Vollmacht und Scheinvollmacht, ArchBürgR 28 (1906), 1, 47 ff; Stüsser Die Anfechtung der Vollmacht nach bürgerlichem Recht und Handelsrecht (1986); Weimar Die Vertretungsmacht des Ladenangestellten (§ 56 HGB), MDR 1968, 901; Weimar Die Vollmachtsfiktion für Ladenangestellte gemäß § 56 HGB, JR 1979, 103; Wellspacher Das Vertrauen auf äußere Tatbestände im bürgerlichen Rechte (1906), S. 108 ff.
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II.
Dogmatische Einordnung
III. 1. 2. 3. 4.
5.
Voraussetzungen 8 Vertretener 10 Vertreter 16 Geschützter Personenkreis 17 Laden und offenes Warenlager 18 a) Laden 20 b) Offenes Warenlager 21 c) Andere Räume 22 Ort der Geschäftstätigkeit
IV.
Vertretungsmacht
4.
26 Bestehen 29 Umfang 30 a) Verkäufe 35 b) Empfangnahme 39 c) Gewöhnliches Geschäft Abdingbarkeit; Schutz des guten Glau42 bens 47 Erlöschen
V.
Beweislast
VI.
Duldungsvollmacht und Rechtsscheinvoll50 macht
1. 2. 4
3.
49
VII. Verantwortlichkeit
51
I. Regelungsziel 1 Die Bestimmung dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs, indem sie die Vertretungsverhältnisse bei bestimmten Umsatzgeschäften festlegt. Damit wird ein besonderer Schutz der Geschäftspartner des Kaufmanns erreicht. Der rechtliche Grund liegt darin, dass die Beschäftigung einer Person in einem Laden oder einem offenen Warenlager in besonderer Weise geeignet ist, beim Publikum den Eindruck zu erwecken, dass die beschäftigten Personen eine Vollmacht haben. Die Bestimmung knüpft ihre Wirkungen also an ein Verhalten des Kaufmanns, dem eine gewisse Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-043
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§ 56
Typizität beizumessen ist. Dies hat Bedeutung für die Frage, ob die Regelung auch gilt, wenn der Kaufmann nicht geschäftsfähig ist (s. unten Rn 9). Die Bestimmung unterscheidet sich von § 54 dadurch, dass Entstehung und Umfang der 2 Vertretungsmacht mit einem von dem Kaufmann eingeräumten Tätigkeitsbereich innerhalb des Betriebes verknüpft werden. Der Besucher des Ladens bzw. offenen Warenlagers soll von Nachforschungspflichten, ob und in welchem Umfang den angestellten Personen eine Vollmacht zum Abschluss von Geschäften bzw. zu Empfangnahmen zukommt, befreit sein.1 Den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entspricht eine weite Auslegung der Bestimmung.2 3 Dies sollte jedoch nicht dazu führen, § 56 analog auf Tatbestände anzuwenden, bei denen zwar eine ähnliche Schutzbedürftigkeit des Rechtsverkehrs vorliegt, die aber nicht in gleicher Weise allgemein und verkehrstypisch mit der Erteilung einer Handlungsvollmacht verbunden sind. Der Analogie zu § 56 ist insoweit die Anwendung der Grundsätze über die Rechtsscheinvollmacht vorzuziehen.3 Dies gilt z.B. für Nichtkaufleute als Vertretene (s. Rn 8), ohne Wissen des Kaufmanns beschäftigte Personen (s. Rn 11), Geschäftsabschlüsse außerhalb des Ladens (s. Rn 22 ff) und andere Verträge als Verkäufe (s. Rn 33 f).
II. Dogmatische Einordnung Die Problematik der dogmatischen Einordnung der Bestimmung in die Lehre von der Stellvertre- 4 tung und die Rechtsscheinlehre ist häufig untersucht worden, wobei freilich der literarische Aufwand im umgekehrten Verhältnis zur Bedeutung der Bestimmung in der Gerichtspraxis steht, sofern man diese nach der geringen Zahl der veröffentlichten Entscheidungen beurteilt. Eine einheitliche Meinung hat sich nicht gebildet. Sicher ist nur, dass der Wortlaut des Gesetzes kaum Aufschluss gibt, da die Formulierung „gilt als ermächtigt“ nicht eindeutig ist. Die Bestimmung wird u.a. verstanden als besondere Mitteilung einer Innenbevollmächtigung gemäß § 171 BGB;4 rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung in Form der Duldungsvollmacht;5 Rechtsscheinvollmacht;6 gesetzliche Vertretungsmacht;7 dispositive gesetzliche Vollmacht;8 Verantwortlichkeit für missverständliches Erklärungsverhalten innerhalb einer rechtlichen Sonderverbindung;9 Verletzung einer Obliegenheit10 bzw. einer Aufsichtspflicht;11 Fall der Verwirkung;12 Vertrauenshaftung;13 Fiktion;14 Vermutung;15 unwiderlegbare Vermutung16 oder widerlegbare Vermutung.17 1 2 3 4 5 6
BGH NJW 1975, 2191; vgl. auch RGZ 69, 307 (309). RGZ 69, 307 (309); vgl. auch BGH NJW 1975, 2191. BGH WM 1988, 1061 (1064). K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 2. Flume II S. 829 (832). Manigk S. 596 ff; Canaris S. 189 ff mwN; Canaris Handelsrecht § 14 I. 1.; Hopt AcP 183 (1983), 696; Stüsser S. 220 f mwN; Weimar JR 1979, 103. 7 Hadding JuS 1976, 729; Weimar MDR 1968, 901; Th. Honsell JA 1984, 22 (Vertretungsmacht sei „gesetzlich begründet und völlig eigenständig“); s. ferner BGH NJW 1975, 642 (643): „gesetzliche Ermächtigung“. 8 MünchKommHGB/Krebs Rn 5. 9 Frotz S. 386 ff. 10 Reimer Schmidt S. 125. 11 Fabricius JuS 1966, 55 f. 12 v. Gierke/Sandrock Handels- und Wirtschaftsrecht S. 377. 13 Heymann/Teichmann HGB Rn 4. 14 Frotz S. 366 f; Weimar JR 1979, 103. 15 BGH NJW 1975, 2191; BGH WM 1988, 1061 (1062 f). 16 Kothe JR 1990, 63. 17 Hopt/Merkt Rn 4; Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 19 (wo Unwiderlegbarkeit nur insoweit angenommen wird, als der Dritte keine Beschränkungen nach § 54 Abs. 3 gegen sich gelten lassen müsse). 677
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So geheimnisvoll, wie es nach diesem breiten Meinungsspektrum erscheint, ist die dogmatische Einordnung des § 56 nicht. Es ist ein grundsätzlicher Fehler, wenn die Bestimmung in vielen Stellungnahmen isoliert als eine selbständige Regelung der Vertretungsmacht betrachtet wird. Die dogmatische Einordnung hat vielmehr von den allgemeinen tragenden Grundsätzen der Handlungsvollmacht auszugehen, § 56 in deren System aufzunehmen und dabei die einzelnen Regelungsinhalte der Norm zusammenzufassen. 6 Auf dieser methodischen Grundlage ergibt sich unschwer die zutreffende dogmatische Einordnung. Die Handlungsvollmacht ist eine von dem Kaufmann rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht, wobei der Kaufmann über die Erteilung und über den Umfang der Vertretungsmacht entscheidet (s. § 54 Rn 27, 30). §§ 54, 55 Abs. 4 enthalten eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten Umfang der rechtsgeschäftlich erteilten Handlungsvollmacht, verbunden mit einem darüber hinausgehenden Schutz des guten Glaubens (s. § 54 Rn 66 f, 75 und § 55 Rn 43). Es handelt sich also um eine Regelung, die zwei verschiedene Aspekte aufweist: widerlegbare Vermutung für den Inhalt des Rechtsgeschäfts und zusätzlichen Schutz des guten Glaubens. 7 Für § 56 gilt die gleiche dogmatische Einordnung.18 Die Bestimmung betrifft die Fälle, dass eine Handlungsvollmacht entweder überhaupt nicht oder nur mit geringerem als dem gesetzlichen Umfang erteilt worden ist (s. unten Rn 27, 29). Damit ist die Annahme einer wie auch immer rechtsgeschäftlich durch den Kaufmann erteilten Vertretungsmacht unvereinbar. § 56 gilt ferner nur zugunsten eines gutgläubigen Geschäftspartners (s. unten Rn 44). Die Vorstellung einer Fiktion, einer unwiderleglichen Vermutung oder gar einer gesetzlichen Vertretungsmacht ist daher ebenfalls unzutreffend, da sie die Differenzierung zwischen gutgläubigen und bösgläubigen Dritten nicht zu erklären vermag. Die Regelung hat vielmehr eine zweifache Ausrichtung als widerlegbare Vermutung für die rechtsgeschäftliche Erteilung einer Vertretungsmacht mit einem bestimmten Umfang19 und – für den Fall der Widerlegung – als Rechtsscheinvollmacht zugunsten gutgläubiger Dritter.20 Die dogmatische Einordnung ist also die gleiche wie für § 54; der Regelungsinhalt bezieht sich aber weitergehend auch auf die Erteilung der Handlungsvollmacht. 5
III. Voraussetzungen 1. Vertretener 8 Der Vertretene muss Kaufmann sein.21 Die Beschränkung auf Kaufleute ist zwar im Gesetzeswortlaut nicht eigens enthalten, ergibt sich aber aus der systematischen Stellung der Bestimmung. Für einen nichtkaufmännischen Unternehmensträger gelten die allgemeinen Grundsätze der Duldungsvollmacht bzw. Rechtsscheinvollmacht.22 Wer dagegen das Recht der Handlungsvollmacht auch auf nichtkaufmännische Unternehmensträger anwendet,23 muss dies folgerichtig für § 56 ebenfalls gelten lassen.
18 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 2. 19 So zutreffend Canaris Handelsrecht § 16 I. 1.; Müller JuS 1998, 1000 (1005); wohl auch K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 2., wo es aber leicht missverständlich heißt, die Bezeichnung als unwiderlegliche Vermutung sei eine funktionsgerechte Beschreibung. 20 Canaris Handelsrecht § 14 I. 1.; Müller JuS 1998, 1000 (1005). 21 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 2; Oetker/Schubert Rn 7. AA Hopt AcP 183 (1983), 696; Hopt/Merkt Rn 1; K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 10; Heymann/Teichmann HGB Rn 6; Drexl/ Mentzel Jura 2002, 375 (376). 22 Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 2. Der Bürovorsteher eines Rechtsanwalts gilt nicht ohne weiteres als inkassobevollmächtigt: RG JW 1922, 1315 m. Anm. Friedlaender. 23 So K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 2. a) aa). Fischinger
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Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, dass einer nicht voll geschäftsfähigen Person 9 der von ihr gesetzte Rechtsschein nicht zugerechnet wird, ist § 56 nicht anwendbar auf nicht voll geschäftsfähige Kaufleute, die ohne Wissen ihres gesetzlichen Vertreters Personen in einem Laden oder offenen Warenlager beschäftigen.24 Der Rechtsschein kann jedoch durch den gesetzlichen Vertreter gesetzt werden. § 56 ist daher anwendbar, wenn die Beschäftigung in dem Laden oder dem offenen Warenlager mit Wissen und Willen des gesetzlichen Vertreters erfolgt.25
2. Vertreter § 56 setzt voraus, dass die Person, welche den Kaufmann vertritt, geschäftsfähig ist, weil sie sonst rechtsgeschäftliche Erklärungen nicht wirksam abgeben kann. Gemäß § 165 BGB genügt aber die beschränkte Geschäftsfähigkeit.26 Die Person muss von dem Kaufmann in dem Laden oder dem offenen Warenlager angestellt sein. Es besteht im Hinblick auf den Gesetzeszweck Einigkeit darüber, dass es nicht auf ein Anstellungsverhältnis im wörtlichen Sinne ankommen kann. Der Rechtsverkehr, dessen Schutz die Bestimmung dient, kann nur die Beschäftigung als solche wahrnehmen, die Anstellung im rechtsbegrifflichen Sinne jedoch nicht beurteilen. Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, ob ein Anstellungsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne vorliegt. Erforderlich und genügend ist, dass die Person mit Wissen und Willen des Geschäftsinhabers tätig wird.27 Auf ein wirksames Vertragsverhältnis kommt es ebenso wenig an wie darauf, dass der Kaufmann und die beschäftigte Person überhaupt einen Beschäftigungsvertrag abschließen wollten. Entscheidend ist die tatsächliche Beschäftigung. Eine von dem Kaufmann lediglich fahrlässig ermöglichte Tätigkeit wird praktisch nur selten vorkommen. Sie ist keine Anstellung, so dass § 56 unanwendbar ist.28 Es gelten stattdessen die allgemeinen Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht. Die Art des Innenverhältnisses zwischen dem Kaufmann und der beschäftigten Person ist ebenso bedeutungslos wie die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit. In Betracht kommen gleichermaßen Handlungsgehilfen nach § 59; Arbeiter im arbeitsrechtlichen Sinne; Ehepartner, Kinder des Kaufmanns und sonstige Verwandte, selbst wenn sie keinen Anstellungsvertrag haben; zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte. Ohne Belang ist die besitzrechtliche Stellung des Beschäftigten zu den zum Verkauf stehenden Sachen. Er kann Besitzer, Besitzdiener oder ohne jegliche Besitzbeziehung sein.29 Ohne Bedeutung ist es, welchen Funktionsbereich die beschäftigte Person hat. § 56 ist daher nicht nur auf untergeordnetes Verkaufspersonal anwendbar, sondern auch auf den Leiter einer Verkaufsstelle30 oder andere leitende Angestellte. Desgleichen ist es unerheblich, wenn der Hauptaufgabenkreis des Beschäftigten in anderen als den in § 56 genannten Verrichtungen besteht.31 § 56 setzt nur voraus, dass die Person mit Wissen und Willen des Kaufmanns in dem Laden oder dem offenen Warenlager beschäftigt wird. Es ist nicht erforderlich, dass die Beschäftigung ihrer Art nach geeignet ist, den Anschein einer Bevollmächtigung zu erwecken.32 Dies würde
24 Frotz S. 367 f; K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 4 b); Hopt/Merkt Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 3; Oetker/Schubert Rn 20. 25 So zutreffend K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 4 b); Oetker/Schubert Rn 20. 26 AG Stolp DR 1941, 277 m. Anm. Lenz. 27 RGZ 108, 48 (49 f); BGH NJW 1975, 2191. 28 Streitig; s. im einzelnen Manigk S. 597 f; Frotz S. 353 ff mwN; Stüsser S. 222 ff. 29 BGH NJW 1975, 2191. 30 OLG Karlsruhe MDR 1980, 849 f (Filialleiter); AG Berlin JW 1936, 1700. 31 BGH NJW 1975, 2191. 32 Anders wohl MünchKommHGB/Krebs Rn 19. 679
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dem gesetzlichen Schutzzweck zuwiderlaufen. Der Rechtsverkehr ist im Allgemeinen nicht in der Lage zu beurteilen, zu welchen Geschäften das Ladenpersonal bestellt worden ist. Nach hM setzt § 56 aber voraus, dass es zu den Aufgaben des Ladenpersonals gehört, mit dem Publikum geschäftlich zu verkehren,33 so dass z.B. Reinigungspersonal nicht dazugehört. Die Bestimmung setzt aber nur eine Beschäftigung im Laden bzw. einem offenen Warenlager voraus, nicht aber die Beschäftigung zu einem bestimmten Zweck,34 den der Rechtsverkehr regelmäßig ohnehin nicht erkennen kann. Handelt es sich erkennbar um Reinigungspersonal, so ist ohnehin die Vermutung für eine Vollmacht widerlegt und ein Vertrauensschutz ausgeschlossen. Es ist jedenfalls Sache des Kaufmanns, das gesamte von ihm eingesetzte Ladenpersonal zu kontrollieren und zu verhindern, dass sich der Rechtsverkehr guten Glaubens auf das Bestehen einer Vollmacht verlässt. 15 Auf die Dauer der Beschäftigung kommt es nicht an. Die Bestimmung gilt daher auch für Aushilfskräfte.35 Nicht anwendbar ist § 56 auf Angestellte im Außendienst36 sowie auf Personen, die von dem Kaufmann nicht beschäftigt werden (z.B. andere Kunden, die irrig für Verkaufspersonal gehalten werden) oder die sich unbefugt in den Räumen aufhalten37 (z.B. Eindringlinge oder Einbrecher). Für diese Fälle gelten die allgemeinen Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht.
3. Geschützter Personenkreis 16 § 56 gilt für alle Kunden des Kaufmanns. Geschützt sind nicht nur mit den Vertretungsverhältnissen nicht vertraute Fremdbesucher, welche die Verkaufsstätte zufällig betreten (Laufkundschaft), sondern auch Personen, die den Laden, seine Verhältnisse, den Inhaber und das Personal schon kennen.38 Bei letzteren kommt aber eher in Betracht, dass sie nicht in gutem Glauben an das Bestehen der Vertretungsmacht sind (s. unten Rn 44).
4. Laden und offenes Warenlager 17 Die Bestimmung gilt für Personen, die in einem Laden oder in einem offenen Warenlager tätig werden. Im Hinblick auf den Schutzzweck des Gesetzes ist eine weite Auslegung dieser Voraussetzung angebracht. Entscheidend ist die von dem Kaufmann vorgegebene Funktion des Tätigkeitsortes: Es muss sich um eine Betriebsstätte handeln, an der die in der Bestimmung genannten Umsatzgeschäfte getätigt werden.
18 a) Laden. Ein Laden ist jeder dem Publikum zugängliche Verkaufsraum.39 Es braucht sich nicht um eine feste oder dauerhafte Niederlassung zu handeln, so dass auch ein offener Verkaufsstand in Betracht kommt.40 Unerheblich sind die Größe41 und die Ausstattung der Verkaufsstätte; insbesondere ist es nicht erforderlich, dass sie für Verkäufe besonders geeignet oder
33 RGZ 108, 48 (49 f); Heymann/Teichmann HGB Rn 12; Hopt/Merkt Rn 3; Frotz S. 350 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Weber Rn 5; MünchKommHGB/Krebs Rn 19; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 4; Röhricht/v. Westphalen/ Haas/Wagner/Wöstmann Rn 10. 34 v. Seeler ArchBürgR 28 (1906), 48; Th. Honsell JA 1984, 22. 35 RGZ 108, 48 (49 f). 36 BGH BB 1968, 1099 (1100). 37 AA v. Seeler ArchBürgR 28 (1906), 48. 38 BGH NJW 1975, 2191; OLG Karlsruhe MDR 1980, 849 (850). 39 RGZ 69, 307 (308). 40 RGZ 69, 307 (308 f). 41 Vgl. BGH NJW 1975, 2191. Fischinger
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eingerichtet ist.42 Die Art der Geschäftstätigkeit besitzt keine Bedeutung. Die Bestimmung gilt nicht nur für Geschäfte des Einzelhandels, sondern ebenfalls z.B. für einen Großhändler, der einen Verkaufsraum unterhält.43 Einzelfälle. Als Laden wurden z.B. angesehen: Ein Messestand, der auch zu Verkäufen ge- 19 nutzt wurde;44 Verkaufsraum eines Kraftfahrzeughändlers;45 Musterzimmer, die zum Abschluss von Kaufgeschäften über die aufgestellten Möbel bestimmt waren.46 Nicht als Läden sind Räume anzusehen, in denen keine Verkaufsgeschäfte erfolgen, insbesondere Büroräume47 und Produktionsstätten oder der Kassenraum eines Versicherungsunternehmens.48 Dabei ist aber zu beachten, dass eine Räumlichkeit mehreren Zwecken dienen kann. § 56 ist bereits dann anwendbar, wenn eine Räumlichkeit zumindest auch dem Abschluss von Kaufgeschäften dient.49
b) Offenes Warenlager. Ein Warenlager ist eine Stätte, die der Aufbewahrung beweglicher 20 Sachen dient. Das Warenlager ist ein offenes, wenn es für den Publikumsverkehr und die damit verbundenen Kaufgeschäfte bestimmt ist, indem z.B. das Publikum durch ein entsprechendes Geschäftsschild auf das Lager hingewiesen wird.50 Den Gegensatz bildet das geschlossene Lager, das lediglich für die Aufbewahrung von beweglichen Sachen bestimmt ist. Zwischen einem Laden und einem offenen Warenlager besteht kein scharfer Gegensatz, da auch ein Laden regelmäßig der zeitweiligen Aufbewahrung von Waren dient.
c) Andere Räume. Die Anwendung des § 56 ist beschränkt auf Räume, die den in der Bestim- 21 mung genannten Zwecken dienen. Eine Ausdehnung auf Angestellte in anderen, dem Publikum zugänglichen, Geschäftsräumen ist im Gesetzgebungsverfahren bewusst unterblieben.51 Eine entsprechende Anwendung auf das Personal in anderen Räumen, z.B. auf die Kassenangestellten eines Versicherungsunternehmens, ist nicht möglich.52 Insoweit gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze über die Duldungs- und die Rechtsscheinvollmacht. 5. Ort der Geschäftstätigkeit Zweifelhaft ist, inwieweit § 56 über die Beschäftigung im Laden oder Warenlager voraussetzt, 22 dass auch der Verkauf bzw. die Empfangnahme in dem Laden oder dem offenen Warenlager geschehen ist. Nach Art. 50 ADHGB galt, wer in einem Laden oder einem offenen Warenlager angestellt war, als ermächtigt, „daselbst“ gewöhnliche Verkäufe und Empfangnahmen vorzunehmen. Art. 50 ADHGB galt demzufolge nur für Geschäftsvorfälle, die innerhalb der Räumlichkeit vorgenommen wurden. § 56 führt nicht mehr ausdrücklich auf, dass der Geschäftsvorfall „daselbst“ geschehen sein 23 muss. Der Wortlaut der Bestimmung ist indessen nicht eindeutig. Er kann dahingehend verstanden werden, dass die Vollmacht zu Verkäufen und Empfangnahmen bestimmt wird, die in 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51
RGZ 69, 307 (309). BGH NJW 1975, 2191. RGZ 69, 307 (308 f); AG Stolp DR 1941, 277 f m. Anm. Lenz. OLG Köln JMBl. NRW 1972, 189. RG Recht 1923 Nr. 1026. KG JW 1924, 1181. AA LG Berlin VersR 1951, 170 (171). RGZ 69, 307 (309). RG Recht 1923 Nr. 1026. Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II, Erster Halbband, 1987, S. 48. 52 Anders LG Berlin VersR 1951, 170 (171). 681
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einem Laden oder Warenlager geschehen und als gewöhnliche Geschäfte anzusehen sind. Möglich ist aber nach dem Wortlaut auch das Verständnis, dass die Vertretungsmacht für alle Verkäufe und Empfangnahmen besteht, sofern sie nur gewöhnlich in einem derartigen Laden oder Warenlager geschehen. 24 Nach wohl noch hM genügt es für die Anwendung des § 56, wenn der Geschäftsvorfall im Laden nur angebahnt worden ist und der Geschäftsabschluss als unmittelbare Folge davon außerhalb des Ladens getätigt wird.53 Dieser Ansicht ist nicht zu folgen.54 Sie ist bereits insofern widersprüchlich, als sie davon ausgeht, dass § 56 HGB im Gegensatz zu Art. 50 ADHGB das Erfordernis des Geschäftsvorfalles in dem Laden oder Warenlager nicht mehr enthalte, gleichwohl aber doch eine Vertragsanbahnung in dem Laden verlangt. Wenn sich der Satzteil des § 56 „die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen“ nur auf die Üblichkeit des Geschäfts, nicht aber auf den tatsächlichen Ort der Vornahme bezöge, müsste folgerichtig auch eine Anbahnung des Geschäfts in dem Laden entbehrlich sein, so dass der Ladenangestellte zu allen gewöhnlichen Verkäufen und Empfangnahmen auch außerhalb des Ladens als bevollmächtigt zu gelten hätte. Die hM steht ferner mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes nicht im Einklang. Der Wortlaut des § 56 beruht auf § 50 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 des Reichs-Justizamtes. Die Begründung hebt dazu hervor, dass die Bestimmung lediglich die Vorschrift des bisherigen Art. 50 ADHGB wiederhole.55 Eine sachliche Änderung war also nicht beabsichtigt. Entscheidend ist jedoch, dass die hM den Schutzzweck des § 56 übersteigert. Die Bestimmung dient zwar dem Schutz des Rechtsverkehrs. Sie beruht aber zugleich auf einer gerechten Risikoabwägung. Innerhalb seines Ladens oder Warenlagers kann der Kaufmann durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherstellen, dass nur Personen, denen er eine entsprechende Vollmacht erteilt hat, Geschäftsabschlüsse vornehmen, und dass sie sich dabei innerhalb der Grenzen ihrer Vertretungsmacht halten. Bei Geschäftsabschlüssen außerhalb des Ladens oder Warenlagers bestehen derartige Kontrollmöglichkeiten nicht oder nur in einem erheblich geringeren Maße. Damit entfällt der sachliche Grund, der die Risikoverteilung nach § 56 rechtfertigt. Auf Verkäufe und Empfangnahmen außerhalb des Ladens bzw. Warenlagers ist § 56 daher nicht anzuwenden.56 Es gelten vielmehr die allgemeinen Grundsätze der Duldungsvollmacht und der Rechtsscheinvollmacht. 25 Für die Annahme eines Geschäftsabschlusses in dem Laden oder Warenlager genügt es, wenn die von dem Kaufmann beschäftigte Person in dem Laden tätig wird. Für den Geschäftspartner ist dies nicht vorausgesetzt. § 56 ist daher anwendbar, wenn die beschäftigte Person in dem Laden oder Warenlager telefonisch Geschäftsabschlüsse mit Kunden tätigt.57 Die für die Regelung des § 56 entscheidenden Kontrollmöglichkeiten des Kaufmanns bestehen auch bei einem derartigen Geschäftsvorfall in typischer und ausreichender Weise.
IV. Vertretungsmacht 1. Bestehen 26 Der in dem Laden oder Warenlager Beschäftigte hat Vertretungsmacht, wenn sie ihm durch den Kaufmann erteilt worden ist. Die Vollmacht ist Handlungsvollmacht gemäß § 54 und unterliegt den dafür geltenden Regeln. Sie beruht nicht auf § 56, sondern entsteht durch das Rechtsge53 RGZ 108, 48 (49); RG Seufferts Archiv 80 (1926) Nr. 48; LG Bochum MDR 1959, 130; K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. c); Heymann/Teichmann HGB Rn 18; Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Wöstmann Rn 13; Hopt/Merkt Rn 4. 54 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 8; MünchKommHGB/Krebs Rn 25; BeckOK-HGB/Meyer Rn 13. 55 Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895, abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Fn 50, S. 48. 56 Vgl. auch BGH BB 1968, 1099 (1100). 57 Vgl. RG Seufferts Archiv 80 (1926) Nr. 48. Fischinger
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schäft der Bevollmächtigung, also durch eine Willenserklärung des Kaufmanns. Sie ist nicht mit der tatsächlichen Beschäftigung in dem Lokal oder Warenlager zu verwechseln. Inwieweit mit der Beschäftigung die Erteilung einer Vollmacht schlüssig verbunden ist, hängt von der Auslegung des Verhaltens des Kaufmanns im Einzelfall ab. Die Erteilung einer Handlungsvollmacht mit dem in § 56 umschriebenen Umfang wird widerlegbar vermutet (s. unten Rn 49). Hat der Kaufmann rechtsgeschäftlich keine Handlungsvollmacht erteilt, so gelten die in 27 einem Laden oder offenen Warenlager Beschäftigten gleichwohl gemäß § 56 zu den dort bestimmten Geschäften als bevollmächtigt. Für diesen Fall regelt § 56 den Tatbestand einer Rechtsscheinvollmacht. Maßgebend ist dafür die Erwägung, dass die Beschäftigten in einem Laden oder offenen Warenlager typischerweise eine rechtsgeschäftlich erteilte Handlungsvollmacht im Umfang des § 56 haben und der Rechtsverkehr im Interesse einer leichteren Geschäftsabwicklung davon entlastet werden soll, das Bestehen der Handlungsvollmacht im Einzelfall nachprüfen zu müssen. Damit trägt der Kaufmann das Risiko, dass Personen, die er in dem Laden oder offenen Warenlager beschäftigt, als Bevollmächtigte auftreten, obwohl ihnen keine Vollmacht erteilt worden ist. Der Schutz des Rechtsverkehrs besteht jedoch nur in den Grenzen des guten Glaubens (s. unten Rn 44). Von den Wirkungen des § 56 kann sich der Kaufmann nicht durch Anfechtung befreien.58 28 Hat der Kaufmann eine Vollmacht überhaupt nicht erteilt, so scheitert eine Anfechtung daran, dass es an einer anfechtbaren Willenserklärung fehlt. § 56 regelt für diesen Fall einen auf dem tatsächlichen Verhalten des Kaufmanns (Beschäftigung des Angestellten) beruhenden Rechtsscheintatbestand, der einer Anfechtung unzugänglich ist. Hat der Kaufmann dem Beschäftigten eine Innenvollmacht erteilt, so könnte eine Anfechtung nur die rechtsgeschäftlich begründete Vollmacht beseitigen, so dass § 56 wiederum anwendbar wird. Zweifelhaft ist, welche Grundsätze für eine dem Geschäftspartner erklärte Außenvollmacht zu gelten haben, die wirksam angefochten worden ist.59 Die Lösung hängt davon ab, welcher Sinn mit der Außenbevollmächtigungserklärung verbunden ist. Wenn dem Geschäftspartner damit erkennbar gemacht wird, dass eine Innenvollmacht nicht erteilt wurde, so fehlt für eine Anwendung des § 56 die Grundlage, weil der Geschäftspartner auf das Bestehen einer Innenvollmacht nicht mehr vertrauen darf. Besagt dagegen nach den Umständen des Einzelfalls die Außenbevollmächtigungserklärung nichts darüber, ob dem Ladenpersonal eine Innenvollmacht erteilt worden ist, so bleibt § 56 anwendbar.
2. Umfang Hat der Kaufmann dem Ladenpersonal eine Handlungsvollmacht erteilt, so richtet sich der Um- 29 fang der rechtsgeschäftlich begründeten Vollmacht nach der Bevollmächtigungserklärung. § 56 enthält eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die Vollmacht mit einem § 56 entsprechenden Umfang erteilt worden ist (s. unten Rn 49). Bleibt die rechtsgeschäftlich begründete Vertretungsmacht hinter § 56 zurück, so gilt das Ladenpersonal gleichwohl zu den in der Bestimmung genannten Verrichtungen als bevollmächtigt. Insofern regelt § 56 den Umfang der Vertretungsmacht als Rechtsscheinvollmacht. Hat der Kaufmann eine Handlungsvollmacht rechtsgeschäftlich nicht erteilt, so gilt das Ladenpersonal ebenfalls im Umfang des § 56 als bevollmächtigt. Für diesen Fall normiert § 56 die Vertretungsmacht und ihren Umfang als Rechtsscheinvollmacht. In allen Fällen der Anwendung des § 56 wird also den in dem Laden oder dem offenen Warenlager beschäftigten Personen nicht etwa Vertretungsmacht gesetzlich eingeräumt, sondern es wird nur ein Vertrauensschutz gewährleistet, der Gutgläubigkeit des Geschäftspartners voraussetzt (s. unten Rn 44).
58 K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. d); s. dazu eingehend Manigk S. 604 ff; Stüsser S. 243 ff. 59 Gegen eine Anwendung des § 56 Frotz S. 366 f. 683
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30 a) Verkäufe. Nach § 56 gilt die in einem Laden oder einem offenen Warenlager beschäftigte Person als bevollmächtigt zu Verkäufen. Verkauf ist die Übernahme der Verpflichtung, dem Vertragspartner Besitz und Eigentum an der Sache gegen Entgelt zu verschaffen.60 Dazu gehört zunächst der Abschluss eines Kaufvertrages gemäß § 433 BGB als Verkäufer. Die Vollmacht bezieht sich auf den Abschluss des gesamten Vertrages mit allen Bestandteilen und Nebenabreden.61 Der Geschäftspartner kann sich daher in den Grenzen der Üblichkeit (s. unten Rn 39 ff) darauf verlassen, dass der im Laden Beschäftigte zur Vereinbarung besonderer, vom Gesetz abweichender Vertragsbestimmungen bevollmächtigt ist. Dies gilt auch für den Abschluss von weiteren Verträgen, die mit einem Verkauf wirtschaftlich eng verbunden sind, z.B. wenn anlässlich eines Neuwagenverkaufs zugleich ein Vermittlungsvertrag über die Vermittlung des Gebrauchtwagens des Kunden an einen Dritten geschlossen wird. Dagegen ist der bloße Vermittlungsvertrag ohne Neuwagengeschäft, selbst wenn er im Kraftfahrzeughandel üblich ist, kein Verkauf, so dass § 56 nicht anwendbar ist.62 Hierfür gelten allein die allgemeinen Grundsätze der Duldungs- und Rechtsscheinvollmacht. 31 Mit Verkauf ist ferner das gesamte Umsatzgeschäft gemeint. Dazu gehört auch die Erfüllung des schuldrechtlichen Vertrages, insbesondere also die Übereignung der verkauften Ware.63 Im Gegensatz zu § 55 Abs. 4 wird die Vollmacht zur Entgegennahme von Mängelanzeigen in § 56 nicht genannt. Sie ergibt sich aber daraus, dass eine Vertretungsmacht zur Empfangnahme mangelhafter Ware besteht und die Mängelanzeige eine Zwischenstufe zwischen dem Verkauf und der Rücknahme der gelieferten Ware darstellt. § 56 betrifft das kaufmännische Absatzgeschäft im Wege des Verkaufs. Auf die Rückabwick32 lung des Kaufvertrages, z.B. durch Anfechtung oder Rücktritt, ist § 56 nicht anwendbar.64 Die Ausübung dieser Rechte findet verkehrstypischerweise nicht durch das gewöhnliche Ladenpersonal statt, sondern setzt eine Entschließung des Kaufmanns bzw. hierzu besonders bevollmächtigter Vertreter voraus. Anders liegt es bei dem im Einzelhandel weitgehend üblich gewordenen Umtausch von gekauften Gegenständen. Er ist in dem Sinne Verkauf, als das Umsatzgeschäft aufrechterhalten und mit einem neuen Leistungsgegenstand erfüllt wird. Auf den Umtausch ist § 56 daher anwendbar.65 Auf den Ankauf von Waren ist § 56 weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden.66 33 Die Vollmacht zum Ankauf von Waren ist für das gewöhnliche Ladenpersonal nicht verkehrstypisch, so dass es an einer rechtfertigenden Grundlage für einen allgemeinen Rechtsscheintatbestand fehlt. Stattdessen sind die Grundsätze der Duldungs- und Rechtsscheinvollmacht, bezogen auf den einzelnen zu beurteilenden Fall, anzuwenden.67 Auf andere Verträge als Veräußerungsgeschäfte ist § 56 nicht anzuwenden. Dies gilt insbe34 sondere für Werkverträge und Werklieferungsverträge.68 Der Werklieferungsvertrag steht dem Verkauf zwar insofern nahe, als gemäß § 650 Abs. 1 Satz 1 BGB die Vorschriften über den Kauf auf den Werklieferungsvertrag anzuwenden sind. Der Werklieferungsvertrag kann den Kauf60 BGH WM 1988, 1061 (1062). 61 OLG Köln JMBl. NRW 1972, 189 (Zusicherung von Eigenschaften). Wird die Klausel „freibleibend“ für den Kaufmann vereinbart, so muss er das Geschäft alsbald ablehnen, sonst gilt sein Schweigen als Zustimmung: RG Recht 1922 Nr. 111. 62 AA BGH NJW 1975, 642 (643); OLG Düsseldorf WM 1973, 473 (474). Vgl. auch BGH WM 1988, 1061 (1062). 63 Vgl. BGH WM 1988, 1061 (1062). 64 AA für Rücktrittsvereinbarungen K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. e). 65 Ebenso K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. e); Heymann/Teichmann HGB Rn 24; wohl auch Kothe JR 1990, 63. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 30. 66 BGH WM 1988, 1061 ff; Canaris Handelsrecht § 14 I. 2. a); Hopt/Merkt Rn 4; Kothe JR 1990, 62; Heymann/Teichmann HGB Rn 26; MünchKommHGB/Krebs Rn 33; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 11. 67 BGH WM 1988, 1061 (1063 f). 68 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 11. AA K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. e); Hopt/Merkt Rn 4; MünchKommHGB/Krebs Rn 28; Heymann/Teichmann HGB Rn 25; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 8; für Werklieferungsverträge auch Kothe JR 1990, 62. Vgl. ferner BGH WM 1988, 1061 (1062). Fischinger
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mann jedoch zur Herstellung der Sache verpflichten und ist insoweit ein Geschäft, das typischerweise nicht von dem gewöhnlichen Ladenpersonal abgeschlossen wird. Über Vermittlungsverträge im Kraftfahrzeughandel s. oben Rn 30.
b) Empfangnahme. Die in einem Laden oder offenen Warenlager Beschäftigten gelten als zu 35 Empfangnahmen bevollmächtigt. Empfangnahme ist die Entgegennahme von Sachen. Dazu gehört insbesondere die Erfüllung von Kaufverträgen durch Zahlung des Kaufpreises an das Ladenpersonal.69 Eine Empfangnahme ist ferner die Entgegennahme mangelhafter Ware, die von dem Kaufmann an den Geschäftspartner geliefert worden war. Die Empfangnahmen müssen einen Zusammenhang zu den Geschäften aufweisen, die in 36 dem Laden oder dem offenen Warenlager vorgenommen werden. Das ergibt sich einmal daraus, dass eine Vollmacht des Ladenpersonals für sämtliche Empfangnahmen nicht verkehrstypisch ist, zum anderen aber auch daraus, dass nur mit dem Geschäftsbetrieb zusammenhängende Empfangnahmen als üblich angesehen werden können. Von Bedeutung ist aber nur ein objektiver Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb. Es ist weder erforderlich, dass das vorangegangene Geschäft von dem Angestellten, der die Ware entgegennimmt, abgeschlossen worden ist, noch dass es überhaupt in dem Laden oder offenen Warenlager getätigt wurde. Liegt ein objektiver Zusammenhang vor, so gilt § 56 auch für die Empfangnahme von Waren, die von dem Kaufmann gekauft worden sind und in dem Laden oder Warenlager angeliefert werden. Die Empfangnahme ist, soweit sie die Übergabe betrifft, ein tatsächlicher Vorgang. Die Voll- 37 macht zur Empfangnahme bedeutet, dass der Vertreter zu ihr befugt ist und die gleichen Wirkungen wie bei einer Übergabe an den Geschäftsinhaber eintreten. Insbesondere wird der Geschäftspartner von seiner Verpflichtung zur Übergabe frei. Dies gilt unabhängig davon, welche besitzrechtliche Stellung der Vertreter zu dem Vertretenen hat (Besitzer, Besitzdiener). Auf die Entgegennahme von Erklärungen ist § 56 ebenfalls anzuwenden, soweit sie mit 38 der Geschäftstätigkeit in dem Laden oder offenen Warenlager zusammenhängen. Dazu gehören etwa Mängelanzeigen und die Ausübung eines Rücktrittsrechts. Für die aktive Vertretung des Kaufmanns durch Ausübung der ihm selbst zustehenden Rechte gilt § 56 nicht, weil es sich insoweit weder um einen Verkauf noch um eine Empfangnahme handelt (oben Rn 32). Die bloße Beschäftigung in einem Laden ist verkehrstypisch nicht mit einer derartigen Vollmacht verbunden. Auch die Anerkennung von Mängelrügen des Geschäftspartners fällt nicht unter § 56.
c) Gewöhnliches Geschäft. § 56 setzt Verkäufe bzw. Empfangnahmen voraus, die in einem 39 derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen. Hierin liegt keine Erweiterung auf alle üblichen Geschäfte,70 sondern eine Beschränkung auf übliche Verkäufe und Empfangnahmen.71 Der Verkauf bzw. die Empfangnahme muss also üblicherweise in einem Laden der Art, wie er von dem Kaufmann unterhalten wird, vorgenommen werden. Die Beurteilung hängt im Wesentlichen von den Umständen des einzelnen Falles ab. Es ist nicht erforderlich, dass das vorgenommene Geschäft gerade in dem betreffenden La- 40 den oder offenen Warenlager des betroffenen Kaufmanns üblich ist. § 56 enthält genauso wie § 54 eine typisierende Regelung. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass die Üblichkeit eines Geschäfts in dem betreffenden Laden des Kaufmanns gänzlich ohne Bedeutung wäre.72 Wenn ein Geschäft in einem derartigen Laden zwar gewöhnlich nicht vorgenommen
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OLG Karlsruhe NJW-RR 2021, 122 (123); LG Bochum MDR 1959, 130. Anders BGH NJW 1975, 642 (643). BGH WM 1988, 1061 (1062). Entsprechende Formulierungen im Schrifttum (vgl. K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. e); Heymann/Teichmann HGB Rn 28) gehen daher zu weit. 685
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wird, es aber gerade in diesem Laden üblich ist, so genügt dies für die Anwendung des § 56.73 Es gibt keinen Grund, dem Rechtsverkehr den Vertrauensschutz zu versagen, wenn er sich auf das verlässt, was in dem betreffenden Laden oder offenen Warenlager des Kaufmanns üblich ist. 41 Einzelfälle. Als gewöhnliches Geschäft wurden z.B. angesehen: die Gewährung eines Rabatts von 15 % durch einen Filialleiter;74 die Zusicherung von Eigenschaften eines Gebrauchtwagens;75 die Vermittlung von Kraftfahrzeugkaufverträgen zwischen zwei Kunden durch die Niederlassung eines Neuwagenherstellers76 (s. dazu aber oben Rn 30). Überholt ist eine Entscheidung des Reichsgerichts, wonach der Verkauf von Kraftfahrzeugen in einem Laden nicht üblich sein soll.77 Der Abschluss von Veräußerungsverträgen über Kraftfahrzeuge ist zu einem Massengeschäft geworden, so dass der Vertragsschluss häufig im Verkaufslokal des Händlers erfolgt.78
3. Abdingbarkeit; Schutz des guten Glaubens 42 § 56 bedeutet nicht, dass dem Kaufmann allein dadurch, dass er Personal in einem Laden oder offenen Warenlager beschäftigt, ein Vertreter gegen seinen Willen aufgedrängt würde. Über Entstehen und Umfang der Vertretungsmacht des Personals entscheidet der Kaufmann allein, indem er eine entsprechende Handlungsvollmacht erteilt oder dies unterlässt. Die Erteilung einer Vollmacht mit bestimmtem Umfang an das Ladenpersonal ist Dritten gegenüber genauso wirksam, wie das Unterlassen der Erteilung einer Vollmacht dazu führt, dass dem Ladenpersonal keine Vertretungsmacht zusteht. 43 Hat der Kaufmann keine Handlungsvollmacht erteilt oder hat er sie zwar erteilt, aber mit einem geringeren Umfang als nach § 56, so gilt das Ladenpersonal gleichwohl als in dem Umfang bevollmächtigt, wie es durch § 56 umschrieben wird. Insofern regelt § 56 einen Rechtsscheintatbestand. Er beruht auf der Grundlage, dass die in § 56 umschriebene Vertretungsmacht mit der Beschäftigung in einem Laden oder einem offenen Warenlager verkehrstypisch verbunden ist und der Rechtsverkehr sich im Einzelfall darauf verlassen können soll. Es reicht daher, um die Vertretungswirkungen zu vermeiden, nicht aus, wenn der Kaufmann dem Personal bestimmte Tätigkeiten verbietet, es ihm aber nicht gelingt, das Verbot auch tatsächlich durchzusetzen.79 Durch Allgemeine Geschäftsbedingungen kann die Wirkung des § 56 nicht abbedungen werden.80 44 In § 56 ist nicht ausdrücklich geregelt, ob es sich um einen absoluten typisierten Verkehrsschutz handelt, oder ob der Geschäftspartner nur dann geschützt wird, wenn er gutgläubig ist. Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen der Handlungsvollmacht, wie sie aus § 54 Abs. 3 und § 55 Abs. 4 (s. dazu § 55 Rn 43) hervorgehen, ist ein Vertrauensschutz nur anzuerkennen, sofern der Geschäftspartner gutgläubig auf das Bestehen der Vertretungsmacht vertraut.81 Es besteht kein Anlass, in den Fällen des § 56 den Rechtsverkehr stärker zu schützen, als dies bei der allgemeinen Handlungsvollmacht und der nach außen kundgegebenen Vollmacht der Fall ist. Entsprechend §§ 54 Abs. 3 HGB, 173 BGB gilt § 56 daher nicht, wenn der Geschäftspartner 73 74 75 76 77 78
Ebenso ausdrücklich RG Seufferts Archiv 80 (1926) Nr. 48. OLG Karlsruhe MDR 1980, 849 f. OLG Köln JMBl. NRW 1972, 189. BGH NJW 1975, 642 (643). RG Seufferts Archiv 80 (1926) Nr. 48. Vgl. BGH NJW 1975, 642 (643); OLG Köln JMBl. NRW 1972, 189; OLG Düsseldorf WM 1973, 473 (474); K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 5.; Kothe JR 1990, 63. 79 BGH NJW 1975, 642 (643). 80 LG Hamburg ZIP 1981, 746; Bunte ZIP 1982, 591. 81 BGH NJW 1975, 642 (643); LG Hamburg ZIP 1981, 746; Canaris S. 190 mwN; Canaris Handelsrecht § 14 I. 1.; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 14; MünchKommHGB/Krebs Rn 39; K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. f); Heymann/Teichmann HGB Rn 29; Hadding JuS 1976, 729. AA Bader S. 154 ff; Th. Honsell JA 1984, 23. Fischinger
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das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste. Damit schadet ihm zwar bereits einfache Fahrlässigkeit82 (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Geschäftspartner ohne besonderen Anlass nicht zu eigenen Nachforschungen verpflichtet ist. Fahrlässig handelt daher nur, wer sich über ihm erkennbare Beschränkungen der Vertretungsmacht hinwegsetzt. Die Beurteilung hängt maßgeblich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Selbst wenn eine Beschränkung der Vertretungsmacht allgemein erkennbar ist, kann es an einer Fahrlässigkeit des Geschäftspartners fehlen, wenn er die Beschränkung aus besonderen Gründen nicht wahrnehmen konnte. Der Kaufmann kann den Rechtsschein einer Vertretungsmacht mit Wirkung gegenüber 45 dem Geschäftspartner z.B. dadurch beseitigen, dass er durch einen deutlich erkennbaren Anschlag in dem Laden auf das Fehlen oder die Beschränkung der Vertretungsmacht hinweist. So kann es etwa liegen, wenn darauf hingewiesen wird, dass nur an den Kassen zu zahlen ist.83 Ob das sichtbare Vorhandensein von Kassen allein bereits eine erkennbare Beschränkung der Vertretungsmacht enthält,84 lässt sich nur im Einzelfall feststellen. Jedenfalls wird dadurch für das Publikum nicht erkennbar, dass selbst ein Filialleiter außerhalb der Kasseneinrichtung keine Vertretungsmacht zur Empfangnahme von Geld haben soll.85 Wenn die zum Verkauf bereitgehaltenen Waren einen Preisaufdruck haben, so wird dadurch allein nicht erkennbar, dass dem Personal eine abweichende Preisgestaltung nicht gestattet ist. Allerdings kann § 56 unanwendbar sein, weil die Vereinbarung eines anderen Preises in einem derartigen Laden nicht üblich ist (z.B. in einem Lebensmittelladen). Anders verhält es sich hingegen bei einem Autohaus, sind hier bei Verkäufen doch Preisnachlässe üblich.86 Ein Anschlag oder Aufdruck „Verkauf nur gegen Barzahlung“ schließt die Vertretungsmacht, eine Stundung zu vereinbaren, erkennbar aus. Für die Praxis ist die Frage bislang ohne Bedeutung geblieben, ob § 56 die Rechtsfolge der 46 Wirksamkeit des Vertreterhandelns bei Gutgläubigkeit des Dritten endgültig festlegt, oder ob der Dritte die Wahlmöglichkeit hat, stattdessen die Unwirksamkeit der Vertretung geltend zu machen (s. dazu auch § 54 Rn 74). Im Schrifttum wird zum Teil eine endgültige Festlegung angenommen.87 Dem ist nicht zu folgen. Soweit § 56 eine Vermutung für die rechtsgeschäftliche Erteilung einer Vertretungsmacht mit dem in § 56 bestimmten Umfang enthält, stellt sich die Frage nicht, da die Vermutung widerlegbar ist. Bei Fehlen einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht regelt § 56 einen Rechtsscheintatbestand. Dieser wirkt nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertrauenshaftung nur zugunsten des Vertrauenden.88 Es ist nicht ersichtlich, welche Gründe für § 56 eine Durchbrechung dieses Grundsatzes rechtfertigen könnten. Die Interessen des Kaufmanns verlangen dies nicht. Bei Vertragsschlüssen kann er ein vollmachtloses Handeln genehmigen. Bei einseitigen Rechtsgeschäften und sonstigen Handlungen kann er den Schwebezustand beenden, indem er dem Dritten eine angemessene Erklärungsfrist setzt, nach deren Ablauf sich der Dritte nicht mehr auf seinen guten Glauben berufen kann.89 Der Dritte hat daher auch im Falle des § 56 die Wahlmöglichkeit, ob er seine Gutgläubigkeit geltend macht oder die Unwirksamkeit des Geschäfts.90 Dagegen kann er den Vertreter nicht aus § 179 BGB in Anspruch
82 83 84 85 86 87
K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 3. f). OLG Karlsruhe MDR 1980, 849 (850). Vgl. zu Warenhäusern LG Hamburg ZIP 1981, 746. So zutreffend OLG Karlsruhe MDR 1980, 849 (850). Ebenso OLG Karlsruhe NJW-RR 2021, 122 (123). K. Schmidt Handelsrecht § 16 V. 4. a); MünchKommHGB/Krebs Rn 41; Hopt/Mössle/Schmitt Handelsrecht, Rn 367; vgl. auch Hopt AcP 183 (1983), 697. 88 Canaris S. 518 ff; zu § 15 s. BGHZ 65, 309 (310 f). 89 Canaris S. 519. 90 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 16; Heymann/Teichmann HGB Rn 31; Koller/Kindler/Roth/ Drüen/Roth Rn 11. 687
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nehmen, wenn der Vertretene nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht an das Geschäft gebunden ist.91
4. Erlöschen 47 Für das Erlöschen einer dem Ladenpersonal erteilten Handlungsvollmacht gelten die allgemeinen Grundsätze (s. § 54 Rn 80 ff). Wird das Personal trotz eines Erlöschens der Vertretungsmacht in dem Laden oder dem offenen Warenlager weiterbeschäftigt, so gilt zugunsten des gutgläubigen Geschäftspartners § 56. Der Kaufmann muss daher auch den Rechtsschein einer Bevollmächtigung beseitigen, indem er eine weitere Betätigung des Personals in dem Laden verhindert bzw. auf das Fehlen der Vertretungsmacht in geeigneter Weise eindeutig hinweist. Nach Ansicht des Reichsgerichts soll in der Beschäftigung eines Handlungsbevollmächtigten in einem Laden oder offenen Warenlager die öffentliche Bekanntmachung einer Vollmacht gemäß § 171 BGB liegen, so dass der Widerruf der Vollmacht ebenfalls in derselben Weise erfolgen müsse; anderenfalls sei der gutgläubige Rechtsverkehr gemäß § 173 BGB geschützt.92 Darauf kommt es indessen, solange die Person in dem Laden weiterbeschäftigt wird, nicht an, weil der Schutz des guten Glaubens dann bereits nach § 56 bewirkt wird. 48 Zu Schwierigkeiten führt die hier abgelehnte Auffassung, wonach § 56 auch anzuwenden sein soll, wenn das Ladenpersonal ein Geschäft in dem Laden nur anbahnt, der Geschäftsabschluss aber an anderem Ort erfolgt (s. oben Rn 24). Entzieht der Kaufmann dem Angestellten die Vertretungsmacht und verhindert er dessen weiteres Tätigwerden in dem Laden, so wird der Wegfall der Vertretungsmacht bei Geschäftsabschlüssen außerhalb des Ladens dem Geschäftspartner nicht ohne Weiteres erkennbar. Hieran zeigt sich, dass die dargestellte Auffassung dem Sinngehalt des § 56 nicht entspricht, der darin besteht, dass die Tätigkeit in dem Laden bzw. dem offenen Warenlager vorgenommen wird. Wenn § 56 in derartigen Fällen gleichwohl angewandt wird, so muss der Kaufmann das Erlöschen der Vertretungsmacht dem Geschäftspartner mitteilen (zum Widerruf durch öffentliche Bekanntmachung s. oben Rn 47). Das wird vielfach nicht möglich sein, weil der Kaufmann den Geschäftspartner nicht kennt, so dass die Anwendung des § 56 zu einer nicht sachgerechten Belastung des Kaufmanns führt.
V. Beweislast 49 Für die in einem Laden oder einem offenen Warenlager angestellten Personen ist das Bestehen einer Handlungsvollmacht mit dem in § 56 umschriebenen Umfang verkehrstypisch. Indem § 56 das Personal als zu Verkäufen und Empfangnahmen ermächtigt bezeichnet, wird eine gesetzliche Vermutung für das Bestehen der Handlungsvollmacht mit dem in § 56 umschriebenen Umfang aufgestellt. Die Vermutung ist widerlegbar. Die Beweislast hängt im Einzelfall davon ab, wer die Wirksamkeit des Geschäfts geltend macht (zur Wahlmöglichkeit des Dritten s. oben Rn 46). Zumeist wird sich der Geschäftspartner auf die Vertretungsmacht berufen. Dann hat er zu beweisen, dass der Vertreter in einem Laden oder einem offenen Warenlager mit Wissen und Willen des Kaufmanns beschäftigt wird und dass es sich um einen gewöhnlichen Verkauf bzw. eine gewöhnliche Empfangnahme handelt. Die Vertretungsmacht wird sodann vermutet. Der Kaufmann hat die Vermutung zu widerlegen, indem er beweist, dass er eine Vertretungsmacht nicht oder nur mit geringerem Umfang erteilt hat bzw. dass eine erteilte Vollmacht vor Geschäftsabschluss erloschen war. Da der gutgläubige Geschäftspartner bei Fehlen der Vertretungsmacht gleichwohl nach § 56 geschützt wird, muss der Kaufmann außerdem beweisen, dass der Geschäftspartner das Fehlen der Vertretungsmacht kannte oder kennen musste (vgl. § 54 Rn 75). 91 BGHZ 86, 273 (275 f). AA Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 11. 92 RG Recht 1923 Nr. 1026. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 56
VI. Duldungsvollmacht und Rechtsscheinvollmacht Soweit § 56 nicht anwendbar ist, kann sich die Wirksamkeit eines Geschäftes aus den allgemei- 50 nen Grundsätzen der Duldungs- und Rechtsscheinvollmacht ergeben (s. Vor § 48 Rn 21 ff). Dies gilt etwa, wenn der Vertreter nicht in einem Laden oder offenen Warenlager beschäftigt ist, der Kaufmann ihm aber in dem Unternehmen eine Stellung gibt, die typischerweise mit einer Handlungsvollmacht verbunden ist, so dass der Kaufmann den Rechtsschein einer Bevollmächtigung schafft93 (s. § 54 Rn 21). Die allgemeinen Grundsätze sind ferner anwendbar, wenn ein Geschäft nicht zu dem Anwendungsbereich des § 56 gehört, z.B. beim Ankauf einer Ware94 oder einem Vertragsschluss außerhalb des Ladens, ferner bei einem ungewöhnlichen Geschäft oder einer nachträglichen Vertragsumgestaltung. Der Unterschied zu § 56 liegt insbesondere darin, dass es nach den Grundsätzen der Duldungs- und Rechtsscheinvollmacht darauf ankommt, dass der Kaufmann das Auftreten des Vertreters kannte und duldete oder er es zumindest bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können.
VII. Verantwortlichkeit § 56 betrifft nur die Wirksamkeit von Geschäften und sonstigen Rechtshandlungen des Vertre- 51 ters. Die Verantwortlichkeit des Kaufmanns für sein Personal richtet sich nach anderen Bestimmungen. Handelt ein Ladenangestellter ohne die notwendige Vertretungsmacht, so kann dies eine Schadensersatzpflicht des Kaufmanns nach §§ 823, 831 BGB und den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 BGB) in Verbindung mit § 278 BGB begründen.95 Dieselben Grundsätze können zu einer Haftung des Kaufmanns führen, wenn der Ladenangestellte Aufklärungspflichten verletzt.96 Lehnt ein Ladenangestellter einen gewöhnlichen Verkauf ab, obwohl für die Ware geworben worden ist, so kann dies für die Annahme eines Wettbewerbsverstoßes genügen.97
93 94 95 96
Canaris S. 191 mwN. BGH WM 1988, 1061 (1063 f). BGH WM 1988, 1061 (1063). OLG Düsseldorf WM 1973, 473 (474) (Unterlassen eines Hinweises auf Mängel des von einem Gebrauchtwagenhändler vermittelten Gebrauchtwagens). 97 KG GRUR 1983, 676 (677). 689
Fischinger
§ 57 [Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten] Der Handlungsbevollmächtigte hat sich bei der Zeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten; er hat mit einem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Zusatze zu zeichnen.
Übersicht I.
Regelungsziel
1
II.
Anwendungsbereich
III.
Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten
1. 2.
Name und Firma Vollmachtszusatz
IV.
Bedeutung
3 4
2 8
I. Regelungsziel 1 Die Bestimmung beruht auf den gleichen Grundlagen wie § 51. Sie dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Handelsverkehrs. Der Handlungsbevollmächtigte wird zum einen angehalten, das Vertretungsverhältnis ausdrücklich offenzulegen. Zum anderen soll er die Beschränkung seiner Vertretungsmacht erkennbar machen, indem er jede Andeutung einer Prokura unterlässt. Damit soll eine Verwechslung mit Prokuristen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Ausführungen zu § 51 gelten weitgehend entsprechend auch für die Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten.
II. Anwendungsbereich 2 Die Bestimmung gilt für alle schriftlichen Erklärungen des Handlungsbevollmächtigten. Sie ist auch anzuwenden, wenn der Umfang der Handlungsvollmacht gemäß §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2 und 3 erweitert ist, da auch in diesen Fällen von einer Handlungsvollmacht Gebrauch gemacht wird. Ausübung von Handlungsvollmacht ist ferner der Geschäftsabschluss eines Angestellten in einem Laden oder einem offenen Warenlager (§ 56), soweit er eine rechtsgeschäftlich erteilte Vertretungsmacht hat (s. § 56 Rn 26). Insoweit ist § 57 ebenfalls anzuwenden. Die Bestimmung gilt dagegen nicht für mündliche, stillschweigende oder konkludente Erklärungen eines Handlungsbevollmächtigten, da in diesen Fällen eine Zeichnung nicht möglich ist. Bei elektronischen Erklärungen (vor allem per e-mail) ist die Vorschrift zwar nicht anwendbar, ihre Vorgaben sollten aber dennoch beachtet werden.
III. Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 1. Name und Firma 3 Nach § 51 hat der Prokurist in der Weise zu zeichnen, dass er zunächst die Firma aufführt und sodann mit seinem Namen unterschreibt. In § 57 wird diese Regelung für den Handlungsbevollmächtigten nicht eigens ausgedrückt. Nach dem Zweck der Bestimmung kann jedoch für den Handlungsbevollmächtigten nichts anderes gelten.1 Da der Handlungsbevollmächtigte „mit ei1 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 2; Heymann/Teichmann HGB Rn 3. Vgl. auch BGH NJW 1966, 1077; BPatG Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1975, 379 (380). Fischinger https://doi.org/10.1515/9783111097510-044
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§ 57
Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
nem das Vollmachtsverhältnis ausdrückenden Zusatze zu zeichnen“ hat, setzt dies seine eigene Zeichnung und die Angabe des Vertretenen voraus. Die eigene Zeichnung besteht wie bei einem Prokuristen in der eigenhändigen Unterschrift mit dem (Familien-) Namen des Handlungsbevollmächtigten. Die Angabe des Vertretenen ist, da es sich um einen Kaufmann handelt, nichts anderes als die Angabe der Firma gemäß § 17. Entsprechend den für die Prokura geltenden Grundsätzen (s. § 51 Rn 3) muss die Firma nicht eigenhändig geschrieben werden; es genügt eine maschinenschriftliche oder andere Form.
2. Vollmachtszusatz Der Handlungsbevollmächtigte hat in der Zeichnung das Vollmachtsverhältnis besonders auszudrücken. Dies kann geschehen durch Zusätze wie z.B. „in Vertretung“, „im Auftrag“, „in Handlungsvollmacht“ oder bloß „in Vollmacht“. In der Praxis ist es seit langem üblich, dass der Zusatz in Form der Abkürzung „i.V.“2 oder „i.A.“3 aufgenommen wird. Der Gegenstand der Handlungsvollmacht (Generalhandlungsvollmacht, Arthandlungsvollmacht oder Spezialhandlungsvollmacht) braucht in dem Zusatz nicht angegeben zu werden. Der Handlungsbevollmächtigte Franz Steinke des Kaufmanns Hans Petersen zeichnet demnach: Hans Petersen i.V. Steinke. Für eine Gesamthandlungsvollmacht gelten die gleichen Grundsätze wie für eine Gesamtprokura (s. § 51 Rn 8). Die Gesamthandlungsbevollmächtigten Steinke und Kramer des Kaufmanns Hans Petersen, der sein geerbtes Handelsgeschäft unter dem Handelsnamen Friedrich Petersen führt, zeichnen demnach: Friedrich Petersen i.V. Steinke i.V. Kramer. Die Ausübung der Handlungsvollmacht kann auf den Betrieb einer oder mehrerer Niederlassungen beschränkt werden (s. § 54 Rn 39). Betreibt der Kaufmann die Niederlassung unter einer selbständigen Firma, so hat der Handlungsbevollmächtigte die Firma der Zweigniederlassung zu zeichnen. § 57 untersagt dem Handlungsbevollmächtigten ausdrücklich die Verwendung eines Vollmachtszusatzes, der zu Verwechslungen mit einer Prokura führen könnte. Damit soll verhindert werden, dass der Rechtsverkehr irrig von dem Bestehen einer Prokura mit dem für sie geltenden weiteren Umfang der Vertretungsmacht ausgeht. Der Handlungsbevollmächtigte darf also insbesondere nicht „ppa“ zeichnen. Er darf, wenn er den Vollmachtszusatz eigenhändig schreibt, nicht durch eine unleserliche Schreibweise den Eindruck erwecken, dass der Zusatz „ppa“ bedeuten soll.
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IV. Bedeutung Die Bestimmung über die Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten enthält keine gesetzliche 8 Formvorschrift i.S.d. § 125 BGB, sondern nur eine Ordnungsvorschrift.4 Es gelten die gleichen Grundsätze wie für die entsprechende Bestimmung über die Zeichnung des Prokuristen in § 51. Die mit der Zeichnung abgegebene Willenserklärung des Handlungsbevollmächtigten ist daher auch dann in der Person des Kaufmanns wirksam, wenn der Handlungsbevollmächtigte in an2 Vgl. BPatG Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen 1975, 379 (380). 3 Verfehlt werten das LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2008, 403 und ArbG Hamburg BeckRS 2006, 44958 dies nicht als ausreichenden Hinweis auf die Vertretung (wie hier MünchKommHGB/Krebs Rn 4; Sasse ArbRB 2007, 73).
4 BGH NJW 1966, 1077. Ebenso bereits für die sachlich gleiche Regelung in Art. 48 ADHGB ROHGE 5, 263 (266 f); ROHGE 12, 133 (134); RG JW 1894, 431. 691
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§ 57
1. Buch. Handelsstand
derer Weise zeichnet, als dies in § 57 vorgesehen ist. Dies gilt etwa, wenn der Handlungsbevollmächtigte nur mit dem Namen des Kaufmanns,5 nur mit seinem eigenen Namen ohne Vertretungszusatz oder mit einem die Prokura andeutenden Zusatz unterschreibt. Die Wirksamkeit der Vertretung durch den Handlungsbevollmächtigten richtet sich in allen Fällen allein nach § 164 Abs. 1 BGB. Erforderlich und genügend ist, dass entweder ausdrücklich im Namen des Kaufmanns gehandelt wird oder dass die Umstände ein Handeln in seinem Namen ergeben (vgl. § 51 Rn 11). Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass Willenserklärungen über unternehmensbezogene Geschäfte als für den Unternehmensinhaber abgegeben angesehen werden (s. Vor § 48 Rn 10). Für die Einhaltung besonderer Formbestimmungen kann dagegen die Nennung des eigenen Namens des Handlungsbevollmächtigten erforderlich sein (vgl. bereits § 51 Rn 14), z.B. bei Rechtsmittelschriften.6 Bei wechselrechtlichen Erklärungen ist es unschädlich, wenn der Vertretungszusatz unterbleibt7 (s. dazu aber auch § 51 Rn 15 ff). 9 § 57 hat daher wie § 51 nur die Bedeutung, die Offenkundigkeit des Vertreterhandelns bei Einhaltung der richtigen Zeichnungsform ausreichend klarzustellen. Wird das Vertreterhandeln trotz Verstoßes gegen § 57 auf andere Weise hinreichend erkennbar, so wirkt die Erklärung allein in der Person des Kaufmanns; der Handlungsbevollmächtigte haftet nicht nach § 179 BGB. Tritt das Vertreterhandeln nicht erkennbar hervor und liegt auch kein unternehmensbezogenes Geschäft vor, so ist ein Eigenhandeln des Handlungsbevollmächtigten gegeben (arg. § 164 Abs. 2 BGB), so dass die Erklärung in seiner eigenen Person wirkt. 10 Soweit der Kaufmann weiß und duldet, dass ein Handlungsbevollmächtigter mit einem die Prokura andeutenden Zusatz unterzeichnet, oder er dies wissen und verhindern könnte, entsteht zwar keine Duldungsprokura oder Anscheinsprokura, weil es an dem zwingenden Erfordernis einer ausdrücklichen Erklärung gemäß § 48 Abs. 1 fehlt. Es kann jedoch dadurch eine Rechtsscheinvollmacht entstehen, die in ihrem Umfang mit einer wirksamen Prokura deckungsgleich ist (s. § 48 Rn 67).
5 BGH NJW 1966, 1077. 6 BGH NJW 1966, 1077. 7 RG JW 1894, 431. Fischinger
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§ 58 [Übertragung der Handlungsvollmacht] Der Handlungsbevollmächtigte kann ohne Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts seine Handlungsvollmacht auf einen anderen nicht übertragen.
Schrifttum P. Bydlinski Die Übertragung von Gestaltungsrechten (1986); Frey Rechtsnachfolge in Vollmachtnehmer- und Vollmachtgeberstellungen (1997).
I. Regelungsziel Der Wortlaut der Bestimmung ist missverständlich. Er beruht auf der entsprechenden Rege- 1 lung in § 52 Abs. 2, wonach die Prokura nicht übertragbar ist. Ursprünglich war vorgesehen, beide Bestimmungen nach dem Vorbild des Art. 53 ADHGB in einer Norm zusammenzufassen und für Prokura und Handlungsvollmacht gleichermaßen auszusprechen, dass sie ohne Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts nicht übertragbar seien.1 Die jetzige Fassung könnte den Eindruck erwecken, dass die Handlungsvollmacht im Gegensatz zur Prokura übertragbar sei, wenn auch nur mit Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts. Tatsächlich ist jedoch die Handlungsvollmacht – unabhängig von der Zustimmung des In- 2 habers des Handelsgeschäfts – ebenso wenig wie die Prokura übertragbar.2 Denn die Vertretungsmacht ist kein subjektives Recht, das durch seinen Inhaber auf eine andere Person übertragen werden könnte (s. bereits § 52 Rn 58). § 58 regelt daher entgegen der missverständlichen Fassung nicht, dass der Handlungsbevollmächtigte seine eigene Vertretungsmacht mit Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts auf einen anderen übertragen könnte. Gemeint ist vielmehr ein Vorgang, der als Ersatzbevollmächtigung bezeichnet wird.3 Dabei erteilt der Bevollmächtigte im Namen des Vertretenen eine neue Vertretungsmacht, die mit seiner eigenen deckungsgleich ist. Die Vertretungsmacht des Erstbevollmächtigten fällt durch den darin liegenden Verzicht nicht weg.4 Das gesetzgeberische Motiv der Bestimmung wird häufig darin gesehen, dass die Ertei- 3 lung einer Vollmacht auf persönlichem Vertrauen beruhe und die Entscheidung darüber dem Kaufmann zustehen solle.5 Damit lässt sich der Regelungszweck jedoch nicht erklären. Wenn es das Regelungsziel wäre, das Vertrauen des Kaufmanns zur Voraussetzung der Vollmachtserteilung zu machen, so müsste folgerichtig jede Vollmachtserteilung durch einen Handlungsbevollmächtigten an die Zustimmung des Kaufmanns gebunden werden. Diese Aussage trifft § 58 indessen nicht. Die ausdrücklich bestimmte Bindung an die Zustimmung des Kaufmanns soll lediglich klarstellen, dass der gewöhnliche Umfang einer Handlungsvollmacht gemäß § 54 den Handlungsbevollmächtigten nicht in die Lage versetzt, seine Vollmacht auf einen anderen zu „übertragen“.6 Ungeregelt bleibt die von der Ersatzbevollmächtigung zu unterscheidende Un-
1 § 51 des Entwurfs eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 (Entwurf des Reichs-Justizamtes), abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band I, 1986, S. 232.
2 MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 80. S. dazu auch Peter Bydlinski S. 258 ff. 3 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2; Hopt/Merkt HGB Rn 1 f. Anders MünchKommHGB/Krebs Rn 4.
4 Näher dazu Peter Bydlinski S. 257 ff; MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 80. 5 RG JW 1891, 556 Nr. 15 = Gruchot 36 (1892), 1156 (zu Art. 53 ADHGB). 6 Begründung zu dem Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für das Deutsche Reich von 1895 (Denkschrift zum Entwurf des Reichs-Justizamtes), abgedruckt bei Schubert/Schmiedel/Krampe Quellen zum Handelsgesetzbuch von 1897, Band II, Erster Halbband 1987, S. 48. 693 https://doi.org/10.1515/9783111097510-045
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§ 58
1. Buch. Handelsstand
terbevollmächtigung, bei der die Vertretungsmacht des Erstbevollmächtigten erhalten bleibt (s. unten Rn 6). Das Regelungsziel ist also allein eine Konkretisierung dessen, was nach § 54 Abs. 1 nicht als ein gewöhnliches Geschäft anzusehen ist. Unberührt bleibt die Möglichkeit des Kaufmanns, die Handlungsvollmacht zu widerrufen und sie selbst einer anderen Person neu zu erteilen oder eine weitere Handlungsvollmacht zu erteilen.
II. Ersatzbevollmächtigung 4 Der Handlungsbevollmächtigte kann nach § 58 eine Ersatzbevollmächtigung dergestalt, dass er einer anderen Person Handlungsvollmacht mit gleichem Umfang einräumt und seine eigene Handlungsvollmacht dabei wegfällt, nur mit Zustimmung des Inhabers des Handelsgeschäfts vornehmen.7 Die Bestimmung stellt damit klar, dass eine Ersatzbevollmächtigung von dem gewöhnlichen Umfang der Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 nicht gedeckt wird. Die Zustimmung stellt sich als Erweiterung des gewöhnlichen Umfangs der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten dergestalt dar, dass seine Vertretungsmacht auch eine Ersatzbevollmächtigung umfasst. Es handelt sich dagegen nicht um eine Zustimmung gemäß §§ 182 ff BGB, die ein Handeln im eigenen Namen voraussetzt.8 Der Handlungsbevollmächtigte handelt bei der Ersatzbevollmächtigung im fremden Namen, also im Namen des Kaufmanns. 5 Die Zustimmung kann von dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder dessen gesetzlichem Vertreter erteilt werden. Auch ein Prokurist kann sie erklären, da er ohnehin Handlungsvollmachten erteilen und widerrufen kann. Die Zustimmung ist an keine Form gebunden. Sie kann durch ausdrückliche, stillschweigende oder konkludente Erklärung erfolgen. Die Erklärung wird als Erklärung zum Umfang der Vollmacht gegenüber dem Handlungsbevollmächtigten vorgenommen. Sie kann aber auch gegenüber der Person, welche die Ersatzvollmacht erhalten soll, vorgenommen werden (Außenvollmacht). Als Vollmachtserteilung ist die Zustimmung grundsätzlich bis zur Vornahme der Ersatzbevollmächtigung frei widerruflich. Eine nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) ist unter den Voraussetzungen nach § 180 Satz 2 BGB möglich. In diesem Falle ist die ohne Zustimmung erfolgte Ersatzbevollmächtigung zunächst schwebend unwirksam. Wird sie genehmigt, so werden dadurch ebenfalls Geschäfte wirksam, die der neue Handlungsbevollmächtigte in der Zwischenzeit bereits als Vertreter abgeschlossen hatte.9
III. Unterbevollmächtigung 6 Von der Ersatzbevollmächtigung ist die Unterbevollmächtigung zu unterscheiden. Bei der Unterbevollmächtigung erteilt der Handlungsbevollmächtigte einer anderen Person Vertretungsmacht für den Kaufmann, behält aber seine eigene Handlungsvollmacht bei. Hierfür gilt § 58 nach zutreffender Ansicht nicht.10 Eine analoge Anwendung ist selbst für den Fall, dass eine Untervollmacht mit gleichem Umfang wie die Haupthandlungsvollmacht erteilt wird, nicht möglich,11 weil § 58 nicht mehr zu entnehmen ist, als dass gerade eine Ersatzbevollmächtigung von der Vertretungsmacht des Handlungsbevollmächtigten nicht gedeckt wird (s. oben Rn 3). 7 Die Wirksamkeit der Erteilung einer Untervollmacht durch den Handlungsbevollmächtigten ist allein nach den allgemein für die Handlungsvollmacht geltenden Grundsätzen zu beurtei7 S. dazu Heymann/Teichmann HGB Rn 7. 8 AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 3; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth Rn 2. 9 Heymann/Teichmann HGB Rn 9. 10 RG JW 1891, 556 Nr. 15 = Gruchot 36 (1892), 1156 (1158) (zu Art. 53 ADHGB); Oetker/Schubert Rn 2; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth Rn 3; AA MünchKommHGB/Krebs Rn 4; BeckOK-HGB/Meyer Rn 4, 7; Heymann/Teichmann HGB Rn 5; K. Schmidt Handelsrecht § 16 IV. 2. a) bb). 11 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Weber Rn 5. AA MünchKommHGB/Krebs Rn 4. Fischinger
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Fünfter Abschnitt. Prokura und Handlungsvollmacht
§ 58
len (s. § 54 Rn 27 ff). Die Vertretungsmacht zur Erteilung einer weiteren Handlungsvollmacht kann sich aus einer ausdrücklichen Erklärung des Kaufmanns oder aus einer Auslegung der von ihm erteilten Handlungsvollmacht ergeben. Im Übrigen kommt es darauf an, ob die Erteilung einer Untervollmacht ein gewöhnliches 8 Geschäft i.S.d. § 54 Abs. 1 ist. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.12 Eine Untervollmacht gleichen Umfangs oder nahezu gleichen Umfangs ist im allgemeinen unüblich und daher durch die gewöhnliche Handlungsvollmacht nicht gedeckt. Bei Untervollmachten mit begrenztem Umfang kommt es maßgeblich darauf an, ob der Kaufmann ein schutzwürdiges Interesse daran hat, allein durch den von ihm bestellten Handlungsbevollmächtigten und nicht durch eine andere Person vertreten zu werden.13 Die Beurteilung hängt davon ab, ob es für die Ausführung eines Geschäftes auf die Persönlichkeit, Geschicklichkeit oder Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten nicht besonders ankommt oder ob sonstige Verhältnisse die Ausführung durch eine andere Person ganz oder teilweise als üblich oder gar geboten erscheinen lassen.14 In solchen Fällen wird die Unterbevollmächtigung als gewöhnliches Geschäft bewertet werden können. Der Handlungsbevollmächtigte kann eine Untervollmacht nur im Rahmen seiner eigenen 9 Vertretungsmacht erteilen. Die Untervollmacht kann daher nicht weiter gehen als die Hauptvollmacht. Für Geschäfte, zu denen der Handlungsbevollmächtigte selbst gemäß § 54 Abs. 2 einer besonderen Vollmacht bedarf, kann er keine Untervollmacht erteilen. Dies gilt selbst dann, wenn ihm die besondere Befugnis – z.B. zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten – von dem Kaufmann erteilt worden ist, da es sich gleichwohl weiterhin um ein ungewöhnliches Geschäft handelt.15 Eine bürgerlich-rechtliche Vollmacht kann der Handlungsbevollmächtigte nicht erteilen,16 weil die Handlungsvollmacht selbst gemäß § 54 Abs. 1 nur für Handelsgeschäfte gilt. Im Übrigen ergibt sich der Umfang der Vertretungsmacht des Unterbevollmächtigten aus seiner Untervollmacht, wie sie von dem Handlungsbevollmächtigten erteilt worden ist. Der Untervertreter wird als Vertreter des Kaufmanns tätig.17 Die Wirksamkeit seiner Vertre- 10 tungsmacht hängt von der (doppelten) Gültigkeit der Hauptvollmacht und der Untervollmacht ab. Ist eine dieser Vollmachten unwirksam, so kann den Untervertreter die Haftung gemäß § 179 BGB treffen. Wenn dagegen die Untervollmacht einmal wirksam erteilt ist, hängt ihr Bestand nicht mehr von der Fortgeltung der Hauptvollmacht ab.18 Der Untervertreter bleibt daher auch dann bevollmächtigt, wenn die Hauptvollmacht z.B. durch Widerruf erlischt. Auf die Untervollmacht sind im Übrigen die allgemeinen Regeln der Handlungsvollmacht anzuwenden, nach denen sich auch das Erlöschen der Untervollmacht richtet. Die internen Rechte und Pflichten des Untervertreters ergeben sich aus dem zwischen ihm und dem Kaufmann bestehenden Innenverhältnis. Dieses wird regelmäßig ebenfalls durch Ausübung der Hauptvollmacht entstehen, indem z.B. der Hauptbevollmächtigte im Namen des Kaufmanns mit dem Untervertreter einen Auftrag oder einen Dienstvertrag schließt.
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RG JW 1891, 556 Nr. 15 = Gruchot 36 (1892), 1156 (1158) (zu Art. 53 ADHGB); OLG München WM 1984, 834 (835). OLG München WM 1984, 834 (835) mwN. RG JW 1891, 556 Nr. 15 = Gruchot 36 (1892), 1156 (1158) (zu Art. 53 ADHGB). OLG München WM 1984, 834 (835), wo eine Ausnahme für den Fall gemacht wird, dass der Hauptbevollmächtigte die Ausführung des Geschäfts so steuert, dass dem Unterbevollmächtigten kein Spielraum verbleibt, innerhalb dessen der Unterbevollmächtigte selbständig Risiken setzen könnte. 16 AA Heymann/Sonnenschein/Weitemeyer2 HGB Rn 5. 17 Umstritten ist, ob ein Untervertreter auch als Vertreter des Vertreters dergestalt handeln kann, dass er nur im Namen des Hauptvertreters handelt und ihn in seiner Eigenschaft als Vertreter vertritt. Der BGH hält eine derartige Gestaltung für zulässig, während sie von der hM im Schrifttum abgelehnt wird; s. im Einzelnen BGHZ 68, 391 (393 ff) mwN; Soergel/Leptien § 167 Rn 60; MünchKommBGB/Schubert § 167 Rn 83 mwN. 18 Vgl. auch RGZ 107, 161 (166); OLG Hamm GmbHR 2012, 903; OLG Düsseldorf MDR 2018, 606. 695
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SECHSTER ABSCHNITT Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge Vorbemerkungen vor § 59 Schrifttum 1. Allgemeines Schrifttum zum Arbeitsrecht (Auswahl) Boecken/Düwell/Diller/Hanau (Hrsg.) Gesamtes Arbeitsrecht, 2016; Brox/Rüthers/Henssler Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020; Deinert/Heuschmid/Zwanziger (Hrsg.) Arbeitsrecht, Handbuch für die Praxis, 10. Aufl. 2019; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß (Hrsg.) Handbuch des Arbeitsrechts, 16. Aufl. 2022; Dütz/Thüsing Arbeitsrecht, 26. Aufl. 2021; Fischinger Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2021; Hanau/Adomeit Arbeitsrecht, 14. Aufl. 2007; Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.) Arbeitsrecht, 10. Aufl. 2022; Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl. 1963; Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg.) Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht (Band 1/2, Individualarbeitsrecht I/II), 5. Aufl. 2021; Müller-Glöge/Preis/ Schmidt (Hrsg.) Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022; Nikisch Arbeitsrecht, Band 1 – Allgemeine Lehren und Arbeitsvertragsrecht, 3. Aufl. 1961; Schaub Arbeitsrechts-Handbuch, 19. Aufl. 2021; Tschöpe Arbeitsrecht Handbuch, 12. Aufl. 2021; Zöllner/Loritz/Hergenröder Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2015.
2. Zum Handlungsgehilfenrecht Beer Die Grundlagen des vertragsbegleitenden Wettbewerbsverbots im deutschen Arbeitsrecht, 2017; Van der Borght Das Recht des Handlungsgehilfen, 1909; Bundfuß Handlungsgehilfen und Gewerbegehilfen, 1938; Feiler Die arbeitsrechtliche Stellung des Handlungsgehilfen unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzesnovelle von 1969, 1982; Frantzen Die neue arbeitsrechtliche Gesetzgebung in ihrer Bedeutung für den Handlungsgehilfen, 1929; C. S. Hergenröder Kaufmännische Angestellte, AR-Blattei SD 880.2, 2000; Horrwitz Das Recht der Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge, 1905; Ide Das kaufmännische Arbeits-, Angestellten- und Berufsausbildungsverhältnis, 1991; Moers Der Handlungsgehilfe auf Provisionsbasis, 1966; Ramrath Entwicklung des Rechts der Handlungsgehilfen von den Kodifikationen bis zum Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, Festgabe Sandrock, 1995, S. 255; Roth 150 Jahre Recht des Handlungsgehilfen: Vom ADHGB 1861 zum Arbeits(vertrags) gesetz(buch)?, RdA 2012, 1; Schiffer Der Leistungsmaßstab im Arbeitsverhältnis, Diss. Berlin 2014; K. Schmidt Handlungsgehilfenrecht und Handelsgesetzbuch – eine Skizze zum Abschied des HGB vom Arbeitsrecht, Festschrift für Alfred Söllner zum 70. Geburtstag, 2000, S. 1047; Strauß Wandlungen und Neubildungen im Arbeitsvertragsrecht des Handlungsgehilfen, 1929; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1993; Wank Arbeitsrecht und Handelsrecht im HGB, JA 2007, 321; Zimmermann Die juristische Person als Handlungsgehilfe, Festschrift für Günter Wiese zum 70. Geburtstag, 1998, S. 657.
3. Zu den Wettbewerbsverboten Vgl. die Nachweise bei § 60 und bei Vorbemerkungen vor § 74.
A. Systematik 1 Der sechste Abschnitt betrifft im Wesentlichen das arbeitsrechtliche Innenverhältnis zwischen dem altmodisch als Prinzipal bezeichneten Arbeitgeber und dem in dessen Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellten Arbeitnehmer, dem Handlungsgehilfen. Systematisch sind die §§ 59–83 dem Individualarbeitsrecht zuzuordnen.1
1 Hopt/Roth41 § 59 Rn 1. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-046
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 59
B. Rechtsentwicklung Das Handlungsgehilfenrecht kann auf eine inzwischen über 150-jährige Geschichte zurückbli- 2 cken. Ihren Ursprung haben die §§ 59 ff in den Art. 57–65 (sechster Abschnitt des ersten Buches) des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs (ADHGB) von 1861. Das ADHGB trat in den meisten Teilstaaten im Jahr 1866 in Kraft2 und wurde schließlich 1872 als Reichsgesetz erlassen.3 Historisch waren diese Regelungen von großer Bedeutung. Sie schufen immerhin – neben der für gewerbliche Angestellte und Arbeiter geltenden und in etwa aus der gleichen Zeit stammenden Gewerbeordnung4 – für eine wichtige Gruppe von Beschäftigten erste arbeitsrechtliche Schutzregelungen,5 die insbesondere der wirtschaftlichen Existenzsicherung dienten.6 Die Art. 57–65 ADHGB können daher als „Keimzelle des deutschen Arbeitsrechts“7 gelten. Sie regelten das Rechtsverhältnis zwischen dem Prinzipal und dem „Handlungsgehülfen“8: 3 Art. 57 ADHGB bestimmte – ähnlich wie der heutige § 59 – Rechte und Pflichten des Handlungsgehülfen, ohne diesen allerdings zu definieren; der Begriff Handlungsgehülfe war lediglich mit dem Klammerzusatz „Handlungsdiener, Handlungslehrlinge“ versehen.9 Art. 58 ADHGB betraf das vertretungsrechtliche Außenverhältnis. Art. 59 ADHGB enthielt ein gesetzliches Wettbewerbsverbot (vgl. heute §§ 60, 61),10 Art. 60 ADHGB einen auf sechs Wochen beschränkten Entgeltfortzahlungsanspruch bei unverschuldetem „Unglück“ (vgl. § 63, der inzwischen aber aufgehoben wurde, Rn 5) und Art. 61–64 ADHGB die ordentliche und außerordentliche Kündigung (u.a. Kündigungsfristen und besondere Kündigungsgründe). Art. 65 ADHGB schließlich verwies – in Entsprechung zum heutigen § 8311 – hinsichtlich „Personen, welche bei dem Betriebe des Handelsgewerbes Gesindedienste verrichten“ auf die für diese geltenden allgemeinen Bestimmungen. Die Art. 57–65 ADHGB wurden durch den sechsten Abschnitt des ersten Buches des HGB 4 (§§ 59–83) abgelöst. Der sechste Abschnitt trat – mit Ausnahme des § 63 – bereits am 1.1.1898 in Kraft (Art. 1 Abs. 2 EGHGB), also zwei Jahre vor den übrigen Teilen des HGB. Die wichtigsten Neuerungen gegenüber dem ADHGB bestanden in § 62 (Fürsorgepflicht des Prinzipals hinsichtlich der Gesundheitsbelange des Handlungsgehilfen), § 64 (Bestimmung der Fälligkeit des Entgeltanspruchs), § 73 (Zeugnisanspruch), den §§ 74, 75 (Vereinbarungen über ein nachträgliches Wettbewerbsverbot)12 und den §§ 76–82 (Bestimmungen über Handlungslehrlinge). Die Vorschriften über die Kündigung (§§ 66–72) wurden geringfügig verschärft.13 Zudem nahm der Gesetzgeber Fragen der Vertretungsmacht vollständig aus dem sechsten Abschnitt heraus und vollzog damit konsequent die – im ADHGB bereits im Grundsatz angelegte – systematische Trennung zwischen Außenverhältnis (fünfter Abschnitt, §§ 49 ff) und Innenverhältnis (sechster 2 S. Überblick mit Nachw. bei Roth RdA 2012, 1 (3). 3 RGBl. 1871, S. 63. 4 Die Vorläuferregelung der heutigen GewO, die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund, wurde 1869 erlassen; ihre Geltung wurde 1872 auf das Deutsche Reich ausgedehnt; vgl. BeckOK-GewO/Pielow56 § 1 Rn 7. 5 Vgl. dazu BeckOGK-HGB/Freyler § 59 (15.2.2022) Rn 12 ff; Hromadka RdA 2015, 65 f; ausf. zur Entwicklungsgeschichte Beer S. 109 ff; Ramrath Festgabe Sandrock, 1995, S. 255 (260 ff); Roth RdA 2012, 1 ff; K. Schmidt FS Söllner, 2000, S. 1047 (1050 ff). 6 Schliemann FS Wank, S. 531 (536). 7 Roth RdA 2012, 1. 8 S. auch den Überblick bei Hromadka RdA 2015, 65 f. 9 S. zur Rspr. des Reichsoberhandelsgerichts, das den Handlungsgehülfen bereits als kaufmännischen Angestellten im heutigen Sinne definierte, Roth RdA 2012, 1. 10 Ausf. zum historischen und sozioökonomischen Hintergrund der §§ 60, 61 Beer S. 109 ff. 11 Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 3. 12 Ausf. zum historischen Hintergrund und der Genese der §§ 74 ff Niehaus Der Ausgleich der Parteiinteressen bei Konkurrenzklauseln nach deutschem und englischem Recht, 2014 S. 37 ff. 13 Vgl. Roth RdA 2012, 1 (4) mit Hinw. auf § 67 Abs. 1 Hs. 2: unabdingbare Mindestkündigungsfrist von einem Monat. 697
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Vor § 59
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Abschnit, §§ 59 ff).14 Durch die nachträgliche Einfügung der §§ 75g und 75h15 wurde diese Systematik allerdings wieder aufgeweicht. 5 Durch eine Reihe gesetzgeberischer Änderungen16 ist die Bedeutung des Handlungsgehilfenrechts im Laufe der Zeit weitgehend verloren gegangen17 (vgl. zum Bedeutungsverlust der §§ 59 ff als Sonderrecht der Handlungsgehilfen auch noch § 59 Rn 3 ff). Große Teile des sechsten Abschnitts sind durch allgemeine arbeitsrechtliche Gesetze verdrängt worden: Statt der durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.8.196918 aufgehobenen Vorschriften über die Kündigung (§§ 66–72) gelten die §§ 620 ff BGB, diese ihrerseits ergänzt durch das Kündigungsschutzgesetz vom 25.8.1969.19 § 63 ist durch Art. 59 PflegeVG vom 26.5.199420 aufgehoben worden und im Entgeltfortzahlungsgesetz vom 26.5.199421 aufgegangen. § 73 wurde durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung vom 24.8.2002 aufgehoben.22 Das Zeugnisrecht ist seitdem für alle Arbeitnehmer in § 109 GewO i.V.m. § 630 Satz 4 BGB geregelt. § 74a Abs. 2 Satz 1 (a.F.) und § 75b wurden mit Wirkung vom 1.1.2002 aufgehoben,23 nachdem zuvor schon das BAG § 75b für verfassungswidrig erklärt24 (§ 75b Rn 1) und man für § 74a Abs. 2 Satz 1 (a.F.) entsprechend argumentiert hatte (§ 74a Rn 34). Die Bestimmungen über die Handlungslehrlinge (§§ 76– 82) und das Wettbewerbsverbot des Volontärs (§ 82a) wurden durch das Berufsbildungsgesetz vom 14.8.196925 gestrichen bzw. gegenstandslos. 6 Die §§ 62 Abs. 2 bis 4, 64, 75 Abs. 3, 82a, 83 waren nach Anl. I Kap III Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1 und Anl. I Kap VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 2 zum Einigungsvertrag26 in den neuen Bundesländern nicht anwendbar (ebenso §§ 63, 73 und 75b Satz 2, die aber später ohnehin aufgehoben wurden, Rn 5). Diese Einschränkung wurde jedoch durch Art. 208 § 1 Abs. 1 Nr. 4 lit. a des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des BMJ vom 19.4.200627 und durch Art. 109 Nr. 3 lit. a sublit. aa des Gesetzes über die weitere Bereinigung des Bundesrechts vom 8.12.201028 wieder aufgehoben.29 Zu der im Einigungsvertrag verankerten Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer einheitlichen Kodifizierung des Arbeitsrechts (unter Einschluss der §§ 59 ff) und weiteren Reformüberlegungen vgl. § 59 Rn 4.
C. Inhalt und Systematik der verbliebenen Regelungen 7 Eine eigenständige Funktion bleibt vor allem den Regelungen über das gesetzliche (§§ 60 ff) und nachvertragliche (§§ 74–75d) Wettbewerbsverbot vorbehalten.30 Diese sind ihrerseits als 14 Vgl. K. Schmidt FS Söllner, 2000, S. 1047 (1054): „stellvertretungsrechtliches Abstraktionsprinzip endlich rein durchgeführt“. 15 Gesetz vom 6.8.1953 (BGBl. I 1953, S. 771). 16 S. den chronologischen Überblick bei Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 6 ff. 17 Vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3 (vgl. allerdings Rn 6); HWK/Diller10 § 59 HGB Rn 2; Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 13; K. Schmidt FS Söllner, 2000, S. 1047 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 18 BGBl. I 1969, S. 1106. 19 BGBl. I 1969, S. 1317. 20 BGBl. I 1994, S. 1065 ff. 21 BGBl. I 1994, S. 1014. 22 BGBl. I 2002, S. 3412. 23 Vgl. Art. 24 des 4. EuroEG 2000 v. 21.12.2000, BGBl. I 2002, S. 1983. 24 BAG 2.10.1975, 16.10.1980 AP § 75b HGB Nr. 14, 15 = DB 1976, 54; DB 1981, 695. 25 BGBl. I 1969, S. 1112. 26 BGBl. II 1990, S. 889 (959, 1020). 27 BGBl. I 2006, S. 866 (892). 28 BGBl. I 2010, S. 1864 (1881). 29 Vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 12. 30 Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 13; BeckOK-HGB/Wetzel37 § 59 Rn 4. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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Modell auch außerhalb ihres unmittelbar auf kaufmännische Angestellte bezogenen Anwendungsbereichs bedeutsam31 (vgl. für das gesetzliche Wettbewerbsverbot § 60 Rn 15 ff, § 61 Rn 3 ff; für das nachvertragliche die ausdrückliche Regelung in §§ 110 Satz 2, 6 Abs. 2 GewO; zur infolgedessen reduzierten Bedeutung des Begriffs des Handlungsgehilfen § 59 Rn 7). Die Regelungen über Wettbewerbsverbote betreffen individualarbeitsrechtliche Einzelfragen – ebenso wie die übrigen Vorschriften zum Handlungsgehilfenrecht: § 59 Satz 1 enthält eine Auffangregelung für die Arbeitspflicht des Handlungsgehilfen, §§ 59 Satz 2, 64 und 65 regeln Probleme der Höhe, der Fälligkeit und der Ausgestaltung der Vergütung, § 62 enthält Schutzpflichten des Arbeitgebers. Einen gewissen Fremdkörper im auf das arbeitsrechtliche Innenverhältnis bezogenen sechsten Abschnitt (vgl. Rn 1, 4) bilden die §§ 75g und 75h, in denen die ansonsten in den §§ 48 ff geregelte Vertretungsmacht noch einmal speziell für den Handlungsgehilfen aufgegriffen wird. In den arbeitsrechtlichen Kontext des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gehört hingegen noch § 75f, der einen Handlungsgehilfen vor Sperrabreden der Arbeitgeber schützen soll. § 83 schließlich verweist für Personen, die in dem Betrieb eines Handelsgewerbes andere als kaufmännische Dienste leisten, also für Arbeiter sowie für technische und sonstige nichtkaufmännisch tätige Angestellte, auf das allgemeine Arbeitsrecht. Aus § 83 kann aber nicht etwa der Umkehrschluss gezogen werden, dass für Handlungsgehilfen ausschließlich die §§ 59 ff gelten; die Regelungen sind nicht abschließend.32 Dies zeigt schon der Umstand, dass der Gesetzgeber weite Teile des sechsten Abschnitts in allgemeine arbeitsrechtliche Gesetze überführt hat (Rn 5). Vielmehr sind auch für Handlungsgehilfen die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften anzuwenden (vgl. Art. 2 Abs. 1 EGHGB). Die §§ 59 ff enthalten im Verhältnis zu diesen lediglich leges speciales.33 Allerdings ist ihre praktische Bedeutung auch in dieser Funktion – als Sonderarbeitsrecht der kaufmännnischen Angestellten34 – gering, da man in der Regel nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen kommt (vgl. dazu noch § 59 Rn 6 f).
31 Vgl. auch Wagner S. 91, 105, 174. 32 Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 19. 33 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; BeckOGK-HGB/Freyler § 59 (15.2.2022) Rn 24; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 3; Wagner S. 173.
34 BeckOK-HGB/Wetzel37 § 59 Rn 2. 699
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§ 59 [Handlungsgehilfe] 1
Wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt angestellt ist (Handlungsgehilfe), hat, soweit nicht besondere Vereinbarungen über die Art und den Umfang seiner Dienstleistungen oder über die ihm zukommende Vergütung getroffen sind, die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste zu leisten sowie die dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung zu beanspruchen. 2In Ermangelung eines Ortsgebrauchs gelten die den Umständen nach angemessenen Leistungen als vereinbart.
Übersicht 46
A.
Allgemeines
V.
Beispiele aus der Rechtsprechung
I.
Der Gegenstand der Regelung im Über1 blick
C.
Hauptleistungspflichten der Vertragspart47 ner
II. 1.
I.
2. 3.
Bedeutung des Handlungsgehilfenbegriffs Handlungsgehilfenrecht als Sonderarbeits3 recht 6 Praktische Bedeutung 8 Terminologie
B.
Begriff des Handlungsgehilfen
I. 1. 2. 3. 4.
10 Arbeitsvertrag 11 Kriterien der Unselbständigkeit 14 Einzelne Problembereiche 19 Arbeitnehmerähnliche Personen Zustandekommen und Wirksamkeit des Arbeits24 vertrags
Dienstleistungspflicht des Handlungsgehil50 fen 51 Vorrangige Vereinbarungen Verhältnis zu anderen gesetzlichen Regelun54 gen Bestimmung der Dienstleistungspflicht nach 56 dem Ortsgebrauch (§ 59 Satz 1) Bestimmung der Dienstleistungspflicht nach der 57 Angemessenheit (§ 59 Satz 2) Verhältnis des § 59 Satz 2 zum Direktions58 recht
II. 1. 2.
28 Anstellung gegen Entgelt Dogmatische Funktion des Merkmals 31 Entgeltbegriff
29
III.
Anstellung in einem Handelsgewerbe
32
IV. 1. 2.
Leistung kaufmännischer Dienste 40 Angestellteneigenschaft 42 Kaufmännische Dienste
1. 2. 3.
9 4. 5.
II. 1. 2. 3. 4. 5.
39
60 Vergütungspflicht des Arbeitgebers 62 Verhältnis zu § 612 Abs. 2 BGB Vorrangige Vereinbarungen und gesetzliche Vor63 gaben Bestimmung der Vergütungshöhe nach der Orts67 üblichkeit (§ 59 Satz 1) Bestimmung der Vergütungshöhe nach der An68 gemessenheit (§ 59 Satz 2) Bestimmung der Art der Vergütung nach 70 § 59
A. Allgemeines I. Der Gegenstand der Regelung im Überblick 1 § 59 Satz 1 enthält zunächst eine Legaldefinition für den Begriff des Handlungsgehilfen. Insofern fungiert die Norm als Eingangsvorschrift des Sechsten Abschnitts:1 Sie umschreibt den Anwendungsbereich der Regelungen zum Handlungsgehilfenrecht (§§ 59 ff). Diese beziehen sich nur auf Arbeitnehmer in einem Handelsgewerbe und unter diesen nur auf eine besondere Grup1 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 3; s. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3 („Schlüsselnorm“), Rn 5 („Zugangsvoraussetzung“). Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-047
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 59
pe von Angestellten, nämlich solche, die (überwiegend) kaufmännische Dienste leisten (zu den Begriffsmerkmalen im Einzelnen Rn 9 ff). Für andere Arbeitnehmer in einem Handelsgewerbe, also Arbeiter im herkömmlichen Verständnis (zur heute praktisch nicht mehr bedeutsamen Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten vgl. Rn 40 f), technische und sonstige nichtkaufmännische Angestellte, verweist § 83 auf die allgemeinen Vorschriften. Die praktische Bedeutung der Legaldefinition des Handlungsgehilfen ist heute allerdings stark eingeschränkt (Rn 6 f). Daneben enthalten beide Sätze des § 59 Regelungen zur Rechtsfolgenseite des Anstellungs- 2 vertrags. Es handelt sich um Grundsätze über die Bestimmung der synallagmatischen Hauptleistungspflichten des Handlungsgehilfen und seines Arbeitgebers. Dem Grunde nach stehen durch § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB die Dienstleistungspflicht und – da Handlungsgehilfe nur ist, wer gegen Entgelt angestellt wird (Rn 28 ff) – auch die Vergütungspflicht fest. Insofern fungiert § 59 nur als Auffangregelung2 und bestimmt lediglich, wie im Falle fehlender Vereinbarungen der genauere Inhalt dieser Pflichten zu bestimmen ist (vgl. dazu Rn 47 ff). Selbst in dieser Funktion ist die praktische Bedeutung des § 59 allerdings eingeschränkt (Rn 49, 56, 67).
II. Bedeutung des Handlungsgehilfenbegriffs 1. Handlungsgehilfenrecht als Sonderarbeitsrecht Die §§ 59 ff normieren ein Sonderarbeitsrecht für kaufmännische Angestellte;3 es enthält eigen- 3 ständige Regeln für das Verhältnis zwischen Kaufleuten und Handlungsgehilfen. Dies hat historische Gründe (Vor 59 Rn 2 ff). Die Sonderregeln basieren darauf, dass die Wurzeln des Arbeitsrechts in berufsständischen Regelungen liegen4 und die Notwendigkeit einer umfassenden Kodifikation des Arbeitsverhältnisrechts erst später erkannt wurde. Aus heutiger Sicht handelt es sich bei § 59 und den daran anknüpfenden Vorschriften des sechsten Abschnitts um ein besonders markantes Beispiel für die Zersplitterung des Arbeitsrechts.5 Aus handelsrechtlicher Perspektive bilden die §§ 59 ff einen Fremdkörper innerhalb des HGB.6 De lege ferenda wird daher zu Recht gefordert, die Rechtsfigur des Handlungsgehilfen auf- 4 zugeben und die §§ 59 ff – soweit ihnen noch eine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. Rn 7 und Vor § 59 Rn 7) – in eine gesetzliche Gesamtkonzeption zu überführen.7 Ohnehin verpflichtet Art. 30 Abs. 1 Nr. 1 des Einigungsvertrages8 den Gesetzgeber dazu, das Arbeitsvertragsrecht einheitlich zu kodifizieren. Daran hat auch die Gesetzesbegründung zum Handelsrechtsreformgesetz vom 22.6.19989 erinnert. Darin wird ausdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, die §§ 59 ff zur Beseitigung der bestehenden Rechtszersplitterung aus dem HGB herauszunehmen; dies soll aber einer umfassenden Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts vorenthalten bleiben.10
2 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 5, 22, 91; s. auch HWK/Diller10 § 59 HGB Rn 1: „subsidiäre Regelung“. 3 BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 2. 4 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 10; Hromadka RdA 2015, 65 f; ausf. Beer S. 109 ff; Ramrath FS Sandrock, 1995, S. 255 ff; MünchArbR/Richardi5 Bd. I § 2 Rn 1 ff. 5 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 20; s. auch Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth/Koller Rn 1: Die §§ 59 ff enthielten „Splitter arbeitsrechtlicher Natur“. 6 K. Schmidt FS Söllner, 2000, S. 1047; s. ausdr. auch BT-Drs. 13/8444, S. 45 bzw. BR-Drucks. 340/97, S. 45. 7 Stv. Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 20; Hopt/Roth41 Rn 1. 8 BGBl. 1190 II S. 889. 9 BGBl. 1998 I S. 1474. 10 BT-Drs. 13/8444, S. 45 bzw. BR-Drucks. 340/97, S. 45. 701
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1. Buch. Handelsstand
Hierzu vorgelegte Entwürfe,11 die u.a. Vorschläge für Regelungen über Wettbewerbsverbote enthalten (Vor § 74 Rn 4), wurden bislang allerdings nicht umgesetzt. Unverwirklicht blieb bisher auch die in der Wissenschaft erhobene Forderung,12 die §§ 59 ff zumindest in das BGB, das seit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 wieder als zentrale Kodifikation des Privatrechts gestärkt ist, zu überführen. 5 Immerhin sind in den vergangenen Jahrzehnten gewisse Vereinheitlichungstendenzen zu beobachten: Der Gesetzgeber hat große Teile des sechsten Abschnitts in allgemeine, für alle Arbeitnehmer geltende Gesetze überführt (Vor § 59 Rn 5). Im Zuge der Reform der Gewerbeordnung zum 1.1.200313 wurde aus der alten Überschrift zum Titel VII GewO („Gewerbliche Arbeitnehmer“) das Wort „Gewerbliche“ gestrichen. Nach § 6 Abs. 2 GewO gelten die §§ 105–110 GewO, die einige allgemeine arbeitsrechtliche Grundsätze enthalten, ausdrücklich für alle Arbeitnehmer und damit auch für diejenigen i.S.d. § 59. Durch § 110 Satz 2 GewO werden auch die §§ 74 bis 75f einbezogen.14 Auch die Unterscheidung zwischen Angestellten und Arbeitern spielt heutzutage in Gesetzgebung und Tarifpraxis praktisch keine Rolle mehr (vgl. Rn 40 f).
2. Praktische Bedeutung 6 Durch die weitgehend vollzogene Rechtsvereinheitlichung (Rn 5) hat sich die praktische Bedeutung der Definition des Handlungsgehilfen in § 59 Satz 1 ganz erheblich reduziert.15 Das für diesen geltende Arbeitsrecht ist nur noch zu einem geringen Teil in den §§ 59 ff geregelt. Für das Verhältnis zwischen dem Handlungsgehilfen und seinem Arbeitgeber kommt das gesamte Arbeitsrecht zur Anwendung, also neben den §§ 611a ff BGB vor allem die zahlreichen individualarbeitsrechtlichen Sondergesetze zum Schutz des Arbeitnehmers und die kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen des Betriebsverfassungs- und des Tarifvertragsrechts. In den meisten Fällen ist deshalb die Frage, ob ein Arbeitnehmer als Handlungsgehilfe zu bezeichnen ist, nicht bedeutsam, da ohnehin die §§ 59 ff das betreffende arbeitsrechtliche Problem nicht regeln. Hinzu kommt, dass auch die in den §§ 59 ff verbliebenen Bestimmungen in weiten Teilen mit entsprechenden Regeln des allgemeinen Arbeitsrechts übereinstimmen. Auch insoweit bringt die Qualifikation als Handlungsgehilfe und die damit verbundene Anwendbarkeit der §§ 59 ff als leges speciales16 sachlich weitgehend keine Änderungen mit sich; die Rechtsfolgen sind in der Regel identisch.17 7 Scheinbar anders ist das beim gesetzlichen und nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, da hier anderweitige gesetzliche Vorschriften fehlen (Vor § 59 Rn 7). Aber auch in diesem Bereich ist die Differenzierung zwischen Handlungsgehilfen und sonstigen Arbeitnehmern hinfällig, da – wie erwähnt – die §§ 74 bis 75f über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nach §§ 110 11 S. insb. Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Vertragsrecht – hrsg. vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (1977) S. 96 ff; Diskussionsentwurf für ein Arbeitsvertragsgesetz von Henssler/Preis NZA Beil. 23/2006; s. auch die überarbeitete Fassung in NZA Beil. 21/2007. Zu weiteren Anläufen zur Schaffung eines Arbeitsvertragsgesetzes Roth RdA 2012, 1 (6 ff). 12 S. nur Hopt/Roth41 § 109 GewO Rn 1, der auch insoweit für eine Stärkung des BGB als zentrale Kodifikation plädiert. 13 Art. 1, 19, 20 des Dritten Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24.8.2002 (BGBl. I S. 3412). 14 Krit. im Hinblick auf die Verortung in der primär öffentlich-rechtlichen GewO (und für eine Verschiebung in das BGB) Hopt/Roth41 § 109 GewO Rn 1. 15 Hopt/Roth41 Rn 1. 16 Zum Charakter der §§ 59 ff als leges speciales gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 24; Wagner S. 173. 17 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 19; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 7; s. auch Wagner S. 173: §§ 59 ff als „nur noch formelle Besonderheiten“ (aufgrund ihres Charakters als leges speciales), nicht aber als „materielle Besonderheiten“. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 59
Satz 2, 6 Abs. 2 GewO für alle Arbeitnehmer gelten und das BAG die Regelungen zum gesetzlichen Wettbewerbsverbot nach §§ 60 und 61 ebenfalls auf andere Arbeitnehmer anwendet18 (§ 60 Rn 15 ff; § 61 Rn 3 ff). Neuerdings wird sogar eine analoge Anwendung der Auffangregelungen in § 59 zur Bestimmung des Inhalts der Hauptleistungspflichten auf alle anderen Arbeitnehmer gefordert.19 Immerhin kommt der Definition des Handlungsgehilfen eine gewisse Restbedeutung noch für § 64 (als lex specialis gegenüber § 614 Satz 2 BGB) zu (wenngleich es in der Praxis kaum zu Unterschieden kommt, vgl. dazu § 64 Rn 3), zudem noch insofern, als § 75g und § 75h weiterhin nur für diese und nicht für sonstige Arbeitnehmer gelten (§ 75g Rn 3, § 75h Rn 3).
3. Terminologie Auch in rein terminologischer Hinsicht hat der Begriff des Handlungsgehilfen an Bedeutung 8 verloren. Als Synonym wird sowohl in der Rechtsprechung20 als auch in der Literatur21 heute überwiegend der modernere22 Begriff „kaufmännischer Angestellter“ verwendet, der auf die Judikatur des Reichsobergerichts zurückgeht.23 Gegen diese Gleichsetzung wird eingewandt, dass es sich nicht bei jedem kaufmännischen Angestellten um einen Handlungsgehilfen handele, sondern nur bei solchen, die bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der Kaufmann ist; Handlungsgehilfen seien daher nur eine Teilmenge der kaufmännischen Angestellten.24 Der Einwand ist nur berechtigt, wenn man den Begriff des kaufmännischen Angestellten in einem weiteren Sinne als Bezeichnung für sämtliche Arbeitnehmer verwendet, die kaufmännische Dienste leisten. Versteht man den Begriff hingegen eng (unter Einschluss des Merkmals der Beschäftigung in einem Handelsgewerbe, Rn 32 ff), spricht nichts gegen dessen Verwendung im Kontext des Handlungsgehilfenrechts, zumal offenbar auch der Gesetzgeber von einem solchen Begriffsverständnis ausgeht.25 Für Personen, die zwar kaufmännische Dienste leisten, aber nicht bei einem Kaufmann angestellt sind, hat sich die Bezeichnung Gewerbegehilfe eingebürgert;26 besondere Rechtsfolgen sind an diesen Begriff aber nicht geknüpft.
B. Begriff des Handlungsgehilfen Nach § 59 Satz 1 ist Handlungsgehilfe, „wer in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmänni- 9 scher Dienste gegen Entgelt angestellt ist“. Es lassen sich vier Merkmale unterscheiden: der Anstellungsvertrag (Rn 10 ff), die Entgeltlichkeit (Rn 28 ff), die Anstellung in einem Handelsgewerbe (Rn 32 ff) und die Leistung kaufmännischer Dienste (Rn 39 ff).
18 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4. 19 Schiffer S. 142 ff. 20 BAG 6.9.1989 – 5 AZR 621/88, AP § 63 HGB Nr. 45 m. Anm. Meisel = SAE 1990, 79 m. Anm. Schüren/Kirsten; LAG Hessen 3.6.2005 – 12 Sa 553/04, BeckRS 2008, 54516. 21 MünchArbR/Giesen5 Bd. II § 152 Rn 5; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 1; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 1; Hopt/Roth41 Rn 1; Koller/Kindler/Roth/Drüen/Roth/Koller9 Rn 1; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 1; abw. BeckOKHGB/Wetzel37 Rn 2, der unter den Begriff der kaufmännischen Angestellten Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge fasst. 22 Vgl. BT-Drs. 13/8444, S. 45 bzw. BR-Drucks. 340/97, S. 45, wo bereits auf die Reformbedürftigkeit der §§ 59 ff auch in terminologischer Hinsicht hingewiesen wird: Die Verwendung des Begriffs „Handlungsgehilfe“ anstelle des Begriffs „kaufmännischer Angestellter“ sei „altertümlich“. 23 Näher hierzu Roth RdA 2012, 1 (3 f) mit Nachw. 24 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2 (Fn 2). 25 Vgl. BT-Drs. 13/8444, S. 45 bzw. BR-Drucks. 340/97, S. 45. 26 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 59; MünchArbR/Giesen5 Bd. II § 152 Rn 3; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 8; s. auch schon RG JW 1906, 396. 703
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1. Buch. Handelsstand
I. Arbeitsvertrag 10 Dass die betroffene Person in einem Handelsgewerbe „angestellt“ sein muss, bedeutet zunächst, dass sie in einem Arbeitsverhältnis stehen muss;27 Handlungsgehilfe kann mit anderen Worten nur sein, wer Arbeitnehmer ist.28 Die Handlungsgehilfen bilden also eine Untergruppe der Arbeitnehmer.29 Das Begriffsmerkmal der „Anstellung“ verlangt damit eine Abgrenzung zum Selbständigen, insbesondere zum Handelsvertreter nach § 84. Das BAG hat hierfür in jahrzehntelanger Rechtsprechung Grundsätze entwickelt, die sich im Wesentlichen in dem im Jahr 2017 eingeführten30 § 611a Abs. 1 BGB wiederfinden. Zwar hat auch der EuGH zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (heute Art. 45 AEUV) einen eigenen europäischen Arbeitnehmerbegriff formuliert.31 Diese Definition beansprucht aber Geltung nur für das unionale Primärrecht und für arbeitsrechtliche Richtlinien, wenn diese hinsichtlich des Arbeitnehmerbegriffs nicht ausnahmsweise auf das nationale Recht verweisen.32 Für die generelle Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses nach nationalem Arbeitsrecht ergeben sich hieraus keine Vorgaben, wenn diese – wie im Fall der §§ 59 ff – nicht durch Richtlinienrecht überlagert sind und dementsprechend auch nicht dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung unterliegen.33
1. Kriterien der Unselbständigkeit 11 Nach § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB richtet sich die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen nach dem Kriterium der persönlichen Abhängigkeit.34 Die persönliche Abhängigkeit wiederum ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung verschiedener organisatorischer Kriterien. Deren wichtigstes ist die Weisungsgebundenheit,35 die sich auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Arbeitsleistung beziehen kann (vgl. § 611a Abs. 1 Satz 1–3 BGB und § 84 Abs. 1 Satz 2). Zu den nach traditioneller BAG-Rechtsprechung daneben zu berücksichtigenden Kriterien gehört insbesondere die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation.36 Dieses ist heute noch im Rahmen des Merkmals der Fremdbestimmung (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB) berücksichtigungsfähig, soll aber lediglich in Zweifelsfällen Bedeutung gewinnen.37 Schon bisher wurde keines der einzelnen Kriterien bzw. keine der unterschiedlichen Dimensionen der Weisungsabhängigkeit für allein ausschlaggebend gehalten, sie sollten vielmehr als Gesamtbild gewürdigt und nach den
27 Stv. für viele Wagner S. 21 f. 28 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; MünchArbR/Giesen5 Bd. II § 152 Rn 5; Koller/Kindler/ Roth/Drüen/Roth/Koller9 § 59 Rn 2. 29 Wank JA 2007, 321 (322). 30 Gesetz vom 21.2.2017, BGBl. I S. 258. 31 Vgl. u.a. EuGH 21.5.1985 Slg. 1985, 1459 Rn 16 (Kommission/Bundesrepublik Deutschland); 6.11.2003 Slg. 2003 I-13187 (Ninni-Orasche); 13.1.2004 Slg. 2004, I-873, Rn 66 f (Allonby); 2.10.1997 Slg. 1997, I-5253, Rn 17 ff (Gerster); aus neuerer Zeit EuGH 11.11.2010 – C-232/09, Slg. 2010, I-11405 (Danosa) Rn 39 ff; 9.7.2015 – C-229/14, ECLI:EU:C:2015:455 (Balkaya) Rn 34 ff; 10.9.2015 – C-47/14, ECLI:EU:C:2015:574 (Holterman Ferho Exploitatie) Rn 41 ff. 32 Zur Tendenz des EuGH, einen einheitlichen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff für das gesamte Primär- und Sekundärrecht zu entwickeln, Gräf, GPR 2016, 148 (149); Preis/Sagan ZGR 2013, 26 (47). 33 Vgl. allg. Wank EuZA 2018, 327 (336). 34 Zuvor bereits BAG 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 1 (Bl. 2R), seitdem st. Rspr., s. etwa BAG 15.11.2005 – 9 AZR 626/04, AP § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 12 (Rn 16). 35 Vgl. bereits BAG 13.12.1962 – 2 AZR 128/62, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 3 (Bl. 1R) m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 15.11.2005 – 9 AZR 626/04, AP § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 12 (Rn 16). 36 BAG 15.3.1978 – 5 AZR 819/76, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 26 (Bl. 3 f); ähnlich BAG 26.5.1999 – 5 AZR 469/ 98, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 104 (Rn 33). 37 BAG 1.12.2020 – 9 AZR 102/20, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 132 (Rn 31) m.Anm. Deinert; ErfK/Preis22 § 611a BGB Rn 41 f. Weber/Gräf
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Umständen des Einzelfalles bewertet werden38 (vgl. nunmehr § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB). In methodischer Hinsicht wurde und wird der Arbeitnehmerbegriff daher überwiegend als sog. Typusbegriff (im Gegensatz zum Klassenbegriff)39 eingeordnet40 (zur typologischen Methode im Zusammenhang mit dem Merkmal der Leistung kaufmännischer Dienste Rn 39). Nicht durchgesetzt hat sich damit ein in Teilen der Literatur – und auch hier noch in der 12 5. Auflage – vertretener Ansatz, der die starke Akzentuierung der persönlichen Abhängigkeit kritisch sah und sich stärker am Schutzbedürfnis des nicht eigenverantwortlich am Marktgeschehen teilnehmenden Arbeitnehmers orientierte.41 Bei der konkreten Umsetzung der bezeichneten Kriterien hatte sich allerdings ohnehin mehr Übereinstimmung gezeigt, als es die unterschiedlichen Grundansätze vermuten ließen.42 Ob die Kriterien für eine persönliche Abhängigkeit und damit für ein Arbeitsverhältnis vor- 13 liegen, muss zunächst anhand der vertraglichen Vereinbarungen der Beteiligten geprüft werden.43 Weicht die praktizierte tatsächliche Gestaltung davon ab, ist diese maßgeblich, ggf. sogar im Widerspruch zum erklärten Parteiwillen (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB).44 Insoweit gilt ein Rechtsformzwang.45
2. Einzelne Problembereiche Die früher einhellig abgelehnte46 Arbeitnehmereigenschaft von Organen juristischer Personen ist 14 heute vor allem für den Bereich der GmbH streitig.47 Jedenfalls ergibt sich dort die Arbeitnehmereigenschaft nicht schon aus § 37 Abs. 1 GmbHG, der nur ein gesellschaftsrechtliches Weisungsrecht normiert, aber nichts über den arbeitsrechtlichen Status des Geschäftsführers aussagt48 (sog. Trennungstheorie49). Dass der EuGH dies für den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff anders sieht50 – unter diesen fasst der Gerichtshof auch Fremd-51 und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer52 – hat für die §§ 59 ff keine Auswirkungen (vgl. bereits Rn 10). Der BGH53 und Teile des
38 BAG 28.2.1962 – 4 AZR 141/61, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 1 (Bl. 2R); 8.6.1967 – 5 AZR 461/66, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Schnorr; 27.3.1991 – 5 AZR 194/90, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 53; 30.10.1992 – 7 ABR 19/91, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 59; 26.5.1999 – 5 AZR 469/98, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 104 (Rn 34). 39 Grundl. Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 469 ff; weiterhin Engisch Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. 1968, S. 237 ff; Leenen Typus und Rechtsfindung, 1971; krit. Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie12 Rn 930 ff. 40 Statt vieler Schubert RdA 2020, 248 (251 f); MünchKommBGB/Spinner8 § 611a Rn 88 m.w.N.; krit. Preis NZA 2018, 817 (821 f). 41 Grundlegend Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988; ferner ders. RdA 1992, 91; ders. RdA 1999, 271; Ch. Weber Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 1992, S. 221 ff. 42 Näher Staub/Weber5 § 59 Rn 12 f. 43 BAG 8.6.1967 – 5 AZR 461/66, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6 (Bl. 2R) m. Anm. Schnorr. 44 So schon bisher BAG 8.6.1967 – 5 AZR 461/66, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Schnorr. 45 Ausf. BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 172 ff. 46 BGH 11.7.1953 BGHZ 10, 187 (190 ff); BGH 16.12.1953 BGHZ 12, 1 (5); BGH 7.12.1961 BGHZ 36, 142 (143). 47 Zur Diskussion mit Nachw. Lumper Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote und ihre Anwendung im Kollisionsfall, 2013 S. 63 ff; Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (27 ff); Nachw. zur älteren Lit. bei Staub/Weber5 § 59 Rn 15 (Rn 36). 48 Vgl. nur BGH 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396; 26.6.1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850; 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZA 2010, 889 (Rn 9); BAG 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, AP § 35 GmbHG Nr. 10 m. Anm. Boemke. 49 Hümmerich NJW 1995, 1777. 50 Vgl. zusammenfassend Gräf, GPR 2016, 148 (149 ff) mit Nachw. 51 EuGH 9.7.2015 – C-229/14 (Balkaya), ECLI:EU:C:2015:455 (Rn. 40 ff); s. bereits zur Geschäftsführerin einer lettischen Aktiengesellschaft EuGH 11.11.2010 – C-232/09 (Danosa), Slg. I-1140 (Rn 43 ff). 52 EuGH 10.9.2015 – C-47/14 (Holterman Ferho Exploitatie), ECLI:EU:C:2015:574 (Rn 39 ff). 53 St. Rspr. des BGH, s. nur BGH 29.1.1981, BGHZ 79, 291; 24.10.1989 – X ZR 58/88, NJW-RR 1990, 349. 705
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Schrifttums54 halten die Stellung des GmbH-Geschäftsführers generell für unvereinbar mit der Arbeitnehmereigenschaft. Nach Auffassung des BAG ist ein GmbH-Geschäftsführer zwar in der Regel nicht im Rahmen eines Arbeitsvertrags, sondern eines freien Dienstvertrags mit der GmbH tätig.55 Ähnliches soll im Ergebnis gelten, wenn vor der Bestellung zum Geschäftsführer bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden hat: In dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags mit einem leitenden Mitarbeiter sei im Zweifel die konkludente Aufhebung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses zu sehen, das ohne besondere Vereinbarung dann auch nicht als nur ruhend fortbestehen soll.56 Die Arbeitnehmereigenschaft sei aber ausnahmsweise zu bejahen, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann.57 Allerdings sieht das BAG solche Konstellationen auf „extreme Ausnahmefälle“ beschränkt;58 die praktischen Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Ansichten sind daher gering. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich arbeitsrechtliche Bestimmungen analog auf Organmitglieder juristischer Personen anwenden lassen. Dies bejaht die Rechtsprechung nur punktuell.59 Eine Anwendung der §§ 74 ff auf Organmitglieder juristischer Personen lehnt der BGH ab (dazu und zur Kritik Vor § 74 Rn 52 ff). 15 Die Mitarbeit aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Verpflichtung begründet kein Arbeitsverhältnis.60 Eine Doppelstellung als Arbeitnehmer und Gesellschafter ist allerdings möglich, wenn die betroffene Person nicht Mehrheitsgesellschafter ist und auch keine Sperrminorität besitzt, die für sein Anstellungsverhältnis relevant ist.61 Eine juristische Person als solche kann nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht nicht 16 Handlungsgehilfin sein.62 Juristische Personen sind keine Arbeitnehmer. Dies lässt sich bereits mit dem Merkmal der persönlichen Abhängigkeit (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB),63 jedenfalls aber mit § 613 BGB (Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung)64 begründen. Wenn erwogen wird, 54 Stv. für viele Beer S. 82; Boemke ZfA 1998, 209 (214 f). 55 BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 19 (Rn 18) m. Anm. Kamanabrou. 56 BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit Nr. 19 (Rn 21) m. Anm. Kamanabrou. Zum Nebeneinander von ruhendem Arbeitsverhältnis vgl. auch BAG 15.4.1982 – 2 AZR 1101/79, AP § 14 KSchG Nr. 1 (Bl. 5) m. Anm. Beitzke; 9.5.1985 – 2 AZR 330/84, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 3 (Bl. 4 ff) m. Anm. Martens; 12.3.1987 – 2 AZR 336/ 86, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 6 (Bl. 4 ff) einerseits; BAG 7.10.1993 – 2 AZR 260/93, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 15 m. Anm. Neu andererseits. Zur Wahrung der Form des Aufhebungsvertrags (§ 623 BGB) durch den Abschluss des GeschäftsführerDienstvertrags BAG 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, AP § 35 GmbHG Nr. 18 (Rn 20 ff); 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 66; krit. insofern Teile der Lit., s. etwa Heymann/Henssler/Markworth HGB § 59 Rn 7 m.w.N. 57 BAG 26.5.1999 AP § 35 GmbHG Nr. 10 (Rn 22) m. Anm. Boemke; 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit (Rn 18) m. Anm. Kamanabrou; vgl. bereits BAG 13.5.1992 – 5 AZR 344/91, ZIP 1992 1496 (1497). 58 BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit (Rn 18) m. Anm. Kamanabrou. 59 S. die Überblicke mit Nachw. bei Preis/Sagan, ZGR 2013, 26 (30 f) sowie bei Heymann/Henssler/Markworth HGB § 59 Rn 7 (Fn 26). 60 BAG 10.4.1991 – 4 AZR 467/90, AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 54; Diller Gesellschafter und Gesellschaftsorgane als Arbeitnehmer, 1994; Fohrmann Der Arbeitnehmer als Gesellschafter, 1982; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; Herrmann RdA 1989, 313 (317 ff); Krause Mitarbeit in Unternehmen, 2002; Loritz Die Mitarbeit Unternehmensbeteiligter, 1984; ders. RdA 1992, 310 ff. 61 BAG 28.11.1990 – 4 AZR 198/90, AP § 1 TVG Tarifverträge Bau Nr. 137 m. Anm. Kraft; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; Herrmann RdA 1989, 319; Kraft/Konzen Die Arbeiterselbstverwaltung im Spannungsverhältnis von Gesellschafts- und Arbeitsrecht, 1978 S. 34 f, 38 f; BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611 Rn 176; Wank Arbeitnehmer und Selbständige, 1988 S. 367 (378). 62 Ebenso etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 16; GK/Etzel HGB8 Rn 4; BeckOGK-HGB/ Freyler (15.2.2022) Rn 32; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 4; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 66; ausf. Zimmermann FS Wiese, 1998, S. 657; aA Schlegelberger/Schröder Rn 6; wohl auch Hopt/Roth41 Rn 25. 63 GK/Etzel HGB8 Rn 4; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9. 64 Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 4; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 66; auf den „Tenor“ dieser Vorschrift abstellend BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 32. Weber/Gräf
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einzelne Vorschriften,65 insbesondere §§ 60 und 61,66 analog auf Dienstverträge juristischer Personen anzuwenden, so ist dies ebenfalls abzulehnen. Denn jedenfalls eine planwidrige Lückenhaftigkeit kann im Hinblick auf juristische Personen nicht angenommen werden. Allerdings kann sich ein Schutz vor Wettbewerb im Einzelfall aus Nebenpflichten des Dienstvertrags ergeben. Familienangehörige des Kaufmanns sind keine Arbeitnehmer und damit auch keine Hand- 17 lungsgehilfen, wenn sie nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach §§ 1353 Abs. 1 Satz 2, 1360, 1619 BGB mitarbeiten. Sie können im Rahmen einer darüber hinausgehenden Mitarbeit Arbeitnehmer sein, wenn im Einzelfall eine eigenständige arbeitsvertragliche Grundlage der Beschäftigung gewollt ist.67 Dies ist insbesondere dann regelmäßig anzunehmen, wenn der mitarbeitende Familienangehörige eine Arbeitskraft ersetzt, die andernfalls einzustellen wäre.68 Bei Ehegatten kann das Vertragsverhältnis aber auch als Innengesellschaft zu qualifizieren sein.69 Die Angehörigen freier Berufe (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Architekten) 18 können – im Rahmen des berufsrechtlich Zulässigen (vgl. z.B. für Steuerberater §§ 57 Abs. 4 Nr. 2, 58, 59 StBerG)70 – Arbeitnehmer sein. Sie sind i.d.R. aber keine Handlungsgehilfen, da sie meist nicht überwiegend kaufmännische Dienste (Rn 39 ff) erbringen.71 Zudem werden sie häufig bei einem Arbeitgeber beschäftigt sein, der selbst Angehöriger eines freien Berufs und damit – mangels Betriebs eines Handelsgewerbes – nicht Kaufmann ist; in solchen Fällen fehlt es damit (auch) am Begriffsmerkmal der Anstellung in einem Handelsgewerbe72 (dazu und zu den Ausnahmen Rn 33).
3. Arbeitnehmerähnliche Personen Eine besondere Gruppe innerhalb der Selbständigen bilden Personen, die zwar nicht persönlich, 19 aber in besonderer Weise wirtschaftlich von ihrem Auftraggeber abhängig sind.73 Aus der wirtschaftlichen Unselbständigkeit hat der Gesetzgeber auf ein soziales Schutzbedürfnis geschlossen, das wenigstens einen partiellen arbeitsrechtlichen Schutz notwendig macht (vgl. etwa § 12a TVG, §§ 2 Satz 2, 12 BUrlG, § 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG). Außerdem sind bei Rechtsstreitigkeiten mit arbeitnehmerähnlichen Personen die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig (§ 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Der klassische Fall der arbeitnehmerähnlichen Person sind Heimarbeiter, Hausgewerbe- 20 treibende und bestimmte, ihnen wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gleichgestellte Personen (§ 1 HAG). Das HAG sichert dieser Personengruppe ein Mindestmaß sozialen Schutzes (vgl. zudem §§ 12 BUrlG, 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Eine mögliche Schutzbedürftigkeit von Handelsvertretern, die vertraglich nicht für mehrere 21 Unternehmen tätig werden dürfen, oder denen dies nach Art und Umfang der von ihnen verlangten Tätigkeit nicht möglich ist (Einfirmenvertreter), hat der Gesetzgeber in § 92a berück65 Schlegelberger/Schröder Rn 6; Hopt/Roth41 Rn 25. 66 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9. 67 Vgl. BGH 21.1.1958 – VI ZR 6/57, AP § 1617 BGB Nr. 1 m. Anm. Hueck; BAG 19.7.1973 – 5 AZR 46/73, AP § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis Nr. 19 m. Anm. Buchner; zur Lit. s. die Nachw. bei Staub/Weber5 § 59 Rn 127 (Fn 46); zum Arbeitsverhältnis bei eingetragenen Lebenspartnerschaften Powietzka BB 2002, 146 (149 f). 68 Tschöpe/Leuchten Arbeitsrecht12 Teil 1 B Rn 111. 69 Näher dazu MünchKommBGB/Roth8 § 1356 Rn 26 m.w.N. 70 Hierzu Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 94. 71 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10. 72 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10. 73 Vgl. hierzu BAG 15.4.1993 – 2 AZB 32/92, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 12 m. Anm. Henssler; 21.2.2007 – 5 AZB 52/ 06, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 64 (Rn 11); Neuvians Die arbeitnehmerähnliche Person, 2002; Schubert Der Schutz der arbeitnehmerähnlichen Personen, 2005; weitere Nachw. bei Staub/Weber5 § 59 Rn 18 (Fn 49). 707
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sichtigt und eine Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung geschaffen, in der die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann. Davon ist bisher kein Gebrauch gemacht worden. Allerdings knüpft § 5 Abs. 3 ArbGG an diese Regelung an und bezieht Einfirmenvertreter bei einem Durchschnittseinkommen von bis zu 1.000 A während der letzten sechs Monate in das arbeitsgerichtliche Verfahren ein. § 12a TVG gilt nicht (§ 12a Abs. 4 TVG). Hingegen haben Einfirmenvertreter wegen § 2 Satz 2 BUrlG Anspruch auf Erholungsurlaub.74 Zu den arbeitnehmerähnlichen Personen gehört, soweit nicht die Merkmale eines Arbeits22 verhältnisses vorliegen,75 schließlich die Gruppe der freien Mitarbeiter, die vor allem im künstlerischen und journalistischen Bereich Bedeutung hat, aber auch kaufmännische Tätigkeiten ausüben können. Für die freien Mitarbeiter entfaltet § 12a TVG seine eigentliche Wirkung.76 Arbeitnehmerähnliche Personen sind mangels Arbeitnehmereigenschaft keine Handlungs23 gehilfen.77 Allerdings ist denkbar, einzelne Vorschriften aus den §§ 59 ff auf diese analog anzuwenden (dazu Vor § 74 Rn 51, demgegenüber § 60 Rn 21).
4. Zustandekommen und Wirksamkeit des Arbeitsvertrags 24 Für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Anstellungsvertrags – also des Arbeitsvertrags – sieht § 59 keine formellen oder materiellen Besonderheiten vor.78 Vielmehr verweist Art. 2 Abs. 1 EGHGB auf die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts. Es gelten daher die allgemeinen Regeln, insbesondere über den Vertragsschluss (§§ 145 ff BGB), die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff BGB), die Anfechtung (§§ 119 ff BGB) und die Nichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB.79 Art. 12 Abs. 1 GG und § 105 Satz 1 GewO gewährleisten die Vertragsabschlussfreiheit. Diese 25 wird allerdings punktuell durch arbeitsrechtliche Sonderregelungen beschränkt, etwa durch das Diskriminierungsverbot des AGG80 oder durch die Grenzen des Fragerechts des Arbeitgebers.81 Vereinzelt finden sich besondere Einstellungsgebote, bei denen es sich entweder um individuelle Einstellungsansprüche (z.B. Art. 33 Abs. 2 GG) oder um abstrakte Einstellungspflichten (z.B. für Schwerbehinderte: § 154 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) handeln kann.82 Der Abschluss des Arbeitsvertrags ist grundsätzlich formfrei, sodass ein Arbeitsverhältnis 26 und damit – bei Vorliegen der weiteren Begriffsmerkmale – die Eigenschaft als Handlungsgehilfe auch mündlich bzw. konkludent begründet werden kann83 (vgl. auch zur Weiterbeschäftigung eines Auszubildenden nach Ablauf der Lehrzeit § 24 BBiG84). Auch das NachwG begründet kein konstitutives Formerfordernis;85 ein Verstoß gegen § 2 Abs. 1 NachwG kann allenfalls Scha74 Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 11 Rn 6. 75 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 11 mit dem zutr. Hinweis, dass hier in der Praxis ein besonderes Augenmerk auf die tatsächliche Vertragsdurchführung zu richten ist (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB).
76 Vgl. etwa BAG 19.10.2004 – 9 AZR 411/03, AP § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk Nr. 42 = NJW 2005, 1741; 17.10.1990 – 5 AZR 639/89, AP § 5 ArbGG 1979 Nr. 9 = NJW 1991, 1629. 77 MünchKommBGB/Thüsing5 § 59 Rn 92. 78 Wagner S. 22. 79 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 33. 80 Allerdings besteht auch bei AGG-Verstößen kein Kontrahierungszwang (§ 15 Abs. 6 AGG). 81 Diese hat das BAG urspr. aus dem allg. Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) abgeleitet (BAG 7.6.1984 – 2 AZR 270/83, AP § 123 BGB Nr. 26); inzwischen sind sie in Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 BDSG zu verorten. Stellt der Arbeitgeber eine unzul. Frage, hat der Arbeitnehmer ein „Recht zur Lüge“ (BAG 22.9.1961 – 1 AZR 241/60, AP § 123 BGB Nr. 15 m. Anm. Larenz), das insb. die Arglistanfechtung (§ 123 Abs. 1 Alt. 1 BGB) ausschließt. Zur Zulässigkeit einzelner Fragen vgl. den Überblick bei ErfK/Preis22 § 611a Rn 272 ff. 82 S. den Überblick bei Fischinger Arbeitsrecht2 Rn 195 ff. 83 Vgl. BAG 7.10.2015 – 7 AZR 40/14, AP § 14 TzBfG Nr. 136 (Rn 18 ff) m. Anm. P. Bruns. 84 Hierzu und zu den Parallelregelungen in § 625 BGB und § 15 Abs. 5 TzBfG Benecke NZA 2009, 820. 85 BAG 21.8.1997 – 5 AZR 713/96, AP § 4 BBig Nr. 1. Weber/Gräf
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densersatzansprüche oder ein Zurückbehaltungsrecht nach sich ziehen,86 im Fall der Arbeitnehmerüberlassung auch eine Bußgeldpflicht.87 Ein solches kann sich allerdings aus individualoder kollektivvertraglichen Abreden ergeben.88 Gesetzliche Formerfordernisse existieren in Bezug auf bestimmte Abreden, etwa bzgl. der Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach § 74 Abs. 1; deren Nichtbeachtung lässt allerdings die Wirksamkeit des Arbeitsvertrags in der Regel unberührt (§ 74 Rn 14, 20). Ähnliches gilt für die Nichtbeachtung der Schriftform einer Befristungsabrede (§ 14 Abs. 4 TzBfG); diese führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis als unbefristet gilt (vgl. § 16 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG).89 Stellt sich ein Arbeitsvertrag als nichtig heraus, sind als arbeitsrechtliche Besonderheit die 27 Grundsätze über das fehlerhafte Arbeitsverhältnis zu berücksichtigen.90 Danach wird ein – z.B. aufgrund Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) – unwirksamer Arbeitsvertrag nicht nach §§ 812 ff BGB rückabgewickelt, sondern ist lediglich für die Zukunft (grundlos) beendbar.91 Im Ergebnis ist es daher zutreffend, wenn gesagt wird, eine Einstellung i.S.d. § 59 Satz 1 sei auch im Falle eines fehlerhaften Arbeitsverhältnisses gegeben.92
II. Anstellung gegen Entgelt § 59 Satz 1 spricht von der Anstellung zur Leistung kaufmännischer Dienste gegen Entgelt. Die 28 Entgeltlichkeit der Diensterbringung ist ein konstitutives Merkmal des Handlungsgehilfenbegriffs.93 Eine unentgeltliche Beschäftigung kann nicht zur Anwendung der §§ 59 ff führen.
1. Dogmatische Funktion des Merkmals Ursprünglich wurde dem Merkmal der Entgeltlichkeit vor allem der Zweck zugeschrieben, den 29 Volontär i.S.d. § 82a, der nach der dortigen Legaldefinition unentgeltlich beschäftigt ist, vom Handlungsgehilfenbegriff auszuklammern.94 Nachdem § 82a gegenstandslos geworden ist (Vor § 59 Rn 5, § 82a Rn 2), ist diese Funktion allerdings weggefallen.95 Überhaupt ist fraglich, ob dem Merkmal eine eigenständige Bedeutung zukommt. Dies 30 hängt von der umstrittenen Frage ab, ob man die Entgeltlichkeit bereits für die Arbeitnehmereigenschaft (Rn 10 ff) verlangt. Früher ging die wohl hM96 davon aus, dass die Entgeltlichkeit, wenn auch die Regel, so doch keine Voraussetzung eines Arbeitsverhältnisses ist. Ein Beschäftigter, der unentgeltlich kaufmännische Dienste leistet, könne deshalb zwar kein Handlungsgehilfe, aber Arbeitnehmer sein. Dies wird auch heute noch vielfach vertreten.97 Seit Einführung des MiLoG und insb. des § 611a BGB (vgl. dort Absatz 2) mehren sich aber die Stimmen, die auch beim allgemeinen Arbeitnehmerbegriff die Entgeltlichkeit als statusbegründendes Merkmal ansehen.98 Auf dieser Basis wird eine eigenständige Funktion des Entgeltlichkeitsmerkmals in § 59 S. nur ErfK/Preis22 § 1 NachwG Rn 2, § 2 NachwG Rn 36 ff m.w.N. Vgl. §§ 16 Abs. 1 Nr. 8, Abs. 2, 11 Abs. 1 AÜG. S. dazu etwa Schaub/Linck ArbR-HdB19 § 32 Rn 47a, 55 f. Näher hierzu ErfK/Müller-Glöge22 § 14 TzBfG Rn 123 ff. Heymann/Henssler/Markworth HGB § 59 Rn 35. Ausf. mit Nachw. BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 677 ff. So Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 59 Rn 17. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 55 m.w.N. Wagner S. 23. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 31. Stv. für viele Mayer/Maly Erwerbsabsicht und Arbeitnehmerbegriff, 1965; weitere Nachw. bei Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 94. 97 So etwa Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 94; MünchKommBGB/Thüsing5 § 59 Rn 286. 98 Heymann/Henssler/Markworth HGB § 59 Rn 15; BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 612 Rn 130.
86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96
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Satz 1 verneint.99 Allerdings hat es jedenfalls insofern eine gewisse Bedeutung, als es einen Rückgriff auf § 612 Abs. 1 BGB im Anwendungsbereich des § 59 ausschließt100 (hierzu und zu § 612 Abs. 2 BGB noch Rn 60, 62).
2. Entgeltbegriff 31 Der Begriff des Entgelts ist in Anlehnung an § 14 Abs. 1 SGB IV auszulegen.101 Danach sind unter Arbeitsentgelt „alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung“ zu verstehen, „gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden“. Alternativ wird vorgeschlagen, auf § 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB („jede in einem Vermögensvorteil bestehende Gegenleistung“) abzustellen;102 zu anderen Ergebnissen dürfte dies aber nicht führen. Auf die Höhe des Arbeitsentgelts kommt es nicht an.103 Zur Vergütungspflicht auf Rechtsfolgenseite noch näher Rn 60 ff.
III. Anstellung in einem Handelsgewerbe 32 Das Erfordernis der Anstellung in einem Handelsgewerbe nimmt Bezug auf die gesetzlichen Bestimmungen über Kaufleute, §§ 1 ff: Handlungsgehilfe ist nur derjenige, dessen Arbeitgeber Kaufmann im Sinne dieser Regelungen ist (zur begrenzten Bedeutung der Qualifikation als Handlungsgehilfe Rn 6 f). Wer zwar kaufmännische Dienste leistet, aber nicht in einem Handelsgewerbe angestellt ist, ist nicht Handlungsgehilfe,104 sondern lediglich sog. Gewerbegehilfe (vgl. zur Terminologie bereits Rn 8). Ein Handelsgewerbe betreibt der sog. Istkaufmann des § 1. Aus § 1 Abs. 2, der den Betrieb 33 eines Gewerbebetriebs verlangt, ergibt sich, dass freiberufliche Tätigkeiten (z.B. als Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Apotheker oder Architekt) nicht erfasst werden.105 Dementsprechend ist z.B. ein Steuerberater, der bei einem anderen Steuerberater angestellt ist, nicht Handlungsgehilfe; er ist es hingegen, wenn er in einer Steuerberatungs-GmbH angestellt ist106 (diese ist Formkaufmann, vgl. Rn 37). Dieses Beispiel zeigt in den Augen von K. Schmidt, dass es durch das Erfordernis der Anstellung in einem Handelsgewerbe zu Ungereimtheiten beim Handlungsgehilfenbegriff kommen kann; er möchte auf dieses Merkmal daher verzichten.107 Diese Ansicht ist jedoch mit dem Gesetzeswortlaut unvereinbar.108 Die Kritik ist vielmehr auf rechtspolitischer Ebene zu verorten: Das Beispiel illustriert die mit den §§ 59 ff einhergehen-
99 S. etwa Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 31; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15; so bereits Wagner S. 23. 100 Wie hier BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 25, 58, 111; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 33; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16; Wagner S. 42 f.; wohl auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15. 101 So auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 32. 102 Wagner S. 23. 103 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 55. 104 Ganz hM, s. stv. für viele BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 59, 88 ff; MünchArbR/Giesen5 Bd. II § 152 Rn 3; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2 (insb. Fn 2), 18; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 5; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 8, 25; aA K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 1 (Rn 9). 105 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 22. 106 BAG 12.12.1956 – 2 AZR 11/56, AP § 59 HGB Nr. 4 m. Anm. Hefermehl; 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 m. Anm. Zöllner. 107 So das Bsp. bei K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 1 (Rn 9); demgegenüber wie hier – im Einklang mit der ganz hM – BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 90; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10. 108 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 80. Weber/Gräf
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de Zersplitterung des Arbeitsrechts (Rn 3), die zwar weitgehend ohne praktische Konsequenzen bleibt (Rn 6 f), die aber dennoch gesetzgeberisch aufgelöst werden sollte. Beim Kannkaufmann nach §§ 2, 3 Abs. 2, 3, also dem Kleingewerbetreibenden und dem Betreiber eines land- oder forstwirtschaftlichen Unternehmens, gilt das Unternehmen erst dann als Handelsgewerbe, wenn die Firma in das Handelsregister eingetragen ist. Deswegen ist ein bei einem solchen Unternehmen Beschäftigter erst ab diesem Zeitpunkt Handlungsgehilfe.109 Nach § 5 gelten im Handelsregister mit einer Firma eingetragene Gewerbetreibende unwiderlegbar als Kaufleute. Dementsprechend kann ein bei einem derartigen Unternehmen Beschäftigter Handlungsgehilfe sein.110 Daneben ist für § 59 Satz 1 auch die – über § 5 hinausgehende – Rechtsfigur des Scheinkaufmanns zu beachten: Einen Arbeitgeber, der sich im Rechtsverkehr als Kaufmann ausgibt, kann der Arbeitnehmer, wenn er auf den Rechtsschein vertraut, wie einen Kaufmann behandeln und sich ihm gegenüber – zu seinen Gunsten – auf die Handlungsgehilfeneigenschaft berufen.111 Der Arbeitnehmer ist insofern ähnlich schutzwürdig wie Dritte, die mit dem Kaufmann Handelsgeschäfte schließen.112 Der Scheinkaufmann kann sich selbstverständlich nicht umgekehrt gegenüber dem Arbeitnehmer auf die §§ 59 ff berufen.113 Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG, GmbH & Co KG) sind Kaufleute, weil sie ein Handelsgewerbe betreiben oder im Handelsregister eingetragen sind (§ 105 Abs. 2, § 161 Abs. 2; vgl. § 6 Abs. 1).114 Die GbR kann zwar Arbeitgeberin sein,115 betreibt aber kein Handelsgewerbe; die bei ihr Beschäftigten sind daher keine Handlungsgehilfen.116 Auch der Angestellte einer eingetragenen Kapitalgesellschaft (GmbH, AG, KGaA, SE) oder einer eingetragenen Genossenschaft kann Handlungsgehilfe sein, auch wenn diese kein Handelsgewerbe betreibt.117 Zwar stellt der Wortlaut des § 59 Satz 1 gerade auf den Begriff des Handelsgewerbes ab. Solche Unternehmen sind aber kraft Rechtsform Kaufleute: Die eingetragene Genossenschaft gilt gemäß § 17 Abs. 2 GenG unmittelbar als Kaufmann. GmbH, AG und KGaA gelten nach § 13 Abs. 3 GmbHG, § 3 Abs. 1 AktG bzw. § 278 Abs. 3 i.V.m. § 3 AktG als Handelsgesellschaften, sodass sie gemäß § 6 nach den handelsrechtlichen Vorschriften über Kaufleute behandelt werden.118 Sie sind damit – nach dem Zweck der genannten Regelungen – auch für die Zwecke der §§ 59 ff einem Handelsgewerbe gleichzustellen.119 Gleiches gilt wegen Art. 10 SEVO für die Societas Europaea.120 Der beschränkte Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
109 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 23; GK/Etzel HGB8 Rn 1; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 19; Schlegelberger/Schröder Rn 17. 110 Ganz hM, s. nur BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 87; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20; Oetker/ Kotzian-Marggraf7 Rn 11; Hopt/Roth41 Rn 27; aA Schlegelberger/Schröder Rn 4 (im Ergebnis aber trotzdem für die Anwendung des Handlungsgehilfenrechts). 111 BAG 19.4.1979 – 3 AZR 645/77, AP § 128 HGB Nr. 3 m. Anm. Beitzke = SAE 1979, 174 m. Anm. Sieg; GK/Etzel HGB8 Rn 2; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 87; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 19; Hopt/Roth41 Rn 27; Wagner S. 26. 112 Vgl. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 87; vgl. auch Wagner S. 26, die den Arbeitsvertrag mit dem Kaufmann sogar als Handelsgeschäft i.S.d. § 343 Abs. 1 einordnet. 113 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 19; Hopt/Roth41 Rn 27. 114 Stv. für viele C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 6. 115 S. zu einer Anwaltskanzlei BAG 30.10.2008 – 8 AZR 397/07, AP § 613a BGB Nr. 358 m. Anm. Willemsen. 116 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 82. 117 BAG 12.12.1956 – 2 AZR 11/56, AP § 59 HGB Nr. 4 (Bl. 1R) m. Anm. Hefermehl; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 88; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21; Schlegelberger/Schröder Rn 17. 118 Dazu K. Schmidt Handelsrecht6 § 10 II 2 (Rn 16 ff). 119 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 80; vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21. 120 K. Schmidt Handelsrecht6 § 10 II 2 (Rn 16). 711
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(VVaG) unterliegt nach § 172 Satz 1 VAG dem Handelsrecht, sodass auch bei diesem Handlungsgehilfen beschäftigt sein können.121 38 Angestellte in Handelsgewerben der öffentlichen Hand können ebenfalls Handlungsgehilfen sein. Das gilt nicht nur für Unternehmen, die von der öffentlichen Hand in privatrechtlichen Rechtsformen betrieben werden;122 zu diesen gehören die privatisierten Unternehmen der Post oder der Bahn,123 in der Regel auch kommunale Versorgungsbetriebe.124 Ein Handelsgewerbe kann vielmehr auch öffentlich-rechtlich strukturiert sein (als Anstalt, Körperschaft oder Stiftung des öffentlichen Rechts125), allerdings nach herrschender – wenn auch zunehmend in Zweifel gezogener – Ansicht nur, sofern das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.126 Unstrittig können Angestellte von Sparkassen Handlungsgehilfen sein.127 Bei der Bundesbank fehlt es zwar an der Gewinnerzielungsabsicht; ihre Kaufmannseigenschaft wird aber mit einem Umkehrschluss aus § 29 Abs. 3 BBankG begründet.128 Handlungsgehilfen können im Bereich des öffentlichen Dienstes freilich nur Arbeitnehmer sein, nicht hingegen Beamte.129
IV. Leistung kaufmännischer Dienste 39 Nicht jeder Arbeitnehmer, der in einem Handelsgewerbe arbeitet, ist auch Handlungsgehilfe, sondern nur der zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellte Arbeitnehmer (vgl. auch § 83). Im Hinblick auf dieses Begriffsmerkmal fehlt es aber an einer gesetzlichen Präzisierung und zwingenden sachlichen Kriterien. In methodischer Hinsicht wird daher – wie schon bei der grundsätzlichen Einordnung als Arbeitnehmer (Rn 11) – eine typologische Begriffsbestimmung gefordert.130 Unabhängig von der methodischen Einordnung besteht Einigkeit darüber, dass es vor allem auf die Verkehrsanschauung ankommen soll.131 Damit rückt die Kasuistik in den Vordergrund – freilich mit der Einschränkung, dass die ältere Rechtsprechung auf einer inzwischen überholten Verkehrsanschauung beruhen kann.132 Die Qualifikation als Handlungsgehilfe steht nach zutreffender Rechtsprechung des BAG nicht zur Disposition der Parteien, sodass die Handlungsgehilfeneigenschaft nicht durch entsprechende vertragliche Abmachungen begründet oder abbedungen werden kann und auch bei Abweichungen der tatsächlichen von der vertraglichen Gestaltung des Arbeitsverhältnisses die Art der tatsächlich geleisteten Dienste entscheidet.133 Insofern gilt ähnliches wie bei der grundsätzlichen Frage nach der Arbeitnehmereigenschaft (vgl. Rn 13). 121 BAG 25.10.1969 – 3 AZR 453/66, AP § 92 HGB Nr. 3 (Bl. 2R); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21; Hopt/ Roth41 Rn 27. 122 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 29. 123 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12. 124 Hierzu MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 32. 125 Zu letztgenannter OLG München 25.7.2012 − 34 AR 196/12, NJW-RR 2013, 412 (413). 126 BGH 11.1.1962 BGHZ 36, 273 (276); 2.7.1985 BGHZ 95, 155 (158); OLG München 25.7.2012 − 34 AR 196/12, NJW-RR 2013, 412 (413); anders K. Schmidt Handelsrecht6 § 9 II 2d (Rn 39): nur Angebot privatrechtlicher Leistungen, aber keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich; hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht zwischen Gebietskörperschaften und öffentlichen Unternehmen differenzierend Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 24. 127 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 30. 128 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 31; im Ergebnis auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12. 129 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 37. 130 K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 1 (Rn 12). 131 BAG 30.9.1954 – 2 AZR 65/53, AP § 59 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; 6.12.1972 – 4 AZR 56/72, AP § 59 HGB Nr. 23 (Bl. 3) m. Anm. Gitter; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 13. 132 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 47, 53; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 25. 133 BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 (B. 2R) m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann; ebenso etwa BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 50; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 8. Weber/Gräf
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1. Angestellteneigenschaft Der Handlungsgehilfe ist nach der überkommenen Konzeption des § 59 Angestellter, nicht Ar- 40 beiter.134 Die historisch begründete Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten135 hat inzwischen im Arbeitsrecht allerdings praktisch ihre Bedeutung verloren.136 Sie findet sich heute nur noch sehr punktuell in rechtlichen Randbereichen.137 Auch die tarifvertragliche Praxis orientiert sich schon seit einiger Zeit an einem einheitlichen Arbeitnehmerbegriff.138 Bedenkt man, dass auch die Qualifikation als Handlungsgehilfe heute nur noch von gerin- 41 ger rechtlicher Bedeutung ist (Rn 3 ff), erweist sich die Frage, ob ein Beschäftigter als (kaufmännischer) Angestellter zu qualifizieren ist, im Wesentlichen als solche einer begrifflichen Zuordnung. Hierbei konnte schon bisher auf präzise Abgrenzungskriterien nicht zurückgegriffen werden.139 Die überkommene Formel, der Angestellte leiste im Gegensatz zum manuell tätigen Arbeiter vorwiegend geistige Tätigkeit,140 ermöglichte auch früher keine eindeutig brauchbare Handhabung.141 Eine gewisse Orientierung ergab sich aus dem Berufsgruppenkatalog nach § 133 Abs. 2 SGB VI a.F. Die Vorschrift ist aber mit der Aufgabe der Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten im Sozialversicherungsrecht aufgehoben und der Berufsgruppenkatalog gestrichen worden.
2. Kaufmännische Dienste Bei der Bestimmung des Handlungsgehilfenbegriffs wird der Fokus daher heute auf die Frage 42 gelegt, wer nach der Verkehrsanschauung kaufmännischer Angestellter ist. Nach der Verkehrsanschauung betrachtet man als kaufmännische Dienste solche Tätigkei- 43 ten, die in einem weiteren Sinne mit dem Umsatz von Waren im Zusammenhang stehen.142 Im Gegensatz dazu stehen die technischen Dienste, die ein sog. technischer Angestellter bei der Bearbeitung und Verarbeitung von Waren verrichtet, etwa als Bautechniker, Chemiker, Ingenieur oder technischer Zeichner.143 Zu den kaufmännischen Diensten gehören zwar in erster Linie Kauf- und Verkaufsgeschäfte selbst, aber auch alle diejenigen Tätigkeiten, die einen erfolgreichen Warenumsatz üblicherweise begleiten wie die Werbung, die Vertragsanbahnung oder die Kassenführung.144 Die kaufmännische Dienstleistung muss dabei nicht unmittelbar auf den rechtsgeschäftlichen Verkehr nach außen wirken, sodass etwa buchhalterische Tätigkeiten oder Schreibarbeiten dazu gerechnet werden können.145 Einschränkend bewertet man allerdings als kaufmännische Dienste nur solche Tätigkeiten, die nicht ganz einfacher Natur sind, sondern 134 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 28; GK/Etzel HGB8 Rn 6; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 14; Wagner S. 30 f. 135 Vgl. dazu Hromadka in: Hromadka (Hrsg.) Gleichstellung von Arbeitnehmern und Angestellten, 1989 S. 13 ff; ders. RdA 2015, 65; Korstock NZA 2017, 357. 136 Überblick zu den einzelnen gesetzgeberischen Schritten bei Staub/Weber5 § 59 Rn 30. 137 Hierzu und zur Berechtigung der verbleibenden Differenzierungen Kortstock NZA 2017, 357 (358 ff). 138 Vgl. Kortstock NZA 2017, 357 (359 f). 139 Hromadka RdA 2015, 65 (69). 140 BAG 30.9.1954 – 2 AZR 65/53, AP § 59 HGB Nr. 1 (Bl. 1R) m. Anm. Hefermehl; Hueck/Nipperdey Lehrbuch des Arbeitsrechts Bd. I. § 12 III; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 28 f; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 72. 141 Vgl. aber BAG 4.8.1993 – 4 AZR 515/92, AP § 1 BAT Nr. 1. 142 BAG 6.12.1972 – 4 AZR 56/72, AP § 59 HGB Nr. 23 (Bl. 3) m. Anm. Gitter; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 72; zurückhaltender BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 52 („insbesondere“). 143 GK/Etzel HGB8 Rn 7 (s. auch die umfangreichere Auflistung in Rn 12). 144 LAG Düsseldorf – 4 Sa 448/59, 6.11.1959 AP § 59 HGB Nr. 15 (Bl. 2R); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/ Rudkowski Rn 30; Wagner S. 32. 145 GK/Etzel HGB8 Rn 5. 713
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gesteigerte Fähigkeiten verlangen.146 Eine kaufmännische Ausbildung ist allerdings nicht notwendig.147 44 Eine Verkehrsanschauung kann sich auch in Tarifverträgen widerspiegeln.148 Der Bezeichnung in Regelungen früherer Tarifverträge kann damit eine indizielle Bedeutung zukommen.149 Darauf kann aber nur in Zweifelsfällen abgestellt werden.150 Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass solche Tarifverträge älteren Datums sind und sich die Verkehrsanschauung inzwischen gewandelt haben kann (vgl. bereits Rn 39). Eine gewisse Indizwirkung kann auch der von den Arbeitsvertragsparteien gewählte Bezeichnung zukommen; vorrangig ist aber stets die Beurteilung nach der Art der tatsächlich geleisteten Dienste (Rn 39). Übt ein Arbeitnehmer unterschiedliche Tätigkeiten aus, die zum Teil als kaufmännische 45 Dienste, zum Teil als sonstige Dienste zu beurteilen sind, so kommt es darauf an, welcher Teil nach der Verkehrsanschauung als überwiegend anzusehen ist.151 Dabei ist das zeitliche Moment zwar ein Indiz, entscheidend ist aber, durch welche Arbeit das Gesamtbild der Tätigkeit seine Prägung erhält.152
V. Beispiele aus der Rechtsprechung 46 Als – – – – – – – – –
Handlungsgehilfen wurde von der Rechtsprechung u.a. angesehen153: Abonnenten- und Anzeigenwerber154 Dekorateur155 Filialleiter156 Frachtkontrolleur157 Gebietsleiter (eines Fertighausherstellers)158 Kassierer im Selbstbedienungsladen159 Restaurantleiter160 Sachbearbeiter in einem Speditions- und Logistikunternehmen161 Schaufensterdekorateur162
146 BAG 12.12.1956 – 2 AZR 11/56, AP § 59 HGB Nr. 4 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; LAG Düsseldorf 6.11.1959 AP § 59 HGB Nr. 15 (Bl. 2R); BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 52; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 12. 147 BAG 26.1.1959 – 1 AZR 355/55, AP § 59 HGB Nr. 3 (Bl. 1 f); K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 1 (Rn 12). 148 GK/Etzel HGB8 Rn 5; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 47; Schlegelberger/Schröder Rn 22. 149 Vgl. dazu BAG 30.9.1954 – 2 AZR 65/53, AP § 59 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; 29.11.1958 – 2 AZR 245/ 58, AP § 59 HGB Nr. 12 (Bl. 1R) m. Anm. Nikisch; 13.5.1981 – 4 AZR 1076/78, AP § 59 HGB Nr. 24 (Bl. 3R) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30; Schlegelberger/Schröder Rn 22; MünchKommBGB/ Thüsing5 Rn 74. 150 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30. 151 BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP Nr. 19 zu § 133f GewO (Bl. 3) m. Anm. Duden = SAE 1967, 288 m. Anm. Hofmann; GK/Etzel HGB8 Rn 7; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 8; Wagner S. 33. 152 BAG 11.11.1954 – 2 AZR 70/53, § 59 HGB AP Nr. 2 (Bl. 1R f) m. Anm. Hefermehl; GK/Etzel HGB8 Rn 7; BeckOKHGB/Wetzel37 Rn 14. 153 Vgl. auch die Zusammenstellungen bei BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 53.1; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 99; zur älteren Rechtsprechung Schlegelberger/Schröder Rn 23; Zusammenstellungen mit Negativbeispielen finden sich bei GK/Etzel HGB8 Rn 12 ff; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 54.1; s. auch Hopt/Roth41 Rn 30 f. 154 RAG 13.3.1937 ARS 29, 237. 155 LAG Düsseldorf 6.11.1959 § 59 HGB AP Nr. 15 (Bl. 2 ff). 156 BAG 24.4.1970 AP § 60 HGB Nr. 5 m. Anm. Weitnauer/Emde. 157 LAG Frankfurt a.M. 3.3.1949 – III LA 16/49, RdA 1950, 198. 158 BAG 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, AP § 87 HGB Nr. 11 m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 159 BAG 6.12.1979 – 4 AZR 56/72, AP § 59 HGB Nr. 23 (Bl. 3) m. Anm. Gitter. 160 BAG 7.11.2007 – 5 AZR 910/06, AP § 196 BGB Nr. 23. 161 LAG Hamm 12.8.2019 – 18 SaGa 45/19, BeckRS 2019, 20177. 162 LAG Düsseldorf 6.11.1959 – 4 Sa 448/59, AP § 59 HGB Nr. 15. Weber/Gräf
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Stenotypist im kaufmännischen Betrieb163 Steuerberatungs-GmbH-Angestellter164 Telefonisten, soweit ihre Tätigkeit in der betreffenden Branche als Angestelltentätigkeit angesehen wird165 Texterfasserin im Verlagsunternehmen166 Verkäufer, sofern nicht einfachste Tätigkeiten wie Verkauf von Fahrkarten, Eintrittskarten, Verkauf im Bahnhofskiosk ausgeübt werden167 Verkaufsfahrer, der nicht nur kassiert, sondern auch Kunden berät und wirbt168 Versicherungsvermittler bei fester Anstellung169 Vertriebsleiter (in einem Verlag).170
C. Hauptleistungspflichten der Vertragspartner Neben der Bestimmung des Handlungsgehilfenbegriffs (§ 59 Satz 1) enthält § 59 in beiden Sätzen 47 Regelungen zur Rechtsfolgenseite des Anstellungsvertrags: § 59 gibt Richtlinien für die Konkretisierung von Art und Umfang der durch den Arbeitsvertrag grundsätzlich fixierten Dienstleistungspflicht des Arbeitnehmers und der Vergütungspflicht des Arbeitgebers. § 59 betrifft damit nur die Hauptleistungspflichten.171 Hinsichtlich der Nebenleistungs- und Schutzpflichten bleibt es auf beiden Seiten bei den allgemeinen Regeln,172 die bezüglich des Wettbewerbsverbots des kaufmännischen Angestellten durch §§ 60, 61, bezüglich der Schutzpflichten des Arbeitgebers durch § 62 ergänzt und konkretisiert werden. Im Hinblick auf die Bestimmung des Inhalts der Hauptleistungspflichten enthält § 59 Auf- 48 fangregelungen,173 die ihrerseits in einem Stufenverhältnis zueinander stehen: Es gelten jeweils primär die vertraglichen Vereinbarungen. Fehlen solche, ist auf den Ortsgebrauch abzustellen (§ 59 Satz 1). In Ermangelung eines Ortsgebrauchs gilt die den Umständen nach angemessene Leistung als vereinbart (§ 59 Satz 2). In dogmatischer Hinsicht handelt es sich bei § 59 Satz 2 um eine Fiktion des Vertragsinhalts („gilt“);174 bei § 59 Satz 1 ist die dogmatische Einordnung unklar (vgl. Rn 52). Seit das im Jahr 1995 eingeführte und zuletzt erweiterte175 NachwG dem Arbeitgeber vor- 49 schreibt, die wesentlichen Vertragsbedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insb. Arbeitsort, Tätigkeit, Zusammensetzung und Höhe des Entgelts und die vereinbarte Arbeitszeit) schriftlich festzulegen, ist die ohnehin begrenzte Bedeutung der Auffangregelung des § 59 noch einmal zurückgegangen. Zwar sind die Angaben im Nachweis nicht gleichbedeutend mit dem tatsächlich vereinbarten Inhalt des Arbeitsverhältnisses, sie haben nur deklaratorischen Charakter.176 In aller Regel wird es aber in Hinblick auf die erforderlichen Angaben im Nachweis auch zu 163 164 165 166 167 168 169 170 171
LAG Düsseldorf 10.3.1959 – 3 Sa 4/59, BB 1959, 704. BAG 12.12.1956 – 2 AZR 11/56, AP § 59 HGB Nr. 4 m. Anm. Hefermehl. BAG 29.11.1958 – 2 AZR 245/58, AP § 59 HGB Nr. 12 (Bl. 1R ff) m. Anm. Nikisch. BAG 13.5.1981 – 4 AZR 1076/78, AP § 59 HGB Nr. 24 (Bl. 3R ff) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. BAG 26.1.1956 – 2 AZR 197/54, AP § 59 HGB Nr. 3 (Bl. 1R). BAG 30.9.1954 – 2 AZR 65/53, AP § 59 HGB Nr. 1 (Bl. 1R ff) m. Anm. Hefermehl. BAG 25.10.1967 – 2 AZR 197/54, AP § 92 HGB Nr. 3 (Bl. 2R) m. Anm. Nikisch. LAG Hamm 14.2.1968 – 8 (5) Sa 37/68, BeckRS 2014, 70212. Ebenso BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 92; anders Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 37: Hauptleistungs- und Nebenpflichten. 172 S. Überblick bei Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 56 ff, 128 ff; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 264 ff, 402 ff. 173 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 5, 22, 91; s. auch HWK/Diller10 § 59 HGB Rn 1: „subsidiäre Regelung“. 174 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 106, 123; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 182, 191. 175 BGBl. 2022 I S. 1174. 176 S. stv. HWK/Kliemt10 Vorb NachwG Rn 13, 28; Preis/Schulze NJW 2022, 2297 (Rn 2, 17 ff). 715
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entsprechenden Vereinbarungen der Vertragsparteien kommen, die dann einen Rückgriff auf die Auffangregelung des § 59 entbehrlich machen.
I. Dienstleistungspflicht des Handlungsgehilfen 50 Die Dienstleistungspflicht ist die im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht des Handlungsgehilfen. Sie ergibt sich dem Grunde nach schon aus dem Abschluss des Arbeitsvertrags (§ 611a Abs. 1 Satz 1 BGB). Handlungsgehilfe ist nach der Legaldefinition des § 59 Satz 1 ohnehin nur, wer zur Leistung (kaufmännischer) Dienste angestellt ist. § 59 Satz 1 und 2 regeln aber zugleich den Inhalt der Dienstleistungspflicht für den Fall, dass besondere Vereinbarungen fehlen.
1. Vorrangige Vereinbarungen 51 Die in § 59 in Bezug genommenen vorrangigen Vereinbarungen sind in erster Linie diejenigen des Arbeitsvertrags, der häufig schon durch die Berufsbezeichnung jedenfalls die Art der Arbeitsleistung eingrenzt. Die Arbeitsvertragsbedingungen können sowohl individuell ausgehandelt als auch in AGB enthalten sein. Auch durch dauernde Übung kann im Laufe der Zeit eine vertragliche Festlegung im Hinblick auf die durch den kaufmännischen Angestellten zu erbringende Arbeitsleistung erfolgen (sog. Konkretisierung);177 diese Fälle sind allerdings selten.178 § 59 kommt nicht nur dann zur Anwendung, wenn es an einer vertraglichen Regelung zum Umfang und der Art der Dienstleistungspflicht fehlt, sondern auch dann, wenn die Regelung lückenhaft ist (vgl. § 59 Satz 1: „soweit“).179 52 Umstritten ist das Verhältnis des § 59 – insbesondere des § 59 Satz 1 – zur Vertragsauslegung. Teilweise wird vertreten, die Einzelheiten der Dienstleistungspflicht ließen sich stets im Wege der Vertragsauslegung ermitteln, sodass § 59 überflüssig sei.180 Andere sehen umgekehrt in § 59 Satz 1 eine besondere Auslegungsregel; § 59 Satz 1 sei lex specialis gegenüber § 157 BGB.181 An erstgenannter Auffassung ist richtig, dass § 59 Satz 1 dem Vertragsinhalt den Vorrang einräumt; dabei kann es nicht darauf ankommen, ob sich dieser ausdrücklich aus der Vereinbarung ergibt oder durch Auslegung zu ermitteln ist. Andererseits ist zu bedenken, dass es für nicht-kaufmännische Arbeitnehmer an einer mit § 59 Satz 1 vergleichbaren Regel fehlt, sodass bei diesen zur näheren Bestimmung des Vertragsinhalts nur der Rückgriff auf § 157 BGB übrig bleibt;182 insofern übernimmt § 59 Satz 1 zumindest teilweise die Funktion des § 157 BGB. Die genaue dogmatische Einordnung kann allerdings letztlich dahinstehen, da sie keinen Einfluss auf die praktischen Ergebnisse hat. Auch bei der Vertragsauslegung nach § 157 BGB kommt es nämlich auf die speziellste, für die Parteien einschlägige Verkehrssitte an; dies ist – soweit vorhanden – gerade der Ortsgebrauch.183 Der Ortsgebrauch ist letztlich nichts anderes als die örtliche Verkehrssitte.184
177 BAG 19.6.1985 – 5 AZR 57/84, AP § 4 BAT Nr. 11 zu (A. II. 1. c.); 11.2.1998 – 5 AZR 472/97, AP § 611 BGB Direktionsrecht Nr. 54 (II. 1. c.); 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, AP § 106 GewO Nr. 7 (Rn 53 ff); 18.10.2012 – 6 AZR 86/11, AP § 106 GewO Nr. 23 (Rn 24 ff). 178 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 187 mit Nachw. aus der Rspr. 179 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 105; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 25. 180 Wank JA 2007, 321 (322). 181 Wagner S. 36 ff; vgl. auch BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 101.1, die § 59 dem Bereich der „ergänzenden Auslegung“ zuordnet (vgl. auch Rn 25: „Maßstab zur Ergänzung der Parteivereinbarung“). 182 Wagner S. 36 f. 183 Wagner S. 38; vgl. auch MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 183. 184 Wagner S. 38 m.w.N. aus dem älteren Schrifttum; zust. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 37; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 104. Weber/Gräf
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Vorrang vor der Auffangregelung des § 59 haben auch Tarifverträge oder Betriebsverein- 53 barungen, die nach Maßgabe von § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG bzw. § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG normativ wirken.
2. Verhältnis zu anderen gesetzlichen Regelungen Vorrang vor § 59 können weiterhin gesetzliche Regelungen haben. Im Hinblick auf den von § 59 54 angesprochenen Umfang der Dienstleistungspflicht geht es im Wesentlichen um die Arbeitszeit.185 Hier sind insbesondere die Vorgaben des ArbZG (im Hinblick auf die Höchstarbeitszeit) und des BUrlG zu beachten. Bei deren Auslegung können auch die Vorgaben unionsrechtlicher Richtlinien (vgl. insbesondere die Arbeitszeitrichtlinie186) sowie des Primärrechts (vgl. insbesondere Art. 31 GRCh) eine wichtige Rolle spielen. Fraglich ist das Verhältnis des § 59 zu § 613 BGB und zu § 269 Abs. 1 BGB: Nach § 613 55 Satz 1 BGB ist die Dienstleistung im Zweifel persönlich zu leisten; nach § 613 Satz 2 BGB ist der Anspruch auf Erbringung der Dienstleistung im Zweifel nicht übertragbar. § 269 Abs. 1 BGB greift ein, wenn für die Dienstleistung des Arbeitnehmers arbeitsvertraglich kein Arbeitsort festgelegt wurde; danach ist der Ort der Leistung nach der Natur des Schuldverhältnisses zu bestimmen ist. Dies ergibt als regelmäßigen Leistungsort den Betrieb des Arbeitgebers (Ausnahmen etwa: Außendienstmitarbeiter, Telearbeitnehmer, Leiharbeitnehmer).187 Bei allen Vorschriften handelt es sich um subsidiäre Regelungen, die nur bei Fehlen arbeitsvertraglicher Vereinbarungen eingreifen.188 § 59 soll nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht daher als lex specialis für Handlungsgehilfen Vorrang vor § 613 und § 269 BGB genießen. Im Hinblick auf § 269 BGB trifft dies aber nicht zu, da sich § 59 gerade nicht auf den Ort der Arbeitsleistung bezieht, sondern nur auf „Art“ und „Umfang“. Im Verhältnis zu § 613 BGB ist § 59 in der Theorie zwar vorrangig; denn die Frage der Höchstpersönlichkeit lässt sich wohl unter den Begriff der „Art“ der Dienstleistung fassen. Jedoch wird es in der Praxis insoweit meist an einem abweichenden Ortsgebrauch i.S.d. § 59 Satz 1 fehlen. Und auch im Rahmen der „Angemessenheit“ (§ 59 Satz 2) wird man in der Regel zu keinem von § 613 BGB abweichenden Ergebnis kommen.
3. Bestimmung der Dienstleistungspflicht nach dem Ortsgebrauch (§ 59 Satz 1) Unter Berücksichtigung der genannten Vorgaben für die nähere Bestimmung der Leistungs- 56 pflicht des kaufmännischen Angestellten hat die Auffangregelung des § 59 Satz 1 nur eine begrenzte Bedeutung.189 Das Gesetz besagt, dass der Handlungsgehilfe „die dem Ortsgebrauch entsprechenden Dienste“ zu verrichten hat. Der Ortsgebrauch ist das, was am Ort seiner Tätigkeit nach herrschender Auffassung des Handelsverkehrs üblich ist.190 Es besteht Übereinstimmung mit der örtlichen Verkehrssitte (Rn 52). Vielfach wird darauf hingewiesen, dass bei der Ermittlung des Ortsgebrauchs Auskünfte oder Gutachten der zuständigen Industrie- und
185 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 54; aA Schiffer S. 131 ff, der auch den Leistungsmaßstab erfasst sieht und insofern sogar eine analoge Anwendung des § 59 auf alle anderen Arbeitsverhältnisse fordert. 186 Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. EG Nr. L 299, S. 9. 187 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 200 ff m.w.N. 188 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 110. 189 Anders Schiffer S. 131 ff, der unter „Umfang“ der Arbeitsleistung nicht nur arbeitszeitbezogene Aspekte, sondern auch den Leistungsmaßstab subsumiert und § 59 sogar auf andere Arbeitsverhältnisse analog anwenden möchte. 190 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 103. 717
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Handelskammern als Orientierungshilfe dienen könnten.191 Heute ist dieses Vorgehen allerdings nicht mehr üblich.192 Am ehesten können sich Anhaltspunkte aus vertraglichen Regelungen, Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen ergeben, die für vergleichbare Beschäftigungsverhältnisse gelten.193
4. Bestimmung der Dienstleistungspflicht nach der Angemessenheit (§ 59 Satz 2) 57 Häufig wird sich in der Praxis ein Ortsgebrauch allerdings nicht ermitteln lassen. Nach § 59 Satz 2 gilt dann die den Umständen nach angemessene Leistung als vereinbart. In dogmatischer Hinsicht handelt es sich um eine Fiktion (Rn 48). Zur Konkretisierung kann auch hier auf vergleichbare Arbeitsverträge, Dienstvereinbarungen und Tarifverträge zurückgegriffen werden194 – in diesem Fall dann ohne den entsprechenden lokalen Bezug. § 59 verweist zudem auf die Umstände des Einzelfalls.195 Dies darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Inhalt der Dienstleistungspflicht nach § 59 Satz 2 in allen Einzelheiten determiniert ist; § 59 Satz 2 setzt vielmehr nur einen Rahmen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut („Art“ der Dienstleistung) sowie aus der Abgrenzung zum Direktionsrecht (Rn 59).
5. Verhältnis des § 59 Satz 2 zum Direktionsrecht 58 Da im Arbeitsvertrag üblicherweise nur allgemeine Vorgaben in Hinblick auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers enthalten sind, ist ein wesentlicher Gestaltungsfaktor bei der Konkretisierung der Dienstleistungspflicht das – bereits in § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB angelegte – Weisungsrecht (Direktionsrecht) des Arbeitgebers. Für dieses enthält § 106 Satz 1 GewO eine für alle Arbeitnehmer geltende (vgl. § 6 Abs. 2 GewO) Regelung: Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung können einseitig durch den Arbeitgeber nach billigem Ermessen bestimmt werden (vgl. auch § 315 BGB196), dies allerdings nur innerhalb des Rahmens vertraglicher Regelungen, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung oder eines anwendbaren Tarifvertrags sowie gesetzlicher Vorschriften. Bei der Konkretisierung des Inhalts der Leistungspflicht der Arbeitnehmer mittels Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers spielt zudem die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG eine wichtige Rolle. 59 Fraglich ist das Verhältnis zwischen § 59 Satz 2 („angemessene Leistungen“) und dem Direktionsrecht nach § 106 GewO („billiges Ermessen“). Da § 59 Satz 2 eine vertragliche Regelung fingiert, gehört die Regelung zu den Faktoren, die das Direktionsrecht nach § 106 Satz 1 begrenzen („soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag […] festgelegt sind“). Es muss also zunächst bestimmt werden, was als „angemessene Leistung“ Bestandteil des Arbeitsvertrags wird; nur innerhalb dieses Rahmens greift dann das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers,197 das zusätzlich durch das Kriterium des „billigen Ermessens“ begrenzt ist.198 Man kann insofern zwischen der „Angemessenheit“ als äußerer und dem „billigen
191 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 45; NK-GA/Reinhard2 § 59 HGB Rn 4; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 190; so auch hier noch 5. Aufl. 192 So bereits Wagner S. 38 (Fn 15); hierauf bezugn. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 103.1. 193 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 103.1; Wagner S. 38 (Fn 15). 194 Ebenso BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 109. 195 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 38; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 26. 196 Zum umstr. Verhältnis zwischen § 106 GewO und § 315 BGB BeckOK-ArbR/Tillmanns64 § 106 GewO Rn 5 ff m.w.N. 197 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 108; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 46; vgl. auch MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 191. 198 Vgl. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 18. Weber/Gräf
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Ermessen“ als innerer Grenze des Weisungsrechts199 unterscheiden. Das Verhältnis zum Weisungsrecht hat Rückwirkungen auf die Reichweite des § 59 Satz 2: Das Direktionsrecht darf durch § 59 Satz 2 nicht ausgehöhlt werden; denn auch im Anstellungsverhältnis zwischen Kaufmann und Handlungsgehilfen gehört es zur Natur des Arbeitsverhältnisses200 (vgl. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB). Daher ist bei der Festlegung des Rahmens nach § 59 – wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt („Art“ der Dienstleistung) – restriktiv vorzugehen. Die Zuweisung konkreter Tätigkeit bleibt die Domäne des Direktionsrechts.201
II. Vergütungspflicht des Arbeitgebers Dass an einen Handlungsgehilfen überhaupt eine Vergütung zu zahlen ist, ergibt sich bereits 60 aus der Legaldefinition in § 59 Satz 1: Handlungsgehilfe ist nur, wer gegen Entgelt angestellt ist (Rn 28 ff). Für die Handlungsgehilfeneigenschaft i.S.d. § 59 Satz 1 – einschließlich des Vorliegens einer Entgeltabrede – trägt der Angestellte die Beweislast. Die allgemeine Regelung des § 612 Abs. 1 BGB, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen Vergütung zu erwarten ist, kommt also im Handlungsgehilfenrecht nicht zum Tragen.202 Wie zur Dienstleistungspflicht enthält § 59 auch zur Vergütungspflicht eine Auffangrege- 61 lung.203 Auf Rechtsfolgenseite stuft § 59 auch bei der Vergütungspflicht nach besonderen vertraglichen Vereinbarungen, dem Ortsgebrauch (Satz 1) und der den Umständen nach angemessenen Vergütung (Satz 2) ab. § 59 betrifft dabei nicht nur den Umfang, sondern auch die Art der Vergütung (Rn 70). Zur Fälligkeit der Vergütung vgl. § 64; speziell zu Provisionen vgl. § 65.
1. Verhältnis zu § 612 Abs. 2 BGB Im Hinblick auf die Höhe der Vergütung trifft § 612 Abs. 2 BGB (zu § 612 Abs. 1 bereits Rn 60) 62 eine ähnliche – ebenfalls abstufende – Auffangregelung: Danach richtet sich die Höhe der Vergütung bei Fehlen einer Vereinbarung in erster Linie nach einer Taxe und in zweiter Linie nach der Üblichkeit. § 59 wird von der ganz hM zu Recht als lex specialis zu § 612 Abs. 2 BGB angesehen.204 Zu anderen Ergebnissen kommt man auf Basis des § 59 aber in der Regel nicht205: Zum einen kommt der in § 612 Abs. 2 BGB enthaltene Verweis auf Taxen (nach Bundes- oder Landesrecht zugelassene und festgelegte Vergütungssätze, z.B. RVG, GOZ/GÖÄ, StBVV, HOAI) bei Arbeitsverträgen von vornherein nicht zum Tragen, da es solche Gebührenordnungen für Arbeitnehmer nicht gibt.206 Zum anderen wird auch die Üblichkeit in § 612 Abs. 2 BGB nach den am betreffenden Ort bestehenden Verhältnissen beurteilt.207 Dies wird übersehen, wenn demgegenAllgemein zu dieser Unterscheidung NK-GA/Boecken/Pils2 § 106 GewO Rn 51 ff, 65 ff. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 108.1. Vgl. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 108.1. Wie hier BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 25, 58, 111; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 33; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16; Wagner S. 42 f.; wohl auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15. 203 Ebenso BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 5, 22, 113; s. auch HWK/Diller10 § 59 HGB Rn 1: „subsidiäre Regelung“. 204 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 36; HWK/Diller10 Rn 4; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 25, 119; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 59 HGB Rn 5; wohl auch MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 336; aA Schlegelberger/ Schröder Rn 48b: § 612 Abs. 2 BGB sei neben § 59 anwendbar; Roth RdA 2012, 1 (9 f): „einheitlicher Regelungskorpus“. 205 Vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 36; Schiffer S. 128 f; Wagner S. 43 ff. 206 BeckOK-ArbR/Joussen64 § 612 BGB Rn 32; BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 612 Rn 95; NK-GA/Reinhard2 § 59 HGB Rn 6. 207 Vgl. stv. BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 612 Rn 112 f; Schiffer S. 128 f.
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über vereinzelt208 davon ausgegangen wird, § 59 sei im Hinblick auf die Ortsbezogenheit enger als § 612 Abs. 2 BGB. Angesichts der weitgehenden Ergebniskongruenz ist es verschmerzbar, dass in der Rechtsprechung zuweilen statt auf § 59 auf den allgemeinen § 612 Abs. 2 BGB abgestellt wird.209 Ein Unterschied kann sich allenfalls im Hinblick auf die Anwendbarkeit der §§ 315, 316 BGB (insbesondere des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Arbeitnehmers) ergeben, die nur im Rahmen des § 612 BGB in Betracht kommt (Rn 69).
2. Vorrangige Vereinbarungen und gesetzliche Vorgaben 63 Maßgebliche Gestaltungsfaktoren für die Vergütung, die vor einem Rückgriff auf § 59 zu beachten sind, bilden neben dem Einzelarbeitsvertrag in erster Linie Tarifverträge. Diese gelten für die beiderseits Tarifgebundenen normativ, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, können aber nach Maßgabe des § 5 TVG auch für allgemeinverbindlich erklärt und auf diese Weise auch für nicht Tarifgebundene mit normativer Wirkung zur Anwendung gebracht werden. Weit verbreitet ist darüber hinaus die einzelvertragliche Inbezugnahme von Tarifverträgen. Insbesondere im Rahmen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10, 11 BetrVG können auch Betriebsvereinbarungen eine Rolle spielen; hier ist allerdings der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG zu berücksichtigen. Auf arbeitsvertraglicher Ebene ist zudem das Institut der – von der sog. Konkretisierung (Rn 51) zu unterscheidenden – betrieblichen Übung zu beachten.210 64 Die vertragliche Festlegung der Lohnhöhe kann nach § 3 Satz 1 MiLoG unwirksam sein, nämlich dann, wenn der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wird. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, dass dann auch tatsächlich § 59 zum Zuge kommt. Es ist nämlich umstritten, ob bei einem Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG die Lohnhöhe nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmen ist211 oder ob schlicht der gesetzliche Mindestlohn als vorrangige „Bestimmung“ der Vergütungshöhe gilt.212 Folgt man letztgenannter Ansicht, wäre auch für § 59 (als lex specialis zu § 612 Abs. 2 BGB; vgl. Rn 62) kein Raum.213 Eine Vergütungsvereinbarung kann aber – außerhalb des bereits vom MiLoG erfassten Niedriglohnsektors – auch nach § 138 BGB („Lohnwucher“) unwirksam sein.214 Hier geht die ganz hM zutreffend davon aus, dass als Auffangregelung § 612 Abs. 2 BGB zum Zuge kommt.215 Nichts anderes kann dann für § 59 gelten.216 Eine Gesamtnichtigkeit des Arbeitsvertrags nach § 139 BGB scheidet in der Regel aus;217 § 138 BGB vernichtet nur die Lohnabrede, nicht das gesamte Rechtsgeschäft.218 65 Weitere gesetzliche Vorgaben für die Vergütung folgen u.a. aus den Diskriminierungsverboten der §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, 3, 7 Abs. 1 AGG und des § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG, ferner für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung aus §§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 AÜG sowie in Entsendefällen aus § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 2a AEntG. Da Betriebsrenten (freiwilliger) Bestandteil der Vergütung sind, gehören auch die Regelungen des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) zu den gesetzlichen Vorgaben. 208 HWK/Diller10 Rn 4; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 59 HGB Rn 5; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 90. 209 Vgl. etwa BAG 9.11.1972 – 5 AZR 224/72, AP § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 36 m. Anm. Hueck = SAE 1974, 87 m. Anm. Wolf. 210 Hierzu Schaub/Arendt ArbR-Hdb19 § 110; MünchArbR/Fischinger5 Bd. I § 10; ausf. Chr. Picker Die betriebliche Übung, 2011. 211 So etwa ErfK/Franzen22 § 3 MiLoG Rn 1a m.w.N. (auch zur Gegenansicht). 212 So etwa Bayreuther NZA 2014, 865 (866). 213 Für eine Anwendbarkeit des § 59 aber BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 117. 214 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 93; ausf. Rieble/Chr. Picker ZfA 2014, 153. 215 S. nur BAG 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, AP § 138 BGB Nr. 64 (Rn 9) m. Anm. Bayreuther = SAE 2010, 101 m. Anm. Joussen; ausf. zum Meinungsstand Rieble/Chr. Picker ZfA 2014, 153 (208 f). 216 So i.E. auch BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 117; C. S. Hergenröder AR-Blattei SD 880.2 Rn 11. 217 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 93. 218 Rieble/Chr. Picker ZfA 2014, 153 (209 f) m.w.N. Weber/Gräf
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Wichtig für den Vergütungsbereich (und vorrangig gegenüber einem Rückgriff auf § 59) ist 66 schließlich der von der Rechtsprechung entwickelte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz.219 Der Arbeitgeber darf – soweit er nach einem generalisierenden Prinzip vorgeht – Differenzierungen zwischen verschiedenen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen nicht willkürlich vornehmen, sondern nur, wenn sie sachlich begründet sind.220 Einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen können deshalb zum Beispiel nicht ohne weiteres von generellen Lohnerhöhungen oder freiwilligen Sonderzuwendungen ausgeschlossen werden.
3. Bestimmung der Vergütungshöhe nach der Ortsüblichkeit (§ 59 Satz 1) Wie bei der Dienstleistungspflicht ist angesichts der vielfältigen geschilderten Vorgaben auch 67 bei der Vergütungspflicht die praktische Bedeutung der Auffangregelung des § 59 gering. Dem Ortsgebrauch entsprechend im Sinne des § 59 Satz 1 ist diejenige Vergütung, die im Betrieb oder im gleichen Gewerbe und am gleichen Ort für eine vergleichbare Tätigkeit und bei vergleichbarer Qualifikation gewährt wird. Häufig spielen hierbei auch Familienstand, Lebensalter und Unterhaltspflichten eine Rolle.221 Die ortsübliche Vergütung ergibt sich vielfach aus dem im betreffenden fachlichen und räumlichen Bereich gültigen Tarifvertrag, auch wenn dieser für das konkrete Arbeitsverhältnis weder normativ gilt noch einzelvertraglich in Bezug genommen ist.222 Für eine bestimmte Tätigkeit kann aber auch eine über- oder untertarifliche Vergütung angebracht sein, wenn dies dem Ortsgebrauch entspricht.223 In Ermangelung einschlägiger Tarifverträge oder eines anderweitigen Ortsgebrauchs (im engeren Sinne) ist auf die Betriebsüblichkeit abzustellen.224 Nach diesen Grundsätzen kommt man im Rahmen des § 59 Satz 1 regelmäßig zu denselben Ergebnissen wir bei anderen Arbeitnehmern nach § 612 Abs. 2 BGB (vgl. bereits Rn 62).
4. Bestimmung der Vergütungshöhe nach der Angemessenheit (§ 59 Satz 2) Fälle, in denen es sowohl an einer vertraglich vereinbarten Vergütung als auch an einer ortsübli- 68 chen Vergütung fehlt, in denen also die dritte Stufe (§ 59 Satz 2) zum Zuge kommt, dürften selten sein.225 Auch für die Angemessenheit der Vergütung i.S.d. § 59 Satz 2 wird man sich an Tarifverträgen der entsprechenden Branche aus anderen Tarifbezirken orientieren können, wenn hier eine entsprechende Vergütung auch für Außenseiterarbeitnehmer gängig ist.226 Im Übrigen bedarf es einer Interessenabwägung unter Einbeziehung sämtlicher relevanter Einzel219 Vgl. dazu aus der Literatur stv. MünchArbR/Fischinger5 Bd. I § 14; Schaub/Linck ArbR-Hdb19 § 112; MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 299 ff. 220 BAG 3.4.1957 – 4 AZR 644/54, AP § 242 BGB Gleichbehandlung Nr. 4 m. Anm. Hueck; 14.2.2007 10 AZR 181/06, AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 264 = NJW 2007, 1548. 221 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 337. 222 BAG 27.10.1960 – AZR 427/59, AP § 611 BGB Ärzte und Gehaltsansprüche Nr. 21 (Bl. 4R) m. Anm. Isele; 26.9.1990 5 AZR 112/90, AP § 2 BeschFG 1985 Nr. 9 (Bl. 1R); 14.6.1994 – 9 AZR 89/93, AP § 3 TVG Verbandsaustritt Nr. 3 = SAE 1995, 75 m. Anm. Rieble; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 90; NK-GA/Reinhard2 § 59 HGB Rn 5. 223 MünchKommBGB/Thüsing5 Rn 337; vgl. allerdings Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 90: der Tariflohn gebe regelmäßig die Untergrenze vor; ähnlich wohl HWK/Diller10 Rn 4. 224 Vgl. Wagner S. 45, die – im Hinblick auf das in der Tarifvertragspraxis vorherrschende Industrieverbandsprinzip – davon ausgeht, dass ein Ortsgebrauch i.e.S. in der Regel fehle, sodass Ortsgebrauch i.S.d. § 59 Satz 1 „in erster Linie Betriebsüblichkeit“ bedeute. 225 Vgl. Schiffer S. 129: Da man eine Ortsüblichkeit zumindest anhand der Betriebsüblichkeit ermitteln könne, sei für § 59 Satz 2 allenfalls in Zwei-Mann-Betrieben bzw. in solchen Betrieben Raum, in denen zuvor keine Arbeitnehmer eine vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben. 226 Vgl. auch BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 121. 721
Weber/Gräf
§ 59
1. Buch. Handelsstand
fallumstände.227 Dabei soll auch die wirtschaftliche Situation des Arbeitgebers Berücksichtigung finden.228 69 Nach einer vereinzelt vertretenen Ansicht sollen auf Handlungsgehilfen auch die §§ 315, 316 BGB Anwendung finden. Danach könnte im Zweifel der Handlungsgehilfe – in den Grenzen der gerichtlich überprüfbaren Billigkeit – einseitig die Vergütung festlegen.229 Dem kann nicht gefolgt werden; denn § 59 Satz 2 bestimmt die Vergütung als Inhalt des Arbeitsvertrags kraft gesetzlicher Fiktion (Rn 48, 57); für ein Recht zur einseitigen Bestimmung der Gegenleistung ist hier kein Raum.230 Zwar wird dies im Rahmen des § 612 BGB (vgl. Rn 62) vielfach anders gesehen;231 jedoch lässt sich dort argumentieren, dass § 612 Abs. 2 BGB nicht für alle Fälle eine Lösung bietet, da sich nicht immer eine übliche Vergütung ermitteln lässt, sodass dort ein Bedürfnis für einen Rückgriff auf die §§ 315, 316 BGB bestehen kann.232 Ein solcher Fall kann bei § 59 aber nicht eintreten, da sich mittels des Kriteriums der Angemessenheit stets eine konkrete Lohnhöhe bestimmen lässt.
5. Bestimmung der Art der Vergütung nach § 59 70 Die Auffangregel des § 59 betrifft im Grundsatz nicht nur die Höhe, sondern auch die Art der Vergütung.233 So wird man bei Handlungsgehilfen im Zweifel von einer Zeitvergütung auszugehen haben, die nach Zeitabschnitten und nicht wie bei der Akkordvergütung nach der Quantität der Leistung bemessen wird. Das ergibt sich nicht nur daraus, dass der Handlungsgehilfe kaufmännische Dienste leistet, für die in erster Linie eine Zeitvergütung in Betracht kommt. Vielmehr geht auch der Gesetzgeber in § 64 offenbar von der Zeitvergütung aus und bestimmt als Fälligkeitstermin das Monatsende. Enthält ein Arbeitsvertrag keine Regelungen über besondere Vergütungsformen oder -bestandteile (Provisionen [zu diesen § 65], Prämien, Tantiemen, freiwillige Sonderzuwendungen des Arbeitgebers), dann können solche Vergütungsbestandteile nicht allein deshalb unter Berufung auf § 59 verlangt werden, weil andere Arbeitgeber sie in einer betreffenden Region für diese Branche zahlen. Solche Vergütungsbestandteile bedürfen stets eines eigenen Verpflichtungsgrundes.
227 228 229 230
BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 121; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 91. Schlegelberger/Schröder Rn 51; zust. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 121. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 38. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 107 f, 122; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 91; i.E. auch Schiffer S. 130. 231 S. nur ErfK/Preis22 § 612 Rn 42 m.w.N. 232 Vgl. BAG 21.11.2001 – 5 AZR 87/00, AP § 612 BGB Nr. 63. 233 Ebenso BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) Rn 113. Weber/Gräf
722
§ 60 [Gesetzliches Wettbewerbsverbot] (1) Der Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch in dem Handelszweige des Prinzipals für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte machen. (2) Die Einwilligung zum Betrieb eines Handelsgewerbes gilt als erteilt, wenn dem Prinzipal bei der Anstellung des Gehilfen bekannt ist, daß er das Gewerbe betreibt, und der Prinzipal die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich vereinbart.
Schrifttum Bauer/Diller Wettbewerbsverbote, 9. Aufl. 2022; Beer Die Grundlagen des vertragsbegleitenden Wettbewerbsverbots im deutschen Arbeitsrecht, Diss. Regensburg 2016; Bettinghausen Wenn Mitarbeiter Konkurrenz machen, AuA 2017, 150; Bossmann Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, Diss. Bielefeld 1992/1993; Braun Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen der Nebenbeschäftigung, AuR 2004, 47; Buchner Wettbewerbsverbote vor und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 1995; ders. Das Wettbewerbsverbot während der Dauer des Arbeitsverhältnisses AR-Blattei SD 1830.2, 2006; Fischer Wettbewerbstätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers während des Kündigungsschutzprozesses, NJW 2009, 331; Gaul Die Kennzeichnung des unerlaubten Wettbewerbs bei arbeitsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen, BB 1984, 346; ders. Die Wettbewerbsbeschränkung des Geschäftsführers der GmbH innerhalb und im Anschluß an den stillschweigend verlängerten Vertrag, GmbHR 1991, 144; Gaul/Khanian Zulässigkeit und Grenzen arbeitsrechtlicher Regelungen zu Wettbewerbsverboten, MDR 2006, 181; Glöckner Nebentätigkeitsverbote im Individualarbeitsrecht, 1993; Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987; Hohn Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern, DB 1971, 94; Hoß Vorbereitung einer späteren Konkurrenztätigkeit, ArbRB 2002, 87; ders. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses und im Aufhebungsvertrag, DB 1997, 1818; Hunold Rechtsprechung zur Nebentätigkeit des Arbeitnehmers, NZA-RR 2002, 505; Kempen/Kreuder Nebentätigkeit und arbeitsrechtliches Wettbewerbsverbot bei verkürzter Arbeitszeit, AuR 1994, 214; Kittner Der „volatile” Arbeitnehmer – Wettbewerb im und außerhalb des Arbeitsverhältnisses, BB 2011, 1013; Korinth Wettbewerbsverbote und Handlungsmöglichkeiten bei Streit über die Wirksamkeit der Kündigung, ArbRB 2004, 29; Küstner/Thume Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, 4. Aufl., Bd. 3, 2015, 3. Kap. Rn 40 ff; Kunz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Wettbewerbsverbot während der Dauer und nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses, DB 1993, 2482; Laber/Legerlotz Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb während der Dauer und nach Beendigung eines Dienstverhältnisses, DStR 2000, 1605; Leuchten Konkurrenztätigkeit im gekündigten Arbeitsverhältnis, NZA 2011, 391; Luke Wettbewerb durch Prokura?, BB 2016, 762; Nägele Das Gebot der Wettbewerbsenthaltung während des Kündigungsschutzprozesses, NZA 2016, 271; ders. Freistellung und anderweitiger Erwerb, NZA 2008, 1039; Oehlschläger Die Konkurrenz des Arbeitnehmers im Zeitraum des Kündigungsschutzverfahrens insbesondere nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers, 2020; Parafianowicz Die Zulässigkeit von Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch Wettbewerbsverbote und Verschwiegenheitspflichten, Diss. Frankfurt (Oder) 2016; Peter Nebentätigkeiten von Arbeitnehmern – Interessenkollisionen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, 2006; Röhsler/Borrmann Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981; Roth 150 Jahre Recht des Handlungsgehilfen: Vom ADHGB 1861 zum Arbeits(vertrags)gesetz(buch)?, RdA 2012, 1; Salamon/Fuhlrott Die Reichweite des Wettbewerbsverbotes im gekündigten Arbeitsverhältnis, BB 2011, 1018; Schloßer Effektiver Schutz der Belegschaft durch vertragliche Abwerbeverbote?, BB 2003, 1382; Schmiedl Mitarbeiterabwerbung durch Kollegen während des laufenden Arbeitsverhältnisses, BB 2003, 1120; Schwarzer Freistellung nach Kündigung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen, RdA 2007, 300; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1993; Wank Arbeitsrecht und Handelsrecht im HGB, JA 2007, 321; Weisemann/Schrader Wettbewerbsverbote während der Dauer und nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, DB 1980, Beilage 4; Wertheimer/Krug Rechtsfragen zur Nebentätigkeit von Arbeitnehmern, BB 2000, 1462; Wirbelauer Die Gestaltung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots des GmbH-Geschäftsführers, MDR 2018, 61; Woerz/Klinkhammer Arbeitsrechtliche Regelungen zur Beschränkung von Nebentätigkeiten, ArbRAktuell 2012, 183; Wulf Nebentätigkeitsbeschränkungen und Wettbewerbsrecht, Diss. Hamburg 2007.
723 https://doi.org/10.1515/9783111097510-048
Weber/Gräf
§ 60
1. Buch. Handelsstand
Übersicht 1
A.
Allgemeines
I.
Dogmatische Einordnung und Terminolo2 gie
II.
Normzweck und inhaltliche Abgrenzung
III. 1. 2. 3.
Verfassungs- und unionsrechtliche Bezüge 7 Grundrechte des Grundgesetzes Richtlinienvorgaben und Grundrechte des Uni8 onsrechts 10 Arbeitnehmerfreizügigkeit
IV.
Vertragliche Abweichungen
B.
Anwendungsbereich
I. 1.
14 Persönlicher Geltungsbereich Erstreckung auf nicht-kaufmännische Arbeitneh15 mer 20 Sonstige Personengruppen
Inhalt des Wettbewerbsverbots
I.
Betreiben eines Handelsgewerbes im Handels44 zweig (Abs. 1 Alt. 1) Handelszweig des Arbeitgebers 45 a) Teleologische Reduktion der Alt. 1 47 b) Begriff des Handelszweigs c) Veränderungen des Handelszweigs des Ar50 beitgebers und Betriebsübergang 52 d) Leiharbeit und Konzern Betreiben eines Handelsgewerbes 54 a) Begriff des Handelsgewerbes 56 b) Unternehmerische Tätigkeit 58 c) Vorbereitende Maßnahmen d) Erfordernis einer abstrakten Gefähr63 dung
1.
2. II. 1. 2. 3. 4.
4
2.
11
25 Zeitlicher Geltungsbereich 26 Beginn der Normgeltung 29 Ruhendes Arbeitsverhältnis 30 Ende der Normgeltung Insbesondere: Normgeltung nach Kündigung a) Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungs33 frist b) Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Zugang einer fristlosen Kündi35 gung c) Schadensersatz für hypothetischen An42 spruch aus § 61 Abs. 1
43
C.
II. 1. 2.
Verbotene Geschäfte im Handelszweig (Abs. 1 64 Alt. 2) 65 Handelszweig des Arbeitgebers 68 Geschäftemachen
D.
Einwilligung des Arbeitgebers
I.
Rechtsgeschäftlich erklärte Einwilligung
II.
Fingierte Einwilligung (Abs. 2)
III.
Widerruf der Einwilligung
E.
Darlegungs- und Beweislast
73 74
81 84 86
A. Allgemeines 1 § 60 regelt ein ohne besondere Vereinbarung und für die Zeit des rechtlichen Bestands eines Arbeitsverhältnisses geltendes Wettbewerbsverbot (zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten vgl. §§ 74 ff). § 60 beruht auf Art. 59 ADHGB (vgl. hierzu bereits Vor § 59 Rn 2 ff); Art. 59 Abs. 1 ADHGB1 ist mit dem heutigen § 60 Abs. 1 nahezu wortlautidentisch.2 Zu den Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot vgl. § 61.
1 Art. 59 Abs. 1 ADHGB lautete: „Ein Handlungsgehilfe darf ohne Einwilligung des Prinzipals weder für eigene Rechnung noch für Rechnung eines Dritten Handelsgeschäfte machen“.
2 Ausf. zum historischen und sozio-ökonomischen Hintergrund sowie zur Genese der §§ 60, 61 Beer S. 109 ff. Weber/Gräf
724
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
I. Dogmatische Einordnung und Terminologie Das Wettbewerbsverbot des § 60 ist eine gesetzlich geregelte Nebenpflicht des Arbeitnehmers3 2 in Form einer Schutzpflicht4 gegenüber dem Arbeitgeber. Solche Schutzpflichten wurden früher5 und werden teilweise bis heute noch6 für das Arbeitsrecht mit dem altmodischen Begriff der „Treuepflicht“ umschrieben. Auf diesen sollte aber (ebenso wie auf den Gegenbegriff der „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers) schon deshalb verzichtet werden, weil in ihm noch die überkommene Vorstellung vom Arbeitsverhältnis als personenrechtlichem Austauschverhältnis anklingt und er eine zu umfassende und auch den Persönlichkeitsbereich erfassende Pflicht zur Wahrung der Interessen des anderen Vertragsteils suggeriert. Schutzpflichten sind, wie spätestens seit der Schuldrechtsreform auch das Gesetz zeigt (§ 241 Abs. 2 BGB), Ausdruck des allgemeinen Grundgedankens, dass im Rahmen schuldrechtlicher Beziehungen unterschiedlich ausgestaltete Pflichten zur Rücksicht auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils bestehen können.7 Solche Schutzpflichten bestehen neben und unabhängig von leistungsbezogenen Nebenpflichten, für die weiterhin § 242 BGB die Grundlage bildet.8 Im Ergebnis kann § 60 heute als Konkretisierung des § 241 Abs. 2 BGB angesehen werden.9 Auch kann man § 60 dem Bereich der sog. Loyalitätspflichten zuordnen.10 Der Begriff der Loyalitätspflicht bezeichnet allerdings keine eigenständige – neben § 241 Abs. 2 bzw. § 242 BGB tretende – Pflichtenkategorie, sondern dient lediglich als Sammelbegriff für eine Vielzahl von Nebenpflichten, die an die spezifische Zielsetzung des Unternehmens anknüpfen.11 Das Wettbewerbsverbot aus § 60 wird üblicherweise als „gesetzliches Wettbewerbsver- 3 bot“ bezeichnet.12 Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass es im Gegensatz zum „nachvertraglichen Wettbewerbsverbot“ i.S.d. §§ 74 ff nicht gesondert vereinbart werden muss. Freilich können für die Dauer des Arbeitsverhältnisses geltende Wettbewerbsverbote auch vertraglich vereinbart werden (zur Abdingbarkeit des § 60 Rn 11 ff); für diese wird zuweilen der Begriff „vertragliche Wettbewerbsverbote“ gebraucht.13 Zu terminologischer Verwirrung führt es daher, wenn teilweise das Wettbewerbsverbot aus § 60 ebenfalls als „vertragliches Wettbewerbsverbot“ bezeichnet wird,14 um es vom „nachvertraglichen Wettbewerbsverbot“ nach §§ 74 ff abzugrenzen.15 Um Missverständnisse zu vermeiden, wird im Schrifttum daher vorgeschlagen, dasjenige aus § 60 als „vertragsbegleitendes Wettbewerbsverbot“ zu bezeichnen.16
3 § 60 gilt nicht nur für Handlungsgehilfen, sondern für sämtliche Arbeitnehmer (Rn 13 ff). Daher wird im Folgenden der allgemeine Begriff Arbeitnehmer gebraucht, ebenso statt Prinzipal der Begriff Arbeitgeber.
4 In der Sache ebenso MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 2 („Rücksichtnahmepflicht“ i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB); ausf. Beer S. 200 ff; für eine Einordnung als leistungssichernde Nebenpflicht MünchKommBGB/Bachmann8 § 241 Rn 106; Staudinger/Olzen (2019) § 241 BGB Rn 518. 5 S. etwa BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 m. Anm. Canaris; 16.8.1990 – 2 AZR 113/ 90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10. 6 S. etwa LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109; GK/Etzel HGB8 Rn 1; Sura, ZUM, 2019, 86 (87); NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 1, 3. 7 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 17) m. Anm. Diller; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 1. 8 Vgl. dazu auch BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 16); Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 2 f. 9 LAG Berlin-Brandenburg 30.4.2010 – 10 Sa 2763/09, BeckRS 2010, 74476; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 10 Vgl. BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 961. 11 Vgl. Arntzen Loyalität und Loyalitätsprobleme, 2003, S. 113. 12 S. nur die nichtamtliche Überschrift des § 60. 13 Vgl. z.B. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Löwisch § 86 Rn 27 ff. 14 BAG 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, AP § 615 BGB Nr. 118 (Rn 23, 30) m. Anm. Bayreuther. 15 Vgl. zu dieser terminologischen Mehrdeutigkeit Diller Anm. zu BAG 24.3.2010 AP Art. 12 GG Nr. 141 Rn 15 (unter 1.); zu den aus Wettbewerbsverboten folgenden Unterlassungsansprüchen Ulrici AcP 216 (2016), 383 (384). 16 Wank JA 2007, 321 (323). 725
Weber/Gräf
§ 60
1. Buch. Handelsstand
II. Normzweck und inhaltliche Abgrenzung 4 Das Wettbewerbsverbot des § 60 will den Arbeitgeber vor Konkurrenz seines Arbeitnehmers schützen, indem es das Betreiben eines Handelsgewerbes und Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung im Handelszweig des Arbeitgebers nur mit dessen Einwilligung erlaubt.17 Dürfte der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber nach Belieben Konkurrenz machen, würden Interessenkonflikte drohen; diesen will § 60 vorbeugen.18 Es soll – mit den Worten des BAG – erreicht werden, dass „dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offensteht“.19 Das BAG betont, dass der Arbeitgeber insofern bereits vor einer bloßen Gefährdung seiner Geschäftsinteressen geschützt werden soll.20 5 § 60 schützt demgegenüber nicht vor einer Nebentätigkeit als solcher, dient also nicht der Sicherung der ungeteilten Arbeitskraft des Arbeitnehmers. § 60 enthält mit anderen Worten kein allgemeines Nebentätigkeitsverbot.21 Als Ausfluss des Art. 12 Abs. 1 GG hat der Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht, seine Arbeitskraft auch anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen.22 Eine Nebentätigkeit kann allerdings im Einzelfall aus anderen Gründen – unabhängig von § 60 – pflichtwidrig sein, etwa dann, wenn sie (z.B. zeitlich) mit der im Hauptarbeitsverhältnis geschuldeten Arbeitspflicht (vgl. § 59) kollidiert oder die Arbeitsleistung sonst unter der Nebentätigkeit leidet23 (z.B. wegen Übermüdung). Zudem kann eine Nebentätigkeit, auch wenn sie keine Konkurrenz i.S.d. § 60 im Handelszweig des Arbeitgebers darstellt, gegen sonstige Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers verstoßen,24 wenn sie auf andere Weise die Zielsetzung des Unternehmens (erheblich) beeinträchtigt (vgl. zu Arbeitsverhältnissen mit Konkurrenten des Arbeitgebers, die mangels Erfüllung des Merkmals „Geschäftemachen“ nicht unter § 60 Abs. 1, wohl aber unter § 241 Abs. 2 BGB fallen, Rn 69). Die Abgrenzung des Wettbewerbsverbots nach § 60 von sonstigen – auf § 241 Abs. 2 BGB beruhenden – (Loyalitäts-)Pflichtverletzungen ist deshalb relevant, weil auf letztere nicht das Rechtsfolgenregime des § 61 anwendbar ist, sondern ausschließlich die allgemeinen Rechtsfolgen greifen.25 Häufig sind Nebentätigkeiten Gegenstand tarifvertraglicher (vgl. § 3 Abs. 3 TVöD) oder (formular-)arbeitsvertraglicher Einschränkungen, z.B. in Form von Erlaubnisvorbehalten. Im Fall arbeitsvertraglicher Regelungen gewinnt die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 bzw. – bei Individualabreden – nach § 138 Abs. 1 BGB Relevanz.26 Die hierzu in der deutschen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze sind in materieller Hinsicht mit den Vorgaben des Art. 9 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (RL 2019/1152/
17 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 18 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 1. 19 St. Rspr., s. nur BAG 21.11.1996 – 2 AZR 852/95, BeckRS 1996, 30367835 (unter II 1 a); LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 54); s. bereits BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (unter II 1) = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel; vgl. zuletzt etwa BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38, 58) m. Anm. Diller. 20 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (unter I b bb) m. Anm. Herschel. 21 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1; vgl. bereits Glöckner S. 42 f. 22 BAG 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, AP § 15 KSchG 1969 Nr. 77 (Rn 21) m. Anm. Wiese; vgl. auch BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 951. 23 Vgl. BAG 13.5.2015 – 2 ABR 38/14, AP § 15 KSchG 1969 Nr. 77 (Rn 21) m. Anm. Wiese; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 51. 24 BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 961; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 55 Rn 51. 25 Vgl. zur Abgrenzung und den Sanktionen auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 55 f. 26 Näher zur Pflichtwidrigkeit von Nebentätigkeiten und zu den Grenzen (kollektiv-)vertraglicher Nebentätigkeitsverbote bzw. Genehmigungsvorbehalte oder Anzeigepflichten Braun AuR 2004, 47; BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 949 ff; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 55 Rn 50 ff; monografisch etwa Oligmüller Nebentätigkeitsverbot im Individualarbeitsrecht, 1979; Peter, Nebentätigkeiten von Arbeitnehmern, 2006; Wank Nebentätigkeit, 1995. Weber/Gräf
726
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
EU)27 vereinbar;28 in formaler Hinsicht verlangt die Richtlinie aber möglicherweise eine Konkretisierung durch den nationalen Gesetzgeber29 (vgl. noch Rn 8). Einen eigenen Stellenwert hat das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 60 auch gegen- 6 über Verschwiegenheits- bzw. Geheimhaltungspflichten des Arbeitnehmers30 (zum GeschGehG: Vor § 74 Rn 12, 81). Bei Verletzung von Geheimhaltungspflichten wird nicht selten ein tatsächlicher Zusammenhang mit einer Wettbewerbstätigkeit des Arbeitnehmers bestehen. Auch kann man den Geheimnisschutz als Teilaspekt des Schutzes vor Interessenkonflikten (Rn 4) ansehen und damit auch punktuell bei der teleologischen Auslegung des § 60 berücksichtigen31 (vgl. Rn 27, 69). Eine Wettbewerbstätigkeit i.S.d. § 60 liegt aber nur vor, wenn über den bloßen Geheimnisverstoß hinaus auch unternehmerische Tätigkeit (1. Alternative) bzw. Teilnahme am geschäftlichen Verkehr (2. Alternative) entfaltet wird.
III. Verfassungs- und unionsrechtliche Bezüge 1. Grundrechte des Grundgesetzes Das Wettbewerbsverbot des § 60 bewegt sich in einem grundrechtlichen Spannungsfeld: Durch 7 die Verwertung seiner Arbeitskraft macht der Arbeitnehmer – auch wenn er dies im Handelszweig seines Arbeitgebers tut – von seinem Grundrecht auf freie Berufs- bzw. Arbeitsplatzwahl aus Art. 12 Abs. 1 GG Gebrauch.32 Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfasst anerkanntermaßen auch die Aufnahme von Zweit- und Nebenberufen.33 Art. 2 Abs. 1 GG wird von Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt; auf Art. 2 Abs. 1 GG ist nur im Bereich nicht-gewerblicher (z.B. ehrenamtlicher) Nebentätigkeiten zurückzugreifen,34 die von § 60 nicht erfasst sind (vgl. Rn 54 ff, 68), ebenso im Fall von (gewerblich tätigen) Nicht-EU-Ausländern.35 Auf der anderen Seite könnte man daran denken, dass das Interesse des Arbeitgebers, sich vor Konkurrenz durch eigene Arbeitnehmer zu schützen (vgl. Rn 4), in den Schutzbereich der ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Unternehmerfreiheit36 fällt. Allerdings geht die Rechtsprechung davon aus, dass Art. 12 Abs. 1 GG keinen Schutz vor privater Konkurrenz beinhaltet.37 Einen solchen gewährleistet grundsätzlich auch das aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Recht am eingerichteten 27 Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, ABl. EU Nr. L 186/105.
28 Maul-Sartori NZA 2019, 1161 (1167); Preis/Morgenbrodt ZESAR 2020, 409 (411); vgl. auch Kolbe EuZA 2020, 35 (39); Picker ZEuP 2020, 305 (329).
29 So Rolfs ZfA 2021, 283 (309); wohl auch M. Schubert AuR 2022, 115 (unter VI 2); rechtspolitisch für wünschenswert halten eine solche Konkretisierung Kreßel ZfA 2021, 312 (328 f); Maul-Sartori NZA 2019, 1161 (1167); demgegenüber Preis/Morgenbrodt ZESAR 2020, 409 (411): kein Anpassungsbedarf. 30 S. zu diesen den Überblick bei BeckOGK-BGB/Maties (1.3.2022) § 611a Rn 1010 ff; Preis/Seiwerth RdA 2019, 351. 31 Vgl. etwa LAG Rheinland-Pfalz 24.8.2012 – 9 Sa 80/12, BeckRS 2012, 75818 (unter II 1 c). 32 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 1, vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 10; ausf. Beer S. 321 ff. 33 St. Rspr. des BVerfG, s. nur BVerfG 20.4.2004 – 1 BvR 838/01 u.a., BVerfGE 110, 304 (321) m.w.N.; stv. für die Lit. Beer S. 329 ff m.w.N. 34 Wank Anm. zu BG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter III 1). 35 Beer S. 347. 36 Ob die Unternehmerfreiheit nur durch Art. 12 Abs. 1 GG oder auch durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt ist, ist umstritten. Jedenfalls könnte Art. 14 Abs. 1 GG neben Art. 12 Abs. 1 GG hinsichtlich der Schutzintensität und im Rahmen etwaiger Abwägungsentscheidungen keine ausschlaggebende Rolle spielen; vgl. Hergenröder ZfA 2002, 355 (361 f); Kamanabrou RdA 2004, 333 (334 f). 37 BVerfG 1.2.1973 – 1 BvR 426/72 u.a., BVerfGE 34, 252 (256); 3.12.1980 – 1 BvR 409/80, BVerfGE 55, 261 (269); s. auch aus der Lit. von Mangoldt/Klein/Starck/Manssen GG7 Art. 12 Rn 70; vgl. speziell in Bezug auf Wettbewerbsverbote Beer S. 334 f; vgl. allerdings Wank Anm. zu BG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter III 1). 727
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und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht.38 Nach der Rechtsprechung wird auch die erreichte Marktstellung und der Erhalt des Kundenstamms nicht vom Eigentumsschutz des Art. 14 GG erfasst.39 Allerdings ist zu bedenken, dass Wettbewerbsverbote einen Beitrag zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen leisten können (vgl. § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG);40 der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird überwiegend Art. 14 Abs. 1 GG zugeordnet.41 Eine Besonderheit gilt in sog. Tendenzunternehmen (vgl. § 118 Abs. 1 BetrVG): Hier kann der besondere Grundrechtsschutz des Arbeitgebers (vgl. z.B. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für Presse- und Rundfunkunternehmen) ausnahmsweise im Sinne eines Schutzes vor Konkurrenz eingreifen, soweit es um eine „tendenznahe“ Tätigkeit des Arbeitnehmers für einen Konkurrenten im (publizistischen, koalitionspolitischen etc.) „Kampf der Ideen“ geht.42 Gerade die Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers hat erhebliche Auswirkungen auf die Auslegung des § 60; sie zwingt im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Gebot der verfassungskonformen Auslegung in verschiedener Hinsicht zu einer einschränkenden Interpretation des § 60 (zur verfassungskonformen Auslegung des § 60 Abs. 1 Alt. 1 vgl. Rn 45, 49 f; zu § 60 Abs. 1 Alt. 2 Rn 69; zur Begrenzung vertraglicher Vereinbarungen über eine Verschärfung des Wettbewerbsverbots Rn 13).
2. Richtlinienvorgaben und Grundrechte des Unionsrechts 8 Art. 9 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (RL 2019/1152/EU AB-RL)43 enthält Vorgaben für „Mehrfachbeschäftigungen“: Nach Art. 9 Abs. 1 AB-RL müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, „dass ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer weder verbieten darf, außerhalb des mit ihm festgelegten Arbeitsplans ein Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgebern aufzunehmen, noch ihn benachteiligen darf, falls er dies tut“. Nach Art. 9 Abs. 2 AB-RL dürfen die Mitgliedstaaten allerdings „Bedingungen festlegen, bei deren Vorliegen die Arbeitgeber aus objektiven Gründen Unvereinbarkeitsbestimmungen anwenden dürfen, etwa […] zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen […] oder zur Vermeidung von Interessenkonflikten“. § 60 wird im Schrifttum im Hinblick auf die letztgenannten Ausnahmen für vereinbar mit den Richtlinienvorgaben gehalten.44 Tatsächlich fällt § 60 aber bereits nicht unter den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 9 Abs. 1 AB-RL („Arbeitsverhältnis mit anderen Arbeitgebern aufzunehmen“); denn weder der Abschluss des Arbeitsvertrags mit einem Konkurrenzunternehmen als solcher noch die bloße Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen werden vom Begriff des „Geschäftemachens“ i.S.d. § 60 Abs. 1 Alt. 2 erfasst (näher Rn 69). Die reine Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Konkurrenzunternehmen kann allerdings im Einzelfall nach § 241 Abs. 2 BGB untersagt sein (s. auch dazu Rn 69). Im Rahmen des § 241 Abs. 2 kann den materiellen Vorgaben des Art. 9 Abs. 2 AB-RL im Wege der richtlinienkonformen Auslegung ohne Weiteres Rechnung getragen werden45 (Rn 69). Fraglich ist allerdings, ob eine auf Generalklauseln gestützte nationale Rechtsprechungspraxis den formellen Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 AB-RL („Die Mitgliedstaaten dürfen Bedingungen festlegen“) genügt oder ob es einer Konkretisierung durch 38 BVerfG 1.2.1973 – 1 BvR 426/72 u.a., BVerfGE 34, 252 (257); 3.12.1980 – 1 BvR 409/80, BVerfGE 55, 261 (273); vgl. auch BGH 23.10.1979 – VI ZR 230/77, NJW 1980, 881 (882); teilw. aA Beer S. 346: Schutz vor „Konkurrenz von innen heraus“. 39 BVerfG 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82 u.a., BVerfGE 77, 84 (118). 40 Vgl. Dumont BB 2018, 2441 (2446); Naber/Peukert/Seeger NZA 2019, 583 (584 f). 41 S. nur BayVGH 26.7.2006 – 11-IVa/05, NVwZ 2007, 204 (207 f); Brammsen DÖV 2007, 10; aA Wolff NJW 1997, 98 s. zur Diskussion Klopfer/Greve NVwZ 2011, 577 (578 f). 42 Vgl. BAG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter I 1 b aa) m. Anm. Wank zur Nebentätigkeit eines Hörfunksprechers des NDR für die für den Privatsender „Vox“ produzierte Sendung „Spiegel TV“. 43 Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20.6.2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union, ABl. EU Nr. L 186/105. 44 Preis/Morgenbrodt ZESAR 2020, 409 (411 f). 45 Vgl. Preis/Morgenbrodt ZESAR 2020, 409 (411). Weber/Gräf
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den deutschen Gesetzgeber bedarf;46 der Schutzzweck der Richtlinie könnte für letzteres sprechen. Der deutsche Gesetzesgeber sieht offenbar keinen Umsetzungsbedarf.47 Möglicherweise ist der Begriff der „Unvereinbarkeitsbestimmung“ in Art. 9 Abs. 2 AB-RL aber auch ganz anders zu verstehen, nämlich so, dass „als Bestimmung“ nur eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien in Betracht kommt. Mit den von den Mitgliedstaaten festzulegenden „Bedingungen“ wären dann im nationalen Recht zu verankernde Vorschriften über die Vertragsinhalts- und Ausübungskontrolle gemeint. Bei dieser Lesart des Art. 9 Abs. 2 AB-RL käme zukünftig eine auf Gesetz (d.h. auf § 241 Abs. 2 BGB oder auf ein noch zu schaffendes Spezialgesetz) gestützte Pflicht, die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen zu unterlassen, generell nicht mehr in Betracht; es bestünde wie beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (vgl. Vor § 74 Rn 6 ff) ein Vereinbarungserfordernis. Zwingend erscheint diese Lesart des Art. 9 der Richtlinie aber nicht;48 die Frage ist ggf. dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Für § 60 selbst, dessen Verbotstatbestände – wie erwähnt – von vornherein nicht unter Art. 9 AB-RL fallen, hätte ein solches Verständnis der Richtlinienvorgaben jedenfalls keine unmittelbaren Konsequenzen. Deshalb finden im Rahmen des § 60 auch die Grundrechte des Unionsrechts – in Betracht 9 kämen vor allem die Berufs- und Unternehmerfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 15 Abs. 1, 16 GRCh) einerseits und die Eigentumsfreiheit des Arbeitgebers (Art. 17 GRCh) andererseits49 – grundsätzlich keine Anwendung. Das Wettbewerbsverbot des § 60 bewegt sich nach dem soeben Gesagten nämlich mangels einschlägiger Richtlinienvorgaben nicht im Bereich der „Durchführung des Rechts der Union“ i.S.d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh. Dass ein tatsächlicher Zusammenhang zum GeschGehG, mit dem die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie50 umgesetzt wurde, bestehen kann und Wettbewerbsverbote zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen beitragen können (Rn 6), führt noch nicht zur Anwendbarkeit der GRCh. Punktuell können die Charta-Grundrechte allerdings im Anwendungsbereich der Betriebsübergangs-Richtlinie (RL 2001/23/EG)51 eine Rolle spielen (zu den angesprochenen Betriebsübergangskonstellationen vgl. Rn 51, 67). Sie können zudem auf Rechtfertigungsebene im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit Bedeutung erlangen (vgl. Rn 10).
3. Arbeitnehmerfreizügigkeit In grenzüberschreitenden Sachverhalten kann sich § 60 als Beschränkung der Arbeitnehmer- 10 freizügigkeit nach Art. 45 Abs. 2 AUEV darstellen.52 Im Ergebnis ist aber – jedenfalls bei Beachtung des im Rahmen der Auslegung ohnehin zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsat46 So in Bezug auf Nebentätigkeitsverbote (vgl. oben Rn 5) Rolfs ZfA 2021, 283 (309); wohl auch M. Schubert AuR 2022, 115 (unter VI 2); vgl. in Bezug auf Nebentätigkeitsverbote auch Kreßel ZfA 2021, 312 (328 f), der eine legislatorische Konkretisierung für wünschenswert hält; demgegenüber Preis/Morgenbrodt ZESAR 2020, 409 (411): kein Anpassungsbedarf. 47 Vgl. Gesetz vom 20.7.2022 (BGBl. I 2022, S. 1174 ff). 48 Dass nach Art. 9 Abs. 2 AB-RL die Arbeitgeber Unvereinbarkeitsbestimmungen „anwenden“ dürfen, könnte eher dafür sprechen, dass mit den „Unvereinbarkeitsbestimmungen“ (zumindest auch) gesetzliche Regelungen wie diejenige in § 241 Abs. 2 BGB gemeint sind; allerdings sind die anderen Sprachfassungen insoweit teils uneindeutig (vgl. z.B. „use of incompatibility restrictions“). Auch ErwG 29 gibt insofern keinen Aufschluss. 49 Vgl. Parafianowicz S. 82 ff. 50 Richtlinie (EU) 2016/943/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. EU Nr. L 157 S. 1. 51 Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen, ABl. EG Nr. L 82 S. 16. 52 Kocher GPR 2011, 132 (137); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2; ausf. Parafianowicz S. 12 ff. 729
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zes (vgl. Rn 7) – eine Rechtfertigung zu bejahen53 (vgl. auch zu den nachvertraglichen Wettbewerbsverboten Vor § 74 Rn 16).
IV. Vertragliche Abweichungen 11 Die Bestimmungen des § 60 sind nach hM abdingbar, d.h. der Wettbewerb kann zu Gunsten des Arbeitnehmers erlaubt (Rn 12), das Verbot aber auch zu Lasten des Arbeitnehmers verschärft werden54 (zu den Grenzen Rn 13). Die Abbedingung zugunsten des Arbeitnehmers unterliegt keinerlei Schranken. Die ver12 tragliche Vereinbarung einer Abbedingung des § 60 ist dogmatisch von der Erteilung der Einwilligung als einseitiges Rechtsgeschäft (empfangsbedürftige Willenserklärung) zu unterscheiden (zu letzterer Rn 74 ff). Die Wirkung ist – soweit der Umfang der Abbedingung bzw. Einwilligung reicht – freilich identisch. Auch die Voraussetzungen sind ähnlich: Wie die Einwilligung kann der Arbeitgeber auch eine auf Abbedingung des § 60 gerichtete Willenserklärung ausdrücklich oder konkludent abgeben; bei der Annahme des Arbeitnehmers ist der Zugang dann i.d.R. nach § 151 Satz 1 BGB verzichtbar. Für eine konkludente Abbedingungsvereinbarung müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Zu Recht hat das BAG entschieden, dass im Verzicht des Arbeitgebers auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (§ 75a) grundsätzlich nicht ohne Weiteres – d.h. ohne das Vorliegen zusätzlicher Indizien – zugleich ein „Verzicht“ des Arbeitgebers auf seine Rechte aus § 60 für die Zeit des bestehenden Arbeitsverhältnisses liegt.55 13 Auch Modifikationen zu Lasten des Arbeitnehmers sind grundsätzlich möglich. § 75d, der in Bezug auf die Regelungen über die Vereinbarung nachträglicher Wettbewerbsverbote eine für den Arbeitnehmer nachteilige Abweichung generell ausschließt, gilt für die §§ 60, 61 gerade nicht.56 Auch sind auf eine Vereinbarung, mit der die §§ 60, 61 zum Nachteil des Arbeitnehmers modifiziert werden, nicht etwa die Beschränkungen der §§ 74 ff analog anzuwenden.57 Vielmehr unterliegt eine solche Vereinbarung der Vertragsinhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 bzw. – im Falle einer Individualabrede – nach § 138 Abs. 1 BGB.58 Im Rahmen dieser Generalklauseln müssen allerdings die Grundrechte, insbesondere die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG, Berücksichtigung finden59 (Rn 7). Das BVerfG leitet dies in Modifikation und Präzisierung der überkommenen Lehre von der „mittelbaren Drittwirkung“ aus dem Schutzgebot der Grundrechte ab.60 Konkret bedeutet dies, dass eine Verschärfung des § 60, etwa eine Erstreckung des Wettbewerbsverbots auf weitere Tätigkeiten, nur dann wirksam ist, wenn dies durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist.61 Wegen der zumindest mittelbaren Bindung der Kollektivparteien an Art. 12 Abs. 1 GG gilt dies im Grundsatz auch für Vereinbarun53 Ausf. Parafianowicz S. 61 ff, der zur Rechtfertigung u.a. auf Art. 16 und 17 GRCh abstellt; zust. Oetker/KotzianMarggraf7 Rn 2.
54 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 4; Hopt/ Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; ausf. zu möglichen Vertragsklauseln Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 2 ff; s. auch die Bsp. bei BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 4.1. 55 BAG 25.10.2007 – 6 AZR 662/06, AP § 12 KSchG 1969 Nr. 3 (Rn 31); ebenso Diller RdA 2008, 299 (300). 56 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17. 57 Ausf. Bieder Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015 S. 246 ff. 58 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 4. 59 Vgl. BAG 26.8.1976 – 2 AZR 377/75, AP § 626 BGB Nr. 68 m. Anm. Löwisch/Röder; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 60 BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, AP Art. 12 GG Nr. 65 m. Anm. Canaris (zur Verfassungswidrigkeit des generellen Ausschlusses einer Karenzentschädigung bei Wettbewerbsverboten für Handelsvertreter in den Fällen des § 90a Abs. 2 Satz 2 a.F.); BVerfG 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, 1 BvR 1044/89, NJW 1994, 36; grundlegend Canaris AcP 184 (1984), 201. 61 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. Weber/Gräf
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gen in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.62 Soweit der sachliche Anwendungsbereich des Art. 9 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie eröffnet ist, müssen nach dem Gebot der richtlinienkonformen Auslegung auch dessen Vorgaben berücksichtigt werden; diese dürften aber – jedenfalls hinsichtlich der materiellen Maßstäbe – nicht zu einer Verschärfung der Inhaltskontrolle führen (vgl. Rn 8).
B. Anwendungsbereich I. Persönlicher Geltungsbereich Das Wettbewerbsverbot des § 60 gilt seinem Wortlaut nach nur für Handlungsgehilfen i.S.d. 14 § 59 Satz 1 (zum Begriff des Handlungsgehilfen § 59 Rn 9 ff).
1. Erstreckung auf nicht-kaufmännische Arbeitnehmer Umstritten ist, ob das Wettbewerbsverbot des § 60 auch auf alle anderen (nicht-kaufmänni- 15 schen) Arbeitnehmer anzuwenden ist. Im Ergebnis bejaht dies das BAG in ständiger Rechtsprechung. Seine Judikatur weist allerdings methodisch keine einheitliche Linie auf.63 Während das BAG zunächst ein Wettbewerbsverbot für sonstige Arbeitnehmer aus deren allgemeiner „Treuepflicht“ hergeleitet hatte,64 ging es später in einigen Entscheidungen von einer analogen Anwendung aus.65 Nachdem das BAG zwischenzeitlich wieder die Geltung des § 60 allein für Handlungsgehilfen betont und für die übrigen Arbeitnehmer auf § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht) abgestellt hatte,66 bejaht es in neueren Entscheidungen wieder eine analoge Anwendung.67 In der Literatur spricht sich die wohl überwiegende Zahl der Autoren für eine analoge Anwendung der §§ 60, 61 auf nicht-kaufmännische Arbeitnehmer aus.68 Demgegenüber wollen andere auf § 241 Abs. 2 BGB zurückgreifen69 (teilweise unter Einbeziehung des „Rechtsgedankens“ des § 60).70 Neuerdings wird – auf Basis einer vertraglichen Deutung des § 241 Abs. 2 BGB – auch eine Herleitung des Wettbewerbsverbots im Wege der ergänzenden Vertrags62 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; teilw. aA Röhsler/Borrmann S. 39 f: Verschärfung in Betriebsvereinbarungen generell unzulässig.
63 Vgl. die ausf. Rspr.-Analyse bei Beer S. 86 ff. 64 BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 (unter III. 3. a) m. Anm. Canaris; 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 (unter 2. a) m. Anm. Lüderitz; 6.8.1987 – 2 AZR 226/87, AP § 626 BGB Nr. 97 (unter II. 1.); 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10 (unter III. 2.). 65 BAG 23.5.1985 – 2 AZR 268/84, BeckRS 1985, 30713832 (unter III. 1. b); 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10, (unter III. 2.). 66 BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP HGB § 60 Nr. 13 (Rn 16); vgl. auch BAG 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, AP Art. 12 GG Nr. 141 (Rn 15) mit insoweit abl. Anm. Diller, wo es allerdings um ein ohnehin nicht unter die Verbotstatbestände des § 60 Abs. 1 fallendes Zweitarbeitsverhältnis ging (vgl. dazu unten Rn 67). 67 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 17 f) m. Anm. Diller; in der Sache auch (jedoch ohne ausdrückliche dogmatische Begründung) BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 13); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 53); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38) m. Anm. Diller. 68 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 5.1; Kunz DB 1993, 2482 (2484); ErfK/Oetker22 Rn 2; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 5; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 9; diff. Wagner S. 55 ff: analoge Anwendung nur des § 60 Abs. 2, i.Ü. Rückgriff auf die allgemeine Treuepflicht. 69 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6 (die allerdings eine analoge Anwendung des § 61 befürworten); Hromadka/Maschmann7 Arbeitsrecht Bd. 1 § 6 Rn 118; Parafianowicz S. 7 ff; auf den Grundsatz von Treu und Glauben abstellend Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1205; auf die „Treuepflicht“ abstellend NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 3. 70 Preis/Temminung Individualarbeitsrecht6 Rn 1185. 731
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auslegung vertreten.71 Zwar wird zuweilen betont, der dogmatische Streit um die Rechtsgrundlage des Wettbewerbsverbots für nicht-kaufmännische Arbeitnehmer habe jedenfalls für den Bereich des § 60 keine praktischen Auswirkungen.72 Dies trifft allerdings nur aus Sicht der Rechtsprechung zu, die trotz der dogmatischen Schwankungen konstante Ergebnisse erzeugt. Im Schrifttum hingegen kommt ein Teil der Autoren aus dem Lager derer, die eine Analogie ablehnen, bei nicht-kaufmännischen Arbeitnehmern durchaus zu einem abweichenden Pflichteninhalt.73 Tatsächlich ist eine analoge Anwendung des § 60 (und ebenso des § 61; vgl. § 61 Rn 3 ff) 16 auf nicht-kaufmännische Arbeitnehmer vorzugswürdig. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG müsste die Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB die Vorgaben des § 60 kongruent abbilden, da in Fragen des Wettbewerbsverbots kein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen besteht.74 Dann kann allerdings auch – nicht zuletzt aus Gründen der Rechtsklarheit75 – auf § 60 selbst abgestellt werden.76 Zudem erscheint es angesichts des Umstands, dass bei § 61 eine Geltungserstreckung auf sonstige Arbeitnehmer im Wege einer Analogie konstruktiv alternativlos ist (vgl. § 61 Rn 3 ff), methodisch konsequenter, im Rahmen des § 60, an den § 61 anknüpft, denselben methodischen Weg zu beschreiten. Der 2003 in Kraft getretene § 110 GewO, der lediglich das nachvertragliche Wettbewerbsverbot regelt und dessen Satz 2 eine entsprechende Anwendung allein der §§ 74 ff bestimmt, kann zwar nicht als Argument für die Analogielösung bei §§ 60 f herangezogen werden;77 ebensowenig ist aber ein Umkehrschluss möglich.78 Mit § 110 GewO wollte der Gesetzgeber die zum damaligen Zeitpunkt gefestigte BAG-Rechtsprechung zur analogen Anwendung der §§ 74 ff auf sonstige Arbeitnehmer79 kodifizieren;80 Aussagen zur Analogiefähigkeit der §§ 60 ff wollte er offenkundig nicht treffen, da eine gefestigte BAG-Rechtsprechung insofern schlicht nicht existierte (vgl. Rn 15). 17 Die analoge Anwendbarkeit des § 60 auf nicht-kaufmännische Arbeitnehmer erfasst konsequenterweise auch Arbeitnehmer der freien Berufe81 wie Rechtsanwälte,82 Steuerberater83 oder
71 Beer S. 274 ff. 72 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 1; zurückhaltender BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 5.
73 So insb. – auf Basis einer ergänzenden Vertragsauslegung – Beer S. 298 ff; vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6; Röhsler/Borrmann S. 62. 74 Vgl. speziell zu § 61 Abs. 2 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 19 ff) m. Anm. Diller; in diesem Sinne auch Diller Anm. zu BAG 24.3.2010 AP Art. 12 GG Nr. 141 Rn 15 (unter 2.); vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2 („Grenzen der Arbeitnehmergruppen nahezu ununterscheidbar verschmolzen“). 75 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 5.1; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkoswki Rn 7 („Konkretisierungsgewinn“). 76 Vgl. auch Wank JA 2007, 321 (323): analoge Anwendung „rechtsdogmatisch klarer“. 77 So aber BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 5.1; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7: die Analogielösung füge sich schlüssig in das Regelungssystem des § 110 Satz 2 GewO i.V.m. §§ 74 ff ein; ähnlich ErfK/Oetker22 Rn 2. 78 So aber Beer S. 257: § 110 Satz 2 GewO zeige, dass eine Erweiterung der §§ 60, 61 auf sonstige Arbeitnehmer gerade nicht gewollt ist. 79 St. Rspr. seit BAG 17.10.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626. 80 Vgl. RegE, BT-Drucks. 14/8796, S. 26. 81 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 17) m. Anm. Diller; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 5; ErfK/Oetker22 Rn 2; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 1. 82 BAG 23.5.1985 – 2 AZR 268/84, BeckRS 1985, 30713832 (unter III. 1. b); 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10 (unter III. 2.), hier allerdings wieder unter Rückgriff auf die allg. „Treuepflicht“ des Arbeitnehmers; LAG Berlin-Brandenburg 30.4.2010 – 10 Sa 2763/09, BeckRS 2010, 74476; LAG Hessen 17.5.2017 – 18 Sa 684/ 16, BeckRS 2017, 139137. 83 BAG 6.8.1987 – 2 AZR 226/87, AP § 626 BGB Nr. 97 (unter II. 1.), allerdings noch unter Rückgriff auf die allg. „Treuepflicht“ des Arbeitnehmers; implizit BAG 18.8.2005 AP § 336 BGB Nr. 1 Rn 10. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
Architekten.84 Auf lediglich dienstvertraglich verpflichtete, also selbständige Angehörige freier Berufe ist § 60 hingegen nicht anwendbar (vgl. Rn 20 f). Für diese können sich aber aus berufsrechtlichen Regelungen Wettbewerbsbeschränkungen ergeben.85 Für die Geltung des § 60 spielt der Umfang der Arbeitszeit keine Rolle. § 60 greift damit 18 ohne Einschränkungen auch bei Teilzeitarbeitnehmern86 sowie bei Arbeitnehmern, deren Arbeitszeit vorübergebend (kollektiv- oder individualvertraglich) verkürzt ist, etwa zum Zweck der Standortsicherung (wie z.B. im Fall von Kurzarbeit).87 Allerdings wird teilweise vertreten, dass der Arbeitnehmer in solchen Fällen nur in reduziertem Maße an das Wettbewerbsverbot gebunden sei bzw. einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Erteilung einer Einwilligung haben müsse; denn er habe dann ein besonderes – durch Art. 12 Abs. 1 GG geschütztes – Interesse an der Verwertung seiner ansonsten ungenutzten Arbeitskraft, um für ein ausreichendes Einkommen zu sorgen.88 Dem wird zu Recht entgegengehalten, dass die Schutzbedürftigkeit des Arbeitgebers (vgl. zum Normzweck Rn 4) unabhängig vom Arbeitszeitumfang seiner Arbeitnehmer besteht und sogar umso höher ist, je mehr Zeit dem Arbeitnehmer für Konkurrenztätigkeit zur Verfügung steht.89 Die stärkere Beeinträchtigung der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers wird mit anderen Worten durch ein erhöhtes Schutzbedürfnis des Arbeitgebers kompensiert. Zudem wird den grundrechtlich geschützten Arbeitnehmerinteressen ohnehin schon durch ein restriktives Normverständnis Rechnung getragen (zur teleologischen Reduktion der Alt. 1 Rn 45; zur möglichen Einschränkung bei untergeordneten Hilfstätigkeiten Rn 69); einer weiteren Einschränkung bedarf es nicht.90 Es ist daher interessengerecht, auch Teilzeitarbeitnehmer auf die Möglichkeit zu verweisen, Nebentätigkeiten außerhalb des Handelszweigs des Arbeitgebers nachzugehen (solange dies nicht aus anderen Gründen pflichtwidrig ist, vgl. Rn 5).91 Auch Leiharbeitnehmer unterliegen § 60 uneingeschränkt. Bei diesen stellt sich allein die 19 Frage, ob auf Unternehmensseite nur der Vertragsarbeitgeber oder auch der Entleiher geschützt ist (dazu Rn 52).
2. Sonstige Personengruppen Der persönliche Anwendungsbereich des § 60 muss allerdings auf den Kreis der abhängig Be- 20 schäftigten beschränkt bleiben.92 Eine weitergehende Analogie ist nicht geboten. Für Selbständige, die in einem freien Dienstverhältnis (§ 611 BGB) stehen, gelten die Rege- 21 lungen daher nicht. Auch auf arbeitnehmerähnliche Personen, die eine Untergruppe der Selbständigen bilden und zu denen sog. freie Mitarbeiter zählen können (§ 59 Rn 19 ff), ist § 60 nicht anwendbar.93 Die für sie typische wirtschaftliche Abhängigkeit und die dadurch bedingte besondere soziale Schutzbedürftigkeit begründet im Hinblick auf das Wettbewerbsverbot keine 84 BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel, allerdings ohne ausdrückliches Abstellen auf eine Analogie zu § 60. 85 Vgl. hierzu Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9 m.w.N. 86 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkoswki Rn 8; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 5; BeckOGKHGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 9; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 17; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 2. 87 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkoswki Rn 8; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 18. 88 Malzahn AuR 1985, 137 (149); ausf. Kempen/Kreuder AuR 1994, 214; zust. HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 11. 89 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkoswki Rn 8; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 9; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 2. 90 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 91 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 9; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 2. 92 Vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4. 93 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 11; Schubert Der Schutz arbeitnehmerähnlicher Personen, S. 351; anders hier noch 5. Aufl. 733
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vergleichbare Interessenlage. Allerdings kann die Konkurrenztätigkeit arbeitnehmerähnlicher Personen im Einzelfall durch eine (ausdrückliche oder konkludente) vertragliche Abrede oder nach § 241 Abs. 2 BGB94 untersagt sein. Bei den ebenfalls zur Gruppe der Selbständigen gehörenden Handelsvertretern (vgl. § 84 Abs. 1) wird ein Verbot von Konkurrenztätigkeiten aus der Interessenwahrungspflicht des § 86 Abs. 1 Hs. 2 abgeleitet.95 Für Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte ist § 60 nur anwendbar, wenn sie zugleich Arbeitnehmer sind; vielfach wird es hier aber (ausdrückliche oder konkludente) vertragliche Regelungen geben. 22 Organmitglieder juristischer Personen sind (jedenfalls in der Regel) keine Arbeitnehmer (§ 59 Rn 14), sodass im Hinblick auf ihr Anstellungsverhältnis § 60 auf sie nicht anwendbar ist. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen im Hinblick auf ihre Organstellung allerdings dem Wettbewerbsverbot des § 88 AktG. Für GmbH-Geschäftsführer gibt es zwar keine mit § 88 AktG vergleichbare Regelung. Jedoch sollen diese aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Sorgfalts- und Treuepflichten Wettbewerbsbeschränkungen unterliegen; diese sollen sich nicht nach den Maßstäben des § 60, sondern des § 88 AktG richten.96 Im Hinblick auf das Anstellungsverhältnis kann zudem auf § 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.97 Folgt man der Ansicht, wonach im Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers in Ausnahmefällen ein Arbeitsvertrag vorliegen kann (§ 59 Rn 14), ist in solchen Fällen konsequenterweise § 60 analog anzuwenden. 23 Gesellschafter einer OHG unterliegen dem Wettbewerbsverbot der §§ 112, 113. Die Regelungen gelten entsprechend für Komplementäre einer KG (§ 161 Abs. 2) – nicht aber für Kommanditisten (§ 165) – sowie für Gesellschafter einer PartG (§ 6 Abs. 3 Satz 2 PartGG). Gesellschafter einer GbR sollen im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ähnlichen Bindungen unterliegen.98 Für persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA gilt § 284 AktG. Für Gesellschafter einer GmbH fehlt eine ausdrückliche Regelung; hier wird aber auf deren gesellschaftsrechtliche Treuepflicht abgestellt.99 § 60 findet in all diesen Fällen keine – auch keine analoge – Anwendung. § 60 ist nur dort auf Nicht-Arbeitnehmer anwendbar, wo das Gesetz eine entsprechende An24 wendung anordnet. So werden über § 10 Abs. 2 BBiG Auszubildende100 und über § 26 i.V.m. § 10 Abs. 2 BBiG Volontäre101 vom Wettbewerbsverbot des § 60 erfasst (vgl. zu letzteren auch § 82a).
II. Zeitlicher Geltungsbereich 25 Im Gegensatz zu §§ 74 ff umfasst das gesetzliche Wettbewerbsverbot nur die Zeit des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers. Dabei bezieht die inzwischen wohl einhellige Meinung § 60 zu Recht grundsätzlich (zu Ausnahmen Rn 27, 34, 40) nicht auf die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung, sondern auf die Zeit des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses.102 94 Näher Schubert Der Schutz arbeitnehmerähnlicher Personen, 2004 S. 351 (allerdings gestützt auf eine „Treuepflicht“ aus § 242 BGB). 95 Ausf. MünchKommHGB/Ströbl5 § 86 Rn 33 ff. 96 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1027 f; Wirbelauer MDR 2018, 61. 97 Bauer/v. Medem GWR 2011, 435 (436); ErfK/Oetker22 Rn 2; Wirbelauer MDR 2018, 61 (64 ff). 98 Im Einzelnen str., s. zum Meinungsstand MünchKommHGB/Langhein4 § 112 Rn 4 m.w.N. 99 MünchKommGmbHG/Merkt4 § 13 Rn 224 ff m.w.N.; vgl. zur Geltung des § 60 in dem Ausnahmefall, dass ein Minderheitsgesellschafter zugleich Arbeitnehmer ist, OLG Stuttgart 21.3.2019 – 14 U 26/16, ZIP 2019, 1425. 100 BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 Rn 17 ff (hier allerdings noch – entsprechend den nichtkaufmännischen Arbeitnehmern – unter Bezugnahme auf die „Treuepflicht“); nur Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 9; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 191 ff; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 8; ErfK/Oetker22 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6: Abstellen auf § 241 Abs. 2 BGB. 101 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6, § 82a Rn 6: Abstellen auf § 241 Abs. 2 BGB. 102 St. Rspr. des BAG, s. nur BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 m. Anm. Canaris; aus neuerer Zeit BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Weber/Gräf
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1. Beginn der Normgeltung Das Verbot des § 60 greift demnach nicht schon mit Abschluss des Arbeitsvertrags, sondern erst 26 mit dem rechtlichen Beginn des Arbeitsverhältnisses zum vereinbarten Zeitpunkt. Ansonsten wäre es dem Arbeitnehmer unter Umständen auch nicht möglich, seine Pflichten aus dem vorhergehenden Arbeitsverhältnis zu erfüllen.103 Problematisch ist die Situation, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis vertragswidrig 27 nicht antritt. Nach wohl überwiegender Ansicht soll § 60 hier greifen, da auch insoweit allein auf den rechtlichen Bestand des Vertrags abzustellen sei.104 Der Schutzzweck des § 60 besteht aber nicht darin, die tatsächliche Arbeitserbringung des Arbeitnehmers sicherzustellen, sondern darin, Interessenkonflikte zu vermeiden; insoweit kommt es in dieser Situation ausnahmsweise doch auf den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses an. Dafür spricht auch, dass der Arbeitnehmer bei Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses im Betrieb keine besonderen Kenntnisse erwirbt, die er für eine Konkurrenztätigkeit verwerten könnte.105 § 60 ist daher bei Nichtantritt des Arbeitsverhältnisses teleologisch zu reduzieren und deshalb nicht anzuwenden.106 Ähnlich ist die Situation, wenn der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung verwei- 28 gert. Hier kann man auch auf den Rechtsmissbrauchsgedanken zurückgreifen: Der Arbeitgeber kann sich nach § 242 BGB nicht auf das Wettbewerbsverbot berufen.107
2. Ruhendes Arbeitsverhältnis Entsprechend dem Grundsatz, dass es auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an- 29 kommt, gilt das Wettbewerbsverbot auch für Zeiten, in denen das (in Vollzug gesetzte) Arbeitsverhältnis ruht bzw. in denen die Hauptleistungspflichten suspendiert sind.108 § 60 ist damit uneingeschränkt auch während des Urlaubs, der Krankheit, der Elternzeit (vgl. hier auch § 15 Abs. 4 BEEG), der einvernehmlichen Beurlaubung (zur einseitigen Freistellung Rn 33 f) oder der Suspendierung der Hauptpflichten während eines Arbeitskampfes anzuwenden.109
3. Ende der Normgeltung Der Arbeitnehmer kann sich dem Wettbewerbsverbot nicht dadurch entziehen, dass er vorzeitig 30 den Dienst beendet oder eine unberechtigte fristlose Kündigung ausspricht. Er ist solange geNr. 16 (Rn 53); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38) m. Anm. Diller; s. auch BGH 16.11.1954 – 1 ZR 180/ 53, AP § 60 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hueck; ebenso Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 69; Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 12; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 12; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; MünchArbR/ Reichold5 Bd. I § 54 Rn 16; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 5; Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1206; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 5. 103 So zutr. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12 mit dem Hinweis, dass i.d.R. ohnehin eine konkludente Einwilligung des neuen Arbeitgebers vorliege. 104 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12; Hopt/Roth41 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14; wohl auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 11. 105 So etwa auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; demgegenüber Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12: aus dem Wettbewerb erzielbare Vorteile spielten bei § 60 keine Rolle. 106 Ebenso Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 79 ff; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 16. 107 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 14; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15. 108 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 69 ff. 109 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 13; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 15; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; vgl. zum Erziehungsurlaub LAG Düsseldorf 2.7.1999 – 14 Sa 487/99, NZA-RR 2000, 232. 735
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§ 60
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bunden, bis der Vertrag rechtlich abgelaufen ist oder der Arbeitgeber ihn aus seinen Pflichten nach § 60 entlässt.110 31 Wird der Arbeitsvertrag wirksam angefochten oder erweist er sich aus sonstigen Gründen als nichtig, tritt an dessen Stelle – beim in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis – in der Regel ein sog. fehlerhaftes Arbeitsverhältnis (§ 59 Rn 27). Auf dieses finden die arbeitsrechtlichen Regelungen Anwendung,111 auch § 60.112 Hat der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen, kann er sich damit grundsätzlich nicht auf die Nichtigkeit des Arbeitsvertrags berufen; ex nunc – also etwa nach Zugang der Anfechtungserklärung – ist er freilich nicht mehr an § 60 gebunden. Ruheständler erfasst das Wettbewerbsverbot des § 60 nicht mehr, auch wenn sie ein Ruhe32 geld beziehen.113 Der Arbeitgeber ist gehalten, sich durch Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nach §§ 74 ff zu schützen. Ansonsten gelten die durch §§ 1 UWG, 823 und 826 BGB gesteckten Grenzen. Auch unter dem Gesichtspunkt nachwirkender Nebenpflichten ergibt sich kein generelles Wettbewerbsverbot (näher: Vor § 74 Rn 7).
4. Insbesondere: Normgeltung nach Kündigung 33 a) Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Das grundsätzliche Abstellen auf die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses ist gerade für Fälle bedeutsam, bei denen nach einer fristgemäßen Kündigung der Arbeitnehmer bis zum Fristablauf von seiner Arbeitspflicht suspendiert wird. Das Wettbewerbsverbot bleibt grundsätzlich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehen.114 Die einseitige Freistellung des Arbeitnehmers hebt das Wettbewerbsverbot i.d.R. nicht auf.115 Ein eventuell vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot beginnt ebenfalls erst im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses116 (vgl. dazu noch § 74 Rn 43, § 74a Rn 23 ff). Ausnahmsweise kann aber nach Ansicht des BAG das Wettbewerbsverbot bereits während 34 des Laufs der Kündigungsfrist außer Kraft treten: Ein solcher Fall sei gegeben, wenn der Arbeitnehmer unwiderruflich unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes freigestellt wird. Hier könne der Arbeitnehmer i.d.R. davon ausgehen, dass der Arbeitgeber nicht mehr am Wettbewerbsverbot festhält.117 Das BAG möchte die Erklärung des Arbeitgebers offenbar als Angebot zur Abbedingung des § 60 (vgl. Rn 12) auslegen. Anders sei es nur, wenn die Freistellungserklärung des Arbeitgebers dahingehend auszulegen ist, dass abweichend von § 615 Satz 2 BGB eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen soll; einen solchen abweichenden Willen müsse der Arbeitgeber aber in der Freistellungserklärung 110 BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68 AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 (Bl. 2 f) m. Anm. Canaris; 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 (Bl. 2) m. Anm. G. Schröder; LAG Frankfurt 29.7.1969 BB 1970, 709; LAG Düsseldorf 28.8.1962 BB 1963, 191; Hopt/Roth41 Rn 5. 111 Statt vieler MünchArbR/Benecke5 § 38 Rn 49 m.w.N. 112 Allg. Ansicht, s. statt vieler Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 11; Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 13; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 7; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 19. 113 BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld; 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46 m. Anm. Beitzke; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 16; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 7; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 8. 114 BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 m. Anm. Canaris; 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 (Bl. 2) m. Anm. G. Schröder; 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 15); aus der Lit. etwa GK/Etzel HGB8 Rn 13. 115 BAG 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 m. Anm. G. Schröder; 20.3.1984 – 3 AZR 32/82, BeckRS 1984, 04451 (unter I 2 b); 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 16). 116 BAG 16.1.1970 AP § 74a HGB Nr. 4 m. Anm. P. Hofmann; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote Rn 689. 117 BAG 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, AP § 615 BGB Nr. 118 (Rn 22 f) m. Anm. Bayreuther; bestätigt in BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 16); zust. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 21. Weber/Gräf
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zum Ausdruck bringen.118 Die regelmäßige Annahme eines Abbedingungsangebots bei einem vom Arbeitgeber erklärten Anrechnungsvorbehalt kann nicht überzeugen; denn die Anrechnung eines etwaigen Zwischenverdienstes folgt dann bereits aus dem Gesetz (§ 615 Satz 2 BGB).119 Für einen Abbedingungswillen des Arbeitgebers (oder eine konkludente Einwilligung) bedarf es vielmehr darüber hinausgehender Anhaltspunkte.120 Das vom BAG gefundene Ergebnis – ein regelmäßiges Entfallen des Wettbewerbsverbots nach unwiderruflicher Freistellung durch den Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – wird im Schrifttum allerdings teilweise mit anderer Begründung gerechtfertigt, nämlich damit, dass der Arbeitgeber dann nicht mehr schutzwürdig sei.121 Dies überzeugt, allerdings nur bzw. erst dann, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer nicht mehr zu seinem Arbeitgeber zurückkehren wird (z.B. weil er die Kündigung akzeptiert hat). Denn nur dann ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks des § 60, der auf eine Vermeidung von Interessenkonflikten gerichtet ist (Rn 4), eine Ausnahme vom Grundsatz, dass es für die Geltung des § 60 auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt (Rn 25), gerechtfertigt. Allerdings gilt auch in solchen Fällen das Wettbewerbsverbot während der Freistellungsphase weiter, wenn die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart haben.122
b) Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. nach Zugang einer fristlosen Kündi- 35 gung. Davon zu unterscheiden ist der Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. – im Falle der fristlosen Kündigung – ab deren Zugang. Unproblematisch ist hier die Situation, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung hinnimmt: 36 Das Wettbewerbsverbot entfällt.123 Allerdings kann der Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG zum Schadensersatz für einen hypothetischen Anspruch des Arbeitgebers aus § 61 Abs. 1 verpflichtet sein (Rn 42). Umstritten ist Rechtslage hingegen, wenn der Arbeitnehmer die Wirksamkeit der Kündi- 37 gung bestreitet. Nach der Rechtsprechung bleibt der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot gebunden – er muss sich dann allerdings für seinen etwaigen Annahmeverzugslohnanspruch nicht etwa böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs (§ 615 Satz 2 BGB) vorhalten lassen.124 Dem ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass beide Seiten bis zur Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung im Ungewissen sind und sich in gewissem Sinn widersprüchlich verhalten können: der Arbeitgeber, indem er die Wirksamkeit der Kündigung und damit das Ende des Arbeitsverhältnisses behauptet und vom Arbeitnehmer trotzdem die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verlangt – der Arbeitnehmer, indem er die
118 BAG 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, AP § 615 BGB Nr. 118 (Rn 22 f) m. Anm. Bayreuther. 119 Bauer/Günther DStR 2008, 2422 (2424); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 16.1; Nägele NZA 2008, 1039; Schwarze RdA 2007, 301 (304); insoweit auch Bayreuther Anm. zu BAG 6.9.2006, AP § 615 BGB Nr. 118 (unter 3.). 120 Vgl. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 16.1; Schwarze RdA 2007, 301 (304). 121 Bayreuther Anm. zu BAG 6.9.2006, AP § 615 BGB Nr. 118 (unter 3.). 122 Zutr. Bayreuther Anm. zu BAG 6.9.2006, AP § 615 BGB Nr. 118 (unter 3.), auch zu Ausnahmen in Insolvenzfällen. 123 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 16. 124 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, AP § 626 BGB Nr. 104; 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 24); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 242 (Rn 29); LAG Köln 26.6.2006 – 3 (11) Sa 81/06, NZA-RR 2007, 73; zum Handelsvertreter BGH 12.3.2003 – VIII ZR 197/02, NJW-RR 2003, 981; ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 27; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 6; APS/Vossen6 § 626 Rn 324; aA Korinth ArbRB 2004, 29 (30); weiterhin Nägele NZA 2016, 271 (273 f): Künd. des Arbeitgebers als Einwilligung in die Wettbewerbstätigkeit zu werten; Oehlschläger S. 172 ff: Eine Berufung auf § 60 sei dem kündigenden Arbeitgeber nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB untersagt; zu den verschiedenen diff. Ansichten s. die folgenden Ausf. und Nachw. 737
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Unwirksamkeit der Kündigung und damit das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses behauptet und trotzdem die Zulässigkeit von Konkurrenztätigkeit für sich in Anspruch nimmt.125 38 Die damit notwendige Interessenabwägung verlagert die Rechtsprechung in das Kündigungsrecht: Zwar können grundsätzlich entgegen einem fortbestehenden Wettbewerbsverbot vorgenommene Konkurrenzhandlungen einen wichtigen Grund für eine weitere außerordentliche Kündigung bilden (näher § 61 Rn 45 f).126 Die Zwangssituation des Arbeitnehmers, der für den Fall der Wirksamkeit der Kündigung eine anderweitige Sicherung seiner Existenzgrundlage im Auge haben muss, soll aber im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers Berücksichtigung finden.127 So soll es für die Unwirksamkeit der Zweitkündigung sprechen, wenn diese durch eine frühere – unwirksame – Kündigung ausgelöst worden ist (dann fehle es regelmäßig an der negativen Verhaltensprognose128), wenn die Wettbewerbstätigkeit nur als Übergangslösung für die Zeit des Schwebezustands während des Kündigungsschutzprozesses angelegt war oder wenn es bei einer abstrakten Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers geblieben ist und diesem kein konkreter Schaden zugefügt wurde129 (vgl. auch § 61 Rn 45 f). 39 Auf diese Weise würde allerdings nur für die Fallkonstellation ein zufriedenstellendes Ergebnis gefunden, in der sich im Prozess die erste Kündigung als unwirksam herausstellt: Im Einklang mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bleibt es bei der Bindung des Arbeitnehmers an das Wettbewerbsverbot. Für den Fall der Verletzung des Wettbewerbsverbots bietet das Kündigungsrecht hinreichend Spielraum für die Berücksichtigung der Sondersituation des schwebenden Kündigungsschutzverfahrens. Stellt das Arbeitsgericht hingegen die Wirksamkeit der Kündigung fest, führt das unbedingte Festhalten am Wettbewerbsverbot zu einer einseitigen Risikozuweisung zu Lasten des Arbeitnehmers130: Dieser kann für die Zeit des Kündigungsschutzprozesses keine Vergütung aus Annahmeverzug verlangen, war aber infolge des fortbestehenden Wettbewerbsverbots zugleich daran gehindert, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen. Für solche Fälle sieht das Gesetz an sich in §§ 74 ff eine Karenzentschädigung vor. 40 Deshalb erscheint es interessengerechter, wie folgt zu differenzieren: Hält sich der Arbeitnehmer während des Kündigungsschutzprozesses an das Wettbewerbsverbot, muss er das Risiko in Kauf nehmen, dass später das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Erstkündigung ausspricht und er sich letztlich umsonst einer Konkurrenztätigkeit enthalten hatte. Eröffnet sich dem Arbeitnehmer aber im Laufe des Prozesses die Möglichkeit zu einer Wettbewerbstätigkeit, so kann er den Arbeitgeber um Einwilligung bitten.131 Diese kann der Arbeitgeber dann nur verweigern, wenn er dem Arbeitnehmer entweder eine Prozessbeschäftigung oder aber eine Karenzentschädigung nach Maßgabe des § 74 Abs. 2 anbietet, die für den Fall der Unwirksam125 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, AP § 626 BGB Nr. 104 (unter B III 3 a aa); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 31). 126 Vgl. zu weiteren Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers aus praktischer Sicht Salamon/Fuhlrott BB 2011, 1018 (1019 ff); s. dazu auch § 61 Rn 1, 38 ff. 127 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, AP § 626 BGB Nr. 104 (unter B III 3 b); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 242 (Rn 30 ff); LAG Köln 26.6.2006 – 3 (11) Sa 81/06, NZA-RR 2007, 73; ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 27; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; vgl. dazu auch Diller ZIP 2007, 201 (204 ff) (bezogen auf den GmbHGeschäftsführer). 128 BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 242 (Rn 32); vgl. auch BGH 28.4.1960 – VII ZR 218/59, BeckRS 1960, 31186258 (unter 6) zu einem Handelsvertreter. 129 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, AP § 626 BGB Nr. 104 (unter B III 3 b bb); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 242 (Rn 32); ebenso etwa KR/Fischermeier/Krumbiegel13 § 626 BGB Rn 481; aA für Organmitglieder Diller, ZIP 2007, 201 (207); auf andere Kriterien abstellend Leuchten NZA 2011, 391 (393 f): Wertungen des § 74a maßgeblich. 130 Vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20: bloße Verlagerung des Prognoserisikos des Arbeitnehmers hinsichtlich der Erstkündigung auf die Frage nach der Rechtfertigung der Zweitkündigung. 131 So im Ausgangspunkt auch KR/Fischermeier/Krumbiegel13 § 626 BGB Rn 481; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 27; ebenso Fischer, NJW 2009, 331 (333 f), der empfiehlt, die Bitte mit einer angemessenen Äußerungsfrist zu verbinden, die eine Woche betragen solle. Weber/Gräf
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keit der Erstkündigung mit der dann geschuldeten Vergütung aus Annahmeverzug zu verrechnen ist.132 Verweigert der Arbeitgeber die Erteilung der erbetenen Einwilligung und zugleich das besagte Angebot (entweder einer Prozessbeschäftigung oder einer Karenzentschädigung) und stellt sich die Erstkündigung als unwirksam heraus, kann sich der Arbeitgeber nach § 242 BGB nicht auf das – aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses an sich bestehende – Wettbewerbsverbot berufen.133 Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber auf die Bitte des Arbeitnehmers um Erteilung der Einwilligung hin schweigt.134 Nimmt der Arbeitnehmer hingegen die Konkurrenztätigkeit auf, ohne den Arbeitgeber um eine Einwilligung ersucht zu haben, und erweist sich die ursprüngliche Kündigung als unwirksam, kann der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 626 BGB kündigen oder die Ansprüche aus § 61 Abs. 1 geltend machen. Unproblematisch ist die Situation, sobald der Arbeitnehmer (nach Ablauf der Kündigungs- 41 frist) aufgrund eines erfolgreich geltend gemachten betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach § 105 Abs. 5 BetrVG oder aufgrund des vom BAG befürworteten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs135 weiterbeschäftigt wird. Hier bleibt der Arbeitnehmer grundsätzlich an § 60 gebunden, und zwar auch dann, wenn sich die Kündigung letztinstanzlich als wirksam herausstellt. Grundlage für die Anwendung des § 60 bildet hier das Weiterbeschäftigungsverhältnis.136 Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung im Fall des § 102 Abs. 5 BetrVG um das ursprüngliche Arbeitsverhältnis, das kraft Gesetzes bis zur rechtskräftigen Abweisung der Kündigungsschutzklage fortbesteht.137 Im Fall des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs soll die Beschäftigung zwar nicht auf einem Arbeitsverhältnis basieren;138 das Fortbestehen von Nebenpflichten wie derjenigen aus § 60 ist aber auch hier unbestritten.139
c) Schadensersatz für hypothetischen Anspruch aus § 61 Abs. 1. Spricht der Arbeitgeber 42 eine fristlose Kündigung berechtigt aus und wird diese vom Arbeitnehmer akzeptiert, so endet mit dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses auch das Wettbewerbsverbot. In diesem Fall kann aber der Arbeitgeber nach Auffassung des BAG im Rahmen des § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz dafür verlangen, dass er keine Rechte aus dem Wettbewerbsverbot geltend machen kann, die ihm sonst nach § 61 Abs. 1 wenigstens für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist 132 Zu weitgehend LAG Köln 4.7.1995 – 9 Sa 484/95, LAGE § 60 HGB Nr. 4; KR/Fischermeier/Krumbiegel13 § 626 BGB Rn 481; Hoß DB 1997, 1818; ders. ArbRB 2002, 87 (89), die stets ein Karenzentschädigungsangebot des Arbeitgebers verlangen. Nur auf ein Weiterbeschäftigungsangebot abstellend: Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 21; so auch noch MünchKommBGB/Henssler4 § 626 Rn 124 (anders aber seit 5. Aufl.). 133 AA inzwischen ausdr. BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 23): Das Wettbewerbsverbot gelte bei unwirksamer Erstkündigung unabhängig vom Angebot einer Karenzentschädigung oder einer vorläufigen Weiterbeschäftigung; bestätigt durch BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 242 (Rn 29); allerdings hat das BAG in diesem Zusammenhang ausdrücklich offen gelassen, ob das Wettbewerbsverbot „im gekündigten Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht gleich weit reicht wie in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ (BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 [Rn 24]). AA auch Fischer, NJW 2009, 331 (334): Bei Verweigerung der Einwilligung des Arbeitgebers sei der Arbeitnehmer stets an das Wettbewerbsverbot gebunden; s. auch Oetker/KotzianMarggraf7 Rn 6; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 6; APS/Vossen6 § 626 Rn 324. 134 So i.E. auch KR/Fischermeier/Krumbiegel13 § 626 BGB Rn 481, die das Schweigen des Arbeitgebers allerdings – vor dem Hintergrund der zuvor erklärten Kündigung – als stillschweigende Erteilung der Einwilligung in die Wettbewerbstätigkeit deuten; ähnlich Fischer, NJW 2009, 331 (334). 135 Hierzu grundlegend BAG GS 27.2.1985 – GS 1/84, AP § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 14; 2.4.1987 – 2 AZR 418/86, AP § 626 BGB Nr. 96. 136 Vgl. auch ErfK/Oetker22 Rn 3; Pallasch RdA 2021, 306 (311); NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 7; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 22. 137 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, AP § 611 BGB Weiterbeschäftigung Nr. 18 (Rn 39) m.w.N. 138 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 247/19, AP § 611 BGB Weiterbeschäftigung Nr. 18 (Rn 25 ff). 139 S. nur Pallasch RdA 2021, 306 (311). 739
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zugestanden hätten. Der Arbeitnehmer soll nach dieser Rechtsprechung Vermögenseinbußen des Arbeitgebers aus Wettbewerbshandlungen während dieser Zeit ersetzen.140 Mittelbar führt dies zu einem Wettbewerbsverbot über den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses hinaus. Das BAG berücksichtigt dies immerhin insoweit, als es eine Schadensersatzpflicht bei Konkurrenztätigkeiten verneint, die auch einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nicht hätten unterworfen werden können, etwa nach § 74a Abs. 1. Der Arbeitnehmer dürfe nicht schlechter gestellt werden als bei einer entsprechenden Vereinbarung.141 Konsequenter ist die Gegenansicht, die eine Schadensersatzpflicht aus § 628 Abs. 2 BGB generell ablehnt.142 Andernfalls wäre der Arbeitnehmer entgegen der Grundkonzeption des Gesetzes letztlich einem entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterworfen. Das BAG selbst hat aber ausdrücklich für den Fall einer fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot für unvereinbar mit der Verfassung gehalten und deshalb die Regelung des § 75 Abs. 3 für nichtig erklärt (§ 75 Rn 18 f).143
C. Inhalt des Wettbewerbsverbots 43 § 60 Abs. 1 enthält zwei Alternativen, die das verbotene Verhalten des Arbeitnehmers bestimmen: Dieser darf ohne Einwilligung des Arbeitgebers (Rn 73 ff) zum einen kein Handelsgewerbe betreiben (Alt. 1) und zum anderen im Handelszweig des Arbeitgebers keine Geschäfte auf eigene oder fremde Rechnung machen (Alt. 2).
I. Betreiben eines Handelsgewerbes im Handelszweig (Abs. 1 Alt. 1) 44 Nach Alt. 1 ist dem Handlungsgehilfen das Betreiben eines Handelsgewerbes untersagt. Dieser Wortlaut ist einerseits zu eng, weil mit dem Begriff des „Handelsgewerbes“ an sich nur solche Unternehmen in Bezug genommen werden, welche die Voraussetzungen der §§ 1 ff erfüllen (Rn 54 f), andererseits im Hinblick auf das Fehlen des Merkmals „in dem Handelszweige des Prinzipals“ (Rn 45) und eines ausdrücklichen Gefährdungserfordernisses (Rn 63) zu weit.
1. Handelszweig des Arbeitgebers 45 a) Teleologische Reduktion der Alt. 1. Nach dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 Alt. 1 kommt es für das Betreiben eines Handelsgewerbes im Gegensatz zur zweiten Alternative nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Handelszweig des Arbeitgebers tätig wird. Die Rechtsprechung und die ganz überwiegende Literatur reduzieren den Anwendungsbereich der Norm aber zu Recht auf Handelsgewerbe, die dem Arbeitgeber schädlich werden können. Dies ist nur im Handelszweig des Arbeitgebers der Fall. Diese am Schutzzweck des § 60 orientierte teleologische Reduktion ist verfassungsrechtlich geboten, da ein gesetzliches Verbot jeglicher Handelsgewerbe mit dem 140 BAG 9.5.1975 – 3 AZR 352/74, AP § 628 BGB Nr. 8 (Bl. 3) m. Anm. Lieb; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 152 ff; DLWBH/Dörner16 Kap. 3 Rn 543; GK/Etzel HGB8 Rn 14; Hadding Anm. zu BAG SAE 1976, 219; Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 16; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 282; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 63; Schaub/ Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 6. 141 BAG 9.5.1975 – 3 AZR 352/74, AP § 628 BGB Nr. 8 (Bl. 3) m. Anm. Lieb. 142 Beitzke Anm. zu BAG 23.2.1977 AP § 75 HGB Nr. 6; Glöckner S. 36 ff; Lieb Anm. zu BAG 9.5.1975 AP § 628 BGB Nr. 8; krit. im Hinblick auf eine aus § 628 Abs. 2 BGB folgende Unterlassungspflicht Röhsler/Borrmann S. 44 ff. 143 BAG 26.10.1973 – 3 AZR 118/73, AP § 75 HGB Nr. 5 (Bl. 4 ff) m. Anm. Beitzke; 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 m. Anm. Beitzke. Weber/Gräf
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Schutz der Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers aus Art. 12 Abs. 1 GG (Rn 7) unvereinbar wäre.144 Gleichzeitig wird auf diese Weise eine Harmonisierung mit dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot (§ 74a Abs. 1) und mit dem Wettbewerbsverbot bei der Personengesellschaft (§ 112) erreicht, das den heutigen §§ 60, 61 als Vorbild gedient hat.145 Der Begriff des „Handelszweigs“ ist in beiden Alternativen auch grundsätzlich gleich auszu- 46 legen (Rn 47 ff, 65). Zu gewissen Unterschieden kann es aber bei Veränderungen des Handelszweigs durch den Arbeitgeber und in Betriebsübergangsfällen im Hinblick auf die dann geltenden Vertrauensschutzgrundsätze kommen (Rn 50 f, 66 f).
b) Begriff des Handelszweigs. Der im Normwortlaut verwendete Begriff des „Handelszweigs“ 47 hat lediglich Arbeitgeber im Blick, die ein Handelsgewerbe betreiben (§ 59 Rn 32 ff). Da § 60 aber auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar ist (Rn 15 f), muss für sonstige Arbeitgeber auch der Begriff des Handelszweigs entsprechend angewendet werden. Das BAG tut dies, indem es auf den „Marktbereich“ abstellt.146 Ob die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers dem Handelszweig bzw. Marktbereich des Arbeitgebers zuzuordnen ist, bestimmt sich danach, ob der Kundenkreis147 bzw. das Marktsegment148 des Arbeitgebers betroffen ist. Das BAG bejaht dies etwa, wenn gleiche oder gleichartige Produkte vertrieben werden. Dass es sich um ein unterschiedliches Preissegment handelt, soll eine Konkurrenztätigkeit nicht ausschließen; es genüge, wenn verschiedene Produkte am Markt ersetzbar sind.149 Handelt es sich hingegen um unterschiedliche Produktpaletten mit unterschiedlicher Zielrichtung, greift das Verbot nicht.150 Diese Ausführungen zeigen, dass die Feststellung sich überschneidender Marktsegmente im Einzelfall nicht immer einfach ist, sondern in Grenzfällen einer wertenden Betrachtung unter Berücksichtigung des Normzwecks (Rn 4 ff) und der widerstreitenden Grundrechtspositionen (Rn 7) bedarf.151 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurde etwa die Vergleichbarkeit der Tätigkeit in einem Gymnasium und derjenigen in einer Berufsschule verneint.152 Keine Konkurrenztätigkeit liegt vor, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer lediglich als Anbieter und Nachfrager gegenüberstehen (Rn 63). In welchem Marktbereich Arbeitgeber und Arbeitnehmer tätig sind, ist nach zutreffender 48 Ansicht des BAG allein anhand des tatsächlichen Geschäftsgebarens zu beurteilen. Es 144 Grundlegend BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 (Bl. 2R ff); 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (Bl. 2R); zuletzt etwa BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 54) m. Anm. Diller; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 22; GK/Etzel HGB8 Rn 2; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21; ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 4; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 6; Hopt/ Roth41 Rn 2; K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 a aa (Rn 18); Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 10; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 5; vgl. auch BVerfG 15.2.1967 BVerfGE 21, 173 (179) = NJW 1967, 1317; aA früher Schlegelberger/Schröder Rn 5; Staub/Würdinger Rn 2; neuerdings auch Beer S. 398 ff, der die methodischen Grenzen der Rechtsfortbildung als überschritten ansieht. 145 BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 (Bl. 2R ff); s. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21 mit Hinweis auf die entgegengesetzte Auslegung des § 88 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AktG. 146 BAG 21.11.1996 – 2 AZR 852/95, BeckRS 1996, 30367835 (unter II 1 a); 26.1.1995 – 2 AZR 355/94, BeckRS 2010, 69718 (Rn 19 f); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 15); vgl. auch schon BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (unter II 1) = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel. 147 Vgl. BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (unter II 1) = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel; 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 16). 148 Vgl. BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (unter II 1) = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel; 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 26); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 16). 149 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 58 f) m. Anm. Diller in Bezug auf Produkte „erster, zweiter und dritter Wahl“; s. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 241. 150 LAG Rheinland-Pfalz 2.6.2016 – 2 Sa 507/15, BeckRS 2016, 72973 (Rn 25): Verkauf von Markenkleidung und Verkauf von Kochschürzen in einem Haushaltswaren-Shop. 151 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 11. 152 LAG Mecklenburg-Vorpommern 19.4.2017 – 3 SaGa 7/16, BeckRS 2017, 109059. 741
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kommt also allein darauf an, welche Geschäfte tatsächlich betrieben werden, nicht darauf, welche abstrakt möglich wären.153 Unerheblich ist hingegen, ob der Arbeitnehmer mit seiner geschäftlichen Tätigkeit Erfolg hatte (vgl. auch Rn 70). Da § 60 bereits vor einer bloßen Gefährdung der Geschäftsinteressen des Arbeitgebers schützt (Rn 4), sind allein Art und Zielrichtung der Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgeblich.154 Daher kommt es auch nicht darauf an, ob der Geschäftspartner des Arbeitnehmers das Geschäft – hätte der Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit unterlassen – stattdessen mit dem Arbeitgeber abgeschlossen hätte155 (vgl. allerdings zum Schadensersatz § 61 Rn 13). Nach Ansicht des BAG soll das Verbot von Konkurrenzgeschäften im Marktbereich des Arbeitgebers sogar dann gelten, wenn von vornherein sicher ist, dass der Arbeitgeber den vom Arbeitnehmer betreuten Sektor oder die von ihm betreuten Kunden nicht erreichen wird.156 Der Arbeitgeber kann auch in mehreren Handelszweigen bzw. Marktsegmenten tätig sein. 49 Dann bezieht sich das Wettbewerbsverbot auf sämtliche Marktsegmente; die Überschneidung in einem Marktsegment genügt für einen Verstoß.157 Es muss sich dabei auch nicht gerade um dasjenige Marktsegment des Arbeitgebers handeln, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird. In Unternehmen mit mehreren Betrieben kommt es für das Verbot dementsprechend auch nicht darauf an, ob zu dem fraglichen Marktsegment gerade derjenige Betrieb gehört, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist. Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 ist also unternehmensbezogen.158 Bei großen Unternehmen mit vielen Geschäftszweigen wird man zwar im Hinblick auf den Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG dann eine Ausnahme machen müssen, wenn das fragliche Marktsegment nur einen extrem kleinen Teil des Unternehmens ausmacht.159 Solche Fälle dürften in der Praxis aber selten sein, da unterschiedliche Handelszweige häufig in verschiedene konzernangehörige Unternehmen ausgliedert sind (zur grundsätzlich zu verneinenden Konzerndimensionalität des § 60 Abs. 1 noch Rn 52 f).
50 c) Veränderungen des Handelszweigs des Arbeitgebers und Betriebsübergang. Nach dem zuvor (Rn 49) Gesagten kann es sehr leicht, nämlich schon durch Änderungen des Marktbereichs in einzelnen Unternehmensteilen, zu einer Veränderung des Bezugspunkts des Wettbewerbsverbots kommen. Problematisch ist die Situation, wenn ein zunächst zulässiges Handelsgewerbe des Arbeitnehmers unversehens in Konkurrenz zu dem seines Arbeitgebers gerät, weil letzterer seinen Geschäftsbereich ausdehnt. Hier passt die Regelung des § 60 nicht mehr uneingeschränkt. Sie ist für die Zeit des laufenden Anstellungsverhältnisses auf die bloße Nichtaufnahme eines konkurrierenden Gewerbes hin konzipiert und stellt den Arbeitnehmer, der vor Abschluss eines Anstellungsvertrags ein Handelsgewerbe betreibt, vor die Alternative, entweder auf den Arbeitsplatz oder das Gewerbe zu verzichten, wenn er nicht die Einwilligung des Arbeitgebers erreicht oder die Fiktion des § 60 Abs. 2 greift. Ändert sich der Geschäftsbereich des Arbeitgebers aber während des Anstellungsvertrags, so würde der Arbeitnehmer zu einer Einstellung des zunächst zulässigen Handelsgewerbes gezwungen, sodass der Bestandsschutz seines Arbeitsplatzes und seine Berufsfreiheit sowie darüber hinaus der Bestandsschutz seines
153 BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (Bl. 2R); LAG Niedersachsen 17.11.2015 – 11 Sa 389/15, BeckRS 2016, 66158 (Rn 35). 154 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (unter I b bb) m. Anm. Herschel. 155 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (unter I b bb) m. Anm. Herschel. 156 BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel; 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 16); LAG Niedersachsen 17.11.2015 – 11 Sa 389/15, BeckRS 2016, 66158 (Rn 35). 157 LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109 (unter II 2 c [c] [aa]). 158 Fuhlrott/Fabritius BB 2013, 1592 (1597). 159 Eine solche Einschränkung erwog das LAG Niedersachsen (17.11.2015 – 11 Sa 389/15, BeckRS 2016, 66158 [Rn 34]), da der fragliche Handelszweig weniger als 1 % des Gesamtumsatzes ausmachte; es bejaht i.E. aber ein Wettbewerbsverbot, da dieser Teil des Umsatzes ca. 1 Mio. Euro betrug; vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
Handelsgewerbes unmittelbar mit den Interessen des Arbeitgebers auf freie Geschäftspolitik konkurrieren, beiderseits also Grundrechte (Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, vgl. bereits Rn 7) betroffen sind.160 Hier muss der Arbeitgeber, der seinen Geschäftsbereich auf den des Arbeitnehmers ausdehnen will, die Konkurrenz hinnehmen, wenn nicht vertragliche Ausgleichsregeln getroffen werden können.161 § 60 ist also restriktiv auszulegen, sodass in diesem Falle nur die Aufnahme eines neuen Gewerbes verhindert, nicht aber die Einstellung eines schon bestehenden verlangt werden kann.162 Im Falle eines Betriebs(teil)übergangs sind unterschiedliche Fälle denkbar163: Wird ledig- 51 lich der ursprüngliche Betrieb oder Betriebsteil von einem neuen Betriebsinhaber fortgeführt, ohne dass sich andere Betriebe oder Betriebsteile des Erwerbers auf zusätzliche Marktsegmente erstrecken, dann schützt das Wettbewerbsverbot nunmehr den neuen Arbeitgeber im bisherigen Umfang.164 Allerdings ist der Erwerber an eine vom Veräußerer erteilte Einwilligung gebunden.165 Wird der Betrieb(steil) von einem Betriebsinhaber übernommen, der noch in weiteren Handelszweigen aktiv ist, kann dies dazu führen, dass ein im Verhältnis zum früheren Arbeitgeber noch zulässiges Handelsgewerbe nunmehr in Konkurrenz zur Geschäftstätigkeit des neuen Arbeitgebers gerät. Zwar ergibt sich aus § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, dass mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses nun auch Schutzpflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem neuen Arbeitgeber bestehen und dieser vom Wettbewerbsverbot des § 60 profitiert. Andererseits dient § 613a BGB gerade auch der Sicherung der bisherigen Arbeitsbedingungen (Inhaltsschutz). Der Arbeitnehmer genießt deshalb in Hinblick auf ein bisher zulässiges Handelsgewerbe auch im Verhältnis zum Betriebserwerber Bestandsschutz.166 Ist umgekehrt der Marktbereich beim Betriebserwerber im Verhältnis zu demjenigen des Betriebsveräußerers eingeschränkt (z.B. weil ein bestimmtes Marktsegment nur von einem Betriebsteil betreut wird, der beim Veräußerer verbleibt), verringert sich dadurch auch der Umfang des Wettbewerbsverbots nach § 60 Abs. 1.167 Widerspricht der Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB, so bleiben sein Arbeitsverhältnis beim bisherigen Arbeitgeber und demensprechend auch das ursprüngliche Wettbewerbsverbot bestehen. Das gilt – jedenfalls während des Laufs einer fiktiven Kündigungsfrist – selbst dann, wenn der bisherige Arbeitgeber in dem betreffenden Geschäftsbereich selbst überhaupt nicht mehr tätig ist, aber dem Erwerber versprochen hat, für einen gewissen Zeitraum nach dem Betriebsübergang Konkurrenz zu unterlassen.168 160 Vgl. Gaul BB 1984, 346 (348); Glöckner S. 45. 161 Zu Erweiterungsklauseln Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 18, 22. 162 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 23; Glöckner S. 44 ff; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 14 („Recht des ersten Zugriffs“); aA Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 44 (der als ultima ratio eine personen- oder betriebsbedingte Kündigung in Betracht zieht); Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 272; einschränkend auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 45 (Bestandsschutz nur, wenn Erweiterung der Geschäftstätigkeit außerhalb der vorhersehbaren Entwicklung liegt); ebenso Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29; anders einschränkend MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 29: nur befristeter Bestandsschutz; ähnlich Fuhlrott/Fabritius BB 2013, 1592 (1597, Fn 68): Dem Arbeitnehmer sei eine angemessene Übergangsfrist für eine Kündigung zuzugestehen. 163 Dazu ausf. Bossmann Die Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Wettbewerbsverbote, 1993. 164 Ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 57; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 53; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 14. 165 NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 53. 166 ErfK/Oetker22 Rn 7; enger Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29: Bestandsschutz nur, wenn der Betriebsübergang nicht vorhersehbar war; ähnlich MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 54: Schutz des Arbeitnehmers nur dann, „wenn er begründetes Vertrauen in den Fortbestand seines Gewerbes entwickeln durfte“ (was bei einer vom Arbeitgeber erteilten Einwilligung in die Konkurrenztätigkeit zu bejahen sein soll, nicht aber bei einer allgemeinen Nebentätigkeitsgenehmigung); aA (einen Bestandsschutz ablehnend) LAG Nürnberg 4.2.2003 LAGE § 626 HGB Nr. 148; Gaul NZA 1989, 697 (698). 167 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 54. 168 LAG Nürnberg 4.2.2003 LAGE § 626 HGB Nr. 148; zust. MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 56; aA Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 14. 743
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§ 60
1. Buch. Handelsstand
52 d) Leiharbeit und Konzern. Arbeitgeber (Prinzipal) i.S.d. § 60 ist der Vertragsarbeitgeber. Erwägenswert ist aber auch eine Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich des Wettbewerbsverbots, etwa des Entleihers in den Fällen der Arbeitnehmerüberlassung. Die Frage wird häufig bei konzerninterner Arbeitnehmerüberlassung relevant. Da das Wettbewerbsverbot des § 60 als Ausfluss der Schutzpflichten des Arbeitnehmers zu verstehen ist (Rn 2), diese aber nach der Lehre vom einheitlichen Schutzpflichtverhältnis auch außerhalb vertraglicher Beziehungen bestehen können,169 ist eine Erstreckung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots auf den Geschäftsbereich des Entleihers im Grundsatz sachgerecht.170 Eine praktisch bedeutsame Grenze besteht freilich dort, wo eine bisher nicht vom Wettbewerbsverbot betroffene Tätigkeit erst durch die Entsendung in das neue Unternehmen diesem gegenüber zur Konkurrenz wird. Hier muss nach den in Rn 50 dargelegten Grundsätzen der Entleiher die Konkurrenztätigkeit hinnehmen, sofern nicht besondere vertragliche Abmachungen existieren.171 53 Außerhalb der Fälle der Arbeitnehmerüberlassung und gegebenenfalls einzelvertraglicher Vereinbarungen172 ist eine konzerndimensionale Interpretation des Wettbewerbsverbots nicht gerechtfertigt.173 Sie wäre auch mit der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nicht vereinbar.
2. Betreiben eines Handelsgewerbes 54 a) Begriff des Handelsgewerbes. Nach § 60 Abs. 1 Alt. 1 ist dem Handlungsgehilfen das Betreiben eines „Handelsgewerbes“ untersagt. Damit sind die Bestimmungen der §§ 1 ff in Bezug genommen. Dem Wortlaut nach kommt § 60 Abs. 1 Alt. 1 demnach zur Anwendung, wenn der Arbeitnehmer einen Gewerbebetrieb betreibt, der kein Kleingewerbe ist (§ 1 Abs. 2), wenn ein kleingewerbliches Unternehmen nach § 2 bzw. ein größeres land- oder forstwirtschaftliches Unternehmen nach § 3 Abs. 2 im Handelsregister eingetragen ist, sowie beim Kaufmann kraft Eintragung nach § 5. Letzteres ist auch damit zu begründen, dass schon die Tatsache, dass sich der Arbeitnehmer als Kaufmann ausgibt, das Unternehmen des Arbeitgebers nachteilig beeinflussen könnte. 55 Allerdings ist die Verweisung des § 60 auf den Begriff des Handelsgewerbes nach §§ 1 ff unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Wettbewerbsverbots zu eng. Da § 60 jeden Wettbewerb des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber und entsprechende Interessenkollisionen verhindern will, kann es nicht darauf ankommen, dass tatsächlich die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 gegeben sind oder dass eine Eintragung im Handelsregister nach § 2 erfolgt ist.174 Auch ein konkurrierendes Kleinunternehmen kann je nach Zuschnitt des Unternehmens des Arbeit169 Grundl. Canaris JZ 1965, 475; ferner Konzen ZfA 1982, 285 ff; Ch. Weber Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 1992 S. 346 ff. 170 I.E. auch BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (Bl. 2); LAG Berlin 9.2.1981 DB 1981, 1095; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; Buchner Anm. zu BAG AR-Blattei Wettbewerbsverbot Entsch. 136; Däubler FS Preis 2021, S. 164 (172); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10; aA Schaub/ Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 13; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 3; s. auch Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 128, die immer eine vertragliche Vereinbarung verlangt; noch weitergehend Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 174 f, der sogar außerhalb der Arbeitnehmermobilität im Konzern je nach Intensität der Konzernverflechtung eine Erweiterung des Wettbewerbsverbots annimmt; dagegen mit Recht Windbichler a.a.O. Fn 340; Glöckner S. 41. 171 Insofern zutr. Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 128. 172 Zu diesen Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 14 ff. 173 Vgl. auch BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a HGB Nr. 2 m. Anm. Duden; LAG Niedersachsen 17.11.2015 – 11 Sa 389/15, BeckRS 2016, 66158 (Rn 34); Bittner JR 2019, 50; HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 24; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 44; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 13. 174 Vgl. aber HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 14; Buchner AR-Blattei SD 1830.2, Rn 19; GK/Etzel HGB8 Rn 2; BeckOGKHGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 37; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 33; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 12, die alle generell nur auf §§ 1 ff verweisen. Weber/Gräf
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§ 60
gebers schädliche Auswirkungen auf dieses haben, und zwar unabhängig davon, ob es im Handelsregister eingetragen ist oder nicht. Nach der ursprünglichen Fassung des Kaufmannsbegriffs, auf welche die Verweisung in § 60 zugeschnitten war, stellte die Orientierung am „Handelsgewerbe“ insofern auch kein Problem dar, als der sog. Minderkaufmann nach § 4 a.F. durchaus ein Handelsgewerbe betrieb, für das nur die Regelungen über die Firma, die Handelsbücher und die Prokura keine Anwendung fanden. Seit der Änderung der §§ 1 ff im Jahre 1998 ist das Kleinunternehmen schon kein Handelsgewerbe mehr, sodass für § 60 insoweit an sich der Bezugspunkt fehlt. Es ist aber nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsverbots im Auge hatte. Auch aus historischer Sicht ist es deshalb gerechtfertigt, das Betreiben eines Kleinunternehmens unabhängig von seiner Eintragung dem Anwendungsbereich des § 60 zuzurechnen.175 Gleiches gilt dann auch für ein land- oder fortwirtschaftliches Unternehmen nach § 3. Auch hier kann es nicht auf dessen Eintragung im Handelsregister ankommen.176 Das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 Alt. 1 bezieht sich demnach generell auf den Betrieb eines konkurrierenden Unternehmens.177 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Problematik weitgehend dadurch entschärft wird, dass man ggf. auch auf § 60 Abs. 1 Alt. 2 zurückgreifen kann.
b) Unternehmerische Tätigkeit. Das Betreiben eines Handelsgewerbes setzt voraus, dass der 56 Arbeitnehmer als Unternehmer des konkurrierenden Gewerbebetriebs handelt. Grundsätzlich ist Unternehmer derjenige, in dessen Namen das Unternehmen geführt wird. Damit ist belanglos, ob der Arbeitnehmer das betreffende, ihm verbotene Handelsgewerbe in eigener Person betreibt oder ob ein anderer ihn dabei vertritt.178 Darüber hinaus könnte § 60 leicht umgangen werden, wenn nicht das Verbot auch den nur äußerlichen Betrieb eines Handelsgewerbes durch einen Dritten erfasste, der in Wahrheit ausschließlich für den Arbeitnehmer tätig ist (Strohmann).179 Auch der Einsatz eines Treuhänders führt deshalb zur Anwendung der Vorschrift.180 Allgemein kommt es nicht darauf an, wer Eigentümer der Betriebsmittel ist, sondern nur darauf, wer das Handelsgewerbe tatsächlich betreibt.181 § 60 greift aber nicht schon dann, wenn lediglich ein Familienmitglied eines Arbeitnehmers ein Konkurrenzunternehmen betreibt.182 Unzulässig ist allerdings die Unterstützung eines Angehörigen zur Errichtung eines Konkurrenzgeschäftes.183
175 ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 7; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 8. 176 Ebenso K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 a bb (Rn 18); Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 7. 177 K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 a bb (Rn 18); § 80 Abs. 1 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG – Beilage zu NZA 21/2007, S. 20) stellt generell auf eine Erwerbstätigkeit im Wettbewerb zur unternehmerischen Tätigkeit des Arbeitgebers ab (vgl. auch den ersten Entwurf, der auf eine berufliche Tätigkeit abstellte: Beilage zu NZA 23/2006, S. 19). AA (gegen einen Rückgriff auf den Begriff des Unternehmens) Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 31 (Fn 67). 178 Hopt/Roth41 Rn 2; vgl. aber auch LAG Bremen 26.9.1969 DB 1969, 2281 für den Fall, dass eine Kapitalgesellschaft für einen Handlungsgehilfen handelt. 179 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; GK/Etzel HGB8 Rn 3; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 34; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 10. 180 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; GK/Etzel HGB8 Rn 3; Hopt/Roth41 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 34. 181 BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (unter B II 2 a). 182 LAG Köln 11.10.2005 BB 2006, 1455 [LS]; vgl. auch Hohmeister BB 1998, 1899. Allein die Tatsache, dass ein Familienmitglied ein Konkurrenzunternehmen betreibt, begründet aber noch nicht den für eine Verdachtskündigung erforderlichen schwerwiegenden Verdacht, der Arbeitnehmer unterstütze das andere Unternehmen bei seiner Konkurrenztätigkeit; s. LAG Köln 11.10.2005 BB 2006, 1455 (LS); vgl. auch Hohmeister BB 1998, 1899. 183 LAG Düsseldorf 6.7.1949 BB 1949, 468; 21.12.1949 BB 1950, 535. 745
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§ 60 Abs. 1 Alt. 1 erfasst nicht jede kapitalmäßige Beteiligung an einem anderen Handelsunternehmen.184 Sie fällt erst dann unter Alt. 1, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls einen maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des Konkurrenten vermittelt.185 Zu bejahen ist dies etwa dann, wenn der Arbeitnehmer an der konkurrierenden Gesellschaft mit einer Sperrminorität beteiligt ist.186 Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass auf Rechtsfolgenseite das Eintrittsrecht nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 gesellschaftsrechtlich nicht realisierbar ist (näher § 61 Rn 31 f). Vgl. zur Frage, ob die kapitalmäßige Beteiligung unter § 60 Alt. 2 fällt, Rn 72. Nach § 60 Alt. 1 verboten ist weiterhin die tätige Teilnahme als Mitinhaber einer OHG sowie als persönlich haftender Gesellschafter einer KG oder einer KGaA.187 Unzulässig ist ferner die Tätigkeit als gesetzliches Organ einer Kapitalgesellschaft.188 Dies gilt freilich jeweils erst im Rahmen der werbenden Tätigkeit einer Gesellschaft,189 nicht bereits im Stadium zulässiger Vorbereitungsmaßnahmen (vgl. Rn 60).
58 c) Vorbereitende Maßnahmen. Sofern § 60 Abs. 1 Alt. 2 nicht erfüllt ist190 (dazu noch Rn 71), kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach § 74 Abs. 1 vereinbart ist191 und der Arbeitnehmer dadurch nicht seine sonstigen Vertragspflichten verletzt, darf er vorbereitende Maßnahmen treffen, die nur einen nach der Verbotszeit beabsichtigten Wettbewerb in die Wege leiten, ohne schon vorher das Unternehmen des Arbeitgebers nachteilig zu beeinflussen.192 So darf der Arbeitnehmer grundsätzlich für die Zeit nach Ausscheiden beim Arbeitgeber die Gründung eines eigenen Unternehmens oder den Wechsel zu einem Konkurrenzunternehmen vorbereiten.193 Ob solche Maßnahmen nicht doch schon als Wettbewerbshandlungen anzusehen sind, die das Unternehmen des Arbeitgebers beeinträchtigen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beur-
184 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 55) m. Anm. Diller; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer2, 1987 S. 15; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12; vgl. zu § 74 Abs. 1 auch BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25); aA LAG Köln 29.4.1994 – 13 Sa 1029/93, LAGE § 60 HGB Nr. 3; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 274. 185 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 55) m. Anm. Diller; ebenso ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 5; vgl. zu § 74 Abs. 1 auch BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25). 186 So im Fall einer 50 %-Beteiligung des Arbeitnehmers an der Konkurrenzgesellschaft LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 59); s. auch MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 11. 187 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 30 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 35. Nach Ansicht des LAG SchleswigHolstein (27.6.2007 – 3 Sa 143/07, BeckRS 2007, 45843, Rn 22 ff) reicht es auch aus, wenn ein Arbeitnehmer als Prokurist einer im Marktbereich des Arbeitgebers konkurrierenden Firma tätig wird. 188 BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl, 1014; 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 55) m. Anm. Diller; zust. Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 33; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 35; vgl. auch – gestützt auf die allgemeine Treuepflicht – LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109 (unter II 2 c [c] [bb]): Eintragung als Geschäftsführer einer bereits werbend tätigen Konkurrenzgesellschaft. 189 Vgl. LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109 zur Eintragung eines Arbeitnehmers als Geschäftsführer einer bereits werbend tätigen Konkurrenzgesellschaft. 190 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (Bl. 2) m. Anm. Herschel. 191 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 17); Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1207. 192 BGH 16.11.1954 – 1 ZR 180/53, AP § 60 HGB Nr. 1 (Bl. 3R) m. Anm. A. Hueck; 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (Bl. 3) m. Anm. Herschel; 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (Bl. 3) m. Anm. Fenn; 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 (Bl. 2) m. Anm. G. Schröder; 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 15); 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 22). 193 BAG 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 15); 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 22); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 17); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 38); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 53); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38, 95) m. Anm. Diller; stv. für die Lit. Staudinger/Richardi/ Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1207. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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teilen.194 Unzulässig sind solche Vorbereitungsmaßnahmen, die schon selbst als Teil der werbenden Tätigkeit zu werten sind.195 Bei einem in gekündigter Stellung befindlichen Arbeitnehmer ist ein weniger strenger 59 Maßstab anzulegen,196 da auch sein geschäftliches Fortkommen eine entsprechende Berücksichtigung verdient. Wegen der durch die Kündigung begrenzten Dauer des Arbeitsverhältnisses werden sich Vorbereitungshandlungen ohnehin regelmäßig nur in geringerem Maße auswirken als solche, mit denen – bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis – über einen längeren Zeitraum die Konkurrenztätigkeit vorbereitet wird.197 Zulässige Vorbereitungshandlungen sind organisatorische Maßnahmen wie das An- 60 mieten von Geschäftsräumen, die Anschaffung von Waren und Geräten bis hin zur Anlegung eines Warenlagers198 oder die Registrierung einer Internetdomain199 (anders allerdings beim Freischalten der Homepage für die Öffentlichkeit, Rn 62). Gleiches gilt für die Schaffung formaler Voraussetzungen wie die Gründung einer OHG durch Abschluss eines Gesellschaftsvertrages und deren Anmeldung zum Handelsregister – auch wenn bereits die Bekanntmachung der Eintragung erfolgt –, solange hierdurch der Geschäftsbetrieb des Arbeitgebers nicht nachteilig beeinflusst wird.200 Zulässig ist auch die bloße Eintragung einer Kapitalgesellschaft.201 Ebenso ist der bloße Erwerb einer Handelsgesellschaft als reine Vorbereitungshandlung zu werten, wenn der Arbeitnehmer mit ihr noch nicht werbend tätig ist.202 Mit der bloßen Umfirmierung einer Gesellschaft ist die Schwelle zur werbenden Tätigkeit noch nicht überschritten.203 Gleiches gilt für den Erwerb einer Marke,204 solange diese nicht aktiv gebraucht wird,205 sowie für den Erwerb von Patentrechten oder von anderen gewerblichen Schutzrechten.206 Der Abschluss eines Franchise-Vertrages in seiner verkehrstypischen Ausgestaltung zwischen dem Arbeitnehmer und einem Konkurrenten seines Arbeitgebers stellt sich grundsätzlich als erlaubte Vorbereitungshandlung dar, solange der Arbeitnehmer noch nicht auf Grund dieses Vertrages für den Konkurrenten tätig wird.207 Gleiches gilt für das Betreiben der Berufszulassung208 und die Einholung einer behördlichen Genehmigung.209 Zulässig ist auch ein Besuch eines Arbeitnehmers auf einem Messestand zur Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen einer – für 194 BAG 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 (Bl. 2R) m. Anm. G. Schröder; vgl. dazu auch Hoß ArbRB 2002, 87. 195 BAG 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 15); 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 22, 29); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 17); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 38, 95, 104); vgl. auch NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 16: Aktivität „nach außen“. 196 Offen gelassen in BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 24). 197 Vgl. auch BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (Bl. 3 f) m. Anm. Herschel. 198 Vgl. etwa Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 275. 199 LAG Köln 12.4.2005 – 9 Sa 1518/04, NZA-RR 2005, 595. 200 LAG Kiel 24.1.1956 – 2 Sa 224/55, AP § 60 HGB Nr. 2 (Bl. 2 ff); LAG Köln 19.1.1996 – 11 (13) Sa 907/95, LAGE § 626 BGB Nr. 93; 17.1.2002 – 5 Sa 1141/01, BeckRS 2002, 16472 (Rn 6). 201 BAG 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 20, 24); LAG Hamburg 21.12.1999 – 2 Sa 62/99, BeckRS 2009, 68068 (unter II 2 b); anders zu Recht für die Eintragung als Geschäftsführer einer bereits werbend tätigen Konkurrenzgesellschaft LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109 (unter II 2 [c] [bb]). 202 BAG 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 20); LAG Hessen 10.6.2013 – 21 Sa 850/12, BeckRS 2013, 73109 (unter II 2 c bb). 203 BAG 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 20). 204 ErfK/Oetker22 Rn 6; zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 41.2; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 15; aA RG 6.4.1937 JW 1937, 2654 = HRR 1937, Nr. 1235; Schlegelberger/Schröder Rn 7; ebenso noch Staub/Weber5 Rn 22. 205 Glöckner S. 49. 206 Schlegelberger/Schröder Rn 7. 207 BAG 30.5.1978 – 2 AZR 598/76, AP § 60 HGB Nr. 9 (Bl. 3f) m. Anm. G. Schröder. 208 BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP Art. 12 GG Nr. 6 m. Anm. Fenn; s. auch BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 28 f): Antrag auf Zulassung als „Leistungsanbieter im ambulant betreuten Wohnen”. 209 LAG Bremen 2.7.1998 LAGE § 60 HGB Nr. 7. 747
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die kurz bevorstehende Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – geplanten eigenen Firma und einem dort ausstellenden, allgemein marktzugänglichen Lieferanten, auch wenn dieser ein Lieferant des Arbeitgebers ist.210 61 Bei Maßnahmen, die der Rekrutierung des zukünftigen Mitarbeiterstammes dienen sollen, ist zu differenzieren: Zwar darf der Arbeitnehmer Personal für sein zu gründendes Unternehmen anwerben und einstellen.211 Er darf grundsätzlich auch Arbeitsverträge mit anderen Arbeitnehmern seines aktuellen Arbeitgebers abschließen;212 unzulässig sind aber aktive Abwerbeversuche.213 Im Einzelfall kann es freilich Schwierigkeiten bereiten, unzulässige Abwerbeversuche von zulässigen Gesprächen unter Kollegen abzugrenzen, bei denen es lediglich um beabsichtigte Stellenwechsel geht. Das BAG sieht die Grenze zutreffend als überschritten an, wenn ein Arbeitnehmer „ernsthaft und beharrlich auf Kollegen einwirkt“, um sie zu einer Tätigkeit bei seinem (oder einem anderen) Konkurrenzunternehmen zu veranlassen.214 Ob der Abwerbeversuch erfolgreich war, ist unerheblich.215 Auch bedarf es keiner besonderen Verwerflichkeit oder Sittenwidrigkeit der Abwerbung.216 Insoweit besteht ein Unterschied zu den Grenzen der Zulässigkeit, denen externe „Headhunter“ unterliegen;217 letztere stehen mit dem zu schützenden Arbeitgeber gerade nicht in einer vertraglichen Beziehung. 62 Die Grenze der zulässigen Vorbereitungshandlungen wird allgemein dann überschritten, wenn der Arbeitnehmer für sein künftiges Handelsgewerbe Tätigkeiten vornimmt, die den künftigen konkurrierenden Geschäftsbetrieb bereits einleiten, also schon als Teil der werbenden Tätigkeit aufzufassen sind (vgl. Rn 58), sodass sie die Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers bereits beeinträchtigen können.218 Hier wird i.d.R. mindestens § 60 Abs. 1 Alt. 2 eingreifen (Rn 71). Der Arbeitnehmer darf daher nicht durch erste Kontaktaufnahmen oder gar konkrete Werbung in den Kreis der Kunden, Lieferanten oder sonstigen Vertragspartner des Unternehmens eindringen.219 Untersagt ist dabei schon der bloße Versuch der Abwerbung von Geschäftsverbindungen oder Kunden; sogar bei einem bloßen „Vorfühlen“ bei potenziellen Kunden kann 210 211 212 213
LAG Köln 24.1.1997 MDR 1997, 858. BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (Bl. 3) m. Anm. Fenn. ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 6. BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (I b aa der Gründe) m. Anm. Herschel; 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 16); 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 22); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 17); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 19.12.2018 – 10 AZR 233/ 18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 53, 56); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38) m. Anm. Diller; LAG Kiel 24.1.1956 – 2 Sa 224/55, AP § 60 HGB Nr. 2 (Bl. 2); LAG Baden-Württemberg 31.3.1969 – 4 Sa 104/68, DB 1969, 1300; 6.7.1989 LAGE § 626 BGB Nr. 42; 21.2.2002 LAGE § 60 HGB Nr. 8; LAG Düsseldorf 15.10.1969 – 6 Sa 117/69, DB 1969, 2353; 12.1.2007 – 9 Sa 1637/05, BeckRS 2007, 43849; LAG Saarbrücken 20.1.1965 – Sa 143/63, BB 1965, 457; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 22; Busch/Dendorfer BB 2002, 201 (304); Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 5; ausf. Schmiedl BB 2003, 1120 ff; s. zu vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten Greßlin/Römermann BB 2016, 1461 (1464 f). 214 BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 56); ähnlich LAG Baden-Württemberg 21.2.2002 – 6 Sa 83/01, BeckRS 2002, 31011259; Busch/Dendorfer BB 2002, 301 (304 f); Greßlin/Römermann BB 2016, 1461 (1462 f); Schmiedl BB 2003, 1120 ff. 215 LAG Baden-Württemberg 21.2.2002 – 6 Sa 83/01, BeckRS 2002, 31011259. 216 Greßlin/Römermann BB 2016, 1461 (1463); Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1207; Schmiedl BB 2003, 1120 (1122 ff); Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 5; Vogt StBW 2011, 950 (951); aA (unter Berufung auf die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 12 Abs. 1 GG) LAG Rheinland-Pfalz 7.2.1992 – 6 Sa 528/91, LAGE § 626 BGB Nr. 64; LAG Hamburg 21.12.1999 – 2 Sa 62/99, BeckRS 2009, 68068: Verwerflichkeit bzw. Sittenwidrigkeit der Abwerbung als Voraussetzung jedenfalls für die Eignung als Kündigungsgrund; s. auch Schloßer BB 2003, 1382 (1386). 217 Vgl. hierzu (UWG, § 826 BGB etc.) Busch/Dendorfer BB 2002, 301. 218 Vgl. BAG 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 38); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 95, 104) m. Anm. Diller. 219 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, AP § 60 HGB Nr. 5 (Bl. 2 f) m. Anm. Weitnauer/Emde; s. auch LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/18, BeckRS 2020, 10791. Weber/Gräf
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die Grenze schon überschritten sein.220 So stellt etwa die Versendung von Einladungen für eine geplante Veranstaltung, die den Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers betreffen, bereits eine Konkurrenztätigkeit dar.221 Unzulässig ist auch ein Rundschreiben an die Kunden des bisherigen Arbeitgebers, in dem die spätere Eröffnung eines eigenen Handelsbetriebes angekündigt wird.222 Auch das Freischalten eines Internetauftritts kann schon gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen; dass noch keine Betriebsmittel oder lieferbaren Waren vorhanden sind, ändert daran nichts.223 Gleiches gilt für die Suche nach Kunden über Karriere-Plattformen („Xing“, „LinkedIn“ etc.).224 Dagegen wird eine auf die Vorbereitung seines neuen Unternehmens hinweisende Notiz in einer Fachzeitschrift als eine erlaubte Vorbereitungsmaßnahme anzusehen sein.225 Tätigkeiten, die unmittelbar auf die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften gerichtet sind, fallen unter das Wettbewerbsverbot226 – und zwar selbst dann, wenn sie erst nach Beendigung des gegenwärtigen Arbeitsverhältnisses zur Ausführung kommen sollen.227
d) Erfordernis einer abstrakten Gefährdung. Nach dem Schutzzweck des § 60 und aus ver- 63 fassungsrechtlichen Gründen kann durch § 60 Abs. 1 eine Tätigkeit des Arbeitnehmers nur dann verboten sein, wenn sie dem Arbeitgeber überhaupt schaden bzw. diesen gefährden kann.228 Ist der Arbeitnehmer im Handelszweig des Arbeitgebers tätig (Rn 45), drohen typischerweise diejenigen Interessenkonflikte, die § 60 Abs. 1 vermeiden will. Dies ist aber nicht ausnahmslos der Fall, z.B. dann nicht, wenn sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers darauf beschränkt, dem Arbeitgeber als Anbieter entgegenzutreten; beide konkurrieren dann nicht untereinander, sondern nur im Verhältnis zu Dritten. In dieser Konstellation sieht das BAG zu Recht keinen Verstoß gegen § 60 Abs. 1.229 Allgemein gesprochen bedarf es – zusätzlich zu der in Rn 45 genannten Einschränkung – als weiteres ungeschriebenes Verbotsmerkmal einer „Wettbewerbslage“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.230 Auf der anderen Seite ist aber nicht erforderlich, dass durch das Betreiben des konkurrierenden Handelsgewerbes eine konkrete Gefährdung oder gar eine Schädigung hervorgerufen wird. Maßgeblich ist allein, dass Konkurrenz im Handelszweig des Arbeitgebers die unternehmerischen Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers an sich berühren kann.231
220 BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 38, 58); NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 16. 221 LAG Berlin 28.8.2002 – 9 Sa 659/02, NZA-RR 2003, 362. 222 BGH 22.4.2004 – I ZR 303/01, NJW 2004, 2385; vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 14.6.2005 – 5 Sa 246/ 05, BeckRS 2005, 30804447. 223 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 96 ff) m. Anm. Diller, mit dem zutr. Hinweis, dass der bloße Domain-Erwerb und der Aufbau der Homepage noch zulässige Vorbereitungshandlungen darstellen, solange diese noch nicht online ist; s. zum Domain-Erwerb auch LAG Köln 12.4.2005 – 9 Sa 1518/04, NZA-RR 2005, 595. 224 Vgl. obiter LAG Köln 7.2.2017 – 12 Sa 745/16, NZA-RR 2017, 353 (356) für einen Mandantensucheintrag im XingProfil des Arbeitnehmers unter der Rubrik „Ich suche“. 225 RG 10.10.1911 JW 1911, 991. 226 BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 22); 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 17, 19); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 53). 227 Vgl. BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 19). 228 BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 (unter I 3 a); 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (unter B II 2 c). 229 BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (unter B II 2 c). 230 BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (unter B II 2 c); vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23 f m.w.N. 231 LAG Hessen 28.4.1998 – 9 Sa 2007/97, BB 1998, 1899; vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 31 („abstrakte Schädigungsgefahr“ genügt); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 17 (bei § 60 Abs. 1 Alt. 2 sei allerdings eine konkrete Gefährdung erforderlich). 749
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II. Verbotene Geschäfte im Handelszweig (Abs. 1 Alt. 2) 64 Nach der zweiten Alternative des § 60 Abs. 1 darf der Handlungsgehilfe ohne Einwilligung des Arbeitgebers auch keine Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen, die in den Handelszweig des Arbeitgebers fallen. Durch die verfassungskonforme Auslegung der Alt. 1, nach der nur der Betrieb eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers verboten ist (Rn 45), sind die beiden gesetzlichen Ausprägungen des Wettbewerbsverbots einander angenähert. Teilweise wird Alt. 2 gar als Auffangtatbestand angesehen.232 Im Detail zeigen sich aber durchaus noch Unterschiede (vgl. Rn 66 f, 83).
1. Handelszweig des Arbeitgebers 65 In den Handelszweig des Arbeitgebers fallen alle Geschäfte, die ihrer Art oder ihrem Gegenstand nach in seinem Unternehmen vorkommen oder vorkommen können. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber selbst auf den betreffenden Abschluss eingegangen wäre oder ob er das Geschäft im konkreten Fall überhaupt hätte abschließen können.233 Näher zum Begriff des Handelszweigs Rn 47 ff. 66 Das Verbot erfasst grundsätzlich auch Geschäftsbereiche, die der Arbeitgeber erst nach der Anstellung des Arbeitnehmers in seinen Betrieb aufgenommen hat. Dies gilt aus Gründen des Vertrauensschutzes aber dann nicht, wenn der Arbeitnehmer bereits vorher in diesem Geschäftsbereich tätig war.234 Der Vertrauensschutz muss bei § 60 Abs. 1 Alt. 2 aber eine Einschränkung erfahren: Im Kontext des Alt. 2 geht es um Einzelgeschäfte, die der Arbeitnehmer erst nach der Geschäftsbereichserweiterung des Arbeitgebers neu abschließen möchte, nicht um die Fortführung eines bereits bestehenden Handelsgewerbes (Alt. 1). Da es bei Alt. 2 also nicht um Bestandsschutz für bereits erlangte konkrete Rechtspositionen geht (vgl. demgegenüber bei § 60 Abs. 1 Alt. 1: Rn 50), ist den Interessen des Arbeitnehmers nur dann der Vorrang einzuräumen, wenn die Geschäftserweiterung durch den Arbeitgeber nicht mehr innerhalb der ex ante vorhersehbaren Entwicklung liegt.235 Ist dieser Rahmen überschritten, sind dem Arbeitnehmer innerhalb des erweiterten Geschäftsbereichs des Arbeitgebers auch Neu-Geschäfte erlaubt, allerdings nur solche, die mit denjenigen, die der Arbeitnehmer vor der Geschäftserweiterung des Arbeitgebers getätigt hat, in einem engen Zusammenhang stehen oder gleicher Art sind.236 67 Ändert sich der Geschäftsbereich des Arbeitgebers infolge eines Betriebsübergangs (§ 613a BGB), gelten grundsätzlich die obigen Ausführungen zu § 60 Abs. 1 Alt. 1 (Rn 51) entsprechend. Ist der Betriebserwerber im Vergleich zum Betriebsveräußerer in zusätzlichen Geschäftsbereichen aktiv, ist auch hier Vertrauensschutz zu gewähren, der allerdings eine ähnliche Einschränkung wie in der vorgenannten Konstellation (Rn 66) erfährt: In Bezug auf Geschäfte, die der Arbeitnehmer nach Betriebsübergang erst neu abschließt, genießt der Arbeitnehmer nur
232 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 21 („Auffang- und Einheitstatbestand“); Röhsler/Borrmann S. 33; aA Marinek/Semler/Flohr/Wank, Hdb des Vertriebsrechts4 § 17 Rn 25 f; offen gelassen von BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/ 19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 80) m. Anm. Diller. Vgl. auch K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 a bb (Rn 18 aE), der in der 1. Alt. eine Verallgemeinerung der 2. Alt. sieht: „Nicht bloß die einzelnen Wettbewerbshandlungen sind verboten, sondern verboten ist der Betrieb eines Konkurrenzunternehmens insgesamt“. 233 LAG Frankfurt – 6 Sa 464/68, 29.7.1969 BB 1970, 709. 234 AA (einen Vertrauensschutz insgesamt ablehnend) Gaul NZA 1989, 697 (698); Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 277; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt Rn 15 f. 235 Insofern zutr. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29 (die diese Einschränkung allerdings wohl auch für § 60 Abs. 1 Alt. 1 machen wollen); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 45; weiter einschränkend Schaub/Vogelsang ArbRHdb19 § 54 Rn 14: Gesamtabwägung unter Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer bereits getätigten Aufwendungen und der Vorhersehbarkeit der Entwicklung. 236 So zutr. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29. Weber/Gräf
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dann Vertrauensschutz, wenn der Betriebsübergang und die damit verbundene Geschäftserweiterung für ihn vorhersehbar waren.237
2. Geschäftemachen Unter „Geschäftemachen“ versteht man jede, wenn auch nur spekulative, Teilnahme am ge- 68 schäftlichen Verkehr, die nicht nur der Befriedigung eigener privater Bedürfnisse dient, sondern eine auf Gewinn gerichtete Tätigkeit ist.238 Keine Konkurrenztätigkeit sind daher Anschaffungen zum eigenen Gebrauch, das Anlegen von Vermögenswerten239 oder private Verkaufsgeschäfte.240 Das „Geschäftemachen“ muss nicht auf Dauer angelegt sein, da § 60 Abs. 1 Alt. 2 schon im einzelnen Konkurrenzgeschäft eine Gefährdung der Interessen des Arbeitgebers sieht. Auch hinsichtlich der Art der Geschäfte ist der Verbotstatbestand offen; es kann sich sowohl um Umsatzgeschäfte241 als auch um das Anbieten von Diensten oder sonstigen Leistungen an Dritte242 im Geschäftszweig des Arbeitgebers handeln, z.B.243 um das Entwickeln von Software für ein Konkurrenzunternehmen244 (zu Vorbereitungshandlungen Rn 71). Auf die Legalität der Geschäfte kommt es ebenfalls nicht an; auch das Anbieten von Schwarzarbeit kann unter § 60 Abs. 1 Alt. 2 fallen.245 Eine Umgehung durch Einschaltung von Vertretern, Strohmännern oder Treuhändern ist auch i.R.d. Alt. 2 ausgeschlossen (vgl. Rn 56). Nach zutreffender Rechtsprechung des BAG ist nicht lediglich die unmittelbare Beteiligung an Geschäftsabschlüssen verboten; für die „Teilnahme“ am geschäftlichen Verkehr genügt vielmehr das Vorbereiten der Vermittlung bzw. des Abschlusses von Geschäften, deren Vermittlung und Abschluss einem Handelsvertreter obliegen.246 Sonstige (insbesondere unterstützende247) Dienstleistungen für ein Konkurrenzunterneh- 69 men, bei dem der Arbeitnehmer nicht an Geschäftsabschlüssen zumindest beteiligt ist, sind von § 60 Abs. 1 Alt. 2 hingegen nicht erfasst.248 Dementsprechend fällt die Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses als solche nicht unter § 60 Abs. 1.249 Auch der Abschluss eines Arbeitsvertrags mit einem Konkurrenten ist als solcher kein Geschäft i.S.d. § 60 Abs. 1 Alt. 2;250 in diesem Fall tritt der Arbeitnehmer nämlich nicht im Sinne eines „Geschäftemachens“ in Konkurrenz zu seinem Hauptarbeitgeber am Markt auf.251 Ein 237 Insoweit zutr. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29 (die diese Einschränkung allerdings offenbar auch bei § 60 Abs. 1 Alt. 1 befürworten). 238 BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, AP § 60 HGB Nr. 5 (Bl. 2) m. Anm. Weitnauer/Emde; 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 19). 239 Vgl. Schlegelberger/Schröder Rn 8. 240 S. das vielzitierte Bsp. Bei K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 a aa (Rn 17): Der Arbeitnehmer eines Gebrauchtwarenhändlers dürfe sein Privatfahrzeug per Zeitungsinserat anbieten, aber selbst keinen Gebrauchtwarenhandel betreiben. 241 S. z.B. BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 55) m. Anm. Diller: Lieferung von Bandagen und Verkauf von Transportbändern. 242 BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 19) m.w.N. 243 Weitere Bsp. Aus der Rspr. Bei HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 21; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 53.1. 244 LAG Hamm 4.9.2014 – 8 Sa 90/14, BeckRS 2015, 73226. 245 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 15; zust. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 42. 246 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 (unter I b bb) m. Anm. Herschel. 247 Z.B. Buchführungs-, Schreib- oder Verpackungsarbeiten, vgl. Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 12. 248 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 47. 249 BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (unter 2 b) m. Anm. Hefermehl; vgl. auch BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 24); 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 37); Oetker/KotzianMarggraf7 Rn 15; ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 8; i.E. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 24, die auf das Fehlen einer abstrakten Schädigungsgefahr abstellen. 250 BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 20); vgl. bereits BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (unter 2 b) m. Anm. Hefermehl; Hopt/Roth41 Rn 3. 251 Vgl. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 20); ErfK/Oetker22 Rn 8. 751
Weber/Gräf
§ 60
1. Buch. Handelsstand
Wettbewerbsverbot kann sich für solche Tätigkeiten allerdings aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben.252 Diese Unterlassungspflicht aus § 241 Abs. 2 BGB legte das BAG bislang sogar sehr weit aus: Verboten sei „jedwede Dienstleitung“ für einen Konkurrenten im Handelszweig des Arbeitgebers, unabhängig von der Art und Weise der Unterstützung und der Funktion des Arbeitnehmers,253 sofern ihr nicht von vornherein jegliche unterstützende Wirkung abgesprochen werden könne.254 In jüngerer Zeit hat das BAG im Hinblick auf den Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG)255 Bedenken an dieser Rechtsprechung geäußert und obiter erwogen, das Verbot auf „unmittelbare Konkurrenztätigkeiten“ zu beschränken und „bloße Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug“ auszuklammern.256 Richtig ist daran der Hinweis auf das Erfordernis eines Wettbewerbsbezugs: Das Wettbewerbsverbot – auch dasjenige aus § 241 Abs. 2 BGB – will Interessenkonflikte und daraus resultierende Gefährdungen der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers vermeiden257 (Rn 4). Derartiges kann aber auch im Zusammenhang mit Hilfstätigkeiten drohen,258 etwa dann, wenn der Arbeitnehmer bei seinem Hauptarbeitgeber in Kontakt mit wichtigen geschäftlichen Informationen kommt.259 Nicht allein die Art der Tätigkeit ist damit entscheidend für den Ausschluss eines Wettbewerbsverbots,260 sondern die Frage, ob unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Einzelfallumstände eine nicht nur ganz unerhebliche Gefährdung der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers ausgeschlossen werden kann; insoweit muss das Wettbewerbsverbot einer Bagatellgrenze unterliegen. Mit dieser Einschränkung wird auch dem Grundrechtsschutz der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung getragen (vgl. zur Diskussion um Teilzeitarbeitnehmer bereits Rn 18), ebenso den materiellen Vorgaben des Art. 9 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (vgl. allerdings zu möglichen Bedenken hinsichtlich der formellen Richtlinien-Umsetzung und ein mögliches Vereinbarungserfordernis Rn 8). Ist im Einzelfall ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot zu verneinen, kann die zusätzliche Tätigkeit für ein anderes Unternehmen gleichwohl pflichtwidrig sein, nämlich dann, wenn sie gegen ein individualarbeits- oder kollektivvertragliches Nebentätigkeitsverbot verstößt (Rn 5). Das Rechtsfolgenregime des § 61 greift in den vorgenannten Fällen, in denen die Pflichtverletzung „nur“ auf § 241 Abs. 2 BGB gestützt wird, freilich nicht. Dies hat vor allem Relevanz für die Verjährung: Es gelten die §§ 194 ff BGB, nicht die verkürzten Fristen des § 61 Abs. 2 (vgl. auch § 61 Rn 22, 39, 55). 70 Wie bereits die vorhergehenden Ausführungen zeigen, ist für eine Pflichtverletzung auch im Bereich des § 60 Abs. 1 Alt. 2 eine zumindest abstrakte Gefährdung der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers zu fordern.261 Eine solche Gefährdung kann – wie bei § 60 Abs. 1 Alt. 1 – immer dann ausgeschlossen werden, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer von vornherein nicht als Wettbewerber gegenüberstehen. Daher fallen Geschäfte, die der Arbeitnehmer als Anbieter mit dem Arbeitgeber als Nachfrager tätigt, nicht unter § 61 Abs. 1 Alt. 2 (zur Alt. 1 be252 BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28); 29.6.2017 – 2 AZR 597/16, AP § 626 BGB Nr. 262 (Rn 15); Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 12. 253 BAG 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10 (unter III 2 c cc). 254 Vgl. BAG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter I 1 b bb) m. Anm. Wank. 255 S. zudem Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16, der auch auf Art. 45 Abs. 2 AUEV verweist; vgl. dazu oben auch Rn 8. 256 BAG 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, AP Art. 12 GG Nr. 141 (Rn 17) m. Anm. Diller mit zahlreichen Schrifttumsnachweisen; s. auch BAG 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 37). 257 Vgl. auch BAG 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252 (Rn 28). 258 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 27. 259 LAG Rheinland-Pfalz 24.8.2012 – 9 Sa 80/12, BeckRS 2012, 75818 (unter II 1 c) zur Tätigkeit als Bürokraft bei einem anderen Steuerberater. 260 Zutr. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 27, die der „Qualität“ und der „Quantität“ der Tätigkeit des Handlungsgehilfen eine (nur) mittelbare Bedeutung beimessen. 261 Vgl. BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 15) m.w.N.: „Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer“ (im Marktbereich des Arbeitgebers); vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23 f. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
reits Rn 63).262 Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot liegt auch dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nur durch eine pflichtwidrige Verfügung über dessen Vermögen schädigen will, da er in einem solchen Fall ebenfalls nicht als Wettbewerber des Arbeitgebers auftritt und nicht zu seinem eigenen Vorteil die Marktchancen wie sein Arbeitgeber ausnutzt. Darin liegt freilich eine vertragliche Pflichtverletzung i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB; die kurze Verjährungsfrist des § 61 Abs. 2 gilt insofern nicht.263 Umgekehrt ist für das Eingreifen des § 61 Abs. 1 Alt. 2 aber keine konkrete (Schädigungs-)Gefahr für den Arbeitgeber zu fordern (vgl. Rn 63). Deswegen ist es unerheblich, ob die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers ohne Erfolg geblieben ist, etwa weil das Konkurrenzunternehmen einen Geschäftsabschluss abgelehnt hat264 (vgl. bereits Rn 48). Geschäfte, die zwar hinsichtlich des Betreibens eines selbständigen Handelsgewerbes noch 71 als Vorbereitungshandlungen angesehen werden können (Rn 58 ff), die aber schon eine aktuelle Gefährdung der geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers bedeuten, können nach § 60 Abs. 1 Alt. 2 verboten sein. Unzulässig, da bereits die Interessen des Arbeitgebers gefährdend, sind auch Vorbereitungsmaßnahmen zu Umsatzgeschäften i.S.d. § 60 Abs. 1 Alt. 2, etwa Werbemaßnahmen, das „Vorfühlen“ bei Kunden,265 vorbereitende Gespräche266 oder das Versenden von Einladungen.267 Pflichtwidrig ist auch die Weitergabe von Kundendaten an den zukünftigen neuen Arbeitgeber.268 Umstritten ist die Beurteilung einer kapitalmäßigen Beteiligung des Arbeitnehmers an 72 einer konkurrierenden Gesellschaft. Das BAG sieht Alt. 2 als erfüllt an.269 Allerdings kommt ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot nur dann in Betracht, wenn die kapitalmäßige Beteiligung nach den Umständen des Einzelfalls einen maßgeblichen Einfluss auf die unternehmerischen Entscheidungen des Konkurrenten vermittelt; nur in solchen Fällen ist der Normzweck des § 60 Abs. 1 tangiert.270 In diesen Konstellationen kommt allerdings bereits Alt. 1 zum Zuge (Rn 57). Insofern kommt es nicht auf die (wohl zu verneinende Frage) an, ob man den Erwerb von Geschäftsanteilen an einem Konkurrenzunternehmen überhaupt unter den Begriff des „Geschäftemachens“ im Marktbereich des Arbeitgebers fassen könnte. Ist der Arbeitnehmer neben seiner Gesellschafterstellung auch als Organmitglied für die Gesellschaft tätig, greift § 60 Abs. 1 Alt. 1 bereits aus diesem Grund (Rn 57). Auch die Gewährung eines Darlehens an ein Konkurrenzunternehmen fällt nicht stets unter § 60 Abs. 1 Alt. 2,271 sondern allenfalls dann, wenn damit maßgeblicher Einfluss auf die Gesellschaft begründet wird oder wenn das Darlehen überhaupt erst zur Gründung der Gesellschaft beiträgt.272 Allerdings ist auch hier – jedenfalls im
262 LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 55); s. zu § 60 Abs. 1 Alt. 1 bereits BAG 3.5.1983 – 3 AZR 62/81, AP § 60 HGB Nr. 10 (unter B II 2 c); ebenso die Lit., statt vieler Hopt/Roth41 Rn 3; aA noch RG 11.11.1899 RGZ 45, 32 (33). 263 BAG 11.8.1987 – 8 AZR 609/84, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 90. 264 BAG 30.1.1963 – 2 AZR 319/62, AP § 60 HGB Nr. 3 m. Anm. Herschel; HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 22. 265 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, AP § 60 HGB Nr. 5 m. Anm. Weitnauer/Emde. 266 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 58 ff. 267 LAG Berlin 28.8.2002 – 9 Sa 659/02, NZA-RR 2003, 362 (363 f). 268 BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 24). 269 BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. abl. Anm. Hefermehl; s. auch LAG München 8.8.2006 – 11 Sa 922/05, BeckRS 2009, 68188; ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21, 27; GK/Etzel HGB8 Rn 8; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 53.1; ErfK/Oetker22 Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 36. 270 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 51 f; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 10; ähnlich Glöckner S. 50 ff, der zur Begründung zutr. auch auf die Rechtslage beim Wettbewerbsverbot für Gesellschafter nach § 112 hinweist; diff. auch Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1207. 271 So aber BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 53.1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 46; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 12. 272 So – ohne zwischen § 60 Alt. 1 und 2 zu unterscheiden – Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 11 unter Bezugn. auf BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot). 753
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§ 60
1. Buch. Handelsstand
erstgenannten Fall – bereits Alt. 1 einschlägig. Allein die Bestellung zum Prokuristen eines konkurrierenden Unternehmens genügt für keine der Alternativen des § 60 Abs. 1.273
D. Einwilligung des Arbeitgebers 73 Nach Abs. 1 setzen beide Verbotstatbestände voraus, dass die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers „ohne Einwilligung“ erfolgt. Das Wettbewerbsverbot entfällt damit, wenn und soweit der Arbeitgeber in die betroffene Tätigkeit des Arbeitnehmers eingewilligt hat.
I. Rechtsgeschäftlich erklärte Einwilligung 74 Die Einwilligung des Arbeitgebers ist eine dem Arbeitnehmer gegenüber abzugebende empfangsbedürftige Willenserklärung274 und unterscheidet sich insofern von der vertraglichen Abbedingung des § 60 (Rn 12). Für die Einwilligung gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB über Willenserklärungen.275 Sie ist nicht formgebunden. Der Einwilligungsbegriff in § 60 Abs. 1 ist allerdings nicht mit demjenigen in § 183 Satz 1 75 BGB identisch.276 Dies legt schon der Umstand nahe, dass der Begriff der Einwilligung in § 60 Abs. 1 aus Art. 59 AHGB und damit aus der Zeit vor Einführung des BGB stammt. Ein erheblicher Unterschied zeigt sich schon darin, dass sich § 183 BGB grundsätzlich nur auf die Zustimmung zur Vornahme von Rechtsgeschäften bezieht,277 während die Einwilligung i.S.d. § 60 Abs. 1 auch und gerade tatsächliches Wettbewerbshandeln bzw. nicht-rechtsgeschäftliche Vorbereitungshandlungen (vgl. Rn 58 ff, 68, 71) zum Gegenstand hat. Soweit es beim Tätigkeitsverbot nach § 60 Abs. 1 um den Abschluss von Rechtsgeschäften geht, bezieht sich die Einwilligung nach § 60 Abs. 1 auch nicht auf deren Wirksamkeit im Außenverhältnis, sondern allein auf deren Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis. Daher lässt sich auch nicht das auf die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften (und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen) ausgelegte System der §§ 182 ff BGB auf die Einwilligung nach § 60 Abs. 1 übertragen. 76 Daraus folgt, dass der Einwilligungsbegriff in § 60 Abs. 1 durchaus offen für eine nachträgliche Zustimmung ist.278 Denn er ist nach dem zuvor Gesagten nicht i.S.d. der Legaldefinition des § 183 Satz 1 BGB allein als „vorherige Zustimmung“ zu verstehen. Hat der Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit bereits aufgenommen, ist eine Einwilligung also noch möglich. Des dogmatischen Umwegs über die Konstruktion eines konkludenten Abweichungsvertrags279 bedarf es nicht. Eine solche „Genehmigung“ entfaltet i.d.R. auch Rückwirkung im Hinblick auf die bereits vorgenommenen Wettbewerbshandlungen, d.h. es entfallen die Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 60 Abs. 1 und damit auch zwischenzeitlich entstandene Ansprüche des Prinzipals aus § 61.280 Dies folgt allerdings nach dem soeben Gesagten (Rn 75) nicht aus § 184 Abs. 1 BGB oder aus dessen Rechtsgedanken, sondern aus der Erklärung des Arbeitgebers selbst, die im Zweifel dahingehend auszulegen ist.281 273 Luke BB 2016, 762 ff; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 12; vgl. aber LAG Schleswig-Holstein 27.6.2007 – 3 Sa 143/07, BeckRS 2007, 45843. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 29. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 39. So aber wohl MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 14. Vgl. hierzu und zur begrenzten Analogiefähigkeit BeckOGK-BGB/Regenfus (1.7.2022) § 182 Rn 3 ff. So i.E. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 34; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 39; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 19; Hopt/Roth41 Rn 7. 279 Als Alternative erwogen von Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 34. 280 So i.E. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 39; vgl. auch MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 14. 281 Vgl. auch MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 14: eine rückwirkende „Genehmigung“ sei je nach den Umständen des Einzelfalls anzunehmen.
274 275 276 277 278
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
Die Einwilligung kann ausdrücklich oder konkludent erklärt werden.282 Eine konkludente 77 Einwilligung kann vor allem in der Duldung der dem Arbeitgeber bekannten Betätigung des Arbeitnehmers liegen, obwohl ein Einschreiten möglich wäre.283 Entscheidend sind aber auch insoweit die Umstände des Einzelfalls. Auch die konkludente Einwilligung kann sich je nach geduldeter Tätigkeit auf alle Formen des Wettbewerbs bis hin zum Betrieb eines Handelsgewerbes beziehen. Allerdings beinhaltet die bloße Kenntnis und Duldung eines einzelnen Geschäftes im Handelszweig des Arbeitgebers ohne entsprechendes Einschreiten i.d.R. noch nicht die Einwilligung in weitere Geschäfte.284 Wie oben dargelegt versteht das BAG die Erklärung einer unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaiger anderweitiger Verdienste als konkludentes Angebot zur Abbedingung des § 60. Dass dem nicht gefolgt werden kann, wurde bereits aufgezeigt (Rn 34); dementsprechend kann in einem solchen Fall auch keine konkludente Einwilligung angenommen werden, wenn keine zusätzlichen Anhaltspunkte vorliegen.285 Zu Recht hat das BAG entschieden, dass in dem bloßen Hinweis des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, dieser dürfe während der Arbeitszeit nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig sein, noch keine Einwilligung zu einer Konkurrenztätigkeit außerhalb der Arbeitszeit liegt.286 Auch in der Kündigung von Kundenverträgen hat das BAG noch keine Einwilligung gesehen.287 Ob Glückwünsche eines Klinikträgers gegenüber einem Chefarzt zur Eröffnung einer eigenen Praxis als Einwilligung auszulegen sind, wurde in der Rechtsprechung offen gelassen.288 Die Einwilligung kann im Umfang beschränkt sein; sie kann sich auf bestimmte Geschäfte, 78 auf alle Einzelgeschäfte nach § 60 Abs. 1 Alt. 2 oder auch auf den Betrieb eines Handelsgewerbes nach § 60 Abs. 1 Alt. 1 beziehen. Sie kann zudem nur für eine bestimmt Zeit erteilt werden.289 Der genaue Umfang der Einwilligung ist nötigenfalls durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB (analog) zu ermitteln. Die Einwilligung des Arbeitgebers ist als Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall des Wettbe- 79 werbsverbots konstruiert. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Arbeitnehmer für das Vorliegen der ihn begünstigenden ausnahmsweisen Einwilligung und für deren Umfang die Darlegungs- und Beweislast.290 Dies sieht grundsätzlich auch das BAG so.291 Allerdings hat das Gericht im Falle einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber wegen unerlaubter Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers eine andere Ansicht geäußert: Zwar sei es Sache des Arbeitnehmers, substantiiert die Tatsachen vorzutragen, aus denen sich eine Einwilligung des Arbeitgebers ergeben könnte. Der Arbeitgeber habe aber dann die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, welche die vom Gekündigten behauptete Rechtfertigung durch Einwilligung aus-
282 RG 19.12.1924 – III 144/24, RGZ 109, 355 (357); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 30; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 38; Hopt/Roth41 Rn 7. 283 Vgl. LAG Berlin 17.2.1970 DB 1970, 1837; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 18; auf eine Duldung über einen längeren Zeitraum abstellend MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26. 284 Schlegelberger/Schröder Rn 9. 285 Krit. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 19. 286 BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 m. Anm. Fenn. 287 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 20). 288 LAG Rheinland-Pfalz 26.1.2015 – 2 Sa 367/14, BeckRS 2015, 6801. 289 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25. 290 HWK/Diller10 § 60 HGB Rn 26; GK/Etzel HGB8 Rn 9; ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 9; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 14; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 27; im Grundsatz auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 38, die dem Arbeitnehmer aber eine Beweiserleichterung zugestehen wollen (Vermutung der Einwilligung, wenn die Kenntnis des Arbeitgebers von der Wettbewerbstätigkeit sicher feststeht und zwischen Kenntniserlangung und Aufnahme der Konkurrenztätigkeit ein hinreichender Zeitraum – ca. ein Monat – liegt). 291 BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (Bl. 2R) = SAE 1977, 229 m. Anm. Baumgärtel. 755
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1. Buch. Handelsstand
schließen.292 Ob das BAG hieran festhalten wird, ist unklar; zuletzt hat es – allerdings in einem Schadensersatzprozess – wieder auf den Grundsatz der Darlegungs- und Beweislast des Arbeitnehmers hingewiesen.293 Richtigerweise muss dies auch im Kündigungsschutzprozess gelten. 80 Zu den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Einwilligung im Kündigungsschutzprozess (Obliegenheit des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber zur Einwilligung aufzufordern, und Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers) vgl. Rn 40. Eine generelle Regel, wonach die Einwilligung als erteilt gilt, wenn der Arbeitgeber auf einen schriftlichen Antrag des Arbeitnehmers hin nicht innerhalb eines Monats widerspricht,294 gibt es aber nicht.
II. Fingierte Einwilligung (Abs. 2) 81 Nach § 60 Abs. 2 wird die Einwilligung des Arbeitgebers in den Betrieb eines Handelsgewerbes fingiert, wenn der Handlungsgehilfe diese Tätigkeit schon vor dem Abschluss des Anstellungsvertrages betreibt und der Arbeitgeber es in Kenntnis dieser Tatsache unterlässt, mit dem Arbeitnehmer die Aufgabe des Geschäftsbetriebes zu vereinbaren. In diesem Fall kann der Arbeitgeber nachher nicht mehr den Weiterbetrieb verbieten. 82 § 60 Abs. 2 spricht ausdrücklich von Kenntnis des Arbeitgebers, sodass Kennenmüssen, also (grob) fahrlässige Unkenntnis, nicht ausreicht.295 Die Kenntnis muss der Arbeitnehmer beweisen.296 Der Kenntnisstand des Arbeitgebers im Augenblick des Vertragsschlusses bestimmt zugleich den zukünftigen Umfang des zulässigen Wettbewerbs; spätere Änderungen durch den Arbeitnehmer bedürfen daher einer erneuten Einwilligung.297 Der bloße Widerspruch des Arbeitgebers gegen die Fortführung des Betriebes durch den Arbeitnehmer schließt die Fiktionswirkung nicht aus, wenn der Arbeitnehmer den Widerspruch unbeachtet lässt und dennoch angestellt wird. § 60 Abs. 2 gilt nur für den Betrieb eines Handelsgewerbes nach Abs. 1 Alt. 1, nicht für 83 einzelne Geschäfte im Handelszweig des Arbeitgebers nach Abs. 1 Alt. 2. Eine analoge Anwendung auf Alt. 2 ist ausgeschlossen.298 War dem Arbeitgeber also bekannt, dass der Arbeitnehmer vor seiner Anstellung derartige Geschäfte getätigt hat, wird die Einwilligung nicht fingiert.299 In Betracht kommt hier aber eine stillschweigende Einwilligung.300 Dadurch werden die beiden Alternativen des Abs. 1 auch in diesem Punkt einander angenähert.301
III. Widerruf der Einwilligung 84 Die einmal erteilte oder nach § 60 Abs. 2 fingierte Einwilligung kann nicht nachträglich einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden, sofern dies nicht ein entsprechender – ggf. AGB-rechtlich
292 BAG 24.11.1983 – 2 AZR 327/82, AP § 626 BGB Nr. 76 m. Anm. Baumgärtel; 6.8.1987 AP § 626 BGB Nr. 97 m. zust. Anm. Baumgärtel; ebenso Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 150; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 20; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 281; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 23. 293 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 16, 20). 294 MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 14. 295 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 35; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 40; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 32; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 28. 296 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 96; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 33.1; Schlegelberger/Schröder Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 28. 297 Ebenso Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 40. 298 Hopt/Roth41 Rn 7. 299 Ebenso Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 97; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 29. 300 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 97; Hopt/Roth41 Rn 7. 301 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 38. Weber/Gräf
756
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 60
wirksamer – Vorbehalt vorsieht.302 Vereinzelt wird mit Hinweis auf § 183 Satz 1 BGB vertreten, dass die rechtsgeschäftlich erteilte Einwilligung bis zur Vornahme der Wettbewerbstätigkeit vom Arbeitgeber widerrufen werden könne.303 Nach dem oben Gesagten (Rn 75) kommt eine (direkte oder analoge) Anwendung des § 183 Satz 1 BGB aber nicht in Betracht; es gilt vielmehr die allgemeine Regelung des § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine unwiderruflich erklärte Einwilligung lässt sich allein durch eine – nur in Ausnahmefäl- 85 len in Betracht kommende304 – Änderungskündigung oder einvernehmlich durch Änderungsvertrag beseitigen.305 Sofern ein Widerrufsrecht besteht, gilt für dessen Ausübung § 315 BGB.306
E. Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes trägt der Ar- 86 beitgeber.307 Probleme kann in der Praxis die Frage bereiten, ob sich die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers tatsächlich im Marktbereich des Arbeitgebers bewegt (vgl. Rn 47 ff) oder ob der Arbeitnehmer als Anbieter tatsächlich nur für den Arbeitgeber als Nachfrager tätig geworden ist (vgl. Rn 63, 70). Die Rechtsprechung berücksichtigt dabei Umstände wie die Internetauftritte der Parteien oder Rechnungen.308 Der Anfangsverdacht eines Wettbewerbsverstoßes kann auch eine IT-Daten-Auswertung nach Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG legitimieren.309 Allgemein stellt die Rechtsprechung an die Darlegungslast im Rahmen des § 60 – zu Recht – keine allzu hohen Anforderungen.310 Für eine schlüssige Darlegung, der Arbeitnehmer habe im laufenden Arbeitsverhältnis Konkurrenzgeschäfte getätigt, muss der Arbeitgeber nichts zu den näheren Umständen der Vertragsschlüsse vortragen, ebenso wenig dazu, dass er die vom Arbeitnehmer getätigten Geschäfte selbst hätte abschließen können311 (vgl. Rn 65). I.R.d. § 61 Abs. 1 können sich freilich höhere Anforderungen ergeben312 (§ 61 Rn 12 f, 15 f). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Einwilligung des Arbeitgebers und 87 ggf. deren Umfang trägt der Arbeitnehmer (Rn 79). Gleiches gilt für die tatsächlichen Voraussetzungen der Fiktion nach § 60 Abs. 2 (Rn 82).
302 GK/Etzel HGB8 Rn 12; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 29; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 19; ErfK/ Oetker22 Rn 9; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 13; Hopt/Roth41 Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25. 303 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 31; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 38. 304 Näher BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 29.1. 305 HWK/Diller10 Rn 26; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 29; NK-GA/Reinhard2 Rn 9. 306 GK/Etzel HGB8 Rn 12; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 38; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 13. 307 LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 57). 308 LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 61 ff). 309 LAG Rheinland-Pfalz 24.1.2019 – 5 Sa 226/18, BeckRS 2019, 6752. 310 S. den Überblick mit Nachw. bei Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 20. 311 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 65) m. Anm. Diller; vgl. auch BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/ 11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 20 f). 312 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 65) m. Anm. Diller. 757
Weber/Gräf
§ 61 [Verletzung des Wettbewerbsverbots] (1) Verletzt der Handlungsgehilfe die ihm nach § 60 obliegende Verpflichtung, so kann der Prinzipal Schadensersatz fordern; er kann statt dessen verlangen, dass der Handlungsgehilfe die für eigene Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse und die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete. (2) Die Ansprüche verjähren in drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in welchem der Prinzipal Kenntnis von dem Abschluss des Geschäfts erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste; sie verjähren ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in fünf Jahren von dem Abschluss des Geschäfts an.
Schrifttum Vgl. die Nachweise bei § 60.
Übersicht 1
A.
Überblick
B.
Anwendbarkeit auf alle Arbeitsverhält3 nisse
D.
Weitere Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot
I. 1. 2.
Sonstige Zahlungsansprüche Konkurrierende Schadensersatzansprü38 che 40 Vertragsstrafe
II.
Unterlassungsanspruch
9
III.
Kündigung
15
IV.
Lohnanspruch des Arbeitnehmers
V.
Rechtsfolgen im Verhältnis zum Geschäftspart48 ner des Arbeitnehmers
E.
Verjährung (Abs. 2)
I.
Überblick und Normzweck
II.
Geltungsbereich
III. 1. 2. 3.
Fristbeginn und -berechnung Die Dreimonatsfrist des Abs. 2 Hs. 1 Die Fünfjahresfrist des Abs. 2 Hs. 2 62 Fristberechnung
C.
Die Rechte nach Abs. 1
I.
Wahlrecht
II. 1. 2. 3. 4.
Schadensersatz (Abs. 1 Hs. 1) Anspruchsvoraussetzungen 12 Ersatzfähiger Schaden Darlegungs- und Beweislast 17 Feststellungsklage
III. 1. 2.
„Eintrittsrecht“ (Abs. 1 Hs. 2) 18 Allgemeines Geschäfte auf eigene Rechnung (§ 61 Abs. 1 21 Hs. 2 Alt. 1) Geschäfte für fremde Rechnung (§ 61 Abs. 1 25 Hs. 2 Alt. 2) 28 Mehrere Einzelgeschäfte 29 Betrieb eines Handelsgewerbes Beteiligung an einer Konkurrenzgesell31 schaft
3. 4. 5. 6.
IV.
6
Auskunftsanspruch
33
43
45 47
50
52
56 61
A. Überblick 1 § 61 regelt nur einen Teil der Rechtsfolgen, die ein Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot haben kann. Unabhängig von der gesetzlichen Regelung kann nämlich der Arbeitgeber die Einhaltung des Wettbewerbsverbots mit einer Unterlassungsklage durchsetzen (Rn 43 f) und den Verstoß mit einer Kündigung sanktionieren (Rn 45 f). Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-049
758
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 61
Über die weiterhin anwendbaren nicht-vertraglichen Zahlungsansprüche (Rn 38 ff) hinaus 2 enthält § 61 Abs. 1 einerseits einen Schadensersatzanspruch gegen den Handlungsgehilfen (§ 61 Abs. 1 Hs. 1), für den sonst auf die Grundsätze des § 280 Abs. 1 BGB zurückzugreifen wäre (Rn 9 ff). Daneben gewährt die Vorschrift dem Arbeitgeber wahlweise ein sog. Eintrittsrecht (§ 61 Abs. 1 Hs. 2). Danach kann der Arbeitgeber die aus den Geschäften geschlossenen Vorteile an sich ziehen, indem er vom Handlungsgehilfen Herausgabe des Erlangten oder Abtretung von Forderungen verlangt (Rn 18 ff). Die Entscheidung des Arbeitgebers über die Ausübung des Wahlrechts zwischen Schadensersatz und „Eintrittsrecht“ wird durch einen Anspruch gegen den Handlungsgehilfen auf Auskunft (Rn 33 ff) über die betreffenden Geschäfte erleichtert. Für alle diese Ansprüche verkürzt § 61 Abs. 2 die Verjährungsfrist (Rn 50 ff).
B. Anwendbarkeit auf alle Arbeitsverhältnisse Wie § 60 gilt auch § 61 seinem Wortlaut nach nur für Handlungsgehilfen i.S.d. § 59 Satz 1 und 3 damit lediglich für eine Teilgruppe der Arbeitnehmer. Ob die §§ 60, 61 analog auf sonstige Arbeitnehmer angewendet werden können, ist umstritten. Im Rahmen des § 60 selbst ist der Streit dadurch entschärft, dass man bei Ablehnung einer Analogie jedenfalls über die allgemeine Schutzpflichtenregelung in § 241 Abs. 2 BGB zu denselben oder zumindest ähnlichen Ergebnissen käme (§ 60 Rn 15). Auch ein mit § 61 Abs. 1 Hs. 1 vergleichbarer Schadensersatzanspruch stünde damit zur Verfügung (§ 280 Abs. 1 bzw. §§ 280 Abs. 1, 2, 282 BGB). Erhebliche praktische Bedeutung hat die Analogie-Frage aber für § 61 Abs. 1 Hs. 2 und die Verjährungsregelung in § 61 Abs. 2, da es sich dabei um Besonderheiten gegenüber den vergleichbaren allgemeinen Vorschriften handelt1: Statt des „Eintrittsrechts“ i.S.d. § 61 Abs. 1 Hs. 2 wäre zwar an einen Herausgabeanspruch aus §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB zu denken.2 § 61 ist aber für den Handlungsgehilfen insofern strenger, als fahrlässiges Handeln des Arbeitnehmers für den Anspruch des Arbeitgebers auf Gewinnherausgabe ausreicht, während § 687 Abs. 2 BGB das Bewusstsein fordert, zu dem fremden Geschäft nicht berechtigt zu sein.3 Andererseits ist für den Arbeitgeber die kurze dreimonatige Verjährungsfrist nach § 61 Abs. 2 ungünstiger als das allgemeine Verjährungsrecht (§§ 194 ff BGB). Das BAG lehnte früher eine analoge Anwendung des § 61 auf andere Arbeitnehmer ab,4 hat 4 aber im Jahr 2007 seine Rechtsprechung geändert.5 Zwar wird im Schrifttum gesagt, das BAG habe dies in seiner Entscheidung vom 24.3.20106 zwischenzeitlich wieder in Zweifel gezogen.7 Tatsächlich ging es in dieser Entscheidung aber um ein Zweitarbeitsverhältnis, das von vornherein nicht von den Verbotstatbeständen des § 60 Abs. 1 erfasst war (vgl. § 60 Rn 69). Auch in neueren Entscheidungen hat das BAG § 61 – und zwar in beiden Absätzen – auf nicht-kaufmännische Arbeit1 Dazu eingehend Wagner S. 64 ff. 2 Allerdings ist bereits str., ob § 687 Abs. 2 BGB überhaupt Anwendung findet, wenn sich die angemaßte Eigengeschäftsführung zugleich als Verletzung einer Vertragspflicht darstellt, vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6 mit Nachw. 3 Vgl. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 109; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6; Wagner S. 672 f; vgl. demgegenüber Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6: in der Regel keine praktischen Auswirkungen des unterschiedlichen Verschuldensmaßstabs. 4 BAG 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 m. Anm. Lüderitz; 16.1.1975 – 3 AZR 72/14, AP § 60 HGB Nr. 8 m. Anm. Beuthien/Janzen; 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 = SAE 1977, 226 m. Anm. Baumgärtel; vgl. aber bereits BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 16), wo das Gericht jedenfalls der Diktion nach bezüglich der Verjährungsregel des § 61 Abs. 2 keine Unterscheidung zwischen Handlungsgehilfen und sonstigen Arbeitnehmern mehr macht. 5 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 17 ff) m. Anm. Diller; s. bereits LAG Baden-Württemberg 28.1.2004 – 2 Sa 76/03, LAGReport 2004, 336. 6 BAG 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, AP Art. 12 GG Nr. 141 (Rn 16 f) m. Anm. Diller. 7 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2. 759
Weber/Gräf
§ 61
1. Buch. Handelsstand
nehmer angewandt, ohne dies allerdings dogmatisch (erneut) zu begründen bzw. konkret von einer Analogie zu sprechen.8 Für die Praxis kann die Rechtsprechung über die Anwendungserstreckung auf sonstige Arbeitnehmer aber jedenfalls im Ergebnis als gefestigt gelten.9 5 In der Tat sprechen die besseren Gründe für eine analoge Anwendung der Vorschrift.10 Eine Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung von Handlungsgehilfen und anderen Arbeitnehmern hinsichtlich des Anspruchs auf Gewinnherausgabe (§ 61 Abs. 1 Hs. 2) ist nicht ersichtlich.11 Insofern scheint eine Gleichbehandlung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht (Art. 3 Abs. 1 GG) geboten.12 Methodische Bedenken greifen im Ergebnis ebenfalls nicht durch (vgl. zur Bedeutung des § 110 Satz 2 GewO bereits § 60 Rn 16). Hinsichtlich der Verjährungsregelung in § 61 Abs. 2 vermögen angesichts der identischen Interessenlage die früher geäußerten Zweifel des BAG am Gerechtigkeitsgehalt der Vorschrift13 nicht zu überzeugen, zumal das Gesetz ähnliche Regelungen in § 113 Abs. 3, § 88 Abs. 3 AktG und § 284 Abs. 3 AktG enthält.14 Der Arbeitgeber ist im Übrigen ausreichend geschützt, da er bereits mit der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs und des unbezifferten Leistungsantrags im Wege einer Stufenklage die Verjährung hemmen kann15 (Rn 58). Auch die Verjährungsfrist ist deshalb analog auf alle Arbeitsverhältnisse anzuwenden.16 Nichts anderes kann damit für den Schadensersatzanspruch nach § 61 Abs. 1 Hs. 1 gelten.
C. Die Rechte nach Abs. 1 I. Wahlrecht 6 Verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot, so kann der Arbeitgeber wählen, ob er Schadensersatz nach den Grundsätzen der §§ 249 ff BGB verlangt (Abs. 1 Hs. 1) oder ob er 8 BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 13, 18 ff); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 23 ff); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 53, 60 ff); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 38) m. Anm. Diller. 9 Anders HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 2. 10 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 178 ff; HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 2; GK/Etzel HGB8 Rn 2 (anders dort noch 6. Aufl.); BeckOK-ArbR/Hagen64 § 61 HGB Rn 1; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 4; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 267; NK-GA/Reinhard2 § 61 HGB Rn 2; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 5 f; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 4; in der Sache auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 5 f; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 21; jdf. für § 61 Abs. 2 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 7 (unklar Rn 6 bzgl. Abs. 1) aA LAG Berlin 17.2.1970 4 (5) Sa 115/67, DB 1970, 1837 (1838); Weisemann/Schrader DB 1980, Beilage 4 S. 5; diff. Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 3: analoge Anwendung nur auf freie Berufe. Vgl. auch § 80 Abs. 3 des Diskussionsentw. eines ArbVG (Beil. zu NZA 23/2006, aktualisierte Fassung in Beil. zu NZA 21/ 2007). 11 Vgl. inzwischen auch BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 19 ff) m. Anm. Diller; s. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2. Für den umgekehrten Weg, nämlich eine an Art. 3 GG orientierte verfassungskonforme Reduktion des § 61 auf vorsätzliches Handeln, plädiert Wagner S. 76. 12 Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 4. 13 BAG 12.6.1972 AP § 60 HGB Nr. 8 (Bl. 4) = RdA 1975, 266; dagegen bereits BAG 11.4.2000 – 9 AZR 131/99, AP § 61 HGB Nr. 3 (Bl. 1R f); 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 16). 14 Vgl. jetzt auch BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 16); 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 23) m. Anm. Diller. 15 BAG 28.1.1986 – 3 AZR 449/84, AP § 61 HGB Nr. 2 (Bl. 2R); 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 15) m. Anm. Diller. 16 Vgl. jetzt auch BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 17 ff) m. Anm. Diller; s. zur Folgerechtsprechung die o.g. Nachw.; s. bereits LAG Baden-Württemberg 28.1.2004 – 2 Sa 76/03, LAG-Report 2004, 336; aus der Lit. speziell zu § 61 Abs. 2 Beuthien/Janzen Anm. zu BAG § 60 HGB AP Nr. 8; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 188; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 32; Wagner S. 81 ff; aA Weisemann/Schrader DB 1980, Beilage 4 S. 5; vgl. weiterhin die oben bereits genannten Nachw. zur analogen Anwendbarkeit des § 61 allgemein. Weber/Gräf
760
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 61
stattdessen vom Arbeitnehmer fordert, ihn so zu stellen, als ob die Geschäfte für ihn, den Arbeitgeber, geschlossen wären (Abs. 1 Hs. 2). Für dieses Wahlrecht gilt nicht § 262 BGB (Wahlschuld), denn es werden nicht von vornherein mehrere Leistungen geschuldet, von denen die eine oder die andere die Erfüllung einer Verbindlichkeit bewirkt. Es handelt sich vielmehr um eine sog. facultas alternativa (Ersetzungsbefugnis) des Gläubigers, die erst in dem Zeitpunkt eintritt, in dem der Schuldner gegen seine Vertragspflicht verstößt.17 Allerdings ist das Wahlrecht nach § 263 Abs. 1 BGB analog durch eine formlose, dem Arbeit- 7 nehmer gegenüber abzugebende, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers auszuüben.18 Ist die Erklärung zugegangen, gilt der Anspruch auf die gewählte Leistung in analoger Anwendung des § 263 Abs. 2 BGB als von Anfang an geschuldet und ist unwiderruflich.19 Die Abgabe der Erklärung kann auch in der gerichtlichen Geltendmachung des betreffenden Anspruchs liegen.20 Im Übrigen finden die §§ 262 ff BGB keine – auch keine analoge – Anwendung;21 insbesondere hat der Arbeitnehmer nicht das Recht, dem Arbeitgeber für die Vornahme der Wahl nach § 264 Abs. 2 BGB eine Frist zu setzen.22 Allein die Verjährungsvorschrift des § 61 Abs. 2 setzt der Ausübung des Wahlrechts – und der Geltendmachung des Anspruchs überhaupt – eine zeitliche Grenze. Das Wahlrecht kann, wenn der Arbeitnehmer eine Mehrzahl verbotener Einzelgeschäfte 8 (§ 60 Abs. 1 Alt. 2) vornimmt, grundsätzlich für jedes Geschäft separat ausgeübt werden. Dies gilt aber nicht, wenn Geschäfte in sachlichem Zusammenhang zueinander stehen oder zum Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 60 Abs. 1 Alt. 2) gehören (Rn 28, 30).
II. Schadensersatz (Abs. 1 Hs. 1) 1. Anspruchsvoraussetzungen Der Schadensersatzanspruch setzt zunächst einen objektiven Verstoß gegen das Wettbewerbs- 9 verbot nach § 60 Abs. 1 voraus. In Betracht kommen dabei nicht nur der Abschluss konkreter Rechtsgeschäfte, sondern auch das Betreiben eines Handelsgewerbes selbst sowie tatsächliche (Vorbereitungs)Handlungen, welche die erforderliche Gefährdungsschwelle überschreiten23 (§ 60 Rn 58 ff, 68, 71). Insofern ist der Anwendungsbereich des Schadensersatzanspruchs weiter als der des „Eintrittsrechts“ nach § 61 Abs. 1 Hs. 2, das nur an Geschäfte im rechtsgeschäftlichen Sinne anknüpft. Nach dem Wortlaut des § 61 Abs. 1 setzt der Schadensersatzanspruch kein schuldhaftes Ver- 10 halten des Arbeitnehmers voraus. Demgegenüber geht man zu Recht einhellig davon aus, dass sowohl der Schadensersatzanspruch als auch das Eintrittsrecht nur bei mindestens fahrlässi-
17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 114; BeckOGKHGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 3; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 5; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 22; Schaub/ Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 23; Wagner S. 77 f; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 21; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1: elektive Konkurrenz, erst durch die Wahl werde der Anspruch entweder auf Schadensersatz oder Eintrittsrecht konkretisiert, insofern zust. MünchArbR/Reichold5 a.a.O.; bzgl. der Nichtanwendbarkeit der §§ 262 und 264 Abs. 2 BGB ist man sich aber einig. 18 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 285. 19 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 11; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2; Tschöpe/ Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 285; NK-GA/Reinhard2 § 61 HGB Rn 3; aA Wagner S. 78 f. 20 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 11. 21 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1. 22 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 3; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 5; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 23; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 21. 23 Vgl. Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 22. 761
Weber/Gräf
§ 61
1. Buch. Handelsstand
ger (§ 276 BGB) Verletzung des Wettbewerbsverbots durch den Arbeitnehmer entstehen.24 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass entgegen den allgemeinen Grundsätzen der Schadensersatzhaftung gerade hier die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht verschuldensunabhängig sanktioniert werden soll. 11 Was die Beweislast hinsichtlich des Vertretenmüssens betrifft, gilt nicht § 619a BGB; denn die Vorschrift ist zu weit gefasst und muss teleologisch reduziert werden: Sie wurde im Zuge der Schuldrechtsreform eingeführt, um die bisherige Rechtsprechung zur Beweislastverteilung im Zusammenhang mit der Haftungsprivilegierung des Arbeitnehmers bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten aufrecht zu erhalten. Nur in solchen Fällen kommt § 619a BGB daher zur Anwendung.25 Verstöße gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot fallen nicht hierunter.26 Deshalb bleibt es bei der allgemeinen – hier analog anzuwendenden – Regel des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, sodass dem Arbeitnehmer der Entlastungsbeweis hinsichtlich des Vertretenmüssens obliegt.27
2. Ersatzfähiger Schaden 12 Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 249 ff BGB.28 Dabei muss der Verstoß gegen § 60 Abs. 1 nach allgemeinen Grundsätzen kausal für den Schaden gewesen sein.29 Der Schaden des Arbeitgebers wird neben Beeinträchtigungen seines bereits vorhandenen 13 Vermögens meist auch in dem ihm durch den Wettbewerb des Arbeitnehmers entgangenen Gewinn bestehen (vgl. § 252 BGB).30 Bei der Schadensermittlung kommt es darauf an, welchen Gewinn der Arbeitgeber selbst hätte erzielen können, wenn er an der Stelle des Arbeitnehmers gestanden hätte. Deshalb muss sich die Höhe des Ersatzanspruchs nicht mit dem Gewinn des Arbeitnehmers decken.31 Der Ersatzanspruch kann höher sein, wenn der Arbeitgeber selbst erfolgreicher gewesen wäre. Umgekehrt kann aber der Arbeitgeber das Ergebnis eines besonderen Geschicks des Arbeitnehmers nur dann als Schadensersatz geltend machen, wenn ohne den Wettbewerbsverstoß er selbst der Vertragspartner geworden wäre, der Arbeitnehmer ihn also ansonsten vertreten hätte. Immer ist Voraussetzung, dass der Arbeitgeber auf den betreffenden Abschluss eingegangen wäre.32 Hätte der Arbeitgeber das Geschäft selbst nicht abgeschlossen, bleibt ihm aber noch das „Eintrittsrecht“ und damit die Möglichkeit, den Gewinn des Arbeitnehmers abzuschöpfen.33 Zur Darlegungs- und Beweislast und zur „Lizenzanalogie“ vgl. Rn 16.
24 LAG Rheinland-Pfalz 23.3.2007 – 6 Sa 854/06, BeckRS 2007, 45727 (unter II 1); Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 100; HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 3; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; Isele Anm. zu BAG 22.8.1966 AP § 687 BGB Nr. 3 (Bl. 3R); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 24; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 8; Wagner S. 65. 25 MünchKommBGB/Henssler8 § 619a Rn 55; HWK/Krause10 § 619a BGB Rn 43; ErfK/Preis22 § 619a BGB Rn 4. 26 Vgl. BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 28 f). 27 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; ebenso i.E. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 24; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8; s. bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung Staub/Konzen/Weber4 § 61 Rn 9; Wagner S. 6; diff. HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 4: Es soll darauf ankommen, ob die für das Vertretenmüssen maßgeblichen Gründe aus der Sphäre des Arbeitgebers oder derjenigen des Arbeitnehmers kommen. 28 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 23). 29 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9. 30 Vgl. BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 24); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 61). 31 Vgl. auch ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 4: keine Gewinnabschöpfung; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 32 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 33 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 61
Der zu ersetzende Schaden des Arbeitgebers kann auch in Kosten zur Schadensabwehr oder 14 -minderung bestehen.34 So kann der Ersatzanspruch das anteilige Gehalt anderer Arbeitnehmer erfassen, die der Arbeitgeber zur Rückgewinnung von durch die Konkurrenztätigkeit verloren gegangener Kunden einsetzen muss oder die die Arbeit des zu Recht gekündigten Arbeitnehmers übernehmen müssen. Im letztgenannten Fall muss sich der Arbeitgeber allerdings im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, was er an Gehalt für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer eingespart hat.35 Zum Schaden des Arbeitgebers können auch die Kosten für den Einsatz eines Detektivs zur Aufdeckung eines Wettbewerbsverstoßes gehören.36
3. Darlegungs- und Beweislast Hinsichtlich des objektiven Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot nach § 60 Abs. 1 trägt der 15 Arbeitgeber, hinsichtlich einer möglichen Einwilligung der Arbeitnehmer die Beweislast (§ 60 Rn 79, 86 f). Im Rahmen der Verschuldensvermutung obliegt dem Arbeitnehmer der Entlastungsbeweis (Rn 11). Die Darlegungs- und Beweislast für die Entstehung des Schadens, dessen Höhe und die 16 Kausalität trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitgeber.37 Dieser kann allerdings auf die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zurückgreifen.38 Zudem findet § 287 Abs. 1 ZPO Anwendung, der das richterliche Ermessen hinsichtlich der Schadenshöhe erweitert und dadurch die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers (weiter) relativiert.39 Der Arbeitgeber muss allerdings ausreichende Grundlagen für die Schätzung nach § 287 Abs. 1 ZPO – mit den Worten der Rechtsprechung: „greifbare Anknüpfungstatsachen“ – darlegen und ggf. beweisen.40 Eine Schätzung, die mangels solcher Anhaltspunkte „in der Luft hinge“, scheidet aus.41 Zudem erleichtert die Rechtsprechung dem Arbeitgeber die Schadensbezifferung zusätzlich: Hat der Arbeitnehmer unter Verletzung eines Betriebsgeheimnisses unlauteren Wettbewerb betrieben, so kann der Arbeitgeber den entstandenen Schaden im Wege der sog. „Lizenzanalogie“ berechnen, also die Geldbeträge in Höhe der Gebühren verlangen, die ihm bei einer Lizenzvergabe vom Arbeitnehmer hätten gezahlt werden müssen.42
4. Feststellungsklage Sofern zukünftige Schäden drohen, deren Art und Umfang aber noch ungewiss sind, hat der 17 Arbeitgeber auch die Option, die gerichtliche Feststellung zu beantragen, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, zukünftige Schäden aus dem Wettbewerbsverstoß zu ersetzen. Für das nach 34 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6. 35 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 324/69, AP § 60 HGB Nr. 5 (Bl. 3R f) m. Anm. Weitnauer/Emde; Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 9. 36 Vgl. BAG 17.9.1998 – 8 AZR 5/97, AP § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers Nr. 133; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 37 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 38 Vgl. BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 26); 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 63). 39 BAG 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, AP § 60 HGB Nr. 13 (Rn 35 ff); 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 23, 25 f); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 65) m. Anm. Diller; vgl. auch BAG 26.9. 2012 – 10 AZR 370/10, AP § 287 ZPO Nr. 27 (Rn 19 ff). 40 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 26); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 65) m. Anm. Diller; s. auch LAG Hessen 17.5.2017 – 18 Sa 684/16, BeckRS 2017, 139137 (Rn 32). 41 BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 24). 42 BAG 24.6.1986 – 3 AZR 486/84, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 4 m. Anm. Hubmann; vgl. auch Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 908; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 763
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§ 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse genügt es, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts besteht.43 Unabhängig davon soll sich das Feststellunginteresse aus der drohenden Verjährung nach § 61 Abs. 2 ergeben.44
III. „Eintrittsrecht“ (Abs. 1 Hs. 2) 1. Allgemeines 18 Die Geschäfte, die der Arbeitnehmer in Ausübung seiner Konkurrenztätigkeit mit Dritten schließt, sind nicht nach § 134 BGB nichtig (Rn 48). Der Arbeitgeber ist vielmehr dadurch geschützt, dass er nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 den wirtschaftlichen Erfolg, den der Arbeitnehmer mit dem verbotenen Geschäft erzielt hat, für sein eigenes geschäftliches Unternehmen in Anspruch nehmen kann. Für § 61 Abs. 1 Hs. 2 hat sich der Begriff „Eintrittsrecht“ eingebürgert. Dieser ist allerdings missverständlich;45 denn auch in diesem Fall bleiben die Auswirkungen einer verbotenen Konkurrenztätigkeit primär auf das Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beschränkt. Der Arbeitgeber wird nicht unmittelbarer Vertragspartner der – wirksam geschlossenen – Geschäfte,46 sondern kann lediglich die aus den Geschäften folgenden Vorteile an sich ziehen, indem er vom Arbeitnehmer Herausgabe des Erlangten oder Abtretung von Forderungen verlangt. Den Eingriff in den Interessenbereich des Arbeitgebers durch die Konkurrenztätigkeit behandelt der Gesetzgeber also ähnlich wie bei § 687 Abs. 2 BGB so, als ob der Arbeitnehmer fremde Geschäfte als eigene geführt habe.47 19 Die Möglichkeit des Wahlrechts zwischen Gewinnherausgabe und Schadensersatz hat für den Arbeitgeber den Vorteil, dass er in jedem Fall die Vorteile des Geschäfts ganz an sich ziehen kann. Konnte der Arbeitnehmer einen Gewinn erzielen, den der Arbeitgeber selbst nicht erreicht hätte, hat der Arbeitgeber Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Höhe des entgangenen Gewinns oder hätte er das Geschäft selbst überhaupt nicht abschließen können, so wird er das „Eintrittsrecht“ geltend machen. Seinem Wesen nach ist das „Eintrittsrecht“ demnach eine pauschale Schadensersatzregelung.48 Kann der Arbeitgeber hingegen nachweisen, dass er anstelle des Arbeitnehmers einen höheren Gewinn gehabt hätte, so ist der Schadensersatzanspruch jedenfalls so lange günstiger, als dieser beim Arbeitnehmer auch realisierbar ist. 20 Das „Eintrittsrecht“ setzt wie der Schadensersatzanspruch (vgl. Wortlaut: „statt dessen“) voraus, dass der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot schuldhaft verletzt hat (Rn 10 f).49 Auch hier greift die Verschuldensvermutung analog § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.50 Anders als § 687 Abs. 2 BGB setzt § 61 Abs. 1 Hs. 2 keinen Vorsatz voraus;51 es gilt wie beim Schadensersatzanspruch der allgemeine Verschuldensmaßstab des § 276 BGB.52 Im Gegensatz zu § 61 Abs. 1 Hs. 1 bedarf es auch nicht eines kausalen Schadens. Der Arbeitgeber muss also nicht nachweisen, dass er
43 BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 22 ff) m.w.N.; vgl. auch ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. BAG 19.12.2018 – 10 AZR 233/18, AP § 60 HGB Nr. 16 (Rn 23 f) m.w.N. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15; Wagner S. 66. ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 5. Vgl. BAG 22.8.1966 – 3 AZR 157/66, AP § 687 BGB Nr. 3 m. Anm. Isele; eingehend Wagner S. 68 ff. BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (unter 1) m. Anm. Hefermehl; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 15; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 13: Fiktion. 49 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 100; HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 3; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 14. 50 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 14. 51 So aber Schlegelberger/Schröder Rn 6a, der die Anforderungen des § 687 Abs. 2 BGB auf § 61 Abs. 1 Hs. 2 übertragen möchte. 52 Ganz hM, statt vieler Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13.
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vom wettbewerbswidrigen Geschäftsabschluss erfahren und das Geschäft selber abgeschlossen hätte53 (vgl. Rn 19).
2. Geschäfte auf eigene Rechnung (§ 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1) Macht der Arbeitgeber von seinem Recht Gebrauch, in ein Geschäft einzutreten, das der Arbeit- 21 nehmer für eigene Rechnung getätigt hat, so kann er nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 vom Arbeitnehmer fordern, dass der Arbeitnehmer das Geschäft „als für Rechnung des Prinzipals eingegangen gelten lasse“. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer sich vom Arbeitgeber so behandeln lassen muss, als habe ihn der Arbeitgeber zum Geschäftsabschluss beauftragt; es gelten damit zugunsten des Arbeitgebers die §§ 666, 667 BGB entsprechend.54 Der Arbeitgeber kann also entsprechend § 667 BGB verlangen, dass der Arbeitnehmer ihm – je nachdem, ob das Geschäft schon abgewickelt wurde oder nicht – das aus dem Geschäft Erlangte herausgibt oder seine auf dem Geschäft beruhenden Forderungen abtritt.55 Im letztgenannten Fall hat der Arbeitgeber zudem einen Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitnehmer die zur Geltendmachung der Forderungen nötige Auskunft erteilt und die in seinem Besitz befindlichen, zum Beweis der Forderungen dienenden Urkunden übergibt (§ 402 BGB).56 Ist der Arbeitnehmer für ein Konkurrenzunternehmen im Rahmen eines weiteren Arbeits- 22 verhältnisses tätig, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber als das Erlangte das Arbeitsentgelt herausverlangen kann. Dies ist mit dem BAG zu verneinen; denn der Abschluss des Arbeitsvertrags (mit dem Konkurrenzunternehmen) stellt weder ein für eigene Rechnung gemachtes „Geschäft“ i.S.d. § 60 Abs. 1 (§ 60 Rn 69) noch ein für eigene Rechnung gemachtes „Geschäft“ i.S.d. § 61 Abs. 1 dar.57 Für Vergütungen aus Dienstverträgen – etwa im Rahmen eines GmbH-Geschäftsführer-Anstellungsvertrags – gilt dies entsprechend.58 Zu gegen § 60 Abs. 1 verstoßenden Einzelgeschäften, die der Arbeitnehmer im Rahmen eines solchen Zweitarbeitsverhältnisses „auf fremde Rechnung“ abschließt, vgl. noch Rn 26; zur Nicht-Geltung der verkürzten Fristen nach § 61 Abs. 2 vgl. Rn 39, 55. Macht der Arbeitgeber erfolgreich einen Anspruch aus § 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 i.V.m. § 667 23 BGB auf Herausgabe des Erlangten bzw. auf Forderungsabtretung geltend, können für ihn daraus im Gegenzug aber auch gewisse Pflichten erwachsen: Er muss wie bei § 687 Abs. 2 BGB59 die Gegenleistungen, zu denen der Arbeitnehmer sich aufgrund des Geschäfts verpflichtet hat, übernehmen. Zudem muss er dem Arbeitnehmer entsprechend § 670 BGB (vgl. zur Geltung des Auftragsfolgenrechts Rn 21) dessen Aufwendungen für das Geschäft erstatten60 bzw. ihn freistellen.61 Zur Zahlung einer Vergütung an den Arbeitnehmer für dessen Konkurrenztätigkeit ist er grundsätzlich nicht verpflichtet; etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn der wettbewerbswidrig handelnde Arbeitnehmer auch sonst eine solche hätte beanspruchen können (z.B. aufgrund einer zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuvor geschlossenen Provisionsverein53 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10, 16. 54 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 18.1; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 5; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 24; vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 8.
55 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15. 56 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 19. 57 BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 18 ff); vgl. bereits BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (unter 2 b) m. Anm. Hefermehl; ebenso etwa Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 16; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 16; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 24. 58 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 16. 59 Für eine Anwendbarkeit des § 687 Abs. 2 ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 5. 60 LAG Niedersachen 12.11.2015 – 7 Sa 1690/14, BeckRS 2016, 66178 (Rn 24 ff); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 18 f; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 8. 61 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 22 mit Hinweis darauf, dass auch eine Vorschussleistung entsprechend § 669 BGB in Betracht kommt. 765
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barung).62 Wegen solcher Gegenansprüche hat der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 Abs. 1 BGB.63 24 Ist das Geschäft noch nicht abgewickelt und macht der Arbeitgeber seinen Anspruch aus § 61 Abs. 1 Hs. 2 geltend, so hat der Arbeitnehmer es für den Arbeitgeber durchzuführen, ohne für seine Tätigkeit eine Vergütung beanspruchen zu können.64
3. Geschäfte für fremde Rechnung (§ 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2) 25 Hat der Arbeitnehmer verbotswidrig ein Geschäft für fremde Rechnung getätigt, kann der Arbeitgeber nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 verlangen, dass der Arbeitnehmer „die aus [den] Geschäften […] bezogene Vergütung herausgebe oder seinen Anspruch auf die Vergütung abtrete“. Auch in solchen Fällen kann der Arbeitgeber ggf. auf einen Auskunfts- und Urkundsherausgabeanspruch zurückgreifen (Rn 21). Bedeutung hat § 61 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 vor allem, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen eines 26 Zweitarbeitsverhältnisses oder eines Dienstvertrags (z.B. als Geschäftsführer) bei einem Konkurrenzunternehmen tätig ist und dort auf Rechnung des Konkurrenzunternehmens verbotswidrig Geschäfte abschließt. Als „Vergütung“, die der Arbeitnehmer „aus“ dem Geschäft bezogen hat, kann der Arbeitgeber allerdings nur etwaige Provisionen herausverlangen,65 nicht aber das laufende Festgehalt des Arbeitnehmers. Bei letzterem fehlt es an dem erforderlichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Geschäft und Vergütung. Als „Vergütung“ sind mit anderen Worten nur solche Entgelte anzusehen, die für bestimmte Geschäftsabschlüsse gezahlt werden.66 Fehlt es an einer solchen „Vergütung“, bleibt dem Arbeitgeber lediglich der Weg über den Schadensersatz (§ 61 Abs. 1 Hs. 1)67 – freilich mit den oben skizzierten erhöhten Anforderungen. So muss der Arbeitgeber etwa nachweisen, dass er ohne das wettbewerbswidrige Verhalten des Arbeitnehmers Kenntnis von der Geschäftsgelegenheit erhalten und das Geschäft auch tatsächlich abgeschlossen hätte.68 Hinsichtlich der Pflicht des Arbeitgebers zur Erstattung der Aufwendungen und zur Über27 nahme der eingegangenen Verpflichtungen gilt das in Rn 23 Gesagte.
4. Mehrere Einzelgeschäfte 28 Kommen mehrere wettbewerbswidrige Geschäfte in Frage, geht das BAG davon aus, dass das „Eintrittsrecht“ nur in Bezug auf alle Geschäfte einheitlich ausgeübt werden kann.69 Der Arbeitgeber kann danach nicht den einen oder anderen Abschluss, der ihm vorteilhaft erscheint, herausgreifen und die unvorteilhaften beiseite lassen.70 Der Grundsatz der einheitlichen Ausübung kann richtigerweise allerdings nur für Geschäfte gelten, die miteinander in einem sachlichem Zusammenhang stehen.71 Umgekehrt ginge es zu weit, dem Arbeitgeber 62 LAG Niedersachen 12.11.2015 – 7 Sa 1690/14, BeckRS 2016, 66178 (Rn 25); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 22; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 24.
63 Ebenso Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 22. 64 AA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15, die dem Arbeitnehmer jedenfalls ein Kündigungsrecht nach Maßgabe des § 671 Abs. 1, 2 BGB zubilligen wollen.
65 Vgl. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 24). 66 BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 21 ff); ebenso die einhellige Lit., s. stv. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 23. BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 25). Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10, 16. BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (unter 1) m. Anm. Hefermehl. So Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 8. So auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26; vgl. auch NK-GA/Reinhard2 § 61 HGB Rn 3.
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eine „Rosinenpickerei“ auch innerhalb sachlich zusammenhängender Geschäfte zu gewähren.72 Dafür spricht auch, dass nach kaufmännischer Auffassung bei einer Anzahl zusammenhängender Geschäfte unter „gemachten Geschäften“ nicht das einzelne Rechtsgeschäft zu verstehen ist, sondern die Gesamtheit der Abschlüsse, die im wirtschaftlichen Sinne eine Einheit bilden. Außerdem steht die Zusammenfassung sachlich zusammengehöriger Geschäfte im Einklang mit den hier vertretenen Grundsätzen zum Vertrauensschutz (§ 60 Rn 66 f) und zum Fristbeginn nach § 61 Abs. 2 (vgl. Rn 57 f); auch dort werden solche Geschäfte jeweils als Einheit betrachtet.
5. Betrieb eines Handelsgewerbes Das „Eintrittsrecht“ besteht zwar grundsätzlich sowohl für die Fälle, in denen die Konkurrenztä- 29 tigkeit des Arbeitnehmers im Abschluss einzelner verbotswidriger Geschäfte besteht (§ 60 Abs. 1 Alt. 2), als auch für die, in denen der Arbeitnehmer ein verbotenes Handelsgewerbe im Handelszweig des Arbeitgebers führt (§ 60 Abs. 1 Alt. 1). Auch im letzterem Fall ermöglicht § 61 Abs. 1 Hs. 2 dem Arbeitgeber allerdings nur, die wirtschaftlichen Vorteile der vorgenommenen Geschäfte an sich zu ziehen. Er kann nicht einfach anstelle des Arbeitnehmers das Handelsgewerbe schlechthin übernehmen oder den Arbeitnehmer zur Fortführung des Handelsgewerbes zwingen.73 Entschließt sich der Arbeitgeber zur Ausübung des „Eintrittsrechts“, muss er alle in dem 30 Handelsgewerbe getätigten Geschäfte im Handelszweig des Arbeitgebers einheitlich für sich beanspruchen; eine „Rosinenpickerei“ ist auch hier ausgeschlossen74 (vgl. Rn 28). Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Verstößen gegen § 60 Abs. 1 Alt. 1 und Alt. 275 liegt darin nicht.
6. Beteiligung an einer Konkurrenzgesellschaft Beteiligt sich der Arbeitnehmer in einer für das Wettbewerbsverbot relevanten Weise an ei- 31 nem konkurrierenden Handelsunternehmen als Gesellschafter (vgl. § 60 Rn 57, 72), so stößt die Umsetzung des „Eintrittsrechts“ an Grenzen. Dieses ist auf Fälle zugeschnitten, in denen der Arbeitnehmer entweder einzelne Geschäfte vornimmt oder als Einzelkaufmann tätig wird (Rn 21 ff, 29). Da eine Außenwirkung des Wettbewerbsverbots nicht in Betracht kommt und unmittelbare Rechtsbeziehungen zu Dritten dadurch also nicht begründet werden können (Rn 48 f), scheidet die Möglichkeit aus, dass der Arbeitgeber unmittelbar in die Stellung des Arbeitnehmers als Gesellschafter einrückt, indem er sich die Gesellschaftsanteile abtreten lässt.76 Dies gilt nicht nur für mehrgliedrige Gesellschaften,77 sondern auch für Einpersonengesellschaften.78
So aber HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 9; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 3. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 18. GK/Etzel HGB8 Rn 10; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 19. In diese Richtung geht die Kritik von Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 19. BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2 f) m. Anm. Hefermehl; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 120; K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 2 b cc (Rn 27); s. auch zu § 113: BGH 6.12.1962 – KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (310); 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 (171) = JZ 1984, 576 m. Anm. Immenga = ZGR 1986, 163 m. Anm. Wiedemann/ Hirte. 77 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20 mit dem zutr. Hinweis, dass den Mitgesellschaftern ansonsten ein neuer Gesellschafter aufgedrängt würde, den sie sich nicht ausgesucht haben. 78 HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 21; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22; aA Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer2, 1987 S. 36.
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Denkbar ist aber, dass der Arbeitgeber die Ergebnisse des Geschäftsbetriebs der anderen Gesellschaft an sich zieht, indem er vom Arbeitnehmer die Herausgabe seines Gewinnanteils verlangt. Das BAG hat auch dies in einer älteren Entscheidung abgelehnt: Dem stehe entgegen, dass das „Eintrittsrecht“ ohne wesentliche Umstellung des Inhalts der verbotswidrig vorgenommenen Geschäfte verwirklicht werden müsse. Um eine solche wesentliche Umstellung soll es sich aber handeln, wenn für das Eintrittsrecht die Rechtsstellung des Arbeitnehmers als Gesellschafter auf seinen Gewinnanteil reduziert würde.79 Mit diesem Argument lässt sich eine derart weitreichende Einschränkung des „Eintrittsrechts“ aber nicht begründen. Entscheidend ist, dass es durch die Abschöpfung des reinen Gewinnanteils – anders als in der in Rn 31 geschilderten Situation – zu keinerlei Beeinträchtigung der Mitgesellschafter kommt.80 Durch die Gewinnabschöpfung wird der Arbeitnehmer lediglich so gestellt, als sei er an der Konkurrenzgesellschaft nur treuhänderisch, nämlich für die Rechnung seines Arbeitgebers, beteiligt; dies ist aus gesellschaftsrechtlicher Sicht unproblematisch.81 Dies käme auch nicht etwa einem von § 61 Abs. 1 Hs. 2 nicht vorgesehenen Teileintritt in das verbotene Konkurrenzgeschäft gleich.82 Dementsprechend hat auch der BGH im Zusammenhang mit der Parallelregelung in § 113 Abs. 1 zu Wettbewerbsverstößen von OGH-Gesellschaftern keine Bedenken gegen Herausgabe des Gewinnanteils gesehen.83 Ein solches „Eintrittsrecht“ ist damit zu bejahen.84 Die hier in der Vorauflage vertretene Gegenauffassung85 wird aufgegeben.
IV. Auskunftsanspruch 33 Das Wahlrecht des Arbeitgebers (Rn 6 ff) wird durch einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer über die betreffenden Konkurrenzgeschäfte flankiert.86 Er hat die Funktion, den Arbeitgeber in die Lage zu versetzen, den Umfang seiner Ansprüche feststellen und eine sachgerechte Entscheidung über die Ausübung seines Eintrittsrechts treffen zu können.87 Die dogmatische Grundlage hat sich in der Rechtsprechung gewandelt: Während das 34 BAG den Auskunftsanspruch zunächst unmittelbar auf § 61 Abs. 1 Hs. 1 gestützt hat,88 sieht es die Grundlage nunmehr offenbar im Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)89 bzw.
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BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 20. K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 2 b cc (Rn 29). So aber noch MünchArbR/Blomeyer2 Bd. I § 52 Rn 40 und hier 5. Aufl. BGH 6.12.1962 – KZR 4/62, BGHZ 38, 306 (310); 5.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 (171) = JZ 1984, 576 m. Anm. Immenga = ZGR 1986, 163 m. Anm. Wiedemann/Hirte. 84 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 122 f; HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 21; Glöckner S. 200 f; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 20 (§ 667 BGB analog); MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 26; K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 2 b cc (Rn 29); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 20 ff; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 25; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 15; aA BAG 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, AP § 61 HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; ErfK/ Oetker22 § 61 HGB Rn 5; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 291. 85 Staub/Weber5 Rn 21. 86 BAG 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 (Bl. 2) m. Anm. Lüderitz; 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (Bl. 2 f) m. Anm. Fenn; 16.1.1975 – 3 AZR 72/14, AP § 60 HGB Nr. 8 (Bl. 3) m. Anm. Beuthien/ Janzen; 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (Bl. 3R) = SAE 1977, 226 m. Anm. Baumgärtel; s. zuletzt BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 39 ff) m. Anm. Diller, m.w.N. aus der neueren Rspr.; aus der Instanz-Rspr. LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/18, BeckRS 2020, 10791 (Rn 38 ff). 87 LAG Hamm 3.3.2009 – 14 Sa 1689/08, BeckRS 2009, 74015 (unter 2). 88 BAG 21.10.1970 – 3 AZR 479/69, AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 13 (Bl. 2) m. Anm. Lüderitz; s. allerdings schon mit Hinweis auf die allgemeinen Grundsätze zum Auskunftsanspruch BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (Bl. 2 f) m. Anm. Fenn. 89 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 40, 42) m. Anm. Diller; s. auch BGH 26.9.2013 – VII ZR 227/ 12, NJW 2014, 381 (Rn 14); ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 29; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26. Weber/Gräf
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in § 241 Abs. 2 BGB.90 Letzterem ist zuzustimmen. Letztlich handelt es sich um einen Anwendungsfall des allgemeinen Grundsatzes, wonach Auskunft im Einzelfall dort geschuldet ist, wo sich aus dem Wesen des Rechtsverhältnisses ergibt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder über den Umfang seines Rechtes im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer solche Auskünfte zu erteilen, die zur Beseitigung jener Ungewissheit geeignet und erforderlich sind.91 Einer analogen Anwendung des § 666 BGB92 bedarf es nicht. Für einen solchen Anspruch wird zwar grundsätzlich gefordert, dass der Leistungsan- 35 spruch dem Grunde nach feststeht;93 im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche genügt aber der begründete Verdacht einer Pflichtverletzung.94 Welcher genaue Verdachtsgrad gegeben sein muss, wird bereichsbezogen konkretisiert. Für den im Kontext von Pflichtverletzungen nach § 60 Abs. 1 erforderlichen Verdachtsgrad, finden sich – wie zuletzt das BAG dargestellt hat95 – in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Stellungnahmen: Teilweise wird gefordert, dass der Arbeitnehmer „Anlass“,96 „erheblichen Anlass“97 oder „begründeten Anlass“98 für die Vermutung eines Wettbewerbsverstoßes gegeben hat, teilweise wird die Darlegung einer „geringen Wahrscheinlichkeit“99 bzw. „einer Wahrscheinlichkeit“100 für ausreichend gehalten, teilweise eine „hohe Wahrscheinlichkeit“101 oder gar eine „richterliche Überzeugung“102 verlangt. Das BAG hat die Frage zuletzt ausdrücklich offen gelassen.103 Angesichts der besonderen Grundrechtsrelevanz auf Seiten des Arbeitnehmers (vgl. § 60 Rn 7) sollten die Anforderungen nicht zu niedrig angesetzt werden und dem Arbeitgeber die Darlegung objektiver Tatsachen abverlangt werden, die auf eine hohe Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen § 60 Abs. 1 schließen lassen. Eine vollständige richterliche Überzeugung ist nicht erforderlich, da der Auskunftsanspruch sonst in vielen Fällen seine Funktion verfehlen würde. Keine Besonderheiten ergeben sich in Bezug auf die sonstigen Anspruchsvoraussetzun- 36 gen (vgl. Rn 34). Im Hinblick auf das Erfordernis der entschuldbaren Ungewissheit des Arbeitgebers über die Geschäfte des Arbeitnehmers hat das BAG zu Recht betont, dass sich der Arbeitgeber nicht darauf verweisen lassen muss, an Kunden heranzutreten oder den Arbeitnehmer überwachen zu lassen, was im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 DSGVO i.V.m. Art. 88 DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 1 BSDG ohnehin nur begrenzt zulässig wäre.104 Dass dem Arbeitnehmer die Erteilung der notwendigen Auskünfte unschwer möglich ist, dürfte selten in Zweifel stehen.105 Dem Anspruch auf Auskunftserteilung soll nach der Rechtsprechung nicht entge-
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BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 52) m. Anm. Diller. Allg. hierzu mit Nachw. MünchKommBGB/Krüger8 § 260 Rn 12 ff. Zusätzlich herangezogen von Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 20. MünchKommBGB/Krüger8 § 260 Rn 15 m.w.N. BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 43) m. Anm. Diller (m.w.N.). BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 44 f) m. Anm. Diller. BAG 11.12.1990 – 3 AZR 407/89, BeckRS 1990, 31017310 (unter I 1). LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/18, BeckRS 2020, 10791 (Rn 38); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 21. 98 HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 10; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 61 HGB Rn 4. 99 So für nachvertragliche Wettbewerbsverbote Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 862 unter Bezugnahme auf BAG 22.4.1967 – 3 AZR 347/66, AP § 242 Auskunftspflicht Nr. 12 m. Anm. Lüderitz. 100 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 26 m.w.N. 101 ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 26; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 22. 102 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 103 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 53) m. Anm. Diller. 104 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 62 f) m. Anm. Diller. 105 Vgl. BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 64) m. Anm. Diller. 769
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genstehen, dass sich der Arbeitnehmer bei dessen Erfüllung der Gefahr von Strafermittlungen aussetzen würde.106 37 Wenn der Arbeitgeber die Konkurrenztätigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit dartun kann, muss der Arbeitnehmer ihm den Inhalt des Geschäfts, seine Stellung dazu und das Ergebnis des Geschäfts darlegen. Ergibt sich daraus ein Verstoß gegen § 60 Abs. 1, muss er dem Arbeitgeber Rechnung legen,107 also u.U. auch notwendige Unterlagen herausgeben. Dabei kann der Arbeitgeber auch im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) vorgehen. Der Anspruch besteht auch, wenn das Geschäft nicht wie geplant vollzogen worden ist. Denn für den Arbeitgeber kann möglicherweise auch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegenüber dem Vertragspartner in Betracht kommen, wenn er das Geschäft als eigenes in Anspruch nehmen will.108
D. Weitere Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot I. Sonstige Zahlungsansprüche 1. Konkurrierende Schadensersatzansprüche 38 Neben dem Anspruch aus § 60 Abs. 1 Hs. 1 können weitere Schadensersatzansprüche bestehen, insbesondere solche aus § 9 Satz 1 i.V.m. § 3 UWG109 und aus Deliktsrecht, namentlich aus § 826 BGB.110 Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb111 scheidet wegen des Subsidiaritätsgrundsatzes in der Regel aus;112 im Übrigen wird es bei einer bloßen Konkurrenztätigkeit am Erfordernis des unmittelbaren, betriebsbezogenen Eingriffs fehlen. Soweit die Voraussetzungen solcher Ansprüche erfüllt sind, unterliegen diese allerdings den verkürzten Verjährungsfristen des § 61 Abs. 2 (Rn 54). Im Einzelfall können auch Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB (etwa i.V.m. § 266 StGB oder § 23 GehSchG) in Betracht kommen, die dann aber in der Regel nicht lediglich auf einem Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 60 Abs. 1 beruhen, sodass auch § 61 Abs. 2 keine Anwendung findet (Rn 55). 39 Allgemeine vertragsrechtliche Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 bzw. §§ 280 Abs. 1, 2, 282 BGB werden, soweit sie allein auf dem Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 60 Abs. 1 beruhen, von § 61 Abs. 1 Hs. 1 als lex specialis verdrängt.113 Sachliche Unterschiede ergeben sich ohnehin nicht114 (vgl. zum Verschuldenserfordernis Rn 10 f). Auf § 280 Abs. 1 BGB wäre nur für Wettbewerbsverstöße nicht-kaufmännischer Arbeitnehmer abzustellen, wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht (§ 60 Rn 16) – eine analoge Anwendung der §§ 60, 61 auf diese verneint und das Wettbewerbsverbot auf § 241 Abs. 2 BGB stützt.115 Auch vom hiesigen Standpunkt aus sind die §§ 241 Abs. 2, 280 ff BGB allerdings anzuwenden, wenn die Konkurrenztätigkeit in einer nicht unter den Verbotstatbestand des § 60 Abs. 1 fallenden bloßen Tätigkeit als 106 107 108 109
LAG Hamm 3.3.2009 – 14 Sa 1689/08, BeckRS 2009, 74015. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26. Vgl. auch RG 15.5.1928 JW 1928, 2092 (2093). LAG Rheinland-Pfalz 26.2.2016 – 1 Sa 164/15, BeckRS 2016, 68762 (Rn 100 ff); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12. 110 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12. 111 Erwogen von BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (unter A II 2 b) m. Anm. Fenn. 112 Vgl. LAG Hessen 17.5.2017 – 18 Sa 684/16, BeckRS 2017, 139137 (Rn 34): „keine Haftungslücke“; vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 113 I.d.S. wohl auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; aA (noch zur positiven Vertragsverletzung) BAG 28.1.1986 – 3 AZR 449/84, AP § 61 HGB Nr. 2 (unter B I). 114 Vgl. Wagner S. 65 (noch im Hinblick auf das Verhältnis zur positiven Vertragsverletzung vor der Schuldrechtsmodernisierung). 115 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz 26.2.2016 – 1 Sa 164/15, BeckRS 2016, 68762 (Rn 68 ff). Weber/Gräf
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Arbeitnehmer bei einem Konkurrenzunternehmen besteht (vgl. § 60 Rn 69, § 61 Rn 22); die verkürzten Verjährungsfristen des § 61 Abs. 2 gelten hier nicht (Rn 55).
2. Vertragsstrafe Grundsätzlich zulässig ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe.116 Vertragsstrafenklauseln 40 sind zwar vor allem bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten verbreitet (vgl. § 75c), aber auch zur Absicherung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots nach § 60 denkbar. Eine per Individualabrede geregelte Vereinbarung muss dem Bestimmtheitserfordernis Ge- 41 nüge tun, also vor allem den Pflichtverstoß möglichst konkret festlegen.117 Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe findet § 343 BGB Anwendung.118 Den praktischen Regelfall bilden allerdings formularvertragliche Vereinbarungen, für die 42 seit der Schuldrechtsmodernisierung die §§ 305 ff BGB über die AGB-Kontrolle gelten.119 Vertragsstrafenabreden zur Sanktionierung von Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot sind in Arbeitsverträgen nicht generell ungewöhnlich, sodass § 305c Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung kommt, solange sie nicht an unerwarteter Stelle verortet sind.120 Für die Inhaltskontrolle ist, da § 309 Nr. 6 BGB bei Vertragsstrafen wegen eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot schon seinem Wortlaut nach nicht greift,121 die Generalklausel des § 307 BGB maßgeblich. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebote nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt vor, wenn die strafauslösende Pflichtverletzung nur allgemein bezeichnet ist. Der Arbeitnehmer muss sich darauf einstellen können, welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe auslöst,122 er muss also erkennen können, dass ein Wettbewerbsverstoß eine Vertragsstrafe nach sich ziehen kann.123 Hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe akzeptiert das BAG in der Regel die Orientierung an einem Monatsgehalt.124 Eine solche Vereinbarung ist aber nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn der Arbeitnehmer mehr zahlen muss als er während des Laufs der Kündigungsfrist verdient hätte.125 Eine unangemessene Benachteiligung stellt es außerdem dar, wenn die Höhe der Vertragsstrafe unbestimmt bleibt, indem etwa ein Rahmen von ein bis drei Monatsgehältern vorgesehen wird und die Festlegung der genauen Höhe dem Arbeitgeber überlassen bleibt.126
116 HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 6; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 296; ausf. Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 921 ff; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II V 30 Rn 54 ff, W 10 Rn 24 ff. 117 Vgl. BAG 4.9.1964 – 5 AZR 511/63, AP § 339 BGB Nr. 3 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 118 Vgl. etwa BAG 30.11.1994 – 5 AZR 702/93, AP § 4 TVG Nr. 16 (Bl. 3R); Preis/Stoffels AR-Blattei SD 1710 Rn 67 ff. 119 Vgl. dazu etwa Hauck NZA 2006, 816; Kamanabrou ZFA 2018, 92; Preis/Roloff ZFA 2007, 43 (71 f); Wensing/ Niemann NJW 2007, 401. 120 BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 21 f). 121 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, AP § 336 BGB Nr. 1 (Bl. 3) = SAE 2006, 275 m. Anm. Schöne, 34; 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 23). In einem Wettbewerbsverstoß liegt auch keine „Lösung vom Vertrag“ i.S.d. § 309 Nr. 6 BGB, vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 925. Darauf, dass ansonsten § 309 Nr. 6 BGB nur wegen der Besonderheiten des Arbeitsrechts anwendbar ist (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) und dass hierzu auf den für das Wettbewerbsverbot nicht passenden § 888 Abs. 3 ZPO verwiesen wird (vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 m. Anm. v. Koppenfels-Spies = SAE 2005, 148 m. Anm. v. Hoyningen-Huene), kommt es deshalb nicht an (anders Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 21). 122 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, AP § 307 BGB Nr. 3. 123 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 929. 124 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 60) m. Anm. v. Koppenfels-Spies = SAE 2005, 148 m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 125 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 61) m. Anm. v. Koppenfels-Spies = SAE 2005, 148 m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 126 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, AP § 336 BGB Nr. 1 = SAE 2006, 275 m. Anm. Schöne; speziell zum Wettbewerbsverbot BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 26 ff); dazu Diller NZA 2008, 574. 771
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Eine geltungserhaltende Reduktion lehnt das BAG ab.127 Zur Situation bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten vgl. § 75c Rn 4 ff, 17, 25.
II. Unterlassungsanspruch 43 Unstrittig steht dem Arbeitgeber gegen einen Arbeitnehmer, der gegen das Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 verstößt, ein Unterlassungsanspruch zu.128 Dieser ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, lässt sich aber aus § 60 Abs. 1 ableiten; er dient der Durchsetzung des Anspruchs auf Erfüllung der sich aus § 60 Abs. 1 ergebenden Verpflichtung.129 Der Anspruch setzt grundsätzlich eine Wiederholungsgefahr voraus, was beim Betrieb eines Konkurrenzunternehmens regelmäßig gegeben ist. Ist es noch nicht zu einem Verstoß gekommen, genügt es, wenn ein solcher unmittelbar droht;130 dies muss allerdings durch konkrete Tatsachen belegt werden.131 Der Unterlassungsanspruch kann sich nur auf konkrete, vom Arbeitgeber dargelegte und ggf. bewiesene Konkurrenztätigkeiten bzw. -geschäfte beziehen, nicht generell auf die Unterlassung jeglicher Konkurrenztätigkeit.132 Auch zur Vorbereitung dieses Anspruchs kann der Arbeitgeber unter den oben skizzierten Voraussetzungen (Rn 33 ff) Auskunft verlangen.133 Liegen die Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs vor, wird dem Arbeitnehmer der Abschluss weiterer Konkurrenzgeschäfte untersagt bzw. die Schließung eines Konkurrenzunternehmens auferlegt.134 44 In prozessualer Hinsicht135 ergeben sich gegenüber sonstigen Unterlassungsansprüchen keine Besonderheiten. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nach § 890 ZPO.136 Der Arbeitgeber kann auch eine einstweilige Verfügung nach § 935 ZPO beantragen.137 Wird der Arbeitnehmer nach erhobener Klage fristlos entlassen, so ist die Hauptsache in der Regel für erledigt zu erklären, da mit dem rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch das Wettbewerbsverbot endet (vgl. hierzu und zu den Ausnahmen § 60 Rn 35 ff).
III. Kündigung 45 Ein Wettbewerbsverstoß stellt in der Regel einen „an sich“ geeigneten Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB dar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist in einem weiteren
127 BAG 4.3. 2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 63 ff) m. Anm. v. Koppenfels-Spies = SAE 2005, 148 m. Anm. v. Hoyningen-Huene, 1616; speziell zum Wettbewerbsverbot BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 34). 128 BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 7 (Bl. 2R) m. Anm. Canaris; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 20; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 25; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 61; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 21. 129 RG 30.4.1906, 20.9.1907 RGZ 63, 252 (253); 67, 3 (4); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 20; K. Schmidt Handelsrecht6 § 17 I 2 b (Rn 22). 130 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 20. 131 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. 132 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 20. 133 Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 21. 134 RG 30.4.1906, 20.9.1907 RGZ 63, 252 (253); 67, 3 (4). 135 S. zum Gegenstandswert der Unterlassungsklage LAG Thüringen 8.9.1998 – 8 Ta 89/98, BeckRS 1998, 30475280; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 22. 136 Dazu, dass § 888 Abs. 3 ZPO nicht greift, Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21. 137 LAG Mannheim 20.10.1967 BB 1968, 708; LAG Düsseldorf 1.3.1972 DB 1972, 878; LAG Hamm 7.4.1983 EzA § 935 ZPO Nr. 1; LAG Köln 14.11.1989 LAGE § 611 BGB Treuepflicht Nr. 1; LAG Rheinland-Pfalz 17.12.2009 – 5 SaGa 13/09, BeckRS 2010, 68214. Weber/Gräf
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Prüfungsschritt noch eine einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen.138 Dabei kommt es unter anderem auf den Grad des Schuldvorwurfs, auf Art, Dauer und Auswirkung der Wettbewerbshandlung, auf eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie – wie sonst auch – auf die beanstandungsfreie Dauer des Arbeitsverhältnisses an.139 Handelt es sich um eine fortgesetzte Konkurrenztätigkeit, ist diese für § 626 Abs. 2 BGB als sog. Dauertatbestand zu werten, der sich fortlaufend neu verwirklicht.140 Eine Abmahnung ist, da es sich um eine Störung im Vertrauensbereich handelt, grundsätzlich nicht erforderlich; es bedarf ihr nur dann, wenn der Arbeitnehmer vertretbar annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber nicht als erhebliches Fehlverhalten angesehen und hingenommen.141 An diesem Grundsatz ist entgegen der neuen Rechtsprechung, die eine Abmahnung grundsätzlich für erforderlich hält,142 festzuhalten. Scheidet eine außerordentliche Kündigung (mit oder ohne Abmahnung) aus, kommt eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG in Betracht.143 Behauptet der Arbeitnehmer eine Rechtfertigung seiner Konkurrenztätigkeit durch Einwilligung des Arbeitgebers, so muss er dies entgegen der Ansicht des BAG144 und der h.Lit.145 auch beweisen (vgl. § 60 Rn 79). Wenn der Arbeitgeber – nicht aus Anlass eines Wettbewerbsverstoßes – ein Arbeitsver- 46 hältnis mit einer fristgemäßen Kündigung beenden will, besteht das Wettbewerbsverbot bis zur rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses weiter; dies gilt regelmäßig auch dann, wenn der Arbeitnehmer freigestellt wird (§ 60 Rn 33 f). Nimmt der Arbeitnehmer dennoch eine Konkurrenztätigkeit auf, dann ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, die Zahlung der Vergütung zu verweigern, solange nicht in besonders krassen Fällen dem Vergütungsanspruch der Arglisteinwand entgegensteht (Rn 47). Er kann jedoch unter Umständen eine fristlose Kündigung aussprechen. Besonders problematisch ist die Kündigungsoption des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer im Zeitraum nach Ausspruch einer – nicht aus Anlass eines Wettbewerbsverstoßes ausgesprochenen – außerordentlichen Kündigung oder nach Ab138 BAG 6.8.1987 – 2 AZR 226/87, AP § 626 BGB Nr. 97 m. zust. Anm. Baumgärtel; 26.8.1976 – 2 AZR 377/75, AP § 626 BGB Nr. 68 m. Anm. Löwisch; 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, EzA § 626 nF BGB Nr 140 m. Anm. Gravenhorst; 21.11.1996 – 2 AZR 852/95, EzA § 626 n.F. BGB Nr. 162; 23.10.2014 – 2 AZR 644/13, AP § 626 BGB Nr. 252; 28.1.2010 – 2 AZR 1008/ 08, AP § 626 BGB Nr. 227; LAG Rheinland-Pfalz 1.12.1997 – 9 Sa 949/97, NZA-RR 1998, 496; LAG Berlin-Brandenburg 30.8.2012 – 10 Sa 1198/12, BeckRS 2012, 75347 (unter II 2); LAG Schleswig Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 51 ff); LAG Sachsen-Anhalt 18.1.2018 – 2 Sa 48/16, BeckRS 2018, 1976 (Rn 25 ff); BeckOGKHGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 68; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 11; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 59. 139 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, EzA § 626 nF BGB Nr 140 m. Anm. Gravenhorst; 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (26). 140 LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/16, BeckRS 2017, 113281 (Rn 72); allg. hierzu BAG 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, AP § 626 Nr. 256 (Rn 59) m. Anm. Schwarze (m.w.N.). 141 BAG 16.8.1990 – 2 AZR 113/90, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 10 (unter III 3 a); 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, EzA § 626 nF BGB Nr 140 (unter B II 1 b) m. Anm. Gravenhorst; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 22; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 147 f; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 27; zurückhaltender Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 11. 142 BAG 19.4.2007 – 2 AZR 180/06, AP § 174 BGB Nr. 20 (Rn 46 ff); 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, AP § 626 BGB Nr. 213 (Rn 18); vgl. allerdings BAG 28.1.2010 – 2 AZR 1008/08, AP § 626 BGB Nr. 227 (Rn 34); für das grundsätzliche Erfordernis einer Abmahnung auch LAG Köln 7.2.2017 – 12 Sa 745/16, NZA-RR 2017, 353 (357); MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 60; ebenso im Ausgangspunkt BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 70, bei vorsätzlichen Wettbewerbsverstößen aber regelmäßig Verzichtbarkeit der Abmahnung. 143 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 11; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 60; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/ Wagner/Vogt5 Rn 27. 144 BAG 24.11.1983 – 2 AZR 327/82, AP § 626 BGB Nr. 76 m. Anm. Baumgärtel; 6.8.1987 – 2 AZR 226/87, AP § 626 BGB Nr. 97 m. zust. Anm. Baumgärtel; wie hier noch BAG 16.6.1976 – 3 AZR 73/75, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 8 (Bl. 2R) = SAE 1977, 226 m. Anm. Baumgärtel; wie hier auch wieder – allerdings in einem Schadensersatzprozess – BAG 16.1.2013 – 10 AZR 560/11, AP § 60 HGB Nr. 15 (Rn 16, 20). 145 Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 150; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 20; Tschöpe/Rasche Arbeitsrecht12 Teil 2 A Rn 281; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 23. 773
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lauf der Kündigungsfrist während des Kündigungsschutzprozesses wettbewerbswidrig verhält. Hier können sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer widersprüchlich verhalten. Zudem befindet sich der Arbeitnehmer, der auf sein Arbeitseinkommen angewiesen ist, während des Schwebezeitraums in einem Dilemma. Dem möchte die Rechtsprechung auf der Ebene der kündigungsschutzrechtlichen Interessenabwägung Rechnung tragen (näher hierzu und zur Kritik § 60 Rn 35 ff).
IV. Lohnanspruch des Arbeitnehmers 47 Hat der Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch, so kann er gegenüber dem Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB geltend machen.146 Hingegen soll der Wettbewerbsverstoß als solcher – ohne dass ein Schadensersatzanspruch besteht – den Arbeitgeber nicht zur Kürzung der Vergütung und regelmäßig auch nicht zu deren Zurückbehaltung nach § 273 Abs. 1 BGB berechtigen.147 Letzteres ist nicht ganz selbstverständlich.148 Die Rechtsprechung begründet die Ablehnung damit, dass sich die Verweigerung der Gehaltszahlung bei einem „einfachen“ Wettbewerbsverstoß als unverhältnismäßige Reaktion darstellen würde. Der Arbeitgeber soll die Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Arglisteinwands (§ 242 BGB) nur ausnahmsweise in „krass liegenden Fällen“, in denen sich der Arbeitnehmer über den bloßen Wettbewerbsverstoß hinaus gegenüber dem Arbeitgeber „grob verwerflich“ verhalten hat, verweigern dürfen.149 Diese Differenzierung erscheint sowohl interessengerecht als auch dogmatisch begründbar; denn die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen des § 273 BGB ist auch sonst anerkannt.150
V. Rechtsfolgen im Verhältnis zum Geschäftspartner des Arbeitnehmers 48 Da die §§ 60, 61 nur das arbeitsrechtliche Innenverhältnis betreffen (vgl. Rn 18 f), führt ein Wettbewerbsverstoß nicht etwa zur Unwirksamkeit der unter Verstoß gegen § 60 Abs. 1 zwischen dem Arbeitnehmer und den Dritten abgeschlossenen Geschäfte.151 Verboten ist nicht das Geschäft an sich, sondern nur die Konkurrenz zum Arbeitgeber. § 60 ist damit keine Verbotsnorm i.S.d. § 134 BGB.152 Ein Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 60 Abs. 1 führt für sich genommen auch nicht zur Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB. Nur unter besonderen Umständen sind Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche des 49 Arbeitgebers gegen den Dritten aus § 826 BGB oder § 9 Satz 1 i.V.m. §§ 3, 4 Nr. 4 UWG denkbar.153
146 BGH 19.10.1987 – II ZR 97/87, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 33; BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 39). 147 BGH 19.10.1987 – II ZR 97/87, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 33; BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 39); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 71; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 21; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 62; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 21. 148 AA – nämlich für ein Zurückbehaltungsrecht auch bei bloßen Wettbewerbsverstößen – Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; wohl auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 24. Dass eine Gehaltskürzung allein aufgrund des Wettbewerbsverstoßes ausscheidet, ist unstrittig. 149 BGH 19.10.1987 – II ZR 97/87, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 33; BAG 17.10.2012 – 10 AZR 809/11, AP § 60 HGB Nr. 14 (Rn 39). 150 Statt vieler MünchKommBGB/Krüger8 § 273 Rn 72 ff m.w.N. 151 MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 21. 152 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23; NK-GA/Reinhard2 § 60 HGB Rn 21. 153 ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 4; Schlegelberger/Schröder Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 22. Weber/Gräf
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In Betracht kommt dies insbesondere bei einem kollusiven Zusammenwirken zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten.154
E. Verjährung (Abs. 2) I. Überblick und Normzweck Die Ansprüche des Arbeitgebers nach § 61 Abs. 1 verjähren in drei Monaten von dem Zeitpunkt 50 an, in dem er von dem betreffenden Geschäft des Arbeitnehmers Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 61 Abs. 2 Hs. 1). Unabhängig von der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis des Arbeitgebers tritt die Verjährung nach fünf Jahren ein, gerechnet vom Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäfts bzw. der Aufnahme des Handelsgewerbes (§ 61 Abs. 2 Hs. 2). Der Normzweck des § 61 Abs. 2 wird vielfach darin gesehen, dass es zu einer raschen Klä- 51 rung und Bereinigung der aus einem Wettbewerbsverstoß (potenziell) erwachsenden Rechtsfolgen kommen soll. Der Arbeitgeber soll zu einer zeitnahen Entscheidung veranlasst werden, ob er Ansprüche wegen der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers gelten machen will oder nicht.155 Lasse der Unternehmer eine der genannten Fristen verstreichen, spreche dies dafür, dass dieser eines Schutzes vor Wettbewerb nicht mehr bedürfe.156 Dies allein kann aber nicht erklären, warum eine solche Verkürzung der allgemeinen Verjährungsfrist speziell für Ansprüche wegen Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot und nicht wegen sonstiger Vertragspflichtverletzungen geregelt sind.157 Entscheidend ist vielmehr die gesetzgeberische Überlegung, dass Wettbewerbsverbote in einer marktwirtschaftlich orientierten Rechtsordnung besonderer Rechtfertigung bedürften. Diese Wertung liegt auch den Parallelvorschriften in § 113 Abs. 3 HGB, § 88 Abs. 3 AktG und § 284 Abs. 3 AktG zugrunde.
II. Geltungsbereich In persönlicher Hinsicht gelten die verkürzten Verjährungsfristen nach § 61 Abs. 2 nicht nur für 52 Handlungsgehilfen, sondern in analoger Anwendung auch für alle sonstigen Arbeitnehmer (Rn 4 f). In sachlicher Hinsicht ist § 61 Abs. 2 – entgegen dem insofern missverständlichen Wort- 53 laut – auf beide Alternativen des § 60 Abs. 1 anwendbar, also nicht nur auf Ansprüche, die auf einem „Geschäftemachen“ des Arbeitnehmers im Handelszweig des Arbeitgebers, sondern auch auf solche, die auf dem Betrieb eines Handelsgewerbes im Handelszweig des Arbeitgebers beruhen.158 Insofern ist von einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers auszugehen.159 Zur
154 GK/Etzel HGB7 Rn 7. 155 BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (unter A II 2 b) m. Anm. Fenn; 11.4.2000 – 9 AZR 131/99, AP § 61 HGB Nr. 3 (unter I 2 b); 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 45); 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 87) m. Anm. Diller; Bittner JR 2019, 50; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 29; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 33. 156 BT-Drs. 15/3653, S. 18; aufgegriffen von BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 84) m. Anm. Diller. 157 Krit. insofern auch Diller Anm. AP § 61 HGB Nr. 6: ausreichender Schutz durch allg. tarif- und arbeitsvertragliche Ausschlussfristen. 158 Inzwischen wohl unstr., s. nur BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 34; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 29; implizit auch BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 68 ff) m. Anm. Diller; in der Tendenz bereits BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 (unter II 2) = SAE 1971, 238 m. Anm. Dorndorf. 159 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 34; in der Tendenz bereits BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 (unter II 2) = SAE 1971, 238 m. Anm. Dorndorf. 775
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daran anknüpfenden umstrittenen Frage nach dem maßgeblichen Gegenstand der Kenntnis bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis im Rahmen des § 61 Abs. 2 Hs. 1 vgl. Rn 58. 54 Zudem gelten die kurzen Verjährungsfristen des § 61 Abs. 2 für Ansprüche aus beiden Alternativen des Abs. 1.160 Sie erfassen darüber hinaus nach zutreffender hM alle Ansprüche, die auf einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot beruhen, namentlich vertragliche Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 bzw. §§ 280 Abs. 1, 2, 282 BGB161 (die nach hier vertretener Ansicht aber ohnehin verdrängt sind, Rn 39), deliktische Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb162 (der allerdings i.d.R. schon am Subsidiaritätsgrundsatz scheitert, Rn 38) und § 826 BGB,163 den Herausgabeanspruch nach § 687 Abs. 2 BGB,164 den Unterlassungsanspruch165 und den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung.166 55 Für Ansprüche, deren Entstehung nicht spezifisch auf einem Wettbewerbsverstoß gemäß § 60 Abs. 1 beruhen, gilt § 61 Abs. 2 nicht. Das BAG nennt als Beispiel zutreffend Ansprüche wegen pflichtwidriger Vermögensverfügungen.167 Im Einzelfall kann die Abgrenzung freilich schwierig sein. Entscheidend ist dabei nach Auffassung des BAG, ob ein Anspruch auf demselben Sachverhalt beruht wie derjenige aus § 61 Abs. 1.168 Mit dieser Begründung und „wegen der nicht seltenen Anspruchskonkurrenz“ will das BAG § 61 Abs. 2 auch auf Ansprüche aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 17 UWG a.F. (jetzt: § 23 GeschGehG) anwenden.169 Dies kann allerdings nicht überzeugen, da der im GeschGehG strafrechtlich sanktionierten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem bloßen Wettbewerbsverstoß nach § 60 Abs. 1 eine eigenständige Qualität zukommt;170 der Fall ist damit ähnlich gelagert wie bei der bereits erwähnten pflichtwidrigen Vermögensverfügung. In beiden Fällen kann § 61 Abs. 2 keine Anwendung finden, auch wenn sich die Verfügung bzw. der Geheimnisverrat innerhalb eines ebenfalls für § 60 Abs. 1 relevanten Sachverhaltskomplexes abspielt. Dementsprechend kann man § 61 Abs. 2 auch nicht auf An160 BAG 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, AP § 60 HGB Nr. 4 = SAE 1971, 238 m. Anm. Dorndorf; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 127; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 28, 29. 161 So noch zur positiven Vertragsverletzung BAG 28.1.1986 – 3 AZR 449/84, AP § 61 HGB Nr. 2 (unter B I); s. auch MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 28. 162 BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (unter A II 2 b) m. Anm. Fenn. 163 BAG 12.5.1972 – 3 AZR 401/71, AP § 60 HGB Nr. 6 (Bl. 4 – obiter dictum) m. Anm. Fenn; 11.4.2000 – 9 AZR 131/ 99, AP § 61 HGB Nr. 3; LAG Rheinland-Pfalz 23.3.2007 – 6 Sa 854/06, BeckRS 2007, 45727 (unter II 1); Buchner ARBlattei SD 1830.2 Rn 129; GK/Etzel HGB8 Rn 16; ErfK/Oetker § 61 HGB Rn 7; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 28; Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1211; Hopt/Roth41 Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 30; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 30; noch offen gelassen von BAG 28.1.1986 – 3 AZR 449/84, AP § 61 HGB Nr. 2 (Bl. 2); aA früher BAG 16.1.1975– 3 AZR 72/14, AP § 60 HGB Nr. 8 (Bl. 4) m. Anm. Beuthien/Janzen. 164 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 35.2; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 7; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 28; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 30; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 30. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der konkreten Geschäftsführung (Geschäftsanmaßung) eine über die bloße Wettbewerbswidrigkeit hinausgehende eigenständige Qualität zukommt, vgl. BAG 22.8.1966 – 3 AZR 157/66, AP § 687 BGB Nr. 3 (Bl. 2R f) m. Anm. Isele: keine Anwendung des § 61 Abs. 2, wenn der Arbeitnehmer das Honorar für eine Tätigkeit, die er im Rahmen des Vertrags mit dem Arbeitgeber übernommen hat, für sich selbst kassiert und – unter Verstoß seiner vertraglichen Pflichten – nicht für die Klägerin; hierin liege „ein ganz anderer Tatbestand“. Generell aA Hopt/Roth41 Rn 4; demgegenüber Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6: der Anspruch aus § 687 Abs. 2 BGB sei von vornherein verdrängt. 165 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 28; MünchArbR/Reichold5 Bd. I § 54 Rn 28; Hopt/Roth41 Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 31; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 30; aA BAG 16.1.1975 – 3 AZR 72/ 14, AP § 60 HGB Nr. 8 (Bl. 4) m. Anm. Beuthien/Janzen; Wagner S. 82. 166 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 67) m. Anm. Diller; LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/ 18, BeckRS 2020, 10791 (Rn 42 ff); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 28; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 6. 167 BAG 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 44). 168 BAG 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 45). 169 BAG 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 45, 47). 170 Insofern zutr. Beer S. 270. Weber/Gräf
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sprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB anwenden;171 denn auch Untreuetaten sind mit Vermögensverfügungen verbunden, denen gegenüber dem Wettbewerbsverstoß ein eigenständiger Unwert zukommt. Die ordnungspolitische Zielrichtung des § 61 Abs. 2, die Vermeidung einer zu starken Beschränkung von Wettbewerb (Rn 51), greift in diesen Fällen nicht. Für Ansprüche aus vertraglichen Vertragsstrafenregelungen (Rn 40 ff) gilt § 61 Abs. 2 ebenfalls nicht.172 Die Regelung gilt weiterhin nicht, wenn der Arbeitnehmer lediglich im Rahmen eines weiteren Arbeitsverhältnisses für ein Konkurrenzunternehmen tätig ist; dies kann gegen § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, stellt aber kein „Geschäft“ i.S.d. §§ 60, 61 dar (vgl. § 60 Rn 69, § 61 Rn 22, 39).
III. Fristbeginn und -berechnung 1. Die Dreimonatsfrist des Abs. 2 Hs. 1 Der Lauf der kurzen Dreimonatsfrist nach § 61 Abs. 2 Hs. 1 wird nicht nur durch positive Kennt- 56 nis von dem Konkurrenzgeschäft ausgelöst, sondern bereits durch grob fahrlässige Unkenntnis.173 Letztere ist gegeben, wenn die Unkenntnis auf einer besonders schweren Vernachlässigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt beruht. Dies wird bejaht, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsste.174 Grob fahrlässige Kenntnis von einem Handelsgewerbe des Arbeitnehmers kann etwa gegeben sein, wenn dem Arbeitgeber die Existenz der Homepage des vom Arbeitnehmer betriebenen Unternehmens bekannt ist.175 Bei einem Verstoß gegen § 60 Abs. 1 Alt. 2 (Geschäftemachen) ist – soweit es um Rechtsge- 57 schäfte geht – der maßgebliche Gegenstand der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der jeweilige Vertragsschluss. Für den Beginn der Verjährung wird nicht verlangt, dass dem Arbeitgeber alle Einzelheiten des Geschäfts bekannt sind.176 Werden mehrere gegen § 60 Abs. 1 Alt. 2 verstoßende Geschäfte abgeschlossen, ist zu differenzieren: Grundsätzlich ist die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis bzgl. jedes einzelnen Geschäfts maßgeblich; verjährt sind also nur die Ansprüche bzgl. derjenigen Geschäfte, die länger als drei Monate zurückliegen.177 Etwas anderes gilt für Geschäfte, die zueinander in einem sachlichen Zusammenhang stehen oder gleicher Art sind178 (vgl. zu dieser Differenzierung bereits im Zusammenhang mit der Vertrauensschutzproblematik § 60 Rn 66 f); in diesem Fall ist die Kenntnis bzw. das Kennenmüssen vom ersten Geschäft auch für die folgenden Geschäfte maßgeblich. Die Situation ist dann mit der Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen von der Aufnahme eines Handelsgewerbes (Rn 58) vergleichbar. 171 Offengelassen jeweils von BAG 11.12.1990 – 3 AZR 407/89, BeckRS 1990, 31017310 (unter II 3); 30.5.2018 – 10 AZR 780/16, AP § 61 HGB Nr. 5 (Rn 48); LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/18, BeckRS 2020, 10791 (Rn 44); wie hier i.E. LAG Baden-Württemberg 6.6.1989 – 8 Sa 17/89, BeckRS 1989, 30453393; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 33; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 30. 172 Kock NJW 2008, 394 (395); zust. Hopt/Roth41 Rn 4. 173 Die Einbeziehung der groben Fahrlässigkeit beruht auf Art. 9 des Gesetzes v. 9.12.2004 (BGBl. I S. 3214). 174 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 106) m. Anm. Diller (m.w.N.); stv. für die Lit. Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 30. 175 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 110) m. Anm. Diller. 176 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 30. 177 ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 34; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 27; aA (Kenntnis allg. vom Geschäftemachen genügt) LAG Düsseldorf 9.1.2020 – 11 Sa 1023/18, BeckRS 2020, 10791 (Rn 56 ff); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30; NK-GA/Reinhard2 § 61 Rn 9; wohl auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12. 178 Vgl. allerdings Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 12, der in eine ähnliche Richtung überlegt, aber auf praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung verweist, ob eine konkurrierende Geschäftsaktivität „auf einem System“ beruht. 777
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§ 61
1. Buch. Handelsstand
Handelt es sich um das Betreiben eines Handelsgewerbes, so kommt es nicht auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Abschlusses einzelner Geschäfte an; vielmehr beginnt die Frist dann bereits mit der Kenntnis bzw. der fahrlässigen Unkenntnis von der Aufnahme des Handelsgewerbes.179 Dieser Auffassung hat sich nunmehr auch das BAG angeschlossen.180 Sie findet zwar keine Stütze im Wortlaut des § 61 Abs. 2 Hs. 1, der hinsichtlich des Fristbeginns lediglich den „Abschluss des Geschäfts“ erwähnt – anders als der (im Übrigen parallel ausgestaltete) § 113 Abs. 3 Hs. 1. Das BAG hat aber mit Blick auf die Genese der Norm überzeugend dargelegt, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.181 Dafür spricht auch der Normzweck: Zwar lässt sich ein Schaden oft erst aufgrund der einzelnen Geschäftsabschlüsse beziffern, der Arbeitgeber muss aber bei Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis eines konkurrierenden Handelsgewerbes nach dem Willen des Gesetzgebers schnell reagieren und ist auch durch den Unterlassungs- und den Auskunftsanspruch sowie die damit verbundene Möglichkeit einer Stufenklage hinreichend geschützt.182 Bei der Stufenklage wird nämlich die Verjährung bereits mit Erhebung der zunächst unbezifferten Leistungsklage gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).183 Die isolierte Erhebung der Auskunftsklage genügt hierfür freilich nicht.184 § 200 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar. Es ist für den Fristbeginn also nicht erforderlich, 59 dass der Anspruch in dem Sinne entstanden ist, dass beim Arbeitgeber irgendein Schaden eingetreten ist.185 Denn mit den speziellen subjektiven Merkmalen ist in § 61 Abs. 2 Hs. 1 „ein anderer Verjährungsbeginn“ i.S.d. § 200 Satz 1 BGB geregelt. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber durch die Möglichkeit der Stufenklage ausreichend geschützt ist. Der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis des Arbeitgebers steht diejenige seiner 60 gesetzlichen186 oder rechtsgeschäftlichen Vertreter gleich, die zur Geltendmachung der Ansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer befugt wären.187 Zudem kann grob fahrlässige Unkenntnis durch ein Organisationsverschulden begründet werden.188 58
2. Die Fünfjahresfrist des Abs. 2 Hs. 2 61 § 61 Abs. 2 Hs. 2 sieht als Obergrenze eine fünfjährige Verjährungsfrist mit objektivem Verjährungsbeginn vor. Das fristauslösende Ereignis ist hier identisch mit dem Gegenstand der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis i.S.d. Abs. 2 Hs. 1. Beim Betrieb eines Handelsgewerbes 179 HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 26; GK/Etzel HGB8 Rn 14; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 30 f; NK-GA/Reinhard2 § 61 HGB Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 35; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 29; vgl. auch RG 1.5.1906 RGZ 63, 252 (255), wo es allerdings um eine nicht ganz identsiche Rechtsfrage ging; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 31; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 131 f; ErfK/Oetker22 § 61 HGB Rn 7; Röhsler/Borrmann S. 61; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 54 Rn 27. 180 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 76 ff) m. Anm. Diller. 181 BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 81 ff, insb. 86) m. Anm. Diller. 182 Vgl. auch HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 26; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 31; so nunmehr ausdr. auch BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 87) m. Anm. Diller. 183 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 31; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 38. 184 BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, AP § 61 HGB Nr. 4 (Rn 15) m. Anm. Diller. 185 So aber für § 113 Abs. 3 Hs. 1 BeckOK-HGB/Klimke37 § 113 Rn 30. 186 Insoweit wohl unstr., s. nur BAG 24.2.2021 – 10 AZR 8/19, AP § 61 HGB Nr. 6 (Rn 105) m. Anm. Diller für den Geschäftsführer einer GmbH. 187 LAG München 22.4.1970 ARSt 1971, 14 (62); Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 133; GK/Etzel HGB8 Rn 14; aA HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 27; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 34: gesetzliche Vertreter und Personen, die zur Aufsicht über den Handlungsgehilfen bevollmächtigt sind; wieder anders Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 30: Wissenszurechnung nur solcher Dritter, die der Arbeitgeber dazu beauftragt hat, die erforderlichen Tatsachenfeststellungen vorzunehmen (und auch nur bei positiver Kenntnis des Dritten). 188 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 29. Weber/Gräf
778
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 61
(§ 60 Abs. 1 Alt. 1) wird also schon durch die Aufnahme des Betriebs, nicht erst durch den Abschluss einzelner Geschäfte, die Frist ausgelöst.189 Beim Geschäftemachen (§ 60 Abs. 1 Alt. 2) ist wie in Rn 57 zu differenzieren.190
3. Fristberechnung Die Fristberechnung erfolgt für beide Fristen nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 187 ff 62 BGB.191 Zur Hemmung der Frist im Rahmen der Stufenklage Rn 58.
189 HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 28; GK/Etzel HGB8 Rn 15; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 47; Oetker/ Kotzian-Marggraf7 Rn 13; Schlegelberger/Schröder Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 36; aA Heymann/Henssler/ Markworth HGB Rn 33: Abschluss der Einzelgeschäfte maßgeblich. 190 AA – stets auf die Einzelgeschäfte abstellend – HWK/Diller10 § 61 HGB Rn 28; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 61 Rn 46; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 13; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 37. 191 GK/Etzel HGB8 Rn 18; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 34. 779
Weber/Gräf
§ 62 [Fürsorgepflicht des Arbeitgebers] (1) Der Prinzipal ist verpflichtet, die Geschäftsräume und die für den Geschäftsbetrieb bestimmten Vorrichtungen und Gerätschaften so einzurichten und zu unterhalten, auch den Geschäftsbetrieb und die Arbeitszeit so zu regeln, daß der Handlungsgehilfe gegen eine Gefährdung seiner Gesundheit, soweit die Natur des Betriebs es gestattet, geschützt und die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes gesichert ist. (2) Ist der Handlungsgehilfe in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Prinzipal in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Handlungsgehilfen erforderlich sind. (3) Erfüllt der Prinzipal die ihm in Ansehung des Lebens und der Gesundheit des Handlungsgehilfen obliegenden Verpflichtungen nicht, so finden auf seine Verpflichtung zum Schadensersatze die für unerlaubte Handlungen geltenden Vorschriften der §§ 842 bis 846 des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung. (4) Die dem Prinzipal hiernach obliegenden Verpflichtungen können nicht im voraus durch Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden.
Schrifttum 1. Allgemein. Benecke Mobbing: Persönlichkeitsschutz und Haftung des Arbeitgebers – zugleich Besprechung zum Urteil des BAG vom 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, RdA 2008, 357; Bergwitz Das betriebliche Rauchverbot, NZARR 2004, 169; Bücker/Feldhoff/Kothe Vom Arbeitsschutz zur Arbeitsumwelt – europäische Herausforderungen für das deutsche Arbeitsrecht, 1994; Denck Bildschirmarbeitsplätze und Mitbestimmung des Betriebsrats, RdA 1982, 279; Edenfeld Haftung und Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bei Auslandsentsendungen, DB 2017, 2803; Ehmann Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei neuen Technologien, 1981; Galperin Die Einwirkung öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutznormen auf das Arbeitsverhältnis, BB 1963, 739; Grimm Heiße Tage am Arbeitsplatz – Arbeitsrechtliche Konsequenzen überhitzter Arbeitsräume im Sommer, DB 2004, 1666; Heither Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (§§ 90, 91), AR-Blattei SD 530.14.7; Herschel Zur Dogmatik des Arbeitsschutzrechts, RdA 1978, 69; Herzberg Die Verantwortung für Arbeitsschutz und Unfallverhütung im Betrieb, 1984; Kloepfer-Veit Grundstrukturen des technischen Arbeitsschutzrechts, NZA 1990, 121; Kollmer/Klindt/ Schucht Arbeitsschutzgesetz, 4. Aufl. 2021; Koenen/Lehnart Schutzpflichten des Arbeitgebers für die Gesundheit der Beschäftigten, BB 2020, 1525; Konzen Arbeitsrechtliche Drittbeziehungen, Gedanken über Grundlagen und Wirkungen der „gespaltenen Arbeitgeberstellung“, ZfA 1982, 259; Möllers Rechtsschutz des Passivrauchers, oder: Die freie Entscheidung des Unternehmens auf Gesundheitsgefährdung seiner Arbeitnehmer?, JZ 1996, 1050; Lange Die Transformation öffentlich-rechtlicher Arbeitsschutznormen über § 618 Abs. 1 BGB in das Arbeitsvertragsrecht, SAE 2010, 152; Lorenz Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz, DB 2003, 721; Märtins Arbeitsschutz und Unfallverhütung im öffentlichen Dienst, ZTR 1992, 223, 267; Möx Arbeitnehmerrechte in der Gefahrstoffverordnung, 1992; Molkentien Das Recht auf Arbeitsverweigerung bei Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers NZA 1997, 849; MünchArbR Bd. II Individualarbeitsrecht II, 5. Aufl. 2021, §§ 172 ff; Nipperdey Die privatrechtliche Bedeutung des Arbeiterschutzrechts, Festschrift 50 Jahre Reichsgericht, 1929, 203; Chr. Picker Arbeiten im Homeoffice – Anspruch und Wirklichkeit, NZA-Beilage 2021, 4; Pieper Arbeitsschutzrecht, 6. Aufl. 2017; Rieble/Chr. Picker Arbeitsschutz und Mitbestimmung bei häuslicher Telearbeit, ZfA 2013, 383; Roth 150 Jahre Recht des Handlungsgehilfen: Vom ADHGB 1861 zum Arbeits(vertrags)gesetz(buch)?, RdA 2012, 1; Schönleber Psychische Belastungen in der Arbeitswelt – Erfassung durch den Gesundheitsbegriff und Schutz durch das ArbSchG, 2017; 1; Siegmann Gefährdungsbeurteilung für Auslandseinsätze – Fürsorgepflichten bei beruflichen Auslandsreisen und Entsendungen, ARP 2020, 20; Söllner Das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers, ZfA 1973, 1; Spinnarke Sicherheitstechnik, Arbeitsmedizin, Arbeitsplatzgestaltung, 2. Aufl. 1990; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1993; Thüsing/Bleckmann Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz: Eine Aufgabe für den Gesetzgeber?, BB 2020, 249; Tschöpe/Leuchten Arbeitsrecht, 12. Aufl. 2021, Teil 6; Wank Arbeitsrecht und Handelsrecht im HGB, JA 2007, 321; Wank-Börgmann Deutsches und europäisches Arbeitsschutzrecht, 1992; Wiebauer Arbeitsschutz im Fremdbetrieb, ZfA 2014, 29; ders. Arbeitsschutz und Digitalisierung, NZA 2016, 1430; ders. Die Novelle der Arbeitsstättenverordnung 2016, NZA 2017, 220; Wlotzke Technischer Arbeitsschutz im Span-
Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-050
780
§ 62
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
nungsverhältnis von Arbeits- und Wirtschaftsrecht, RdA 1992, 85; ders. Das neue Arbeitsschutzgesetz – zeitgemäßes Grundlagengesetz für den betrieblichen Arbeitsschutz, NZA 1996, 1017; ders. Das betriebliche Arbeitsschutzrecht – Ist-Zustand und künftige Aufgaben, NZA 2000, 10; ders. Das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsschutzpflichten der Beschäftigten, Festschrift Hanau, 1999, S. 317; ders. Ausgewählte Leitlinien des Arbeitsschutzrechts, Festschrift Däubler, 1999, S. 654; ders. Zur stufenweisen Neuordnung des Arbeitsschutzrechts, Festschrift Kehrmann, 1997, S. 141. 2. Speziell zum Infektionsschutz und zur Corona-Pandemie. Adam Corona: Zurück aus dem Urlaub – und wieder ins Büro?, SPA 2020, 137; Adjan/Lettmeier „Der vorsichtige Arbeitgeber“: Einseitige Freistellung als Schutzmaßnahme in der Pandemie, NZA 2021, 161; Aligbe Impfpflichten in Gesundheitseinrichtungen, ARP 2022, 2; ders. 3G-Regelungen im Betrieb, COVuR 2022, 5; Bayer Impfpflicht, Corona-Test, Corona-Pass – Möglichkeiten zur schrittweisen Rückkehr an den Arbeitsplatz, ArbRAktuell 2021, 233; Benkert Wege aus der Pandemie – Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?, NJW-Spezial 2021, 50; Berger-Delhey „Misera plebs“ – Pandemie und Arbeitsrecht, ZTR 2009, 472; Boecken SARS-CoV-2: Impfstatusrelevante Befugnisse des Arbeitgebers, Saarl. AnwBl. 2021, 20; Boecken/Bantele Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Testangebotspflicht des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 1 SARS-COV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV), COVuR 2021, 322; Bonanni Die Folgen von Corona für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ArbRB 2020, 1; Dehmel/Hartmann Das Coronavirus (COVID-19) auf dem Vormarsch – Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Themen, BB 2020, 885; Eich Aids und Arbeitsrecht, NZA-Beilage 2/1987, 10; Eufinger COVID-19-Impfpflicht für medizinisches Fachpersonal? GesR 2021, 69; Falter Die Arbeitsleistung in der Pandemie, BB 2009, 1974; Fuhlrott Arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang der Coronavirus-Epidemie, GWR 2020, 107; ders. Corona und die Auswirkungen auf das Arbeitsrecht, MDR 2020, 540; Fuhlrott/ Fischer Corona: Virale Anpassungen des Arbeitsrechts, NZA 2020, 345; Giesen Arbeitsrechtliche Fragen der Impfund der Testverweigerung, ZfA 2021, 440; Gräf Der Impfstatus im Arbeitsverhältnis, Datenschutz, Leistungsstörungsrecht und Kündigungsschutz im Lichte der aktuellen Corona-Regeln, NZA 2021, 1361; Groeger Arbeitsrecht mit Augenmaß im Kampf gegen SARS-CoV-2, ARP 2020, 106; Grüneberg Coronavirus: Arbeitsschutzrechtliche Eckpunkte für die betrieblichen Akteure, ARP 2020, 111; Grüneberg/Lenuck Antigen-Schnelltests und Impfungen im Betrieb – Was ist zu beachten?, ARP 2021, 140; Gutzeit Impfpflicht im Arbeitsverhältnis, DB 2021, 955; Kluckert/ Temming Das neue Infektionsschutzrecht, 2. Aufl. 2021; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato Homeoffice und Mobile Office in der Corona-Krise, NZA 2020, 473; Löwisch Arbeitsrechtliche Fragen von Aids-Erkrankung und AidsInfektion, DB 1987, 939; St. Müller Die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Arbeitsrecht, ArbRAktuell 2022, 55; Naber/Schulte Können Arbeitnehmer zu einer Corona-Impfung oder einem Impfnachweis verpflichtet werden?, NZA 2021, 81; Pflüger Die Impfpflicht kraft Direktionsrecht des Arbeitgebers?, ARP 2021, 145; Sagan Arbeiten im Betrieb unter Corona-Bedingungen, NZA-Beilage 2021, 21; Sagan/Brockfeld Arbeitsschutzstandard und Arbeitsschutzregel. Soft law gegen die Corona-Pandemie, NZA-Beilage 2020, 17; dies. Arbeitsrecht in Zeiten der CoronaPandemie, NJW 2020, 1112; Sagan/Witschen Homeoffice im Infektionsschutzgesetz: Der neue § 28 b VII IfSG, NZA 2021, 593; Schmidt/Novara Arbeitsrechtliche Aspekte der Pandemievorsorge und -bekämpfung, DB 2009, 1817; v. Steinau-Steinrück/Mosch Arbeitsrechtliche Maßnahmen bei ausgebrochener Pandemie, NJW-Spezial 2009, 578; Steiner/Steinicke Die Arbeitsfähigkeitsbescheinigung – Ein arbeitgeberseitiger Mythos auch in Pandemiezeiten?, NZA 2020, 1150; Stück Corona Covid-19 und Compliance: Aktuelle arbeitsrechtliche Aspekte zur präventiven und repressiven Bewältigung der viralen Herausforderung, CCZ 2020, 205; Tödtmann/Bockelmann/Hartmann Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten, 2. Aufl. 2021; Thüsing/Bleckmann/Rombey Impfpflicht des Arbeitnehmers? Arbeits- und datenschutzrechtliche Implikationen, COVuR 2021, 66; M. W. Weber Betriebliche Pandemie-Vorsorge und Arbeitsschutzmaßnahmen, ARP 2020, 120; Wittek COVID-19 Impfpflicht im Arbeitsverhältnis?, ArbR 2021, 61.
Übersicht A.
Grundlagen
1.
I.
Normzweck, dogmatische Einordnung und 1 Rechtsentwicklung
2. 3.
Verhältnis zu §§ 618, 619 und zu § 241 Abs. 2 8 BGB 10 Verhältnis zum Arbeitsschutzrecht 14 Ausblick
II.
Anwendungsbereich
B.
Schutzpflichten nach Abs. 1
III.
Verhältnis zu anderen Regelungen
I.
Schutzgüter
781
4
15
16
Weber/Gräf
§ 62
II.
1. Buch. Handelsstand
1. 2. 3. 4.
Gegenständlicher Bereich und Inhalt der Schutzpflichten 19 Geschäftsräume 23 Vorrichtungen und Gerätschaften 25 Geschäftsbetrieb 27 Arbeitszeit
III.
Relativität der Schutzpflichten
C.
Schutzpflichten bei häuslicher Gemeinschaft 32 (Abs. 2)
I.
Begriff der häuslichen Gemeinschaft
II.
Schutzgüter, gegenständlicher Bereich und In34 halt der Schutzpflichten
D.
Mitbestimmung des Betriebsrats
E.
Rechtsfolgen bei Schutzpflichtverletzungen
I.
Übersicht
42
II.
Erfüllung
44
III.
Zurückbehaltungsrecht
IV. 1. 2. 3.
Schadensersatzansprüche Anspruchsgrundlagen und -voraussetzun48 gen 51 Darlegungs- und Beweislast 52 Rechtsfolgenverweisung (Abs. 3)
V.
Kündigung
F.
Unabdingbarkeit nach Abs. 4
46
28
33
54 55
36
A. Grundlagen I. Normzweck, dogmatische Einordnung und Rechtsentwicklung 1 § 62 bezweckt den Schutz des Handlungsgehilfen vor Gefahren insbesondere für Leben und Gesundheit des Handlungsgehilfen, die sich für diesen im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen – insbesondere bei der Arbeit mit technischen Einrichtungen – ergeben.1 Die Norm erstreckt den Schutz darüber hinaus auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und im Bereich des Abs. 2 auch auf dessen Religionsfreiheit (Rn 17, 35). § 62 regelt ebenso wie §§ 618, 619 BGB nur einen Ausschnitt aus dem Kreis der Schutz2 pflichten des Arbeitgebers. Die Vorschrift wird als besondere Ausprägung der „Fürsorgepflicht“ des Arbeitgebers betrachtet,2 wobei diese Terminologie heute ganz zu Recht immer weniger verwendet wird.3 Der überkommene Begriff der Fürsorgepflicht ist nur insofern nicht ganz verfehlt, als er auf den spezifischen personalen Charakter des Arbeitsverhältnisses hindeutet, bei dem es nicht um bloßen Leistungsaustausch, sondern um menschliche Arbeitsleistung geht. Ihren normativen Anknüpfungspunkt haben Schutzpflichten des Arbeitgebers seit der Schuldrechtsreform ebenso wie andere nicht-leistungsbezogene Nebenpflichten in § 241 Abs. 2 BGB.4 § 62 ist seit Inkrafttreten des HGB unverändert geblieben (vgl. zur Entwicklung und zur 3 zwischenzeitlichen Unanwendbarkeit der §§ 62 Abs. 2 bis 4 auf dem Gebiet der neuen Bundesländer Vor § 59 Rn 3 ff, 6). Die Konkretisierung der Schutzpflichten des Arbeitgebers hat seit langem das öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzrecht übernommen, das heute weitgehend durch europäische Richtlinienvorgaben geprägt ist (Rn 10 ff). Dadurch erfährt der Schutzgehalt des § 62 mittelbar eine gewisse Dynamik – zuletzt in ganz besonderer Weise im Rahmen der COVID-19-Pandemie (vgl. Rn 12 f, 21, 26). Die praktische Bedeutung des § 62 an sich – als eigenständige Norm – ist jedoch gering, da sich dieselben Pflichten jedenfalls aus dem allgemeinen § 618 BGB bzw. § 241 BGB (i.V.m. dem Arbeitsschutzrecht) ergeben würden (Rn 8 f, 14). 1 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1. 2 GK/Etzel HGB8 Rn 2; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 1. 3 Kritisch dazu mit Recht schon Schwerdtner Fürsorgetheorie und Entgelttheorie im Recht der Arbeitsbedingungen, 1970 S. 27 (76 ff, 89 ff); Rüthers Die unbegrenzte Auslegung8, 2017 S. 381 ff; Wiedemann Das Arbeitsverhältnis als Austausch- und Gemeinschaftsverhältnis, 1966 S. 4 ff. 4 Vgl. stv. MünchKommBGB/Bachmann8 § 241 Rn 47 ff. Weber/Gräf
782
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
II. Anwendungsbereich Als grundlegend im Hinblick auf die – heute in § 241 Abs. 2 BGB angesprochenen – Schutz- 4 pflichten (Rn 2) hat sich die von Canaris5 ausgeformte Lehre vom einheitlichen Schutzverhältnis erwiesen, wonach jedem Vertragspartner Sorgfalts- und Obhutspflichten hinsichtlich der Rechtsgüter des anderen Teils obliegen, auf die er infolge des rechtsgeschäftlichen Kontakts gesteigerte Einflussmöglichkeiten hat. Allerdings existieren solche Schutzpflichten, da sie auf den Vertrauensgedanken zurückzuführen sind, auch unabhängig von etwaigen vertraglichen Hauptleistungspflichten. Deshalb ist es unschädlich, wenn der Vertrag unwirksam ist.6 Darüber hinaus erstrecken sich die Schutzpflichten auch auf den vor- und nachvertraglichen Zeitraum7 (vgl. § 311 Abs. 2 BGB). Dies gilt, da § 62 nur ein allgemeines Prinzip konkretisiert, auch für die Anwendbarkeit dieser Vorschrift.8 Problematisch ist die Anwendbarkeit des § 62 im Rahmen arbeitsrechtlicher Drittbeziehun- 5 gen. Praktisch bedeutsam ist vor allem die Frage, ob im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung der „Entleiher“ nach § 62 auch zum Schutz der bei ihm eingesetzten Leiharbeitnehmer verpflichtet ist, obwohl zwischen diesen kein Arbeitsvertrag besteht. Auf den ersten Blick scheint § 11 Abs. 6 Satz 1 AÜG eine einschlägige Regelung zu enthalten; diese beschränkt sich jedoch auf das öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzrecht.9 Allerdings kann auch insoweit auf die in Rn 4 genannten Grundsätze zurückgegriffen werden, auf deren Basis sich Schutzpflichten des nicht vertragsgebundenen Dritten (also des „Entleihers“ bzw. mittelbaren Arbeitgebers) gegenüber dem Arbeitnehmer begründen lassen.10 Dementsprechend gilt § 62 auch in diesen Fällen.11 In methodischer Hinsicht handelt es sich um eine analoge Anwendung.12 Durch diese Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs wird auch den Vorgaben der Gesundheitsschutz-Ergänzungsrichtlinie (RL 91/383/EWG)13 Rechnung getragen,14 die gewährleisten will, dass Leiharbeitnehmer im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz das gleiche Schutzniveau wie die beim Entleiher beschäftigten Stammarbeitnehmer genießen (vgl. Art. 2 Abs. 1 RL 91/383/EWG; vgl. auch ErwG 13 der Leiharbeitsrichtlinie15). Gemäß dem Wortlaut des § 62 ist die Vorschrift nur auf Handlungsgehilfen i.S.d. § 59 Satz 1 6 anwendbar. Eine analoge Anwendung zugunsten sonstiger, nicht-kaufmännischer Arbeitnehmer scheidet aus, da diese nach § 618 und § 241 Abs. 2 BGB einen Schutz gleichen Inhalts genie5 6 7 8 9
Canaris JZ 1975, 475 ff. Canaris JZ 1975, 475 ff. Canaris JZ 1975, 475 (478 ff). Zust. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 4, 9. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 8; vgl. demgegenüber Schüren/Hamann/Schüren5 AÜG § 11 Rn 195; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 69: deklaratorische Regelung. 10 Grundlegend Konzen ZfA 1982, 285 ff; vgl. ferner Gick Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verbot und Neugestaltung, 1984 S. 99 ff; Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 77 ff; Rüthers/Bakker ZfA 1990, 281; Waas RdA 1993, 155 ff; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 87 f; Zöllner/Loritz/Hergenröder Arbeitsrecht § 27 III 2; zum Ganzen Ch. Weber Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 1992 S. 346 ff. 11 Zust. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 8; ausf. zu § 618 BGB Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 95 ff. 12 So zu § 618 BGB auch BeckOK-ArbR/Joussen64 § 618 BGB Rn 6; Wiebauer ZfA 2014, 29 (58); sogar für eine direkte Anwendung wohl BAG 5.5.1988 – 8 AZR 484/85, AP § 831 BGB Nr. 2 (unter B II 3 c); 19.2.2009 – 8 AZR 188/08, AP § 105 SGB VII Nr. 4 (Rn 44); wieder anders (Arbeitsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Entleihers) MünchKommBGB/Henssler8 § 618 Rn 26; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 95 f; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 69. 13 Richtlinie 91/383/EWG v. 25.6.1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. L 206/ 19). 14 Vgl. zu § 618 BGB BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 69. 15 Richtlinie 2008/104/EG v. 19.11.2008 über Leiharbeit (Abl. EU L 327/9). 783
Weber/Gräf
§ 62
1. Buch. Handelsstand
ßen (Rn 8 f); es fehlt insoweit an einer Regelungslücke.16 § 62 soll allerdings auf Familienangehörige des Handlungsgehilfen anwendbar sein, die sich während der Arbeitsverrichtung des Handlungsgehilfen berechtigterweise in den Räumen des Arbeitgebers aufhalten.17 Dies lässt sich dogmatisch allenfalls mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter begründen.18 Im konkreten Fall müssen daher die hierfür anerkannten Voraussetzungen (Vertragsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises und Schutzbedürfnis des Dritten)19 vorliegen. Bei Familienangehörigen oder sonstigen Dritten, die den Handlungsgehilfen an der Arbeitsstätte – wenn auch berechtigterweise – lediglich besuchen, wird es regelmäßig an der Vertragsnähe fehlen.20 In solchen Fällen kommen allein deliktische Ansprüche wegen Verletzung von Verkehrs(sicherungs)pflichten in Betracht. 7 Zum räumlichen Anwendungsbereich vgl. Vor § 59 Rn 6. Zum gegenständlichen Bereich der Schutzpflichten Rn 19 ff und Rn 34.
III. Verhältnis zu anderen Regelungen 1. Verhältnis zu §§ 618, 619 und zu § 241 Abs. 2 BGB 8 Im Verhältnis zu den §§ 618, 619 BGB handelt es sich bei § 62 um eine Spezialnorm für Handlungsgehilfen.21 Praktisch hat das Spezialitätsverhältnis aber keine Auswirkungen. Überwiegend besteht zwischen den Vorschriften bereits Wortlautidentität. Dies gilt – bis auf die Bezeichnung der Beteiligten – uneingeschränkt für § 62 Abs. 2 und 3 im Verhältnis zu § 618 Abs. 2 und 3 BGB sowie für § 62 Abs. 4 im Verhältnis zu § 619 BGB. Im Wortlaut des § 62 Abs. 1 und des § 618 Abs. 1 BGB finden sich lediglich punktuelle Abweichungen im Hinblick auf die genannten Schutzgüter; im Wege der systematischen Auslegung bzw. mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB gelangt man im Ergebnis aber zu identischen Pflichten des Arbeitgebers:22 So nennt zwar § 62 Abs. 1 im Gegensatz zu § 618 Abs. 1 BGB nur die Gesundheit, nicht auch das Leben. Jedoch lässt sich schon aus der Rechtsfolgenregelung in § 62 Abs. 3 ersehen, dass auch das Leben geschützt sein soll;23 dies folgt im Übrigen aus einem Erst-recht-Schluss. Umgekehrt sind nur in § 62 Abs. 1 die „guten Sitten und der Anstand“ erwähnt, nicht auch in § 618 Abs. 1 BGB; für nicht-kaufmännische Arbeitnehmer kann insofern aber auf § 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.24 Eine analoge Anwendung des § 62 auf sonstige, nicht-kaufmännische Arbeitnehmer ist daher nicht angezeigt.25 Unter dem Strich bestehen keine inhaltlichen Unterschiede zwischen den Schutzpflichten 9 zugunsten von Handlungsgehilfen und denen zugunsten sonstiger Arbeitnehmer.26 Für die Pra16 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 6; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; GK/Etzel HGB8 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8.
17 So zu § 618 BGB RG 6.1.1939 – III 26/38, RGZ 159, 283 (285); ebenso für § 62 etwa Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8. 18 Anders Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8: Vertrag zugunsten Dritter. 19 Ausf. MünchKommBGB/Gottwald8 § 328 Rn 166 ff. 20 Vgl. BGH 10.5.1951 – III ZR 102/50, NJW 1951, 596: keine vertragliche Haftung aus dem Krankenhausvertrag zugunsten des Besuchers eines Krankenhauspatienten. 21 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3. 22 Vgl. zum Ganzen Wagner S. 117 ff. 23 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 16; Schlegelberger/Schröder Rn 11; Wagner S. 118. 24 Erman/Belling/Riesenhuber15 § 618 Rn 1; MünchKommBGB/Henssler5 § 618 Rn 3; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 127; vgl. auch Wagner S. 119 f. 25 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 127. 26 Wagner S. 124. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
xis folgt daraus, dass §§ 618, 619 BGB und § 62 kongruent auszulegen sind.27 Die zu den §§ 618, 619 BGB gefundenen Auslegungsergebnisse sind damit auf § 62 – hierzu liegen deutlich weniger Judikate vor – übertragbar.28 Zum Teil greift die Rechtsprechung ohnehin auch für Handlungsgehilfen nicht auf § 62, sondern auf § 618 BGB zurück.29
2. Verhältnis zum Arbeitsschutzrecht Von großer Tragweite für die praktische Bedeutung des § 62 und des § 618 BGB ist deren Überla- 10 gerung durch das ausdifferenzierte System des Arbeitsschutzrechts. Privatrecht und öffentliches Recht ergänzen sich; Arbeitsschutz liegt zugleich im öffentlichen Interesse der Allgemeinheit wie im privaten Interesse des Arbeitnehmers.30 Im Ausgangspunkt ist das Arbeitsschutzrecht Teil des öffentlichen Rechts. Es ist durch 11 die Aufsichtsbehörden mittels öffentlich-rechtlicher Instrumente durchsetzbar, vgl. §§ 21 ff ArbSchG.31 Zugleich konkretisiert das Arbeitsschutzrecht aber die privatrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers nach § 62 (und § 618 BGB). Die Vorgaben des Arbeitsschutzrechts werden – soweit es sich um solche handelt, die dem Schutz des einzelnen Arbeitnehmers dienen und nach ihrer Art Gegenstand arbeitsvertraglicher Pflichten sein können32 – über § 62 (und § 618 BGB) in privatrechtliche Pflichten „transformiert“.33 Dem Arbeitsschutzrecht kommt insofern eine „Doppelwirkung“ zu.34 Öffentlich-rechtliche Arbeitsschutznormen sind damit auch als privatrechtliche Schutzpflichten des Arbeitgebers mit zivilrechtlichen Mitteln sanktionierbar35 (Rn 42 ff). Dies gilt zwar nur innerhalb des in § 62 vorgesehenen gegenständlichen Bereichs der Schutzpflichten (Rn 19 ff, 34); hinsichtlich transformationsfähiger arbeitsschutzrechtlicher Pflichten, die über diesen Bereich hinausgehen, kann jedoch auf § 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.36 In der Praxis kommt der privatrechtlichen Rechtsdurchsetzung mittels § 62 (oder § 618 BGB) gegenüber den öffentlichen Aufsichtsrechten und den Beteiligungsrechten des Betriebsrats, die ebenfalls an den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz anknüpfen (Rn 36 ff), freilich eine untergeordnete Bedeutung zu.37 Das Arbeitsschutzrecht ist durch ein duales System gekennzeichnet: Es besteht zum einen 12 aus dem staatlichen Arbeitsschutzrecht, das durch die staatlichen Aufsichtsbehörden vollzogen wird, zum anderen aus den Unfallverhütungsvorschriften, die von den Unfallversicherungsträgern (§ 114 SGB VII) als autonomes Recht erlassen und überwacht werden (§§ 17 ff SGB VII).38 Die Transformationswirkung des § 62 (und des § 618 BGB) bezieht sich auf beide Bereiche.39 Das staatliche Arbeitsschutzrecht lässt sich wiederum thematisch in den techni-
27 28 29 30 31 32
Roth RdA 2012, 1 (10). BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 53; Hopt/Roth41 Rn 1. So die Beobachtung von Roth RdA 2012, 1 (10). Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1. Vgl. Schlegelberger/Schröder Rn 1. Näher zu den Anforderungen an die „Transformationsfähigkeit“ arbeitsschutzrechtlicher Pflichten BeckOGKBGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 76 ff. 33 St. Rspr. des BAG, s. nur BAG 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, AP § 618 BGB Nr. 29 (Rn 12 ff) m. Anm. Kohte (m.w.N.). 34 BAG 12.8.2008 – 9 AZR 1117/06, AP § 618 BGB Nr. 29 (Rn 13) m. Anm. Kohte; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 74 ff m.w.N. 35 Vgl. bereits Nipperdey in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, Bd. 5, 1929 S. 203 ff; ferner Herschel RdA 1978, 73; Wlotzke FS Hilger/Stumpf, 1983 S. 723 ff. 36 Vgl. BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 77. 37 Vgl. Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 8 m.w.N. 38 BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 36. 39 BAG 10.3.1976 – 5 AZR 34/75, AP § 618 BGB Nr. 17 m. Anm. Herschel; 21.8.1985 – 7 AZR 199/83, AP § 618 BGB Nr. 19 m. Anm. Mühl; Wiebauer ZfA 2014, 29 (49) m.w.N. 785
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1. Buch. Handelsstand
schen und den sozialen Arbeitsschutz unterteilen.40 Die Grundlagen des technischen Arbeitsschutzes sind im deutschen Recht im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) von 199641 geregelt, das daher auch als „allgemeiner Teil“ des Arbeitsschutzrechts bezeichnet wird.42 Auf Grundlage des § 18 ArbSchG wurde eine Reihe von Rechtsverordnungen erlassen, die zu einzelnen Sachthemen konkretisierende Vorgaben enthalten (z.B. ArbStättV, ArbMedVV, GefStoffV).43 Hinzu kommen sog. technische Regeln.44 Diese enthalten zwar keine verbindlichen Rechtspflichten, sondern können flexibel gehandhabt werden.45 Sie spielen in der Praxis aber insofern eine nicht unerhebliche Rolle, als sich Arbeitnehmer bei Einhaltung dieser Regeln auf eine widerlegliche Vermutung berufen können, den Vorgaben des Arbeitsschutzrechts entsprochen zu haben (vgl. nur § 24a Abs. 4 Satz 3 ArbSchG).46 Im Zuge der Corona-Pandemie haben neben der SARS-CoV-2Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) vor allem der „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard“ und die „SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel“ große praktische Bedeutung erlangt47 (vgl. noch Rn 21, 26). Überlagert wird der technische Arbeitsschutz – und damit mittelbar auch § 62 – durch Vorgaben des Unionsrechts: Mit dem Arbeitsschutzgesetz wird die EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz48 umgesetzt. Auf deren Grundlage wurde wiederum eine Reihe sog. Einzelrichtlinien zu speziellen Themenkomplexen erlassen,49 die Vorgaben für die Ausgestaltung und Auslegung der erwähnten nationalen Rechtsverordnungen enthalten. Im zweiten Bereich des staatlichen Arbeitsschutzrechts, dem sozialen Arbeitsschutz, bildet der Arbeitszeitschutz das Kernstück, namentlich das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), mit dem die Vorgaben der Arbeitszeitrichtlinie50 umgesetzt wurden (dazu noch Rn 27). Eine zunehmende Bedeutung hat für das Arbeitsschutzrecht zuletzt das Primärrecht der EU gewonnen, namentlich die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 31 und 32 GRCh. In diesem Bereich tendiert der EuGH sogar zu einer unmittelbaren horizontalen Drittwirkung im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien.51 Zu beachten ist, dass die arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben – was den privatrechtlichen 13 Pflichtenmaßstab betrifft – nach hM nur Mindeststandards vorgeben.52 Danach können sich aus § 62 (und § 618 BGB) in bestimmten Sonderkonstellationen, insbesondere zum Schutz besonders anfälliger Beschäftigter, weitergehende Pflichten des Arbeitgebers ergeben.53 Solche Fälle, in denen das Privatrecht weitergehende Schutzmaßnahmen als das Arbeitsschutzrecht fordert, dürften aber die Ausnahme sein. Im Rahmen der Corona-Pandemie wird dies im Hinblick auf den Immunitätsstatus diskutiert;54 damit hängt die Frage zusammen, ob der Arbeitgeber von seinen Mitarbeitern – um seinen Schutzpflichten gegenüber den Kollegen nachzukommen – eine Schutzimpfung verlangen kann (vgl. Rn 26).
40 Vgl. BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 40 ff. 41 Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit vom 7.8.1996 (BGBl. I S. 1246). 42 BeckOK-BGB/Baumgärtner62 § 618 Rn. 7. 43 Vollständige Auflistung bei BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 41. 44 S. die Auflistung bei BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 43. 45 Vgl. BAG 18.7.2017 – 1 ABR 59/15, AP § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz Nr. 25 (Rn 25). 46 Vgl. im Kontext der Corona-Pandemie Sagan NZA-Beilage, 2021, 21 (22). 47 Hierzu näher Sagan NZA-Beilage, 2021, 21 ff; s. zum Arbeitsschutz im Kontext der Corona-Pandemie weiterhin das vor Rn 1 aufgelistete Schrifttum. 48 Richtlinie 89/91/EGW v. 12.6.1989 (ABl. EG Nr. L 183 S. 1), geändert durch VO v. 29.9.2003 (ABl. EG Nr. L 284 S. 1). 49 Überblick bei BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 32. 50 RL 2003/88/EG v. 4.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EG 299/9). 51 Vgl. EuGH 6.11.2018 – C-569/16, C-570/16 (Bauer), AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 27; 6.11.2018 – C-684/16 (MaxPlanck-Gesellschaft), AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 26; 14.5.2019 – C-55/18 (CCOO), AP Richtlinie 2003/88/EG Nr. 30. 52 S. nur MünchArbR/Kohte4 § 175 Rn 13 m.w.N.; vgl. demgegenüber MünchKommBGB/Henssler8 § 618 Rn 62. 53 BeckOK-BGB/Baumgärtner62 § 618 Rn 10 ff. 54 Vgl. dazu Gräf NZA 2021, 1361 (1369); Thüsing/Bleckmann/Rombey COVuR 2021, 66 (67 f). Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
3. Ausblick Insgesamt kommt § 62 nur noch eine begrenzte Bedeutung zu.55 Die in § 62 unmittelbar 14 enthaltenen Vorgaben werden weitgehend durch das viel engmaschigere Arbeitsschutzrecht überlagert. Und selbst als „Transmissionsriemen“, über den das Arbeitsschutzrecht in das Privatrecht einwirkt, ist § 62 neben § 618 BGB (und § 241 Abs. 2 BGB) verzichtbar. Auch in Bezug auf § 62 gilt, dass ein Sonderrecht für Handlungsgehilfen und die damit verbundene Aufsplitterung nach Arbeitnehmergruppen historisch überholt sind (vgl. § 59 Rn 3 ff). Der Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes56 enthält in § 65 eine entsprechende einheitliche Regelung.
B. Schutzpflichten nach Abs. 1 Abs. 1 bildet innerhalb des § 62 die Grundnorm. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die in der 15 Vorschrift genannten Rechtsgüter (Rn 16 ff) des Handlungsgehilfen in bestimmten gegenständlichen Bereichen (Rn 19 ff) zu schützen, soweit die Natur des Betriebs es gestattet (Rn 18 ff). Es ist anerkannt, dass die gesetzlichen Merkmale zum Schutze des Handlungsgehilfen weit auszulegen sind.57 In diesen, im Folgenden zu konkretisierenden, Grenzen bildet Abs. 1 zugleich den Rahmen für die Transformation arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben (Rn 11).
I. Schutzgüter Der Arbeitgeber ist nach § 62 Abs. 1 zunächst verpflichtet, seine Arbeitnehmer bei Verrichtung 16 ihrer Arbeitsleistung vor Gesundheitsschäden zu schützen. Der Gesundheitsbegriff ist im Einklang mit § 618 BGB auszulegen und erfasst sowohl die körperliche Integrität, als auch die Abwesenheit von Krankheiten.58 Krankheit ist dabei jede pathologische Abweichung von der Normalität in körperlicher oder geistiger Hinsicht.59 Das allgemeine Wohlbefinden (in geistiger oder sozialer Hinsicht) ist nicht erfasst.60 Über den Normwortlaut hinaus wird auch – oder vielmehr erst recht – das Leben geschützt (Rn 8). Ausdrücklich erwähnt ist auch die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des An- 17 stands. Trotz der veralteten Diktion ist die Zielrichtung des Gesetzes insoweit auch heute nicht völlig überholt.61 Der Akzent hat sich nur von der moralischen Ebene auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verlagert.62 Das Erfordernis von nach Geschlechtern getrennten Umkleide-, Wasch- und Toilettenräumen, wie sie auch von Anhang Nr. 4.1 Abs. 1 Satz 2 zur ArbStättV gefordert werden, wird auch heute nicht bestritten. Der Schutz von Eigentum oder Besitz im Hinblick auf vom Handlungsgehilfen eingebrach- 18 te Sachen ist von § 62 nicht erfasst. Mangels Gleichwertigkeit der Rechtsgüter scheidet auch eine
55 56 57 58 59 60 61 62
Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 4. Beilage zu NZA 21/2007. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 11; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 17. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 15; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 17. Zust. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 13. Vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 13. 787
Weber/Gräf
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analoge Anwendung aus.63 Insofern kann aber auf § 241 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden.64 Darüber hinaus kommen deliktische Ansprüche wegen der Verletzung von Verkehrs(sicherungs)pflichten in Betracht.
II. Gegenständlicher Bereich und Inhalt der Schutzpflichten 1. Geschäftsräume 19 Der Arbeitgeber muss die Geschäftsräume so einrichten und fortlaufend unterhalten, dass die Gesundheit seiner Mitarbeiter gewährleistet ist. 20 Der Begriff der Geschäftsräume wird weit verstanden und umfasst alle dem Geschäftsbetrieb dienenden Grundstücke, Gebäude und Gebäudeteile einschließlich der Zugänge (vgl. auch § 2 ArbStättV).65 Erfasst sind entgegen dem missverständlichen Normwortlaut auch Arbeitsstätten im Freien, wenn der Arbeitnehmer hier seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen hat.66 Die Eigentumsverhältnisse spielen keine Rolle;67 auch gemietete, gepachtete oder sonst von Dritten überlassene Räume fallen daher unter den Geschäftsraumbegriff.68 Der Arbeitnehmer muss sich in dem betroffenen Raum befugt aufhalten.69 Nicht erfasst werden Wege von und zu der Arbeitsstätte. Arbeitnehmer genießen hier zwar den Schutz des gesetzlichen Unfallversicherungsrechts (§ 8 Abs. 2 SGB VII); von den privatrechtlichen Schutzpflichten sind diese aber nicht erfasst;70 insofern fehlt es an einer Einflussmöglichkeit des Arbeitgebers (vgl. zum Schutzzweck Rn 4). 21 Zu den Pflichten des Arbeitgebers in Bezug auf Geschäftsräume gehören typischerweise die ausreichende Beleuchtung, Belüftung und Reinigung. Für diesen Bereich enthält der Anhang zu § 3 Abs. 1 ArbStättV Konkretisierungen.71 Für infektionsspezifische Risiken im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden in der „Corona-Arbeitsschutzregel“ weitergehende Regeln etwa zu Lüftungsintervallen festgehalten. 22 Im Rahmen mobiler Arbeit von unterwegs (z.B. im Zug oder im Café) bestehen keine Pflichten des Arbeitgebers in Bezug auf Geschäftsräume. Einen häuslichen Arbeitsplatz („Homeoffice“) wird man bei gebotener weiter Auslegung zwar als „Geschäftsraum“ ansehen können. Einen Anspruch aus § 62 Abs. 1 auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes nach Maßgabe der detaillierten Bestimmungen der ArbStättV hat der Handlungsgehilfe allerdings nur, wenn Telearbeit mit dem Arbeitgeber vereinbart ist.72 Ansonsten greift im Homeoffice (im weiteren Sinne) 63 BAG 5.3.1959 – 2 AZR 268/56, AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 26 m. Anm. Hueck (zu einem auf das Betriebsgelände eingebrachten Motorroller); zust. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 19; BeckOGK-HGB/ Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 14; i.E. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 1. 64 Näher Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 132 ff; Schlegelberger/Schröder Rn 11 ff; vgl. bereits im Hinblick auf die „allgemeine Fürsorgepflicht“ BAG 5.3.1959 – 2 AZR 268/56, AP § 611 BGB Fürsorgepflicht Nr. 26 m. Anm. Hueck. 65 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; allgemein für ein weites Verständnis des Begriffs der Geschäftsräume in Anlehnung an § 2 ArbStättV BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 16; vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 66 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; vgl. zu § 618 BGB auch BGH 20.2.1958 – VII ZR 76/ 57, NJW 1958, 710 (711). 67 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 68 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 16; Schlegelberger/Schröder Rn 4. 69 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 12; näher BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 16.1. 70 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 11; vgl. zu § 618 BGB BGH 20.2.1958 – VII ZR 76/57, NJW 1958, 710. 71 Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 78. 72 Vgl. zu § 618 BGB BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 92. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
nur ein „relativer Arbeitsschutz“ nach Maßgabe der Generalklauseln des ArbSchG.73 Hier dürften sich nur selten die Voraussetzungen eines privatrechtlichen Anspruchs nachweisen lassen.
2. Vorrichtungen und Gerätschaften Die Schutzpflicht des Arbeitgebers bezieht sich auch auf alle Gegenstände, die er den Mitarbei- 23 tern zur Verrichtung ihrer Arbeitsleistung bereitstellt. Dazu gehören insbesondere Maschinen, Beförderungs- oder Büromittel, Einrichtungsgegenstände, Materialien und Schutzkleidung.74 Auch insofern sind die Eigentumsverhältnisse irrelevant.75 Entscheidend ist, dass der Handlungsgehilfe mit den Vorrichtungen bzw. Gegenständen tatsächlich und erlaubterweise in Berührung kommt.76 Hinsichtlich des Pflichteninhalts bietet erneut das Arbeitsschutzrecht Präzisierungen, hier 24 insbesondere in der BetrSichV und im ProdSG.77 Der Arbeitgeber muss dem Handlungsgehilfen unter Umständen eine Unterweisung erteilen.78 Für die Arbeit an Bildschirmarbeitsplätzen war früher die BildscharbV maßgeblich; diese wurde inzwischen in die ArbStättV integriert.79
3. Geschäftsbetrieb Das Erfordernis, auch den Geschäftsbetrieb auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer auszu- 25 richten, bezieht die Schutzpflicht des Arbeitgebers auch auf die Organisation des Betriebs.80 Insofern kommt es teilweise zu Überschneidungen mit den Schutzpflichten hinsichtlich der Geschäftsräume, Vorrichtungen und Gerätschaften, zu denen auch organisatorische Maßnahmen gehören. Das Gesetz weitet aber die Schutzpflicht sachgerecht ganz generell auf alle betrieblichen Abläufe aus. Deshalb muss der Arbeitgeber z.B. Überlastungen seiner Mitarbeiter vermeiden,81 er muss die Arbeit vernünftig einteilen und dafür sorgen, dass bei der Verwendung von gefährlichen Arbeitsmitteln die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. In diesen Bereich gehört auch die Pflicht des Arbeitgebers, durch Schutzmaßnahmen im 26 Rahmen der betrieblichen Organisation etwaigen Infektionsgefahren in Bezug auf ansteckende Krankheiten vorzubeugen. Welche Maßnahmen konkret erforderlich sind, richtet sich nach Art und Größe des Betriebs sowie nach der Art, Infektiosität und Verbreitung der betroffenen Krankheit. Während etwa im Hinblick auf HIV-Infektionen aufgrund der geringen Ansteckungsgefahr allenfalls niederschwellige Maßnahmen für Information und Aufklärung geboten sind,82 stellt sich die Lage im Rahmen der Corona-Pandemie deutlich komplexer dar. Hier sind eine ganze Reihe von Fragen aufgetreten, auf die durch den Erlass entsprechender arbeitsschutzrechtlicher Regelungen (Rn 12) und deren wiederholte Anpassung reagiert wurde.83 Als nicht unkompliziert hat sich das Zusammenspiel zwischen dem Arbeitsschutzrecht, dem Infektionsschutzrecht, zu dem sich neben bundesrechtlichen auch unterschiedliche landesrechtliche Regelungen finden,84 und dem Datenschutzrecht (vgl. hierzu insbesondere 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 789
Ausf. zum Arbeitsschutz im Homeoffice Rieble/Chr. Picker ZfA 2014, 153 ff. Weitere Beispiele bei MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. GK/Etzel HGB8 Rn 6; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 18; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. Näher dazu § 618 BGB BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 103 ff. GK/Etzel HGB8 Rn 6. Dazu BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 91 f, 105. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 23. BAG 13.3.1967 – 2 AZR 133/66AP § 618 BGB Nr. 15 (Bl. 3) m. Anm. Hueck. Vgl. hierzu etwa Eich NZA-Beilage 2/1987, 10; Richardi NZA 1988, 73. S. hierzu den Überblick bei Sagan NZA-Beilage, 2021, 21 ff. Vgl. am Beispiel der Maskenpflicht Sagan NZA-Beilage, 1/2021, 21 (23). Weber/Gräf
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Art. 9 DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG sowie §§ 23a, 36 Abs. 3 IfSG)85 erwiesen. Zu den gebotenen Schutzmaßnahmen kann die Einführung von Hygieneregeln (z.B. Abstandsgebote, das Verbot des Händeschüttelns oder das Gebot zum Tragen von Schutzmasken) gehören.86 Der Gesetzgeber hat zudem zeitweise eine Pflicht zur Arbeit im Homeoffice eingeführt;87 außerhalb infektionsschutzrechtlicher Spezialregelungen lässt sich ein Homeofficeanspruch auf § 62 Abs. 1 HGB (bzw. auf § 618 Abs. 1 oder § 241 Abs. 2 BGB) aber nur in Ausnahmefällen stützen.88 Besonders umstritten ist, inwieweit der Arbeitgeber zur Einführung verbindlicher Tests berechtigt ist,89 und vor allem, ob er von seinen Mitarbeitern – was über die arbeitsschutzrechtlichen Mindestvorgaben hinausginge (vgl. Rn 13) – eine Impfung verlangen kann.90 Eine (mittelbare) Impfpflicht hat der Gesetzgeber (bislang) nur für Beschäftigte eingeführt, die in bestimmten Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind (vgl. § 20a IfSG).91 Zu den Einzelheiten s. das eingangs aufgelistete Schrifttum.
4. Arbeitszeit 27 Auch die Arbeitszeiten sind im Betrieb unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes des Arbeitnehmers zu regeln. Unter den Begriff der Arbeitszeit fallen sowohl deren Lage als auch deren Dauer.92 Insofern sind die Schutzpflichten des Arbeitgebers durch die Regelungen des ArbZG konkretisiert, das seinerseits die Vorgaben der europäischen Arbeitszeitrichtlinie umsetzt (Rn 12). Das Arbeitszeitgesetz sieht insbesondere Höchstarbeitszeiten vor (§§ 3, 7 ArbZG), enthält Ruhepausen- und Ruhezeitenregelungen (§§ 4 f ArbZG) und lässt Feiertags- und Nachtarbeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zu (§§ 6, 9, 10 ArbZG). Die früher strenge Reglementierung der Höchstarbeitszeit ist allerdings zugunsten flexiblerer Regelungsmöglichkeiten durch die Tarifpartner aufgelockert worden (vgl. § 7 ArbZG). De lege ferenda ist in der heutigen digitalisierten Arbeitswelt eine weitere Flexibilisierung – insbesondere durch die Einführung einer wöchentlichen anstelle einer täglichen Höchstarbeitszeit – vonnöten;93 die Arbeitszeitrichtlinie bietet hierfür Spielräume.94 Besondere Vorgaben für bestimmte Personengruppen sehen das JArbSchG und das MuSchG (vgl. hierzu auch die Jugendarbeitsschutzrichtlinie95 und die Mutterschutzrichtlinie96) vor.97
85 Zum Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impf- bzw. Genesenenstatus Giesen ZfA 2021, 440 (452 ff); Gräf NZA 2021, 1361 (1363 ff). 86 Zu den im Einzelnen einschlägigen arbeitsschutzrechtlichen Regelungen BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 122; vgl. auch den Überblick bei M. W. Weber ARP 2020, 120. 87 Vgl. § 28b Abs. 4 IfSG a.F. (außer Kraft seit dem 19.3.2022). 88 Krieger/Rudnik/Povedano NZA 2020, 473 (478); Sagan/Brockfeld NJW 2020, 1112 (1114 f). Davon unabhängig ist die allgemeine Diskussion um die Einführung einer Homeofficepflicht bzw. eines Verhandlungsanspruchs, vgl. dazu etwa Chr. Picker ZfA 2019, 269; ders. NZA-Beilage 1/2021, 4. 89 Ausf. hierzu Giesen ZfA 2021, 440 (458 ff); Sagan NZA-Beilage, 1/2021, 21 (23 f). 90 S. die umfangreichen Nachw. bei Gräf NZS 2022, 175 (Fn 55, 56, 58). 91 Die Regelung ist befristet; sie tritt am 1.1.2023 außer Kraft; vgl. hierzu den Überblick bei Aligbe ARP 2022; Gräf NZS 2022, 175 m.w.N. 92 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 21; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16. 93 Statt vieler Krause NZA-Beilage 2/2019, 86 m.w.N. 94 S. hierzu nur H. Hanau EuZA 2019, 432. 95 RL 94/33/EG v. 22.6.1994 über den Jugendarbeitsschutz (ABl. EG L 216/12). 96 RL 92/85/EWG v. 19.10.1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (ABl. L 348/1). 97 Näher BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 55 ff. Weber/Gräf
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III. Relativität der Schutzpflichten Das Gesetz erlegt dem Arbeitgeber nur insoweit Schutzpflichten auf, als „die Natur des Betriebs es gestattet“. Der Wortlaut weicht insofern zwar von § 618 Abs. 1 BGB („als die Natur der Dienstleistung es gestattet“) ab, inhaltliche Unterschiede ergeben sich hieraus aber nicht.98 Die Einschränkung bedeutet keinesfalls, dass Gefährdungen des Arbeitnehmers, die sich notwendigerweise aus einer bestimmten Ausrichtung des Betriebs ergeben, Schutzpflichten des Arbeitgebers ausschlössen. Dessen Verantwortung ist gerade in derartigen Fällen gefragt.99 Der Arbeitnehmer verzichtet auch nicht etwa konkludent durch Aufnahme der Tätigkeit in einem Betrieb, über dessen Gefahren er aufgeklärt wurde, generell auf die Schutzpflicht des Arbeitgebers. Das würde schon § 62 Abs. 4 widersprechen.100 Der Gesetzgeber trägt mit der Bezugnahme auf die „Natur des Betriebs“ nur der Tatsache Rechnung, dass bestimmte Tätigkeiten und Betriebsarten schlechthin gefährlich sind und der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber in solchen Fällen nicht jeglichen Ausschluss der Gefährdung seiner Gesundheit verlangen kann. Allenfalls insoweit ließe sich von einem konkludenten Einverständnis des Arbeitnehmers sprechen.101 Kernaussage des Merkmals der „Natur des Betriebs“ ist damit, dass die Schutzpflichten nicht als absolute, sondern als relative ausgestaltet sind.102 Der Arbeitgeber muss die Gefahren für seine Mitarbeiter im Rahmen des Möglichen und (organisatorisch bzw. wirtschaftlich) Zumutbaren103 minimieren: Er muss sich um Schutz auf dem neuesten technischen Sicherheitsniveau („Stand der Technik“)104 bemühen, seine Mitarbeiter ausreichend instruieren (vgl. § 12 ArbSchG, § 81 BetrVG) und sich selbst über Verbesserungen informieren. Eine abstrakte und zugleich präzise Grenzlinie zu ziehen, ist angesichts der ggf. anfallenden Investitionskosten und im Hinblick auf den ständigen technischen Fortschritt nicht möglich. Auch insoweit übernimmt deshalb das Arbeitsschutzrecht eine wichtige Funktion, indem bestimmte Mindeststandards vorgegeben werden, die in jedem Fall einzuhalten sind. Auf diesem Niveau ist dann regelmäßig (vgl. Rn 13) auch die Grenze der privatrechtlichen Zumutbarkeit für den Arbeitgeber fixiert. Umstritten ist, ob die unternehmerische Betätigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) des Arbeitgebers den Schutzpflichten aus § 62 (und § 618 BGB) – über die „Natur des Betriebs“ hinaus oder im Rahmen dieses Merkmals – zusätzliche Grenzen setzt. Das BAG geht davon aus, dass der Arbeitgeber i.d.R. zu Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nicht verpflichtet sei, die zu einer „Veränderung der unternehmerischen Betätigung“ führen würden. Die unternehmerische Betätigung, in deren Rahmen der Arbeitnehmer eingesetzt wird, müsse lediglich den einschlägigen gesetzlichen (gewerberechtlichen, gesundheitspolizeilichen etc.) Regelungen entsprechen.105 Mit dieser Begründung hat das BAG den Anspruch einer Flugbegleitung gegen ihren Arbeitgeber auf Einführung eines (damals noch nicht gesetzlich vorgegebenen) Rauchverbots an Bord von Passagierflugzeugen abgelehnt.106 In der Literatur ist die Beschränkung der Schutzpflicht durch Anerkennung a priori zu berücksichtigender, gerichtlich nicht überprüfbarer unternehmerischer Entscheidungen auf Kritik gestoßen.107 § 62 und § 618 BGB gehörten nämlich 98 So i.E. auch Wagner S. 122: Es gehe einheitlich um die „Natur der Sache“; zust. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 53.
99 Schlegelberger/Schröder Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22. 100 Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 232. 101 Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 232. 102 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 26; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 231; s. speziell zur CoronaPandemie M. W. Weber ARP 2020, 120. 103 Zutr. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 27. 104 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 21. 105 BAG 8.5.1996 – 5 AZR 971/94, AP § 618 BGB Nr. 20 (unter B I 2 a). 106 BAG 8.5.1996 – 5 AZR 971/94, AP § 618 BGB Nr. 20 (unter B I). 107 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 29; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 27.2; Möllers JZ 1996, 1050. 791
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gerade zu den gesetzlichen Vorgaben, innerhalb derer sich die unternehmerische Betätigung des Arbeitgebers bewegen müsse.108 Diese sähen mit dem Merkmal der „Natur der Sache“ bereits ein ausreichendes Korrektiv vor.109 Die Kritik ist im Ausgangspunkt berechtigt. Aufschlussreich ist insofern ein Vergleich zu den Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach § 87 BetrVG (vgl. Rn 36 ff), die auch Fragen des Gesundheitsschutzes umfassen (vgl. insb. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG). Dort ist weitgehend anerkannt, dass die unternehmerische Entscheidungsfreiheit keine allgemeine immanente Schranke der Mitbestimmungsrechte bildet.110 Wie dort ist zwar auch bei § 62 Abs. 1 der unantastbare Kern der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit zu schützen;111 dieser beschränkt sich aber i.d.R. auf den eigentlich wirtschaftlich-unternehmerischen Bereich.112 Wo die durch Art. 12 Abs. 1 GG gezogene Grenze verläuft, lässt sich abstrakt nicht präzise bestimmen, sondern ist im Einzelfall zu entscheiden. Jedenfalls in dem vom BAG entschiedenen Rauchverbotsfall, wo es um eine eher periphere Beschränkung der Unternehmerfreiheit ging, ist sie entgegen der Auffassung des Gerichts nicht überschritten.
C. Schutzpflichten bei häuslicher Gemeinschaft (Abs. 2) 32 § 62 Abs. 2 erstreckt die Schutzpflichten des Arbeitgebers auf weitere, von Abs. 1 nicht erfasste, Gefahrenbereiche113 und in zeitlicher Hinsicht auch auf den Privat- und Freizeitbereich des Handlungsgehilfen.114 Die besondere Akzentuierung der Schutzpflichten des Arbeitgebers bei Aufnahme des Arbeitnehmers in die häusliche Gemeinschaft entspricht nicht nur in besonderer Weise der historischen Vorstellung der „Fürsorgepflicht“,115 sondern lässt sich auch auf der Basis der neueren Lehre (Rn 2, 4) mit der in solchen Fällen erhöhten Intensität der Einwirkungsmöglichkeiten des Arbeitgebers auf die Rechtspositionen des Arbeitnehmers begründen.116 Die praktische Bedeutung des Abs. 2 ist heute freilich gering.117
I. Begriff der häuslichen Gemeinschaft 33 Unmittelbare Anwendung findet Abs. 2 bei Bestehen einer Wohn- und Verpflegungsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.118 Darüber hinaus ist die Vorschrift – jedenfalls analog – auch auf Gemeinschaftsunterkünfte anzuwenden, die nicht auch vom Arbeitgeber selbst bewohnt werden, die aber durch den Arbeitgeber bereitgestellt werden und seiner Organisations- und Herrschaftsgewalt unterliegen (Wohnheime).119 Auch hier besteht eine für die Norm typische gesteigerte Einwirkungsmöglichkeit. Nicht mehr von Abs. 2 erfasst sind hingegen 108 109 110 111 112 113 114 115 116 117 118 119
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 29. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 27.2. Vgl. etwa BAG 22.8.2017 – 1 ABR 5/16, AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 144 (Rn 31) m.w.N. BAG 22.8.2017 – 1 ABR 5/16, AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit Nr. 144 (Rn 32). Vgl. Richardi/Richardi/Maschmann17 BetrVG § 87 Rn 43. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 30. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 11. Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 14. Zust. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 29. NK-GA/Reinhard2 § 62 HGB Rn 3. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 30. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 31; HWK/Diller10 § 62 HGB Rn 1; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 31; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 10; vgl. zu § 618 BGB BAG 8.6.1955 – 2 AZR 200/54, AP § 618 BGB Nr. 1 m. Anm. Hueck (Unterbringung einer Krankenschwester in einem vom Arbeitgeber unterhaltenen Schwesternhaus); Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 238 f; aA GK/Etzel HGB8 Rn 10; BeckOGK-HGB/ Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 30; Hopt/Roth41 Rn 4; Schlegelberger/Schröder Rn 12.
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Werkswohnungen; hier ist der Arbeitnehmer auf miet- und deliktsrechtliche Ansprüche beschränkt.120
II. Schutzgüter, gegenständlicher Bereich und Inhalt der Schutzpflichten Im skizzierten Anwendungsbereich erstreckt das Gesetz die Schutzpflicht des Arbeitgebers über 34 den räumlichen Bereich des Geschäftsbetriebs hinaus auf Wohn- und Schlafräume des Arbeitnehmers. Dabei sind § 1 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 ArbStättV sowie 4.4 des Anhangs zu § 3 Abs. 1 ArbStättVO zu berücksichtigen. Im Hinblick auf das Schutzgut der „Sittlichkeit“ und dem dahinter stehenden Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Arbeitgeber regelmäßig nach Geschlechtern getrennte Schlafräume zur Verfügung zu stellen.121 Zudem bezieht das Gesetz bei Gewährung von Verpflegung diese in den Schutzbereich mit ein. Der Arbeitgeber muss insofern Sorge dafür tragen, dass die Mahlzeiten ausreichend und gesundheitlich einwandfrei sind.122 Zudem verlangt Abs. 2 hinreichende Vorkehrungen zur Arbeits- und Erholungszeit des Arbeitnehmers; hier gelten die gleichen Anforderungen wie nach Abs. 1123 (Rn 27). Abs. 2 nennt mit der Gesundheit und der Sittlichkeit zunächst diejenigen Schutzgüter, die 35 auch von Abs. 1 erfasst sind (Rn 16 f). Der von Abs. 1 („gute Sitten und Anstand“) abweichende Wortlaut führt zu keinen inhaltlichen Unterschieden; in beiden Fällen geht es um den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zusätzlich bezieht Abs. 2 die Religion mit ein. Dadurch wird neben dem Persönlichkeitsschutz124 auch der Religionsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 4 GG) Rechnung getragen. Der Arbeitgeber ist dadurch verpflichtet, auf religiöse Besonderheiten Rücksicht zu nehmen, sei es bei Auswahl der Verpflegung oder der räumlichen Gestaltung; so muss der Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, in angemessener Weise seinen religiösen Pflichten nachzukommen.125
D. Mitbestimmung des Betriebsrats Eine in der Praxis bedeutsame Rolle für den Gesundheits- und Persönlichkeitsschutz der Be- 36 schäftigten spielt die betriebliche Mitbestimmung. Das Betriebsverfassungsrecht bezieht die Beteiligungsrechte des Betriebsrats auf den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz.126 Angesichts der beschriebenen engen Verflechtung mit den privatrechtlichen Nebenpflichten des Arbeitgebers (Rn 3) ergeben sich aber auch Rückwirkungen auf Maßnahmen, mit denen der Arbeitgeber seine Schutzpflichten nach § 62 erfüllen will.127 Für die Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen des betrieblichen Arbeitsschutzes gibt es 37 eine Reihe von Ansatzpunkten: Generell gehört die Überwachung gesetzlicher Arbeitsschutzund Unfallverhütungsvorschriften zu den Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. § 80 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG nennt darüber hinaus auch den Arbeitsschutz und den betrieblichen Umweltschutz. § 89 BetrVG greift dies auf und verpflichtet den Betriebsrat, sich für die Durchführung arbeitsschutzrechtlicher Regelungen einzusetzen und mit den zuständigen öf-
120 So zutr. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 10; Hopt/Roth41 Rn 4. 121 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 32. 122 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 32; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 34; weitergehend GK/Etzel HGB8 Rn 11: „ausreichende und schmackhafte Verpflegung“. 123 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 32. 124 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 33; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 31; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 33. 125 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 33 f. 126 Vgl. stv. GK-BetrVG/Gutzeit11 § 87 Rn 616 m.w.N. 127 Zutr. Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 197. 793
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fentlichen Stellen zusammenzuarbeiten. Unterrichtungs- und Beratungsrechte sind weiterhin in § 90 BetrVG hinsichtlich der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung vorgesehen. § 88 Abs. 1 BetrVG eröffnet die Möglichkeit, freiwillige Betriebsvereinbarungen über Unfallverhütungs- und Gesundheitsschutzmaßnahmen zu treffen. Als zwingende Mitbestimmungstatbestände sind § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 3, 7, 14 BetrVG (näher Rn 38 f) und § 91 BetrVG (näher Rn 40) ausgestaltet. Schließlich wird das Betriebsverfassungsgesetz noch durch § 9 Abs. 3 ASiG (Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit) ergänzt, der dem Betriebsrat bei der Bestellung des genannten Personenkreises ein Zustimmungsrecht einräumt.128 Arbeitsschutzrechtliche Relevanz kann zunächst das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG haben (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer). Insofern korrespondiert das Betriebsverfassungsrecht mit der allgemeinen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Organisation des Betriebs unter Berücksichtigung entsprechender Schutzpflichten. Fragen der Arbeitszeit betreffen § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG; dabei ist aber die Dauer der Arbeitszeit ausgenommen.129 Das für den Arbeitsschutz zentrale Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG besteht bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Die Formulierung des Gesetzes weist einerseits darauf hin, dass mittels der erzwingbaren Mitbestimmung der gesetzliche Standard nicht auf betrieblicher Ebene angehoben werden kann. Andererseits besteht das Mitbestimmungsrecht nur dann, wenn das Arbeitsschutzrecht den Betriebspartnern überhaupt einen Regelungsspielraum offen lässt.130 Die längere Zeit umstrittene Frage, ob auch Generalklauseln wie §§ 62 HGB, 618 BGB oder § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG Grundlage des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sein können, hat das BAG zu Recht bejaht.131 Nach § 91 BetrVG kann der Betriebsrat bei Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die infolge ihres offensichtlichen Widerspruchs zu den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit zu unzumutbaren Belastungen für die betroffenen Arbeitnehmer führen, angemessene Abhilfemaßnahmen verlangen und dies notfalls mithilfe der Einigungsstelle durchsetzen.132 Die individualarbeitsrechtlichen Schutzpflichten des Arbeitgebers werden durch die Mitbestimmung des Betriebsrats allenfalls konkretisiert. Sie können aber nicht eingeschränkt werden. Nimmt der Arbeitgeber eine Maßnahme vor, durch die er gegen seine Schutzpflicht aus § 62 verstößt, dann kann er sich nicht darauf berufen, dass die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats vorliegt.133 Allerdings kann eine gegen seinen Willen ergangene Entscheidung der Einigungsstelle Auswirkungen auf das Verschulden des Arbeitgebers im Rahmen von Schadensersatzansprüchen haben.134
128 Näher dazu BeckOK-ArbSchR/Pflüger11 § 9 ASiG Rn 15 ff. 129 Richardi/Richardi/Maschmann17 BetrVG § 87 Rn 258. 130 Unstr., s. nur BAG 24.3.1981 – 1 ABR 32/78, AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit Nr. 2 (Bl. 3R) m. Anm. Wiese/ Starck; 28.7.1981 – 1 ABR 65/79, AP § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit Nr. 3 (Bl. 3) m. Anm. Richardi; Staudinger/ Oetker (2019) § 618 BGB Rn 202; zuletzt etwa BAG 7.6.2016 – 1 ABR 25/14, AP § 76 BetrVG 1972 Nr. 23 (Rn 11) m. Anm. Ulber. 131 BAG 2.4.1996 1 ABR 47/95, AP § 87 BetrVG 1972 Gesundheitsschutz Nr. 5 m. Anm. Börgmann; offen gelassen noch von BAG 6.12.1983 – 1 ABR 43/81, AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 7 m. Anm. Richardi; s. auch Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 199 ff. 132 Vgl. hierzu BAG 6.12.1983 – 1 ABR 43/81, AP § 87 BetrVG 1972 Überwachung Nr. 7 (Bl. 8 f) m. Anm. Richardi. 133 Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 196; Schlegelberger/Schröder Rn 3. 134 Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 196. Weber/Gräf
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E. Rechtsfolgen bei Schutzpflichtverletzungen I. Übersicht Der Arbeitnehmer hat eine Reihe von Möglichkeiten, auf Schutzpflichtverletzungen des Arbeitge- 42 bers zu reagieren. Abgesehen von Schadensersatzansprüchen (Rn 48 ff) ist heute vor allem die Möglichkeit anerkannt, vom Arbeitgeber Erfüllung der Schutzpflicht zu verlangen (Rn 44 f). Umgekehrt kann der Arbeitnehmer jedenfalls bei schwereren Verstößen seine Arbeitsleistung zurückhalten (Rn 46 f). Notfalls kann der Arbeitnehmer auch außerordentlich kündigen (Rn 54). In der Praxis haben allerdings vor allem die behördliche Durchsetzung der – zum Teil buß- 43 geldbewehrten – öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften und die Überwachung der Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften durch die Unfallversicherungsträger Bedeutung (Rn 11). Insofern besteht für den einzelnen Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich nach § 17 Abs. 2 Satz 1 ArbSchG an die zuständige Behörde zu wenden, allerdings erst dann, wenn er zunächst erfolglos innerbetrieblich vorgegangen ist.135 Es handelt sich um eine bereichsspezifisch normierte Form des „Whistleblowing“.136 Daneben werden die Vorschriften des geplanten „Hinweisgeberschutzgesetzes“ (HinSchG)137 treten, mit dem die „Whistleblower-Richtlinie“ (RL 2019/ 1937/EU)138 umgesetzt wird. Zu den innerbetrieblichen Optionen gehört das Beschwerderecht nach §§ 84, 85 BetrVG; der Betriebsrat hat, wenn auch er eine Pflichtverletzung erkennt, beim Arbeitgeber nach § 89 Abs. 1 BetrVG auf Abhilfe hinzuwirken.139
II. Erfüllung Nach heute einhelliger Meinung besteht ein einklagbarer Erfüllungsanspruch des Arbeitneh- 44 mers gegen den Arbeitgeber hinsichtlich der sich aus § 62 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ergebenden Verpflichtungen.140 Lediglich in dogmatischer Hinsicht ist man sich uneinig: Überwiegend wird der Erfüllungsanspruch als akzessorischer Bestandteil des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers angesehen.141 Dies kann – gerade mit Blick auf die Pflichten aus Abs. 2, die auch den Privat- und Freizeitbereich betreffen – nicht überzeugen. Vielmehr ist von einem selbständigen Erfüllungsanspruch aus § 62 Abs. 1 bzw. Abs. 2 auszugehen.142 Dabei handelt es sich nicht etwa um eine Besonderheit des Handlungsgehilfen- oder überhaupt des Arbeitsrechts. Denn auch im allgemeinen Zivilrecht wird – wenngleich nach umstrittener Ansicht – eine Klagbarkeit einzelner Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB bejaht.143 Der genaue Anspruchsinhalt ist vom Einzelfall abhängig: Unterlässt der Arbeitgeber etwa 45 eine (durch eine arbeitsschutzrechtliche Bestimmung geforderte) konkrete Schutzmaßnahme, 135 Im Vorrang des innerbetrieblichen Vorgehens sehen Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 39 sogar die eigentliche Bedeutung der Vorschrift. 136 Vgl. BeckOK-ArbSchR/Hülsemann11 § 17 ArbSchG Rn 55 ff. 137 Vgl. RegE eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vom 22.7.2022. 138 Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, ABl. EU L 305, S. 17 ff. 139 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 38; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 145. 140 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 37; GK/Etzel HGB8 Rn 14; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 3; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 248 ff; Hopt/Roth41 Rn 5; Schlegelberger/Schröder Rn 18; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 48. 141 So etwa Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 251 m.w.N. 142 Vgl. zu § 618 BGB BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 142; i.d.S. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 37: selbständige Nebenpflicht. 143 S. etwa R. Stürner JZ 1976, 384 (385 f); vgl. zur Diskussion den Überblick bei MünchKommBGB/Bachmann8 § 241 Rn 119 f. 795
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hat der Erfüllungsanspruch einen entsprechenden konkreten Inhalt. Häufig verbleibt dem Arbeitgeber aber nach dem einschlägigen Arbeitsschutzrecht ein Ermessensspielraum, um das erforderliche Mindestschutzniveau zu gewährleisten. Dann hat der Arbeitnehmer lediglich einen Anspruch auf ermessensgerechte Auswahl der Schutzmaßnahmen.144
III. Zurückbehaltungsrecht 46 Verletzt der Arbeitgeber seine Pflichten aus § 62 Abs. 1 oder 2, hat der Arbeitnehmer weiterhin das Recht, seine Arbeitsleistung zu verweigern. Grundlage hierfür ist das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB.145 Dies gilt allerdings nur hinsichtlich solcher Arbeiten, die von dem Verstoß nach § 62 betroffen sind, bei deren Verrichtung sich der Handlungsgehilfe also entsprechenden Gefahren aussetzen würde.146 Der Arbeitgeber kann das Zurückbehaltungsrecht aufgrund der Höchstpersönlichkeit der betroffenen Rechtsgüter nicht durch Sicherheitsleistung nach § 273 Abs. 3 BGB abwenden.147 Allerdings steht das Zurückbehaltungsrecht nach § 242 BGB unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit; insbesondere muss sich der Handlungsgehilfe – jedenfalls bei geringfügigen Verstößen – zunächst um innerbetriebliche Abhilfe bemühen.148 Neben § 273 Abs. 1 BGB – nicht stattdessen – kommen zudem das Entfernungsrecht nach § 9 Abs. 3 Satz 1 ArbSchG sowie das besondere Leistungsverweigerungsrecht nach § 14 Satz 1 AGG in Betracht.149 47 Macht der Handlungsgehilfe von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch und fordert er den Arbeitgeber konkret zur Beseitigung der Pflichtverletzung nach § 62 auf, kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, sodass nach § 615 Satz 1 BGB ein Entgeltfortzahlungsanspruch des Handlungsgehilfen besteht.150 Das Vorliegen eines Angebots ergibt sich dabei aus § 295 Satz 2 BGB.151
IV. Schadensersatzansprüche 1. Anspruchsgrundlagen und -voraussetzungen 48 Für Schadensersatzansprüche stehen vertragliche (§ 280 Abs. 1 BGB) und deliktische Grundlagen zur Verfügung. Aus dem Deliktsrecht kommen in erster Linie § 823 Abs. 1 BGB und § 831 Abs. 1 BGB in Betracht. Nach zutreffender herrschender Meinung ist § 62 nicht als Schutzgesetz
144 So zutr. zu § 618 BGB BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 142. 145 BAG 8.5.1996 – 5 AZR 315/95, AP § 618 BGB Nr. 23 m. Anm. Wlotzke; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/ Rudkowski Rn 40; GK/Etzel HGB8 Rn 14; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 14; HWK/Krause10 § 618 BGB Rn 33; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 257 ff; Hopt/Roth41 Rn 5; Schlegelberger/ Schröder Rn 19. 146 GK/Etzel HGB8 Rn 14; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 150. 147 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 41 (keine „Freikaufmöglichkeit“); Oetker/KotzianMarggraf7 Rn 14. 148 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 42; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 50. 149 Näher hierzu Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 43 f; BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 47. 150 BAG 7.6.1973 – 5 AZR 563/72, AP § 615 BGB Nr. 28 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 51. 151 BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 151. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren.152 Allerdings können die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften Schutzgesetze darstellen.153 Zudem ist an § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB zu denken.154 Die Qualifikation der Schutzpflichten als arbeitsvertragliche Nebenpflichten ist unter ande- 49 rem für die Anwendbarkeit des § 278 BGB von Bedeutung, der den Entlastungsbeweis des § 831 BGB im Rahmen deliktischer Haftung nicht kennt. Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB sind in diesem Zusammenhang Personen, die nach ihrer Stellung im Betrieb oder kraft besonderer Anweisung für den Gefahrenschutz verantwortlich sind.155 Erfolgt die Schädigung durch einen Arbeitnehmer, der seinerseits nicht für den Gefahrenschutz verantwortlich ist, muss geprüft werden, ob dem Arbeitgeber eigenes Verschulden etwa durch fehlerhafte Instruktion oder Überwachung (Organisationsverschulden) nachgewiesen werden kann.156 Bei Personenschäden ist eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers allerdings nach § 104 50 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen, wenn der schadensstiftende Umstand als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit i.S.d. §§ 7 ff SGB VII zu werten ist und der Arbeitnehmer nach §§ 2 bis 6 SGB VII in den Anwendungsbereich der Regelung der gesetzlichen Unfallversicherung fällt.157 Etwas anderes gilt nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur, wenn der Arbeitgeber vorsätzlich gehandelt hat.158 Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers haben schon allein deshalb keine besondere praktische Bedeutung.
2. Darlegungs- und Beweislast Hinzu kommt, dass der Arbeitnehmer einen nach § 62 ordnungswidrigen Zustand und dessen 51 Ursächlichkeit für seine Gesundheitsschädigung darlegen und beweisen muss. Immerhin kann er im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität auf die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zurückgreifen.159 Die Ursächlichkeit gilt als nachgewiesen, wenn der ordnungswidrige Zustand objektiv geeignet war, die Gesundheitsschädigung herbeizuführen.160 Hinsichtlich des Verschuldens des Arbeitgebers greift im Rahmen vertraglicher Schadensersatzansprüche zugunsten des Arbeitnehmers die Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.161
3. Rechtsfolgenverweisung (Abs. 3) § 62 Abs. 3 selbst enthält keinen Schadensersatzanspruch, sondern setzt ihn voraus und ver- 52 weist nur hinsichtlich der Rechtsfolgen auf das Deliktsrecht.162 Durch die Verweisung auf §§ 842 bis 846 BGB werden die dort geregelten speziellen Rechtsfolgen für Schutzpflichtverletzungen anwendbar gemacht: Danach kann Ersatz für Einkommensnachteile (§ 842 BGB), Beerdi152 LAG Rheinland-Pfalz 7.8.2017 – 3 Sa 99/17, BeckRS 2017, 142466 (Rn 35); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 48; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 47; ebenso zu § 618 BGB Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 320 aA Herschel RdA 1964, 10 f; BeckOGK-BGB/Witschen (1.6.2022) § 618 Rn 165. 153 Näher MünchKommBGB/Henssler8 § 618 Rn 107; Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 317 ff m.w.N. 154 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 43. 155 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 38. 156 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 39. 157 Vgl. dazu Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 324 ff m.w.N. 158 Das Haftungsprivileg greift nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII auch dann nicht, wenn es sich um einen Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1–4 SGB handelt; diese Fälle werden von § 62 aber ohnehin nicht erfasst (Rn 20). 159 GK/Etzel HGB8 Rn 16; Schlegelberger/Schröder Rn 15; zu § 618 BGB LAG Rheinland-Pfalz 21.7.2020 – 8 Sa 69/ 19 (Rn 78); Staudinger/Oetker (2019) § 618 BGB Rn 311 ff. 160 So zu § 618 BGB BAG 27.2.1970 – 1 AZR 258/69, AP § 618 BGB Nr. 16 (Bl. 1R f) m. Anm. Sieg. 161 Vgl. BAG 27.2.1970 – 1 AZR 258/69, AP § 618 BGB Nr. 16 (Bl. 1R) m. Anm. Sieg. 162 Hopt/Roth41 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 36. 797
Weber/Gräf
§ 62
1. Buch. Handelsstand
gungs- und gesetzliche Unterhaltskosten (§ 844 Abs. 1 und 2 BGB) sowie entgangene Dienste (§ 845 BGB) verlangt werden. Neu hinzugekommen ist im Jahr 2017 der Anspruch auf Hinterbliebenengeld (§ 844 Abs. 3 BGB).163 53 Die §§ 842 ff BGB ergänzen dabei lediglich das allgemeine Schadensrecht (§§ 249 ff BGB), das natürlich ebenfalls zur Anwendung kommt. Bei Körper- bzw. Gesundheitsschäden kann der Handlungsgehilfe daher Ersatz der Heilbehandlungskosten (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) und Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) verlangen.164 Zudem ist nach § 254 BGB ein etwaiges Mitverschulden des Handlungsgehilfen zu berücksichtigen. Denkbar ist dies etwa, wenn der Handlungsgehilfe eine Stelle übernommen hat, der er gesundheitlich nicht gewachsen ist,165 wenn es der Handlungsgehilfe versäumt hat, den Arbeitgeber über die betroffenen Gesundheitsgefahren hinzuweisen,166 oder wenn der Handlungsgehilfe unberechtigterweise Räume betritt, in denen es aufgrund dort bestehender Gefährdungen zum Schadenseintritt kommt.167
V. Kündigung 54 Zuletzt kommt bei Verstößen des Arbeitgebers gegen § 62 Abs. 1, 2 auch ein Recht des Handlungsgehilfen zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB in Betracht. Dies setzt einen schwerwiegenden Verstoß voraus, aufgrund dessen dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht – nicht einmal bis zum Ablauf der maßgeblichen Kündigungsfrist – zumutbar ist.168 Bei einer beharrlichen Verweigerung des Arbeitgebers, die Missstände zu beseitigen, kann dies in der Regel bejaht werden.169
F. Unabdingbarkeit nach Abs. 4 55 Ebenso wie der gleichlautende § 619 BGB erklärt § 62 Abs. 4 die Schutzpflicht des Arbeitgebers für nicht im Voraus abdingbar. Das gilt auch für Tarifverträge170 und Betriebsvereinbarungen.171 Verboten sind weiterhin nicht nur der vertragliche Ausschluss oder die Beschränkung der Schutzpflicht selbst, sondern auch der Ausschluss von Schadensersatzansprüchen172 sowie Regelungen, in denen den Arbeitnehmern finanzielle Beteiligungen an den Aufwendungen für Schutzgegenstände auferlegt werden sollen.173 Entsprechende Vereinbarungen sind nach § 134 BGB nichtig.174 56 Der teilweise oder völlige Erlass bzw. der Verzicht des Arbeitnehmers auf die Geltendmachung von Ansprüchen nach Schadenseintritt ist hingegen möglich,175 sofern nicht sonstige
163 164 165 166 167 168
S. hierzu Wagner NJW 2017, 2641. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 41. So zu § 618 BGB BAG 13.3.1967 – 2 AZR 133/66, AP § 618 BGB Nr. 15 m. Anm. Hueck. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 38. BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 62 Rn 42; Schlegelberger/Schröder Rn 215. GK/Etzel HGB8 Rn 31; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 24; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 15; Schlegelberger/Schröder Rn 20. 169 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 24; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 15. 170 GK/Etzel HGB8 Rn 32. 171 So zu § 618 BGB BAG 10.3.1976 – 5 AZR 34/75, AP § 618 BGB Nr. 17 m. Anm. Herschel. 172 Schlegelberger/Schröder Rn 21. 173 BAG 18.8.1982 – 5 AZR 493/80, AP § 618 BGB Nr. 18 m. Anm. M. Lorenz; 21.8.1985 – 7 AZR 199/83, AP § 618 BGB Nr. 19 m. Anm. Mühl; Staudinger/Oetker (2019) § 619 BGB Rn 16. 174 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 25; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16. 175 GK/Etzel HGB8 Rn 33; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 26. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 62
Unwirksamkeitsgründe in Betracht kommen, insbesondere bei Beeinflussung durch den Arbeitgeber in sittenwidriger Weise.176 Zulässig ist auch die Einbeziehung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des 57 § 62 in tarifliche Ausschlussklauseln.177 Im Übrigen unterliegen auf § 62 gestützte Schadensersatzansprüche dem allgemeinen Verjährungsrecht (§§ 194 ff BGB).
176 GK/Etzel HGB8 Rn 33. 177 GK/Etzel HGB8 Rn 35; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 26; Hopt/Roth41 Rn 7. 799
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§ 63 (aufgehoben) 1 Die Vorschrift wurde durch Art. 59 des Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG) vom 26.5.1994 (BGBl. I 1994, S. 1014, 1069) aufgehoben. Die Entgeltfortzahlung ist nunmehr für alle Arbeitnehmergruppen einheitlich im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geregelt, das als Art. 53 bis 68 des PflegeVG am 1.6.1994 in Kraft getreten ist.
§ 64 [Gehaltszahlung] 1
Die Zahlung des dem Handlungsgehilfen zukommenden Gehalts hat am Schlusse jedes Monats zu erfolgen. 2Eine Vereinbarung, nach der die Zahlung des Gehalts später erfolgen soll, ist nichtig.
Schrifttum P. Hanau Entgeltverzicht, Entgeltstundung, Arbeitszeitkonten und Altersteilzeit in der Insolvenz, ZIP 2002, 2028; Heide Lebensarbeitszeitkonten aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2007; Linck Lohnzahlung AR-Blattei SD 1160.1, 1992; Roth 150 Jahre Recht des Handlungsgehilfen: Vom ADHGB 1861 zum Arbeits(vertrags)gesetz(buch)?, RdA 2012, 1; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1992.
Übersicht A.
Allgemeines
I.
Überblick und Normzweck
II.
Persönlicher Geltungsbereich
III.
Räumlicher Geltungsbereich
IV.
Sonstige Modalitäten der Leistungspflicht
1 3 4
6
B.
Der Begriff „Gehalt“
C.
Fälligkeitszeitpunkt (Satz 1)
D.
Einseitige Abdingbarkeit (Satz 2)
E.
Rechtsfolgen bei verspäteter Zahlung
8 11 17
5
A. Allgemeines I. Überblick und Normzweck 1 Die Vorschrift regelt die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs des Handlungsgehilfen. Sie erlegt dem Handlungsgehilfen – in sachlicher Übereinstimmung mit § 614 BGB – die Vorleistungspflicht auf (Satz 1). Insofern ist § 64 – wie § 614 Satz 1 BGB – lex specialis gegenüber § 271 Abs. 1 BGB. Anders als § 614 Satz 2 BGB, der generell auf den vereinbarten Zeitabschnitt verweist und deshalb auch den Fälligkeitstermin den Parteien überlässt, nennt § 64 den Monatsschluss als festen Fälligkeitstermin (Satz 1) und verbietet eine Verlegung über diesen Zeitpunkt hinaus (Satz 2). In dieser Hinsicht ist für Handlungsgehilfen § 64 lex specialis zu § 614 Satz 2 BGB;1 § 614 Satz 2 BGB greift damit nur für sonstige Arbeitnehmer.2 Im Bereich des gesetzlichen Mindest1 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 1. 2 Allerdings existieren noch für weitere besondere Arbeitnehmergruppen Spezialvorschriften, etwa für Seeleute oder Pflegekräfte, s. dazu MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 5. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-052
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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lohns gilt § 2 MiLoG, der § 64 aber nicht etwa zum Nachteil des Handlungsgehilfen verdrängt (Rn 7). § 64 soll dem Handlungsgehilfen eine feste laufende Mindesteinnahme sichern,3 also ver- 2 hindern, dass dieser über einen längeren Zeitraum kein Einkommen erhält.4
II. Persönlicher Geltungsbereich In ihrer Entstehungszeit – die Vorschrift geht zwar nicht auf das ADHGB zurück, findet sich im 3 HGB aber schon seit dessen Inkrafttreten (vgl. Vor § 59 Rn 4) – führte die Norm zu einer erheblichen Privilegierung von Handlungsgehilfen gegenüber Arbeitern; denn zur damaligen Zeit waren bei Angestellten spätere Auszahlungstermine, sogar die Zahlung zum Jahresende, nicht unüblich.5 Heute sind solche Unterschiede rechtstatsächlich weitgehend beseitigt. In Tarifverträgen kommen spätere Fälligkeitstermine nicht vor und in Arbeitsverträgen dürften sie die absolute Ausnahme sein; in der Regel wird ein monatlicher Bezugszeitraum und dabei – wenn auf den Kalendermonat abgestellt wird – häufig eine Fälligkeit bereits zum 15. Tag des Monats vereinbart.6 Dieser praktische Befund ändert allerdings nichts daran, dass sich die Privilegierung von Handlungsgehilfen gegenüber sonstigen Arbeitnehmern heute sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist.7 De lege lata lässt sich daran aber wenig ändern. § 64 kann nicht im Wege der analogen Anwendung auf andere Arbeitnehmer erstreckt werden; im Hinblick auf § 614 BGB fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.8 Erwogen wird zwar eine „Ausstrahlungswirkung“ des § 64 auf andere Arbeitsverhältnisse in der Weise, dass die Norm dort bei der Klauselkontrolle oder nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu berücksichtigen sei; die Vereinbarung späterer Fälligkeitszeitpunkte soll als unangemessen zu bewerten und nicht verbindlich sein.9 Auch dies erscheint aber zweifelhaft – schon mit Blick auf § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG, der wertungsmäßig im Rahmen der AGB-Kontrolle (vgl. § 308 Nr. 1 lit. a BGB) als Besonderheit des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 Hs. 1 BGB) zu berücksichtigen ist.10 Auch auf diesem Weg lässt sich also keine echte Gleichbehandlung nicht-kaufmännischer Arbeitnehmer mit Handlungsgehilfen erreichen. Damit zeigt sich auch an § 64, dass das Konzept eines Sonderrechts für Handlungsgehilfen und die damit verbundene Zersplitterung des Arbeitsrechts de lege ferenda aufgegeben werden sollte (§ 59 Rn 4).
III. Räumlicher Geltungsbereich § 64 war nach Anl. I Kap III Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1 und Anl. I Kap VIII Sachgeb. A Abschn. 4 III Nr. 2 zum Einigungsvertrag11 in den neuen Bundesländern nicht anwendbar. Diese Einschränkung wurde jedoch durch Art. 208 § 1 Abs. 1 Nr. 4 lit. a des Ersten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des BMJ vom 19.4.200612 und durch Art. 109 Nr. 3 lit. a sublit. aa des Gesetzes über die weitere Bereinigung des Bundesrechts vom 8.12.201013 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 1. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 1. Wagner S. 47. Wagner S. 47 f. Vgl. Roth RdA 2012, 1 (10). Zurückhaltender Roth RdA 2012, 1 (10): planwidrige Regelungslücke „zweifelhaft“; vgl. auch Wagner S. 48, die eine Anerkennung als Gewohnheitsrecht erwägt. 9 Roth RdA 2012, 1 (10). 10 Vgl. im Einzelnen MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 6 ff. 11 BGBl. II 1990, S. 889 (959, 1020). 12 BGBl. I 2006, S. 866 (892). 13 BGBl. I 2010, S. 1864 (1881).
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wieder aufgehoben.14 Zu der im Einigungsvertrag verankerten Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer einheitlichen Kodifizierung des Arbeitsrechts vgl. § 59 Rn 4.
IV. Sonstige Modalitäten der Leistungspflicht 5 § 64 betrifft nur die Fälligkeit der Gehaltszahlungspflicht des Arbeitgebers. Die sonstigen Modalitäten seiner Leistungspflicht richten sich nach den allgemeinen Vorschriften. So ist das Gehalt grundsätzlich in bar auszuzahlen; i.d.R. ist im Arbeitsvertrag bzw. in einschlägigen Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen aber die bargeldlose Lohnzahlung durch Banküberweisung vereinbart.15 Dann hat der Arbeitgeber nach § 270 Abs. 1 BGB das Gehalt auf seine Gefahr und seine Kosten auf das Konto des Arbeitnehmers zu überweisen.16 Leistungsort bleibt allerdings gemäß § 270 Abs. 4 i.V.m. § 269 Abs. 1 BGB nach dem Grundsatz des einheitlichen Leistungsorts der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist.17 Für eine rechtzeitige Zahlung (Rn 8 ff) muss der Arbeitgeber die Überweisung so rechtzeitig auf den Weg bringen, dass unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ausführungsfristen für Zahlungsvorgänge (§ 675s BGB) bis zum Fälligkeitseintritt mit einer Gutschrift auf dem Konto des Arbeitnehmers gerechnet werden kann.18
B. Der Begriff „Gehalt“ 6 § 64 Satz 1 verwendet den im allgemeinen Sprachgebrauch, gesetzlich aber ansonsten nur vereinzelt und in anderem Zusammenhang anzutreffenden19 Begriff des „Gehalts“. Unzweifelhaft bezieht sich der Gehaltsbegriff zunächst nur auf solche Einnahmen, die der Handlungsgehilfe vom Arbeitgeber als Gegenleistung für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhält.20 Da es in § 64 gerade um eine periodische Zahlung geht,21 erfasst der Begriff zudem nur die laufenden, festen Einkünfte.22 Nicht darunter fallen Provisionen (soweit es sich nicht um garantierte Mindestprovisionen handelt23) und Tantiemen (Umsatz- und Gewinnbeteiligungen).24 Bei Provisionen sind über § 65 die Vorschriften der § 87a und § 87c anwendbar. Nach § 87a Abs. 4 wird der Provisionsanspruch am letzten Tag des Monats fällig, in dem nach § 87c Abs. 1 über den Anspruch abzurechnen ist.25 Tantiemen werden mit Erstellung der Bilanz fällig.26 Auch nicht von § 64 erfasst sind Sonderzahlungen, die (einmalig oder jährlich wiederkehrend) zu bestimm14 Vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Vor § 59 Rn 12. 15 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 16 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 5.
17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 6 f. 18 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 19 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4 mit Hinweis auf § 832 ZPO. 20 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4. 21 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4. 22 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 2; BeckOGKHGB/Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 7. 23 GK/Etzel HGB8 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3. 24 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; GK/Etzel HGB8 Rn 3; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3. 25 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 65 Rn 21; MünchKommHGB/Thüsing5 § 65 Rn 26; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 5. 26 LAG Berlin 7.10.1975 – 4 Sa 62/75, DB 1976, 636; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 2; MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 5; MünchKommBGB/Müller-Glöge8 § 614 Rn 6. Weber/Gräf
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ten Stichtagen gewährt werden (z.B. Weihnachtsgeld).27 Dies gilt auch dann, wenn solche Zahlungen einen sog. Mischcharakter aufweisen, also auch eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellen;28 entscheidend ist, dass solchen Leistungen der Charakter fester, laufender Einkünfte fehlt.29 Der Gehaltsbegriff des § 64 erfasst zudem keine Sachbezüge (vgl. § 107 Abs. 2 GewO), selbst wenn diese laufend gewährt werden, sondern – wie auch am Normwortlaut („Zahlung“) deutlich wird30 – nur Vergütung in Geld.31 § 64 gilt auch für den Bereich des gesetzlichen Mindestlohns.32 Die Norm wird nicht etwa 7 von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG zum Nachteil des Handlungsgehilfen verdrängt;33 denn § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG regelt nur den äußersten Rahmen zulässiger Fälligkeitsvereinbarungen.34 Dass § 2 Abs. 1 Satz 2 MiLoG explizit nur auf § 614 BGB verweist, ändert daran nichts; mit der Verweisung ist sinngemäß auch § 64 als lex specialis gegenüber § 614 BGB (Rn 1) angesprochen. Ohnehin ist nicht geklärt, ob § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG überhaupt die Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen nach sich ziehen kann oder nur eine rein bußgeldrechtliche Bedeutung hat.35
C. Fälligkeitszeitpunkt (Satz 1) Als Fälligkeitszeitpunkt bestimmt das Gesetz den Schluss jedes Monats. Sind durch die Ver- 8 tragsparteien für die Berechnung der Vergütung größere Zeitabschnitte festgelegt worden (z.B. ein Jahresgehalt), wird monatlich ein entsprechender Teilbetrag fällig36 (vgl. noch Rn 16). „Monat“ ist nicht zwangsläufig identisch mit dem Kalendermonat. Vielmehr kommt es 9 für die Berechnung der Monatsfrist grundsätzlich auf den vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses an.37 Der Tag der Arbeitsaufnahme ist dabei nach § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht mitzuzählen. Nach § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB ist das Gehalt bis zum Ablauf des Tages des jeweiligen Folgemonats zu zahlen, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.38 Fällt dieser Termin auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, greift § 193 BGB ein, sodass die Vergütung mit Ablauf des folgenden Werktags fällig wird.39 In der Praxis wird aber meist das Ende oder die Mitte des Kalendermonats als Zahlungstermin vereinbart. Beginnt in einem solchen Fall das Arbeitsverhältnis im Laufe des Monats, dann ist die erste Zahlung – anteilig gekürzt40 – schon zum entsprechenden Termin fällig und nicht mit Ablauf eines Beschäftigungsmonats; eine solche Vorverlegung des Fälligkeitstermins ist durch § 64 Satz 2 nicht ausgeschlossen.41 Der genaue Termin errechnet sich in diesen Fällen nach §§ 187 Abs. 1, 188
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; GK/Etzel HGB8 Rn 2; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 4. AA Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 2: anteilige Auszahlung wie die sonstige laufende Vergütung. Hierauf zutr. abstellend Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5. BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 6. GK/Etzel HGB8 Rn 3; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 2; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5 mit dem Hinweis, dass der Gehaltsbegriff in § 64 Satz 1 insofern enger ist als der sozialversicherungsrechtliche Arbeitsentgeltbegriff (§ 14 Abs. 1 SGB IV). 32 Anders wohl Hopt/Roth41 Rn 1. 33 So aber MünchKommBGB/Müller-Glöge8 § 2 MiLoG Rn 1; wohl auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 1. 34 MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 8 f. 35 Vgl. zum Streit ErfK/Franzen22 § 2 MiLoG Rn 3. 36 Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 2; NK-GA/Reinhard2 § 62 HGB Rn 5. 37 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 3. 38 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8. 39 Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 4. 40 Zur Berechnung des anteiligen Gehalts BAG 14.8.1985 – 5 AZR 384/84, AP § 63 HGB Nr. 40. 41 Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4.
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Abs. 2 Alt. 1 BGB (und § 193 BGB); ggf. ist auf die Auslegungsregel des § 192 BGB zurückzugreifen.42 10 Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Monats, dann wird die Vergütung sofort bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Insofern greift die allgemeine Regelung des § 614 Satz 1 BGB ein.43
D. Einseitige Abdingbarkeit (Satz 2) 11 Anders als im Falle des § 614 BGB handelt es sich bei der Sondervorschrift des § 64 Satz 1 nicht um eine zweiseitig dispositive Regelung, sondern um einseitig zwingendes Recht (§ 64 Satz 2). Das heißt zunächst, dass eine Abweichung von § 64 Satz 1 zugunsten des Arbeitnehmers 12 zulässig ist. Der Fälligkeitstermin kann also vorverlagert werden,44 etwa durch die Festlegung kürzerer Zeitabschnitte45 (z.B. tageweise oder wöchentliche Zahlung), und zwar sowohl durch individualarbeitsvertragliche als auch durch kollektivvertragliche Regelungen. In Bezug auf solche Vereinbarungen hat der Betriebsrat – soweit das ungeschriebene Erfordernis des kollektiven Tatbestands gegeben ist – ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG („Zeit […] der Auszahlung der Arbeitsentgelte“).46 § 64 Satz 2 verbietet aber eine Regelung, die den Fälligkeitstermin über den Schluss des 13 jeweiligen Monats hinaus verschiebt. Auch dies gilt sowohl für arbeitsvertragliche Vereinbarungen als auch für solche in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.47 Dabei ist es unerheblich, ob die Verlängerung durch Festsetzung eines späteren Zahlungstermins erfolgt oder dadurch, dass die Zahlungspflicht noch vom Eintritt eines bestimmten Ereignisses nach Monatsende (z.B. Zahlung durch einen Kunden) abhängig gemacht wird.48 Auch eine Verlängerung der Zahlungsabschnitte, die auf der Basis des § 614 BGB möglich wäre, ist nicht zulässig (vgl. Rn 8, 16). In der Praxis kommen solche Regelungen heute freilich kaum mehr vor (Rn 3). Das Verbot des § 64 Satz 2 erfasst auch Stundungsabreden, die vor dem von § 64 Satz 1 14 vorgegebenen Fälligkeitstermin vereinbart werden.49 Zur Begründung wird zum Teil auf das Umgehungsargument hingewiesen;50 tatsächlich folgt dies aber schon aus § 64 Satz 2 selbst, da es sich auch bei einer Stundung um eine Regelung über den Fälligkeitszeitpunkt (nämlich über dessen Verschiebung) handelt.51 Etwas anderes gilt allerdings für Arbeitszeitkonten. Soweit diese vom Gesetzgeber akzeptiert (vgl. §§ 7d, 23b SGB IV, § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG) und im Einzelfall zulässig sind, muss dies auch für Handlungsgehilfen gelten. Hier bedarf § 64 einer teleologischen Reduktion;52 das Gesetz ist insoweit aufgrund eines Wandels des Normenumfelds53 nach-
42 43 44 45 46 47 48
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8. Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; i.E. auch GK/Etzel HGB8 Rn 8. MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 5. BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 16. S. nur GK-BetrVG/Wiese/Gutzeit11 § 87 Rn 451 f, 463. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5. LAG Frankfurt 8.10.1963 – 5 (2) Sa 349/63, AP § 64 HGB Nr. 1 m. Anm. Volmer; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 13; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 49 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 5; BeckOGK-HGB/ Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 17; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 50 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13; auf den Schutzzweck abstellend BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 17. 51 Vgl. MünchKommBGB/Krüger8 § 271 Rn 22. 52 Zutr. Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 11; i.E. auch Hopt/Roth41 Rn 1; ausf. Heide Lebensarbeitszeitkonten aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2007 S. 59 ff; vgl. auch P. Hanau ZIP 2002, 2028 (2039): § 64 HGB „durch negatives Gewohnheitsrecht abbedungen“. 53 Hierzu Wank Die Auslegung von Gesetzen, 6. Aufl. 2015 S. 85; ausf. F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 2011 S. 585. Weber/Gräf
804
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 64
träglich lückenhaft54 geworden. Eine teleologische Reduktion kommt auch in Bezug auf Arbeitnehmer in Betracht, die Kassen oder Lager verwalten; hier sind Vereinbarungen verbreitet, wonach dem Arbeitnehmer bestimmte Zuschläge zu seinem Gehalt nicht sofort ausgezahlt werden, sondern bis zu einem bestimmten Kautionsbetrag beim Arbeitgeber stehen bleiben. Solange der zurückbehaltene Betrag nicht unverhältnismäßig hoch ist, ist es mit dem Regelungszweck des § 64 noch vereinbar, derartige Vereinbarungen nicht zu beanstanden.55 Teilweise werden solche Zuschläge aber ohnehin nicht unter den Gehaltsbegriff des § 64 Satz 1 (Rn 6 ff) fallen. Möglich sind weiterhin nach umstrittener, aber zutreffender Ansicht Stundungsvereinba- 15 rungen, die nach dem Eintritt des jeweiligen Fälligkeitstermins getroffen werden.56 Darauf deutet schon der Wortlaut des § 64 Satz 2 hin: Dass Vereinbarungen verboten sind, nach denen die Zahlung „später“ erfolgen „soll“, impliziert, dass es nur um Situationen geht, in denen die Fälligkeit zum Zeitpunkt der betroffenen Vereinbarung noch nicht eingetreten ist. Eine teleologisch extensive Interpretation – darum geht es bei dem im Schrifttum ins Spiel gebrachten Umgehungsargument in der Sache57 – ist nicht geboten; der Schutzzweck, dem Arbeitnehmer feste laufende Einnahmen zu sichern (Rn 2), wird durch eine punktuelle Stundungsvereinbarung nicht in Frage gestellt. Eine solche Vereinbarung kann aber natürlich aus anderen Gründen – etwa im Hinblick auf etwaige Willensmängel – unwirksam oder anfechtbar sein. Eine nach § 64 Satz 2 unzulässige Regelung über den Fälligkeitszeitpunkt ist nichtig. Dies 16 folgt unmittelbar aus § 64 Satz 2,58 auf § 134 BGB muss daher nicht zurückgegriffen werden.59 Eine insoweit nichtige Vereinbarung wird durch die gesetzliche Regelung des Satz 1 ersetzt.60 Die Wirksamkeit des Arbeits- bzw. Kollektivvertrags im Übrigen bleibt davon unberührt; § 139 BGB findet insoweit keine Anwendung.61 Aufrecht erhalten bleibt insbesondere die Vereinbarung der Höhe des Entgelts. Ist im Arbeitsvertrag etwa ein jährlich zu zahlendes Gesamtgehalt geregelt, führt § 64 daher lediglich dazu, dass monatlich ein entsprechender Teilbetrag fällig wird (vgl. bereits Rn 8).
E. Rechtsfolgen bei verspäteter Zahlung Versäumt der Arbeitgeber den Fälligkeitstermin (Rn 8 ff) durch nicht rechtzeitige Zahlung 17 (Rn 5), dann gerät er auch ohne Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug, da die Leistungszeit kalendermäßig bestimmt ist.62 Ab diesem Zeitpunkt muss der Arbeitgeber dem Handlungsgehilfen unter den Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB – wenn er die Vermutung des Vertretenmüssens nach § 286 Abs. 4 BGB nicht widerlegen kann – einen etwaigen Verzugsschaden ersetzen und Verzugszinsen nach § 288 BGB zahlen. Ein Anspruch auf die 40-Euro-
54 Allg. hierzu Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie, 12. Aufl. 2022, Rn 861. 55 Schlegelberger/Schröder Rn 5; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 8. 56 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchArbR/Krause5 Bd. 1 § 69 Rn 5; NK-GA/Reinhard2 § 62 HGB Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 8; aA Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; grds. auch BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 18, der aber im Einzelfall unter nicht näher bezeichneten „hohen Anforderungen“ eine Zulässigkeit für möglich hält. 57 Vgl. zur dogmatischen Verortung des Umgehungsarguments und zur Ablehnung eines Rückgriffs auf ein gesondertes Rechtsinstitut der „objektiven Gesetzesumgehung“ Gräf RdA 2021, 201 (204 f) m.w.N.; ausf. Benecke Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004 S. 73 ff, 187 ff; Dommermuth-Alhäuser Arbeitsrechtsmissbrauch, 2015, S. 47 ff. 58 BAG 7.11.2007 – 5 AZR 910/06, AP § 196 BGB Nr. 23 Rn 13. 59 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 16. 60 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. 61 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 16. 62 Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 5; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15. 805
Weber/Gräf
§ 64
1. Buch. Handelsstand
Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB besteht nach der Rechtsprechung des BAG im Fall von Arbeitslohnansprüchen nicht.63 18 Einigkeit besteht darüber, dass dem Arbeitnehmer bei Zahlungsverzug ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich seiner Arbeitsleistung zusteht. Das BAG stützt dieses – ohne sich mit einer möglichen Anwendbarkeit des § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB auseinanderzusetzen – auf § 273 Abs. 1 BGB.64 Dagegen wird eingewandt, dass der Arbeitgeber das Zurückbehaltungsrecht nicht gemäß § 273 Abs. 3 BGB durch Sicherheitsleistung abwenden können soll.65 Dieses Argument kann nicht überzeugen, da sich die Höhe der Sicherheitsleistung nach dem Wert des Gegenanspruchs richtet66 und es für den Arbeitgeber damit keinen Unterschied macht, ob er den rückständigen Lohn zahlt oder eine Sicherheitsleistung erbringt.67 Im Ergebnis ist gleichwohl der Gegenauffassung zuzustimmen. Diese möchte auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB (als lex specialis zu § 273 BGB) zurückgreifen.68 Dem könnte freilich entgegenstehen, dass § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers ausgeschlossen ist und § 64 Satz 1 BGB eine Vorleistungspflicht des Handlungsgehilfen gerade vorsieht. Diese Bedenken greifen aber letztlich nicht durch, da man auf den jeweils vorhergehenden Monat abzustellen hat, für den der Handlungsgehilfe bereits vorgeleistet hat,69 und man das für § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Synallagma auch bei periodenverschiedenen Leistungen als gegeben erachten kann.70 Unabhängig von der dogmatischen Grundlage besteht das Leistungsverweigerungsrecht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Hinblick auf das dabei zu berücksichtigende Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht, wenn nur relativ geringfügige Lohnrückstände bestehen.71
63 BAG 25.9.2018 – 8 AZR 26/18, AP § 288 BGB Nr. 6. 64 BAG 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, AP § 273 BGB Nr. 3; 9.5.1996 – 2 AZR 387/95, AP § 273 BGB Nr. 5; ebenso GK/Etzel HGB8 Rn 13; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 5. 65 Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 5; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10. 66 BeckOK-BGB/Lorenz62 § 273 Rn 53 m.w.N. 67 BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 64 Rn 15 (Fn 21). 68 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 5; HWK/ Krause10 § 614 BGB Rn 14; Schaub/Linck ArbR-Hdb19 § 50 Rn 3; MünchArbR/Reichold Bd. I § 41 Rn 12. 69 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10; Heymann/Henssler/Markworth3 HGB Rn 5. 70 Dazu Boecken NJW 1995, 3218 (3222 f) mwN. 71 So zu § 273 BGB BAG 25.10.1984 – 2 AZR 417/83, AP § 273 BGB Nr. 3; 9.5.1996 – 2 AZR 387/95, AP § 273 BGB Nr. 5; ebenso zu § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB etwa MünchArbR/Reichold Bd. I § 41 Rn 12. Weber/Gräf
806
§ 65 [Provision] Ist bedungen, daß der Handlungsgehilfe für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden, Provision erhalten solle, so sind die für die Handelsvertreter geltenden Vorschriften des § 87 Abs. 1 und 3 sowie der §§ 87a bis 87c anzuwenden.
Schrifttum Becker-Schaffner Die Rechtsprechung zur Gewinnbeteiligung, AuR 1991, 304; Diepold Die leistungsbezogene Vergütung, 2005; Gründel/Butz Provisionen bei Fehlzeiten eines Arbeitnehmers, BB 2014, 1210; Heinze Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Provisionsentlohnung, NZA 1986, 1; Leuchten Widerrufsvorbehalt und Befristung von Arbeitsvertragsbedingungen, insbesondere Provisionsordnungen, NZA 1994, 721; Lieb Zur Problematik der Provisionsfortzahlung im Urlaubs-, Krankheits- und Feiertagsfall, DB 1976, 2207; Loritz Variable erfolgsbezogene Vergütung der Mitarbeiter, AuA 1997, 224; Löwisch Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Provisionsregelungen für kaufmännische Angestellte, ZHR 139 (1975), 362; Moritz Mitbestimmung des Betriebsrats bei Leistungsvergütung – insbesondere bei Provisionsregelungen, AuR 1983, 97; Oehme Ergebnisorientierte Vergütung als Instrument zur Flexibilisierung von Arbeitsentgelten, 2007; Ricken Gewinnbeteiligungen im Arbeitsverhältnis?, NZA 1999, 236; Rieble/ Gutzeit Individualarbeitsrechtliche Kontrolle erfolgsabhängiger Vergütungsformen, JbArbR 37 (2000), 41; Seifert Der Angestellte mit Provisionsbezahlung, DB 1979, 2034; Stötter/Lindner/Karrer Die Provision und ihre Abrechnung, 2. Aufl. 1980; Wagner Ergebnisorientierte variable Vergütung, BB 1997, 150; Westhoff Die Fortzahlung der Provision bei Krankheit, Urlaub und in anderen Fällen der Arbeitsverhinderung, NZA 1986 Beilage 3. Siehe im Übrigen die Nachweise bei §§ 87 bis 87c.
Übersicht 1
A.
Allgemeines
B.
Anwendungsbereich
I. 1. 2.
Sachlicher Anwendungsbereich 5 Begriff der Provision Ausklammerung von Bezirks- und Inkassoprovi8 sionen Abschluss und Wirksamkeit der Vereinba9 rung
3.
4
II. 1. 2.
Provisionspflichtige Geschäfte 20 21 Einzelne Besonderheiten Insbesondere: Überhangprovision und Über24 hanganspruch
III.
Höhe der Provision
IV.
Entstehung und Fälligkeit des Provisionsan32 spruchs
V.
Vorschuss, Rückzahlungspflichten und Verrech35 nung
VI.
Lohnfortzahlung
11
II.
Persönlicher Anwendungsbereich
III.
Räumlicher Anwendungsbereich
C.
Umfang der Verweisung
D.
Besonderheiten im Arbeitsverhältnis
I.
Grundsätzliches
12
13
28
37
VII. Verjährung und Ausschlussfristen E.
Mitbestimmung des Betriebsrats
40 42
18
A. Allgemeines Die erfolgsbezogene Provision ist beim Handlungsgehilfen eine verbreitete Form der Vergütung, 1 meist als Ergänzung zu einer festen monatlichen Vergütung, manchmal aber auch als einzige Vergütungsart. Denkbar ist die Provision z.B. bei Handlungsbevollmächtigten (§ 54), reisenden
807 https://doi.org/10.1515/9783111097510-053
Weber/Gräf
§ 65
1. Buch. Handelsstand
Abschlussvertretern (§ 55) oder angestellten Geschäftsvermittlern (§§ 75g, 75h, 84 Abs. 2). § 65 verweist für diesen Fall auf die Regelungen des Handelsvertreterrechts. 2 § 65 wurde duch Art. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches (Recht der Handelsvertreter) vom 8.8.19531 neu gefasst.2 Namentlich wurde der zweite Satzteil, der die Verweisgegenstände benennt, an die novellierten Vorschriften über das Recht des Handelsvertreters, der zuvor im Gesetz noch als „Handlungsagent“ bezeichnet worden war, angepasst. Mit der Gesetzesnovelle war eine erhebliche Verbesserung der Rechtsstellung des Handelsvertreters verbunden (näher dazu Vor § 84 Rn 10 ff). Durch die umfangreiche Verweisung wird die Provision für unselbständige Tätigkeiten weit3 gehend mit derjenigen für selbständige Geschäftsbesorgungen gleichgestellt. Allerdings kann wegen der Unterschiede in der Stellung des selbständigen Handelsvertreters einerseits und des unselbständigen Handlungsgehilfen andererseits im Einzelfall eine differenzierte Betrachtung geboten sein (Rn 18 ff).
B. Anwendungsbereich 4 § 65 setzt voraus, dass vereinbart („bedungen“) ist (Rn 9 f), dass der Handlungsgehilfe (Rn 11) Provisionen (Rn 5 ff) für Geschäfte, die von ihm geschlossen oder vermittelt werden (Rn 20 ff), erhalten soll.
I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Begriff der Provision 5 Die Provision ist eine Form der erfolgsbezogenen Vergütung.3 Sie unterscheidet sich vom Festgehalt dadurch, dass sie sich nicht allein nach der Arbeitsleistung bemisst, sondern (zumindest auch) nach der wirtschaftlichen Verwertung von Produkten oder Dienstleistungen am Markt.4 § 65 setzt aber nicht voraus, dass im Arbeitsvertrag ausschließlich eine Provision vereinbart ist. § 65 findet auch auf Provisionen Anwendung, die zusätzlich zu einem Festgehalt vereinbart werden;5 dies ist in der Praxis sogar der Regelfall. Vielmehr kann umgekehrt die Wirksamkeit einer ausschließlichen Provisionsvereinbarung im Hinblick auf § 138 BGB in Frage stehen (Rn 29). Unschädlich für die Anwendbarkeit des § 65 ist es weiterhin, wenn eine Verrechnung mit einem Festgehalt vereinbart ist.6 6 Das Gesetz unterscheidet verschiedene Arten von Provisionen: In § 65 unmittelbar angesprochen ist die Vermittlungs- oder Abschlussprovision (§ 87 Abs. 1). Diese verschafft dem Provisionsberechtigten eine Beteiligung am Wert von Geschäften, die durch seine Tätigkeit zustandegekommen sind oder die mit Dritten, die er als Kunde für Geschäfte gleicher Art geworben hat, abgeschlossen wurden. Die letztgenannte Variante wird auch als Folgeprovision bezeichnet (vgl. § 87 Rn 43). Bei der Bezirksprovision (§ 87 Abs. 2) wird allgemein an Geschäfte angeknüpft, die in einem bestimmten – dem Provisionsberechtigten zugewiesenen – Bezirk oder Kundenkreis auch ohne seine Vermittlung abgeschlossen werden (zu diesen sogleich Rn 8). Die Bezeichnung der Vergütung durch die Parteien ist dabei unerheblich. Den Regeln über Provisionen unterfallen daher auch eine „Leistungsprämie“ oder ein „Umsatzbonus“, solange es sich 1 2 3 4 5 6
BGBl. I 1953, S. 771. Vgl. zur Historie der Vorschrift Roth RdA 2012, 1 (9). Ausf. hierzu MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 1 ff. MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 1. LAG Berlin 3.11.1986 – 9 Sa 65/86, AP § 65 HGB Nr. 14; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; ErfK/Oetker22 § 65 HGB Rn 3.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 65
nur tatsächlich um eine Erfolgsvergütung im beschriebenen Sinne handelt, wenn sich die Vergütung also am persönlichen Umsatz des Handlungsgehilfen orientiert.7 Nicht zu den Provisionen i.S.d. § 65 bzw. § 87 gehört die (echte) Umsatzprovision, die 7 unabhängig von der konkreten Tätigkeit des einzelnen Arbeitnehmers eine Beteiligung an sämtlichen Geschäften eines Unternehmens oder Unternehmensteils vermittelt.8 Mit der Umsatzprovision vergleichbar und ebenfalls nicht von § 65 erfasst sind Gewinnbeteiligungen (Tantiemen); diese orientieren sich nicht am Umsatz, sondern am Gewinn des Unternehmens.9 Eine Zwischenform bilden Gruppenprovisionen, bei denen die Vergütung an die Umsätze kleiner Mitarbeitergruppen angeknüpft wird. Ob es sich dabei um Provisionen i.S.d. § 65 handelt, ist noch ungeklärt;10 jedenfalls kann für solche Vergütungsformen die Geltung der §§ 87 ff vereinbart werden. Unschädlich für den Provisionscharakter i.S.d. § 65 ist es, wenn der Arbeitsvertrag für den Vergütungsanspruch neben der Vermittlung von Geschäften noch ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis aus diesen Geschäften als jahresbezogene Zielvereinbarung voraussetzt.11
2. Ausklammerung von Bezirks- und Inkassoprovisionen Der in § 65 Hs. 1 umschriebene Anwendungsbereich erfasst nur Vermittlungs- und Abschluss- 8 provisionen. Dementsprechend verweist auch der zweite Satzteil des § 65 nur auf § 87 Abs. 1 (und Abs. 3, dazu noch Rn 24 ff), nicht aber auf die Regelungen über Bezirks- oder Inkassoprovisionen (§ 87 Abs. 2 und 4). Trotzdem können auch derartige Provisionsformen mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden.12 Ohne eine solche Vereinbarung hat aber der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Bezirksprovision, selbst wenn ihm vertraglich als Verkaufsleiter ein bestimmter Verkaufsbezirk zugewiesen wurde.13 Das folgt aus der Nichtanwendbarkeit des § 87 Abs. 2, der den Provisionsanspruch für den Handelsvertreter kraft Gesetzes – als automatische Folge seiner Bestellung (§ 87 Rn 108) – entstehen lässt. Entsprechend muss auch im Falle der Inkassoprovision argumentiert werden. Liegt eine entsprechende Vereinbarung vor, sind auf diese die §§ 87 ff anzuwenden, auch wenn das Gesetz dies nicht explizit anordnet und die Parteien dies nicht explizit vereinbart haben.14
3. Abschluss und Wirksamkeit der Vereinbarung § 65 verlangt den Abschluss einer Provisionsvereinbarung. Das kann ausdrücklich geschehen; 9 der Provisionsanspruch kann sich aber auch – sowohl dem Grunde nach als auch in seiner konkreten Reichweite15 – im Wege der Vertragsauslegung ergeben. Eine konkludente Vereinbarung 7 BAG 13.12.1965 – 3 AZR 446/64, AP § 65 HGB Nr. 3 m. Anm. Herschel; 14.11.1966 – 3 AZR 158/66, AP § 65 HGB Nr. 4 m. Anm. Rother.
8 BAG 28.9.2017 – 8 AZR 67/15, AP § 611 BGB Arbeitgeberdarlehen Nr. 6 (Rn 78) m. Anm. Benecke; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7; MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 2; NK-GA/Reinhard2 § 64 HGB Rn 2; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 75 Rn 2. 9 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 3 – dort auch zu weiteren Unterformen erfolgsbezogener Vergütungen, die nicht unter § 65 fallen; zum Ganzen Oehme Ergebnisorientierte Vergütung als Instrument zur Flexibilisierung von Arbeitsentgelten, 2007 S. 23 ff. 10 S. HWK/Diller10 § 65 HGB Rn 3; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. 11 LAG Hamm 12.9.2017 – 14 Sa 325/17, BeckRS 2017, 130696. 12 BAG 13.12.1965 – 3 AZR 446/64, AP § 65 HGB Nr. 3 m. Anm. Herschel; Schlegelberger/Schröder Rn 2d; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 13 Schlegelberger/Schröder Rn 2d. 14 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8. 15 Vgl. dazu BAG 12.4.1962 – 5 AZR 345/61, AP § 65 HGB Nr. 1 m. Anm. Klingmüller = SAE 1962, 189 m. Anm. Sieg; 20.5.1976 – 3 AZR 291/75, AP § 65 HGB Nr. 10 m. Anm. Schulte-Osterloh = SAE 1977, 190 m. Anm. Küchenhoff. 809
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§ 65
1. Buch. Handelsstand
kann in der vertretungsweisen Übertragung von Aufgaben eines Handelsvertreters an einen Arbeitnehmer liegen.16 Die Vereinbarung eines Festgehalts spricht hingegen tendenziell gegen einen konkludent begründeten Provisionsanspruch.17 Eine langjährige Handhabung kann zudem zu einer konkludenten Änderung des Inhalts der ursprünglichen Provisionsabrede führen.18 10 Häufig wird betont, dass die Provisionsvereinbarung „mit höherrangigem Recht vereinbar“ sein muss.19 Gemeint ist damit die Selbstverständlichkeit, dass die Provisionsabrede als vertragliche Vereinbarung nicht gegen zwingendes Recht – insbesondere die Regelungen über die Vertragsinhaltskontrolle nach § 138 BGB (dazu Rn 29) und nach §§ 307 ff BGB20 (dazu Rn 23, 26 f) – verstoßen darf und zudem das tarifrechtliche Günstigkeitsprinzip (vgl. Rn 31) zu beachten ist.
II. Persönlicher Anwendungsbereich 11 § 65 gilt nach seinem Wortlaut nur für Handlungsgehilfen. Er findet darüber hinaus aber immer dann analoge Anwendung, wenn ein Provisionsanspruch eines anderen Arbeitnehmers besteht. Dies kann heute als unstrittig gelten.21
III. Räumlicher Anwendungsbereich 12 Auch in den neuen Bundesländern gilt § 65 seit dem Beitritt. Die Vorschrift gehört nicht zu denjenigen Regelungen, die, wie etwa §§ 63 oder 64, im Vorgriff auf eine einheitliche Kodifikation des Arbeitsvertragsrechts von der Übernahme des Bundesrechts durch den Einigungsvertrag ausgenommen worden sind.22 Ohnehin wurde diese Herausnahme wieder aufgehoben (Vor § 59 Rn 6).
C. Umfang der Verweisung 13 § 65 stellt den Provisionsanspruch des Handlungsgehilfen hinsichtlich der Regelungen über seine Entstehungsvoraussetzungen (§ 87 Abs. 1 und 3, § 87a), über seine Höhe (§ 87b) und über den ergänzenden Abrechnungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber (§ 87c) mit demjenigen des Handelsvertreters gleich. Damit ist der Provisionsanspruch auch nach Maßgabe der §§ 87a Abs. 5 und 87c Abs. 5 vor Vereinbarungen zu Lasten des Arbeitnehmers geschützt.23 16 BAG 30.6.1960 – 5 AZR 48/59, AP § 63 HGB Nr. 13 m. Anm. Hefermehl; HWK/Diller10 § 65 HGB Rn 2; aA wohl Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 35. 17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; eher noch restriktiver Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 5. 18 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg 28.1.2009 – 15 Sa 1490/08, BeckRS 2009, 60427: Umwandlung einer erfolgsorientierten Provision in eine Garantieprovision. 19 BAG 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, AP § 87 HGB Nr. 13 (Rn 33); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5. 20 Siehe zur AGB-Kontrolle bei Provisionsvereinbarungen auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 23a; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 65 Rn 12 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12 ff. 21 BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Rn 8 (Rn 28); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3; GK/Etzel HGB8 Rn 1; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2; in der Sache auch MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 6: auf sonstige Arbeitnehmer seien diejenigen Regeln, auf die § 65 verweist, entsprechend anzuwenden; vgl. bereits BAG 25.10.1967 – 3 AZR 453/66, AP § 92 HGB Nr. 3: Anwendbarkeit auf Arbeitnehmer auch insoweit, als sie nebenbei und mit Billigung des Arbeitgebers für diesen Versicherungsverträge gegen vereinbarte Provision vermitteln. 22 Vgl. Anlage I zum Einigungsvertrag, Kapitel VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 2, BGBl. II (1990) 1020. 23 ErfK/Oetker22 § 65 HGB Rn. 7. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 65
§ 65 verweist nicht ausdrücklich auf § 92, also auf die Sondervorschriften für Versicherungs- und Bausparkassenvertreter. Dabei handelt es sich allerdings nach zutreffender Ansicht des BAG um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers im Rahmen der Gesetzesnovelle im Jahr 1953 (Rn 2).24 Damit ist § 92 auch auf Handlungsgehilfen (und überhaupt auf Arbeitnehmer, Rn 11) anzuwenden, die gegen Provisionen Versicherungs- und Bausparverträge vermitteln oder abschließen (zu § 92 Abs. 4 und 5 noch Rn 33). Ebenfalls fehlt ein Verweis auf den Ausgleichsanspruch nach § 89b. Dies kann für Handlungsgehilfen und sonstige Arbeitnehmer auch nicht im Wege einer analogen Anwendung überspielt werden.25 Allerdings hat das Fehlen eines solchen Anspruchs mittelbare Auswirkungen auf die Vertragsinhaltskontrolle bei der Abbedingung oder Einschränkung nachvertraglicher Provisionsansprüche (Rn 25 ff). § 86a Abs. 2 verpflichtet den Unternehmer, den Handelsvertreter vor sinnlosen Vermittlungsbemühungen zu bewahren. Der Unternehmer muss deshalb gegebenenfalls den Handelsvertreter davon unterrichten, dass er Geschäfte nicht im erwarteten Umfang wird abschließen können. Diese Regelung gilt zwar mangels Verweises in § 65 für Arbeitsverhältnisse nicht, es besteht aber eine entsprechende arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB), deren Verletzung einen auf den Ersatz des Vertrauensschadens gerichteten Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auslösen kann.26 Zur fehlenden Verweisung auf die Bezirks- und Inkassoprovision (§ 87 Abs. 2 und 4) vgl. bereits Rn 8.
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D. Besonderheiten im Arbeitsverhältnis I. Grundsätzliches Obwohl aus dem Wortlaut des § 65 nicht ersichtlich, ist man sich einig, dass im Hinblick auf den 18 Unterschied zwischen selbständiger Tätigkeit des Handelsvertreters einerseits und unselbständiger Tätigkeit des Handlungsgehilfen andererseits eine pauschale Anwendung der in Bezug genommenen Vorschriften des Handelsvertreterrechts nicht angebracht ist.27 Das Arbeitsrecht modifiziert und ergänzt deshalb die §§ 87 ff. So kann etwa die grundsätzliche Dispositivität der auf den selbständigen Handelsvertreter ausgelegten §§ 87 ff im Wege der Vertragsinhaltskontrolle (§ 138 und §§ 307 ff BGB) über § 87a Abs. 5 und § 87c Abs. 5 weitere Einschränkungen zugunsten abhängig beschäftigter Arbeitnehmer erfahren.28 Im Folgenden werden nur derartige arbeitsrechtliche Besonderheiten behandelt. Im Übri- 19 gen ist auf die Kommentierung zu den §§ 87 ff zu verweisen.
II. Provisionspflichtige Geschäfte Unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer für Geschäfte, die zwischen seinem Arbeitge- 20 ber und Dritten zustandekommen, eine Provision erhält, bestimmt sich nach § 65 i.V.m. § 87 Abs. 1 und 3 (zu § 87 Abs. 2 und Abs. 4 oben bereits Rn 8). 24 BAG 25.10.1967 – 3 AZR 453/66, AP § 92 HGB Nr. 3 (unter B II 2 b); 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 28). 25 BAG 3.6.1958 – 2 AZR 638/57, AP § 89b HGB Nr. 1 m. Anm. Hefermehl. 26 Vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4: Nebenpflicht. 27 BAG 17.5.1962 – 5 AZR 427/61, AP § 65 HGB Nr. 2 m. Anm. Hefermehl; 4.7.1972 – 3 AZR 477/71, AP § 65 HGB Nr. 6 m. Anm. Herschel = SAE 1974, 155 m. Anm. Thiele; 25.3.1976 – 3 AZR 331/75, AP § 65 HGB Nr. 9 m. Anm. Herschel = SAE 1977, 177 m. Anm. Bickel; stv. für die Lit. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3. 28 Vgl. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 811
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1. Einzelne Besonderheiten 21 Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 stehen dem Arbeitnehmer Provisionen grundsätzlich nur für solche Geschäfte zu, die er während seines Arbeitsverhältnisses (vgl. aber noch Rn 24 ff) für seinen Arbeitgeber vermittelt oder abschließt. Allerdings sind nach der Rechtsprechung des BAG provisionspflichtige Geschäfte im Zweifel auch solche, die der Handlungsgehilfe für andere Unternehmen tätigt, für die er ebenfalls arbeiten muss und mit denen sein Vertragsarbeitgeber konzernverbunden ist.29 Weiterhin muss der Arbeitgeber in Fällen, in denen er den Arbeitnehmer vorübergehend 22 mit der Vertretung eines verhinderten Kollegen beauftragt, die dem Arbeitnehmer deshalb entgehenden Provisionen abgelten.30 Im Arbeitsvertrag können noch zusätzliche – über § 87 Abs. 1 Satz 1 hinausgehende – Vo23 raussetzungen für die Provisionspflichtigkeit eines Geschäfts aufgenommen werden, solange dadurch der Provisionscharakter der Vergütung nicht infrage gestellt wird (vgl. Rn 7 aE) und die Vereinbarung der Klauselkontrolle nach §§ 307 ff BGB standhält.31 Schon vor der Schuldrechtsmodernisierung hat das BAG entschieden, dass der Provisionsanspruch nicht von einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig gemacht werden darf, da andernfalls der Arbeitnehmer in seinem Recht, das Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden, in unzulässiger Weise behindert würde.32 Die Befristung oder Widerrufbarkeit einer Provisionsregelung hat das BAG zugelassen, wenn der Provisionsanteil nicht mehr als 25 bis 30 % der Gesamtvergütung ausmacht.33 Daran kann auf Basis der §§ 307 ff BGB im Wesentlichen festgehalten werden.34
2. Insbesondere: Überhangprovision und Überhanganspruch 24 Der Provisionsanspruch des Arbeitnehmers beschränkt sich nicht auf Geschäfte, die während des Vertragsverhältnisses abgeschlossen werden. Vielmehr besteht ein Anspruch aus § 65 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1 auch dann, wenn das Geschäft während der Vertragslaufzeit abgeschlossen, aber erst danach ausgeführt wird (sog. Überhangprovision).35 Darüber hinaus besteht ein Provisionsanspruch unter den Voraussetzungen des durch § 65 ebenfalls in Bezug genommenen § 87 Abs. 3 auch für Geschäfte, die noch vom Arbeitnehmer angebahnt worden waren, dann aber erst nach seinem Ausscheiden abgeschlossen worden sind (sog. Überhanganspruch). Problematisch und von erheblicher praktischer Relevanz ist die Frage, inwieweit diese An25 sprüche, die sich auf bereits „verdiente“ Provisionen beziehen, im Arbeitsvertrag abbedungen werden können. Beim Handelsvertreter ist der Anspruch auf Überhangprovisivion nach § 87 Abs. 1 Satz 1 nach der Rechtsprechung des BGH jedenfalls durch Individualvereinbarung abdingbar.36 Für Arbeitnehmer hat das BAG demgegenüber bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung entschieden, dass der Anspruch auf eine Überhangprovision nach § 65 i.V.m. § 87 29 BAG 20.5.1976 – 3 AZR 291/75, AP § 65 HGB Nr. 10 m. Anm. Schulte-Osterloh = SAE 1977, 190 m. Anm. Küchenhoff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 24. 30 BAG 30.7.1985 – 3 AZR 405/83, AP § 65 HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner. 31 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 23a. 32 BAG 12.1.1973 – 3 AZR 211/72, AP § 87a HGB Nr. 4 = SAE 1974, 100 m. Anm. Küchenhoff; 20.8.1996 – 9 AZR 471/ 95, AP § 87 HGB Nr. 9; Hopt/Roth41 Rn 3; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt Rn 14. 33 BAG 21.4.1993 – 7 AZR 297/92, EzA § 2 KSchG Nr. 20 m. Anm. Krause; HWK/Diller10 § 65 HGB Rn 4. 34 Vgl. LAG Hessen 3.7.2008 – 14 Sa 1863/07, BeckRS 2008, 58168; näher zu Widerrufs-, Freiwilligkeits- und Änderungsvorbehalten Reiserer NZA 2007, 1249 (1251 ff); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13 ff. 35 BGH 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629. 36 Ob dies auch für eine Abbedingung in vom Unternehmer gestellten AGB gilt, hat der BGH ausdrücklich offengelassen, s. BGH 10.12.1997 – VIII ZR 107/97, NJW-RR 1998, 629; befürwortend Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 17. Weber/Gräf
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Abs. 1 Satz 1 nur dann abbedungen werden kann, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht.37 Denkbar soll dies etwa sein, wenn die Arbeitsvertragsparteien vereinbart haben, dass die Provision nicht nur für den Vertragsabschluss, sondern auch für die weitere Betreuung des Kunden gezahlt wird; darin liege ein Ausgleich, der Einschränkungen am Vertragsende rechtfertige.38 Die bloße Rationalisierung des Abrechnungsverfahrens soll hingegen keinen sachlichen Grund darstellen.39 Für den Überhanganspruch des Arbeitnehmers nach § 65 i.V.m. § 87 Abs. 3 ist das BAG schon vor der Schuldrechtsmodernisierung von einer generellen Unabdingbarkeit ausgegangen. Denn während für den Handlungsgehilfen nach dem Ende des Vertragsverhältnisses der Ausgleichsanspruch des § 89b zum Tragen komme, fehle es für den Arbeitnehmer an einer solchen gesetzlichen Kompensation, da § 65 auf § 89b gerade nicht verweist.40 § 89b ist auch nicht analog anwendbar41 (Rn 15). Fraglich ist, inwieweit an diesen Grundsätzen nach der Schuldrechtsmodernisierung un- 26 ter der Geltung des AGB-Rechts festgehalten werden kann. Folgt man der BAG-Rechtsprechung, kann sich am zwingenden Charakter des § 65 i.V.m. § 87 Abs. 3 konsequenterweise nichts ändern, da nunmehr eher noch strengere Maßstäbe gelten müssen.42 Allerdings hat das BAG starke Zweifel daran geäußert, ob es an seiner Rechtsprechung zum Anspruch auf Überhangprovision nach § 65 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1 festhalten kann. Es spreche viel dafür, dass für diesen Anspruch – also für denjegen, der Geschäfte betrifft, die während der Vertragslaufzeit noch abgeschlossen wurden – nichts anderes gelten kann als bei § 87 Abs. 3 i.V.m. § 65, also für Ansprüche bzgl. der Geschäftsabschlüsse, die in den Zeitraum nach Vertragsende fallen.43 Das BAG hat die Frage aber letztlich offenlassen können, da das Gericht im konkreten Fall jedenfalls keinen sachlichen Grund für die Abbedigung des Anspruchs auf Überhangprovision nach § 87 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 65 feststellen konnte: Es handelte sich um eine vom Arbeitgeber gestellte AGBKlausel, nach der dem Arbeitnehmer als Überhangprovision nur die Hälfte der vereinbarten Provision zustand. Dies sah das BAG als unangemessen und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam an.44 Auf Basis der BAG-Rechtsprechung zur generellen Unabdingbarkeit des Überhanganspruchs 27 (§ 65 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1) liegt in der Tat ein Erst-recht-Schluss nahe: Der Anspruch auf Überhangprovision (§ 85 i.V.m. § 87 Abs. 1 Satz 1) müsste a minori ad maius ebenfalls generell unabdingbar sein. Allerdings stellt sich in Bezug auf beide Ansprüche die Frage, ob sich eine solch starre Lösung und die damit verbundene pauschale Beschränkung der Privatautonomie rechtfertigen lässt. Richtigerweise sollte man sich die Option für eine Abbedingung oder Einschränkung45 bei beiden Ansprüchen offenhalten. In beiden Fällen muss eine Abbedingung oder Einschränkung namentlich dann in Betracht kommen, wenn – wie es auch sonst der Handhabung des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht – der Arbeitnehmer für den Verlust des Ausgleichsanspruchs angemessen 37 BAG 4.7.1972 – 3 AZR 477/71, AP § 65 HGB Nr. 6 m. Anm. Herschel = SAE 1974, 155 m. Anm. Thiele; 20.7.1973 – 3 AZR 359/72, AP § 65 HGB Nr. 7 m. Anm. Fenn; 30.7.1985 – 3 AZR 405/83, AP § 65 HGB Nr. 13 (Bl. 2) m. Anm. Küstner; ebenso GK/Etzel HGB8 Rn 13. 38 LAG Mecklenburg-Vorpommern 16.1.2007 – 5 Sa 107/06, BeckRS 2008, 52060. 39 BAG 20.7.1973 – 3 AZR 359/72, AP § 65 HGB Nr. 7 m. Anm. Fenn. 40 St. Rspr. des BAG, s. nur 20.8.1996 – 9 AZR 471/95, AP § 87 HGB Nr. 9 (unter II 1) m.w.N. 41 BAG 3.6.1958 – 2 AZR 638/57, AP § 89b HGB Nr. 1 m. Anm. Hefermehl. 42 So implizit auch BAG 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, AP § 87 HGB Nr. 11 (Rn 12) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg 8.5.2015 – 3 Sa 1915/14, 3 Sa 2176/14, BeckRS 2015, 70810 (Rn 50). 43 So zutr. BAG 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, AP § 87 HGB Nr. 11 (Rn 12); vgl. demgegenüber v. Hoyningen-Huene Anm. AP § 87 HGB Nr. 11: das Kriterium des „sachlichen Grunds“ sei in der Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 BGB aufgegangen, eine generelle Unabdingbarkeit sei abzulehnen. 44 BAG 20.2.2008 – 10 AZR 125/07, AP § 87 HGB Nr. 11 (Rn 13 ff) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; zust. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 31. 45 Vgl. zu einer zeitlichen Beschränkung des Anspruchs aus § 87 Abs. 3 LAG Berlin-Brandenburg 8.5.2015 – 3 Sa 1915/14, 3 Sa 2176/14, BeckRS 2015, 70810 (Rn 51 ff): Wirksamkeit jedenfalls im konkreten Fall nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu verneinen; zust. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 31. 813
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entschädigt wird,46 wobei für eine Abbedingung des Anspruchs auf Überhangprovision nach § 87 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 65 tendenziell eine stärkere Kompensation zu fordern ist. Insofern sollte das BAG – entgegen der von ihm angedeuteten Tendenz – eher seine Rechtsprechung zur absoluten Unabdingbarkeit des Überhanganspruchs nach § 65 i.V.m. § 87 Abs. 3 überdenken als diejenige zum Anspruch auf Überhangprovision nach § 87 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 65.
III. Höhe der Provision 28 Für die Höhe der Provision gilt § 65 i.V.m. § 87b: Primär ist die Parteivereinbarung maßgeblich. Diese wird bei tarifgebundenen Arbeitnehmern durch den Tariflohn überlagert (dazu noch Rn 31). Fehlt eine Vereinbarung – was allerdings in der Praxis kaum mehr vorkommen dürfte –, kommt es nach § 87b Abs. 1 auf die Üblichkeit an, also auf die Gepflogenheiten im Geschäftszweig in der betroffenen Region.47 Lassen sich auch solche Gepflogenheiten nicht feststellen, hat nach Maßgabe der §§ 315, 316 BGB im Zweifel der Arbeitgeber ein Leistungsbestimmungsrecht im Rahmen der Billigkeit.48 Hinsichtlich der Berechnungsgrundlage gilt § 87b Abs. 2 und 3; hier ergeben sich keine Besonderheiten für Abeitnehmer (s. dazu § 87b Rn 20 ff). Die Provision kann grundsätzlich auch für den Arbeitnehmer als alleinige Vergütungs29 form vereinbart werden; dafür spricht bereits § 65 selbst. Der Umstand, dass kein Mindestverdienst als Fixum festgesetzt ist, macht die Vereinbarung auch nicht per se sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB.49 Eine Provision als einzige Vergütungsform muss aber so bemessen sein, dass sie dem Arbeitnehmer bei normaler Arbeitsleistung ein ausreichendes Einkommen garantiert.50 Hier ist ein Rückgriff auf die Rechtspechung des BAG zum Lohnwucher angezeigt,51 wonach das für § 138 Abs. 2 BGB erforderliche auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung anzunehmen ist, wenn die vereinbarte Vergütung weniger als zwei Drittel eines in der betreffenden Branche und Region üblichen Tariflohns52 bzw. des allgemeinen Lohniveaus für die betroffene Tätigkeit im Wirtschaftsgebiet53 beträgt. Für die tatsächlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit trägt der Arbeitnehmer die Beweislast.54 Liegen diese nachweislich vor, ist die Provisionsabrede nichtig. Die Höhe des Vergütungsanspruchs ist bei Handlungsgehilfen dann nach den Grundsätzen des § 59 zu ermitteln (Rn 59 Rn 63 ff);55 für sonstige Arbeitnehmer gilt § 612 Abs. 2 BGB.56
46 Vgl. auch Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 17, die allerdings nicht zwischen Überhangprovision (§ 87 Abs. 1 Satz 1) und Überhanganspruch (§ 87 Abs. 3) unterscheiden. 47 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. 48 BGH 2.3.1961 – VII ZR 15/60, DB 1961, 638 (unter III 3); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 28. 49 Ebenso BAG 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, AP § 87 HGB Nr. 13 (Rn 33); NK-GA/Reinhard2 § 64 HGB Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 75 Rn 7; aA Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 4; Wank RdA 2002, 112 (115). 50 BAG 25.3.1976 – 3 AZR 331/75, AP § 65 HGB Nr. 9 (Bl. 3R) m. Anm. Herschel = SAE 1977, 177 m. Anm. Bickel; 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, AP § 87 HGB Nr. 13 (Rn 33); LAG Berlin 3.11.1986 – 9 Sa 65/86, AP § 65 HGB Nr. 14; LAG Hamm 16.10.1989 – 10 (13) Sa 1510/88, ZIP 1990, 880 (886) m. Anm. D. Gaul; 16.2.2009 – 2 Sa 824/08, BeckRS 2009, 67774; LAG Rheinland-Pfalz 11.12.2018 – 6 Sa 177/17, BeckRS 2018, 45748 (Rn 37); GK/Etzel HGB8 Rn 2. 51 Hierauf verweist auch das BAG selbst im Provisions-Kontext: BAG 16.2.2012 – 8 AZR 98/11, AP § 87 HGB Nr. 13 (Rn 33); s. auch LAG Rheinland-Pfalz 11.12.2018 – 6 Sa 177/17, BeckRS 2018, 45748 (Rn 38). 52 BAG 22.4.2009 – 5 AZR 436/08, AP § 138 BGB Nr. 64 (Rn 13 ff) m. Anm. Bayreuther. 53 BAG 23.5.2001 – 5 AZR 527/99, AuR 2001, 509 m. Anm. Peter (unter II 2 a). 54 LAG Berlin 3.11.1986 – 9 Sa 65/86, AP § 65 HGB Nr. 14; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9. 55 LAG Hamm 16.10.1989 – 10 (13) Sa 1510/88, ZIP 1990, 880 (886) m. Anm. D. Gaul; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 56 Vgl. LAG Berlin 3.11.1986 – 9 Sa 65/86, AP § 65 HGB Nr. 14. Weber/Gräf
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An dem Grundsatz, dass eine erfolgsabhängige Provision als alleinige Vergütungsform ver- 30 einbart werden kann, hat sich durch die Einführung des MiLoG nichts geändert.57 Das MiLoG will anerkannte Vergütungsformen nicht beseitigen, zumal nicht solche, für die der Gesetzgeber einen gesetzlichen Rahmen zur Verfügung gestellt hat – wie im Fall der Provisionen nach § 65 i.V.m. §§ 87 ff.58 Auch rein erfolgsabhängige Provisionen sind damit erfüllungstauglich.59 Allerdings ist hier im Einzelfall zu prüfen, ob durch die Provisionen der auf „Zeitstunden“ bezogene Mindestlohn (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 MiLoG) erreicht wird; es bedarf also einer Umrechnung der gezahlten Provision in einen fiktiven Stundenlohn. Dabei stellt sich aber die – höchstrichterlich noch ungeklärte – Frage, welcher Referenzzeitraum für die Berechnung zugrundezulegen ist. Bei nach Zeiteinheiten (Monaten, Jahren) vereinbarten Löhnen geht das BAG vom Kalendermonat als Berechnungsgrundlage aus.60 Zur Begründung führt das BAG das in den Materialien zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Ziel an, dem Arbeitnehmer ein „Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze“ zu sichern;61 dieser Monatsbezug komme auch in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG zum Ausdruck.62 Demgegenüber wird für Provisionen in Teilen des Schrifttums ein anderer Ansatz vertreten: Es wird darauf hingewiesen, dass die Provisionseinnahmen erheblichen monatlichen Schwankungen unterliegen können, und vorgeschlagen, auf die Regelung zum Abrechnungszeitraum nach § 87c Abs. 1 abzustellen; danach käme als Berechnungsgrundlage ein Zeitraum von bis zu vier Monaten in Betracht.63 Dadurch wäre der Mindestlohn auch hinsichtlich einnahmeschwacher Monate häufiger erfüllt als bei einer monatsbezogenen Umrechnung. Jedoch müssen die vom BAG zutreffend ins Feld geführten gesetzgeberischen Wertungen für Provisionen gleichermaßen gelten, sodass auch hier eine monatsbezogene Umrechnung durchzuführen ist.64 Diese ist der „Preis“ für die grundsätzliche Anerkennung der Erfüllungstauglichlichkeit erfolgsbezogener Vergütungsformen. Zur Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs Rn 34. Besonderheiten gelten in der Regel für tarifgebundene Arbeitnehmer. Für diese ergibt die 31 Auslegung des Tarifvertrags regelmäßig, dass das tariflich festgesetzte Mindestgehalt durch ein monatliches Fixum zu gewährleisten ist. Das Fixum kann sich dabei aus einer Kombination aus einem Festgehalt und einer sogenannten Provisionsgarantie zusammensetzen, die unabhängig von tatsächlich erarbeiteten Einzelprovisionen zu zahlen ist.65
IV. Entstehung und Fälligkeit des Provisionsanspruchs Die Entstehung des Provisionsanspruchs bestimmt sich nach dem System des von § 65 in Bezug 32 genommenen § 87a Abs. 1 (näher § 87a Rn 17 ff). Nach § 87a Abs. 1 Satz 1 hat der Handlungsgehilfe grundsätzlich – mangels anderweitiger Abreden – dann Anspruch auf die Provision, wenn der Arbeitgeber das Geschäft ausgeführt hat. Abweichendes gilt für Arbeitnehmer, die gegen Provisionen Versicherungen oder Bauspar- 33 verträge vermitteln. Auf diese ist – trotz fehlender Verweisung in § 65 – § 92 anwendbar (Rn 14). 57 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 11 (vgl. dort allerdings Rn 4). 58 Zutr. ErfK/Franzen22 § 1 MiLoG Rn 10; zust. BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 65 Rn 30. 59 BeckOK-ArbR/Greiner64 § 1 MiLoG Rn 52; Spielberger/Schilling NJW 2014, 2897 (2899); vgl. für Stück- und Akkordlöhne BT-Drucks. 18/1558, S. 34.
60 BAG 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, AP § 1 MiLoG Nr. 1 (Rn 25) m. Anm. Lembke; ebenso etwa Kocher AuR 2015, 173 (175); aA etwa ErfK/Franzen22 § 1 MiLoG Rn 9: zwei Monate.
61 BT-Drucks. 18/1558, S. 28. 62 BAG 25.5.2016 – 5 AZR 135/16, AP § 1 MiLoG Nr. 1 (Rn 25) m. Anm. Lembke. 63 So ErfK/Franzen22 § 1 MiLoG Rn 10; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 14a; BeckOGK-HGB/Siepelt (1.6.2022) § 65 Rn 30.
64 Kocher AuR 2015, 173 (175); Spielberger/Schilling NJW 2014, 2897 (2899). 65 BAG 29.10.1986 – 4 AZR 643/85, AP § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 14; 19.1.2000 – 4 AZR 814/98, AP § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 73; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 815
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Damit entsteht der Provisionsanspruch für Versicherungs- bzw. Bausparvertragsvermittler entsprechend § 92 Abs. 4 (i.V.m. Abs. 5) nicht schon mit der Ausführung des Geschäfts, sondern erst dann, wenn der Versicherungsnehmer bzw. Bausparer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem Arbeitsvertrag errechnet.66 34 Der Provisionsanspruch wird nach § 65 i.V.m. § 87a Abs. 4 am letzten Tag des Monats fällig, in dem der Unternehmer nach § 87c Abs. 1 über den Anspruch abzurechnen hat. Nach § 87c Abs. 1 Satz 1 hat der Arbeitgeber die Provision – je nach Vereinbarung – monatlich, spätestens dreimonatlich abzurechnen. Wegen § 87c Abs. 1 Satz 2 kann der Zeitraum zwischen Anspruchsentstehung und Fälligkeitseintritt insgesamt bis zu vier Monate betragen. Für den Bereich des Mindestlohns gilt allerdings die Obergrenze des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG. Danach ist der Mindestlohnanspruch spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats auszuzahlen, der auf den Monat folgt, für den der Mindestlohn geschuldet ist. Wird der Provisionsanspruch nach § 65 i.V.m. § 87a Abs. 4 i.V.m. § 87c Abs. 1 (oder § 92 Abs. 4, vgl. Rn 33) erst später fällig, ist der Mindestlohn als „Vorschuss“ zu zahlen. Ergibt die spätere Provisionsabrechnung einen höheren Provisionsanspruch, ist freilich nur noch der überschießende Betrag auszuzahlen. Vorab gezahlter Mindestlohn ist also ggf. mit dem später fällig werdenden Provisionansspruch zu verrechnen.67
V. Vorschuss, Rückzahlungspflichten und Verrechnung 35 Aufgrund von § 65 i.V.m. § 87a Abs. 1 Satz 1 ist der Arbeitgeber insofern vorleistungspflichtig, als der gegen ihn gerichtete Arbeitnehmeranspruch auf Provision schon dann entsteht, wenn er – der Arbeitgeber – das Geschäft ausgeführt hat, auch wenn er von dem Dritten noch keine Leistung erhalten hat. § 87a Abs. 2 Hs. 2 verschafft dem Arbeitgeber deshalb einen Ausgleich, indem diesem bei Ausbleiben der Leistung des Dritten ein Rückzahlungsanspruch gegen den Arbeitnehmer gewährt wird.68 § 87a Abs. 2 ist aber nicht – auch nicht analog – auf Fälle anwendbar, in denen (noch) kein Provisionsanspruch des Arbeitnehmers nach § 87a Abs. 1 Satz 1 entstanden ist.69 Einem Nicht-Entstehen steht es gleich, wenn das Geschäft mit dem Dritten wirksam angefochten wurde; die Ex-tunc-Wirkung des § 142 Abs. 1 BGB lässt dann auch den Provisionsanspruch entfallen. Der Arbeitgeber kann dann Rückzahlung der Provision vom Arbeitnehmer nur nach Bereicherungsrecht (§§ 812 ff BGB) verlangen; er muss sich unter Umständen die Einrede der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) entgegenhalten lassen.70 Hiervon wiederum zu unterscheiden ist die Situation, dass sich der Arbeitgeber vertraglich zu einem Vorschuss verpflichtet hat, also zu einer Vorauszahlung auf eine noch nicht „verdiente“ (d.h. nicht entstandene oder nicht fällige) Provision.71 Kommt der bevorschusste Provisionsanspruch dann tatsächlich nicht zum Entstehen, entsteht ebenfalls ein Rückzahlungsanspruch, allerdings nicht aus den §§ 812 ff BGB; vielmehr folgt er aus der Vorschussabrede selbst.72 Nach der Rechtsprechung des BAG unterliegt eine solche Vereinbarung nicht der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, da es sich nicht um eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung i.S.d. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB handele. Denn vergleichbare Rechtsgrundsätze (Rückzahlungspflichten) gebe es ja auch in ähnlichen Konstellationen – das BAG meint dabei offenbar die gerade angesprochenen §§ 812 ff
66 BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 28); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 24. Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 15; Spielberger/Schilling NJW 2014, 2897 (2899). BAG 14.3.2000 – 9 AZR 855/98, AP § 611 BGB Lohnrückzahlung Nr. 6 (unter I 2) m.w.N. BAG 14.3.2000 – 9 AZR 855/98, AP § 611 BGB Lohnrückzahlung Nr. 6 (unter I). BAG 14.3.2000 – 9 AZR 855/98, AP § 611 BGB Lohnrückzahlung Nr. 6 (unter I) m.w.N. Vgl. BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 21). BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 21); MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 33.
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BGB und erwähnt zudem § 80 Abs. 5 VAG a.F.73 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Ob man pauschal – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Rückzahlungsklausel – von einer Kontrollfreiheit ausgehen kann, erscheint zwar zweifelhaft. Da es sich um die Rückzahlung „nicht verdienter“ Provisionen handelt und auch sonst nicht der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betroffen ist, liegt aber jedenfalls in der Regel kein Verstoß gegen § 308 Nr. 4 oder § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB vor. Das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist wegen § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB freilich zu beachten.74 In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit solche Rückzahlungsansprüche 36 mit bestehenden Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers, also mit Überschüssen aus erfolgreicheren Monaten, verrechnet werden dürfen. Problematisch ist dies insofern, als der Arbeitnehmer auf eine monatliche Vergütung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist.75 Deswegen darf ein vertraglich zugesagtes Festgehalt nicht beeinträchtigt werden.76 Das gilt auch für eine vereinbarte Provisionsgarantie, da dem Arbeitnehmer mit dieser gerade eine monatliche Mindesteinnahme garantiert werden soll.77 Allerdings ist eine entsprechende ausdrückliche Verrechnungsvereinbarung möglich.78 Auch im Fall einer solchen Vereinbarung darf nach dem Rechtsgedanken des – unabdingbaren79 – § 394 BGB aber keine Verrechnung erfolgen, mittels derer die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff ZPO unterschritten würden.80
VI. Lohnfortzahlung Die Provision ist eine Form der Vergütung, sodass sie grundsätzlich den arbeitsrechtlichen Rege- 37 lungen über die Fortzahlung der Vergütung ohne Arbeitsleistung (Krankheit, Feiertag, Urlaub, Annahmeverzug etc.) unterfällt.81 Provisionen sind daher bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung zu berücksichtigen.82 Dazu ist ein bestimmter früherer Zeitabschnitt als Referenzzeitraum heranzuziehen und die hypothetisch erarbeitete Provision – nötigenfalls durch Schätzung (§ 287 ZPO) – zu ermitteln. Bei der Bestimmung des maßgeblichen Referenzzeitraums ist die Rechtsprechung bei Provi- 38 sionen zurecht flexibel. Im Urlaubsfall ist § 11 BUrlG maßgeblich, sodass grundsätzlich die letzten 13 Wochen zugrundezulegen sind; bei stark schwankendem Geschäftsanfall kann nach der Rechtsprechung aber auch ein längerer Zeitraum von einem Jahr oder mehr maßgeblich sein.83 Bei der Vergütung an Feiertagen nach § 2 Abs. 1 EFZG geht das BAG von 1/25 des monatlichen Durchschnittsseinkommens während der letzten zwölf Monate vor dem Feiertag aus;84 auch
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BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 31). Dazu BAG 21.1.2015 – 10 AZR 84/14, AP § 92 HGB Nr. 8 (Rn 32 ff). Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 15. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 16; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 16; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25. BAG 22.9.1975 – 3 AZR 114/75, AP § 65 HGB Nr. 8 m. Anm. Schulze-Osterloh; HWK/Diller10 § 65 HGB Rn 6; MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 33; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25; vgl. auch BAG 25.3.1976 – 3 AZR 331/75, AP § 65 HGB Nr. 9 m. Anm. Herschel = SAE 1977, 177 m. Anm. Bickel. 78 GK/Etzel HGB8 Rn 12; MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 33; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25. 79 AllgA, s. nur MünchKommBGB/Schüter8 § 394 Rn 1 m.w.N. 80 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 16; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 15; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 25. 81 Vgl. BAG 4.6.1969 – 3 AZR 243/68, AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG Nr. 27 m. Anm. Wiedemann/Manke; 5.6.1985 – 5 AZR 459/83, AP § 63 HGB Nr. 39; krit. Lieb DB 1976, 2207; ausf. hierzu Gründel/Butz BB 2014, 1210 (1211 ff). 82 Näher dazu Gründel/Butz BB 2014, 1210 (1211 ff); MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 34 ff; Lieb DB 1976, 2207; Westhoff NZA 1986 Beilage 3. 83 BAG 30.7.1975 – 5 AZR 342/74, AP § 11 BUrlG Nr. 12 m. Anm. Bickel; 11.4.2000 – 9 AZR 266/99, AP § 11 BUrlG Nr. 48; GK/Etzel HGB8 Rn 19 f; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 23. 84 BAG 4.6.1969 – 3 AZR 243/68, AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG Nr. 27 m. Anm. Wiedemann/Manke. 817
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hier sind aber längere Referenzzeiträume denkbar.85 Ähnliches gilt für die Höhe des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 4 Abs. 1a Satz 2 EFZG.86 39 Provisionsansprüche aus Geschäften, die der Arbeitnehmer vor Beginn des Lohnausfallzeitraums abgeschlossen hat, sind im Rahmen des Referenzzeitraums nicht nur dann zu berücksichtigen, wenn sie vor Beginn des Lohnausfalls schon fällig waren (§ 87a Abs. 4 i.V.m. § 87c Abs. 1)87 oder der Provisionsanspruch entstanden ist (§ 87a Abs. 1), sondern bereits dann, wenn es aufgrund der Tätigkeit des Arbeitnehmers zum Geschäftsabschluss gekommen ist, der Provisionsanspruch also bedingt entstanden ist.88 Die entsprechenden Provisionsansprüche selbst kommen dann gegebenenfalls während des Lohnfortzahlungszeitraums zum Lohnfortzahlungsanspruch dazu.89
VII. Verjährung und Ausschlussfristen 40 Da die Provisionsforderung zum Gehalt des Arbeitnehmers gehört, gelten die allgemeinen Verjährungsregeln (§§ 194 ff BGB).90 Der Arbeitnehmer muss, wenn er die Höhe der Provisionsforderung nicht beziffern kann, im Wege der Stufenklage vorgehen. Die alleinige Geltendmachung des Abrechnungsanspruchs nach § 87c reicht nicht, um die Verjährung zu hemmen,91 ebensowenig eine Auskunftsklage (etwa nach § 87c Abs. 3).92 Provisionsansprüche können darüber hinaus tariflichen Ausschlussfristen unterliegen.93 41 Von solchen Ausschlussfristen werden auch die Hilfsansprüche des Arbeitnehmers auf Erteilung der Abrechnung nach § 87c Abs. 194 oder von Buchauszügen nach § 87c Abs. 295 (jeweils i.V.m. § 65) erfasst. Einzelvertragliche Ausschlussfristen sind hingegen mit § 65 i.V.m. § 87c Abs. 5 unvereinbar und daher in Bezug auf Provisionsansprüche unwirksam.96
E. Mitbestimmung des Betriebsrats 42 Bei genereller oder auf bestimmte Arbeitnehmergruppen bezogener Einführung der Provision als Vergütungsform muss der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG beachten.97 Dabei unterliegt nicht nur die Einführung dieser Vergütungsform schlechthin der Mitbestimmung, sondern vor allem auch ihre nähere Ausgestaltung und 85 MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 36. 86 BAG 5.6.1985 – 5 AZR 459/83, AP § 63 HGB Nr. 39: Bezugszeitraum „so zu wählen, dass ein sachgerechtes Ergebnis erzielt wird“; im Streitfall wurde ein solcher von zwölf Monaten herangezogen; vgl. bereits zu § 63 HGB aF BAG 12.10.1956 – 1 AZR 464/54, AP § 63 HGB Nr. 4 m. Anm. Hefermehl. 87 So früher das BAG für den Mutterschutzlohn BAG 8.9.1978 – 3 AZR 418/77, AP § 11 MuschG 1968 Nr. 8 m. Anm. Herschel; 28.11.1984 – 5 AZR 243/83, AP § 11 MuSchG 1968 Nr. 10 m. Anm. Clemens. 88 So nun – unter ausdrücklicher Abkehr von vorgenannter Rspr. – BAG 14.12.2011 – 5 AZR 439/10, AP § 11 MuSchG 1968 Nr. 25 (Rn 21) für den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. 89 So zutr. (für den Mutterschutzlohn) MünchArbR/Krause Bd. I § 65 Rn 38; vgl. auch BAG 16.10.1959 – 1 AZR 496/ 57, AP § 611 BGB Urlaubsrecht Nr. 48 (m. Anm. Dersch): keine Minderung des Urlaubsentgelts durch Provisionsansprüche, die erst während des Urlaubs fällig werden. 90 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 660/94, AP § 196 BGB Nr. 16. 91 BAG 30.4.1971 – 3 AZR 198/70, AP § 9 ArbGG 1953 Nr. 15 m. Anm. Grunsky. 92 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 660/94, AP § 196 BGB Nr. 16. 93 BAG 23.3.1982 – 3 AZR 637/79, AP § 87c HGB Nr. 18. 94 BAG 27.11.1984 – 3 AZR 596/82, AP § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 89 (unter II 3 b) m.w.N.; zu einer kraft Bezugnahme geltenden Ausschlussfrist BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, AP § 307 BGB Nr. 44 (Rn 16 ff). 95 BAG 6.5.2009 – 10 AZR 390/08, AP § 307 BGB Nr. 44 (Rn 16 ff). 96 LAG Thüringen 18.11.2015 – 6 Sa 311/14, BeckRS 2015, 116243; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 17. 97 Ausf. Heinze NZA 1986, 1; Löwisch ZHR 139 (1975), 362; Moritz AuR 1983, 97. Weber/Gräf
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die Änderung der Provisionsbedingungen, soweit nicht die Vergütungshöhe unmittelbar betroffen ist. Mitbestimmungspflichtig sind daher die Festlegung der Provisionsarten, die Staffelung der Provisionssätze oder das Verhältnis von Provisionen und Festgehältern bzw. der einzelnen Provisionen zueinander. Die Veränderung des Warensortiments oder Verkaufsgebietes ist nicht mitbestimmungspflichtig.98 Die Provision ist hingegen kein leistungsbezogenes Entgelt i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG, 43 sodass auch kein Mitbestimmungsrecht bei der Festsetzung der Provisionssätze besteht.99
98 Ausf. mit Nachw. GK-BetrVG/Gutzeit12 § 87 Rn 959 ff. 99 BAG 13.3.1984 – 1 ABR 57/82, AP § 87 BetrVG 1972 Provision Nr. 4 m. Anm. P. Hanau = EzA § 87 BetrVG 1972 Leistungslohn Nr. 10 m. Anm. Otto = SAE 1985, 120 m. Anm. Meisel; GK/Etzel HGB8 Rn 27. 819
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§§ 66 bis 72 (aufgehoben) Die §§ 66–72 enthielten Vorschriften über die Kündigung des Handlungsgehilfen. Sie wurden durch das Erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.8.19691 aufgehobenen. Seitdem gelten auch für Handlungsgehilfen die §§ 620 ff BGB, ergänzt durch das Kündigungsschutzgesetz vom 25.8.1969.2 Vgl. zur Rechtsentwicklung bereits Vor § 59 Rn 3 ff.
§ 73 (aufgehoben) 1 Bei der Beendigung des Dienstverhältnisses kann der Handlungsgehilfe ein schriftliches Zeugnis über die Art und Dauer der Beschäftigung fordern. 2Das Zeugnis ist auf Verlangen des Handlungsgehilfen auch auf die Führung und die Leistungen auszudehnen.
§ 73 wurde durch das Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung vom 24.8.2002 aufgehoben.1 Das Zeugnisrecht ist seither für alle Arbeitnehmer in § 109 GewO geregelt. Vgl. zur Rechtsentwicklung bereits Vor § 59 Rn 4 f.
Vorbemerkungen vor § 74 Schrifttum Achterberg Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in verfassungsrechtlicher Sicht, JZ 1975, 713; Bauer Wettbewerbsverbote und Kündigung von Arbeitsverhältnissen, DB 1979, 500; ders. Aktuelle Probleme des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, NZA 1991 Beilage 3 S. 29; Bauer/Diller Indirekte Wettbewerbsverbote, DB 1995, 426; dies. Karenzentschädigung und bedingte Wettbewerbsverbote bei Organmitgliedern, BB 1995, 1134; dies. Zulässige und unzulässige Bedingungen in Wettbewerbsverboten, DB 1997, 94; dies. Wechselwirkungen zwischen Wettbewerbstätigkeit, Ruhestand und betrieblicher Altersversorgung, BB 1997, 990; dies. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 1999, 885; dies. Entschädigungslose Abwerbe- und Einstellungsverbote in Arbeitsverträgen – Ein Schnittpunkt zwischen Arbeits- und Wettbewerbsrecht, Festschrift für Horst Helm, 2002, S. 3; dies. Nachträgliche Wettbewerbsverbote: Änderungen durch die Schuldrechtsreform, NJW 2002, 1609; dies. Allgemeine Erledigungsklausel und nachvertragliches Wettbewerbsverbot – eine unendliche Geschichte? BB 2004, 1274; dies. Wettbewerbsverbote, 9. Aufl. 2022; Bauer/Hahn Anrechnung und Erstattung von Arbeitslosengeld bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, DB 1991, 2591; Bauer/v. Medem Rechtliche und taktische Hinweise zu Wettbewerbsverboten mit Vorständen und Geschäftsführern, GWR 2011, 435; Beer Die Grundlagen des vertragsbegleitenden Wettbewerbsverbots im deutschen Arbeitsrecht, 2016; Bengelsdorf Auskunft und Nachweis über anderweitige Einkommen bei Wettbewerbsverbot, BB 1979, 1150; ders. Karenzentschädigung und Studium, Ein Beitrag zur Auslegung der §§ 74 ff. HGB, BB 1983, 905; ders. Der Anspruch auf Karenzentschädigung, DB 1985, 1585; ders. Berücksichtigung von Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen und Verbesserungsvorschläge bei der Karenzentschädigung gemäß § 74 Abs. 2 HGB?, DB 1989, 1024; ders. Das örtlich zuständige Gericht bei Streitigkeiten aus einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, DB 1992, 1340; Bergwitz Befreiung der GmbH von der Karenzentschädigungspflicht beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot des abberufenen Geschäftsführers, GmbHR 2007, 523; Bettinghausen Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot unter Berücksichtigung der bisherigen BAG-Rechtsprechung, BB 2018, 1016; Bock Das Doppelarbeitsverhältnis, Diss. Heidelberg 1997; Bieder Kompensatorische Vertragsgestaltung im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 2015; Bossmann Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, Diss. Bielefeld 1993; Brechtel/Kehrel Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers bei Insolvenz und Unternehmensstilllegung, GmbHR 2021, 240; Brendel Nachvertragliche grenzüberschreitende Wettbewerbsverbote, Diss. Lüneburg 2009; Bohle Verträge mit juristischen Mitarbeitern – Mandantenschutzklauseln und Mandantenübernahmeklauseln, MDR 2003, 140; Brinckmann Die Verfallklausel des § 75 Abs. 3 HGB in Wettbewerbsabreden mit Handlungsgehilfen, RdA 1970, 39; Brinker/Diller/Spoerr Wettbewerbsverbote zwischen Ärzten, NJW 1997, 3056; Brors „Neue“ Probleme bei arbeitsvertraglichen
1 BGBl. I 1969, S. 1106. 2 BGBl. I 1969, S. 1317. 1 BGBl. I 2002, S. 3412. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-056
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Vertragsstrafenklauseln?, DB 2004, 1778; Bröckner Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, 2012; Bruckner Nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen Rechtsanwälten, 1987; Brune Bedingte Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 1989; Buchner Das Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ARBlattei SD 1830.3, 2007; ders. Verbindlichkeit eines nachvertraglichen, auf arbeitnehmerseitig ausgelöster Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkten Wettbewerbsverbots – Erfassung der Ansprüche aus Wettbewerbsverboten durch Ausgleichsklauseln in Aufhebungsverträgen, SAE 2007, 1; Büsken Mandantenschutzklauseln und Mandantenübernahmeklauseln, MDR 1985, 898; Buß Wettbewerbsverbote und konkurrierende Erwerbstätigkeit des Ehegatten, 1997; Butters Modifizierte Teilnichtigkeit sittenwidriger nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, JuS 2001, 324; Campos Nave Karenzentschädigungspflicht bei Verwendung von Kundenschutzklauseln, NJW 2003, 3322; Diller Nachvertragliche Wettbewerbsverbote und AGB-Recht, NZA 2005, 250; ders. Formmängel und Unmöglichkeit der Zuwiderhandlung beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, RdA 2006; ders. Konkurrenztätigkeit des GmbH-Geschäftsführers während des Kündigungsprozesses, ZIP 2007, 201; ders. Anrechnung von Arbeitslosengeld auf Karenzentschädigung: Brutto oder Netto?, BB 2008, 1680; ders. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Entschädigungsanspruch ohne Entschädigungszusage?, NZA 2014, 1184; ders. „Cooling-off“-Klauseln als nachvertragliches Wettbewerbsverbot?, NZA 2018, 692; Diller/ Dannecker Erstattungspflicht für Arbeitslosengeld bei Wettbewerbsverboten verfassungswidrig – Rückzahlungsanspruch auch in Altfällen?, NJW 1999, 897; Diller/Wilske Grenzüberschreitende Durchsetzung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote, DB 2007, 1866; Dombrowski/Zettelmeyer Die Wertermittlung der Nutzungsvorteile von Firmenwagen im Rahmen der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB, NZA 1995, 155; Driver-Polke/Melot de Beauregard Rechtswahl bei Aktienoptionsplänen und damit in Zusammenhang stehenden nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, BB 2004, 2350; Durchlaub Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht des früheren Arbeitnehmers bei Karenzentschädigung, BB 1976, 232; Düwell Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot in der Gewerbeordnung, DB 2002, 2270; Eckert/Köpple Schicksal nachvertraglicher Wettbewerbsverbote von GmbH-Geschäftsführern nach Abberufung, NZA 2020, 1453; Edenfeld Nachvertragliche Wettbewerbsverbote im europäischen Vergleich, ZfA 2004, 463; Fach Die Zulässigkeit von Bindungsklauseln im Rahmen von Aktienoptionsprogrammen, 2006; Fischer Wettbewerbsverbot im internationalen Konzern bei Ausübung von Aktienoptionen durch Arbeitnehmer, DB 1999, 1702; Flatten Nachvertragliche Wettbewerbsverbote aus Unternehmersicht, ZIP 1999, 1701; Franke Arbeits- und sozialrechtliche Fragen von Zweitarbeitsverhältnissen, Diss. Freiburg 2003; Freckmann/Schmoll Geheimnisschutzrichtlinie: Neuer Standard für Vertraulichkeitsvereinbarungen, BB 2017 1780; Gallini/Gleich Anderweitige Möglichkeiten zur Arbeitnehmerbindung, BB 2019 1652; Gamerschlag Nochmals: Nachvertragliches Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung, NJW 1989, 2870; Gamillscheg Gedanken zur Neuregelung der Wettbewerbsvereinbarungen, RdA 1975, 13; B. Gaul Neues zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, DB 1995, 874; B. Gaul/Khanian Zulässigkeit und Grenzen arbeitsrechtlicher Regelungen zu Wettbewerbsverboten, MDR 2006, 181; B. Gaul/Ludwig Betriebsübergang: Auswirkungen auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote, NZA 2013, 489; D. Gaul Die Kennzeichnung des unlauteren Wettbewerbs bei arbeitsrechtlichen Wettbewerbsbeschränkungen, BB 1984, 346; ders. Die Abgrenzung nachvertraglicher Geheimhaltungspflichten gegenüber vertraglichen Wettbewerbsbeschränkungen, ZIP 1988, 689; ders. Auswirkungen des rechtsgeschäftlich begründeten Betriebsübergangs auf nachwirkende Wettbewerbsvereinbarungen und Geheimhaltungspflichten, NZA 1989, 697; ders. Die Wettbewerbsbeschränkungen des Geschäftsführers der GmbH innerhalb und im Anschluss an den stillschweigend verlängerten Vertrag, GmbHR 1991, 144; Gehle Nachvertragliches Wettbewerbsverbot: Geltungserhaltende Reduktion kraft vertraglicher Vereinbarung?, DB 2010, 1981; Gravenhorst Die Zusage der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB, NJW 2006, 3609; Gößlinghoff Einbeziehung nahestehender Dritter in Wettbewerbsverbote, Diss. Bielefeld 2000; Gravenhorst Rechtliche Grenzen für die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern, 1999; ders. Die Zusage der Karenzentschädigung nach § 74 II HGB, NJW 2006, 3609; Gresband Wettbewerbsverbote für den Gesellschafter-Geschäftsführer beim GmbH-Unternehmenserwerb, GmbHR 2013, 119; Grimm/ Brock/Windeln Mandantenübernahmeklauseln – Grenzen zulässiger Vertragsgestaltung, ArbRB 2005, 92; Growe Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen von Arbeitnehmern in multinationalen Konzernen – Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts, Diss. Düsseldorf 2010; Grüll/Janert Die Konkurrenzklausel, 5. Aufl 1993; Grunsky Das bedingte Wettbewerbsverbot, Festschrift 25 Jahre BAG, 1979, S. 153; ders. Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 2. Aufl. 1987; ders. Voraussetzungen einer Entschädigungszusage nach § 74 Abs. 2 HGB, NZA 1988, 713; ders. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot (§§ 74 ff. HGB) als gegenseitiger Vertrag, Festschrift Söllner, 1990, S. 41; Heidenhain Nachvertragliches Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers, NZG 2002, 605; Heilmann/Koch Karenzentschädigung im Rahmen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nach § 74 HGB bei Altersteilzeitverträgen, NZA 2018, 339; Heller Nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Geschäftsführern, GmbHR 2000, 371; Heukamp Vertraglicher Konkurrenzschutz zwischen Rechtsanwälten, 2011; Hoffmann-Becking Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer, Festschrift Quack, 1991, S. 274; Hohn Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern und Handelsvertretern, DB 1971, 94; Holthausen Die arbeitsrechtliche Verschwiegenheit – Vertragsgestaltung nach Inkrafttreten des GeschGehG, NZA 2019, 1377; Hörl Geheimhaltung, Kundenschutz und Wettbewerbsverbot beim
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1. Buch. Handelsstand
Einsatz freier Mitarbeiter, ITRB 2003, 182; Hoß Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot während des Kündigungsschutzprozesses und im Aufhebungsvertrag, DB 1997, 1818; Hunold Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, NZA-RR 2007, 617; Kallenbach Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot von Arbeitnehmern bei Betriebsübergang, Diss. Marburg 1997; Kamanabrou Teilverbindlichkeit überschießender nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer, ZGR 2002, 898; dies. AGB-Kontrolle und gesetzlich angeordnete geltungserhaltende Reduktion, ZfA 2018, 92; Kielkowski Zur Problematik von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten für Geschäftsführer, NZG 2015, 900; Koch Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im einseitig vorformulierten Arbeitsvertrag, RdA 2006, 28; Kittner Der „volatile“ Arbeitnehmer – Wettbewerb im und außerhalb des Arbeitsverhältnisses, BB 2011, 1013; König Die Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen in Deutschland, England und Frankreich, 2010; Koenig/Steiner Die Vereinbarkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit des EG-Vertrages, NJW 2002, 3583; Kopp Fehler in nachvertraglichen Wettbewerbsverboten mit Arbeitnehmern, BB 1977, 1406; Krahforst Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer – Beurteilungsgrundlagen und Zulässigkeitsmaßstäbe, 2012; Kühn Zur Methode der Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 615 Satz 2 BGB – Gesamtberechnung oder pro rata temporis?, 2008; Kukat Vorsicht ist besser als Nachsicht – Praktische Hinweise zur Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Geschäftsführer und zur Anrechnung anderweitigen Erwerbs, BB 2001, 951; Küstner/v. Manteuffel Wettbewerbsverbote ohne Entschädigungspflicht des Unternehmers, BB 1987, 413; Kunz Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und Wettbewerbsverbot während der Dauer und nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses, DB 1993, 2482; Laber/ Legerlotz Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb während der Dauer und nach Beendigung des Dienstverhältnisses, DStZ 2000, 1605; Lahusen Aktuelle Rechtsprechung zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, NZA 1985, 802; Lembke Nachvertragliches Wettbewerbsverbot von Organmitgliedern auf dem Prüfstand, NZA-RR 2019, 65; ders. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote in der Praxis, BB 2020, 52; Lingemann/Chakrabarti Kundenschutzklauseln und Abwerbeverbote bei Arbeitnehmern, NJW 2020, 2316; Löwe Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, 1988; Lumper Kontrollmaßstäbe für nachvertragliche Wettbewerbsverbote und ihre Anwendung im Kollisionsfall, 2013; Lüstner/v. Manteuffel Wettbewerbsverbote ohne Entschädigungspflicht des Unternehmers?, BB 1987, 413; Manger Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot des GmbH-Geschäftsführers, GmbHR 2001, 89; Meier Das Ende der Mandantenübernahmeklausel, NZA 2013, 253; Meier-Rudolph Nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit GmbH-Geschäftsführern, sj 2006, 41; Menke Gestaltung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote mit GmbH-Geschäftsführern – Verzicht statt Karenzentschädigung, NJW 2009, 636; Michalski/Römermann Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Rechtsanwälten, ZIP 1994, 433; Mölling Geheimnisschutzklausel und nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 1992; Müller Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot von GmbH-Geschäftsführern, GmbHR 2014, 964; Naber Nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung – nicht mehr zu retten?, NZA 2017, 1170; Naber/Peukert/Seeger Arbeitsrechtliche Aspekte des Geschäftsgeheimnisgesetzes, NZA 2019, 583; Naber/Seeger Auswirkungen von Virtual-Stock-Programmen auf die Bemessung einer Karenzentschädigung, GWR 2016, 117; Nave Karenzentschädigungspflicht bei Verwendung von Kundenschutzklauseln, NJW 2003, 3322; Niehaus Der Ausgleich der Parteiinteressen bei Konkurrenzklauseln nach deutschem und englischem Recht, 2014; Oberthür Die Entschädigungsregelung im internationalen Spielertransfer, NZA 2003, 462; Parafianowicz Die Zulässigkeit von Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch Wettbewerbsverbote und Verschwiegenheitspflichten, 2016; Plätt/Welling Wirksamkeitsvoraussetzungen des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, DB 1986, 2282; Preis/Seiwerth Geheimnisschutz nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz, RdA 2019, 351; Reinfeld Verschwiegenheitspflicht und Geheimnisschutz im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1989; ders. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1993; ders. Das nachvertragliche Konkurrenzverbot, AuA 1993, 142; Reufels Grenzüberschreitende nachvertragliche Wettbewerbsverbote – Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit?, ArbRB 2003, 313; Röhsler/Borrmann Wettbewerbsbeschränkungen für Arbeitnehmer und Handelsvertreter, 1981; Sahavi Die Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsbeschränkungen im englischen und deutschen Recht, Diss. Bonn 2005; Salger/Breitfeld Regelung zum Schutz von betrieblichem Know-how – die Abwerbung von Mitarbeitern, BB 2004, 2574; Schloßer Effektiver Schutz der Belegschaft durch vertragliche Abwerbeverbote?, BB 2003, 1382; K. Schmidt Handlungsgehilfenrecht und Handelsgesetzbuch, Festschrift Söllner, 2000, S. 1047; Schnelle Wettbewerbsverbot für Gesellschafter-Geschäftsführer bei Unternehmensverkauf, GmbHR 2000, 599; Schwabe Verfassungswidrigkeit von Wettbewerbsverboten?, JZ 1976, 439; Schwedes Vertragliche Wettbewerbsbeschränkungen für die Zeit nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, 1990; Sina Zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot für Vorstandsmitglieder und GmbH-Geschäftsführer, DB 1985, 902; Stefan Bedingte Wettbewerbsbeschränkungen und Karenzzahlungsansprüche von Ruheständlern, BB 1980, 685; Steindorff Die Anwaltssozietät, Festschrift für Robert Fischer, 1979 S. 747; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag, 6. Aufl. 2020, II W 10 Rn 27 ff; Storf Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei den freien Berufen, 2007; Straube AGB-Kontrolle von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten, BB 2013, 117; Thomas/Weidmann Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in Fällen mit Auslandsbezug, DB 2004, 2694; Thüsing Nachorganschaftliche Wettbewerbsverbote bei Vorständen und Geschäftsführern – Ein Rundgang durch die neuere Rechtsprechung und Literatur, NZG 2004, 9; Thüsing/Leder Neues zur Inhaltskontrolle von Formular-
Weber/Gräf
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Vor § 74
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
arbeitsverträgen, BB 2004, 42; Velten/Diegel Die Wirksamkeit von Kundenschutzklauseln beim Recruiting von Freiberuflern, FA 2016, 296; Vesper Indirekte nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen, 2015; Voigt/Herrmann/Grabenschröer Das neue Geschäftsgeheimnisgesetz, BB 2019, 142; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Handlungsgehilfen, 1993; Weisemann/Schrader Wettbewerbsverbote während der Dauer und nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, DB 1980, Beilage 4; Wertheimer Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei nicht kündigungsbedingter Beendigung des Arbeitsverhältnisses, NZA 1997, 522; ders. Abhängigkeit der Karenzentschädigungspflicht vom Abschlusszeitpunkt des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, BB 1996, 1714; ders. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Arbeitsverhältnissen, Diss. Freiburg 1998; ders. Bezahlte Karenz oder entschädigungslose Wettbewerbsenthaltung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers?, BB 1999, 1600; Winterstein Nachvertragliches Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung, NJW 1989, 1463.
Übersicht 1
A.
Grundlagen
I.
Rechtsentwicklung
II. 1. 2.
Grundgedanken der gesetzlichen Rege5 lung 6 Vereinbarungserfordernis 10 Interessenausgleich
III. 1. 2. 3.
Verfassungs- und unionsrechtliche Bezüge 12 Nationale Grundrechte Richtlinienrecht und Unionsgrundrechte 16 Arbeitnehmerfreizügigkeit
B.
Überblick über die gesetzlichen Regelun17 gen
I.
Formelle und inhaltliche Anforderungen bei der Entstehung eines Wettbewerbsverbots 19 Formelle Anforderungen Nichtige und unverbindliche Wettbewerbsabre20 den
1. 2.
25
III.
Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) 44 und Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB)
D.
Anwendungsbereich der §§ 74 ff
I. 1.
Persönlicher Anwendungsbereich Handlungsgehilfen und andere Arbeitneh47 mer Auszubildende, Praktikanten und Volon50 täre 51 Arbeitnehmerähnliche Personen 52 Organmitglieder
15
2. 3. 4.
III.
Beendigung der Bindung aus einem Wettbe26 werbsverbot
IV.
Vertragsstrafe
V.
Sperrabrede unter Arbeitgebern
C.
Verhältnis zur AGB-Kontrolle (§§ 305 ff 31 BGB)
46
5.
58 Sachlicher Anwendungsbereich 59 Allgemeines 61 Bagatellbeschränkungen 63 Indirekte Wettbewerbsverbote 64 a) Prüfungsmaßstab b) Erscheinungsformen indirekter Wettbe68 werbsverbote 74 Mandantenschutzklauseln a) Beschränkte Mandantenschutzklau75 seln b) Allgemeine Mandantenschutzklau76 seln 77 c) Mandantenübernahmeklauseln 80 Geheimhaltungsklauseln
III.
Zeitpunkt der Vereinbarung
IV.
Internationales Privatrecht
II. 1. 2. 3.
4.
Karenzentschädigung
823
Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 41 BGB
2
II.
I.
II.
29 30
84 87
Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 32 BGB
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Vor § 74
1. Buch. Handelsstand
A. Grundlagen 1 Die §§ 74 bis 75f betreffen das einem Arbeitnehmer vertraglich für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auferlegte Wettbewerbsverbot. Es wird deshalb häufig als „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ bezeichnet; früher war der Begriff „Konkurrenzklausel“ gebräuchlich (vgl. zur Terminologie bereits § 60 Rn 3). Es ist vom kraft Gesetzes geltenden Wettbewerbsverbot nach § 60 zu unterscheiden, das nur für die Zeit während des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses gilt (§ 60 Rn 25 ff). In dogmatischer Hinsicht handelt es sich um privatautonome Regelungen über nachvertragliche Schutz- bzw. Loyalitätspflichten,1 die man früher unter den Begriff der „Treuepflicht“ gefasst hat (vgl. zur dogmatischen Einordnung bereits § 60 Rn 2; zu nachvertraglichen Schutzpflichten ohne ausdrückliche Vereinbarung Rn 7). Die §§ 74 ff regeln insoweit eine Begrenzung der Vertragsfreiheit der Parteien (Rn 10).
I. Rechtsentwicklung 2 Das ADHGB enthielt noch keine Vorschriften zu Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote (zur Genese der §§ 59 ff vgl. Vor § 59 Rn 2 ff).2 Erste, zurückhaltende Regelungen wurden mit dem Handelsgesetzbuch von 1898 eingeführt (§§ 74 f a.F.). § 74 a.F. beschränkte sich auf eine dreijährige Höchstdauer des Wettbewerbsverbots, ein allgemeines Verbot unbilliger Beschränkung des Handlungsgehilfen und ein generelles Verbot von Wettbewerbsverboten zulasten Minderjähriger. § 75 a.F. enthielt Regelungen, die den heutigen § 75 Abs. 1 und 2, § 75c Abs. 2 und § 75d entsprechen.3 Die §§ 74 ff in ihrem jetzigen Zuschnitt beruhen im Wesentlichen auf der Gesetzesnovelle vom 10.6.1914.4 Durch diese wurde der Schutz des Handlungsgehilfen in Bezug auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote erheblich erweitert.5 Insbesondere wurde die obligatorische Karenzentschädigung in § 74 Abs. 2 (n.F.) eingeführt und die zulässige Höchstdauer auf zwei Jahre reduziert (§ 74a Abs. 1 Satz 3 n.F.). 3 Die mit der Novelle von 1914 ebenfalls geschaffenen Regelungen in § 74a Abs. 2 Satz 1 a.F. und § 75b a.F. wurden mit Wirkung vom 1.1.2002 aufgehoben.6 Zuvor hatte das BAG § 75b a.F., wo Ausnahmen vom Erfordernis einer Karenzentschädigung für außerhalb Europas tätige Handlungsgehilfen (Satz 1) und für Handlungsgehilfen mit besonders hohen Einkommen (Satz 2) geregelt waren, bereits im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG für verfassungswidrig erklärt und nicht mehr angewendet (§ 75b Rn 1); für § 74a Abs. 2 Satz 1 a.F. – danach waren Wettbewerbsverbote bei Unterschreiten einer bestimmten Jahresverdienstgrenze generell nichtig – hatte man entsprechend argumentiert (§ 74a Rn 34). Nicht formell aufgehoben ist § 75 Abs. 3; die Vorschrift wurde aber vom BAG als vorkonstitutionelles Recht für verfassungswidrig und nichtig erklärt (§ 75 Rn 18 ff; zur zwischenzeitlichen Nichtanwendungserklärung für die neuen Bundesländer im Einigungsvertrag Vor § 59 Rn 6). 4 Immer wieder gab es Bestrebungen, eine einheitliche gesetzliche Regelung des Rechts der Wettbewerbsverbote für alle Arbeitnehmer zu schaffen. Eine solche war 1969 in einem
1 Vgl. demgegenüber MünchKommBGB/Bachmann8 § 241 Rn 111, der offenbar von leistungssichernden Nebenpflichten ausgeht; diff. nach dem konkreten Schutzzweck der Pflichten Staudinger/Olzen (2019) § 241 BGB Rn 295, 518. 2 Ausf. zum histor. Hintergrund und zur Genese der §§ 74 ff Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1 ff; Lumper S. 21 ff; Niehaus S. 37 ff. 3 Vgl. auch Heymann/Henssler/Michel HGB Vor §§ 74–75f Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 3. 4 RGBl. 299. 5 Vgl. auch den Überblick bei MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 11–75f Rn 2. 6 Vgl. Art. 24 des 4. EuroEG 2000 v. 21.12.2000, BGBl. I 2002, S. 1983. Weber/Gräf
824
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 74
Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums7 und in dem 1977 von der Arbeitsgesetzkommission vorgelegten Entwurf eines Arbeitsgesetzbuches (§§ 80c bis 80e)8 vorgesehen. Im Jahr 1992 hat der Arbeitskreis Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht in den §§ 92 bis 98 seines Diskussionsentwurfs für ein Arbeitsvertragsgesetz einen Regelungsvorschlag gemacht.9 Im Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (ArbVG) von 2006/2007 sind die entsprechenden Regelungen in §§ 81 bis 87 enthalten10 (vgl. bereits § 59 Rn 4). Zwar wurden diese Vorschläge nicht verwirklicht. Seit der Gewerbeordnungsnovelle aus dem Jahr 200311 ist aber durch § 110 Satz 2, § 6 Abs. 2 GewO immerhin klargestellt, dass die §§ 74 ff auch für nicht-kaufmännische Arbeitnehmer Anwendung finden. Zuvor hatte das BAG bereits eine analoge Anwendung bejaht (Rn 47).
II. Grundgedanken der gesetzlichen Regelung Den §§ 74 bis 75f liegen im Kern zwei Leitgedanken zugrunde12: Zum einen bedarf es für eine 5 Beschränkung der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers nach Ende des Arbeitsverhältnisses – anders als während seines rechtlichen Bestands (§ 60) – einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung (Rn 6 ff). Zum anderen muss bei Vorliegen einer solchen Abrede ein angemessener Interessenausgleich gewährleistet sein, der insbesondere eine Kompensation durch eine Karenzentschädigung („Grundsatz der bezahlten Karenz“13) erfordert (Rn 10).
1. Vereinbarungserfordernis Der gesetzlichen Regelung liegt die Vorstellung zugrunde, dass zwar während eines Arbeitsverhält- 6 nisses der Arbeitnehmer infolge seiner Schutzpflichten (früher: Treuepflicht) jegliche Konkurrenztätigkeit im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber unterlassen muss (§ 60), ein solcher Wettbewerb nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses jedoch grundsätzlich nicht zu missbilligen ist. Der Arbeitnehmer kann dann seine im Laufe der Arbeitszeit erworbenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Kontakte in Ausübung seiner Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (Rn 13) zu seinem Vorteil nutzen.14 Ohne gesonderte Abrede unterliegt die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers nach Ver- 7 tragsende nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen einer Pflichtenbindung. Diskutiert wird dies unter dem – heute abzulehnenden – Begriff der „nachvertraglichen Treuepflicht“,15 der dogmatisch oft unter § 242 BGB gefasst wird.16 Richtigerweise geht es um Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB17 (vgl. § 60 Rn 2), die grundsätzlich auch den nachvertraglichen Zeitraum betreffen können (vgl. § 62 Rn 4). Ein generelles – zumal entschädigungsloses – nachvertragliches
7 RdA 1971, 356. 8 Entwurf eines Arbeitsgesetzbuchs – Allgemeines Vertragsrecht – hrsg. vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (1977) S. 96 ff.
9 Gutachten D für den 59. DJT (1992). 10 NZA Beilage zu Heft 23/2006; überarbeitete Fassung: NZA Beilage zu Heft 21/2007. 11 Drittes Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24.8.2002 (BGBl. I S. 3412). 12 Vgl. Bieder S. 230 f. 13 BGH 27.9.1983 – VI ZR 294/81, AP § 75f HGB Nr. 2 (unter II 3 b aa). 14 Vgl. BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 19) m.w.N. 15 Vgl. etwa BAG 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, § 611 BGB Nachvertragliche Treuepflicht Nr. 11 (unter C I) m. Anm. Diller; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 6. 16 S. etwa Vesper S. 56 f. 17 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 38. 825
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Vor § 74
1. Buch. Handelsstand
Wettbewerbsverbot lässt sich daraus aber nicht ableiten.18 Konkrete Unterlassungspflichten sind nur in besonders drastischen Ausnahmefällen denkbar.19 Dies folgt nicht nur aus den allgemeinen Grenzen nachvertraglicher Schutzpflichten vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Rn 13), sondern auch aus den Wertungen der §§ 74 ff.20 Es findet sich nur eine einzige Entscheidung des BAG, in der eine solche Pflichtverletzung bejaht wurde. Im betroffenen Fall hatte der Arbeitnehmer einen Kundenauftrag bei seinem alten Arbeitgeber so weit vorbereitet, dass der Geschäftsabschluss nur noch Formsache war; er vereitelte diesen dann nach seinem Ausscheiden, indem er dem Konkurrenzunternehmen, für das er nunmehr tätig war, unter Ausnutzung der Kenntnis der Rabattsätze des ursprünglichen Arbeitgebers den Geschäftsabschluss verschaffte.21 Speziell zu der aus § 241 Abs. 2 BGB (i.V.m. dem GeschGehG) folgenden Pflicht, Geschäftsgeheimnisse nicht an Dritte weiterzugehen, noch Rn 81. 8 Auch aus (spezial-)gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich eine Beschränkung der Konkurrenztätigkeit nur in Ausnahmefällen, nämlich erst dann, wenn sie den Normbereich der §§ 1, 3, 9 UWG oder der §§ 823, 826 BGB erreicht, wenn also außergewöhnliche Umstände den Wettbewerb ausnahmsweise unlauter, sittenwidrig oder sonst deliktsrechtlich relevant machen.22 Von der Rechtsprechung sind unter diesem Gesichtspunkt z.B. Fälle sanktioniert worden, in denen der Arbeitnehmer unmittelbar nach seinem Ausscheiden schlagartig den gesamten Kundenkreis seines bisherigen Arbeitgebers an sich zog und damit dessen wirtschaftliche Existenz zielgerichtet bedrohte.23 Will der Arbeitgeber über diese krassen Ausnahmefälle hinaus die nachvertragliche Kon9 kurrenztätigkeit ausscheidender Arbeitnehmer unterbinden, muss er hierfür eine ausdrückliche vertragliche Grundlage schaffen.24 Deswegen werden Wettbewerbsverbote i.S.d. §§ 74 ff teilweise auch als „vertragliche Wettbewerbsverbote“ bezeichnet, um sie vom kraft Gesetzes geltenden Wettbewerbsverbot des § 60 abzugrenzen (vgl. zur Terminologie bereits Rn 1 und § 60 Rn 3).
18 BAG 7.9.2004 – 9 AZR 545/03, NZA 2005, 105 (106): Mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses ende auch die Pflicht zur Wettbewerbsenthaltung, wenn keine Vereinbarung nach §§ 74 ff getroffen worden ist; s. auch BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5; LAG Rheinland-Pfalz 24.5.2018 – 5 Sa 267/17, BeckRS 17962 (Rn 29). 19 Vesper S. 57. Vgl. auch die BAG-Rspr. zum Widerruf von Ruhegeldleistungen: Ein solcher sei unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der „nachvertraglichen Treuepflicht“ nur bei Verstößen denkbar, die so schwer wiegen, dass die Berufung auf die Versorgungszusage rechtsmissbräuchlich wäre; das soll nur bei einer Konkurrenztätigkeit der Fall sein, die sich besonders schwerwiegend auf das Unternehmen des Arbeitgebers ausgewirkt hat, vgl. BAG 3.4.1990 – 3 AZR 211/89, AP § 1 BetrAVG Treuebruch Nr. 9; 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; aA Weisemann/Schrader DB 1980 Beilage 4 S. 14; vgl. dazu Blomeyer ZIP 1991, 1113; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 484 ff; Gaul BB 1984, 346, 347; Hohn DB 1971, 94 (96); U. E. Wiese Das Ruhestandsverhältnis, 1990 S. 160 ff. 20 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 96. 21 BAG 11.12.1967 – 3 AZR 22/67, AP § 242 BGB Nachvertragliche Treuepflicht Nr. 4 m. Anm. Hefermehl = SAE 1968, 198 m. Anm. Löwisch. 22 MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 5; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 1; vgl. auch BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 (unter I 2 b aa und hh) m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner. 23 BGH 6.11.1963 – Ib ZR 41/62 u.a., GRUR 1964, 215 (216) m. Anm. Bussmann; weitere Bsp. bei Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 34 ff. 24 BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 50; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 1 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 1. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 74
2. Interessenausgleich Der Gesetzgeber billigt aber nicht nur grundsätzlich den nachvertraglichen Wettbewerb zwischen 10 dem ehemaligen Arbeitnehmer und seinem früheren Arbeitgeber, sondern schränkt in den §§ 74 ff darüber hinaus die Vertragsfreiheit in der Ausprägung der Inhaltsfreiheit (Gestaltungsfreiheit) hinsichtlich möglicher Wettbewerbsvereinbarungen massiv ein. Die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers und das Interesse des Arbeitnehmers an einem ungehinderten beruflichen Fortkommen sollen zum Ausgleich gebracht werden25 (zur grundrechtlichen Dimension Rn 12 ff). Der Leitgedanke ist dabei, dass der Arbeitgeber sich zwar – in gewissen Grenzen – schützen darf, dass er aber die Behinderung, die dem Arbeitnehmer dadurch auferlegt wird, durch die Zahlung einer Karenzentschädigung ausgleichen muss.26 Formale und inhaltliche Auflagen sollen den Arbeitnehmer als den typischerweise schwächeren Vertragspartner zusätzlich schützen. Insofern regeln die §§ 74 ff eine bereichsspezifische Vertrags(inhalts)kontrolle27 (zum Verhältnis des §§ 74 ff zur AGB-Kontrolle Rn 31 ff). Noch einen Schritt weiter ist der Gesetzgeber in § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG gegangen. Dort wer- 11 den Vereinbarungen ausnahmslos für unwirksam erklärt, die dem Leiharbeitnehmer untersagen, nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem gewerblichen Leiharbeitsunternehmen einen Arbeitsvertrag mit dem Beschäftigungsunternehmen zu schließen (dazu § 74a Rn 47).
III. Verfassungs- und unionsrechtliche Bezüge 1. Nationale Grundrechte Die §§ 74 ff sind heute auch vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts zu beurteilen. Auszuge- 12 hen ist vom Grundsatz der Privatautonomie (Rn 10), der im Bereich des Arbeitsrechts speziell durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist28 und im hiesigen Kontext zugunsten des Arbeitgebers für die Zulässigkeit von Wettbewerbsabreden streitet.29 Einen spezifischen Schutz vor Konkurrenz entfalten die Grundrechte hingegen grundsätzlich nicht; einen solchen gewährleisten weder die aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Unternehmerfreiheit30 noch das aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.31 Gleiches gilt für den eigentlichen Eigentumsschutz nach Art. 14 GG: Nach der Rechtsprechung des BVerfG werden die erreichte Marktstellung und der Erhalt des Kundenstamms als solche durch Art. 14 GG nicht geschützt.32 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Wettbewerbsverbote einen Beitrag zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen leisten können (vgl. § 2 Nr. 1 lit. b GeschGehG);33 letzteren fasst die hM 25 26 27 28
Vgl. zur Interessenabwägung u.a. Bengelsdorf DB 1985, 1585; Hohn DB 1971, 94 (98). Zu diesem Kompensationsgedanken ausf. Bieder S. 230 f. Vgl. König S. 89: §§ 74 ff als „Instrument der Inhaltskontrolle von Arbeitsverträgen“. BVerfG 6.7.2010 − 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 (Rn. 50) m.w.N.; BAG 6.4.2011 − 7 AZR 716/09, AP § 14 TzBfG Nr. 82 (Rn 30) m. Anm. Wiedemann; Papier RdA 1989, 137 (138). 29 Vgl. BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, 242. 30 BVerfG 1.2.1973 – 1 BvR 426/72 u.a., BVerfGE 34, 252 (256); 3.12.1980 – 1 BvR 409/80, BVerfGE 55, 261 (269); s. auch aus der Lit. v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen GG7 Art. 12 Rn 70; vgl. speziell in Bezug auf Wettbewerbsverbote Beer S. 334 f; vgl. allerdings Wank Anm. zu BG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter III 1). 31 BVerfG 1.2.1973 – 1 BvR 426/72 u.a., BVerfGE 34, 252 (257); 3.12.1980 – 1 BvR 409/80, BVerfGE 55, 261 (273); vgl. auch BGH 23.10.1979 – VI ZR 230/77, NJW 1980, 881 (882); teilw. aA Beer S. 346: Schutz vor „Konkurrenz von innen heraus“ (z.B. bei nachträglicher Aufnahme eines konkurrierenden Gewerbebetriebs durch den Arbeitnehmer). 32 BVerfG 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82 u.a., BVerfGE 77, 84 (118); vgl. allerdings BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 (unter I 2 b aa): §§ 74 ff als (wenn auch unbedenkliche) Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). 33 Vgl. Dumont BB 2018, 2441 (2446); Naber/Peukert/Seeger NZA 2019, 583 (584 f). 827
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unter den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG.34 Zudem können bei sog. Tendenzunternehmen (vgl. § 118 Abs. 1 BetrVG) besondere Grundrechtsgewährleistungen greifen (z.B. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für Medienunternehmen, Art. 9 Abs. 3 GG für Koalitionen), die in Bezug auf „tendenznah“ tätige Arbeitnehmer in gewissem Umfang auch vor Konkurrenz im (publizistischen, koalitionspolitischen etc.) „Kampf der Ideen“ schützen35 (vgl. bereits § 60 Rn 7). 13 Auf Seiten des Arbeitnehmers ist die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG in der Ausprägung der Arbeitsplatzwahlfreiheit einschlägig.36 Art. 2 Abs. 1 GG wird von Art. 12 Abs. 1 GG verdrängt. Auf Art. 2 Abs. 1 GG ist allein im Fall von Nicht-EU-Ausländern zurückzugreifen.37 Ansonsten ist für Art. 2 Abs. 1 GG nur im Bereich nicht-gewerblicher (z.B. ehrenamtlicher) Nebentätigkeiten Raum;38 diese sind aber nicht Gegenstand der §§ 74 ff (vgl. § 74 Abs. 1). Durch die Gewährleistung der Vertragsinhaltskontrolle in den §§ 74 ff kommt der Gesetzgeber seiner aus Art. 12 Abs. 1 GG erwachsenden Schutzpflicht39 nach. Klar im Vordergrund steht dabei der Individualschutz. Indem die §§ 74 ff Arbeitnehmer vor übermäßigen Wettbewerbsbeschränkungen schützen, tragen die Vorschriften zwar auch dem Gemeinwohlinteresse an einem funktionierenden Wettbewerb Rechnung und bilden insofern einen Baustein für eine im Grundsatz marktorientierte Wirtschaftsordnung.40 Dem Schutz der Allgemeinheit kommt im Rahmen der Regelungszwecke der §§ 74 ff aber eine untergeordnete Bedeutung zu (vgl. in Bezug auf die Eingriffsnormenqualität Rn 90). 14 Die §§ 74 ff in ihrer heutigen Fassung beinhalten einen verfassungskonformen Ausgleich der gerade skizzierten kollidierenden Grundrechtspositionen. Der Grundrechtsschutz der Arbeitnehmer verlangt nicht etwa eine vollständige gesetzgeberische Untersagung von Wettbewerbsverboten. Dies hat das BAG mit der Feststellung zum Ausdruck gebracht, die Grundrechte stünden „der Gültigkeit eines frei vereinbarten Wettbewerbsverbots nicht ohne weiteres entgegen“.41 Auch in der Literatur besteht heute Einigkeit über die grundsätzliche Verfassungskonformität der §§ 74 ff.42 Jedoch muss vor dem Hintergrund des Untermaßverbots auch bei der Interpretation der §§ 74 ff – insbesondere im Rahmen des § 74a Abs. 1 oder bei der Zumutbarkeit eines anderweitigen Erwerbs i.R.d. § 74c (vgl. § 74c Rn 22) – ein gewisser Mindestschutz gewährleistet sein; insofern ist das Gebot der verfassungskonformen Auslegung zu beachten. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG darf zudem nicht ohne sachlichen Grund zwischen verschiedenen Arbeitnehmergruppen differenziert werden. In zwei Fällen bedurfte es – wie erwähnt (Rn 3) – insofern der Korrektur durch die Rechtsprechung, nämlich in Bezug auf den (inzwischen aufgehobenen) § 75b a.F. und in Bezug auf § 75 Abs. 3 (näher § 75 Rn 18, § 75b Rn 1).
34 S. nur BayVGH 26.7.2006 – 11-IVa/05, NVwZ 2007, 204 (207 f); Brammsen DÖV 2007, 10; aA Wolff NJW 1997, 98 s. zur Diskussion Klopfer/Greve NVwZ 2011, 577 (578 f).
35 Vgl. BAG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter I 1 b aa) m. Anm. Wank zur Nebentätigkeit eines Hörfunksprechers des NDR für die für den Privatsender „Vox“ produzierte Sendung „Spiegel TV“. Vgl. nur BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 19) m.w.N. Beer S. 347. Wank Anm. zu BG 24.6.1999 – 6 AZR 605/97, AP § 611 BGB Nebentätigkeit Nr. 5 (unter III 1). Allg. zur Schutzpflichtendimension der Grundrechte Dreier/Dreier GG3 Vorb vor Art. 1 Rn 101 ff m.w.N.; speziell zu Art. 12 GG Sachs/Mann GG9 Art. 12 Rn 21 f m.w.N. 40 Vgl. zum Verhältnis zwischen Berufsfreiheit und Wirtschaftsordnung v. Münch/Kunig/Kämmerer GG7 Art. 12 Rn 7 f; Sachs/Mann GG9 Art. 12 Rn 21 f m.w.N. 41 BAG 21.2.1957 – 2 AZR 301/56, AP § 133f GewO Nr. 3 (unter I. 5. a) m. Anm. Würdinger; s. auch BAG 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Art. 12 GG Nr. 7 (unter 1.) m. Anm. Schnorr = SAE 1959, 155 m. Anm. G. Hueck; weiterhin – im Hinblick auf den Grundrechtsschutz des Arbeitgebers – BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 (unter I 2 b aa): „unbedenkliche Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG“. 42 Lediglich Achterberg (JZ 1975, 713) ging von einer Verfassungswidrigkeit der §§ 74 ff wegen Verstoßes gegen die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers aus; dagegen zu Recht Schwabe JZ 1976, 439; s. aus neuerer Zeit stv. Heymann/ Henssler/Michel HGB Vor §§ 74–75f Rn 3; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 366 m.w.N.
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2. Richtlinienrecht und Unionsgrundrechte Nicht einschlägig sind hingegen grundsätzlich die Grundrechte des Unionsprimärrechts. 15 Hier kämen auf Seiten des Arbeitnehmers Art. 15 Abs. 1 GRCh (Berufsfreiheit)43 und auf Seiten des Arbeitgebers Art. 17 GRCh (Eigentum)44 in Betracht. Bei den §§ 74 ff handelt es sich aber nicht um die „Durchführung des Rechts der Union“ i.S.d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh. Denn anders als für Handelsvertreter (vgl. Art. 20 der Handelsvertreterrichtlinie)45 existieren im EU-Sekundärrecht keine Vorgaben für Wettbewerbsverbote, die Arbeitnehmer betreffen und als deren Umsetzung die §§ 74 ff anzusehen wären.46 Zwar kann die Vereinbarung nachvertraglicher Wettbewerbsverbote zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen i.S.d. der RL 2016/943/EG47 beitragen (vgl. Rn 12); die Richtlinie macht für Wettbewerbsverbote und damit auch für die Auslegung der §§ 74 ff aber keine Vorgaben (vgl. auch § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alt. 1 GeschGehG).48 Dass sog. Geheimhaltungsklauseln möglicherweise an den Maßstäben der §§ 74 ff zu messen sind (Rn 80 ff), ändert an diesem Befund nichts. Zu Art. 9 Abs. 2 der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (RL 2019/ 1152/EU), der nur das laufende Arbeitsverhältnis betrifft (vgl. nur die Überschrift „Mehrfachbeschäftigung“) s. § 60 Rn 5, 8.
3. Arbeitnehmerfreizügigkeit Diskutiert wird allerdings in Bezug auf zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbarte 16 nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die letztere grenzüberschreitend binden sollen, ein möglicher Konflikt mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV49 (zur Vielgestaltigkeit nationaler Regelungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote und zum IPR unten Rn 87 ff). Einschlägig ist dabei mangels unterschiedlicher Behandlung nicht das Diskriminierungsverbot, sondern allenfalls das Beschränkungsverbot. Teilweise wird dessen Anwendbarkeit bereits mit der Begründung verneint, dieses entfalte – anders als das Diskriminierungsverbot – keine unmittelbare Drittwirkung im Individualarbeitsverhältnis, könne also private Arbeitgeber nicht verpflichten.50 Ob sich letzteres der Rechtsprechung des EuGH tatsächlich entnehmen lässt, ist freilich umstritten.51 Die Anwendbarkeit des Art. 45 AEUV kann man jedenfalls nicht damit begründen, dass es um die Kontrolle der §§ 74 ff als staatliche Regelungen gehe, die nachvertragliche Wettbewerbsverbote – in bestimmten Grenzen – zulassen; denn Grundlage nachvertraglicher Wettbewerbsverbote sind privatautonome Vereinbarungen zwischen den Parteien 43 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 367, die offenbar von einer Anwendbarkeit des Art. 15 GRCh ausgehen, Wettbewerbsverbote aber i.E. für Charta-konform halten (mit Verweis auf die EU-Handelsvertreter-RL, die Regelungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten enthält). 44 Vgl. Parafianowicz S. 82 ff. 45 Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. EG Nr. L 382, S. 17. 46 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 15. 47 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. EU Nr. L 157 S. 1. 48 Vgl. Franzen/Gallner/Oetker/Schubert EuArbRK4, Art. 2 RL (EU) 2016/943 Rn 20; dazu, dass die §§ 74 ff durch das GeschGehG unberührt bleiben, BeckOK-GeschGehG/Fuhlrott12 § 1 Rn. 40 f; Naber/Peukert/Seeger NZA 2019, 583 (585); Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 1. 49 Dazu Brendel S. 123 ff; Parafianowicz S. 32 ff; s. auch Edenfeld ZfA 2004, 463 (488 ff); Kocher GPR 2011, 132 (137); Koenig/Steiner NJW 2002, 3583; Reufels ArbRB 2003, 313. 50 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 368; Reufels ArbRB 2003, 313 (314); aA Koenig/Steiner NJW 2002, 3583 (3584); Parafianowicz S. 38 ff. 51 Zum Meinungsstand mit Nachw. Pechstein/Nowak/Häde/Kocher Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV (2017) Art. 45 AEUV Rn 78. 829
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(Rn 9).52 Auf diese Fragen kommt es letztlich aber nicht an. Denn jedenfalls dann, wenn im Rahmen der Auslegung der §§ 74 ff der verfassungsrechtlich ohnehin gebotene Mindestschutz eingehalten wird (Rn 14), ist von einer Rechtfertigung auch im Hinblick auf das Beschränkungsverbot des Art. 45 AEUV auszugehen53 (vgl. § 60 Rn 10).
B. Überblick über die gesetzlichen Regelungen 17 Die Bestimmungen der §§ 74 bis 75f umschreiben den Regelungsspielraum für Wettbewerbsvereinbarungen für die Zeit nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Daneben sind auch tarifvertragliche Rahmenregelungen und Betriebsvereinbarungen grundsätzlich zulässig, bis heute aber ohne besondere praktische Bedeutung (näher § 75d Rn 20). Die §§ 74 bis 75c enthalten Vorschriften über die Entstehung, den Inhalt und das Unwirk18 samwerden von Wettbewerbsvereinbarungen sowie über die Rechtsfolgen, die eine Nichtbeachtung der gesetzlichen Anforderungen nach sich zieht. Sie bilden insofern ein in sich geschlossenes Schutzsystem.54 Nach § 75d kann sich der Arbeitgeber auf Vereinbarungen, die von den zwingenden §§ 74 bis 75c zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen oder die Vorschriften umgehen, nicht berufen. Das BAG hält die Vorschriften allerdings für tarifdispositiv und erlaubt in gewissen Grenzen auch tarifvertragliche Abweichungen zuungunsten der Arbeitnehmer (dazu § 75d Rn 17 ff).
I. Formelle und inhaltliche Anforderungen bei der Entstehung eines Wettbewerbsverbots 1. Formelle Anforderungen 19 Für die wirksame Entstehung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots verlangt das Gesetz – neben den üblichen Anforderungen des allgemeinen Vertragsrechts (§§ 145 ff BGB) – die Schriftform und die Aushändigung einer Vertragsurkunde an den Arbeitnehmer, § 74 Abs. 1 (ausf. § 74 Rn 6 ff).
2. Nichtige und unverbindliche Wettbewerbsabreden 20 Der inhaltlichen Ausgestaltung eines Wettbewerbsverbots sind enge Grenzen gesetzt, deren Missachtung unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht. Zum Teil sieht das Gesetz die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede vor, aus der dann keine der Parteien irgendwelche Rechte herleiten kann (zu Auswirkungen auf den Arbeitsvertrag § 74 Rn 20). An mehreren Stellen sanktioniert der Gesetzgeber allerdings Abweichungen von der vorgeschriebenen Ausgestaltung eines Wettbewerbsverbots nur mit dessen Unverbindlichkeit. Das bedeutet, dass die Wettbewerbsabrede ganz (§ 74 Abs. 2) oder jedenfalls hinsichtlich des unzulässigen Teils (§ 74a Abs. 1) zunächst einmal unbeachtlich ist. In letzterem Fall wird also das Verbot auf das erlaubte Maß zurückgeführt (zur Unanwendbarkeit des AGB-rechtlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion Rn 34 ff). Der Arbeitgeber kann aus dem Wettbewerbsverbot nur vorgehen, soweit es im gesetzli52 Wie hier Edenfeld ZfA 2004, 463 (493 f). 53 I.d.S. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 368; vgl. auch Parafianowicz S. 147 ff; ähnlich, allerdings deutlich strenger im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Koenig/Steiner NJW 2002, 3583; großzügiger im Hinblick auf das Erfordernis einer Karenzentschädigung Reufels ArbRB 2003, 313 (315 f); vgl. aus der Rechtsprechung LAG Rheinland-Pfalz 30.6.2020 – 6 Sa 404/19, BeckRS 2020, 31501 (Rn 29). 54 BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 21). Weber/Gräf
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chen Rahmen bleibt. Soweit das Wettbewerbsverbot unverbindlich ist, darf der Arbeitnehmer Konkurrenz ausüben und sich auch ausdrücklich vom Wettbewerbsverbot lossagen. Umgekehrt kann aber der Arbeitgeber sich nicht auf die Unverbindlichkeit berufen. Hält sich der Arbeitnehmer also an das ganz oder teilweise unverbindliche Wettbewerbsverbot, so ist auch der Arbeitgeber gebunden und muss eine Karenzentschädigung zahlen. Im Ergebnis steht dem Arbeitnehmer im Falle der bloßen Unverbindlichkeit also ein Wahlrecht zu (§ 74 Rn 59 ff). Nichtigkeit tritt – neben dem Fall des Formmangels nach § 125 Satz 1 BGB – immer dann ein, wenn die Vertragsparteien besonders krass von der gesetzgeberischen Gerechtigkeitsvorstellung abweichen. Das Gesetz sieht Nichtigkeit vor, wenn das Wettbewerbsverbot mit Minderjährigen (§ 74a Abs. 2 Satz 1 Alt. 1) und i.d.R. auch, wenn es im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BBiG, vgl. aber § 12 Abs. 1 Satz 2 BBiG) vereinbart wird (vgl. dazu und zum Volontariat Rn 50 und § 82a Rn 2). Nichtig ist auch ein Wettbewerbsverbot, dessen Einhaltung sich der Arbeitgeber auf Ehrenwort oder unter ähnlichen Versicherungen versprechen lässt (§ 74a Abs. 2 Satz 1 Alt. 2): Die Verpfändung der Ehre wird als sittenwidrig erachtet. Um eine Einflussnahme anderer auf den Arbeitnehmer zu verhindern, ist weiterhin eine Vereinbarung nichtig, durch die sich ein Dritter dazu verpflichtet, den Arbeitnehmer zur Einhaltung des Wettbewerbsverbots anzuhalten (§ 74a Abs. 2 Satz 2). Schließlich eröffnet § 74a Abs. 3 den Zugang zum Auffangtatbestand des § 138 BGB, der aber weitgehend von den spezielleren Vorschriften des HGB verdrängt ist (§ 74a Rn 42 ff; zur Unanwendbarkeit von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Rn 32 ff). Die bloße Unverbindlichkeit der Wettbewerbsabrede kommt nach der Rechtsprechung des BAG in Betracht, wenn die Wettbewerbsabrede zwar schriftlich vereinbart wurde, aber entgegen § 74 Abs. 1 keine die vereinbarten Bestimmungen enthaltende Urkunde übergeben wurde (§ 74 Rn 18). Im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist die Unverbindlichkeit nach § 74a Abs. 1 in drei Fällen: Unverbindlich ist ein Wettbewerbsverbot, soweit es nicht zum Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient (§ 74a Abs. 1 Satz 1) oder soweit es – unter Berücksichtigung der gewährten Karenzentschädigung – nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält (§ 74a Abs. 1 Satz 2), die ihrerseits unterstellt wird, wenn das Verbot auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckt wird (§ 74a Abs. 1 Satz 3). Die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots muss zum Ausgleich der Einschränkungen der Betätigungsfreiheit des Arbeitnehmers eine Karenzentschädigung vorsehen. Nach § 74 Abs. 2 hängt davon die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots ab. Überwiegend fasst man aber die Missachtung des § 74 Abs. 2 nicht in jedem Fall als Tatbestand der Unverbindlichkeit auf, sondern differenziert (näher § 74 Rn 53 und 59): Fehlt jegliche Entschädigungszusage, so nimmt man im Ergebnis Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots an mit der Folge, dass der Arbeitnehmer auch dann keine Entschädigung verlangen kann, wenn er sich an das Verbot hält. Ist dagegen zwar eine Entschädigung zugesagt, die aber unter der in § 74 Abs. 2 vorgeschriebenen Mindesthöhe (Hälfte des letzten Durchschnittsverdienstes des Arbeitnehmers) liegt, so ist das Wettbewerbsverbot nur unverbindlich. Darüber hinaus wird Unverbindlichkeit in Fällen angenommen, in denen der Arbeitgeber versucht, § 74 Abs. 2 durch Vereinbarung eines sog. bedingten Wettbewerbsverbots oder eines Vorvertrags zu umgehen (§ 74 Rn 63 ff). Vgl. auch zu sog. indirekten Wettbewerbsverboten Rn 63 ff.
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II. Karenzentschädigung Die in § 74 Abs. 2 geregelte Notwendigkeit einer Karenzentschädigung gilt heute ausnahmslos 25 für alle Arbeitnehmer (ausf. § 74 Rn 47 ff; zu den früheren Ausnahmen in § 75b a.F. vgl. Rn 3 sowie § 75b Rn 1). § 74b und § 74c enthalten Vorschriften über die Zahlung und die Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung (vgl. die dortigen Kommentierungen). Zur Verjährung, zu Ausschlussfristen und zur Verwirkung des Karenzentschädigungsanspruchs vgl. § 74b Rn 33 ff. 831
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III. Beendigung der Bindung aus einem Wettbewerbsverbot 26 Schließlich enthält das Gesetz Vorschriften über die Beendigung der Bindung aus Wettbewerbsverboten. Der Arbeitgeber kann nach § 75a vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot verzichten, insbesondere, wenn das nach § 74a Abs. 1 Satz 1 erforderliche geschäftliche Interesse am Wettbewerbsverbot nachträglich entfallen ist. Die Folge ist, dass der Arbeitnehmer sofort von dem Verbot frei wird, während der Arbeitgeber noch ein Jahr lang die vorgesehene Entschädigung zahlen muss. 27 § 75 regelt die Auswirkung von Kündigungen auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot: Eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers berechtigt den Arbeitnehmer zu wählen, ob er die Wettbewerbsabrede wirksam werden lassen will oder nicht (§ 75 Abs. 1). Da das BAG den (vorkonstitutionellen) § 75 Abs. 3 wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt hat, billigt es dem Arbeitgeber in analoger Anwendung des § 75 Abs. 1 das gleiche Wahlrecht zu, wenn er seinerseits wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers außerordentlich gekündigt hat (§ 75 Rn 18 ff). Bei sonstiger Kündigung des Arbeitgebers ist in § 75 Abs. 2 wiederum das Wahlrecht des Arbeitnehmers vorgesehen, sofern nicht ein erheblicher Anlass für die Kündigung in der Person des Arbeitnehmers lag oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Verbotszeit die Fortleistung der vollen letzten Vertragsbezüge verspricht. Stillschweigend geht das Gesetz bei sonstiger Kündigung des Arbeitnehmers vom Wirksambleiben des Wettbewerbsverbots aus. 28 Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag wendet die Rechtsprechung die Regelung des § 75 entsprechend an (§ 75 Rn 39 ff). Nicht geregelt ist schließlich die einvernehmliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots, die sich je nach Auslegung auch aus einer vertraglichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ergeben kann (§ 75 Rn 42 ff). Zum Rücktrittsrecht bei Verstößen des Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot bzw. bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung vgl. § 74 Rn 86, 94. Zu weiteren Fällen der Beendigung der Wettbewerbsabrede § 75 Rn 45 ff.
IV. Vertragsstrafe 29 § 75c beschränkt bei einer als Druckmittel zur Erfüllung der Wettbewerbsabrede wirksam vereinbarten Vertragsstrafe den Arbeitgeber auf die Rechte nach § 340 BGB, belässt dem Arbeitnehmer aber das Antragsrecht auf Herabsetzung einer unverhältnismäßigen Vertragsstrafe nach § 343 Abs. 1 Satz 1 BGB. § 75c Abs. 2 war schon vor der Aufhebung des § 75b angesichts der Verfassungswidrigkeit der Vorschrift gegenstandslos. Für in AGB vereinbarte Vertragsstrafenregelungen sind die Bestimmungen der §§ 305 ff BGB zu beachten (§ 75c Rn 4 ff, 17, 25).
V. Sperrabrede unter Arbeitgebern 30 Um zu verhindern, dass der Schutz der §§ 74 ff durch geheime Konkurrenzklauseln zwischen Arbeitgebern umgangen wird, erlaubt § 75f beiden beteiligten Arbeitgebern den jederzeitigen Rücktritt von einer solchen Sperrabrede.
C. Verhältnis zur AGB-Kontrolle (§§ 305 ff BGB) 31 Seit der Schuldrechtsmodernisierung im Jahr 2002 sind auf Arbeitsverträge grundsätzlich die Regeln über die AGB-Kontrolle anwendbar, soweit es sich um AGB i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB handelt.55 55 Zur AGB-Eigenschaft speziell von Wettbewerbsverboten Lembke BB 2020, 52 (60 f). Weber/Gräf
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Bei der Frage, ob im konkreten Fall die §§ 305 ff BGB zugunsten des Arbeitnehmers Anwendung finden, gelten die Erleichterungen des § 310 Abs. 3 BGB, da Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung beim Abschluss des Arbeitsvertrags als Verbraucher anzusehen sind.56 Inwieweit das Recht der AGB-Kontrolle allerdings auch auf Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote i.S.d. § 74 Abs. 1 Anwendung findet oder von den §§ 74 ff verdrängt wird, ist höchstrichterlich nicht umfassend geklärt und innerhalb der Instanzrechtsprechung sowie im Schrifttum umstritten.
I. Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Im Zentrum der Diskussion steht die Frage, ob neben § 74a Abs. 1, der einen Interessenaus- 32 gleich zwischen den Vertragsparteien schafft (§ 74a Rn 4 ff), noch eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. Abs. 2) BGB57 stattzufinden hat. Problematisch ist das Verhältnis der beiden Regelungen weniger im Hinblick auf den Maßstab 33 der Inhaltskontrolle. Denn eine den Anforderungen des § 75a Abs. 1 nicht genügende Wettbewerbsabrede wird man zugleich als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu werten haben; umgekehrt könnte eine Wahrung der Anforderungen der §§ 74 ff eine Angemessenheit i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB indizieren.58 Ein wichtiger Unterschied zeigt sich vielmehr beim Beurteilungszeitpunkt: Während es für § 307 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, ist im Rahmen des § 74a Abs. 1 der spätere Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bzw. der geplanten Aufnahme der Konkurrenztätigkeit maßgeblich (§ 74a Rn 5, 17). Der wichtigste Unterschied besteht aber im Hinblick auf die Rechtsfolgen: § 74a Abs. 1 ordnet nur die Unverbindlichkeit und nicht wie § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit einer Klausel an. Darüber hinaus und vor allem gilt die Unverbindlichkeit nur insoweit, als die Klausel das Maß des nach § 74a Abs. 1 Erlaubten überschreitet. Es handelt sich um einen gesetzlich angeordneten Fall der geltungserhaltenden Reduktion,59 die im AGB-Recht gerade abgelehnt wird (vgl. § 306 Abs. 2 BGB) .60 Die Instanzrechtsprechung61 und das überwiegende Schrifttum62 gehen von einer Un- 34 anwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote aus. Diese sollen allein anhand von § 74a Abs. 1 im Zeitpunkt des Vertragsendes zu kontrollieren sein; eine geltungserhaltende Reduktion soll möglich sein. Nach der Gegenauffassung soll kumulativ sowohl eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene AGBInhaltskontrolle (ggf. mit der Folge der Gesamtunwirksamkeit der Vertragsstrafenabrede), als 56 57 58 59
St. Rspr. des BAG, s. nur BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 Nr. 85 (Rn 13) m.w.N. Die Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB sind i.d.R. schon tatbestandlich nicht einschlägig. Vesper S. 142. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74a Rn 15; Heymann/Henssler § 74 Rn 17; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 26b; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 32; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74a Rn 20. 60 S. nur BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 m. Anm. v. Koppenfels-Spies. 61 LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 (515); 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 (Rn 43); LAG Rheinland-Pfalz 3.8.2012 – 9 SaGa 6/12, NZA-RR 2013, 15 (16); ebenso jdf. für den Fall einer separaten Wettbewerbsvereinbarung LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 (509). 62 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74a Rn 1; Diller NZA 2005, 250; ders. Wettbewerbsverbote9 Rn 354 ff, 540; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 26b; Kamanabrou ZfA 2018, 92 (99 ff); Laskawy NZA 2012, 1011 (1014); Lembke BB 2020, 52 (56 f); Lumper S. 55 ff; MünchArbR/ Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 17, 43; Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1228; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 32; Straube BB 2013, 117; Vesper S. 147 ff; speziell für eine Nichtanwendbarkeit des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion B. Gaul/Khanian MDR 2006, 181 (183); Thüsing/Leder BB 2004, 42 (47); Willemsen/Grau RdA 2003, 321 (326 f); in der Tendenz auch NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 5. § 74a Rn 22; vgl. auch Heukamp Vertraglicher Konkurrenzschutz zwischen Rechtsanwälten, 2011 S. 107 ff: Unwirksamkeit nach § 307 BGB allenfalls dann, wenn es schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausgeschlossen ist, dass die Abrede zum Zeitpunkt des Ausscheidens den Anforderungen des § 74a Abs. 1 genügen wird. 833
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auch – bei Vereinbarkeit der Abrede mit § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB – eine auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis bezogene Kontrolle nach § 74a Abs. 1 stattfinden.63 Das BAG hat diese Frage noch nicht entschieden.64 35 Der hM ist im Ergebnis zuzustimmen; allerdings können einige der hierfür ins Feld geführten Argumente nicht überzeugen. Im Wesentlichen werden drei Begründungen genannt: 36 Erstens wird die Unanwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB mit § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB begründet: Die Wettbewerbsabrede sei im Hinblick auf die Karenzentschädigung ein gegenseitiger Vertrag; die Festlegung der Reichweite des Wettbewerbsverbots sei – da die Pflicht zur Wettbewerbsunterlassung bzw. zur Zahlung einer Karenzentschädigung Hauptleistungspflichten darstellten – der Inhaltskontrolle entzogen.65 Dies soll jedenfalls bei separat vom Arbeitsvertrag vereinbarten Wettbewerbsabreden gelten.66 Dieser Ansatz geht zwar von dem weitgehend anerkannten und normativ in § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB fundierten Grundsatz aus, dass im Hinblick auf die Privatautonomie keine Angemessenheitskontrolle der Hauptleistungspflichten (Leistungsbestimmungen) stattfinden darf.67 Tatsächlich sind Wettbewerbsverbote jedoch – unabhängig davon, ob sie separat oder als Teil des Arbeitsvertrags vereinbart werden68 – als bloße Schutzpflichten einzuordnen (Rn 1); für das Arbeitsverhältnis sind sie nicht typusbestimmend,69 sodass hier für einen Ausschluss der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kein Raum ist. Erst recht kann auf § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht „sinngemäß“ mit der Begründung zurückgegriffen werden, mit einer Wettbewerbsabrede würden lediglich die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 74 ff umgesetzt und diese seien insofern deklaratorischer Natur;70 denn die §§ 74 ff statuieren ja gerade kein gesetzliches Wettbewerbsverbot, sondern setzen diesem umgekehrt Grenzen (vgl. Rn 10).71 Zweitens wird die Unanwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem teleologischen 37 Argument begründet, die Anwendung des AGB-Rechts würde zu einem für den Arbeitnehmer nachteiligen Ergebnis führen; denn durch die Unwirksamkeit der gesamten Wettbewerbsabrede würde ihm auch die Grundlage für die Karenzentschädigung und damit für sein Wahlrecht (Rn 20) genommen.72 Dagegen wird zutreffend eingewandt, dass es dem Arbeitnehmer, der sich an das Wettbewerbsverbot halten und die Karenzentschädigung in Anspruch nehmen möchte, auch bei Bejahung einer AGB-rechtlichen Unwirksamkeit freistehe, sich nicht auf die Unwirksamkeit zu berufen. Für Arbeitnehmer, die sich an ein unangemessenes Wettbewerbsverbot nicht halten möchten, sei eine Anwendbarkeit des AGB-Rechts sogar vorteilhaft; denn sie wären bei einer Gesamtnichtigkeit der Wettbewerbsabrede, die ja die Konsequenz des AGB-rechtlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion wäre, auch nicht an denjenigen Teil der Wettbe-
63 Däubler/Bonin/Walser/Deinert AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht5 § 307 Rn 44b; BeckOK-GewO/Hoffmann/Schulte56 § 110 Rn 98; Koch RdA 2006, 28 (29 ff); vgl. auch LAG Mecklenburg-Vorpommern 20.1.2015 – 2 Sa 59/14, BeckRS 2015, 70993 (Rn 47 ff), das ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitern ließ, weil es entschädigungslos vereinbart wurde. 64 Allerdings finden sich Entscheidungen, in denen eine Unverbindlichkeit nach § 74a Abs. 1 geprüft und abgelehnt wird, ohne dass das BAG noch auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eingeht (vgl. BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 [Rn 22 ff]); daraus könnte man eine gewisse Tendenz ableiten. 65 Diller NZA 2005, 250 (252); Laskawy NZA 2012, 1011 (1014); Lumper S. 55 ff; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 17, 43; NK-GA/Reinhard2 § 74a Rn 22; Straube BB 2013, 117. 66 LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 (509); nur für diesen Fall Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17. 67 Statt vieler HWK/Roloff10 § 307 BGB Rn 3 ff m.w.N.; ausf. zur Bedeutung des § 307 Abs. 3 BGB im Rahmen kompensatorischer Gestaltungen in Arbeitsverträgen Bieder S. 251 ff. 68 Gegen diese Unterscheidung auch Kamanabrou ZfA 2018, 92 (100 f); Lumper S. 56. 69 Zutr. Kamanabrou ZfA 2018, 92 (100): nur „flankierende Funktion“; insoweit auch Koch RdA 2006, 28 (29 f). 70 So aber LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 (515); ähnlich MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 17. 71 Vgl auch Thüsing/Leder BB 2004, 42 (47); Vesper S. 148. 72 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 540; Lembke BB 2020, 52 (56); Lumper S. 56. Weber/Gräf
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werbsverbotsabrede gebunden, der nach § 74a Abs. 1 aufrechterhalten bliebe.73 Auch dieses Günstigkeitsargument kann also letztlich die Ansicht der hM nicht tragen. Überzeugen kann aber das dritte Argument: Die meisten Vertreter der hM lösen das Problem 38 im Konkurrenzwege, indem sie eine Spezialität des § 74a Abs. 1 annehmen – und zwar entweder gegenüber § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (im Hinblick auf Maßstab und Zeitpunkt der Inhaltskontrolle)74 oder gegenüber § 306 Abs. 2 BGB (im Hinblick auf das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion)75 oder gegenüber beiden Regelungen.76 Letzterem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dabei handelt es sich freilich nicht um eine Spezialität in dem Sinne, dass die eine Norm alle Merkmale einer anderen Norm und zusätzlich mindestens ein weiteres Merkmal enthält (formelle Spezialität),77 sondern um eine solche im weiteren Sinne (inhaltliche Spezialität): Aus dem Zweck des § 74a Abs. 1 ergibt sich, dass die AGB-Inhaltskontrolle daneben keine Anwendung finden kann;78 es wird insofern auch von einer „Subsidiarität“ des AGB-Rechts gesprochen.79 Denn Tatbestand und Rechtsfolgen des § 74a Abs. 1 bilden ein in sich geschlossenes Schutzsystem, das den wechselseitigen Interessen in der spezifischen Konstellation nachvertraglicher Wettbewerbsverbote angemessen Rechnung trägt80 (vgl. bereits Rn 18): Indem § 74a Abs. 1 auf den Zeitpunkt des Vertragsendes abstellt – also auf den Zeitpunkt, zu dem die Wettbewerbsverbotsabrede erst ihre Rechtsfolgen entfaltet –, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es i.R.d. Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis im Laufe der Jahre in erhöhtem Maße zu Veränderungen kommen kann; eine strenge, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellende Inhaltskontrolle wäre daher nicht sachgerecht.81 Da es sich bei langjährigen Arbeitsverhältnissen häufig nicht vermeiden ließe, dass sich das Wettbewerbsverbot nachträglich als zu streng ausgestaltet erweist, kann das Prognoserisiko nicht einseitig dem Arbeitgeber auferlegt werden; deswegen ist bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten auch eine geltungserhaltende Reduktion interessengerecht.82 Diese Besonderheiten, mit denen den Arbeitgeberinteressen Rechnung getragen wird, werden zugunsten des Arbeitnehmers durch die nach § 74 Abs. 2 obligatorische Karenzentschädigung mitkompensiert, deren Höhe auch i.R.d. § 74a Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen ist.83 Insofern sollte man besser von einer Spezialität der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 als Kombination sprechen. Diese Lösung ist dogmatisch auch insofern tragfähig, als man die vorgenannten Umstände als Besonderheiten des Arbeitsrechts i.S.d. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB qualifizieren kann.84 Im Übrigen steht dieser Ansatz im Einklang mit dem Verhältnis zwischen § 74a Abs. 1 und § 138 BGB: Diesbezüglich ist – jedenfalls im Grundsatz – der Vorrang des § 74a Abs. 1 als lex specialis allgemein anerkannt, obwohl § 74a Abs. 3 sogar ausdrücklich auf § 138 BGB verweist (§ 74a Rn 42 ff).
73 Kamanabrou ZfA 2018, 92 (107). 74 LAG Hamm 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 (Rn 43); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/ Rudkowski § 74a Rn 1; Lumper S. 57 ff; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; NK-GA/Reinhard2 § 74a Rn 22; in der Tendenz auch MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 33. 75 Thüsing/Leder BB 2004, 42 (47); zust. B. Gaul/Khanian MDR 2006, 181 (183); vgl. auch Willemsen/Grau RdA 2003, 321 (326 f). 76 Kamanabrou ZfA 2018, 92 (103 ff); Lembke BB 2020, 52 (56 f); Vesper S. 147 ff. 77 Insofern zutr. Koch RdA 2006, 28 (30); vgl. dazu Larenz Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 267. 78 Zutr. Kamanabrou ZfA 2018, 92 (103 f); Vesper S. 148 f; dagegen Koch RdA 2006, 28 (30 f). 79 Kamanabrou ZfA 2018, 92 (103); Vesper S. 148; vgl. auch Rüthers/Fischer/Birk Rechtstheorie, 12. Aufl. 2022, Rn 771b, die solche Konstellationen unter den Gesichtspunkt der Konsumption fassen und in der Sache eine teleologische Reduktion annehmen. 80 Vgl. insofern auch BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 21). 81 Diller NZA 2005, 250 (251). 82 AA Koch RdA 2006, 28 (32); dagegen zutr. Kamanabrou ZfA 2018, 92 (103). 83 Vgl. auch Lembke BB 2020, 52 (57). 84 Diller NZA 2005, 250 (251); Kamanabrou ZfA 2018, 92 (106); vgl. auch Willemsen/Grau RdA 2003, 321 (326 f); aA Koch RdA 2006, 28 (31 f). 835
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Folgt man dem hier vertretenen Ansatz, wird die AGB-Inhaltskontrolle nicht nur im unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 74 ff verdrängt. Konsequenterweise muss der Vorrang des § 74a Abs. 1 auch in Konstellationen gelten, in denen die §§ 74 ff analog zur Anwendung kommen. Relevant ist dies vor allem bei den sog. indirekten Wettbewerbsverboten (näher Rn 67, 79). Nicht verdrängt ist § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB in Bezug auf Nebenabreden zu einer Wettbe40 werbsvereinbarung, für deren Beurteilung die §§ 74 ff keine vorrangige Regelung enthalten. So können etwa Ausschlussfristen an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen sein, auch solche, die sich allein auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf die Karenzentschädigung beziehen85 (näher § 74b Rn 34). Auch wird § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Hinblick auf Vertragsstrafenregelungen, mit denen Wettbewerbsverbote abgesichert werden sollen, nicht etwa von § 343 BGB i.V.m. § 75c Abs. 1 Satz 2 HGB verdrängt (näher § 75c Rn 3, 25). 39
II. Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB 41 Die vorgenannten Erwägungen gelten nicht für das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB: Dieses findet stets auch auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote Anwendung und wird nicht von den §§ 74 ff verdrängt. Davon geht inzwischen auch das BAG aus.86 Wegen § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB ist § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB selbst dann anwendbar, wenn man Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote entgegen der hier vertretenen Ansicht als Leistungsbestimmungen ansähe (vgl. Rn 36).87 § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wird auch nicht im Wege der Spezialität verdrängt, da die §§ 74 ff insofern keine funktionsäquivalente Regelung enthalten.88 Dies ist bei § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, dessen Funktion von § 74a Abs 1 übernommen wird, gerade anders. 42 Wie auch sonst kommt es beim Transparenzgebot auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an.89 Allerdings muss auch hier nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB dem Umstand Rechnung getragen werden, dass das Wettbewerbsverbot unter Umständen erst nach vielen Jahren seine Wirkung entfaltet. Es ist daher lediglich zu fordern, dass die abstrakte Reichweite des Wettbewerbsverbots ausreichend bestimmt ist. Hinsichtlich der einzelnen Parameter genügt es, wenn diese im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis objektiv bestimmbar sind.90 Ausreichend ist daher ein Verweis auf die vom ursprünglichen Arbeitgeber vertriebene „Produktpalette“91 oder dessen „Konkurrenzunternehmen“;92 welche konkreten Produkte der Arbeitgeber vertreibt und mit welchen Unternehmen er in Konkurrenz steht, ist dem betroffenen Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis typischerweise bekannt oder zumindest feststellbar. Die auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bezogene Transparenzkontrolle beschränkt sich also auf
85 Vgl. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 119. 86 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 20); s. auch LAG Niedersachsen 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426 (427); LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 f; LAG Hamm 4.11.2008 – 14 Sa 818/08, BeckRS 2009, 57359 (unter 3); 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 (Rn 44 f) vgl. auch zum Wettbewerbsverbot eines Handelsvertreters (§ 90a Abs. 1) BGH 3.12.2015 – VII ZR 100/15, NJW 2016, 401 (Rn 21 ff); s. stv. für das Schrifttum Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; Lumper S. 60. 87 LAG Hamm 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 (Rn 45); Lembke BB 2020, 52 (56); Straube BB 2013, 117. 88 Als eine solche ist insbesondere nicht das Schriftformgebot des § 74 Abs. 1 anzusehen. 89 Kamanabrou ZfA 2018, 92 (106); aA wohl Staudinger/Richardi/Fischinger (2020) § 611a BGB Rn 1228: Kontrolle im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis. 90 LAG Hamm 7.10.2019 – 18 SaGa 49/19, BeckRS 2019, 29813 (Rn 45); Vesper S. 155 f. 91 LAG Niedersachsen 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426. 92 LAG Sachsen-Anhalt 10.11.2015 – 6 SaGa 14/15, BeckRS 2016, 66245. Weber/Gräf
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vermeidbare Unklarheiten. Hiervon zu unterscheiden ist die stets notwendige Anwendung des Verbots auf den konkreten Streitfall.93 Bei Verstößen gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt das AGB-recht- 43 liche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion. Für einen Rückgriff auf § 74a Abs. 1 ist insofern kein Raum;94 auch insoweit ist eine Spezialität der §§ 74 ff gegenüber dem Transparenzgebot zu verneinen.
III. Überraschende Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) und Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB) Im Hinblick auf die Auslegung formularvertraglicher Vereinbarungen gelten für Wettbewerbs- 44 verbote keine Besonderheiten: Es ist auf die allgemeinen Grundsätze zur Auslegung von AGB zurückzugreifen.95 Die Unklarheitenregelung des § 305c Abs. 2 BGB findet Anwendung,96 sodass im Zweifel zugunsten des Arbeitnehmers von der geringsten Reichweite des Wettbewerbsverbots auszugehen ist.97 Dies hat das BAG der Sache nach allerdings auch schon vor der Schuldrechtsmodernisierung auf Basis der §§ 133, 157 BGB angenommen.98 Auch gilt im Rahmen der Einbeziehungskontrolle das Verbot überraschender Klauseln 45 nach § 305c Abs. 1 BGB.99 Die Einbeziehung eines Wettbewerbsverbots in einen Formulararbeitsvertrag ist allerdings nicht schon an sich überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB,100 sondern nur dann, wenn das Wettbewerbsverbot an einer unerwarteten Stelle im Vertragstext oder unter einer irreführenden Überschrift versteckt wird.101 Umgekehrt ist es aber auch nicht zwingend erforderlich, eine Wettbewerbsklausel mit der ausdrücklichen Überschrift „nachvertragliches Wettbewerbsverbot“ zu versehen.102 Für die Gestaltungspraxis ist dies freilich zu empfehlen.103
93 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 20); LAG Hamm 4.11.2008 – 14 Sa 818/08, BeckRS 2009, 57359 (unter 3 d bb); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 226a mit weiteren Bsp. aus der Rspr.; weitere Bsp. bei Straube BB 2013, 118. 94 Vgl. Kamanabrou ZfA 2018, 92 (106). 95 Lembke BB 2020, 52 (56); Lumper S. 60; vgl. auch BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 19); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Rn 90 (Rn 19) m. Anm. Fehrenbach. 96 LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 (515); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 53, 226; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; Straube BB 2013, 117. 97 Vesper S. 152. 98 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67 m. Anm. Henssler = AR-Blattei ES 1830 Nr. 175 m. Anm. Reinfeld = WiB 1996, 696 m. Anm. Altvater; 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 (unter I 1 c) = WiB 1997, 1201 m. Anm. Treber; vgl. auch LAG Hamm 10.2.2006 – 7 Sa 2307/05, BeckRS 2006, 41526; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 25. 99 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78; Laskawy NZA 2012, 1011 (1014); Lembke BB 2020, 52 (56); Lumper S. 60; Straube BB 2013, 117 f. 100 Laskawy NZA 2012, 1011 (1014); Straube BB 2013, 117 f; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 33; vgl. zu einer aufschiebenden Bedingung für das Inkrafttreten eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78 (Bl. 3); einschr. Diller NZA 2005, 250 (251); ders. Wettbewerbsverbote9 Rn 59: keine objektive Ungewöhnlichkeit jdf. bei Führungskräften; bei sonstigen Arbeitnehmern kämen Wettbewerbsverbote in der Praxis kaum vor, sodass es sich bei diesen im Einzelfall um überraschende Klauseln handeln könne (bei diesen komme i.d.R. auch eine Unverbindlichkeit i.S.d. § 74a Abs. 1 Satz 1 in Betracht). 101 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 59a; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 43; Straube BB 2013, 118; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 3; vgl. auch BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78 (Bl. 3). 102 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 59a; anders wohl Schlegelberger/Schröder § 74 Rn 9. 103 Laskawy NZA 2012, 1011 (1014). 837
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D. Anwendungsbereich der §§ 74 ff 46 Damit die §§ 74 ff und die darin enthaltenen Einschränkungen der Vertragsfreiheit eingreifen, muss der persönliche (Rn 47 ff), sachliche (Rn 57 ff) und zeitliche (Rn 84 ff) Anwendungsbereich der Regelungen eröffnet sein. In Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug müssen die Regelungen zudem nach Maßgabe des Internationalen Privatrechts anwendbar sein (Rn 87 ff). Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer durch sein konkretes Verhalten gegen ein – unter das Regelungsregime der §§ 74 ff fallendes und nach den §§ 74 ff wirksames und verbindliches – Wettbewerbsverbot verstoßen hat; dies ist im Zweifel durch Auslegung der Parteivereinbarung zu ermitteln (dazu § 74 Rn 23 ff).
I. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Handlungsgehilfen und andere Arbeitnehmer 47 §§ 74 bis 75f gelten nicht nur für Handlungsgehilfen (§ 59 Rn 9 ff), sondern seit 2003104 nach §§ 110 Satz 2, 6 Abs. 2 GewO für alle Arbeitnehmer. Das BAG, das früher eine Anwendung der §§ 74 ff auf andere Arbeitnehmergruppen abgelehnt hat,105 später dann immerhin die Maßstäbe der §§ 74 ff bei der Beurteilung der Unbilligkeit (§ 133f GewO a.F.) und der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) von Wettbewerbsvereinbarungen zugrunde legte,106 wendete bereits seit der Entscheidung vom 13.9.1969107 konstant die Regeln der §§ 74 ff analog auf alle Arbeitnehmer an.108 Die §§ 74 ff gelten nicht nur im „Normalarbeitsverhältnis“, sondern etwa auch für befristet 48 oder in Teilzeitarbeit beschäftigte Arbeitnehmer.109 Auch leitende Angestellte sind erfasst;110 bei diesen sind Wettbewerbsabreden in der Praxis sogar am verbreitetsten. Auch der Bereich des Profisports fällt unter die §§ 74 ff.111 Besonderheiten gelten allerdings nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG für Leiharbeitnehmer (näher 49 § 74a Rn 47).
2. Auszubildende, Praktikanten und Volontäre 50 Eine Sonderregel gilt für Auszubildende, Praktikanten und Volontäre nach § 12 Abs. 1 bzw. §§ 26 i.V.m. 12 Abs. 1 BBiG (vgl. hierzu auch § 82a). Hier ist eine Wettbewerbsabrede für die 104 Drittes Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24.8.2002 (BGBl. I S. 3412). 105 Vgl. u.a. BAG 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Art. 12 GG Nr. 7 (Bl. 2) m. Anm. Schnorr = SAE 1959, 155 m. Anm. G. Hueck. 106 Vgl. u.a. BAG 2.12.1966 – 3 AZR 235/66, AP § 133f GewO Nr. 18 = SAE 1968, 125 m. Anm. Diederichsen; 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann; 2.2.1968 – 3 AZR 462/66, AP § 74 HGB Nr. 22 (Bl. 3) m. Anm. Weitnauer = SAE 1969, 43 m. Anm. Rüthers; 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 22 (Bl. 2) = SAE 1969, 148 m. Anm. Nitschke. 107 BAG 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (Bl. 4R ff) m. Anm. Wiedemann/Steinberg = SAE 1971, 106 m. Anm. Canaris. 108 Vgl. u.a. BAG 14.7.1981 – 3 AZR 515/78, AP § 75 HGB Nr. 8 (Bl. 2) m. Anm. Stumpf = SAE 1983, 84 m. Anm. Koller; OLG Karlsruhe 30.9.1986 BB 1986, 2365; OLG Koblenz 1.8.1985 – 6 U 619/85, WM 1985, 1484; ausf. zur Entwicklung Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 39 ff; vgl. auch Schmidt FS Söllner, 2000 S. 1047 ff. 109 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 69. 110 LAG Nürnberg 21.7.1994 – 5 Sa 391/94, LAGE HGB § 74 Nr. 11; vgl. hierzu auch Bröckner Nebenpflichten und Haftung von Arbeitnehmern in Führungspositionen, 2012 S. 129 ff. 111 Näher zu den – auch verbandsrechtlichen – Besonderheiten nachvertraglicher Wettbewerbsverbote bei Trainern oder Managern Fischinger/Reiter/Reiter Das Arbeitsrecht des Profisports, 2021 § 8 Rn 106 ff. Weber/Gräf
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Zeit nach Beendigung des Ausbildungsverhältnisses bzw. des Praktikums oder Volontariats grundsätzlich nichtig (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BBiG). § 12 Abs. 1 Satz 2 BBiG erlaubt aber, dass sich der Auszubildende bzw. Praktikant oder Volontär innerhalb der letzten sechs Monate des Ausbildungsverhältnisses verpflichtet, nach dessen Ende ein Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber einzugehen.
3. Arbeitnehmerähnliche Personen Für wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter, die als sog. arbeitnehmerähnliche Personen 51 eine besondere Gruppe innerhalb der Selbständigen bilden (näher § 59 Rn 19 ff), gelten die Regelungen der §§ 74 ff analog, da hier ein vergleichbares Schutzbedürfnis wie bei Arbeitnehmern besteht.112 Auf freie Mitarbeiter, die als „echte“ Selbständige zu qualifizieren sind, finden die §§ 74 ff weder direkt noch analog Anwendung. Bei diesen richtet sich die Inhaltskontrolle von Wettbewerbsvereinbarungen nach § 138 BGB bzw. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB; dabei können aber durchaus auch einzelne Wertungen der §§ 74 ff Berücksichtigung finden.113 Für Handelsvertreter gilt § 90a.
4. Organmitglieder Mitglieder in Organen juristischer Personen – auch GmbH-Geschäftsführer – sind nach der 52 Rechtsprechung des BGH niemals Arbeitnehmer; nach Ansicht des BAG kommt eine Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern nur in „extremen Ausnahmefällen“ in Betracht114 (näher § 59 Rn 14). Danach scheidet eine direkte Anwendung der §§ 74 ff (i.V.m. §§ 110 Satz 2, 6 Abs. 2 GewO) jedenfalls in aller Regel aus. Nichts anderes ergibt sich aus der EuGH-Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (dazu noch Rn 88). Diese ist hier nämlich außer Betracht zu lassen,115 da die §§ 74 ff keine EU-Richtlinie umsetzen (vgl. bereits Rn 15).116 Fraglich und umstritten ist aber, ob die §§ 74 ff auf Organmitglieder juristischer Personen analog anzuwenden sind, wenn im Anstellungsverhältnis117 ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wird: Der BGH lehnt die analoge Anwendbarkeit der §§ 74 ff auf Organmitglieder juristischer Per- 53 sonen ab.118 Der BGH erkennt dabei zwar durchaus an, dass trotz der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft oder Geschäftsführern einer GmbH soziale Arbeitnehmerschutzvorschriften in Einzelfällen nach ihrer ratio entsprechend anzuwenden sind. Diese Grundsätze ließen sich aber nicht auf die §§ 74 ff übertragen, da die in diesen Vorschriften zum Ausdruck gekommene Interessenabwägung bei Arbeitnehmern auf anderen 112 BAG 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 Bl. 3 = WiB 1997, 1201 m. Anm. Treber; BGH 10.4.2003 NJW 2003, 1864; OLG Düsseldorf 9.9.2004 – 6 U 38/04 u.a., NJW-RR 2005, 119; LAG Köln 23.1.2004 – 4 Sa 988/03, AR-Blattei ES 720 Nr. 27; LAG Köln 2.6.1999 2 Sa 138/99, NZA-RR 2000, 19 (22); Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 8 Fn 22; HWK/Diller10 § 74 HGB Rn 9; Tschöpe/Hund12, Arbeitsrecht Teil 2 F Rn 5; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 5; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 29; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 9; vgl. dazu aber auch Hörl ITRB 2003, 182. 113 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1118. 114 BAG 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, AP § 1 KSchG 1969 Wartezeit (Rn 18) m. Anm. Kamanabrou. 115 Vgl. Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; vgl. demgegenüber Lembke NZA-RR 2019, 65 (68). 116 Vgl. allgemein Wank EuZA 2018, 327 (336). 117 Vgl. zu gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen über Wettbewerbsverbote OLG München 11.11.2010 – U (K) 2143/10, NZG 2011, 65; Naber NZA 2013, 870. 118 BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1; 15.4.1991 – II ZR 214/89, DB 1991, 1508; 17.2.1992 – II ZR 140/91, DB 1992, 936; 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753 (Rn 3); ausf. zur Entwicklung der BGH-Rspr. Lumper S. 85 f; vgl. auch BSG 13.3.1990 – 11 Rar 1/88, DB 1990, 1875. 839
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Vor § 74
1. Buch. Handelsstand
Voraussetzungen beruhe als bei Organmitgliedern: Deren unmittelbare Einbeziehung in die Geschäftspolitik des Unternehmens und die Konzentration der geschäftlichen Beziehungen auf die Person des Organmitglieds begründeten in viel stärkerem Maße die Gefahr von Schäden für das Unternehmen als bei Konkurrenztätigkeit von Angestellten.119 Der BGH ermittelt deshalb die Grenzen nachvertraglicher Wettbewerbsverbote in solchen Fällen unter Rückgriff auf § 138 BGB. Unter Hinweis auf Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG wird insofern der Grundsatz aufgestellt, dass an die Zulässigkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote strenge Anforderungen gestellt werden müssten.120 Dabei werden der Sache nach Wertungen („Rechtsgrundsätze“121) aus den §§ 74 ff herangezogen.122 Konkrete Folgen dieser einzelfallbezogenen Betrachtungsweise sind etwa zeitliche (vgl. § 74a Abs. 1 Satz 3123), gegenständliche und räumliche Beschränkungen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.124 Insbesondere das Erfordernis einer Karenzentschädigung analog § 74 Abs. 2 lehnt der BGH aber ab,125 ebenso eine Anwendung des § 74c.126 Andererseits wird bei Verzicht der GmbH auf das Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers im Interesse des Unternehmens § 75a für analog anwendbar erklärt.127 Im Schrifttum stößt die Linie des BGH hinsichtlich Vorstandsmitgliedern einer AG – zu 54 Recht – weitgehend auf Zustimmung;128 im Hinblick auf GmbH-Geschäftsführer wird sie hingegen äußerst kontrovers diskutiert.129 Soweit die §§ 74 ff für unanwendbar gehalten werden, wird 119 BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (4). 120 BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (5); zuletzt etwa BGH 20.1.2015 – II ZR 369/13, NJW 2015, 1012; vgl. dazu auch OLG Celle 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131; OLG Düsseldorf 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 36; 10.3.2000 – 17 U 133/99, NZG 2000, 737; OLG München 2.8.2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82; ausf. zu den vom BGH und in der Lit. auf Basis des § 138 Abs. 1 BGB ermittelten Zulässigkeitsgrenzen Lumper S. 96 ff; zu den Rechtsfolgen überschießender nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer und der Frage nach einer möglichen geltungserhaltenden Reduktion vgl. Kamanabrou ZGR 2002, 898; Kielkowski NZG 2015, 900 (902 ff); Lumper S. 117 ff; Thüsing NZG 2004, 9 (13 f). 121 Vgl. BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (7). 122 Näher zur – im Einzelnen recht unübersichtlichen – Rspr. die systematischen Überblicke bei Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1024 ff; Noack/Servatius/Haas/Beurskens GmbHG23 § 37 Rn 116 ff; BeckOGK-AktG/Fleischer (1.7.2022) § 88 Rn 42 ff; Kielkowski NZG 2015, 900; Lembke BB 2020, 52 (58 ff); Müller GmbHR 2014, 964; Hölters/M. Weber/M. Weber AktG4 § 88 Rn 23 ff; ausf. Krahforst Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für GmbH-Geschäftsführer, 2012. 123 BGH 14.7.1986 II ZR 296/85, WM 1986, 1282; vgl. auch BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (6 f); 16.10.1989 – II ZR 2/89, DB 1990, 213; OLG Hamm 11.1.1988 – 8 U 142/87, ZIP 1988, 1254. 124 Vgl. BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (7); OLG Düsseldorf 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; OLG Hamm 11.1.1988 – 8 U 142/87, ZIP 1988, 1254; OLG Köln 5.10.2000 – 12 U 62/00, BB 2001, 538; OLG München 19.6.2018 – 3 HK O 3431/18, NZA-RR 2019, 82; s. auch Lembke NZA-RR 2019, 65. 125 BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (4 f); 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753 (Rn 4); s. auch OLG München 2.8.2018 – 7 U 2107/18, NZA-RR 2019, 82 (Rn 8); dazu Heidenhein NZG 2002, 605; Lumper S. 111 ff (i.E. zust.). 126 BGH 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 664. 127 BGH 17.2.1992 – II ZR 140/91, DB 1992, 936 (dabei wurde die Frage offengelassen, ob auch die Jahresfrist des § 75a eingehalten werden muss); krit. Heidenhain NZG 2002, 605; vgl. auch BGH 25.6.1990 GmbHR 1990, 389, wo allerdings die Geltung der §§ 74 ff vertraglich vereinbart war; vgl. zur Befreiung einer GmbH von der Karenzentschädigungspflicht bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot mit einem GmbH-Geschäftsführer auch Bergwitz GmbHR 2007, 523 ff; Müller GmbHR 2014, 964 (969 f); zur Befreiung des GmbH-Geschäftsführers Bergwitz GmbHR 2006, 1129. 128 S. nur Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 6; Koch AktG16 § 88 Rn 10; KölnKomm-AktG/Mertens/Cahn3 § 88 Rn 34; Heidel/Oltmanns AktienR5 § 88 AktG Rn 12; Grigoleit/Schwennicke AktG2 § 88 Rn 11; MünchKommAktG/ Spindler5 § 88 Rn 48; Thüsing NZG 2004, 9; Hölters/M. Weber/M. Weber AktG4 § 88 Rn 23; aA (analoge Anwendung der §§ 74 ff) Gravenhorst DB 2019, 1572 (1574); Lembke NZA-RR 2019, 65 (68 f); ders. BB 2020, 52 (59). 129 Dem BGH (zumindest i.E.) zust. etwa Altmeppen GmbHG10 § 6 Rn 92; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/ Rudkowski § 74 Rn 8; Noack/Servatius/Haas/Beurskens GmbHG23 § 37 Rn 116; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 71 ff; Kunz DB 1993, 2486 (der aber unter Berufung auf Art. 12 GG immer eine Karenzentschädigung verlangt); Lahusen NZA 1985, 802; Lumper S. 89 ff; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 5; Hopt/Roth41 § 74 Rn 3; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 55; Thüsing NZG 2004, 9; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 9; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 13; Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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vereinzelt kritisiert, dass der BGH diese Linie nicht konsequent durchhalte, sondern einzelne Vorschriften doch analog heranziehe.130 Einigkeit besteht immerhin darüber, dass die Geltung der §§ 74 ff vertraglich vereinbart werden kann.131 Dem BGH ist zuzugeben, dass im Falle des Gesellschafter-Geschäftsführers das Leitbild 55 der §§ 74 ff nicht passt. Nicht ausschlaggebend kann dabei allerdings das Argument der Gefährdung der Unternehmensinteressen sein. Im Einzelfall kann die Konkurrenztätigkeit eines ehemaligen Angestellten, der zuvor eine Schlüsselposition eingenommen hatte, nicht weniger problematisch für das Unternehmen sein.132 Entscheidend ist vielmehr, dass bei GesellschafterGeschäftsführern die Schutzfunktion der §§ 74 ff nicht greift. Das Gesetz setzt den fremdnützig tätigen Arbeitnehmer voraus und stellt auf dieser Basis nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses hohe Anforderungen an Abreden, durch die der Arbeitnehmer an der Verwertung seiner Kenntnisse und Fähigkeiten gehindert wird. Der Gesellschafter-Geschäftsführer war nicht fremdnützig, sondern selbst unternehmerisch tätig. Er wird zwar durch die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ebenfalls in seiner weiteren beruflichen Tätigkeit beeinträchtigt. Aber zu den unternehmerischen Risiken, die er als Selbständiger zu tragen und gegen die er – durch entsprechende vertragliche Abmachungen – eigenverantwortlich Vorsorge zu treffen hat, gehören auch Wettbewerbsbeschränkungen im Anschluss an eine Geschäftsführertätigkeit. In diesen Fällen bildet § 138 BGB eine hinreichende Grenze und die erforderliche Flexibilität, um der Interessenlage im Einzelfall gerecht werden zu können. Die Einbeziehung einzelner Wertungen der §§ 74 ff ist dadurch keineswegs ausgeschlossen (Rn 53), es erfolgt aber keine pauschale Anlehnung an Vorschriften, die für den Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber konzipiert sind.133 Im Ergebnis kann daher in Bezug auf GesellschafterGeschäftsführer der Linie des BGH im Grundsatz zugestimmt werden. Im Hinblick auf die dogmatische Grundlage der Inhaltskontrolle ist allerdings zu bedenken, dass es sich bei Anstellungsverträgen134 wegen § 310 Abs. 3 BGB135 häufig um AGB handeln dürfte. Da Wettbewerbsabreden nach hier vertretener Ansicht keine Leistungsbestimmungen sind, die nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die AGB-Inhaltskontrolle ausschließen würden (Rn 36), ist der Geltungsbereich des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet.136 Die AGB-Inhaltskontrolle wird hier – anders als bei Arbeitsverhältnissen (vgl. Rn 38) – auch nicht durch die §§ 74 ff verdrängt, da nach dem soeben Gesagten bei Gesellschafter-Geschäftsführern das einheitliche Schutzkonzept der §§ 74 ff nicht greift. Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Ziemons GmbHG3 § 43 Rn 277; aA (für eine analoge Anwendung der §§ 74 ff – teilw. beschränkt auf Fremdgeschäftsführer oder mit ähnlichen Differenzierungen) u.a. Bauer/Diller BB 1995, 1134 (1135); Gaul GmbHR 1991, 147 f; Gissel Arbeitnehmerschutz für GmbH-Geschäftsführer, 1987 S. 136; Gravenhorst DB 2019, 1572 (1573); Groß Das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers, 1987 S. 361 ff; Grüll/Janert S. 89 ff; Henssler RdA 1992, 296 Fn 80; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 17; Kamanabrou ZGR 2002, 898 (899 ff); Lembke NZA-RR 2019, 65 (68 f); ders. BB 2020, 52 (59); Stöhr GmbHR 2020, 411 (417); in der Tendenz auch Rowedder/ Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG6 § 35 Rn 106; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 § 74 Rn 19. 130 S. etwa Heidenhain NZG 2002, 605 (die Rechtsprechung ergebe ein „diffuses Bild“); Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Ziemons GmbHG3 § 43 Rn 277; vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1037: Rechtsprechungsergebnisse nicht mehr prognostizierbar, Klage als „Vabanquespiel“. 131 Bauer/v. Medem GWR 2011, 435 (436 f); BeckOGK-AktG/Fleischer (1.7.2022) § 88 Rn 42; Thüsing NZG 2004, 9; Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt/Ziemons GmbHG3 § 43 Rn 276; vgl. auch BAG 14.8.1975 – 3 AZR 333/74, ARBlattei Wettbewerbsverbot Nr. 114 m. Anm Buchner; vgl. zu der problematischen Frage, ob eine vertragliche Verweisung nur auf einzelne Vorschriften der §§ 74 ff möglich ist, Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1039 ff; ausf. zu den Gestaltungsmöglichkeiten Menke NJW 2009, 636. 132 Zutr. Gaul GmbHR 1991, 147. 133 Vgl. dazu Hoffmann-Becking FS Quack, 1991 S. 274 ff; Sina DB 1985, 902 ff. 134 Bei diesen greift auch die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB („Gesellschaftsrecht“) nicht, vgl. Bauer/Diller GmbHR 1998, 811. 135 Nach der Rspr. sind GmbH-Geschäftsführer beim Abschluss von Anstellungsverträgen Verbraucher, s. BAG 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, AP § 310 BGB Nr. 13 (Rn 20 ff). 136 So i.E. auch Lembke NZA-RR 2019, 65 (70); aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1045; diff. Lumper S. 124 f (Anwendbarkeit nur, wenn bereits Sittenwidrigkeit vorliegt). 841
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An den vom BGH im Rahmen der Inhaltskontrolle angelegten Maßstäben dürfte dies zwar nicht allzu viel ändern, wohl aber an den Rechtsfolgen: Verstößt die Wettbewerbsklausel eines Gesellschafter-Geschäftsführers gegen AGB-Recht, gilt auch das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.137 Ob eine geltungserhaltende Reduktion im Bereich des § 138 BGB möglich ist, ist höchst umstritten; die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich.138 56 Beim GmbH-Geschäftsführer, der nicht zugleich Gesellschafter ist, also dem Fremd-Geschäftsführer, ist hingegen maßgeblich, ob das Gesamtbild seiner Tätigkeit ihn zu einer arbeitnehmerähnlichen Person macht (vgl. § 59 Rn 19 ff). In derartigen Fällen gibt das Moment der sozialen Schutzbedürftigkeit den Ausschlag; die Zulässigkeit eines Wettbewerbsverbots richtet sich dann nach §§ 74 ff analog.139 Die Leitungsfunktion des Geschäftsführers steht dem nicht entgegen, da auch leitende Angestellte wie etwa Prokuristen die Geschäftspolitik des Unternehmens entscheidend beeinflussen, ohne dass daran die Anwendbarkeit der §§ 74 ff scheitern könnte.140 Vom Standpunkt des BGH aus stellt sich die Frage nach dem Schicksal von Wettbewerbsver57 einbarungen bei Statuswechseln: Ist ein mit einem Arbeitnehmer einer GmbH vereinbartes Wettbewerbsverbot wegen Verstoßes gegen die inhaltlichen Anforderungen der §§ 74 ff unverbindlich, so wird es nicht dadurch (automatisch) verbindlich, dass der Betreffende später Geschäftsführer des Unternehmens wird.141 Wechselt umgekehrt ein Geschäftsführer in den Arbeitnehmerstatus, wird ein Wettbewerbsverbot, das nicht gegen § 138 bzw. § 307 Abs. 1 BGB verstößt, das aber den Anforderungen der §§ 74 ff nicht genügt, unverbindlich.142
II. Sachlicher Anwendungsbereich 58 In sachlicher Hinsicht greifen die §§ 74 bis 75f nach dem Wortlaut des § 74 Abs. 1, wenn eine Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien den Arbeitnehmer für die Zeit nach Vertragsbeendigung (dazu noch Rn 85) „in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt“. Im Folgenden soll es zunächst nur darum gehen, welche Arten von Vereinbarungen im Hinblick auf diese Anwendungsvoraussetzung überhaupt unter die §§ 74 ff fallen und damit insbesondere karenzentschädigungspflichtig sind. Die konkrete inhaltliche Reichweite des Wettbewerbsverbots, also die Feststellung, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer im Einzelnen untersagt sind, ist dann eine Frage der Vertragsauslegung (dazu § 74 Rn 23 ff).
1. Allgemeines 59 Die §§ 74 ff sind nicht nur anwendbar, wenn dem Arbeitnehmer Konkurrenztätigkeiten umfassend verboten werden, das heißt, wenn ihm jedes Betreiben eines konkurrierenden Handelsgewerbes (vgl. § 60), jede nicht nur vereinzelte Geschäftstätigkeit sowie jede Aktivität in einem Konkurrenzunternehmen untersagt wird. Es kann sich auch um in sachlicher, örtlicher oder zeitlicher Hinsicht beschränkte Verbote handeln.143
137 Vgl. Lembke NZA-RR 2019, 65 (70), mit dem Hinweis, dass dieses wegen § 306a BGB auch durch salvatorische Klauseln nicht umgangen werden könne. 138 Ausf. dazu und zur Kritik Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1062 ff mit Nachw. 139 Dagegen ausdrücklich BGH 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1 (4 f); ähnliche Ansätze hingegen bei OLG Hamm 11.1.1988 – 8 U 142/87, ZIP 1988, 1254; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baukelmann GmbHG6 § 35 Rn 106; Gaul GmbHR 1991, 147; Henssler RdA 1992, 294 f und 296 Fn 80. 140 Vgl. zum Wettbewerbsverbot für einen Prokuristen OLG Karlsruhe 30.9.1986, BB 1986, 2365. 141 OLG Koblenz 1.8.1985 – 6 U 619/85, WM 1985, 1484; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 62. 142 Vgl. BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 m. Anm. Zöllner; näher zu dieser Konstellation Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1124. 143 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 23; Hopt/Roth41 § 74 Rn 6. Weber/Gräf
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Es kommt zudem nicht darauf an, ob die Beschränkung unternehmensbezogen ausgestal- 60 tet ist, also auf bestimmte Konkurrenzunternehmen beschränkt ist, für die der Arbeitnehmer nicht tätig sein darf, oder seine Reichweite tätigkeitsbezogen definiert wird144 (vgl. dazu auch § 74 Rn 27 f, § 74a Rn 8). Tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote sind etwa solche, die nur den technischen oder den kaufmännischen Bereich erfassen. Der in § 74 Abs. 1 genannte Begriff „gewerbliche Tätigkeit“ schließt abhängige wie selbständige Berufsausübung ein.145 Über den missverständlichen Wortlaut hinaus ist aber auch das Verbot freiberuflicher Tätigkeiten erfasst.146 Für die Geltung der §§ 74 ff ist es zudem unerheblich, ob die untersagten Konkurrenztätigkeiten rechtsgeschäftlicher oder nur rein tatsächlicher Natur sind.
2. Bagatellbeschränkungen Der Wortlaut des § 74 Abs. 1 („in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt“) fordert für die An- 61 wendbarkeit der §§ 74 ff keinen bestimmten Grad der Beschränkung. Trotzdem hat das BAG in einer älteren Entscheidung ohne nähere Begründung formuliert, dass die gewerbliche Tätigkeit des Arbeitnehmers „in wirtschaftlich nicht unbedeutender Weise“ behindert sein müsse.147 Später hat das Gericht die Frage ausdrücklich offengelassen.148 Eine Bagatellgrenze für die Anwendbarkeit der §§ 74 ff wird teilweise auch in der Instanzrechtsprechung149 und im Schrifttum150 – meist unter Bezugnahme auf die erstgenannte BAG-Entscheidung und ebenfalls ohne nähere Begründung – gefordert. Von der wohl überwiegenden Auffassung151 wird eine Bagatellgrenze hingegen abgelehnt, zum Teil mit Hinweis auf ansonsten drohende praktische Abgrenzungsschwierigkeiten. Ein Herausnahme von Bagatellbeschränkungen aus dem Anwendungsbereich der §§ 74 ff – 62 sei es im Wege der teleologisch-restriktiven Auslegung oder der teleologischen Reduktion – ist mit Blick auf den Normzweck nicht zu rechtfertigen: Es ist nach dem Konzept des § 74 Sache des Arbeitgebers, bei Vertragsabschluss abzuwägen, ob sich die Zahlung einer Karenzentschädigung für einen – wenn auch nur geringfügigen – Schutz vor Konkurrenz lohnt.152 Von Normwortlaut und -zweck gedeckt ist es lediglich, wenn im Schrifttum zurückhaltender eine „Spürbarkeit“ der Behinderung verlangt wird,153 soweit man dieses Merkmal restriktiv versteht: Wenn eine Beschränkung nur „auf dem Papier“ steht und von Anfang an154 feststeht, dass die Regelung von vornherein keinerlei praktische Auswirkungen für den Betroffenen entfalten 144 Das BAG unterscheidet ausdrücklich zwischen „unternehmensbezogenen“ und „tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverboten, s. BAG 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 (unter I 1 c) = WiB 1997, 1201 m. Anm. Treber. 145 BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5 (unter I 1 b) m.w.N.; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 23; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 11. 146 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 14.1; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 7. 147 BAG 19.2.1959 – 2 AZR 341/56, AP § 74 HGB Nr. 10 (unter II 3 a) m. Anm. Hefermehl. 148 BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5 (unter I 1 b); 16.8.1988 – 3 AZR 664/87, BeckRS 1988, 30727425 (unter B I 1 b). 149 LAG Köln 2.6.1999 – 2 Sa 138/99, NZA-RR 2000, 65 (66); LAG München 4.10.2012 – 11 Sa 515/12, juris (Rn 30). 150 S. etwa Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 18 („marginale wirtschaftliche Folgen“); Reinfeld S. 115; Hopt/Roth41 § 74 Rn 6 („wirtschaftlich nicht gänzlich irrelevant“); Schlegelberger/Schröder § 74 Rn 4. 151 Grüll/Janert S. 39; Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer S. 121; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 23; Röhsler/ Borrmann S. 71; Vesper S. 78 f; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 § 74 Rn 24; wohl auch Heymann/ Henssler/Michel HGB Vor § 74 Rn 11. 152 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 108; Röhsler/Borrmann S. 71. 153 Diller FS Helm, 2002 S. 3 (11), ders. Wettbewerbsverbote9 Rn 108; zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 69. 154 Zur Maßgeblichkeit einer Ex-ante-Betrachtung LAG Köln 2.6.1999 – 2 Sa 138/99, NZA-RR 2000, 65 (66); LAG Hamm 19.2.2016 – 10 Sa 1194/15, BeckRS 2016, 67941 (Rn 37). 843
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kann, liegt keine „Beschränkung“ i.S.d. § 74 Abs. 1 vor – aber auch nur dann. Letzteres ist etwa der Fall, wenn das Verbot lediglich eine Konkurrenztätigkeit betrifft, für die der Arbeitnehmer überhaupt nicht ausgebildet ist und für die er auch im Laufe des Arbeitsverhältnisses nicht die erforderliche Qualifikation wird erwerben können, sodass er sie nach Ende des Arbeitsverhältnisses keinesfalls wird ausüben können.
3. Indirekte Wettbewerbsverbote 63 Wettbewerbsvereinbarungen sind typischerweise als ausdrückliche Verbote ausgestaltet, die hinsichtlich des nachvertraglichen Wettbewerbsverhaltens eine Unterlassungspflicht des Arbeitnehmers begründen und im Klageweg durchgesetzt werden können (vgl. § 74 Rn 83). Es finden sich in der Praxis aber zunehmend auch alternative Vertragsgestaltungen, die keine erzwingbare Pflicht statuieren, aber mittelbar Druck auf den Arbeitnehmer entfalten sollen, um ihn faktisch von einer Wettbewerbstätigkeit abzuhalten. Solche Vereinbarungen werden als „indirekte Wettbewerbsverbote“ (oder „indirekte Wettbewerbsbeschränkungen“) bezeichnet.155
64 a) Prüfungsmaßstab. Auf diese sind die §§ 74 ff jedenfalls nicht unmittelbar anzuwenden. Zwar könnte man sie noch unter den Wortlaut des § 74 Abs. 1 (Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit) fassen;156 jedoch sprechen viele andere Regelungen innerhalb der §§ 74 ff von einem „Verbot“, ebenso § 110 GewO einschließlich dessen amtlicher Überschrift,157 sodass eine direkte Anwendung aus systematischen Gründen ausscheidet. 65 Allerdings kommt eine analoge Anwendung der §§ 74 ff auf indirekte Wettbewerbsverbote in Betracht; alternativ kann ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 75d Satz 2 geprüft werden.158 In Rechtsprechung und Literatur wird im Rahmen der Kontrolle indirekter Wettbewerbsverbote mal der eine, mal der andere Weg beschritten; ein einheitliches Bild ist nicht erkennbar. Für die Anwendung des § 75d Satz 2 spricht, dass man die Umgehungsprüfung immerhin auf eine konkrete normative Grundlage stützen kann.159 Bei näherer Betrachtung ergeben sich daraus aber keine Vorteile; denn zwischen den beiden Alternativwegen bestehen in der Sache keine Unterschiede.160 Nach zutreffender hM im Bereich der allgemeinen Methodenlehre geht es nämlich auch bei der Figur der Gesetzesumgehung letztlich nur um die Frage, ob die „umgangene“ Schutz- oder Verbotsnorm im Wege der Analogie auf den fraglichen Sachverhalt zu erstrecken ist;161 die Figur der Gesetzesumgehung hat gegenüber der Analogie damit praktisch keinen eigenen Stellenwert (näher § 75d Rn 5). Ihr fehlt es auch an sicher handhabbaren Prüfkriterien. Methodisch klarer ist es daher, die Frage nach einer analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff auf indirekte Wettbewerbsverbote zu stellen und nach den üblichen methodischen Kriterien zu beantworten; dadurch lässt sich die „Umgehungs“-Prüfung auch besser strukturieren. 66 Für die Frage, ob und ggf. wann ein zwischen den Parteien vereinbartes „indirektes Wettbewerbsverbot“ unverbindlich bzw. unwirksam ist, bietet sich ein dreistufiges Prüfungsschema an: 155 Der Begriff geht zurück auf Bauer/Diller DB 1995, 426; zu indirekten Wettbewerbsverboten ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 131 ff; Vesper passim. 156 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 131, die indirekte Wettbewerbsverbote aber trotzdem nicht immer unmittelbar an den §§ 74 ff messen wollen. 157 Vesper S. 129. 158 Ausf. zu den in Betracht kommenden Kontrollmechanismen Vesper S. 128 ff. 159 Vgl. Vesper S. 135. 160 Vgl. Bieder S. 232; insofern auch Vesper S. 134 f. 161 Ausf. Dommermuth-Alhäuser Arbeitsrechtsmissbrauch, 2015 S. 47 ff; Rudnik Die Gesetzesumgehung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, 2019 S. 70 ff; Sieker Umgehungsgeschäfte, 2001 S. 58 ff; Teichmann Die Gesetzesumgehung, 1962 S. 67 ff; ders. JZ 2003, 761 (767); im Grundsatz auch Benecke Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004 S. 73 ff, 187 ff; s. auch den Überblick bei Gräf RdA 2021, 201 (204 ff). Weber/Gräf
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Im ersten Schritt ist nach dem Vorliegen einer vergleichbaren Interessenlage (also der analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff) zu fragen. Eine solche ist dann zu bejahen, wenn ein indirektes Wettbewerbsverbot zu einem derartigen Druck führt, dass der Arbeitnehmer faktisch von der Ausübung einer Konkurrenztätigkeit abgehalten wird. Eine solche Abrede soll hier zur Klarstellung als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ bezeichnet werden. Da es keine Bagatellgrenze gibt (Rn 61 f), kommt es auf den Umfang der von der Regelung erfassten Konkurrenztätigkeit (z.B. die Größe des erfassten Konkurrentenkreises) nicht an. Es genügt, wenn sich die Abrede auf ein einziges potenzielles Konkurrenzunternehmen bzw. einen einzigen potenziellen Kunden beschränkt und sich nur diesbezüglich als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ auswirkt. Bereits wenn dieser erste Schritt genommen ist, muss die Vereinbarung sämtlichen Anforderungen der §§ 74 ff genügen. Dies ist in einem zweiten Schritt zu prüfen. Insbesondere muss die Vereinbarung mindestens eine 50-Prozent-Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 analog vorsehen. Ist dies nicht der Fall, ist die Regelung nach § 74 Abs. 2 analog unverbindlich (alternativ – wenn man auf die Umgehungskontrolle abstellt – nach § 75d Satz 2: auch dort wird als Rechtsfolge die Unverbindlichkeit angeordnet). Bei vollständig fehlender Karenzentschädigung kommt die Unverbindlichkeit der Unwirksamkeit gleich (vgl. Rn 23, § 74 Rn 53, § 75d Rn 14). Genügt die konkrete Vereinbarung des „echten indirekten Wettbewerbsverbots“ dem Karenzentschädigungserfordernis nach § 74 Abs. 2 analog – woran es in der Praxis meist fehlen dürfte –, ist die Vereinbarung i.R.d. zweiten Prüfungsschritts noch an § 74a Abs. 1 analog zu messen (bezogen auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis, vgl. § 74a Rn 5, 17). Dies gilt auch dann, wenn man die Prüfung auf das Umgehungsverbot nach § 75d Satz 2 stützt; denn § 75d Satz 2 verbietet – über seinen Wortlaut hinaus – nicht nur eine Umgehung des Karenzentschädigungserfordernisses (§ 74 Abs. 2), sondern auch eine Umgehung der anderen Schutznormen der §§ 74 ff einschließlich des § 74a (§ 75d Rn 6). Hier sind Abstufungen u.a. anhand der Reichweite der in Frage stehenden Regelung nicht nur möglich, sondern sogar geboten. Höchstrichterlich noch nicht geklärt162 und umstritten ist die sich seit der Schuldrechtsmo- 67 dernisierung stellende Frage, ob „indirekte Wettbewerbsverbote“ auch einer AGB-Inhaltskontrolle unterliegen. Dies wird im Schrifttum zunehmend gefordert163 und in der Instanzrechtsprechung vereinzelt schon so praktiziert.164 Die Konsequenz wäre, dass auf Rechtsfolgenseite ggf. auch das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion greifen würde. Richtigerweise ist zu differenzieren: Ist der erste Prüfungsschritt genommen – liegt also ein „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ vor, mit der Konsequenz der analogen Geltung der §§ 74 ff (Rn 66) –, ist § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht mehr anwendbar. §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 gehen nämlich auch hier – in analoger Anwendung – als leges speciales vor. Denn auch dann, wenn die §§ 74 ff analog zur Anwendung kommen, bilden die §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 in Tatbestand und Rechtsfolgen ein geschlossenes Schutzsystem, das nicht durch die AGB-Inhaltskontrolle unterlaufen werden darf (vgl. Rn 38).165 Für eine AGB-Inhaltskontrolle166 ist nur dann Raum, wenn sich die in Frage stehende Vereinbarung unterhalb der skizzierten Schwelle zum „echten indirekten Wettbewerbsverbot“ (erster Prüfungsschritt, Rn 66) bewegt, wenn also die §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 keine analoge Anwendung finden. In diesen Fällen dürfte die Belastungsintensität für den ausgeschiedenen Ar-
162 Vgl. BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 22): das Gericht ließ die Frage in Bezug auf eine Mandantenübernahmeklausel offen. 163 S. etwa Vesper S. 150 f; speziell zu Mandantenübernahmeklauseln etwa Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 134a; Meier NZA 2013, 253 (255 ff). 164 Vgl. zu einer Mandantenübernahmeklausel LAG Schleswig-Holstein 1.7.2014 – 1 Sa 392/13, BeckRS 2014, 72371 (unter III 2). 165 Vgl. demgegenüber Vesper S. 150 f, die die „Umgehungs“-Prüfung nicht auf eine analoge Anwendung des § 74a Abs. 1, sondern auf § 75d Satz 2 stützen möchte: Die AGB-Inhaltskontrolle soll im Bereich des § 75d Satz 2 offenbar ohne Einschränkung anwendbar sein. 166 Diese ist dann auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beziehen und im Wege einer Prognose vorzunehmen. 845
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beitnehmer häufig aber so niedrig sein, dass man die vereinbarte Regelung oft ebenfalls nicht als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beanstanden haben wird. Im Ergebnis kommt der AGB-Inhaltskontrolle daher im Bereich der „indirekten Wettbewerbsverbote“ eine eher untergeordnete Rolle zu.167 Dies entspricht dem Verhältnis zu § 138 BGB, der von § 74a Abs. 1 grundsätzlich ebenfalls verdrängt wird (näher § 74a Rn 42 ff). Etwas anderes gilt freilich für das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 und für § 305c BGB; diese Vorschriften finden auf sämtliche in Form von AGB getroffenen Vereinbarungen uneingeschränkt Anwendung (Rn 41, 44 f).
68 b) Erscheinungsformen indirekter Wettbewerbsverbote. Im Folgenden soll ein Überblick über die wichtigsten Erscheinungsformen von Regelungen gegeben werden, die unter dem Begriff der „indirekten Wettbewerbsverbote“ diskutiert werden.168 Rechtlich unproblematisch sind nach zutreffender hM Abreden, mit denen dem Arbeitneh69 mer ausschließlich Vorteile versprochen werden, wenn er sich nachvertraglich freiwillig des Wettbewerbs enthält.169 Hier entsteht allenfalls ein psychischer, jedoch kein wirtschaftlicher Druck, der solche Regelungen als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ erscheinen ließe. Anders können Klauseln zu beurteilen sein, mit denen dem ausgeschiedenen Arbeitneh70 mer bereits zuvor erhaltene Vorteile im Falle einer nachvertraglichen Wettbewerbstätigkeit wieder entzogen werden sollen. Dazu gehören die sog. Rückzahlungsklauseln, die sich etwa auf zuvor gewährte Sonderleistungen, Fortbildungskosten oder Arbeitgeberdarlehen beziehen können.170 Das BAG hat sich speziell zu diesen noch nicht geäußert. Im Schrifttum werden solche Klauseln teilweise wegen einer Umgehung des Karenzentschädigungserfordernisses pauschal als unwirksam angesehen.171 Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist nach den skizzierten Grundsätzen (Rn 66) zu prüfen, ob die konkrete Regelung einen derartigen Druck entfalten kann, dass sie geeignet ist, den ausgeschiedenen Arbeitnehmer faktisch von einer Konkurrenztätigkeit (wenn auch nur in einem eingeschränkten Bereich) abzuhalten. Im Ergebnis zutreffend ist es daher, wenn – in Anlehnung an eine entsprechende Entscheidung des BGH zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines Handelsvertreters172 – darauf abgestellt wird, ob die Regelungen einen „starken“173 bzw. „nicht nur unerheblichen wirtschaftlichen Druck“174 entfalten. Dies ist vor allem in Abhängigkeit vom Umfang des Rückzahlungsbetrags zu beurteilen.175 Handelt es sich nur um einen sehr geringen Rückzahlungsbetrag, sodass die §§ 74 ff keine analoge Anwendung finden, hat dies nichts mit der (richtigerweise zu verneinenden, Rn 61 f) Frage nach der Anerkennung einer Bagatellgrenze zu tun; vielmehr ist eine Rückzahlungsregelung dann schon gar nicht einem Wettbewerbsverbot – also einem solchen, das eine primäre Unterlassungspflicht statuiert (Rn 63) – gleichzusetzen. Überschreitet der Rückzahlungsbetrag die maßgebliche Schwelle und sind damit die Analogievoraussetzungen gegeben, hängt die Anwendbarkeit der §§ 74 ff – einschließlich des Karenzentschädigungserfordernisses – aber nicht mehr vom Umfang der von der Klausel erfassten Konkurrenztätigkeit 167 Vgl. demgegenüber Vesper S. 150 f, 259 f, 263 ff, 317 ff, 337 ff. 168 S. ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 131 ff; Vesper passim. 169 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 137; Grüll/Janert S. 39; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 47; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 58; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 21; ausf. Vesper S. 166 ff; aA B. Gaul DB 1995, 874: in der Regel unzulässige Umgehung der §§ 74 ff. 170 Näher zu diesen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 138 ff; Vesper S. 213 ff. 171 S. etwa Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 21. 172 Vgl. BGH 16.11.1972 – VII ZR 53/72, JR 1973 m. Anm. Schwerdtner (zum Umgehungsverbot nach § 90a Abs. 4). 173 Vgl. MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 25, der allerdings offenbar davon ausgeht, dass Rückzahlungsklauseln einen solchen Druck stets entfalten. 174 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 58. 175 Zutr. Vesper S. 256 ff, 262 f; vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 138 und Rn 139 (zur Höhe des rückzuzahlenden Darlehens). Weber/Gräf
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(z.B. dem erfassten Konkurrentenkreis) ab; insofern wirkt sich die Ablehnung einer Bagatellgrenze sehr wohl aus. Um eine ähnliche Gestaltungsform handelt es sich bei sog. Verfall- oder Widerrufsklau- 71 seln, die für den Fall nachvertraglicher Konkurrenztätigkeit den Verfall oder die Widerruflichkeit bereits erdienter Ansprüche auf bestimmte Leistungen vorsehen. Geht es um Ansprüche auf Betriebsrentenleistungen,176 sind solche Klauseln wegen der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung dieser Leistungen i.d.R. als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ (Rn 66) nach den §§ 74 ff analog zu beurteilen und wegen der i.d.R. fehlenden Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 analog unwirksam. Darauf kommt es aber letztlich nicht an, da solche Regelungen jedenfalls gegen die Unverfallbarkeitsregelung in § 1b BetrAVG verstoßen.177 Demgegenüber werden Vereinbarungen, die einen Anspruch auf Übergangsgeld unter die Bedingung des Unterlassens von Konkurrenztätigkeit stellen, zutreffend für i.d.R. unbedenklich gehalten.178 Wettbewerbsbezogene Verfallsklauseln werden zuweilen auch im Zusammenhang mit Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogrammen,179 insbesondere mit Aktienoptionsprogrammen vereinbart; bei letzteren sind zusätzlich aktienrechtliche Besonderheiten zu beachten.180 „Indirekte Wettbewerbsverbote“ werden in der Praxis auch im Zusammenhang mit Auflö- 72 sungsverträgen geschlossen.181 Die Instanzrechtsprechung hat einen Auflösungsvertrag für unzulässig gehalten, in dem die Zahlung einer pauschalen Abfindung davon abhängig gemacht wurde, dass der Arbeitnehmer keine Konkurrenztätigkeit aufnimmt.182 Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Zwar sind solche Vereinbarungen im Ausgangspunkt nicht anders zu behandeln als Rückzahlungsklauseln,183 die nach zutreffender Ansicht einer differenzierten Betrachtung zugänglich sind (Rn 70). Hier liegt aber eine Besonderheit darin, dass der Arbeitnehmer – um den Vorteil der Abfindung zu erhalten bzw. behalten zu können – nicht nur auf eine Konkurrenztätigkeit verzichten muss; vielmehr hat er die Abfindung bereits durch den Verlust des Arbeitsplatzes „erkauft“, er ist also doppelt belastet.184 Zu den „indirekten Wettbewerbsverboten“ gehören auch Mandantenübernahmeklauseln 73 (dazu noch Rn 77 ff); zu bedingten Wettbewerbsverboten § 74 Rn 63 ff.
4. Mandantenschutzklauseln Die §§ 74 ff gelten unter Umständen auch, wenn für Angestellte von freiberuflich Tätigen sog. 74 Mandantenschutzklauseln185 (bzw. entsprechend „Patientenschutzklauseln“186 oder allgemein
176 Vgl. hierzu ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 141 ff; Vesper S. 274 ff. 177 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 59 unter Bezugnahme auf BGH 3.7.2000 – II ZR 381/98, NZA 2001, 612 (Altersversorgung eines ehemaligen Vorstandsmitglieds). 178 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 143; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 59 – jeweils unter Bezugnahme auf BGH 3.7.2000 – II ZR 381/98, NZA 2001, 612 (Vorstandsmitglied einer AG); vgl. zu AG-Vorstandsmitgliedern Veltins BB 2013, 1077. 179 Ausf. hierzu Vesper S. 308 ff. 180 Ausf. dazu Fach S. 171 ff; Vesper S. 308 ff; vgl. zur Berücksichtigung von Aktienoptionen bei der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht 2009 S. 116 ff; Grimm Mitarbeitervergütung durch Aktienoptionen 2007, S. 108 ff. 181 Ausf. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 145 ff; s. auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 60. 182 LAG Bremen 25.2.1994 – 4 Sa 309/93, NZA 1994, 889; s. weitere Nachw. zu unveröffentlichten Entscheidungen bei Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 145 ff. 183 Insofern auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 60, der allerdings Rückzahlungsklauseln strenger beurteilt. 184 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 146. 185 Ausf. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 111 ff; Bohle MDR 2003, 140; Büsken MDR 1985, 989. 186 Vgl. dazu im Fall einer Krankenschwester LAG Hamm 19.2.2016 – 10 Sa 1194/15, BeckRS 2016, 67941. 847
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„Kundenschutzklauseln“187) vereinbart werden. Dabei ist nach der Art der Mandantenschutzklausel zu differenzieren:
75 a) Beschränkte Mandantenschutzklauseln. Die sog. beschränkten Mandantenschutzklauseln untersagen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer lediglich, aktiv um die Mandantschaft seines ehemaligen Arbeitgebers zu werben. Sie sind nach hM als bloße Abwerbungsverbote entschädigungslos zulässig. Dies wird damit begründet, dass solche Abwerbemaßnahmen bereits gegen Berufsrecht verstießen, sodass ein arbeitsvertragliches Verbot nicht konstitutiv sei.188 Allerdings wird neuerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass in Teilen des Berufsrechts – aufgrund sowohl legislativer als auch judikativer Veränderungen – eine restriktive Tendenz hinsichtlich der Reichweite von Werbeverboten zu beobachten sei.189 Jedenfalls in Bezug auf einzelne Berufe kann beschränkten Mandantenschutzklauseln daher inzwischen doch eine konstitutive Bedeutung zukommen, sodass die §§ 74 ff Anwendung finden müssen.190 Wo es keine entsprechenden berufsrechtlichen Regelungen gibt – insbesondere außerhalb der freien Berufe – gilt dies ohnehin.191
76 b) Allgemeine Mandantenschutzklauseln. Einfacher ist die Situation bei sog. allgemeinen Mandantenschutzklauseln, die dem früheren Arbeitnehmer nicht nur das gezielte Abwerben, sondern jegliche Betreuung ehemaliger Mandanten des Arbeitgebers verbieten. Sie haben unzweifelhaft konstitutiven Charakter und sind daher unstrittig unmittelbar an §§ 74 ff zu messen.192
77 c) Mandantenübernahmeklauseln. Durch sog. Mandantenübernahmeklauseln wird kein unmittelbares Konkurrenzverbot geregelt. Der ausgeschiedene Arbeitnehmer wird allerdings verpflichtet, für den Fall, dass er Mandanten seines ehemaligen Arbeitgebers übernimmt, einen Teil des Honorars an den früheren Arbeitgeber abzuführen.193 Bei diesen handelt es sich um sog. indirekte Wettbewerbsverbote, auf welche die §§ 74 ff keine unmittelbare Anwendung finden (Rn 64). Es stellt sich aber die Frage nach einer analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff, die bei fehlender bzw. zu niedriger Karenzentschädigungszusage die Unwirksamkeit bzw. Unverbindlichkeit der Klausel nach § 74 Abs. 2 analog zur Folge hätte. Zum gleichen Ergebnis käme 187 Vgl. Bieder S. 231 ff; Lingemann/Chakrabarti NJW 2020, 2316. 188 BAG 16.7.1971 – 3 AZR 384/70, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 25 (unter II 4) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1972, 39 m. Anm. Martens; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 10; Michalski/Römermann ZIP 1994, 446; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 12. 189 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 111 mit Hinweis auf die Änderung des § 52 WPO (für Wirtschaftsprüfer) und auf OLG Naumburg 10.7.2007 – 1 U 14/07, NJW-RR 2008, 445 hinsichtlich § 43b BRAO (für Rechtsanwälte). 190 Für eine generelle Anwendung der §§ 74 ff auf beschränkte Mandantenschutzklauseln inzwischen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 111; in der Tendenz auch MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 22. 191 BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5 (unter B I 2 c); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 111. 192 BAG 16.7.1971 – 3 AZR 384/70, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 25 (unter II 4) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1972, 39 m. Anm. Martens; 7.8.2002 – 10 AZR 586/01, AP § 75d Nr. 4 (unter II 1) m. Anm. Bauer; 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 21); vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 112 f; Bieder S. 231 (der allerdings von einer analogen Anwendung ausgeht); Bohle MDR 2003, 140; Löw MDR 2006, 913 (915 f); Michalski/Römermann ZIP 1994, 446; zur Mandantenschutzklausel in einem anwaltlichen Sozietätsvertrag BGH 29.1.1996 NJW-RR 1996, 741; zu möglichen Besonderheiten bei Ärzten im Hinblick auf § 29 Abs. 2 Satz 2 der Musterberufsordnung Plantholz GesundheitsR 2016, 65 (69 f); Bauer/Diller a.a.O. Rn 113a. 193 Näher zu diesen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 114, 132 ff; Vesper S. 169 ff; s. auch Bohle MDR 2003, 140; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 210a; Büsken MDR 1985, 989; Grimm/Brock/Windeln ArbRB 2005, 92. Weber/Gräf
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man – wenn man die Frage unter dem Gesichtspunkt der Umgehung diskutieren möchte – auf Basis des § 75d Satz 2 (zur Dogmatik bereits Rn 65). Das BAG verfolgt zu Mandantenübernahmeklauseln eine differenzierende Linie: Auf sie sol- 78 len die §§ 74 ff im Ausgangspunkt nicht anwendbar – und damit ohne Karenzentschädigung zulässig – sein, soweit sie dem Schutz eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers dienen und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren. Allerdings sollen Mandantenübernahmeklauseln ohne Karenzentschädigung als „verdeckte Mandantenschutzklauseln“ einzuordnen und damit als Umgehung i.S.d. § 75d Satz 2 zu werten sein, wenn die Aufteilung des Honorars so gestaltet ist, dass sich die Bearbeitung übernommener Mandate nicht lohnt.194 Dies ist methodisch nicht stringent, in der Sache aber zutreffend: Erst dann, wenn sich die Mandatsübernahme finanziell nicht lohnt, übt die Mandantenübernahmeklausel einen derartigen wirtschaftlichen Druck auf den ausgeschiedenen Arbeitnehmer aus, dass sie sich als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ darstellt und die analoge Anwendung der §§ 74 ff begründet (vgl. bereits Rn 66). Der in der Literatur zum Teil geäußerten Gegenauffassung, wonach Mandantenübernahmeklauseln stets, unabhängig von ihrer Ausgestaltung, als unzulässiges Umgehungsgeschäft zu werten sind,195 ist daher eine Absage zu erteilen. Zu beachten ist allerdings, dass es für die Anwendbarkeit der §§ 74 ff ausreicht, wenn die Schwelle zum „echten indirekten Wettbewerbsverbot“ schon in Bezug auf ein einziges potenzielles Mandat überschritten ist, da eine Bagatellgrenze hinsichtlich der Reichweite von Wettbewerbsverboten richtigerweise abzulehnen ist (Rn 61 f; vgl. auch zur Parallele bei Rückzahlungsklauseln Rn 70). Das BAG hat eine Vereinbarung, die den ausgeschiedenen Anwalt pauschal zur Zahlung von 20 % der Nettohonorare verpflichtet, die er innerhalb von zwei Jahren nach Vertragsende mit vom ursprünglichen Arbeitgeber übernommenen Mandanten verdient, für unwirksam gehalten, da die Klausel nicht danach differenzierte, nach welcher Methode die Abrechnung erfolgte, und keine Verbindung zur Höhe der vom Arbeitnehmer bei seinem neuen Arbeitgeber erzielten Arbeitsvergütung herstellte.196 Im Schrifttum wird zunehmend gefordert, Mandantenübernahmeklauseln (zusätzlich) einer 79 AGB-Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB zu unterwerfen.197 Teile der Instanzrechtsprechung verfahren bereits so.198 Das BAG hat die Frage bisher offengelassen.199 Richtigerweise ist – wie oben skizziert (Rn 67) – zu differenzieren: Stellt sich eine Mandantenübernahmeklausel im Einzelfall aufgrund des wirtschaftlichen Drucks als „echtes indirektes Wettbewerbsverbot“ dar und sind daher die §§ 74 ff analog anzuwenden, ist – soweit die Klausel nicht ohnehin schon wegen fehlender oder unzureichender Karenzentschädigung unzulässig ist (§ 74 Abs. 2 analog) – die gebotene Abwägung allein nach Maßgabe des § 74a Abs. 1 analog durchzuführen. Die §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 verdrängen als leges speciales auch im Rahmen der analogen Anwendung die Kontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB (näher Rn 39 und 67). Erst recht nicht zu folgen ist daher der in der Instanzrechtsprechung anzutreffenden These, Mandantenübernahmeklauseln stellten per se eine unangemessene Benachteiligung dar, weil 194 BAG 7.8.2002 – 10 AZR 586/01, AP § 75d HGB Nr. 4 m. Anm. Bauer; 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 21); LAG Köln 24.8.2007 – 11 Sa 241/07, NZA-RR 2008, 10. 195 Steindorff FS Fischer, 1979 S. 747 (768); s. auch LAG Düsseldorf 28.6.2001 – 11 Sa 532/01, LAGE § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 1 (unter A II 3 c): stets analoge Anwendung des § 75d Satz 2; demgegenüber wie das BAG etwa Bauer/Diller DB 1995, 426 (427); Bohle MDR 2003, 140 (141); Grimm/Brock/Windeln ArbRB 2005, 92; Michalski/ Römermann ZIP 1994, 443 (446 ff); weitere Nachw. bei BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 22). 196 BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 26); näher zu den für die „Lohnens-Prüfung“ maßgeblichen Parametern und zu weiteren Klauselbeispielen und deren (instanz)gerichtlicher Beurteilung Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 135 ff; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 51 ff; Vesper S. 190 ff, 212 f. 197 S. etwa Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 134a; Meier NZA 2013, 253 (255 ff); weitere Nachw. bei BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 22). 198 S. etwa LAG Niedersachsen 8.2.2013 – 12 Sa 904/12, NZA-RR 2013, 347; LAG Schleswig-Holstein 1.7.2014 – 1 Sa 392/13, BeckRS 2014, 72371 (unter III 2). 199 Vgl. BAG 11.12.2013 – 10 AZR 286/13, AP § 74 HGB Nr 85 (Rn 22). 849
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sie i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von der Karenzentschädigungspflicht als wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen der §§ 74 ff abwichen.200 § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt richtigerweise in keiner Konstellation zum Zuge: Überschreitet die konkrete Mandantenschutzklausel aufgrund ihrer individuellen Ausgestaltung die Schwelle zum „echten indirekten Wettbewerbsverbot“, sind also die §§ 74 ff analog anzuwenden, wird die AGB-Inhaltskontrolle von vornherein verdrängt. Unterschreitet die konkrete Klausel hingegen diese Schwelle, sind zwar die §§ 74 ff nicht anwendbar (auch nicht analog); von diesen nicht einschlägigen Normen kann die Mandantenübernahmeklausel dann aber auch konsequenterweise nicht i.S.d. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB abweichen. Zwar kann im letztgenannten Fall noch auf die Generalklausel des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückgegriffen werden; wegen der niedrigen Belastungsintensität wird man aber auch danach i.d.R. keine unangemessene Benachteiligung annehmen können (vgl. bereits Rn 67).
5. Geheimhaltungsklauseln 80 Probleme kann auch die Abgrenzung zwischen reinen Verschwiegenheits- bzw. Geheimhaltungsklauseln einerseits und Wettbewerbsverboten andererseits bereiten.201 Keine Anwendung finden die §§ 74 ff auf Vereinbarungen mit rein deklaratorischer Wir81 kung, also solche, die sich auf nachvertragliche Geheimhaltungspflichten beschränken, welche sich auch ohne gesonderte vertragliche Regelung bereits aus allgemeinen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten ergeben würden.202 Nach der Rechtsprechung des BAG besteht eine aus der „nachvertraglichen Treuepflicht“ (nunmehr: Schutzpflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, vgl. dazu bereits Rn 1) abzuleitende Pflicht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers, Geschäftsgeheimnisse nicht an Dritte weiterzugeben.203 Hingegen ist es ihm mit Blick auf die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht untersagt, bei seinem ehemaligen Arbeitgeber legal erlangtes Erfahrungswissen oder Kenntnisse wie Kundennamen und -gewohnheiten für seine eigene berufliche Tätigkeit zu verwenden (z.B. zur Kundenumwerbung).204 Daran hat sich durch das Inkrafttreten des – der Umsetzung der Richtlinie 2016/943/EU205 dienenden – Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG)206 im Jahr 2019 nichts Grundlegendes geän-
200 So aber LAG Schleswig-Holstein 1.7.2014 – 1 Sa 392/13, BeckRS 2014, 72371 (unter III 2). 201 Näher dazu Bieder S. 231 ff; D. Gaul ZIP 1988, 689; Kunz DB 1993, 2483; Mölling Geheimnisschutzklausel und nachvertragliche Wettbewerbsverbote, 1992; Reinfeld Verschwiegenheitspflicht und Geheimnisschutz im Arbeitsund Wirtschaftsrecht, 1989; Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag6 V 20 Rn 37 ff; Salger/Breitfeld BB 2005, 154 (156 ff); zur Rechtslage seit Inkrafttreten des GeschGehG Freckmann/Schmoll BB 2017, 1780 (1782 ff); Holthausen NZA 2019, 1377 (1380 f); Naber/Peukert/Seeger NZA 2019, 583; Preis/Seiwerth RdA 2019, 351 (358); Voigt/Herrmann/Grabenschöer BB 2019, 142 (145). 202 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 64. 203 BAG 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 1 (Bl. 4R f); 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, AP § 611 BGB Treuepflicht Nr. 11 m. Anm. Diller; Schlegelberger/Schröder Rn 4a; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26; plastisch Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag6 V 20 Rn 40: der ausgeschiedene Arbeitnehmer dürfe „nicht als ‚Informationshändler‘ auftreten und Geschäftsgeheimnisse seines ehemaligen Arbeitgebers schlicht an Dritte ‚verkaufen‘“; anders Kunz DB 1993, 2485, der eine grundsätzliche nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht ohne entsprechende Vereinbarung ablehnt. 204 BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 (unter I 2 b ff) m. Anm. Reinfeld = ARBlattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; s. auch BGH 3.5.2001 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91 (92); 27.4.2006 – I ZR 126/03, GRUR 2006, 1044 (Rn 13); zur Nutzung beruflich erlangter Kontaktdaten in sozialen Netzwerken nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Frik/Klühe DB 2013, 1174 (1175 ff). 205 Richtlinie (EU) 2016/943 v. 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, AB. EU L 257 S. 1. 206 BGBl. I S. 466. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 74
dert. Dieses verbietet originär nur die Nutzung von Geschäftsgeheimnissen, die i.S.d. § 4 Abs. 1 GeschGehG unbefugt (z.B. durch das unbefugte Kopieren von Dateien) erlangt wurden (§ 4 Abs. 2 Nr. 1); ansonsten knüpft das GeschGehG lediglich an anderweitig begründete Pflichten zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen an (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GeschGehG), also an die erwähnten Pflichten aus § 241 Abs. 2 BGB.207 Vertragliche Regelungen über nachvertragliche Geheimhaltungspflichten, die über dieses 82 Maß hinausgehen, die also konstitutive Wirkung entfalten sollen, müssen unter Umständen den Vorgaben der §§ 74 ff genügen. Insoweit geht es – anders als bei den „indirekten Wettbewerbsverboten“ (vgl. Rn 65 und 77) – nicht um eine analoge, sondern um eine direkte Anwendung der §§ 74 ff;208 denn solche Regelungen enthalten i.d.R. ausdrückliche Verbote im Sinne von Unterlassungspflichten. Die Frage ist allerdings, wann eine Geheimhaltungspflicht den ausgeschiedenen Arbeitnehmer i.S.d. § 74 „in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt“. Das BAG nimmt dies im Grundsatz bei jeder Verschwiegenheitspflicht an, die über das gerade skizzierte Maß des vom ehemaligen Arbeitnehmer ohnehin nach § 241 Abs. 2 BGB Geschuldeten hinausgeht. Unter die §§ 74 ff fallen danach alle Vereinbarungen, die es dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer verbieten, Namen von Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers für seine – wohlgemerkt: seine eigene (Rn 81) – berufliche Tätigkeit zu verwenden und zu umwerben.209 Dem ist zuzustimmen. Solche Regelungen erfüllen die typische Kundenschutzfunktion einer Wettbewerbsklausel, die nach dem Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf die Beeinträchtigung des Fortkommens des Arbeitnehmers nicht ohne weiteres – insbesondere nicht ohne Karenzentschädigung – zulässig sein soll.210 Offengelassen hat das BAG allerdings, ob dies auch dann gilt, wenn sich das Verbot nur auf einen sehr kleinen Kreis der Kunden des ehemaligen Arbeitgebers bezieht bzw. in anderer Weise (örtlich, zeitlich) beschränkt ist.211 Im Schrifttum wird dies vereinzelt verneint und insofern eine Bagatellgrenze befürwortet.212 Wie dargelegt ist diese Ansicht abzulehnen: Die §§ 74 ff greifen nach Wortlaut und Normzweck vielmehr auch in solchen Fällen ein, solange es nicht von vornherein an einer „Spürbarkeit“ der Beschränkung der gewerblichen Tätigkeit fehlt (Rn 62).213 Sind die §§ 74 ff auf eine Geheimhaltungsklausel anwendbar, werden – wie auch sonst 83 (Rn 38, § 74a Rn 43) – § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und § 138 BGB von den §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 verdrängt.214 Nicht überzeugend ist es daher, wenn inhaltlich überschießende Geheimhal-
207 Preis/Seiwerth RdA 2019, 351 (358). 208 AA Bieder S. 232: analoge Anwendung; vgl. auch Preis/Rolfs Der Arbeitsvertrag6 V 20 Rn 42: Es müsse im Einzelfall geprüft werden, ob die Geheimhaltungsklausel „faktisch wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot wirkt“. 209 BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5 (unter B I 1 b und 2 b); LAG Hamm 16.4.1986 – 15 Sa 165/86, LAGE § 74 HGB Nr. 2 m.w.N.; vgl. ferner BAG 19.2.1959 – 2 AZR 341/56, AP § 74 HGB Nr. 10 (Bl. 2) m. Anm. Hefermehl; 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; D. Gaul ZIP 1988, 689 (691); Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 26. 210 LAG Hamm 16.4.1986 – 15 Sa 165/86, LAGE § 74 HGB Nr. 2. 211 BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, AP § 611 BGB Betriebsgeheimnis Nr. 5 (unter B I 1 b). 212 D. Gaul ZIP 1988, 689 (693): Unter die §§ 74 ff falle eine Geheimhaltungspflicht erst dann, wenn sie „entweder gegenständlich oder personenbezogen so umfassend gestaltet ist, daß dem hierdurch Belasteten die Möglichkeit genommen wird, eine weiterführende berufliche Betätigung in dem von ihm gewählten Berufsgebiet wahrzunehmen“; wohl noch weitergehend gegen eine Anwendbarkeit der §§ 74 ff NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 6. 213 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 124. 214 AA BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 66, der zwar bei „echten“ Wettbewerbsverboten von einer Unanwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeht (a.a.O. Rn 21), der aber die nach seiner Auffassung entscheidende Begründung hierfür (Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung als gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht kontrollfähige Hauptleistungspflichten) im Falle von Geheimhaltungsklauseln als nicht einschlägig ansieht; richtigerweise ergibt sich die Unanwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB aus der Spezialität der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 (Rn 38; vgl. auch – insofern inkonsequent – BeckOGK-HGB/Ittman a.a.O. Rn 21). 851
Weber/Gräf
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1. Buch. Handelsstand
tungspflichten – etwa solche, die nicht nur Geschäftsgeheimnisse, sondern auch sonstige dem Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bekannt gewordenen Tatsachen erfassen („Catch-all-Klauseln“) – mangels berechtigten Interesses des Arbeitgebers als unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB215 oder als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB216 gewertet werden. Gerade solche Konstellationen sind in § 74a Abs. 1 Satz 1 und 2 angesprochen. Die betroffenen Klauseln sind damit grundsätzlich nur unverbindlich – und auch dies nur insoweit, wie sie die Grenzen des § 74a Abs. 1 überschreiten (vgl. § 74a Rn 29 ff). Häufig werden solche Vereinbarungen allerdings auch gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen,217 das auch im Anwendungsbereich der §§ 74 ff zum Zuge kommt (Rn 41); die Rechtsfolge ist wegen des AGB-rechtlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion dann die Gesamtnichtigkeit der Klausel.
III. Zeitpunkt der Vereinbarung 84 Vertragliche Wettbewerbsverbote betreffen die Zeit nach der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses (näher zu Beginn und Dauer des Verbots § 74 Rn 42 ff; zur Unverbindlichkeit bei Vereinbarung einer zu langen Dauer § 74a Rn 1, 29). Die gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 ff kommen aber grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn die Vereinbarung noch während der rechtlichen Geltung des Arbeitsverhältnisses getroffen wird.218 Die §§ 74 ff gelten damit auch bei Vereinbarungen während der Probezeit219 (zu möglichen Gestaltungsvarianten zur Vermeidung der Geltung eines Wettbewerbsverbots bei kurzen Beschäftigungszeiten § 74 Rn 44, 74). Auf Vereinbarungen, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, fin85 den die §§ 74 ff keine Anwendung, da der Arbeitnehmer dann nicht mehr in einem Abhängigkeitsverhältnis zum bisherigen Arbeitnehmer steht. Derartige Wettbewerbsabreden sind also entschädigungslos zulässig.220 Das gilt auch für Vereinbarungen, die nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer getroffen werden, der vom Arbeitgeber Ruhegeld bezieht (zur Anrechnung von Ruhegeld § 74c Rn 13). Wenn die Wettbewerbsabrede allerdings nach erfolgter ordentlicher Kündigung, aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt, gelten die §§ 74 ff.221 Auch Wettbewerbsverbote, die im Zusammenhang mit einer auf Vertrag oder fristloser Kündigung beruhenden Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart werden, unterliegen den §§ 74 ff.222 Das gleiche gilt grundsätzlich, wenn der Arbeitsvertrag im Rahmen eines
215 LAG Köln 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, BeckRS 2019, 44850. 216 LAG Hamm 5.10.1988 – 15 Sa 1403/88, BeckRS 1988, 06934; Holzhausen NZA 2019, 1377 (1379 f). 217 Vgl. insofern auch LAG Köln 2.12.2019 – 2 SaGa 20/19, BeckRS 2019, 44850; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 66.2. 218 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 73. 219 NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 26. 220 BAG 11.3.1968 – 3 AZR 37/67, AP § 74 HGB Nr. 23 (Bl. 2R) m. Anm. Weitnauer; vgl. dazu auch LAG München 12.2.1968 – 5 Sa 539/85, DB 1986, 2191; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudowski § 74 Rn 12; Heymann/ Henssler/Michel HGB § 74 Rn 10. 221 Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 20; Hopt/Roth41 § 74 Rn 4; Schlegelberger/Schröder § 74 Rn 3; zweifelnd Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 93. 222 BAG 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, AP § 74 HGB Nr. 65 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 169 m. Anm. Buchner; 18.8.1997 – 9 AZB 15/97, NZG 1998, 185 m. Anm. Michalski (dort allerdings in einem Sonderfall, bei dem es sich um einen Arbeitnehmer handelte, der zugleich Minderheitsgesellschafter war); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 12; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 6; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 20; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 9; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 27; Hopt/Roth41 § 74 Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 22; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 24; ebenso die Zivilgerichte i.R.d. § 90a, s. etwa BGH 5.12.1968 – VII ZR 102/ 66, NJW 1969, 504; OLG Nürnberg 26.1.2011 – 12 U 1503/10, BeckRS 2011, 03953 m.w.N.; aA RG 15.1.1908 RGZ 67, 333; Weber/Gräf
852
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
Vor § 74
Prozessvergleichs aufgehoben wird.223 Allerdings kann ein Wettbewerbsverbot dann entschädigungslos vereinbart werden, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Prozessvergleich rückwirkend beendet wird.224 Zu Aufhebungsverträgen und ihrer Bedeutung für das Wettbewerbsverbot vgl. § 75 Rn 39 ff. Ausnahmsweise können die §§ 74 ff auf Vereinbarungen anzuwenden sein, die zwar vor 86 Beginn des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, die sich aber auf das künftige Arbeitsverhältnis beziehen (für Vorverträge § 74 Rn 72 f). Das RG hat die §§ 74 ff z.B. auch für die Wettbewerbsabrede mit einem Kaufmann, der sein Geschäft veräußert und beim Erwerber als Arbeitnehmer eintritt, für anwendbar erklärt.225
IV. Internationales Privatrecht Arbeitsverhältnisse mit grenzüberschreitendem Bezug – etwa der Einsatz von Arbeitneh- 87 mern in ausländischen Konzerngesellschaften226 – sind heute keine Seltenheit mehr. Angesichts der erheblichen Unterschiede, die zwischen den nationalen Rechtsordnungen im Hinblick auf die Regeln über nachvertragliche Wettbewerbsverbote – gerade in Bezug auf das Erfordernis einer Karenzentschädigung und ggf. dessen Anforderungen – bestehen,227 kommt dem IPR eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind individualarbeitsvertraglich zu qualifizieren 88 und daher nach Art. 8 Rom I-VO anzuknüpfen.228 Dies gilt entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht229 regelmäßig auch dann, wenn das Wettbewerbsverbot nicht im Arbeitsvertrag selbst geregelt, sondern Bestandteil eines gesonderten Vertrags über die Gewährung von Aktienoptionen (stock options) ist, selbst wenn dieser mit einer – mit der Arbeitgeber-Gesellschaft lediglich konzernverbundenen – Muttergesellschaft abgeschlossen wird230 (vgl. auch Rn 71, 91). Art. 8 Rom I-VO liegt der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde, der nach der EuGHRechtsprechung etwa auch Organmitglieder juristischer Personen erfassen kann, so insbesondere GmbH-Fremdgeschäftsführer231 sowie Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer.232 Das auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot anwendbare Recht kann daher auch im Fall von Geschäftsführern, die nicht Arbeitnehmer i.S.d. deutschen Rechts sind (§ 59 Rn 14 ff), auf Grundlage des Art. 8 Rom I-VO zu ermitteln sein.233 Fällt ein Organmitglied im konkreten Fall hingegen LAG Düsseldorf 6.6.1974 – 7 Sa 116/74, DB 1974, 1915; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 77; HWK/Diller10 § 74 HGB Rn 12. 223 MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 22. 224 BAG 11.3.1968 – 3 AZR 37/67, AP § 74 HGB Nr. 23 m. Anm. Weitnauer; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 78; Hoß DB 1997, 1820; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 22. 225 RG 1.3.1921 RGZ 101, 375 (378). 226 Speziell hierzu Growe Nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen in multinationalen Konzernen, 2010. 227 Ausf. Ländervergleich bei Edenfeld ZfA 2004, 463 ff; Brendel S. 164 ff, 184 ff, 189 ff, 195 ff, 211 ff; speziell zum englischen im Vergleich zum deutschen Recht Growe S. 45 ff, 267 ff, 321; Niehaus passim; Sahavi passim. 228 Staudinger/Magnus (2021) Art. 8 Rom I-VO Rn 244; MünchKommBGB/Martiny8 Art. 8 Rom I-VO Rn 121; MünchArbR/Oetker5 Bd. 1 § 13 Rn 149; Ferrari/Staudinger IntVertragsR3 Rom I-VO Art. 8 Rn 28; zu Art. 30 EGBGB a.F. (Vorgängernorm im deutschen IPR) bereits OLG Celle 13.9.2000 – 9 U 110/00, NZG 2001, 131; Thomas/Weidmann DB 2004, 2694 f. 229 Driver-Polke/Melot de Beauregard BB 2004, 2350 (2351). 230 Hess LAG 14.8.2000 – 10 Sa 982/99, NJOZ 2001, 45 (48); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 97; Fischer DB 1999, 1702 (1703 f); Lingemann/Diller/Mengel NZA 2000, 1191 (1199). 231 EuGH 11.11.2010 – C-232/09 (Danosa), Slg. I-1140 (Rn 43 ff); 9.7.2015 – C-229/14 (Balkaya), ECLI:EU:C:2015:455 (Rn 40 ff). 232 EuGH 10.9.2015 – C-47/14 (Holterman Ferho Exploitatie), ECLI:EU:C:2015:574 (Rn 39 ff). 233 Demgegenüber eine Anwendbarkeit des Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO auf Organmitglieder pauschal abl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 97. 853
Weber/Gräf
Vor § 74
1. Buch. Handelsstand
nicht unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff, ist das in dessen Anstellungsvertrag geregelte Wettbewerbsverbot dienstvertraglich zu qualifizieren,234 also nach Art. 4 Abs. 1 lit. b Rom I-VO anzuknüpfen. 89 Nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 3 Rom I-VO besteht die Möglichkeit der Rechtswahl. Nach zutreffender hM ist auch eine sog. Teilrechtswahl allein für den Bereich des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots möglich.235 Der Rechtswahl sind allerdings durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO Grenzen gesetzt. Die §§ 74 ff sind als „zwingende“ Schutzvorschriften in diesem Sinne anzusehen, da Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO insoweit in das nationale Recht verweist und § 74d individualarbeitsvertragliche Abweichungen zum Nachteil des Arbeitnehmers verbietet.236 Es ist daher ein Günstigkeitsvergleich durchzuführen, und zwar nach ganz hM237 in Form eines Sachgruppenvergleichs. Es sind also die Regelungen in den §§ 74 ff in ihrer Gesamtheit (aber auch nur diese) dem entsprechenden Normenkomplex der ausländischen Rechtsordnung gegenüberzustellen. Dabei kommt der Frage der Karenzentschädigungspflicht eine zentrale Rolle zu. 90 Ob die §§ 74 ff als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO zu qualifizieren sind, ist im Hinblick auf das Merkmal des „öffentlichen Interesses“ umstritten. Entgegen der wohl hM238 ist die Frage zu verneinen.239 Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO setzt voraus, dass der Schutz öffentlicher Interessen gegenüber dem Individualschutzzweck nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist.240 Im Fall der §§ 74 ff ist primärer Normzweck klar der Individualschutz des Arbeitnehmers; der Schutz des Allgemeininteresses an einem funktionierenden Wettbewerb ist demgegenüber nachrangig (Rn 13).
234 Thomas/Weidmann DB 2004, 2694 mit dem Hinweis, dass auch eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation in Betracht kommt, wenn das Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. 235 Staudinger/Magnus (2021) Art. 8 Rom I-VO Rn 244; MünchKommBGB/Martiny8 Art. 8 Rom I-VO Rn 33; MünchArbR/Oetker5 Bd. 1 § 13 Rn 149; zumindest in der Tendenz auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 97; aA – allerdings jeweils noch zum alten Recht (Art. 30 EGBGB a.F.) – Birk RabelsZ 46 (1982) 403; Fischer DB 1999, 1702 (1703). 236 So i.E. auch schon zum alten Kollisionsrecht Brendel S. 102; Thomas/Weidmann DB 2004, 2694 (2696). 237 Statt vieler Deinert RdA 2009, 144 (149); Gräf ZfA 2012, 557 (600); MünchKommBGB/Martiny8 Art. 8 Rom I-VO Rn 44; Schneider NZA 2010, 1380 (1382). 238 Fischer DB 1999, 1702 (1704); Franzen/Gallner/Oetker/Krebber EuArbRK4, Art. 9 VO (EG) 593/2008 Rn 57; Staudinger/Magnus (2021) Art. 8 Rom I-VO Rn 245; MünchArbR/Oetker5 Bd. 1 § 13 Rn 149; diff. Growe S. 366 ff, die nur §§ 74 Abs. 2 und 74b als Eingriffsnormen i.S.d. Art. 34 EGBGB a.F. qualifiziert. 239 Wie hier Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 96; ebenso zum alten Recht (Art. 34 EGBGB a.F.) Brendel S. 104; Driver-Polke/Melot de Beauregard BB 2004, 2350 (2352); C. Müller International zwingende Normen des deutschen Arbeitsrechts, 2020 S. 367 ff; Thomas/Weidmann DB 2004, 2694 (2695). 240 BAG 13.11.2007 – 9 AZR 134/07, AP EGBGB Art. 27 Nr. 8 m. Anm. Knöfel; MünchArbR/Oetker5 Bd. 1 § 13 Rn 70; teilw. wird sogar ein deutliches Überwiegen des öffentlichen Interesses gefordert; so etwa ErfK/Schlachter22 Art. 9 Rom I-VO Rn 21. Weber/Gräf
854
§ 74 [Vertragliches Wettbewerbsverbot; Karenz] (1) Eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehilfen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt (Wettbewerbsverbot), bedarf der Schriftform und der Aushändigung einer vom Prinzipal unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Gehilfen. (2) Das Wettbewerbsverbot ist nur verbindlich, wenn sich der Prinzipal verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von dem Handlungsgehilfen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht A.
Zustandekommen des Wettbewerbsver1 bots
I.
Abschluss der Wettbewerbsabrede
II. 1. 2. 3.
Schriftform (§ 74 Abs. 1) 6 Formzwecke 7 Anforderungen an die Schriftform Gegenstand und Umfang des Schriftformerfor10 dernisses Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Schrift14 form
4.
45
2.
Ende
C.
Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2)
I.
Normzweck und Überblick
II. 1.
Zusage einer Karenzentschädigung Anforderungen an die Karenzentschädigungs49 vereinbarung Rechtsfolgen bei fehlender Karenzentschädi53 gungsvereinbarung
3
2.
III. III.
Aushändigung der Urkunde (§ 74 Abs. 1)
IV.
Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhält20 nis
16 1. 2.
47
Zusage in der gesetzlich vorgesehenen Mindesthöhe Bemessung der gesetzlichen Mindest56 höhe Anforderungen an die Karenzentschädigungs57 vereinbarung Rechtsfolgen bei Unterschreitung der Mindest59 höhe
B.
Inhalt und Reichweite des vereinbarten Wettbewerbsverbots
3.
I.
Maßgeblichkeit und Grundsätze der Vertragsaus23 legung
II. 1.
Bedingte Wettbewerbsverbote und Vorverträge 63 Unzulässige Bedingungen 72 Vorverträge 74 Zulässige Bedingungen
D.
2. 3. 4. 5.
26 Sachliche Reichweite Unternehmens- und tätigkeitsbezogene Wettbe27 werbsverbote 30 Betroffener Marktbereich 32 Erfasste Tätigkeiten 36 Gesellschaftsbeteiligung 37 Konzerndimensionalität
IV. 1. 2. 3.
Übergang der Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsvereinbarung
I.
Rechtsgeschäftliche Übertragung und Universal76 sukzession
III.
Räumliche Reichweite
II. 1.
IV. 1.
Zeitliche Reichweite 42 Beginn
Betriebs(teil)übergang Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Be78 triebsübergang
39
855 https://doi.org/10.1515/9783111097510-057
Weber/Gräf
§ 74
1. Buch. Handelsstand
2.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Be82 triebsübergang
E.
Rechtsfolgen bei Verstößen
I.
Verletzung des Wettbewerbsverbots
1. 2. 3.
83 Unterlassung 85 Leistungsstörungsrecht Beweislast und Auskunftsanspruch
II.
Verletzung der Pflicht zur Zahlung der Karenz92 entschädigung
90
A. Zustandekommen des Wettbewerbsverbots 1 Die §§ 74 ff betreffen Vereinbarungen, durch die sich ein Arbeitgeber vor Konkurrenz des Arbeitnehmers nach Ablauf des Arbeitsverhältnisses schützen will, indem der Arbeitnehmer in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird (zum Anwendungsbereich der §§ 74 ff ausf. Vor § 74 Rn 47 ff). Für deren Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit macht § 74 in Abs. 1 – in Ergänzung zu den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (Rn 3 ff) – besondere formale Vorgaben (Rn 6 ff, 16 ff). In Abs. 2 (Erfordernis einer Karenzentschädigun, Rn 47 ff) und § 74a sind besondere inhaltliche Vorgaben vorgesehen (vgl. auch den Überblick Vor § 74 Rn 19 ff). 2 Während § 74 das Zustandekommen von Wettbewerbsverboten betrifft, wird deren Beendigung parziell in § 75 geregelt (vgl. – auch zu anderen Beendigungsarten – die dortige Kommentierung; s. zum Verzicht § 75a; zum Rücktritt und zur Kündigung Rn 86 f, 94).
I. Abschluss der Wettbewerbsabrede 3 Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots erfolgt nach Maßgabe der allgemeinen Grundsätze des Vertragsrechts (§§ 145 ff BGB). Sie kann als Bestandteil des Arbeitsvertrags oder gesondert vereinbart werden.1 Zulässig ist dabei auch eine Regelung im Rahmen von AGB. Dann sind allerdings u.a. das 4 Verbot überraschender Klauseln (§ 305c Abs. 1 BGB) und das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) zu beachten; hingegen wird die AGB-Inhaltskontrolle im Übrigen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) von §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 verdrängt (näher Vor § 74 Rn 31 ff). Problematisch sind Vereinbarungen in Vorverträgen (Rn 72 f). Fraglich ist, ob Wettbewerbsabreden i.S.d. § 74 auch in kollektivvertraglichen Regelungen 5 vereinbart werden können. Dies ist sowohl für Tarifverträge2 als auch für Betriebsvereinbarungen3 bzw. Richtlinien nach dem SprAuG4 in der Theorie zu bejahen (vgl. zum Formerfordernis Rn 8). Allerdings lassen sich nachvertragliche Wettbewerbsverbote kaum sinnvoll und in Konformität mit den §§ 74 ff für die Gesamtheit der vom persönlichen Anwendungsbereich des Kollektivvertrags erfassten Arbeitnehmer regeln. Es überrascht daher nicht, dass solche Regelungen in Tarifverträgen nicht und in Betriebsvereinbarungen nur höchst selten vorkommen.5 Am ehesten ist dies noch auf betrieblicher Ebene denkbar und auch hier – da Arbeitgeber ein Inte-
1 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 5. 2 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 16; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 125 ff; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75d Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 34; aA Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 15, § 75d Rn 4; Löwe Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, 1988 S. 153 ff. 3 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 22; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 120 ff; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 8; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 35; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 15. 4 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 23. 5 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 16, 22, 23 mit Verweis auf LAG Hamm 2.4.1965 – 4 Sa 85/65, BB 1965, 988 (zu einer Betriebsvereinbarung). Weber/Gräf
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resse an nachvertraglichen Wettbewerbsverboten vor allem in Bezug auf Führungskräfte haben – vor allem im Bereich des SprAuG.6 Vgl. zu der – hiervon zu unterscheidenden – Frage, ob kollektivvertraglich von den gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 ff abgewichen werden darf, § 75d Rn 17 ff.
II. Schriftform (§ 74 Abs. 1) 1. Formzwecke Zu ihrer Wirksamkeit bedarf die Vereinbarung des Wettbewerbsverbots nach § 74 Abs. 1 der 6 Schriftform.7 Das Schriftformerfordernis erfüllt hier vor allem eine Warnfunktion zugunsten des Arbeitnehmers: Dieser soll nach Möglichkeit vor einer unüberlegten Bindung geschützt werden.8 Daneben erfüllt § 74 Abs. 1 eine Beweisfunktion: Die Schriftform soll Streitigkeiten hinsichtlich des Zustandekommens und des Inhalts einer Wettbewerbsvereinbarung vermeiden.9
2. Anforderungen an die Schriftform Das Schriftformerfordernis richtet sich nach § 126 BGB. Daher müssen beide Vertragspartner 7 entweder auf derselben oder jeder auf der für den anderen bestimmten Urkunde unterzeichnen (§ 126 Abs. 2 BGB).10 Weder reicht aber ein bloßer Briefwechsel – § 127 Satz 2 BGB gilt nicht für die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform – noch ein vom Arbeitgeber unterzeichnetes Bestätigungsschreiben.11 Eine nicht unterzeichnete Wettbewerbsklausel ist ausreichend, wenn sie – etwa als Anlage – mit dem unterzeichneten Arbeitsvertrag zu einer Gesamturkunde verbunden ist und im Arbeitsvertrag auf sie verwiesen wird.12 Das BAG setzt für die Zusammenfassung zu einer Gesamturkunde nicht mehr eine feste körperliche Verbindung, die nur unter Substanzbeeinträchtigung gelöst werden kann (z.B. durch Zusammenheften), voraus, sondern lässt es inzwischen genügen, wenn die Zusammengehörigkeit in sonstiger Weise erkennbar gemacht wird (z.B. durch Nummerieren der Blätter).13 Möglich ist nach § 126 Abs. 3 BGB auch die elektronische Form gemäß § 126a BGB;14 in 8 diesem Fall muss aber gleichwohl eine Urkunde ausgehändigt werden.15 Nach § 127a i.V.m. § 126
6 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 22 f. 7 Dazu ausführlich Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 184 ff. 8 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 19) m. Anm. Diller; 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 28) m. Anm. Fehrenbach; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 36. 9 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 29); vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 185, die die Beweisfunktion als gleichwertig ansehen. 10 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 30); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 20) m. Anm. Diller. 11 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 24. 12 BAG 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46 (Bl. 1R) m. Anm. Beitzke; 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 33). 13 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 34 ff) im Anschluss an die entsprechende Rspr.-Änderung des BGH; anders noch BAG 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46 (Bl. 1R) m. Anm. Beitzke. 14 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 190; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 131; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 25; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 28; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 43; aA Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 25; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 11; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 13 – jeweils mit Hinweis auf § 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG (dagegen zutr. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 25: § 2 Abs. 1 Satz 3 NachwG ist keine Formvorschrift). 15 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 207; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 15. 857
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Abs. 4 BGB genügt auch die Vereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich.16 Die Aufnahme in einen Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder eine Richtlinie nach dem SprAuG (vgl. Rn 5) kann die Schriftform ersetzen; allerdings ist eine Aushändigung an den Arbeitnehmer zu fordern.17 Bei Unterschrift eines Prokuristen wird zum Teil der Vertretungszusatz nach §§ 51, 53 9 („ppa“) gefordert.18 Dem wird zutreffend entgegengehalten, dass es sich bei § 51 nur um eine Ordnungsvorschrift handelt.19 Wie auch sonst genügt es daher, wenn die Vertretung in der Urkunde auf andere Weise zum Ausdruck gebracht wird.20
3. Gegenstand und Umfang des Schriftformerfordernisses 10 In die Urkunde müssen alle wesentlich den vertraglichen Inhalt des Wettbewerbsverbots betreffenden Regelungen aufgenommen werden, insbesondere auch die Karenzentschädigungszusage.21 Dem Formerfordernis des § 74 Abs. 1 ist dabei nach zutreffender Rechtsprechung des BAG Genüge getan, wenn die Parteien zwar nicht die genaue Höhe fixiert haben, wenn sie aber in der Urkunde die Zahlung einer Entschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe vereinbart, also hinsichtlich Entstehung und Höhe der Karenzentschädigung auf § 74 Abs. 2 verwiesen haben.22 Entgegen der Ansicht des BAG23 reicht es aber jedenfalls unter Formgesichtspunkten nicht aus, wenn allgemein vereinbart wird, dass „die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff HGB gelten“ sollen24 (vgl. auch noch Rn 50). Dem Formerfordernis wird erst recht nicht entsprochen, wenn lediglich ein Wettbewerbsverbot „im Rahmen der rechtlichen Zulässigkeit“ vereinbart wird.25 Auch bei salvatorischen Klauseln bestehen Formbedenken (Rn 54). Ist ein wesentlicher Teil der Vereinbarung nicht in die Urkunde aufgenommen worden, so ist im Zweifel die ganze Vereinbarung vom Formfehler erfasst, wenn sie nicht auch ohne den infolge der Nichtaufnahme nichtigen Teil vereinbart worden wäre (vgl. § 139 BGB).26 Das Formerfordernis gilt nicht für die – im Rahmen der Vertragsfreiheit jederzeit mögli11 che – Aufhebung eines zuvor vereinbarten Wettbewerbsverbots.27 Eine mündliche Aufhebung genügt auch dann, wenn die Parteien zuvor rechtsgeschäftlich die Schriftform für Vertragsänderungen vereinbart haben, da sie hiervon bei übereinstimmendem Willen konkludent wieder ab16 LAG Hessen 31.5.2017 – 18 Sa 768/16, BeckRS 2017, 123014 (Rn 38). 17 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 192; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 13; Hopt/Roth41 Rn 17; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 35; aA Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 139a. 18 LAG Hamm 10.1.2005 NZA-RR 2005, 428. 19 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18 (Fn 59) mit Rspr.-Nachw. 20 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 35; laut Bauer/Diller (Wettbewerbsverbote9 Rn 193) soll es – da es sich bei der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots um ein unternehmensbezogenes Geschäft handele – sogar genügen, wenn (wie regelmäßig) aus den Gesamtumständen erkennbar ist, dass der Prokurist, Geschäftsführer etc. nicht selbst Geschäftspartner sein will. Zur besonderen Situation bei gesamtvertretungsberechtigten Prokuristen, Geschäftsführern etc. vgl. Bauer/Diller a.a.O. Rn 193a ff. 21 LAG Düsseldorf 4.12.2009 – 9 Sa 717/09, BeckRS 2010, 67734 (unter 1 c); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 197; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 135. 22 BAG 14.8.1975 – 3 AZR 333/74, AP § 74 HGB Nr. 35 (unter 1 d) = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 114 m. Anm. Buchner; 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 21) m. Anm. Diller; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 199; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 36; vgl. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 140a; abl. Gravenhorst NJW 2006, 3609 ff. 23 BAG 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 16). 24 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 199; anders noch Staub/Weber (5. Aufl.). 25 So allerdings LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10, BeckRS 2010, 74441; demgegenüber zutr. Diller NZA 2014, 1184 (1185 f); ders. Wettbewerbsverbote9 Rn 199a; zust. Naber NZA 2017, 1170 (1172). 26 Vgl. BGH 13.11.1963 – V ZR 8/62, BGHZ 40, 255 = NJW 1964, 295. 27 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 222, 712 ff; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 9; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 46. Weber/Gräf
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weichen können;28 etwas anderes gilt bei Verwendung einer korrekt vormulierten doppelten Schriftformklausel.29 Auch Tarifverträge können für die Aufhebung von Wettbewerbsvereinbarungen die Schriftform vorsehen.30 Erfolgt die Aufhebung des Wettbewerbsverbots im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, erfasst das für den Aufhebungsvertrag geltende Schriftformerfordernis des § 623 BGB auch die Aufhebung der Wettbewerbsklausel.31 Allerdings ist es eine Frage der Auslegung, ob die Aufhebung des Arbeitsvertrags bzw. eine sog. Ausgleichsquittung die Wettbewerbsabrede überhaupt erfasst (näher § 75 Rn 42 f). Die Änderung einer zuvor (formwirksam) abgeschlossenen Vereinbarung bedarf stets der 12 Schriftform32 (und auch der Urkundenaushändigung33). Dies gilt auch bei Modifikationen zugunsten des Arbeitnehmers, etwa einer Erhöhung der Karenzentschädigung oder einer Reduzierung der Reichweite des Wettbewerbsverbots; hier greift zwar nicht die arbeitnehmerschützende Warnfunktion, immerhin aber die Beweisfunktion (Rn 6). Es genügt allerdings, wenn lediglich die geänderten Inhalte schriftlich fixiert werden; eine neue Gesamturkunde über die ganze Wettbewerbsvereinbarung muss nicht zwingend erstellt werden34 (vgl. demgegenüber zu der Situation, dass zuvor noch keine Karenzentschädigung vereinbart war, Rn 49). Das Formerfordernis gilt nach zutreffender Ansicht des LAG Hamm auch im Rahmen der 13 Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags,35 und ebenso, wenn ein zunächst wirksam gekündigtes Arbeitsverhältnis von den Parteien dann doch einvernehmlich fortgesetzt wird.36 Dabei muss allerdings nicht zwingend das Wettbewerbsverbot selbst (mit sämtlichen wesentlichen Bedingungen, Rn 10) erneut schriftlich vereinbart werden; den Formfunktionen (Rn 6) ist vielmehr schon dann genüge getan, wenn im Rahmen des neuen Arbeitsvertrags schriftlich auf die ursprüngliche Vereinbarung Bezug genommen wird.37 Zur Form beim Vorvertrag vgl. Rn 73; zur Form bei Vertragsstrafenregelungen § 75c Rn 3.
4. Rechtsfolgen bei Nichtbeachtung der Schriftform Die Verletzung des Schriftformerfordernisses macht das Wettbewerbsverbot nichtig (§ 125 Satz 1 14 BGB).38 Davon wird allerdings in der Regel nicht auch der Arbeitsvertrag (im Übrigen) erfasst (Rn 20). Aus der Nichtigkeit folgt, dass in aller Regel keine Vertragspartei aus dem Wettbewerbsver- 15 bot Rechte herleiten kann.39 Die Berufung auf die Formnichtigkeit ist nur ganz ausnahmsweise 28 BAG 10.1.1989 – 3 AZR 460/87, AP § 74 HGB Nr. 57; 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, EzA § 74 HGB Nr 64 (unter II 2) m. Anm. Gravenhorst; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 712; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 363 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 36, 69. 29 Näher hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 712. 30 Vgl. BAG 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 50. 31 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 368. 32 LAG Hessen 31.5.2017 – 18 Sa 768/16, BeckRS 2017, 123014 (Rn 38); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 222; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 26; Röhsler/Borrmann S. 75; aA Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 27; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 25. 33 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 219 m.w.N. 34 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 219; zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 32. 35 LAG Hamm 14.2.2007 – 14 Sa 141/07, BeckRS 2009, 59250; zust. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 25; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 196, 220a. 36 LAG Hamm 16.2.2016 – 14 Sa 1473/15, Beck RS 2016, 69103 (Rn 20 ff); zust. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 25; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 33; diff. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 26.1 (Geltung der Schriftform nur bei einer Verlängerung nach Ablauf der Kündigungsfrist); aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 220a. 37 So zur zweiten Konstellation ausdr. LAG Hamm 16.2.2016 – 14 Sa 1473/15, Beck RS 2016, 69103 (Rn 20, 24). 38 BAG 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 28) m. Anm. Fehrenbach m.w.N. 39 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 19) m. Anm. Diller. 859
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als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) ausgeschlossen. So kann der Arbeitgeber sich ebenso wenig auf von ihm verschuldete Formfehler berufen wie der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber bewusst von der Einhaltung der ihm als erforderlich bekannten Form abgehalten hat.40 So hat das LAG Düsseldorf zutreffend entschieden, der Arbeitgeber könne sich zur Abwehr einer Karenzentschädigungsforderung nicht auf die Formnichtigkeit berufen, wenn dieser dem Arbeitnehmer die juristische Zulässigkeit der Vereinbarung versichert und die Einstellung des Arbeitnehmers davon abhängig gemacht hat, dass der Arbeitnehmer der Vereinbarung zustimmt.41
III. Aushändigung der Urkunde (§ 74 Abs. 1) 16 Nach § 74 Abs. 1 muss dem Arbeitnehmer weiterhin eine Urkunde mit der Unterschrift des Arbeitgebers ausgehändigt werden. Die Aushändigung muss auf Dauer und nicht nur vorübergehend erfolgen.42 Eine öffentlich beglaubigte Abschrift reicht nicht, wohl aber die Ausfertigung einer gerichtlichen oder notariellen Beurkundung (vgl. §§ 126 Abs. 4, 127a, 128 BGB, § 47 BeurkG).43 In analoger Anwendung des § 147 BGB muss die Aushändigung unmittelbar im Anschluss an die Vereinbarung erfolgen.44 Eine Verzögerung der Aushändigung braucht der Arbeitnehmer nicht hinzunehmen;45 seine Annahme heilt diesen Mangel aber.46 Bei unberechtigter Annahmeverweigerung muss sich der Arbeitnehmer so behandeln las17 sen, als ob die Urkunde ausgehändigt worden wäre (vgl. § 162 BGB); es gelten die allgemeinen Regeln über die arglistige Zugangsvereitelung von Willenserklärungen.47 Der Arbeitgeber kann sich durch Zustellung nach § 132 BGB schützen.48 Eine Hinterlegung der Urkunde nach §§ 372 ff BGB kommt hingegen nicht in Betracht, da ihre Aushändigung keine vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers ist, sondern ein gesetzliches Formerfordernis für die Wirksamkeit des Vertrages darstellt. Unterbleibt die in § 74 Abs. 1 vorgeschriebene Aushändigung der Urkunde, so führt dies 18 nicht zur Formunwirksamkeit des Wettbewerbsverbots.49 Die Übergabe der Urkunde ist kein Formerfordernis, sondern stellt lediglich eine Dokumentationsregelung dar, sodass § 125 Satz 1 BGB hier nicht greift. Auch aus § 74 Abs. 1 selbst ergibt sich die Unwirksamkeit der Wettbewerbsabrede nicht. Zwar „bedarf“ das Wettbewerbsverbot nach dem Normwortlaut der Aushändigung der Urkunde. Zu Recht legt das BAG § 74 Abs. 1 aber einschränkend aus und verwehrt es nur dem Arbeitgeber, sich auf das Wettbewerbsverbot zu berufen. Der Arbeitnehmer hingegen, dessen Interesse allein die Aushändigung der Urkunde dient, kann am Wettbewerbsverbot
40 BAG 26.9.1957 – 2 AZR 309/56, AP § 74 HGB Nr. 2 m. Anm. Larenz = SAE 1958, 14 m. Anm. Walter; LAG Hamm 18.7.2003 – 7 Sa 734/03, BeckRS 2003, 31031398 (unter I); Schlegelberger/Schröder Rn 10d. LAG Düsseldorf 4.12.2009 – 9 Sa 717/09, BeckRS 2010, 67734 (unter 1 d). LAG Nürnberg 21.7.1994 – 5 Sa 391/94, LAGE § 74 HGB Nr. 11; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 209. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 28; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 37. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 210; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 20; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 30; vgl. demgegenüber NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 50, die eine Frist von einem Monat u.U. noch für ausreichend hält. 45 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 212. 46 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 13. 47 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 32. 48 Schlegelberger/Schröder Rn 10a. 49 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 2R) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 215; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 148; DLW/Dörner Teil F Rn 92; vgl. auch zu einem Vorvertrag BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 26); aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21.
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festhalten.50 Es handelt sich demnach um einen Fall der Unverbindlichkeit eines Wettbewerbsverbots, die zu einem Wahlrecht des Arbeitnehmers führt (vgl. Vor § 74 Rn 20, 22 ff sowie untern Rn 59 ff). Die Beweislast für die Aushändigung der Urkunde trägt nach allgemeinen Grundsätzen 19 derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Wettbewerbsabrede beruft. Das kann sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer sein.51
IV. Wettbewerbsabrede und Arbeitsverhältnis Wenn die Wettbewerbsabrede unwirksam ist, hat dies in der Regel keine Auswirkungen auf 20 den Arbeitsvertrag. Würde die Nichtigkeit der Wettbewerbsabrede aufgrund eines Verstoßes gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften der §§ 74 ff die Nichtigkeit des ganzen Arbeitsverhältnisses bewirken, wäre der Schutzzweck des Gesetzes in sein Gegenteil verkehrt.52 Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Arbeitsvertrags ist umgekehrt nicht unbedingt 21 auch auf die Wettbewerbsabrede zu übertragen. Vielmehr ist auf den Zweck einer Wettbewerbsabrede abzustellen: Sie soll verhindern, dass ein aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedener Arbeitnehmer innerhalb einer bestimmten Frist Kenntnisse und Erfahrungen, die er bei seinem früheren Arbeitgeber erworben hat, in ein konkurrierendes Unternehmen einbringt, sie dort verwertet und so den früheren Arbeitgeber schädigt.53 Aus diesem Grund kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Gelegenheit hatte, wettbewerbsrechtlich bedeutsame Kenntnisse und Erfahrungen zu gewinnen, was in der Regel den tatsächlichen Vollzug des Arbeitsverhältnisses voraussetzt.54 Wird ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag allerdings nach § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten, wird der anfechtenden Partei zutreffend ein Lossagungsrecht nach § 75 Abs. 1 analog hinsichtlich der Wettbewerbsabrede eingeräumt.55 Nach dem gleichen Maßstab sind Fälle zu beurteilen, in denen zwar ein Arbeitsvertrag wirk- 22 sam abgeschlossen wurde, das Arbeitsverhältnis aber nicht realisiert worden ist, weil der Arbeitnehmer den Dienst gar nicht erst angetreten hat. Das Wettbewerbsverbot erlangt dann nur Bedeutung, wenn der Arbeitnehmer bereits vor dem vorgesehenen Arbeitsbeginn intensiv in seine neuen Aufgaben eingewiesen wurde und dabei gerade die für einen Wettbewerb bedeutsamen Informationen erlangt hat (Rn 28 und § 74a Rn 12).
50 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 2R) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Heymann/Henssler/ Michel HGB Rn 31; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 16; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 14; vgl. auch zu einem Vorvertrag BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 26). 51 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 216; aA MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 39 (Beweislast stets beim Arbeitgeber). 52 RG 11.12.1934 RGZ 146, 116 (118 f); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17, § 74a Rn 30; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 121; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16. 53 BAG 3.2.1987 – 3 AZR 523/85, AP § 74 HGB Nr. 54. 54 BAG 3.2.1987 – 3 AZR 523/85, AP § 74 HGB Nr. 54; LAG München 19.12.2007 – 11 Sa 294/07, BeckRS 2009, 67579; 3.12.2008 – 11 Sa 538/08, BeckRS 2009, 67545; vgl. auch BAG 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, AP § 123 BGB Nr. 25 (Bl. 5R) m. Anm. Mühl = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 137 m. Anm. Buchner = EzA § 123 BGB Nr. 23 m. Anm. Wank = SAE 1984, 173 m. Anm. Misera; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 17; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/ Vogt5 Rn 12; i.E. ähnlich unter Verweis auf das fehlerhafte Arbeitsverhältnis Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 122 ff; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 2; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 54; für ein Wahlrecht des Arbeitgebers Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 56; für Erstreckung der Nichtigkeit des Arbeitsvertrags auf die Wettbewerbsabrede Schlegelberger/Schröder Rn 10c. 55 LAG München 19.12.2007 – 11 Sa 294/07, BeckRS 2009, 67579 (unter III 2); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 653; offen gelassen von BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 29) m. Anm. Diller. 861
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B. Inhalt und Reichweite des vereinbarten Wettbewerbsverbots I. Maßgeblichkeit und Grundsätze der Vertragsauslegung 23 Der Inhalt einer Konkurrenzklausel in sachlicher (Rn 26 ff), räumlicher (Rn 39 ff) und zeitlicher (Rn 42 ff) Hinsicht ergibt sich aus der Parteivereinbarung und ist nötigenfalls durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln56 (vgl. zu der hiervon zu unterscheidenden Frage, wann eine Vereinbarung überhaupt als Wettbewerbsverbot zu qualifizieren ist und unter den persönlichen, sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich der §§ 74 ff fällt: Vor 74 Rn 46 ff). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den §§ 74 ff einen Interessenausgleich 24 vorgenommen hat, der den zulässigen Inhalt der Vereinbarung umreißt und damit auch den zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien maßgeblich beeinflusst. Diese werden regelmäßig bemüht sein, ein zulässiges Wettbewerbsverbot zu vereinbaren.57 Deshalb verbietet sich eine von vornherein extensive oder restriktive Auslegung.58 Das BAG verlangt allerdings zum Schutz des Arbeitnehmers zu Recht klare und unmissver25 ständliche Regelungen und legt bei verbleibenden Auslegungszweifeln Wettbewerbsklauseln zu Lasten des Arbeitgebers aus.59 Im Falle von AGB folgt dies seit der Schuldrechtsmodernisierung unmittelbar aus § 305c Abs. 2 BGB (Vor § 74 Rn 44). Bei Vorliegen einer Regelung in AGB gilt zudem das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, an das aber keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen, da zwischen dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oft viele Jahre mit unvorhersehbaren Entwicklungen liegen können (näher Vor § 74 Rn 41 ff).
II. Sachliche Reichweite 26 In sachlicher Hinsicht bieten sich für die Parteien eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Reichweite des Wettbewerbsverbots zu definieren. Im Folgenden soll ein Überblick über häufige Gestaltungsformen und die sich dabei typischerweise stellenden Auslegungsfragen gegeben werden.
1. Unternehmens- und tätigkeitsbezogene Wettbewerbsverbote 27 Nachvertragliche Wettbewerbsverbote können unternehmensbezogen (als auf einen bestimmten Kreis namentlich aufgezählter oder durch eine Branche bestimmter Konkurrenzunternehmen beschränkt) oder tätigkeitsbezogen (z.B. auf den technischen oder kaufmännischen Bereich beschränkt) ausgestaltet sein. Wegen ihrer größeren Flexibilität wird von Praktikerseite tendenziell zur Vereinbarung unternehmensbezogener Tätigkeitsverbote geraten60 (vgl. allerdings zum Erfordernis eines berechtigten geschäftlichen Interesses § 74a Rn 8). 56 BAG 30.4.1965 – 3 AZR 366/63, AP § 133f GewO Nr. 17 (Bl. 2) m. Anm. Grüll; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 14; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 27. 57 BAG 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 14); LAG Köln, Urteil vom 28.5.2010 – 10 Sa 162/10, BeckRS 2010, 74441 (unter II 1 c); LAG Hamm 18.2.2014 – 14 Sa 806/13, BeckRS 2014, 67411 (unter II 2 a aa); Heymann/Henssler/Michel HGB § 74a Rn 2; aA Diller NZA 2014, 1184 (1185). 58 Vgl. aber LAG Hamm 10.2.2006 – 7 Sa 2307/05, BeckRS 2006, 41526: restriktive Auslegung wegen Art. 12 GG. 59 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67 m. Anm. Henssler = AR-Blattei ES 1830 Nr. 175 m. Anm. Reinfeld = WiB 1996, 696 m. Anm. Altvater; 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 (unter I 1 c) = WiB 1997, 1201 m. Anm. Treber; vgl. auch LAG Hamm 10.2.2006 – 7 Sa 2307/05, BeckRS 2006, 41526; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 25. 60 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 233; Laskawy NZA 2012, 1011 (1014); NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 13; vgl. auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 78.2. Weber/Gräf
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Bei einem tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbot ist dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit in 28 einem Konkurrenzunternehmen in einer anderen Position als beim alten Arbeitgeber im Zweifel nicht untersagt.61 Anders ist das allerdings, wenn der Arbeitnehmer bei dem Konkurrenzunternehmen Mitglied des Geschäftsleitungsorgans wird62 sowie regelmäßig beim unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbot.63 Weiterhin ist davon auszugehen, dass es nur dann Gültigkeit erlangen soll, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit auch tatsächlich aufgenommen hat. Das ergibt sich schon daraus, dass der Arbeitgeber vor Arbeitsaufnahme regelmäßig gar nicht schutzwürdig i.S.d. § 74a Abs. 1 Satz 1 ist. Wird also das Arbeitsverhältnis bereits vor Arbeitsaufnahme gekündigt und der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Karenzentschädigung.64 Etwas anderes kann sich aber daraus ergeben, dass der Arbeitnehmer bereits vor Dienstantritt so in seine zukünftigen Aufgaben eingewiesen wurde, dass er bereits in diesem Stadium Kenntnisse erlangt hat, vor deren Verwertung ein Wettbewerbsverbot schützen soll.65 Zum Bereich der unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbote gehören sog. „Cooling-off- 29 Klauseln“, durch die ausgeschiedenen Mitarbeitern, die bestimmte Kontrollaufgaben übernommen haben (insb. in Politik, Verwaltung oder Justiz), für eine bestimmte „Cool-off-Periode“ die Tätigkeit für zuvor kontrollierte Unternehmen untersagt wird.66
2. Betroffener Marktbereich Eine Klausel, wonach sich ein Arbeitnehmer verpflichtet, nicht für ein „Konkurrenzunterneh- 30 men“ tätig zu sein, ist auslegungsfähig;67 eine solche Klausel ist nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.68 Bei der Auslegung des Wettbewerbsverbots ist danach zu fragen, ob dem Arbeitgeber durch die Tätigkeit des Arbeitnehmers Konkurrenz entstehen kann. Deshalb erfasst ein solches Verbot nur Tätigkeiten im Handelszweig bzw. Marktbereich des Arbeitgebers. Wird mit einem Mitarbeiter vereinbart, er dürfe nicht für ein Unternehmen tätig sein, das mit dem Vertragspartner in Wettbewerb stehe, ist es ihm nicht verwehrt, für ein anderes Unternehmen tätig zu werden, dessen Produktions- oder Dienstleistungsangebot sich nicht mit dem des Vertragspartners überschneidet.69 Andererseits ist es für das Eingreifen eines Wettbewerbsverbots nicht erforderlich, dass sich die Geschäftsgegenstände beider Unternehmen vollständig decken; es reicht eine Überschneidung in einem nicht unerheblichen Teil.70 Erweitert der ehemalige Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Markbereich, ist dies für das Wettbewerbsverbot nur relevant, wenn für die Erweiterung bereits vor dem Ausscheiden des
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LAG Frankfurt 10.2.1997 – 10 SaGa 2269/96, LAGE § 74a HGB Nr. 1. LAG Berlin 17.4.1998 – 6 Sa 4/98, LAG § 74a HGB Nr. 2 (unter 1.2.1.); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 238. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 233. BAG 26.5.1992 – 9 AZR 27/91, AP § 74 HGB Nr. 63 m. Anm. v. Venrooy = AR-Blattei ES 1830 Nr. 167 m. Anm. Buchner. 65 BAG 3.2.1987 – 3 AZR 523/85, AP § 74 HGB Nr. 54; vgl. dazu auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 692 ff; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 19; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 10. 66 Näher dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 13b, 110a, 305d; Diller NZA 2018, 692 (694 f). 67 LAG Nürnberg 31.7.2001 – 6 Sa 408/01, LAGE § 929 ZPO Nr. 5 (unter II 2 a); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 241, 278b. 68 MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 25 (Fn 85) mit Rspr.-Nachw. 69 BAG 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 = WiB 1997, 1201 m. Anm. Treber. 70 BAG 16.12.1968 – 3 AZR 434/67, AP § 133f GewO Nr. 21 m. Anm. Simitis = SAE 1970, 43 m. Anm. Weitnauer; LAG Rheinland-Pfalz 30.6.2020 – 6 Sa 404/19, BeckRS 2020, 31501; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 245; vgl. als Bsp. für eine nicht ausreichende, nur minimale Überschneidung BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 29) m. Anm. v. Hoyningen-Huene: Einzelhandelsunternehmen einerseits, Fachhandelsunternehmen andererseits, das direkt für Endkunden nur einzelne wenige Sonderanfertigungen herstellte. 863
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Arbeitnehmers konkrete Planungen bestanden haben71 (zur Bedeutung von Geschäftserweiterungen für die Verbindlichkeit nach § 74a Abs. 1 vgl. § 74a Rn 6). 31 Eine Tätigkeit im Handelszweig bzw. Marktbereich des Arbeitgebers ist in der Regel zudem nur dann eine solche bei einem „Konkurrenzunternehmen“, wenn sie auf gleicher handelsgewerblicher Stufe ausgeübt wird.72 Daher sind ein Großhändler und ein Einzelhändler, auch wenn sie in der gleichen Branche betrieben werden, nicht als Konkurrenzunternehmen anzusehen.73 Einem Arbeitnehmer, der in einem Einzelhandelsunternehmen im Verkauf tätig war, ist es dementsprechend ohne ausdrückliche Vereinbarung auch nicht untersagt, als selbständiger Handelsvertreter Geschäfte zwischen Herstellern und Einzelhändlern zu vermitteln.74 Auch der Wechsel zu Dienstleistern, Zulieferern oder Kunden ist nicht ohne weiteres erfasst. Bei Bestehen eines geschäftlichen Interesses nach § 74a sind aber für diese Fallkonstellationen ausdrückliche entsprechende Vereinbarungen möglich.75 Sie sind erfasst, wenn die Wettbewerbsabrede auch „indirekten“ oder „mittelbaren“ Wettbewerb verbietet.76
3. Erfasste Tätigkeiten 32 Wettbewerbsklauseln verbieten in der Regel die „Tätigkeit“ für die Konkurrenz. Darunter können im Ausgangspunkt Aktivitäten jeder Art fallen, seien sie rechtsgeschäftlicher oder rein faktischer Natur.77 Auch wenn der Wortlaut des § 74 Abs. 1 von „gewerblicher Tätigkeit“ spricht, ist im Zweifel 33 nicht nur die selbständige, sondern auch die unselbständige Tätigkeit als Arbeitnehmer sowie die Tätigkeit als Freiberufler erfasst.78 Das Verbot, dem Arbeitgeber „Konkurrenz zu machen“, erfasst allerdings im Zweifel nur die selbständige Betätigung im Geschäftszweig des Arbeitgebers, nicht die bloße Tätigkeit als Arbeitnehmer eines Konkurrenzunternehmens.79 Verspricht der Arbeitnehmer, sich „weder direkt noch indirekt“ an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen, so darf er weder als Gesellschafter noch als Arbeitnehmer für ein solches tätig werden.80 Die Vorbereitung einzelner Geschäfte oder der Errichtung eines Konkurrenzunternehmens 34 sind nur dann Konkurrenztätigkeit, wenn schon diese eine unmittelbare Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers bedeutet. Ansonsten sind dem Arbeitnehmer Vorbereitungsmaßnahmen für eine Tätigkeit nach der Karenzzeit erlaubt (vgl. auch § 60 Rn 58 ff, 71), solange nicht die Auslegung des Wettbewerbsverbots auch insofern eine zulässige Beschränkung ergibt.81 Der Abschluss vereinzelter Geschäfte fällt in der Regel nicht unter ein Verbot, solange nicht ausnahmsweise Größe und Bedeutung des Geschäfts eine andere Beurteilung rechtfertigen.82 Eine unentgeltliche Tätigkeit kann unter das Verbot fallen, wenn sie fortgesetzt
71 MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 33. 72 BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Bl. 6); 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 20) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; aA NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 14. 73 AA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 241. 74 BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Bl. 6). 75 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 251; vgl. auch LAG Nürnberg 31.7.2001 – 6 Sa 408/01, LAGE § 929 ZPO Nr. 5. 76 LAG Hamm 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, BeckRS 2010, 67131 (solche Abreden seien auch nicht intransparent i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). 77 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 228 ff. 78 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 231, 240. 79 GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 16; Röhsler/Borrmann S. 79. 80 RG 5.12.1897 RGZ 40, 97 (99); RG 31.3.1909 RGZ 70, 439 (440). 81 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 229. 82 RG 25.2.1890 RGZ 26, 163, 166; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 240. Weber/Gräf
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geleistet wird, unter Umständen auch eine fortgesetzte unentgeltliche Beratung,83 nicht dagegen die gelegentliche bloße Empfehlung eines Konkurrenzunternehmens. Ist vom konkreten Wettbewerbsverbot die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erfasst, 35 darf der ausgeschiedene Arbeitnehmer ein Konkurrenzgeschäft auch nicht durch Angestellte oder Strohleute betreiben lassen.84
4. Gesellschaftsbeteiligung Die bloße Kapitalbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen (z.B. durch den Erwerb von 36 Aktien) zählt in der Regel noch nicht zu den untersagten Tätigkeiten.85 Ist ein solches Verbot explizit vereinbart, ist es mangels berechtigten geschäftlichen Interesses nach § 74 Abs. 1 Satz 1 unverbindlich86 (vgl. § 74a Rn 9). Ein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot ist jedoch möglich, wenn mit der Kapitalbeteiligung eine Tätigkeit für das Unternehmen oder ein bestimmender Einfluss verbunden ist.87 Auch darf der Arbeitnehmer ein Konkurrenzunternehmen nicht durch Darlehen oder Bürgschaft unterstützen,88 wenn die Kapitalgewährung für die Gründung oder den Fortbestand des Konkurrenzunternehmens von erheblicher Bedeutung ist oder dem Arbeitnehmer einen bestimmenden Einfluss auf das Konkurrenzunternehmen vermittelt.89 Er darf dies unter Umständen selbst dann nicht, wenn dieses Geschäft von Mitgliedern seiner Familie betrieben wird.90
5. Konzerndimensionalität Bei Arbeitsverhältnissen mit konzernangehörigen Unternehmen kann fraglich sein, ob das Wett- 37 bewerbsverbot auch andere Unternehmen des Konzerns schützt.91 Das wird in Betracht kommen, wenn entweder der Unternehmensgegenstand des Vertragsarbeitgebers mit demjenigen anderer Konzernunternehmen übereinstimmt92 oder wenn das Wettbewerbsverbot gegenständlich durch den Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers bestimmt wird und dieser, etwa aufgrund leitender Funktionen im herrschenden Unternehmen, unternehmensübergreifend tätig war.93 Entscheidend sind aber immer die Umstände des Einzelfalls. Im Übrigen ist bei der Auslegung das Bemühen der Parteien um ein wirksames Wettbewerbsverbot zu berücksichtigen (Rn 24): § 74a Abs. 1 Satz 1 verlangt den Schutz berechtigter geschäftlicher Interessen des Arbeitgebers. In diese können zwar nach zutreffender Ansicht auch die Interessen anderer konzernverbunde-
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RG 18.5.1909 JW 1909, 387. RG 1.7.1919 RGZ 96, 171 (174); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 240. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 12. BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25). Vgl. BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25) m.w.N. Vgl. RG 6.10.1906 JW 1906, 736. Hierzu und zu dem vergleichbaren Fall der Nicht-Rückforderung eines Darlehens von einem Konkurrenzunternehmen BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25). 90 RG 15.12.1930 JW 1931, 801. 91 Vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 260 ff; Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 175 ff; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 28 f; Martens FS Herschel, 1982 S. 237 ff; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 40 ff; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 129 ff; s. aus der Rspr. BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/ 65, AP § 74a Nr. 2 m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann; LAG Berlin 17.4.1998 – 6 Sa 4/98, LAGE § 74a HGB Nr. 2; LAG Hamm 8.2.2001 – 16 Sa 1243/00, LAGE § 74 HGB Nr. 17 (unter I 3 der Gründe). 92 Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 130. 93 Martens FS Herschel, 1982 S. 245; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 130. 865
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ner Unternehmen einbezogen sein.94 Tangiert werden in einem solchen Fall die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer durch die Art seiner Beschäftigung auch tatsächlich mit den Tätigkeitsbereichen anderer Konzernunternehmen in Berührung kommt. Deshalb werden konzerndimensionale Erweiterungen der Reichweite eines Wettbewerbsverbots in der Regel nur gewollt sein, wenn die Tätigkeit des Arbeitnehmers auch einen entsprechenden konzerndimensionalen Bezug aufweist,95 etwa bei Arbeitnehmern, für die wechselnde Tätigkeiten in unterschiedlichen Konzerngesellschaften von vornherein vorgesehen sind,96 oder bei einem Beschäftigungsverhältnis bei der Holding-Konzernspitze.97 Ein ohne konzerndimensionalen Bezug des Arbeitsverhältnisses ausdrücklich vereinbartes pauschales, konzernweites Wettbewerbsverbot ist jedenfalls nach § 74a Abs. 1 Satz 1 unverbindlich.98 Von der Problematik der Reichweite des Wettbewerbsverbots bei konzernangehörigen Un38 ternehmen ist die Frage zu unterscheiden, ob der Arbeitnehmer auch dann gegen ein umfassendes Wettbewerbsverbot verstößt, wenn er bei einem Unternehmen tätig wird, das zwar nicht selbst mit dem früheren Arbeitgeber im Wettbewerb steht, aber mit einem solchen Konkurrenzunternehmen konzernverbunden ist. Da eine derartige Auslegung das Mobilitätsinteresse des Arbeitnehmers erheblich beeinträchtigen könnte, sind strenge Maßstäbe anzulegen. Unerlaubte Konkurrenztätigkeit wird man, sofern keinerlei Überschneidung des Tätigkeitsbereichs des alten und des neuen Arbeitgebers vorliegt, nur dann annehmen können, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zugunsten des eigentlichen Konkurrenzunternehmens eingesetzt wird. Das kann aufgrund konzernrechtlicher Organisationsstrukturen, bei Entsendung innerhalb des Konzerns oder bei konzernweitem Aufgabenbereich des Arbeitnehmers der Fall sein.99
III. Räumliche Reichweite 39 Enthält eine Wettbewerbsvereinbarung keine räumliche Beschränkung, gilt das Wettbewerbsverbot im Zweifel weltweit. Dies wird jedoch in der Regel zu einer Unverbindlichkeit nach § 74a Abs. 1 Satz 2 wegen unbilliger Fortkommenserschwernis führen.100 Im Einzelfall kann sich aber durch Auslegung unter Berücksichtigung der konkreten Vertragsumstände auch eine räumliche Einschränkung auf ein bestimmtes Land oder eine bestimmte Region ergeben.101 Bei der Ausle-
94 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74a Rn 9; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 217; Gaul/Khanian MDR 2006, 181 (186); Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 179; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 131; s. aus der Rspr. BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann (Ausgliederung eines Betriebsteils); vgl. aber BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a Nr. 2 m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 95 Vgl. dazu LAG Berlin 17.4.1998 – 6 Sa 4/98, LAGE § 74a HGB Nr. 2 (unter 1.1.1); LAG Hamm 8.2.2001 – 16 Sa 1243/00, LAGE § 74 HGB Nr. 17 (unter I 3 der Gründe). 96 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 261a; Martens FS Herschel, 1982 S. 245; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 42. 97 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 261a. 98 Vgl. Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 176 f; Martens FS Herschel, 1982 S. 243 f; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 130 ff. 99 Vgl. LAG Baden-Württemberg 28.2.1986 – 13 Sa 19/85, NZA 1986, 642; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 249, 262 f; Henssler Der Arbeitsvertrag im Konzern, 1983 S. 177; Martens FS Herschel, 1982 S. 253; enger Buchner ARBlattei SD 1830.3 Rn 216; Windbichler Arbeitsrecht im Konzern, 1989 S. 133 f, die organisatorische Strukturen überhaupt nicht einbeziehen wollen; vgl. ferner BAG 16.12.1968 – 3 AZR 434/67, AP § 133f GewO Nr. 21 m. Anm. Simitis = SAE 1970, 46 m. Anm. Weitnauer. 100 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 91; vgl. auch MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 29, der allerdings ggf. von einer Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeht. 101 Vgl. auch NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 18. Weber/Gräf
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gung ist zu berücksichtigen, dass die Parteien in der Regel keine unverbindlichen Abreden treffen wollen (Rn 24). Wird auf eine bestimmte politische Einheit Bezug genommen, wirkt die Festlegung im Zwei- 40 fel dynamisch.102 So schließt etwa eine Begrenzung auf „die EU“ die jeweils aktuellen Mitgliedstaaten ein103 (vgl. zur Vereinbarkeit mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit104 Vor § 74 Rn 16). Ist ein Wettbewerbsverbot für das frühere Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) vereinbart worden, kann es im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf das gesamte heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt werden.105 Hat der Arbeitnehmer sich verpflichtet, kein Konkurrenzunternehmen am selben Ort zu 41 betreiben, so entscheiden die Umstände des Einzelfalls, ob ein von einer auswärtigen Niederlassung aus geleitetes Geschäft, dessen tatsächliche Aktivität sich aber doch am Ort des alten Arbeitgebers entfaltet, als Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot zu betrachten ist.106
IV. Zeitliche Reichweite 1. Beginn Ob auf eine Wettbewerbsabrede die gesetzlichen Vorgaben der §§ 74 ff Anwendung finden, 42 hängt vom Zeitpunkt der Vereinbarung ab: Diese muss grundsätzlich in den Zeitraum des rechtlichen Bestands des Arbeitsverhältnisses fallen (Vor § 74 Rn 84). Davon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Zeitraum das Wettbewerbsverbot seine Wirkung entfaltet, also wann die Pflichtenbindung beginnt und endet. Dies folgt aus dem Inhalt der Wettbewerbsvereinbarung, der nötigenfalls durch Auslegung zu ermitteln ist. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot beginnt in der Regel mit der rechtlichen Beendi- 43 gung des Arbeitsverhältnisses.107 In Betracht kommt jede Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.108 Im Falle einer ordentlichen Kündigung greift das Wettbewerbsverbot erst mit Ablauf der Kündigungsfrist, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor freigestellt worden war. Bis dahin gilt das gesetzliche (entschädigungslose) Wettbewerbsverbot des § 60 (vgl. § 60 Rn 33 f). Die zweijährige Höchstdauer nach § 74a Abs. 1 Satz 3 beginnt dementsprechend auch erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen (§ 74a Rn 23).109 Zu beachten ist allerdings, dass eine langfristige Freistellungsphase in Kombination mit einem anschließenden zweijährigen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eine unbillige Fortkommenserschwerung nach § 74a bedeuten kann (§ 74a Rn 20).110 Vgl. zum Beginn des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots in weiteren Kündigungskonstellationen § 74a Rn 20 ff. Die Wettbewerbsabrede kann auch während der Probezeit getroffen werden (zur Geltung 44 der §§ 74 ff in diesem Fall Vor § 74 Rn 84). Sie wirkt dann im Zweifel für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses während oder mit Ablauf der Probezeit. Wollen die Parteien vermeiden, dass das Wettbewerbsverbot auch schon bei kurzer Laufzeit des Arbeitsvertrages greift, so können sie die Wettbewerbsabrede aber auch ausdrücklich unter die aufschiebende Bedingung stellen, dass das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Probezeit zunächst noch fortgesetzt
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BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 90. Vgl. BeckOK-ArbR/Hagen64 § 74 HGB Rn 38: Erstreckung auf die beitretenden Länder. LAG Rheinland-Pfalz 30.6.2020 – 6 Sa 404/19, BeckRS 2020, 31501 (Rn 29). LAG Berlin 26.3.1991 – 9 Sa 7/91, LAGE § 74 HGB Nr. 6; krit. Reinfeld AuA 1993, 143. Vgl. dazu auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 271. BAG 16.1.1970 – 3 AZR 429/68, AP § 74a HGB Nr. 4 m. Anm. Hofmann = SAE 1971, 65 m. Anm. Herschel; Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 689. 108 Ausf. zu den unterschiedlichen Konstellationen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 688 ff. 109 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 689a; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 17. 110 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 689a. 867
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wird (vgl. auch Rn 74).111 Zulässig ist weiterhin eine Zeitbestimmung i.S.d. § 163 BGB, sodass die Bindung an das Wettbewerbsverbot erst nach einer gewissen Laufzeit des Arbeitsverhältnisses eintritt.112 Zur Geltung des Wettbewerbsverbots bei nicht in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnissen (Rn 21 f, 28).
2. Ende 45 Das Wettbewerbsverbot endet grundsätzlich durch Zeitablauf zu dem in der Abrede bestimmten Termin, der nach § 74a Abs. 1 Satz 3 maximal zwei Jahre nach der Beendigung des Dienstverhältnisses liegen darf (näher zur Fristberechnung § 74a Rn 23 ff). Ist in der Wettbewerbsabrede eine längere Frist geregelt, verliert das Wettbewerbsverbot nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist seine Verbindlichkeit; der Arbeitnehmer hat dann ein Wahlrecht (§ 74a Rn 29 f). Ist ein Termin nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung im Zweifel von der Vereinbarung der gesetzlichen Höchstdauer auszugehen,113 da in der Regel anzunehmen ist, dass die Parteien eine (gerade noch) rechtskonforme Regelung treffen wollten (vgl. Rn 24); ein Wahlrecht des Arbeitnehmers besteht dann nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nicht. Zum Fortbestand des Wettbewerbsverbots bei Eintritt des Arbeitnehmers in den Ruhestand § 75 Rn 46. Durch eine zwischenzeitliche Krankheit des Arbeitnehmers während des Karenzzeitraums verlängert sich die Zwei-Jahres-Frist nicht.114 46 Jederzeit möglich ist die vorherige einverständliche Aufhebung des Wettbewerbsverbots115 (zur Form Rn 11; vgl. auch § 75 Rn 42 ff). Zu den sonstigen Formen der vorzeitigen Beendigung von Wettbewerbsverboten vgl. § 75 Rn 47 ff; speziell zum Verzicht § 75a Rn 1 ff; zum Rücktritt und zur Kündigung bei Leistungsstörungen Rn 86 f, 94.
C. Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2) I. Normzweck und Überblick 47 Das Wettbewerbsverbot ist nach § 74 Abs. 2 nur verbindlich, wenn der Arbeitgeber sich verpflichtet, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der von diesem zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreicht (Grundsatz der „bezahlten Karenz“). Die Karenzentschädigung stellt eine Gegenleistung für die vereinbarte Unterlassung des Wettbewerbs dar (zur Qualifikation als gegenseitiger Vertrag i.S.d. §§ 320 ff BGB vgl. Rn 85). Sie soll dem Arbeitnehmer die Nachteile ausgleichen, die ihm in der Übergangszeit durch die Einschränkung in seinem Erwerbsleben entstehen,116 und ihm die
111 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 328/69, AP § 74 HGB Nr. 25 (Bl. 1R) m. Anm. Simitis = SAE 1971, 235 m. Anm. Migsch; 27.4.1982 – 3 AZR 814/79, AP § 620 BGB Probearbeitsverhältnis Nr. 16; 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, AP § 123 BGB Nr. 25 (Bl. 4) m. Anm. Mühl = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 137 m. Anm. Buchner = EzA § 123 BGB Nr. 23 m. Anm. Wank = SAE 1984, 173 m. Anm. Misera; 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 18); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 522, 695; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 112 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 149. 113 LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10 – BeckRS 2010, 74441; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 273. 114 MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 30. 115 BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Rn 28); 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, AP § 448 ZPO Nr. 7 (Rn 20). 116 BAG 14.9.2011 – 10 AZR 198/10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 11); 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 17); 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 25) m. Anm. Diller m.w.N. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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Beibehaltung seines bisherigen Lebensstandards ermöglichen.117 Sie ist keine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes.118 § 74 Abs. 2 regelt zunächst nur das Erfordernis einer Karenzentschädigungszusage in 48 der genannten Höhe und die Rechtsfolgen einer fehlenden bzw. unzureichenden Zusage (dazu im Folgenden Rn 49 ff). Zum persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des Karenzentschädigungserfordernisses nach § 74 Abs. 2 s. Vor § 74 Rn 46 ff; speziell zu den sog. indirekten Wettbewerbsbeschränkungen (Rückzahlungs-, Verfalls- und Mandantenübernahmeklauseln) Vor § 74 Rn 63 ff und 77 ff. Zu den Modalitäten des vereinbarten Karenzentschädigungsanspruchs (insb. zu dessen Entstehen und zur Fälligkeit sowie zu Verjährung, Ausschlussfristen und Verwirkung) s. die Kommentierung zu § 74b. Zu den verschiedenen Formen der (vorzeitigen) Beendigung der Karenzentschädigungspflicht s. die Kommentierung bei § 75; speziell zum Verzicht vgl. § 75a.
II. Zusage einer Karenzentschädigung 1. Anforderungen an die Karenzentschädigungsvereinbarung Die Wettbewerbsabrede muss die Karenzregelung von vornherein mitumfassen; ein Nach- 49 vertrag reicht nur, wenn dabei dann auch das Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 gewahrt und eine einheitliche Urkunde übergeben wird, die Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung enhält119 (vgl. demgegenüber zur nachträglichen Änderung der Karenzentschädigungszusage Rn 12). Die Verpflichtung des Arbeitgebers muss für die gesamte Verbotsdauer gelten.120 Die Wettbewerbsvereinbarung muss zwar nicht ausdrücklich von Karenzentschädigung 50 sprechen, es muss sich aber aus ihr eindeutig ergeben, dass dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung gezahlt werden soll. Der Arbeitnehmer hat ansonsten keine Klarheit darüber, ob er an das Wettbewerbsverbot gebunden ist, und kann keine Dispositionen treffen.121 Angesichts der zentralen Bedeutung der Karenzentschädigung (Rn 47) lässt insoweit auch der Auslegungsgrundsatz, wonach die Parteien im Zweifel keine unzulässigen Wettbewerbsverbote vereinbaren wollen, keine großzügigeren Maßsstäbe zu. Auslegungszweifel gehen daher zu Lasten des Arbeitgebers,122 sodass eine unklare Formulierung hinsichtlich der Verpflichtung zur Karenzentschädigung eine Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots insgesamt zur Folge hat. Bei Formularverträgen greift insoweit § 305c Abs. 2 BGB.123 Enthält ein Wettbewerbsverbot keine ausdrückliche Entschädigungsregelung, vereinbaren die Parteien jedoch, dass im Übrigen die gesetzlichen Vorschriften der §§ 74 ff gelten sollen, so ist nach der Rechtsprechung des BAG diese Bezugnahme auf die gesetzlichen Vorschriften ausreichend. Eine solche Vereinbarung enthalte im
117 Bengelsdorf DB 1985, 1585. 118 BAG 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, AP § 74 HGB Nr. 65 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 169 m. Anm. Buchner; vgl. ferner BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; Bengelsdorf DB 1985, 1585 (1586); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 43. 119 Vgl. dazu LAG Baden-Württemberg 12.3.1969 – 6 Sa 14/69, DB 1969, 533; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 434 (die aber keine Gesamturkunde verlangen, Rn 197); Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 31; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 42. 120 Hopt/Roth41 Rn 20. 121 BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 34). 122 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67 m. Anm. Henssler = AR-Blattei ES 1830 Nr. 175 m. Anm. Reinfeld = WiB 1996, 696 m. Anm. Altvater. 123 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 435. 869
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1. Buch. Handelsstand
Zweifel die Zusage einer Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe.124 Dies erscheint mit Blick auf das erwähnte Eindeutigkeitserfordernis zu großzügig.125 Jedenfalls entspricht eine solche Vereinbarung – ebenso wie ein bloßer Verweis auf „das rechtliche Zulässige“ – nicht dem Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 (anders bei einem konkreten Verweis auf § 74 Abs. 2; näher zu diesen Klauseltypen Rn 10; zu salvatorischen Klauseln noch Rn 54). Nähere Angaben zur Berechnungsmethode oder den für die Berechnung maßgeblichen Referenzzeiträumen – etwa dem nach § 74b Abs. 2 für wechselnde Bezüge geltenden Drei-JahresZeitraum – sind nicht erforderlich (näher § 75b Rn 30). 51 Die Zusage einer Karenzentschädigung muss ohne Vorbehalt erklärt werden. Unverbindlich ist deshalb die Beschränkung auf Fälle einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder die Bedingung, dass der Arbeitnehmer auch tatsächlich in der Lage ist, Konkurrenztätigkeit auszuüben.126 Zu den sog. bedingten Wettbewerbsverboten s. Rn 63 ff. Schuldner der Karenzentschädigung muss grundsätzlich der Arbeitgeber sein. Ein Dritter 52 kann es ausnahmsweise dann sein, wenn er wirtschaftlich mit dem Arbeitgeber identisch ist, z.B. wenn die Muttergesellschaft die Entschädigungsleistung an Stelle der Tochtergesellschaft zusagt.127
2. Rechtsfolgen bei fehlender Karenzentschädigungsvereinbarung 53 Bei fehlender Karenzentschädigung ist das Wettbewerbsverbot für beide Seiten unverbindlich (§ 74 Abs. 2). In diesem Fall kommt die Unverbindlichkeit – die ansonsten nur dem Arbeitgeber die Durchsetzung des Wettbewerbsverbots verwehrt (Vor § 74 Rn 20) – der Nichtigkeit gleich, da niemand aus der Abrede vertragliche Rechte herleiten kann, insbesondere der Arbeitnehmer auch dann nicht, wenn er das Wettbewerbsverbot einhält.128 Der Gesetzgeber hat nicht wie für die Handelsvertreter (§ 90a Abs. 1 Satz 3) eine gesetzliche Entschädigungspflicht vorgesehen, die in einem solchen Fall greifen könnte. Das BAG hält diese Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Handelsvertretern angesichts der Selbständigkeit der Handelsvertreter nicht für verfassungswidrig.129 Zu Recht verneint das Gericht eine analoge Anwendung des § 90a 124 BAG 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, AP § 74 HGB Nr. 74 (Bl. 2R) = EzA § 74 HGB Nr 63 m. Anm. Gravenhorst; 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 14); 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 34); ebenso Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 31 f; Naber NZA 2017, 1170 (1172); NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 59; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 45; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 57. 125 Abl. auch LAG Berlin 8.5.2003 – 16 Sa 261/03, LAG-Report 2003, 253; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 438 f; HWK/Diller10 § 74 HGB Rn 92; Gravenhorst NJW 2006, 3609 ff. 126 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 446 f. 127 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 433; Hopt/Roth41 Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 42; Winterstein NJW 1989, 1463 (1465): ausreichend, wenn sich ein Dritter in Form der Schuldübernahme zur Zahlung einer Karenzentschädigung verpflichtet und der Arbeitnehmer hiermit einverstanden ist. 128 BAG 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (Bl. 2R f) m. Anm. Wiedemann/Steinberg = SAE 1971, 106 m. Anm. Canaris; 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, AP § 74 HGB Nr. 65 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 169 m. Anm. Buchner; 18.1.2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640; 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 11); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 14) m. Anm. Diller; 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 23); Bengelsdorf DB 1985, 1585 (1586); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 50; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 39; Grunsky NZA 1988, 713; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 30; MünchArbR/ Nebendahl Bd. II § 140 Rn 75; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 18; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 49; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 56; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 65; aA ArbG Berlin 20.1.2017 – 28 Ca 12331/16, BeckRS 2017, 106721; krit. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 472; krit. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 265 ff; Gravenhorst NJW 2006, 3609 (3612), die zumindest de lege ferenda eine Regelung wie in § 90a Abs. 1 fordern; für ein Wahlrecht zwischen Unwirksamkeit und Entschädigung in Höhe der Mindestvergütung de lege ferenda Gamillscheg RdA 1975, 20. 129 BAG 27.6.1973 – 3 AZR 443/72, AP § 74 HGB Nr. 32 (Bl. 4R); Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 153 (159 f); Plett/ Welling DB 1986, 2282; aA Canaris Anm. zu BAG SAE 1973, 67. Weber/Gräf
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Abs. 1 Satz 3 auf Arbeitnehmer.130 Erwägenswert sind allerdings Ansprüche des Arbeitnehmers aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 2, 241 Abs. 2 BGB) und ungerechtfertigter Bereicherung (vgl. dazu im Zusammenhang mit bedingten Wettbewerbsverboten Rn 70).131 In der Instanzrechtsprechung wurde die Möglichkeit bejaht, die Nichtigkeitsfolge bei feh- 54 lender Karenzentschädigungszusage durch eine salvatorische Klausel zu vermeiden; diese könne die Grundlage für den Anspruch eines Arbeitnehmers, der sich an das Wettbewerbsverbot hält, auf Zahlung einer Karenzentschädigung in der gesetzlichen Mindesthöhe bilden.132 Dem hat das BAG zu Recht eine Absage erteilt: Eine solche Regelung gewährleistet nicht die erforderliche Klarheit, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, die Bindung an das Wettbewerbsverbot beurteilen und Dispositionen treffen zu können.133 Im Übrigen bestehen auch insoweit Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der Schriftform.134 Vgl. zu den ähnlich gelagerten Fällen bedingter Wettbewerbsverbote Rn 63 ff. Demgegen- 55 über zu den Fällen unzureichender Karenzentschädigung Rn 59.
III. Zusage in der gesetzlich vorgesehenen Mindesthöhe 1. Bemessung der gesetzlichen Mindesthöhe Das Mindestmaß der Karenzentschädigung muss auf das Jahr gerechnet die Hälfte der zuletzt 56 bezogenen vertragsmäßigen Vergütung betragen. Als „vertragsmäßig“ i.S.d. § 74 Abs. 2 ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrages beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird135 (näher hierzu § 74b Rn 12 ff). Bei der Berechnung sind die festen Bezüge zur Zeit der Beendigung des Dienstverhältnisses („zuletzt“) einzubeziehen. Bei wechselnden Bezügen ist nach Maßgabe des § 74b Abs. 2 der Durchschnitt der letzten drei Jahre zugrundezulegen. Das Mindestmaß der Karenzentschädigung muss auch bei nur geringfügiger Wettbewerbsbeschränkung gewahrt bleiben.136 Zu Einzelheiten der Berechnung der gesetzlichen Mindesthöhe und zu den einzubeziehenden Leistungen vgl. § 74b Rn 21 ff, 28 ff.
2. Anforderungen an die Karenzentschädigungsvereinbarung § 74 Abs. 2 ist eingehalten, wenn sich die Klausel über die Karenzentschädigung wörtlich an die 57 Gesetzesformulierung hält, ebenso, wenn der Arbeitgeber sich zur Zahlung der „nach dem Gesetz etwa zu leistenden Vergütung“ verpflichtet oder gezielt auf die Vorschriften des HGB über die Karenzentschädigung verweist.137 Auch bei Vereinbarungen mit konkret festgelegter 130 BAG 18.1.2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640 (unter II c); 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 23). 131 Diller NZA 2014, 1184 (1186); Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 164; Löwe S. 107 f. 132 LAG Hamm 18.2.2014 – 14 Sa 806/13, BeckRS 2014, 67411 (unter II 2 a). 133 BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 29 ff, insb. Rn 35); zust. Naber NZA 2017, 1170 (1172). 134 Diller NZA 2014, 1184 (1186); Naber NZA 2017, 1170 (1172); aA LAG Hamm 18.2.2014 – 14 Sa 806/ 13, BeckRS 2014, 67411 (unter II 2 a bb [2] [c] [bb] [fff]); Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 57; offen gelassen von BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 36). 135 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 3) m. Anm. Schröder = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 106 m. Anm. Buchner = SAE 1974, 253 m. Anm. Herschel; 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 17); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 17 f) m. Anm. Fehrenbach. 136 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis. 137 BAG 14.8.1975 – 3 AZR 333/74, AP § 74 HGB Nr. 35 = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 114 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 441; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 40; Plett/Welling DB 1986, 2282; Hopt/Roth41 Rn 21; vgl. aber NZA 1988, 713; Weisemann/Schrader DB 1980 Beilage 4 S. 9. 871
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Karenzhöhe kann die Auslegung ergeben, dass die Vertragsparteien bei Beendigung des Vertragsverhältnisses – etwa im Falle von Gehaltssteigerungen – eine Neuberechnung vornehmen wollen, sodass eine derartige Vereinbarung nicht gegen § 74 Abs. 2 verstößt.138 58 Die Anforderung des § 74 Abs. 2 sind hingegen nicht erfüllt, wenn aufgrund der Vereinbarung selbst unklar bleibt, ob die gesetzliche Mindestentschädigungshöhe erreicht wird; denn dann kann der Arbeitnehmer bei Abschluss der Vereinbarung nicht beurteilen, ob er an das Wettbewerbsverbot zwingend gebunden ist.139 Unzureichend ist etwa die pauschale Zusage einer „angemessenen Entschädigung“ oder die Formulierung, dass sich die „Entschädigung nach § 90a“ richten soll, da in beiden Fällen nicht klargestellt wird, dass mindestens 50 % der bisherigen Bezüge gezahlt werden.140 Zu unbestimmt ist nach zutreffender Ansicht des BAG auch eine Karenzentschädigungsregelung, bei der die Höhe in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird, auch wenn der Arbeitgeber im Falle einer solchen Vereinbarung sein Ermessen nach Maßgabe der Billigkeit (§ 315 Abs. 1 BGB) auszuüben hat141 (dazu noch Rn 60). Eine Vereinbarung, die bereits das „Ob“ der Karenzentschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers stellt, wäre sogar als Fall der fehlenden Karenzentschädigungsvereinbarung – mit der Folge der Unwirksamkeit – zu werten. Sieht eine Wettbewerbsvereinbarung keine bestimmte Entschädigung für die Karenzzeit, sondern nur die laufende Zahlung von Teilbeträgen während des Arbeitsverhältnisses vor, so ist der Vorgabe des § 74 Abs. 2 nicht entsprochen, da die Höhe der Karenzentschädigung offen bleibt.142
3. Rechtsfolgen bei Unterschreitung der Mindesthöhe 59 Die Folge des Unterschreitens der Mindestentschädigungsgrenze in der Wettbewerbsvereinbarung ist die Unverbindlichkeit der Wettbewerbsvereinbarung (§ 74 Abs. 2); gleiches gilt in den in Rn 58 beschriebenen Unklarheitsfällen.143 Anders als beim völligen Fehlen einer Karenzentschädigungszusage (Rn 53) kann sich hier nur der Arbeitgeber nicht auf die Vereinbarung berufen.144 Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber nicht belangt werden, wenn er eine Konkurrenztätigkeit ausübt oder sich ausdrücklich vom Wettbewerbsverbot lossagt.145 Andererseits kann er aber die Karenzentschädigung verlangen, wenn er sich an das Verbot hält. Der Arbeitnehmer hat also ein Wahlrecht.146
138 Schlegelberger/Schröder Rn 12; zur Auslegung vgl. auch Grunsky NZA 1988, 713. 139 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 23) m. Anm. Diller. 140 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 454; hierauf bezugnehmend BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 23) m. Anm. Diller.
141 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 24) m. Anm. Diller; Bedenken im Hinblick auf die Form bestehen hier nicht (zutr. BAG a.a.O. [Rn 18 ff]). 142 BAG 14.7.1981 – 3 AZR 515/78, AP § 75 HGB Nr. 8 (Bl. 1 R) m. Anm. Stumpf = SAE 1983, 84 m. Anm. Koller; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 430; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 51. 143 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 23) m. Anm. Diller. 144 Diese Rechtsfolge stützt das BAG (s. etwa BAG 18.1.2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640 [Rn 11]) auf § 75d; sie beruht aber letztlich auf § 74 Abs. 2 selbst. 145 BAG 19.2.1959 – 2 AZR 341/56, AP § 74 HGB Nr. 10 (Bl. 3) m. Anm. Hefermehl = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 9 m. Anm. Gros; 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (Bl. 2R) m. Anm. Wiedemann/ Steinberg = SAE 1971, 106 m. Anm. Canaris; 5.8.1966 – 3 AZR 154/66, AP § 74 HGB Nr. 19 (Bl. 2R) m. Anm. Herschel; 18.1.2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640 (Rn 11); krit. Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 271. 146 BAG 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, AP § 74 HGB Nr. 37 (Bl. 1R); seitdem st. Rspr., s. zuletzt etwa BAG 18.1.2000 – 9 AZR 929/98, BeckRS 2010, 71640 (Rn 11); 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N.; vgl. ähnlich schon BAG 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (Bl. 2R) m. Anm. Wiedemann/ Steinberg = SAE 1971, 106 m. Anm. Canaris; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 262; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 20; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 30; Hopt/Roth41 § 74a Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 51; vgl. dazu auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 474. Weber/Gräf
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Entscheidet er sich für das Wettbewerbsverbot, steht ihm allerdings nicht die gesetzlich 60 vorgesehene Entschädigung zu, sondern nur die an sich zu niedrig vereinbarte Karenzentschädigung.147 Eine Aufstockung nach § 90a Abs. 1 Satz 3 analog scheidet aus (vgl Rn 53). Eine Besonderheit gilt, wenn die Karenzentschädigungszusage deshalb defizitär ist, weil sie die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Arbeitgebers stellt (Rn 58). Dann ist der Arbeitgeber an den Grundsatz des billigen Ermessens gebunden (§ 315 Abs. 1 BGB) und seine Ermessensausübung ist gerichtlich voll überprüfbar (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Bei der Billigkeit i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB ist die Wertung des § 74 Abs. 2 zu berücksichtigen, sodass in diesem speziellen Fall das gesetzliche Minimum i.S.d. § 74 Abs. 2 verlangt werden kann.148 Der Billigkeit kann im Hinblick auf die Wertung des § 74a Abs. 1 Satz 2 im Einzelfall sogar eine höhere Entschädigung entsprechen.149 Aus der Rechtsprechung zu den bedingten Wettbewerbsverboten (Rn 63 ff) hat das BAG die 61 einschränkende Voraussetzung übernommen, dass der Arbeitnehmer sein Wahlrecht grundsätzlich zu Beginn der Karenzzeit150 ausüben und unwiderruflich151 wahrnehmen muss, damit der Arbeitgeber über die Geltung des Wettbewerbsverbots nicht im Ungewissen ist. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt für die Befugnis des Arbeitgebers, vom Arbeitnehmer die Ausübung des Wahlrechts zu verlangen, bietet § 264 Abs. 2 Satz 1 BGB, dessen Rechtsgedanke auch hier passt.152 Mit Ablauf der Frist geht das Wahlrecht auf den Arbeitgeber über (§ 264 Abs. 2 Satz 2 BGB).153 Ausnahmsweise soll aber dann, wenn gerade die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbotes gerichtlich überprüft wird, der Arbeitnehmer seine Entscheidung bis zum Abschluss dieses Prozesses hinausschieben dürfen, wenn er sich solange vorübergehend an das Verbot hält. Für diese Zeit besteht auch ein Anspruch auf Entschädigung.154 Gleiches gilt für den Fall, dass der Arbeitnehmer während eines Streites um den Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zur Beendigung des Kündigungsschutzprozesses vorläufig Wettbewerb unterlässt, weil er von seinem Rechtsstandpunkt aus während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ohnehin nach § 60 einem Wettbewerbsverbot unterliegt und noch gar nicht wählen kann.155 Die Ausübung eines Wahlrechts setzt grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer die Un- 62 verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots kennt. Aber auch wenn sich der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot hält, weil er in Unkenntnis der Rechtslage auf seine Gültigkeit vertraut, wäre es nicht sachgerecht, ihm die Karenzentschädigung zu verweigern.156 Nach dem telos des
147 BAG 5.8.1966 – 3 AZR 154/66, AP § 74 HGB Nr. 19 m. Anm. Herschel; 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 38); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 31) m. Anm. Diller; LAG Baden-Württemberg 27.1.1997 – 15 Sa 105/96, LAGE § 74 HGB Nr. 16; LAG Hamm 20.12.2001 – 16 Sa 414/01, BeckRS 2001, 31010520; LAG Rheinland-Pfalz 3.3.2020 – 8 Sa 239/19, BeckRS 2020, 7837 (Rn 47); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/ Rudkowski Rn 51; HWK/Diller10 § 74 HGB Rn 96; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 30; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 19; AnwK-ArbR/Reinhard2 § 74 HGB Rn 61; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 57a; offen gelassen in BAG 9.1.1990 AP § 74 HGB Nr. 59 = DB 1990, 941; aA MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 53; krit. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 273 f. 148 Zutr. BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 35 ff) m. Anm. Diller. 149 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 37) m. Anm. Diller. 150 BAG 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, AP § 74 HGB Nr. 37 (Bl. 1R); s. zuletzt etwa BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 25) m. Anm. Diller; 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N. 151 BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke; vgl. zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N.; zust. etwa MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 47 m.w.N.; aA LAG Hamm 14.2.2012 – 14 Sa 1385/11, BeckRS 2012, 69997. 152 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 170; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 52. 153 BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer; aA Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 54. 154 BAG 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, AP § 74 HGB Nr. 37 (Bl. 1R). 155 BAG 16.12.1986 – 3 AZR 73/86, AP § 74 HGB Nr. 53 m. Anm. Hadding/Hammen. 156 Vgl. auch Löwe S. 109, der allerdings dem Arbeitnehmer zusätzlich noch einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo und einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB gewähren will. 873
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§ 74 Abs. 2 bzw. nach § 75d ist gerade auch derjenige Arbeitnehmer zu schützen, der die gesetzlichen Vorschriften nicht kennt. Auch das BAG lässt es ausreichen, dass der Arbeitnehmer ohne besondere Erklärung im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vereinbarung Wettbewerb unterlässt.157 Nicht zuzustimmen ist aber der vom BAG zugleich geäußerten Auffassung, dass der Arbeitnehmer auch in einem solchen Fall endgültig für den gesamten Karenzzeitraum an das Wettbewerbsverbot gebunden sein soll.158 Eine solche Festlegung kann erst in Betracht kommen, wenn der Arbeitnehmer wirklich eine Wahl getroffen hat, nachdem er die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots erfahren hat. Immerhin wird ihm entgegen den gesetzlichen Bestimmungen eine niedrigere Entschädigung zugemutet (Rn 60). Der Arbeitnehmer, der sich in Unkenntnis der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots zunächst an dieses gehalten hat, kann also sein Verhalten später ändern und eine Konkurrrenztätigkeit aufnehmen.159 Der Arbeitgeber ist dadurch ausreichend geschützt, dass er den Arbeitnehmer in Anwendung des Rechtsgedankens des § 264 Abs. 2 Satz 1 BGB unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme des Wahlrechts auffordern kann.160
IV. Bedingte Wettbewerbsverbote und Vorverträge 1. Unzulässige Bedingungen 63 Wettbewerbsvereinbarungen werden in der Regel zu Beginn des Arbeitsverhältnisses getroffen, also zu einem Zeitpunkt, zu dem es für den Arbeitgeber häufig noch nicht abzuschätzen ist, ob er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses überhaupt ein Interesse daran haben wird, den ausgeschiedenen Arbeitnehmer durch ein Konkurrenzverbot zu binden. Deshalb werden Wettbewerbsvereinbarungen bisweilen mit Klauseln versehen, wonach die Tätigkeit des Arbeitnehmers von einer Zustimmung161 bzw. die Geltung des Wettbewerbsverbots von einer Erklärung des Arbeitgebers abhängen soll,162 oder in denen dem Arbeitgeber ein Verzichtsvorbehalt auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeräumt wird.163 Es handelt sich
157 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 25) m. Anm. Diller; so bereits für den Fall eines bedingten Wettbewerbsverbots BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer; für einen Vorvertrag BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 22). 158 Für ein bedingtes Wettbewerbsverbot BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer; für den hiesigen Fall wohl auch BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 25) m. Anm. Diller. 159 Im Ergebnis ebenso Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 165, die die Pflicht des Arbeitnehmers zur Karenz bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot als Obliegenheit betrachten. 160 Insofern zutreffend BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer. 161 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; 10.8.1973 – 3 AZR 338/72, AP § 74 HGB Nr. 33 m. Anm Dorndorf; 4.6.1985 – 3 AZR 265/83, AP § 74 HGB Nr. 50; 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67 m. Anm. Henssler = AR-Blattei ES 1830 Nr. 175 m. Anm. Reinfeld = WiB 1996, 696 m. Anm. Altvater (im Sachverhalt Nr. 1 der Wettbewerbsvereinbarung; zum Konkretisierungsvorbehalt in Nr. 4 der Vereinbarung s.u. bei Rn 49); vgl. auch LG Frankfurt 13.5.1987 – 2/6 O 487/86, WM 1988, 423: Einigungszwang. 162 BAG 2.5.1970 – 3 AZR 143/69, AP § 74 HGB Nr. 26 m. Anm. Buchner; 26.11.1971 – 3 AZR 127/71, AP § 74 HGB Nr. 29 m. Anm. Grunsky = SAE 1973, 66 m. Anm. Canaris; 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, AP § 74 HGB Nr. 51 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel. 163 BAG 19.1.1956 – 2 AZR 123/54, AP § 75a HGB Nr. 1 = SAE 1956, 148 m. Anm. Haußmann; 2.8.1971 – 3 AZR 12/71, AP § 74 HGB Nr. 27 m. Anm. Hofmann = SAE 1972, 161 m. Anm. Mayer-Maly; 19.1.1978 – 3 AZR 573/77, AP § 74 HGB Nr. 36 = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 123 m. Anm. Buchner = SAE 1978, 180 m. Anm. Canaris. Weber/Gräf
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um bedingte Wettbewerbsverbote,164 wobei die Bedingung im Falle der Abhängigkeit von einer Inanspruchnahme des Verbots durch den Arbeitgeber eine aufschiebende, im Falle des Verzichtsvorbehalts eine auflösende ist.165 Als bedingte Wettbewerbsverbote wertet das BAG auch Klauseln, in denen der Verzichtsvorbehalt zwar für die Zeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart, aber entgegen § 75a der sofortige Wegfall der Karenzentschädigungspflicht festgelegt wird.166 Bedingte Wettbewerbsverbote sind für den Arbeitnehmer problematisch, da für ihn nicht 64 vorhersehbar ist, wie der Arbeitgeber auf die Aufnahme einer bestimmten Tätigkeit reagieren wird. Er ist in seiner Stellensuche auch schon vor einer Erklärung des Arbeitgebers beeinträchtigt, da er damit rechnen muss, dass dieser von dem Wettbewerbsverbot Gebrauch macht und damit bestimmte Tätigkeiten nicht zulässt. Wählt er aus diesem Grund eine konkurrenzfreie Tätigkeit, muss der Arbeitgeber nicht auf das Wettbewerbsverbot zurückgreifen. Der Arbeitgeber könnte auf diese Weise in Widerspruch zur Regelung des § 74 Abs. 2 faktisch eine Wettbewerbsunterlassung erreichen, ohne Karenzentschädigung zahlen zu müssen.167 Das gilt allerdings uneingeschränkt nur dann, wenn die Klausel es dem Arbeitgeber ermög- 65 licht, seine Erklärung auch noch dann abzugeben, wenn eine Kündigung von einer der beiden Seiten bereits ausgesprochen wurde. Ist die Klausel hingegen so formuliert, dass der Arbeitgeber von seiner Option keinen Gebrauch mehr machen kann, sobald eine Kündigung ausgesprochen wurde, bestehen gegen eine entsprechende Regelung keine Bedenken. Sie dient dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, Unsicherheiten im Hinblick auf den möglichen zukünftigen Bedarf an einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot zu regeln und lässt den Arbeitnehmer dann, wenn er im Hinblick auf das gekündigte Arbeitsverhältnis nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten sucht, nicht im Unklaren über das Bestehen eines Wettbewerbsverbots168 (zur vergleichbaren Situation bei Vorverträgen Rn 72). Allerdings muss die Vereinbarung so eindeutig formuliert sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein Zweifel darüber bestehen kann, dass die Freigabe- bzw. Verzichtsklausel nur für die Zeit vor dem Ausspruch einer Kündigung greift.169 Bedingte Wettbewerbsverbote bewirken, wenn sie die in Rn 65 beschriebene Einschränkung 66 nicht enthalten, eine Umgehung des differenzierten Schutzsystems der §§ 74 ff, insbesondere des § 74 Abs. 2. Deshalb sind sie für den Arbeitnehmer unverbindlich. Hält er sich unbewusst oder bewusst nicht an das Verbot, so kann der Arbeitgeber keine Rechte aus der Vereinbarung herleiten, auch wenn er mit einer entsprechenden Erklärung die Geltung beansprucht.170 Das ist aus § 75d Satz 2171 oder aus einer analogen Anwendung des § 74 Abs. 2 (vgl. § 75d Rn 5) abzuleiten. 164 Der Begriff wird teilw. kritisiert, da es sich in den vorliegenden Fällen nicht um „echte“ Bedingungen, sondern um Potestativbedingungen handele (Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 485; vgl. auch BeckOGK-HGB/Ittmann [15.12.2021] § 74 Rn 42 f). Tatsächlich handelt es sich um sog. Wollensbedingungen, die aber ebenfalls unter § 158 BGB fallen können (str., näher MünchKommBGB/Westermann9 § 158 Rn 21 ff). Dass deren Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, ist freilich unstrittig. Zum Ganzen ausf. Brune Bedingte Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer, 1989. 165 BAG 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, AP § 74 HGB Nr. 51 (Bl. 1R f) m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; vgl. aber Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 166 f; Stefan BB 1980, 685. 166 BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke; 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 3) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst. 167 Vgl. stv. BAG 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, AP § 74 HGB Nr. 51 (Bl. 2) m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; Buchner ARBlattei SD 1830.3 Rn 171. 168 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 499. 169 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 505a unter Hinweis auf BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67. 170 St. Rspr.; vgl. BAG 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, AP § 74 HGB Nr. 51 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; 16.12.1986 – 3 AZR 73/86, AP § 74 HGB Nr. 53 m. Anm. Hadding/Hammen; zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24); aA Stefan BB 1980, 685, der bei auflösenden Bedingungen bis zu deren Eintritt von der beiderseitigen Verbindlichkeit ausgeht. 171 So das BAG, vgl. die vorgenannten Nachw. 875
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Problematischer ist die Frage, ob der Arbeitnehmer auch ein Wahlrecht hat, ob er also seinerseits auf die Geltung des Wettbewerbsverbots bestehen kann. Das BAG, das zunächst unter Berufung auf eine Umgehung des § 75a dessen Rechtsfolgen heranzog,172 hatte zwischenzeitlich dem Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung mit der Begründung versagt, er könne sich zwar von dem Verbot lösen, aber ohne entsprechende Willenserklärung des Arbeitgebers nicht einseitig dessen Geltung für Fälle beanspruchen, die nicht vereinbart waren.173 Inzwischen billigt das BAG in ständiger Rechtsprechung dem Arbeitnehmer die gleichen Rechte zu wie bei den anderen unverbindlichen Wettbewerbsverboten, sodass er ein Wahlrecht hat, das – mit den bei Rn 61 genannten Ausnahmen – grundsätzlich zu Beginn der Karenzzeit auszuüben ist und in jeder Richtung bindend wirkt.174 Dabei lässt es das BAG ausreichen, dass der Arbeitnehmer in Unkenntnis der Unverbindlichkeit, also im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vereinbarung, den Wettbewerb unterlässt. Einer besonderen Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber bedürfe es in diesem Fall nicht.175 Allerdings soll der Arbeitnehmer endgültig für den gesamten Karenzzeitraum an das Wettbewerbsverbot gebunden sein.176 Der Arbeitgeber könne den Arbeitnehmer in Anwendung des Rechtsgedankens des § 264 Abs. 2 Satz 1 BGB unter Bestimmung einer angemessenen Frist zur Vornahme des Wahlrechts auffordern.177 In der Literatur findet die Rechtsprechung des BAG vielfach Zustimmung,178 sie wird aber 68 auch aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisiert: Teilweise wendet man sich gegen das als zu weitgehend empfundene Wahlrecht des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer soll, wenn er sich an das unverbindliche Wettbewerbsverbot hält, nicht die vereinbarte Karenzentschädigung, sondern Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo sowie einen Bereicherungsausgleich geltend machen können.179 Auf der anderen Seite wird die Erklärungspflicht des Arbeitnehmers zu Beginn der Karenzzeit als einseitige Lösung angegriffen180 oder ganz allgemein eine Analogie zu § 90a Abs. 2 befürwortet.181 Schließlich wird jedenfalls für auflösend bedingte Wettbewerbsverbote überhaupt ein Regelungsbedarf bestritten.182 69 Die Zubilligung eines Wahlrechts an den Arbeitnehmer ist durchaus dogmatischen Zweifeln ausgesetzt. Problematisch ist das bedingte Wettbewerbsverbot, da es den Arbeitnehmer allein dadurch faktisch bindet, dass es ihn im Ungewissen darüber lässt, ob der Arbeitgeber eine Konkurrenztätigkeit untersagen wird oder nicht. Es droht eine Umgehung insbesondere der Karenzpflicht des § 74 Abs. 2 (Rn 64). Schutzbedürftig ist deshalb zunächst ohnehin nur der 67
172 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 2R ff) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; vgl. auch BAG 19.1.1956 – 2 AZR 123/54, AP § 75a HGB Nr. 1 (Bl. 1R f) = SAE 1956, 148 m. Anm. Haußmann; vgl. auch Brune Bedingte Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer 1989, S. 70 ff. 173 BAG 2.5.1970 – 3 AZR 143/69, AP § 74 HGB Nr. 26 (Bl. 3) m. Anm. Buchner; 2.8.1971 – 3 AZR 12/71, AP § 74 HGB Nr. 27 (Bl. 2) m. Anm. Hofmann = SAE 1972, 161 m. Anm. Mayer-Maly; 26.11.1971 – 3 AZR 127/71, AP § 74 HGB Nr. 29 (Bl. 2) m. Anm. Grunsky = SAE 1973, 66 m. Anm. Canaris. 174 BAG 19.1.1978 – 3 AZR 573/77, AP § 74 HGB Nr. 36 (Bl. 2R ff) = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 123 m. Anm. Buchner = SAE 1978, 180, m. Anm. Canaris; 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, AP § 74 HGB Nr. 51 (Bl. 2 ff) m. Anm. Küstner/ v. Manteuffel; 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer; zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24). 175 BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60. 176 BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60; krit. dazu Wertheimer JZ 1991, 880. 177 BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60. 178 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 51; Grüll/Janert S. 33; Henssler Anm. BAG AP § 74 HGB Nr. 67 (Bl. 5); Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 34; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 44; Oetker/ Kotzian-Marggraf7 § 75a Rn 7; Laskawy NZA 2012, 1011 (1015); Lembke BB 2020, 52 (58); NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 20; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 72; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 54; Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas/Wagner/Vogt5 § 74a Rn 24 ff; vgl. dazu auch ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 484 ff. 179 Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 153 (161 ff); ders. Anm. zu BAG 26.11.1971 – 3 AZR 127/71, AP § 74 HGB Nr. 29 (Bl. 4R f) m. Anm. Grunsky = SAE 1973, 66 m. Anm. Canaris; Löwe S. 82 ff. 180 Küstner/v. Manteuffel BB 1987, 413 (414 f); abgedruckt auch als Anm. zu BAG 13.5.1986 AP § 74 HGB Nr. 51. 181 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 292 ff; ähnlich Canaris Anm. zu BAG SAE 1973, 67 (69). 182 Stefan BB 1980, 685 ff, der dem BAG aber für die Fälle aufschiebender Bedingungen zustimmt. Weber/Gräf
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Arbeitnehmer, der die Unverbindlichkeit nicht kennt. Wer weiß, dass es dem Arbeitgeber verwehrt ist, sich auf ein Wettbewerbsverbot zu berufen, durch das die Voraussetzungen der §§ 74 ff umgangen werden, ist in seinem beruflichen Fortkommen von vornherein nicht behindert. Seine Interessen sind dadurch gewahrt, dass er sich nicht an das Verbot zu halten braucht.183 Aber selbst für den Arbeitnehmer, der die Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots nicht kennt, kann die Zubilligung eines Wahlrechts auf der Basis des geltenden Rechts dogmatisch nicht überzeugen. Fehlt entgegen § 74 Abs. 2 jede Regelung über eine Karenzentschädigung, geht man von beiderseitiger Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots aus. Praktisch kommt das der Nichtigkeit der Vereinbarung gleich (Rn 53). Für den Fall der Umgehung des § 74 Abs. 2 kann aber die Rechtsfolge eigentlich keine andere sein als bei unmittelbarer Missachtung der Vorschrift;184 in der Sache geht es bei der in § 75d Satz 2 normierten Figur der Gesetzesumgehung nämlich gerade darum, die umgangene Norm analog zur Anwendung zu bringen (§ 75d Rn 5). Aus § 75d wird außerdem in den übrigen Fällen der Unverbindlichkeit nur gefolgert, dass der Arbeitnehmer an einem vereinbarten Wettbewerbsverbot auf dem Boden der getroffenen Vereinbarungen festhalten kann.185 Billigt man aber dem Arbeitnehmer über das Wahlrecht die Disposition über die Geltung des Wettbewerbsverbots zu, während die Vereinbarung den Eintritt der Bedingung gerade in die Hände des Arbeitgebers legt, dann orientiert man sich nicht mehr an den Vorgaben der getroffenen Vereinbarungen, sondern modifiziert den Vertragsinhalt.186 De lege lata besteht eine interessengerechte und im Ergebnis einem vertraglichen Entschä- 70 digungsanspruch gleichkommende Lösung darin, dem Arbeitnehmer, der sich in Unkenntnis der Unverbindlichkeit an das Verbot hält, einen Bereicherungsausgleich nach den Grundsätzen der Leistungskondiktion zuzubilligen, da er an den Arbeitgeber ohne Rechtsgrund eine Leistung erbracht hat.187 Die Rechtsprechung zeigt sich allerdings im Bestreben um eine Eindämmung bedingter Wettbewerbsverbote hinsichtlich der Anerkennung eines Wahlrechts gefestigt, sodass sich die Praxis darauf einzurichten hat.188 Soweit die §§ 74 ff direkt oder analog auf Organmitglieder juristischer Personen anzu- 71 wenden sind (Vor § 74 Rn 52 ff), kommt bei diesen ein Rückgriff auf die vorgenannten Grundsätze in Betracht.189
2. Vorverträge Verpflichtet sich der Arbeitnehmer in einem Vorvertrag, bei einem entsprechenden Wunsch des 72 Arbeitgebers später eine Wettbewerbsvereinbarung abzuschließen, ist dies nur dann unbedenklich, wenn die Option dem Arbeitgeber nicht auch für den Fall zugestanden wird, dass bereits 183 Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 162 f; ders. Anm. zu BAG 26.11.1971 – 3 AZR 127/71, AP § 74 HGB Nr. 29 (Bl. 4R f) m. Anm. Grunsky = SAE 1973, 66 m. Anm. Canaris.
184 BAG 2.5.1970 – 3 AZR 143/69, AP § 74 HGB Nr. 26 (Bl. 3 f) m. Anm. Buchner; Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 161 f. 185 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 506 f, die entgegen BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke; 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 3) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst für den Fall der Umgehung des § 75a nicht von einer Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots ausgehen, sondern auf die gesetzliche Regelung zurückgreifen wollen. 186 BAG 2.5.1970 – 3 AZR 143/69, AP § 74 HGB Nr. 26 (Bl. 3) m. Anm. Buchner. 187 Näher Grunsky FS 25 Jahre BAG, 1979 S. 163 ff; Löwe S. 82 ff. 188 Der Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (Beilage zu NZA 23/2006, aktualisierte Fassung: Beilage zu NZA 21/2007) sieht in § 82 eine eigenständige Regelung vor, wonach die Geltung des Wettbewerbsverbots davon abhängt, ob der Arbeitnehmer es akzeptiert (Abs. 1). Verzichtsklauseln ohne Entschädigungsregelung sollen unwirksam sein, wenn sie einen Verzicht auch für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlauben (Abs. 2). 189 Näher zu bedingten Wettbewerbsverboten für Organmitglieder juristischer Personen vgl. Grüll/Janert S. 92 ff; Hoffmann-Becking FS Quack, 1991 S. 279 ff. 877
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eine der beiden Vertragsparteien eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen hat. Ansonsten droht wie bei den bedingten Wettbewerbsverboten eine Umgehung der Karenzentschädigungspflicht. Der Arbeitnehmer wäre faktisch in seiner Stellensuche beeinträchtigt, da er mit einer Ausübung der Option durch den Arbeitgeber rechnen muss. Der Arbeitgeber könnte die Wahl des konkurrenzfreien Arbeitsplatzes durch den Arbeitnehmer abwarten, dann die Option nicht wahrnehmen und auf diese Weise die Karenzentschädigung sparen. In derartigen Fällen sind also die gleichen Regeln wie bei bedingten Wettbewerbsverboten anzuwenden.190 Allerdings hat das BAG offen gelassen, ob Vorverträge auch dann, wenn der Arbeitgeber ab der Kündigung des Arbeitsvertrags sein Recht aus dem Vorvertrag nicht mehr ausüben kann, im Einzelfall zu beanstanden sein können.191 Sofern ein Vorvertrag zulässig ist, weil er die Wahrnehmung der Option auf Situationen 73 vor Ausspruch einer Kündigung beschränkt, muss bei Abschluss des Vorvertrags bereits die Schriftform des § 74 Abs. 1 eingehalten werden.192 Darüber hinaus ist zu verlangen, dass dem Arbeitnehmer eine vom Arbeitgeber unterzeichnete Urkunde übergeben wird, die den Inhalt der vorvertraglichen Vereinbarung dokumentiert.193 In beiderlei Hinsicht ist § 74 Abs. 1 analog anzuwenden.
3. Zulässige Bedingungen 74 Nicht alle bedingten Wettbewerbsverbote umgehen die §§ 74 ff. Zulässig ist es, die Geltung des Wettbewerbsverbots von einer bestimmten Entwicklung des Arbeitsverhältnisses abhängig zu machen, etwa die Übernahme einer bestimmten Position oder Aufgabe durch den Arbeitnehmer oder das Erreichen einer bestimmten Gehaltsgrenze.194 Zulässig ist auch die aufschiebende Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis über die Probezeit hinaus noch fortgesetzt wird (vgl. Rn 44).195 Gleiches gilt für die Regelung, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit Ablauf des zweiten Vertragsjahres der Laufzeit eines Arbeitsverhältnisses wirksam werden soll.196 Eine solche Bestimmung kann auch nicht als überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB angesehen werden und ist deshalb auch in AGB möglich.197 Zulässig ist ferner eine Bedingung für den Fall, dass sich das Interesse des Arbeitgebers am Wettbewerbsverbot erst im Laufe der
190 BAG 18.4.1969 – 3 AZR 154/68, AP § 133f GewO Nr. 22 m. Anm. Nitschke; 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 15, 18 ff); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 488 ff; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 184 ff; Hopt/ Roth41 Rn 4; vgl. auch Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 18; Laskawy NZA 2012, 1011 (1015 f); Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 29; krit. Löwe S. 97 ff. 191 So im Hinblick auf § 74a Abs. 1 Satz 2 (unbillige Fortkommenserschwernis) BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 14); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 37) m. Anm. Fehrenbach. Im Schrifttum werden für diesen Fall teilweise mit Blick auf § 75a Bedenken geäußert bzw. es wird gefordert, der Abschluss von Vorverträgen müsse auf einen bestimmten Zeitpunkt bereits vor dem Kündigungsausspruch begrenzt werden (s. etwa BeckOGK-BGB/Fehrenbach [1.5.2022] § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn 80); jedenfalls dieser Ansicht hat das BAG – zu Recht – eine Absage erteilt, BAG 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 40). 192 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 29); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 28) m. Anm. Fehrenbach; Laskawy NZA 2012, 1011 (1016). 193 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 26); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 489; Laskawy NZA 2012, 1011 (1012); vgl. auch Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 9. 194 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 515; Laskawy NZA 2012, 1011 (1015). 195 Vgl. BAG 24.4.1970 – 3 AZR 328/69, AP § 74 HGB Nr. 25 (Bl. 1R) m. Anm. Simitis = SAE 1971, 235 m. Anm. Migsch; 2.8.1971 – 3 AZR 121/71, AP § 615 BGB Nr. 25 (Bl. 2) m. Anm. Blomeyer; 8.6.2006 – 10 AZR 407/05, AP § 74 HGB Nr. 80 (Rn 18); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 522, 695; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 19; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 196 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 176 ff, der zutr. darauf hinweist, dass es sich um eine Zeitbestimmung handelt. 197 BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78 (Bl. 2). Weber/Gräf
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Zeit ergibt und der Arbeitgeber seine Option noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses (vor Ausspruch einer Kündigung) wahrnehmen kann (vgl. auch Rn 65). Zulässig ist schließlich auch der Vorbehalt des Arbeitgebers, das Wettbewerbsverbot hinsichtlich seines sachlichen und örtlichen Umfangs erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu konkretisieren, wenn davon seine Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung nicht berührt wird. Der für die Unzulässigkeit bedingter Wettbewerbsverbote maßgebliche Gedanke der Umgehung des § 74 Abs. 2 greift hier nicht.198 Ob sich allerdings der Arbeitgeber wirklich zu einer solchen, vom konkreten Umfang des Wettbewerbsverbots unabhängigen Karenzentschädigung verpflichten will, muss zunächst durch Auslegung ermittelt werden.199 Das BAG verlangt insofern, dass eine Vereinbarung so eindeutig formuliert sein muss, dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über den Anspruch auf Karenzentschädigung besteht.200 Vereinbaren die Parteien in einer Mandantenschutzklausel (vgl. zu diesen bereits Vor § 74 75 Rn 74 ff), dass der Arbeitnehmer mit Zustimmung seines Arbeitgebers die Betreuung einzelner Mandanten übernehmen darf, so liegt darin kein unzulässiges bedingtes Wettbewerbsverbot, wenn trotz Zustimmung im Einzelfall der volle Karenzentschädigungsanspruch unberührt bleibt.201
D. Übergang der Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsvereinbarung I. Rechtsgeschäftliche Übertragung und Universalsukzession Eine isolierte Übertragung der Rechte des Arbeitgebers aus einer Wettbewerbsabrede ist nach 76 § 399 Alt. 1 BGB unzulässig, da die Wettbewerbsabrede dem Schutz des Handelsgewerbes dient und der Inhalt der Leistung verändert werden würde.202 Da die Pflicht zur Unterlassung von Wettbewerb eine höchstpersönliche Verpflichtung nach § 613 BGB ist, geht sie mit dem Tod des Arbeitnehmers nicht auf seine Erben über.203 Ein Übergang der Rechte aus einer Wettbewerbsvereinbarung kann im Wege der Gesamt- 77 rechtsnachfolge auf Seiten des Arbeitgebers erfolgen.204
II. Betriebs(teil)übergang 1. Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Betriebsübergang Bei Übertragung des Handelsgewerbes durch den Arbeitgeber wurde früher unter Berufung auf 78 § 613 Satz 2 BGB ein dreiseitiges Rechtsgeschäft zwischen dem alten und neuen Arbeitgeber und
198 LAG Düsseldorf 3.8.1993 – 8 Sa 787/93, LAGE § 74 HGB Nr. 8; aufgehoben durch BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67; wie hier auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 280 ff; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 173 ff; Henssler Anm. BAG AP § 74 HGB Nr. 67 (Bl. 4); Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 35; Linke Anm. LAG Düsseldorf EWiR § 74 HGB 1/94. 199 LAG Düsseldorf 10.2.1993 – 4 Sa 1669/92, LAGE § 74 HGB Nr. 7 (S. 2 f). 200 BAG 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, AP § 74 HGB Nr. 67; krit. zur Auslegung im konkreten Fall Henssler Anm. BAG AP § 74 HGB Nr. 67 (Bl. 4). 201 LAG München 19.8.1985 – 4 Sa 298/85, DB 1987, 1444; gebilligt von BAG 27.9.1988 – 3 AZR 59/87, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 35 = EzA § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr 1 m. Anm. Kraft/Raab. 202 Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 53; Schlegelberger/Schröder Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 70; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 61. 203 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 45. 204 BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 (Bl. 3R) m. Anm. Zöllner; Schlegelberger/Schröder Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 70. 879
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dem Arbeitnehmer verlangt.205 Die Zustimmung des Arbeitnehmers konnte auch aus seinem Einverständnis mit dem Übergang des Arbeitsverhältnisses geschlossen werden.206 Seit Einführung des § 613a BGB geht beim Betriebsübergang das Arbeitsverhältnis als Ganzes mit über (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB), falls der Arbeitnehmer nicht widerspricht. Das schließt auch den Übergang der potenziellen – im Falle einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden – Rechte und Pflichten aus einer Wettbewerbsabrede mit ein.207 Der Betriebsveräußerer kann nach dem Betriebsübergang keine Rechte mehr aus der Wettbewerbsabrede geltend machen.208 Die Regelung des § 613a BGB findet gemäß § 324 UmwG auch in Umwandlungsfällen Anwendung, die mit einem Wechsel des Rechtsträgers verbunden sind.209 Der Inhalt des Wettbewerbsverbots richtet sich im Falle eines Betriebsübergangs im Ver79 hältnis zum Erwerber – das heißt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs – nach den Vereinbarungen zwischen dem ursprünglichen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer. Möchte der neue Arbeitgeber die Reichweite des Wettbewerbsverbots auf neue, vom früheren Betriebsinhaber nicht betriebene Geschäftszweige ausdehnen, bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung mit dem übernommenen Arbeitnehmer.210 Umgekehrt ist zu beachten, dass die Konkurrenzklausel im Verhältnis zum neuen Arbeitgeber bei einer späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur dann verbindlich werden kann, wenn auch dieser ein berechtigtes geschäftliches Interesse an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots geltend machen kann.211 § 74a Abs. 1 Satz 1 ist nach dem Betriebsübergang auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Betriebsübernehmer zu beziehen. Das bedeutet allerdings auch, dass ein Wettbewerbsverbot, das bislang mangels berechtiger geschäftlicher Interessen des ursprünglichen Arbeitgebers nicht hätte verbindlich werden können (im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Betriebsübergang), im Verhältnis zum neuen Arbeitgeber verbindlich werden kann (im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Betriebsübergang), sofern bei diesem die Voraussetzungen des § 74a erfüllt sind.212 Widerspricht ein Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nach § 613a 80 Abs. 6 BGB, bleibt sein Arbeitsverhältnis zum Betriebsveräußerer bestehen. Für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots kommt es dann wiederum auf das Bestehen berechtigter Interessen auf Seiten des Betriebsveräußerers an.213 Das kann allerdings zu aus Sicht des Arbeitgebers unbefriedigenden Ergebnissen führen, wenn der von dem Wettbewerbsverbot geschützte Geschäftsbereich vom Betriebsveräußerer gerade infolge des Betriebs(teil)übergangs nicht mehr weiter verfolgt wird. Da das Wettbewerbsverbot in diesem Fall nach § 74a Abs. 1 insoweit unverbindlich ist, kann der widersprechende Arbeitnehmer sich darauf berufen, den Arbeitgeber am Wettbewerbsverbot festhalten und die Karenzentschädigung verlangen. Der Arbeitgeber kann sich einseitig nur durch eine Verzichtserklärung nach § 75a lösen, muss dann aber noch bis 205 BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 (Bl. 3R) m. Anm. Zöllner; 26.11.1971 – 3 AZR 220/71, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 26 (Bl. 4) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1972, 203 m. Anm. Gitter; Hohn DB 1971, 94 (99).
206 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 (Bl. 4) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld.
207 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 412 ff; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 52a; Schaub/Vogelsang ArbRHdb19 § 55 Rn 45; Wertheimer S. 182 ff. 208 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 61: Wettbewerbsverbot im Verhältnis zum bisherigen Arbeitgeber erloschen. 209 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 71; vgl. dazu auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 34 f. 210 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 30; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 74. 211 Bossmann, S. 260 ff; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 416; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 52a; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 75; Wertheimer S. 193 ff. 212 So auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 75 (aber mit der missverständlichen Formulierung: „das bis dahin unverbindliche Wettbewerbsverbot [wird] zum Zeitpunkt der Übertragung voll wirksam“; das Wettbewerbsverbot entsteht erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Erwerber); vgl. auch MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 69; aA Heymann/Henssler/Michel HGB § 74a Rn 9. 213 Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 52a. Weber/Gräf
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zum Ablauf der Jahresfrist die Karenzentschädigung leisten. Um dem zu begegnen, ist erwogen worden, in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung zur Sozialauswahl bei der betriebsbedingten Kündigung214 objektiv vertretbare Gründe für einen Widerspruch zu verlangen und bei deren Fehlen dem Arbeitgeber ein einseitiges Lösungsrecht ohne Karenzentschädigungspflicht zuzugestehen.215 Nachdem das BAG diese Rechtsprechung im Bereich der betriebsbedingten Kündigung – in Übereinstimmung mit der ganz hM im Schrifttum – aufgegeben hat,216 dürfte dieser Lösung aber der Boden entzogen sein. Wertungsmäßig erscheint die vorgeschlagene Korrektur auch insofern verzichtbar, als der Veräußerer den Wegfall des geschäftlichen Interesses durch seine Umstrukturierungsentscheidung ja immerhin selbst herbeigeführt hat. Daher scheidet nach § 323 Abs. 6 BGB auch ein Rücktritt vom Wettbewerbsverbot aus.217 Wenn nur ein Betriebsteil übertragen wird und der alte Arbeitgeber ebenfalls noch Interes- 81 se an der Einhaltung eines Wettbewerbsverbots durch den Arbeitnehmer hat, gehen die Rechte aus dem Wettbewerbsverbot gleichwohl vollständig auf den neuen Arbeitgeber über. Der frühere Arbeitgeber kann sich gegenüber dem Arbeitnehmer also nicht mehr auf die Konkurrenzklausel berufen. Er muss sich auf seine Rechte aus dem Vertrag mit dem Betriebserwerber verweisen lassen.218
2. Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Betriebsübergang Hinsichtlich der im Zeitpunkt des Betriebsübergangs schon ausgeschiedenen, aber noch an 82 das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gebundenen Arbeitnehmer wird vorgeschlagen, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB analog heranzuziehen.219 Zum Teil wendet man die Vorschrift sogar unmittelbar an und begründet dies mit einem auf die Wettbewerbsvereinbarung reduzierten, fortbestehenden Arbeitsverhältnis.220 Gegen eine analoge oder sogar direkte Anwendung der Vorschrift können aber, wenn sich der Geschäftsbereich von Betriebsveräußerer und Betriebserwerber nicht ganz decken, sowohl die Interessen des neuen Arbeitgebers als auch diejenigen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers sprechen221: Der neue Arbeitgeber wird unter Umständen kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots in einem Bereich haben, in dem er selber gar nicht tätig ist. Der Arbeitnehmer mag sich nach dem Ausscheiden beim alten Arbeitgeber gerade in Hinblick auf das Wettbewerbsverbot in eine Branche orientiert haben, in der nunmehr der Betriebsübernehmer tätig ist. Da somit eine mit § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vergleichbare Interessenlage nicht besteht, sind die Beteiligten auf eigenständige vertragliche Vereinbarungen zu verweisen.222 214 BAG 7.4.1993 – 2 AZR 449/91 (B), AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 22 m. Anm. Gentges = EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 30 m. Anm. Preis/Steffan; 18.3.1999 – 8 AZR 190/98, AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 41 = SAE 2000, 286 m. Anm. Schiefer; 24.2.2000 – 8 AZR 167/99, AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 47 = SAE 2001, 117 m. Anm. Reichold. 215 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 417; ebenso noch Staub/Konzen/Weber4 § 74 Rn 71. 216 BAG 31.5.2007 – 2 AZR 276/06, AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 94 m. Anm. Meyer = SAE 2008, 331 m. Anm. Löwisch; stv. für die Lit. B. Gaul NZA 2005, 730 (732 f). 217 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 999. 218 LAG Baden-Württemberg 6.8.1998 19 Sa 10/98, LAGE § 613a BGB Nr. 70; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 418 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 73, 75. 219 Bossmann Auswirkungen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf die Wettbewerbsverbote der Arbeitnehmer, 1993, S. 200 ff, 229 ff; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 71; KR/Pfeiffer § 613a BGB Rn 15; ebenso noch Staub/Konzen/Weber4 § 74 Rn 22. 220 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 428 f. 221 LAG Köln 8.7.2011 – 10 Sa 398/11, BeckRS 2011, 76976; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1003 f; B. Gaul/ Ludwig NZA 2013, 489 (491 f); vgl. auch Wertheimer S. 197 ff. 222 LAG Frankfurt 3.5.1993 – 10 SaGa 345/93, NZA 1994, 1033; LAG Köln 8.7.2011 – 10 Sa 398/11, BeckRS 2011, 76976; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1001 ff; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 32; 881
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E. Rechtsfolgen bei Verstößen I. Verletzung des Wettbewerbsverbots 1. Unterlassung 83 Der Arbeitgeber hat aus der Wettbewerbsabrede einen primären Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitnehmer hinsichtlich der untersagten Konkurrenztätigkeit (zur Ermittlung des Inhalts des Verbots mittels Auslegung Rn 23 ff); diesen Anspruch kann er im Falle von Verstößen im Wege der Unterlassungsklage durchsetzen.223 Wenn der Arbeitgeber aufgrund objektiver Umstände befürchten muss, dass der ehemalige Arbeitnehmer das Verbot nicht einhält, ist auch eine vorbeugende Unterlassungsklage möglich.224 Der Anspruch kann auch auf Beseitigung einer anhaltenden Störung gerichtet sein, etwa auf die Schließung des Konkurrenzbetriebs (einschließlich der Löschung aus dem Handelsregister).225 In Eilfällen kann der Arbeitgeber den Unterlassungsanspruch auch im Wege der einstweiligen Verfügung (§ 935 ZPO) geltend machen.226 Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. c ArbGG.227 Der Arbeitgeber hat hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts nach § 35 ZPO ein Wahlrecht zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand des möglicherweise neuen Arbeitnehmerwohnsitzes (§§ 12, 13 ZPO), dem besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes, also dem Ort der ehemaligen Arbeitsstätte (§ 29 ZPO), und dem besonderen Gerichtsstand des letzten gewöhnlichen Arbeitsorts (§ 48 Abs. 1a ArbGG).228 Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach § 890 ZPO; sie setzt einen hinsichtlich der zu unterbindenden Handlungen ausreichend bestimmten Unterlassungstitel voraus.229 Läuft während einer gerichtlichen Auseinandersetzung um das Wettbewerbsverbot die 84 Karenzzeit ab, so kann der Arbeitgeber (auch noch in der Revisionsinstanz) von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage übergehen, dass der Arbeitnehmer zur Wettbewerbsunterlassung verpflichtet war.230 Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse kann sich aus möglichen Schadensersatz- oder Vertragsstrafenansprüchen ergeben.231
GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 76; B. Gaul/Ludwig NZA 2013, 489 (491 f); Grüll/Janert S. 82; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 50; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 53; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 77; Schaub/Vogelsang ArbRHdb19 § 55 Rn 46. 223 BAG 30.1.1970 – 3 AZR 348/69, AP § 133f GewO Nr. 24 m. Anm. Simitis; 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 867 ff; zum Erfordernis der Bestimmtheit des Klageantrags und zu taktischen Überlegungen bei der Antragsformulierung BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 154 ff. 224 LAG Baden-Württemberg 29.2.1986 – 13 Sa 19/85, NZA 1986, 641; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 65. 225 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 31; Hopt/Roth41 Rn 10. 226 LAG Frankfurt 19.6.1956 – VII Sa 27/56, BB 1956, 853; LAG Baden-Württemberg 7.9.1967 – 7 Ta 8/67, BB 1967, 1426; LAG Niedersachsen 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426; LAG Rheinland-Pfalz 17.12.2009 – 5 SaGa 13/ 09, BeckRS 2010, 68214; LAG Schleswig-Holstein 19.3.2013 – 1 SaGa 2/13, BeckRS 2013, 68629; näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 887 ff. 227 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 57. 228 Bengelsdorf DB 1992, 1340 ff. 229 Vgl. LAG Köln 18.1.2012 – 9 Ta 407/11, BeckRS 2012, 68079; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 172; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 70. 230 BAG 2.2.1968 – 3 AZR 462/66, AP § 74 HGB Nr. 22 m. Anm. Weitnauer = SAE 1969, 43 m. Anm. Rüthers; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 445; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 57. 231 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 57. Weber/Gräf
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2. Leistungsstörungsrecht Die Karenzentschädigung in einer Wettbewerbsvereinbarung ist, auch wenn sie dem sozialen 85 Interesse und Schutz des Arbeitnehmers dient, Gegenleistung für die versprochene Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers. Daher sind die Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag (§§ 320 ff BGB) anzuwenden,232 und zwar unabhängig davon, ob das Wettbewerbsverbot als Teil des Arbeitsvertrags oder gesondert vereinbart ist.233 Solange der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot verstößt, kann der Arbeitgeber die Karenzentschädigung nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückhalten.234 Die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot macht die dem Arbeitnehmer obliegende Leistung für die entsprechende Zeit unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB), sodass er nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB seinen Anspruch verliert.235 Bereits gezahlte Karenzentschädigung kann der Arbeitgeber in diesem Fall (auch bei fehlendem Verschulden des Arbeitnehmers) zurückfordern (§ 326 Abs. 4 BGB).236 Der Anspruch lebt wieder auf, sobald der Arbeitnehmer das Verbot wieder einhält.237 Der Arbeitgeber kann sich endgültig von der Karenzentschädigungspflicht befreien, indem 86 er von der Wettbewerbsvereinbarung nach Maßgabe des § 323 BGB zurücktritt. Das Rücktrittsrecht wird nicht etwa von den §§ 75, 75a verdrängt.238 Auch § 314 BGB (Kündigung aus wichtigem Grund) geht – wie inzwischen zu Recht auch das BAG anerkannt hat – dem Rücktrittsrecht nicht vor.239 Die nach § 323 Abs. 1 BGB grundsätzlich erforderliche Fristsetzung ist insbesondere dann verzichtbar, wenn der Arbeitnehmer die zukünftige Einhaltung des Wettbewerbsverbots ernsthaft und endgültig verweigert hat (§ 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB).240 Allerdings soll im Fall des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots der Rücktritt nach Ansicht des BAG241 und der h.Lit.242 ausnahmsweise nur ex nunc wirken, es soll also keine Rückabwicklung erfolgen. Dies überzeugt nicht. Denn einer Rückabwicklung stehen hier – anders als bei sonstigen Dauerschuldverhältnissen und insbesondere beim in Vollzug gesetzten Arbeitsverhältnis selbst – kei-
232 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 29); 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 17) m. Anm. Ch. Weber m.w.N.; ausf. Bauer/Diller NJW 2002, 1609 (1610 ff); vgl. bereits vor der Schuldrechtsmodernisierung BAG 10.9.1985 – 3 AZR 490/83, AP § 74 HGB Nr. 49 (Bl. 2) m. Anm. Beitzke; 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (unter I 2) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort m.w.N. 233 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 17) m. Anm. Ch. Weber. 234 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 29); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 899 ff; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 450; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 60. 235 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 29); Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 61. 236 BAG 5.8.1968 – 3 AZR 128/67, AP § 74 HGB Nr. 24 (Bl. 3) m. Anm. Diederichsen = SAE 1969, 38 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 61; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 75; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 31. 237 BAG 10.9.1985 – 3 AZR 490/83, AP § 74 HGB Nr. 49 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 61. 238 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 18) m. Anm. Ch. Weber. 239 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 20 ff); in der Tendenz bereits BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (unter III 2 b) m. Anm. Beitzke; ebenso heute die ganz hL, s. statt vieler Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 58; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 23; ausf. Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 1); aA Grunsky FS Söllner, 1990 S. 44. 240 Vgl. BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 29) m. Anm. Ch. Weber; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 61. 241 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 26) m. insoweit abl. Anm. Ch. Weber; vgl. bereits BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (unter III 2 b) m. Anm. Beitzke. 242 Bauer/Diller NJW 2002, 1609 (1611); Boemke jurisPR-ArbR 31/2018 Anm. 6 (unter C III); Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 58; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 31; ErfK/Oetker22 § 74 HGB Rn 23; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 61; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 31; demgegenüber wie hier Heymann/Henssler/ Michel HGB Rn 63; Oetker EWiR 2018, 317 (318). 883
Weber/Gräf
§ 74
1. Buch. Handelsstand
ne unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegen.243 Der Arbeitgeber könnte jedenfalls diejenigen Karenzentschädigungsraten zurückfordern, die für Zeiten angefallen sind, in denen der Arbeitnehmer sich nicht an das Wettbewerbsverbot gehalten hat.244 Hinsichtlich der Zeiten, in denen der Arbeitnehmer vertragstreu war, erlaubt § 346 BGB auch für die Rückabwicklung zugunsten des Arbeitnehmers eine interessengerechte Lösung:245 Der Arbeitnehmer könnte nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Wertersatz für die unterlassene Konkurrenz verlangen, für den nach § 346 Abs. 2 Satz 2 Hs. 1 BGB die vereinbarte Karenzentschädigung zugrundezulegen ist.246 Auf diese Weise blieben dem Arbeitnehmer im Ergebnis die Entschädigungsraten für diejenigen Zeiträume erhalten, in denen er sich an das Wettbewerbsverbot gehalten hat. § 323 Abs. 5 BGB steht der hier vertretenen Lösung auch dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot zunächst eingehalten hat.247 Das BAG hat sich jedoch ohne nähere Begründung auf den Standpunkt gestellt, dass die Unterlassung von Wettbewerb nicht nach § 346 BGB rückabgewickelt werden könne.248 Zu Recht wird im Schrifttum darauf hingewiesen, dass § 314 BGB gleichberechtigt neben 87 § 323 BGB zur Anwendung kommen kann.249 Das BAG hat dies offen gelassen.250 Wegen der typischerweise höheren Anforderungen251 dürfte § 314 BGB aber gegenüber dem Rücktrittsrecht kaum praktische Bedeutung erlangen, zumal jedenfalls die Kündigung nur Ex-nunc-Wirkung entfaltet.252 Der Arbeitgeber kann bei Verschulden des Arbeitnehmers auch Schadensersatz statt der 88 ganzen Leistung nach § 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 283 BGB verlangen, für den Zeitraum nach beendetem Wettbewerbsverstoß unter den Voraussetzungen des § 283 Satz 2 i.V.m. § 281 Abs. 1 Satz 2 BGB.253 Der Schadensersatzanspruch steht nach § 325 BGB neben dem Rücktrittsrecht.254 Für die Beweislast gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Verletzung des gesetzlichen Wettbewerbsverbots nach § 60: § 619a BGB greift nicht; vielmehr bleibt es bei § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB, sodass der Arbeitnehmer den Entlastungsbeweis führen muss (vgl. § 61 Rn 11).255 Der Arbeitgeber kann nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB den ihm entgangenen Gewinn verlangen.256 Ein unmittelbarer Anspruch auf Herausgabe des vom Arbeitnehmer erzielten Gewinns wie nach § 61 Abs. 1 Hs. 2 besteht nicht.257 Das Verlangen von Schadensersatz statt der ganzen Leistung führt 243 Näher Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 2); zust. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 63; Oetker EWiR 2018, 317 (318). 244 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 918; Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 2). 245 Vgl. aber Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 918; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 § 74b Rn 7. 246 Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 2); ebenso Oetker EWiR 2018, 317 (318). 247 Näher Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 2); aA Boemke jurisPR-ArbR 31/2018 Anm. 6 (unter C III); vgl. auch C. Klumpp BB 2018, 1092; auf § 323 Abs. 5 BGB abstellend auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/ Boecken/Rudkowski Rn 58; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 63. 248 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 26) m. insoweit abl. Anm. Ch. Weber. 249 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 920; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 58. 250 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 23, vgl. aber Rn 22: die §§ 74 ff gingen § 314 BGB grundsätzlich vor). 251 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 920, die eine beharrliche Pflichtverletzung verlangen; bei näherer Betrachtung unterscheiden sich die Anforderungen eines wichtigen Grundes (§ 314 BGB) und die für einen Rücktritt (§ 323 BGB) allerdings kaum, näher Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 1). 252 Vgl. aber Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 920, die vorsorglich zur Erklärung beider Gestaltungsrechte raten. 253 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 58; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 62. 254 Vgl. auch BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 37) m. Anm. Ch. Weber. 255 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 58 (Fn 170); Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 62; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 75; diff. nach Risikosphären Bauer/Diller NJW 2002, 1609 (1611); dies. Wettbewerbsverbote9 Rn 909 ff. 256 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 908. 257 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 62; Hopt/Roth41 Rn 15. Weber/Gräf
884
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74
zur Lösung vom Wettbewerbsverbot bzw. der Karenzentschädigungspflicht, hier richtigerweise für die Zukunft.258 89 Zur Vertragsstrafe vgl. § 75c.
3. Beweislast und Auskunftsanspruch Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes trägt nach allge- 90 meinen Grundsätzen derjenige, der sich hierauf beruft, also der Arbeitgeber.259 Dabei ist aber von einer abgestuften Darlegungslast auszugehen: Der Arbeitgeber hat zunächst den Wettbewerbsverstoß für den maßgeblichen Zeitraum so konkret wie möglich zu beschreiben; sodann muss sich der (sachnähere) Arbeitnehmer dazu so detailliert wie möglich erklären. Erst dann sind die vom Arbeitgeber angebotenen Beweise zu erheben.260 Zudem steht dem Arbeitgeber bezüglich der Konkurrenztätigkeit und deren Umfang ein 91 Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer zu; dieser setzt zumindest den konkreten Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes voraus.261 Der Auskunftsanspruch kann im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) zusammen mit Unterlassungs- bzw. Schadensersatzansprüchen geltend gemacht werden.262 Vgl. dazu auch § 61 Rn 33 ff.
II. Verletzung der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung Verletzt der Arbeitgeber seine Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung, kommt er – da die 92 Fälligkeit vertraglich oder durch § 74b Abs. 1 nach dem Kalender bestimmt ist263 (§ 74b Rn 10) – ohne Mahnung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Verzug,264 wenn er die Verschuldensvermutung des § 286 Abs. 4 BGB nicht widerlegen kann und auch die sonstigen Verzugsvoraussetzungen gegeben sind.265 Der Arbeitnehmer kann dann Ersatz seines Verzögerungsschadens verlangen (§ 280 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m. § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).266 Nach § 288 BGB besteht ein Anspruch auf Verzugszinsen. Zudem gibt es auch hinsichtlich der Zahlungspflicht des Arbeitgebers – wie umgekehrt bei 93 der Verletzung des Wettbewerbsverbots – die Möglichkeit der Feststellungsklage.267 Ob der ausgeschiedene Arbeitnehmer Karenzentschädigungsansprüche im Wege der Klage auf zukünftige Leistungen nach § 259 ZPO geltend machen kann, hat das BAG offen gelassen.268 258 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 62. 259 LAG Baden-Württemberg 14.1.2014 – 15 Sa 24/13, BeckRS 2015, 72048 (unter B I 1 a) zu den Voraussetzungen der Unmöglichkeit i.R.d. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB. 260 LAG Baden-Württemberg 14.1.2014 – 15 Sa 24/13, BeckRS 2015, 72048 (unter B I 1 a). 261 BAG 5.8.1968 – 3 AZR 128/67, AP § 74 HGB Nr. 24 (Bl. 4R) m. Anm. Diederichsen = SAE 1969, 38 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 27.9.1988 – 3 AZR 59/87, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 35 = EzA § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr 1 m. Anm. Kraft/Raab; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 862; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 64 (mit Hinw. auf die Möglichkeit des Arbeitgebers, nach § 259 Abs. 2 BGB eine eidesstattliche Versicherung zu fordern); vgl. auch LAG München 24.10.1986 – 3 Sa 438/86, DB 1987, 1444. 262 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 56. 263 Vgl. BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 31) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 264 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 64; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 65 m.w.N. 265 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 59. 266 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 350; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 65. 267 BAG 14.7.2010 – 10 AZR 291/09, AP § 74 HGB Nr. 84 (Rn 39); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 13 ff) m. Anm. Fehrenbach. 268 BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 16), allerdings mit Verweis auf BAG 22.10.2014 – 5 AZR 731/12, AP § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 236 (Rn 49), wo die Frage in Bezug auf Vergütungsansprüche abgelehnt wurde. 885
Weber/Gräf
§ 74
1. Buch. Handelsstand
Für das Rücktrittsrecht269 gilt ebenso wie bei Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers (Rn 86) § 323 BGB.270 Auch hier ermöglichen die Rücktrittsregeln eine interessengerechte Rückabwicklung, sodass ein Vorrang der außerordentlichen Kündigung nach § 314 BGB nicht besteht und der Rücktritt – entgegen der Auffassung des BAG271 und der h.Lit.272 – ex tunc wirkt.273 Für den Arbeitnehmer ist die Ausübung des Rücktrittsrechts allerdings nur dann sinnvoll, wenn er überhaupt die Möglichkeit einer anderweitigen Tätigkeit hat, der das Wettbewerbsverbot entgegenstünde. Ist dies nicht der Fall, ist es für ihn günstiger, an der Geltung des Wettbewerbsverbots festzuhalten und nur die Karenzentschädigung einzufordern.274 Weiterhin kann der Arbeitnehmer – auch neben einem Rücktritt (vgl. § 325 BGB) – unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.275 95 Hält der Arbeitnehmer trotz des Zahlungsverzugs des Arbeitgebers an der Vereinbarung fest, darf er nicht unter Hinweis auf § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB Wettbewerb betreiben. Er muss in diesem Fall von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen.276 96 Zu den Rechtsfolgen bei fehlender Vereinbarung einer Karenzentschädigung Rn 53 ff und bei Unterschreiten der Mindesthöhe in der Vereinbarung Rn 59 ff.
94
269 Vgl. bereits RG 1.5.1912 RGZ 79, 310. 270 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 60; Hopt/Roth41 § 74b Rn 1. 271 BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 20 ff) m. insoweit abl. Anm. Ch. Weber; in der Tendenz bereits BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (unter III 2 b) m. Anm. Beitzke. 272 Vgl. die Nachw. unter Rn 86; speziell zur Situation bei Verletzung der Karenzentschädigungspflicht durch den Arbeitgeber MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 67; wohl auch Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 64 (vgl. allerdings Rn 63). 273 Näher Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II 2); ebenso Oetker EWiR 2018, 317 (318); s. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 468; Grüll/Janert S. 106; Schlegelberger/Schröder § 74b Rn 5. 274 Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter II); vgl. auch Fuhlrott GWR 2017, 367; Maier/Werhann GWR 2018, 168. 275 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 60; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 67. 276 BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (Bl. 3) m. Anm. Beitzke; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 469; DLW/Dörner Teil F Rn 128; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 66; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 101; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 66 f; Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter III); aA Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 61 f. Weber/Gräf
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§ 74a [Unverbindliches und nichtiges Wettbewerbsverbot] (1)
1
Das Wettbewerbverbot ist insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient. 2Es ist ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. 3 Das Verbot kann nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. (2) 1Das Verbot ist nichtig, wenn der Gehilfe zur Zeit des Abschlusses minderjährig ist oder wenn sich der Prinzipal die Erfüllung auf Ehrenwort oder unter ähnlichen Versicherungen versprechen läßt. 2Nichtig ist auch die Vereinbarung, durch die ein Dritter an Stelle des Gehilfen die Verpflichtung übernimmt, daß sich der Gehilfe nach der Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken werde. (3) Unberührt bleiben die Vorschriften des § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht I.
Minderbesoldete
Unverbindlichkeit
II.
Minderjährige
I. 1. 2. 3.
Fehlendes berechtigtes geschäftliches Interesse 4 Grundsätze 5 Maßgeblicher Zeitpunkt 7 Einzelfragen
III.
Ehrenwort
IV.
Versprechen Dritter
D. II. 1. 2. 3.
Unbillige Fortkommenserschwernis 14 Grundsätze 17 Maßgeblicher Zeitpunkt 18 Einzelfragen
Verhältnis zu anderen Nichtigkeitsvorschriften
I.
Sittenwidrigkeit
II.
AGB-Kontrolle
III.
Überschreitung der Zwei-Jahres-Grenze
III.
Arbeitnehmerüberlassung
IV.
Folgen der Unverbindlichkeit
E.
Darlegungs- und Beweislast
C.
Nichtigkeit
A.
Allgemeines
B.
1
34 35
38 40
42 46
22 47
29 48
A. Allgemeines Zum Schutz der wirtschaftlichen Freiheit des Arbeitnehmers (Vor § 74 Rn 13) stellt das Gesetz 1 teilweise Vorschriften auf, an deren Nichteinhaltung die Folge der Unverbindlichkeit der entgegenstehenden Vertragsbestimmungen geknüpft ist (Abs. 1), teilweise solche, deren Nichteinhaltung die Nichtigkeit der Vereinbarung bewirkt (Abs. 2). Während im Falle der Nichtigkeit keine der Parteien irgendwelche Ansprüche aus der Vereinbarung zu erheben vermag, kann
887 https://doi.org/10.1515/9783111097510-058
Weber/Gräf
§ 74a
1. Buch. Handelsstand
sich im Falle der Unverbindlichkeit nur der Arbeitnehmer auf die Vereinbarung berufen.1 Allerdings ist für die Fälle der Unverbindlichkeit zu beachten, dass die Rechtsfolge in § 74a Abs. 1 anders geregelt ist als etwa bei unzureichender Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2). Das Wettbewerbsverbot ist nämlich nur insoweit unverbindlich, als die in § 74 Abs. 1 genannten Grenzen überschritten sind (Rn 29 ff). 2 Die Vorschriften der AGB-Inhaltskontrolle einschließlich des dort geltenden Verbots der geltungserhaltenden Reduktion werden – mit Ausnahme des Transparenzgebots nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB – von § 74a Abs. 1 und § 74 Abs. 2 als Spezialnormen verdrängt (näher Vor § 74 Rn 32 ff). Zum Verhältnis zu § 138 BGB vgl. Rn 42 ff. 3 Die Grenzen des § 74a können Auswirkungen bereits für die Auslegung der Wettbewerbsabrede haben, da davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien in der Regel keine rechtswidrigen Vereinbarungen treffen wollen (§ 74 Rn 24). Allerdings ist zu beachten, dass Auslegungszweifel – insbesondere im Fall von AGB (vgl. § 305c Abs. 2 BGB) – zulasten des Arbeitgebers gehen (Vor § 74 Rn 44, § 74 Rn 25).
B. Unverbindlichkeit I. Fehlendes berechtigtes geschäftliches Interesse 1. Grundsätze 4 Abs. 1 Satz 1 erklärt das Wettbewerbsverbot insoweit für unverbindlich, als es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Dessen Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, Bezugsquellen, Kundenkreis und Absatzgebiet2 sollen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden.3 Geschultes Personal soll dem Arbeitgeber nicht zugunsten von Unternehmen, die ihm Konkurrenz machen, verlorengehen. Nicht ausreichend ist das Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer an sein Unternehmen zu binden4 oder allgemein die mögliche Stärkung eines Konkurrenzunternehmens zu verhindern.5 Erforderlich ist grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen der verbotenen Tätigkeit und der bisherigen Funktion und Tätigkeit des Arbeitnehmers6 (vgl. aber Rn 7). Die Reichweite des Wettbewerbsverbots muss in sachlicher, örtlicher und
1 § 81 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes – ArbVG – (NZA Beil. zu 23/2006; aktualisierte Fassung: NZA Beil. zu 21/2007) sieht für die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die gleichen Maßstäben wie § 74a Abs. 1 vor. Der Unterschied zwischen unverbindlichen und nichtigen Wettbewerbsverboten wird aufgegeben. Auf die Unwirksamkeit kann sich aber nach § 81 Abs. 3 nur der Arbeitnehmer berufen. 2 Vgl. Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3 mit weiteren Beispielen aus der Rspr. 3 BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a HGB Nr. 2 (Bl. 2R) m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, AP § 74a HGB Nr. 5 (Bl. 1R) = AR-Blattei ES 1830 Nr. 173 m. Anm. Reinfeld; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 15) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23). 4 BAG 16.12.1968 – 3 AZR 434/67, AP § 133f GewO Nr. 21 (Bl. 3 f) m. Anm. Simitis = SAE 1970, 43 m. Anm. Weitnauer; vgl. auch BGH 18.7.2005 NJW 2005, 3061 für ausscheidende Gesellschafter einer GbR. 5 BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a HGB Nr. 2 (Bl. 2R f) m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, AP § 74a HGB Nr. 5 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 173 m. Anm. Reinfeld; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 15) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6. 6 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 15) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/ 14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23); Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 5; ErfK/Oetker22 § 74a HGB Rn 2; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 3. Weber/Gräf
888
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
zeitlicher Hinsicht von einem berechtigten geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein.7
2. Maßgeblicher Zeitpunkt Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind insofern dynamisch, als ihre genaue Reichweite re- 5 gelmäßig erst im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnisses bestimmbar ist.8 Vom Zeitpunkt der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots ab können bis dahin Jahre oder gar Jahrzehnte vergehen, in denen der Geschäfts- und Kundenkreis des Arbeitgebers sich ebenso verändern kann wie die vom Arbeitnehmer erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten.9 Für das Vorliegen des berechtigten geschäftlichen Interesses kommt es daher auf den Zeitpunkt an, in dem die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung eintreten soll.10 Dies ist in der Regel der Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (näher § 74 Rn 42 ff). Soweit nachträgliche, im Laufe des Karenzzeitraums eintretende Veränderungen berücksichtigungsfähig sind (Rn 6), kann aber auch ein späterer Zeitpunkt maßgeblich sein. Insofern ist es zutreffend, wenn formuliert wird, maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer aus dem Wettbewerbsverbot in Anspruch genommen wird.11 Dies ist allerdings nicht immer mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen, zu dem der Arbeitgeber Ansprüche aus dem Wettbewerbsverbot gegenüber dem Arbeitnehmer oder gar vor Gericht geltend macht.12 So ist etwa im Rahmen von Schadensersatzprozessen (spätestens, vgl. Rn 6) der Zeitpunkt der jeweils schadensbegründenden Konkurrenzhandlung maßgeblich. Das berechtigte geschäftliche Interesse kann im Laufe der Karenzzeit (teilweise) entfallen 6 (z.B. durch eine Betriebsaufgabe, -einschränkung oder -veräußerung beim ehemaligen Arbeitgeber), sodass das Wettbewerbsverbot nachträglich (teilweise, vgl. Rn 30) unverbindlich wird.13 Fehlt es umgekehrt zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis (teilweise) an einem berechtigten geschäftlichen Interesse, kann durch eine Änderung der Umstände (z.B. durch eine Geschäftserweiterung beim ehemaligen Arbeitgeber), eine Verbindlichkeit des Wettbwerbsverbots nicht mehr begründet bzw. die Teilverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots nicht erweitert werden;14 ansonsten könnte der ausgeschiedene Arbeitnehmer gezwungen sein, eine bereits aufgenommene Tätigkeit wieder zu beenden. Vgl. zu den Auswirkungen eines Betriebs(teil)übergangs § 74 Rn 79 (dort geht es allerdings um Veränderungen der Verhältnisse bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sodass die zuletzt genannte Einschränkung dort nicht gilt); zu den Auswirkungen solcher Umstände auf die Karenzentschädigungspflicht § 75 Rn 47 f, 51.
7 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 15) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/ 14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23); stv. für die Lit. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 301; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 4. 8 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 16) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 9 Vgl. BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 16) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 10 BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 (Bl. 4R) m. Anm. Zöllner; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 16) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 328; Grüll/Janert S. 44; Kamanabrou ZfA 2018, 82 (104); Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; vgl. aber GK/Etzel8 HGB §§ 74–75d Rn 55: Zeitpunkt des Abschlusses und Zeitpunkt des Inkrafttretens. 11 S. etwa BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 16) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23). 12 Auf die Geltendmachung abstellend allerdings Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 9. 13 BAG 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18 (Bl. 5R) m. Anm. Zöllner; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; aA NK-GA/Reinhard2 § 74a Rn 3. 14 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5. 889
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3. Einzelfragen15 7 Das Wettbewerbsverbot darf sich nicht auf Handelszweige erstrecken, in denen der Arbeitgeber überhaupt nicht tätig ist. Dies gilt auch für unterschiedliche Handelsstufen: Vertreibt der bisherige Arbeitgeber seine Produkte nur im Fachhandel ohne direkte Beziehungen zum Endkunden, ist ein Wettbewerbsverbot regelmäßig insoweit unverbindlich, wie es dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer ein Tätigwerden für ein Einzelhandelsunternehmen untersagt.16 Umfasst das Geschäft des ursprünglichen Arbeitgebers mehrere Handelszweige oder Handelsstufen, so muss sich das Wettbewerbsverbot allerdings nicht zwingend gerade auf den Bereich beschränken, in dem der Arbeitnehmer tätig war. Ein berechtigtes geschäftliches Interesse fehlt zwar, wenn keine Beziehung zur früheren Tätigkeit des Arbeitnehmers besteht, sondern nur allgemein die Möglichkeit der Stärkung eines Konkurrenzunternehmens durchkreuzt werden soll (vgl. oben Rn 4).17 Wenn es allerdings die bisherige Stellung dem Arbeitnehmer erlaubt, über seinen eigentlichen Tätigkeitsbereich hinaus Kenntnisse über Kunden, Preise oder Vertriebsstukturen des früheren Arbeitgebers zu erlangen und diese beim neuen Arbeitgeber verwertbar sind, kann der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse an einem weitergehenden Wettbewerbsverbot haben.18 Überschneiden sich die Handelszweige bzw. -stufen zwischen den beiden Unternehmen nur minimal, ist für eine solche Bewertung allerdings kein Raum.19 Generell gilt, dass für ein nicht tätigkeits-, sondern unternehmensbezogenes Wettbe8 werbsverbot nur dann ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers angenommen werden kann, wenn der Arbeitnehmer über seine Tätigkeit hinaus besondere Erfahrungen, Kontakte und Kenntnisse erlangt hat, die generell für ein Konkurrenzunternehmen von Bedeutung sein können. Das wird häufig bei Führungskräften der Fall sein, beispielsweise bei einem leitenden technischen Angestellten, der auch Einblick in den kaufmännischen Bereich hatte.20 Die bloße Gefahr, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer Schlüsselmitarbeiter seines ursprünglichen Arbeitgebers anspricht, um sie zu einem Wechsel zu bewegen, vermag allerdings ein berechtigtes geschäftliches Interesse nicht zu begründen.21 Ein solches ist in der Regel auch bei einem umfassenden Wettbewerbsverbot eines Vertriebsmitarbeiters zu verneinen, wenn der Gefahr, dass dieser nach dem Ausscheiden bei seinem Arbeitgeber dessen Kunden mitzieht, durch eine bloße Kundenschutzklausel begegnet werden kann.22 Hingegen kann bei einem Vertriebsmitarbeiter ein berechtigtes Interesse daran bestehen, dessen Wechsel zu einem Ge-
15 Ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 303 ff; Lumper S. 43 ff. 16 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 20) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 17 BAG 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a HGB Nr. 2 (Bl. 2R f) m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, AP § 74a HGB Nr. 5 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 173 m. Anm. Reinfeld; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 223; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; aA Schlegelberger/Schröder HGB Rn 3a. 18 Vgl. BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 20 f) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; LAG SachsenAnhalt 10.11.2015 – 6 SaGa 14/15, BeckRS 2016, 66245. 19 Vgl. BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 29) m. Anm. v. Hoyningen-Huene für ein Einzelhandelsunternehmen einerseits und ein Fachhandelsunternehmen andererseits, das direkt für Endkunden nur einzelne wenige Sonderanfertigungen herstellte. 20 BAG 16.12.1968 – 3 AZR 434/67, AP § 133f GewO Nr. 21 (Bl. 3 f) m. Anm. Simitis = SAE 1970, 43 m. Anm. Weitnauer; vgl. auch BAG 5.12.1966 – 3 AZR 207/66, AP § 75b HGB Nr. 1 (Bl. 5) m. Anm. Ballerstedt = SAE 1967, 176 m. Anm. Weitnauer: keine Trennung von Technik und Verkauf bei Niederlassungen in Entwicklungsländern; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 233, 315a; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 227; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 6; Preis/ Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 36; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 21 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 21) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 22 Vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 308. Weber/Gräf
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schäftskunden zu untersagen,23 wenn der Mitarbeiter diesen Kunden betreffende interne geschäftliche Informationen besitzt (z.B. Preiskalkulationen).24 Für ein Verbot der bloßen Kapitalbeteiligung an einem Konkurrenzunternehmen (z.B. durch den Erwerb von Aktien) besteht kein berechtigtes geschäftliches Interesse.25 Anders kann dies sein, wenn mit der Kapitalbeteiligung eine Tätigkeit für das Unternehmen oder ein bestimmender Einfluss verbunden ist. Auch das Verbot, ein Konkurrenzunternehmen bei der Gründung mit einem zinslosen Darlehen zu unterstützen oder ein bereits gewährtes Darlehen nicht zurückzufordern kann von § 74a Abs. 1 gedeckt sein26 (vgl. auch § 74 Rn 36). Bei nicht mit der Produktentwicklung oder dem Vertrieb beschäftigten Arbeitnehmern (z.B. Facharbeitern), wird es bei einem Wettbewerbsverbot häufig nur darum gehen, sich deren Arbeitskraft zu sichern, sodass – auch in Zeiten des Fachkräftemangels – ein berechtigtes geschäftliches Interesse nicht anzuerkennen ist.27 Der Arbeitgeber hat auch kein berechtigtes geschäftliches Interesse daran, sich mit einem Wettbewerbsverbot nur die Rentabilität der investierten Ausbildungskosten zu garantieren28 (vgl. allerdings zu den – hiervon zu unterscheidenden – Rückzahlungsklauseln, die an eine Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers anknüpfen und hinsichlich derer ein berechtigtes geschäftliches Interesse bestehen kann, Vor § 74 Rn 70). Ein berechtigtes geschäftliches Interesse ist weiterhin nicht gegeben, wenn durch das Verbot eine Betätigung auf dem Auslandsmarkt geschützt werden soll, die nach dem Recht des betreffenden Staates illegal ist.29 Ist es trotz des Abschlusses eines Arbeitsvertrags überhaupt nicht zum Vollzug des Arbeitsverhältnisses gekommen, etwa, weil der Arbeitnehmer die vorgesehene Stelle überhaupt nicht angetreten hat, so kann der Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse an einem Wettbewerbsverbot geltend machen.30 Regelmäßig wird in solchen Fallkonstellationen allerdings bereits die Auslegung der Wettbewerbsabrede ergeben, dass diese nur dann gelten soll, wenn das Arbeitsverhältnis auch in Vollzug gesetzt wurde (vgl. dazu § 74 Rn 22, 28). Zum berechtigten geschäftlichen Interesse bei Arbeitsverhältnissen mit konzernangehörigen Unternehmen vgl. § 74 Rn 37 f. Zur Arbeitnehmerüberlassung Rn 47.
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II. Unbillige Fortkommenserschwernis 1. Grundsätze Nach Abs. 1 Satz 2 ist das Wettbewerbsverbot ferner unverbindlich, soweit es unter Berücksichti- 14 gung der zu gewährenden Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Die Vorschrift stellt insofern auf das Interesse des Arbeitnehmers ab31 und dient dabei dem Schutz von dessen Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (Vor § 74 Rn 13 f). 23 LAG Nürnberg 31.7.2001 – 6 Sa 408/01, NZA-RR 2002, 272. 24 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 318 mit dem weiteren Bsp. eines Technikers, der bei einem Wechsel zum Kunden diesem ermöglichen könnte, zukünftig ohne die Dienstleistungen oder Produkte des früheren Arbeitgebers auszukommen. 25 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25). 26 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 25, 27). 27 Vgl. BAG 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 22 (Bl. 2R ff) = SAE 1969, 148 m. Anm. Nitschke; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 311. 28 Vgl. BAG 9.9.1968 – 3 AZR 188/67, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 22 (Bl. 2R ff) = SAE 1969, 148 m. Anm. Nitschke. 29 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 (Bl. 4 f) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 30 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 692 ff. 31 Vgl. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 237; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 891
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Allerdings stehen – wie das BAG zutreffend betont – Arbeitgeberinteressen (Abs. 1 Satz 1) und Arbeitnehmerinteressen (Abs. 1 Satz 2) nicht isoliert nebeneinander: Bei Fehlen berechtigter geschäftlicher Interessen liegt regelmäßig auch eine unbillige Fortkommenserschwernis vor.32 Insofern ist – entsprechend der gesetzlichen Systematik – von einem zweistufigen Prüfungsaufbau auszugehen, bei dem zunächst das Vorliegen berechtigter geschäftlicher Interessen (Abs. 1 Satz 1) zu prüfen ist. Ist dieses zu bejahen, kommt es im zweiten Schritt darauf an, ob trotzdem eine unbillige Fortkommenserschwernis (Abs. 1 Satz 2) gegeben ist;33 bei der hier erforderlichen Abwägung finden durchaus auch Arbeitgeberinteressen Berücksichtigung.34 Im Rahmen des Abs. 1 Satz 2 ist im Einzelfall unter Abwägung aller in Betracht kommenden 16 Umstände zu prüfen, ob die dem Arbeitnehmer hinsichtlich einer wettbewerblichen Tätigkeit auferlegten Beschränkungen unbillig hart sind.35 Dabei ist unter Berücksichtigung der konkreten Situation des einzelnen Arbeitnehmers (Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Stellung im Betrieb, Arbeitsmarktlage, Mobilität der betroffenen Berufsgruppe etc.) gegeneinander abzuwägen, in welchem örtlichen, zeitlichen und gegenständlichen Umfang dem Arbeitnehmer in seiner Erwerbstätigkeit Schranken gesetzt sind und inwieweit die ihm dafür zu zahlende Karenzentschädigung in der vereinbarten Höhe einen entsprechenden Ausgleich bildet.36 Insofern besteht eine „Wechselwirkung“ zwischen Fortkommenserschwernis und Karenzentschädigung.37 Der unbillige Umfang der Beschränkung muss nicht gleichzeitig in örtlicher, zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht bestehen. 15
2. Maßgeblicher Zeitpunkt 17 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Abwägung ist auch hier grundsätzlich derjenige, in dem die Pflicht des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsenthaltung eintreten soll38 (näher Rn 5 f).
3. Einzelfragen39 18 Handelt es sich um ein hinsichtlich des Gegenstandes weniger erhebliches Wettbewerbsverbot, das dem Arbeitnehmer etwa nur den Betrieb eines einzelnen der Handelszweige des Arbeitgebers oder nur das Führen eines einzelnen seiner Handelsartikel untersagt, so wird es nicht unbillig sein, wenn der örtliche oder zeitliche Umfang des Verbotes verhältnismäßig weit gefasst ist.40 Ein Wettbewerbsverbot, das dem Schutz der geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers dient und auf das Gebiet der „alten Bundesländer“ beschränkt ist, lässt dem Arbeitnehmer in der Regel genügend Spielraum für eine Tätigkeit in den „neuen Bundesländern“41 (vgl.
32 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 18) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 33 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 18) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; zust. BeckOGK-HGB/ Ittmann (15.12.2021) Rn 2; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 34 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 11; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; NK-GA/Reinhard2 § 74a Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12. 35 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 17) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 36 BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 17) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; vgl. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 238; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 11. 37 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 17) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; vgl. auch BAG 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 34) m. Anm. Fehrenbach. 38 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 39 Ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 340 ff; Lumper S. 49 ff. 40 RG 6.12.1902 RGZ 53, 154 (157); RG 5.11.1911 RGZ 77, 399 (402). 41 Vgl. dazu LAG Niedersachsen 8.12.2005 – 7 Sa 1871/05, NZA-RR 2006, 426. Weber/Gräf
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allerdings zur im Zweifel dynamischen Auslegung des räumlichen Geltungsbereichs eines Wettbewerbsverbots § 74 Rn 40). Dagegen wird ein Wettbewerbsverbot, das sich räumlich auf ganz Deutschland bezieht, 19 häufig eine unbillige Beschränkung des Fortkommens sein. Auch hier sind aber die Umstände des Einzelfalles maßgeblich.42 Ist etwa der nach § 74a Abs. 1 Satz 3 bestehende Zwei-JahresZeitraum nicht ausgeschöpft und erhält der Arbeitnehmer eine den gesetzlichen Mindestbetrag weit übersteigende Karenzentschädigung, kann auch ein auf ganz Deutschland bezogenes Wettbewerbsverbot zulässig sein.43 Generell lässt sich sagen, dass mit einer höheren Entschädigung die Zumutbarkeitsschwelle für den Arbeitnehmer ansteigt (vgl bereits 16).44 Eine unbillige Fortkommenserschwernis kann auch darin liegen, dass vor die Karenzzeit 20 bereits eine längere Freistellungsphase im gekündigten, aber noch nicht beendeten Arbeitsverhältnis geschaltet wird.45 Zu sog. bedingten Wettbewerbsverboten und Vorverträgen vgl. § 74 Rn 63 ff. 21
III. Überschreitung der Zwei-Jahres-Grenze Nach Abs. 1 Satz 3 kann das Wettbewerbsverbot nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwei 22 Jahren von der Beendigung des Dienstverhältnisses an erstreckt werden. Die Vorschrift stellt eine Konkretisierung von Abs. 1 Satz 2 dar: Soweit die Zwei-Jahres-Grenze überschritten wird, vermutet das Gesetz unwiderleglich eine unbillige Fortkommenserschwernis für den Arbeitnehmer.46 Erfasst das Wettbewerbsverbot weniger als zwei Jahre, kann dies je nach den Umständen des Einzelfalls gleichwohl eine unzulässige Beschränkung i.S.v. Satz 1 oder 2 bedeuten.47 Eine Regel, wonach umgekehrt die Vereinbarung einer sehr kurzen Bindungsfrist ein Indiz für ein fehlendes berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers (Abs. 1 Satz 1) ist,48 wird man nicht aufstellen können. Der Lauf der Frist beginnt grundsätzlich mit der rechtlichen Beendigung des Dienstver- 23 hältnisses.49 Der Beginn des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots und der Zwei-Jahres-Frist des Abs. 1 Satz 3 sind mit dem Ende des Verbots aus § 60 zu harmonisieren (§ 60 Rn 25, 30 ff).50 Deshalb beginnt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot der §§ 74 ff bei einer vom Arbeitnehmer akzeptierten ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers erst nach Fristablauf, während für die Zeit vom Ausspruch der Kündigung bis Fristende unabhängig von einer etwaigen Freistellung des Arbeitnehmers noch § 60 eingreift (§ 60 Rn 33 f; zur möglichen Auswirkung einer längeren Freistellungsphase auf Abs. 1 Satz 2 vgl. Rn 20). Schließt sich an eine ordentliche oder außerordentliche arbeitgeberseitige Kündigung ein 24 Kündigungsschutzprozess an, so bleibt der Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG
42 Vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 343 ff; s. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 239; Gallini/ Gleich BB 2019, 1652 (1653); Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 46 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 43 LAG Berlin 26.3.1991 – 9 Sa 7/91, LAGE § 74 HGB Nr. 6 (S. 2). 44 Vgl. auch BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 17) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 34) m. Anm. Fehrenbach; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 346; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 45 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 345, 689; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 11. 46 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 245; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. 47 Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 24; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 29; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 47 f; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 31; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 65. 48 So Gallini/Gleich BB 2019, 1652 (1654 f). 49 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 64. 50 NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 17. 893
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zunächst weiter an das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 gebunden51 (vgl. dazu näher § 60 Rn 37). Stellt das Gericht dann aber die Wirksamkeit der Kündigung fest, so beginnt die Zwei-Jahres-Frist eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet hatte. Falls der Arbeitnehmer allerdings während des Prozesses weiterbeschäftigt wurde, wird die Geltung des § 60 bis zum Ende dieser Phase hinausgeschoben. Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kommt erst dann zum Tragen, sodass auch die Zwei-Jahres-Frist erst jetzt zu laufen beginnt.52 Kündigt der Arbeitgeber zu Unrecht fristlos, so beginnt die Frist des Abs. 1 Satz 3 sofort zu laufen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung hinnimmt und die Beschäftigung tatsächlich sofort beendet. Auf den (späteren) Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis wirksam hätte beendet werden können, kann es nicht ankommen, da der Arbeitgeber aus der unwirksamen Kündigung nicht den Vorteil einer faktischen Verlängerung der Zwei-Jahres-Frist ziehen darf.53 Bei unberechtigter fristloser Kündigung durch den Arbeitnehmer bleibt es bei der Fortgeltung des gesetzlichen entschädigungslosen Wettbewerbsverbots bis zum rechtlichen Ablauf des Vertrages, auch wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit sofort einstellt (§ 60 Rn 39). Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und die Zwei-Jahres-Frist des Abs. 1 Satz 3 beginnen dementsprechend auch erst dann zu laufen. Schließen die Parteien nach der gerichtlichen Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung einen Aufhebungsvertrag, so läuft die Frist von der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses an.54 Schließt sich an ein Arbeitsverhältnis ein freies Mitarbeiterverhältnis derart an, dass Art und Umfang der Tätigkeit im Wesentlichen unverändert bleiben, so beginnt die Laufzeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots erst mit dem Ende des freien Mitarbeiterverhältnisses, sofern sich aus den getroffenen Vereinbarungen nichts Gegenteiliges ergibt.55
IV. Folgen der Unverbindlichkeit 29 Ist das Wettbewerbsverbot wegen Verstoßes gegen die Maßstäbe des Abs. 1 unverbindlich, so hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er an der Vereinbarung festhält oder nicht.56 Grundsätzlich muss er dieses Wahlrecht zu Beginn der Karenzzeit57 und unwiderruflich58 ausüben. Entscheidet sich der Arbeitnehmer dafür, am Wettbewerbsverbot festzuhalten, wird dieses für beide Seiten verbindlich. Das Wettbewerbsverbot wird allerdings auch dann verbindlich, wenn der Arbeitnehmer sich (in Unkenntnis des Verstoßes gegen § 74a) lediglich einer Konkurrenztä-
51 BAG 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, AP § 626 BGB Nr. 104 = EzA § 626 nF BGB Nr. 140 m. Anm. Gravenhorst; LAG Köln 26.6.2006 – 3 (11) Sa 81/06, NZA-RR 2007, 73.
52 Ebenso Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 691; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 24; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 64. 53 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 690a. 54 MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 32. 55 BAG 16.1.1970 – 3 AZR 429/68, AP § 74a HGB Nr. 4 m. Anm. Hofmann = SAE 1971, 65 m. Anm. Herschel; Ebenroth/ Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 14; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16. 56 Vgl. u.a. BAG 18.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, AP § 74a HGB Nr. 2 (Bl. 2R) m. Anm. Duden = SAE 1967, 200 (201) m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N. 57 BAG 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, AP § 74 HGB Nr. 37 (Bl. 1R); zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N. 58 BAG 5.10.1982 – 3 AZR 451/80, AP § 74 HGB Nr. 42 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke; zuletzt etwa BAG 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24) m.w.N.; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 18; aA LAG Hamm 14.2.2012 – 14 Sa 1385/11, BeckRS 2012, 69997. Weber/Gräf
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tigkeit enthält.59 In diesem Fall kann allerdings nicht von einer endgültigen und unwiderruflichen Ausübung des Wahlrechts ausgegangen werden, da diese voraussetzt, dass der Arbeitnehmer über das Bestehen eines Wahlrechts Bescheid weiß (vgl. § 74 Rn 62). Das Wettbewerbsverbot kann allerdings nur insoweit unverbindlich sein, als die in § 74 30 Abs. 1 genannten Grenzen überschritten sind. Ist also nicht jegliches geschäftliche Interesse des Arbeitgebers zu verneinen oder ist die Beschränkung des Arbeitnehmers nicht gänzlich unbillig, sondern nur in der konkreten Reichweite, die sich aus der Wettbewerbsvereinbarung ergibt, ist das Wettbewerbsverbot nicht insgesamt unverbindlich, sondern nur hinsichtlich des überschießenden Teils. Die Vereinbarung wird also auf das zulässige Maß zurückführt.60 Es handelt sich um einen gesetzlich angeordneten Fall der geltungserhaltenden Reduktion.61 Hinsichtlich des verbindlichen Teils kann der Arbeitgeber vom ausgeschiedenen Arbeitnehmer also Unterlassung verlangen und bei Zuwiderhandlung Sekundärrrechte wie z.B. Schadensersatzansprüche geltend machen (dazu § 74 Rn 83 ff).62 Dies gilt auch für Vereinbarungen in AGB: Die Vorschriften der AGB-Inhaltskontrolle einschließlich des AGB-rechtlichen Verbots der geltungserhaltenden Reduktion, werden im Anwendungsbereich der §§ 74 ff verdrängt (näher Vor § 74 Rn 32 ff). Eine Ausnahme gilt insofern bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB), das naben § 74a Abs. 1 anwendbar ist (Vor § 74 Rn 41 ff). Die Rückführung auf das zulässige Maß vollzieht sich kraft Gesetzes;63 es bedarf nicht 31 etwa einer entsprechenden gerichtlichen Gestaltungsentscheidung. Der Arbeitnehmer darf daher der Abrede, soweit sie unverbindlich ist, unmittelbar zuwiderhandeln.64 Er muss dabei allerdings das Risiko in Kauf nehmen, dass gerichtlich dann der Umfang des Wettbewerbsverbots anders bestimmt wird.65 Der Arbeitnehmer kann deshalb auch Feststellungsklage erheben, um Klarheit über die Reichweite des Wettbewerbsverbots zu erhalten.66 Ein Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) hat der Arbeitnehmer insoweit allerdings erst ab Beginn des Verbotszeitraums, da es für die Frage der Unverbindlichkeit oder Teilunverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots auf den Zeitpunkt ankommt, in dem der Arbeitnehmer aus dem Wettbewerbsverbot verpflichtet ist (vgl. Rn 5, 17).67 Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer die von ihm angestrebte neue Tätigkeit zur Darlegung seines Feststellungsinteresses kennzeichnen;68 dies gilt jedoch dann 59 Vgl. zum unverbindlichen bedingten Wettbewerbsverbot BAG 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, AP § 74 HGB Nr. 60 = JZ 1991, 880 m. Anm. Wertheimer; ferner MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 19.
60 RG 15.11.1911 RGZ 77, 399 (402); BAG 20.4.1961 – 5 AZR 167/60, AP § 133f GewO Nr. 8 (Bl. 4) m. Anm. Hefermehl = SAE 1962, 95 m. Anm. Knopp; 2.2.1968 – 3 AZR 462/66, AP § 74 HGB Nr. 22 (Bl. 3) m. Anm. Weitnauer = SAE 1969, 43 m. Anm. Rüthers; 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 22) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; 22.3.2017 – 10 AZR 448/15, AP § 74 HGB Nr. 88 (Rn 24); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 36) m. Anm. Fehrenbach; ebenso Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 333; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 252. 61 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 22) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 333; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 15; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 16; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 26b; Lumper S. 52; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 32; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 20; Willemsen/Grau RdA 2003, 321 (326). 62 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 23) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 63 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 15) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 336. 64 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 20; vgl. auch BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 26) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 65 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 17. 66 LAG Hamm 4.11.2008 – 14 Sa 818/08, BeckRS 2009, 57359; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 253; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 23. 67 LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 (515); ErfK/Oetker22 § 74a HGB Rn 6; ohne diese zeitliche Einschränkung Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 23; eine zeitliche Einschränkung explizit ablehnend Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 11; nach Bauer/Diller (Wettbewerbsverbote9 Rn 180) soll das Feststellungsinteresse schon dann vorliegen, wenn die Kündigung bereits ausgesprochen oder konkret in Aussicht gestellt ist oder ein Aufhebungsvertrag unterschrieben wurde. 68 LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 (514). 895
Weber/Gräf
§ 74a
1. Buch. Handelsstand
nicht, wenn er (zusätzlich) tätigkeitsunabhängige Unverbindlichkeitsgründe wie einen Verstoß gegen die Karenzentschädigungspflicht (§ 74 Abs. 2) oder eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) geltend macht.69 32 Ist das Wettbewerbsverbot nur zum Teil unverbindlich und übt der Arbeitnehmer sein Wahlrecht auch in der Weise aus, dass er sich hinsichtlich des verbindlichen Teils (etwa hinsichtlich der reduzierten räumlichen Reichweite) an das Wettbewerbsverbot hält, so bleibt sein Anspruch auf die Entschädigung bestehen. Er muss also sein Wahlrecht nicht etwa dahingehend ausüben, dass er sich an das Wettbewerbsverbot auch hinsichtlich des unverbindlichen Teils hält.70 Der Karenzentschädigungsanspruch bleibt dann in voller Höhe bestehen und wird nicht etwa ebenfalls anteilig reduziert.71 Erstreckt sich die vereinbarte Dauer des Wettbewerbsverbots auf mehr als zwei Jahre, so 33 ist das Verbot bis zum Ablauf der Zwei-Jahres-Frist (Abs. 1 Satz 3) voll wirksam, verliert dann allerdings automatisch – ohne Richterspruch – seine Verbindlichkeit.72 Da aber Abs. 1 Satz 3 ein Fall der unwiderleglich vermuteten unbilligen Fortkommenserschwernis ist (vgl. Rn 22), gelten die Grundsätze unverbindlicher Wettbewerbsverbote, so dass der Arbeitnehmer sich auch über die zwei Jahre hinaus auf die Vereinbarung berufen kann.73 Ist ein Termin nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung allerdings von einer Vereinbarung der gesetzlichen Höchstdauer auszugehen,74 da in der Regel anzunehmen ist, dass die Parteien eine rechtskonforme Regelung treffen wollten (vgl. Rn 3, § 74 Rn 24); ein Wahlrecht des Arbeitnehmers besteht dann nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nicht.
C. Nichtigkeit I. Minderbesoldete 34 Nach Abs. 2 Satz 1 a.F. war ein Wettbewerbsverbot nichtig, wenn die dem Arbeitnehmer zustehenden jährlichen vertragsmäßigen Leistungen den Mindestbetrag von 1.500 DM nicht überstiegen. Die Berechnung der Mindestverdienstgrenze für die Beteiligten war nur schwer durchschaubar75 und widersprach wegen ihrer Unbestimmtheit rechtsstaatlichen Grundsätzen. In der Literatur erachtete man deshalb § 74a Abs. 2 Satz 1 a.F. aus den gleichen Gründen für verfassungswidrig,76 die das BAG für die in gleicher Weise zu berechnende Höchstverdienstgrenze nach § 75b Satz 2 angeführt hatte.77 Mit Wirkung vom 1.1.2002 wurde § 74a Abs. 2 Satz 1 a.F. deshalb aufgehoben.78
69 LAG Hamm 4.11.2008 – 14 Sa 818/08, BeckRS 2009, 57359 (unter 2). 70 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 24 ff) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; anders noch in der Vorinstanz LAG Rheinland-Pfalz 18.12.2008 – 2 Sa 378/08, BeckRS 2009, 55996. 71 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 23) m. Anm. v. Hoyningen-Huene; Heymann/Henssler/ Michel HGB Rn 20; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22; vgl. aber auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 336 f. 72 BAG 4.10.1958 – 2 AZR 200/55, AP Art. 12 GG Nr. 7 (Bl. 3) m. Anm. Schnorr = SAE 1959, 155 m. Anm. G. Hueck; 19.5.1983 – 2 AZR 171/81, AP § 123 BGB Nr. 25 (Bl. 4R) m. Anm. Mühl; LAG Düsseldorf 4.3.1997 – 3 Sa 1644/96, NZARR 1998, 58; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 255; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 24; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 17. 73 Vgl. auch Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 24. 74 LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10, BeckRS 2010, 74441; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 273. 75 Vgl. dazu Staub/Konzen/Weber4 § 74a Rn 17. 76 Heymann/Henssler1 HGB Rn 24; Staub/Konzen/Weber4 § 74a Rn 17. 77 Vgl. BAG 5.12.1969 – 3 AZR 514/68, AP § 75b HGB Nr. 10 m. Anm. Beitzke; 2.10.1975 – 3 AZR 28/75, AP § 75b HGB Nr. 14 m. Anm. Beitzke. 78 Vgl. Art. 24 des 4. EuroEG 2000 v. 21.12.2000, BGBl. I 1983. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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II. Minderjährige Nach Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 ist eine mit einem Minderjährigen getroffene Wettbewerbsvereinbarung 35 nichtig. Das gilt auch dann, wenn sie mit Einwilligung oder unter nachträglicher Genehmigung des gesetzlichen Vertreters des minderjährigen Arbeitnehmers geschlossen sein sollte.79 Ebensowenig kann der Vertrag mit einem minderjährigen Arbeitnehmer, den dessen gesetzlicher Vertreter gemäß § 113 BGB zum Diensteintritt ermächtigt hat, rechtswirksam geschlossen werden.80 Der Vertrag wird nicht ohne weiteres mit der Erreichung der Volljährigkeit des Arbeitneh- 36 mers wirksam. Er kann deshalb mit dem minderjährigen Arbeitnehmer auch nicht unter der Bedingung geschlossen werden, dass er mit der Volljährigkeit in Kraft trete.81 Nach erreichter Volljährigkeit kann der Arbeitnehmer aber dem nichtigen Vertrag dadurch Rechtsgültigkeit verleihen, dass er ihn gemäß § 141 BGB bestätigt. Dies muss dann in den nach § 74 Abs. 1 vorgeschriebenen Formen geschehen.82 Nichtig sind Wettbewerbsverbote mit Auszubildenden, außer wenn mit einem volljährigen 37 Auszubildenden in den letzten sechs Monaten des Ausbildungsverhältnisses eine arbeitsvertragliche Bindung vereinbart wird (§ 12 Abs. 1 BBiG). Entsprechendes gilt für Volontäre (§ 26 BBiG).
III. Ehrenwort Nach Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 ist ein Wettbewerbsverbot nichtig, wenn sich der Arbeitgeber die Erfül- 38 lung auf Ehrenwort oder unter ähnlichen Versicherungen – eidlichen, eidesstattlichen Versicherungen oder Beteuerungen ähnlicher Art83 – versprechen lässt. Ob eine solche Versicherung in den schriftlichen Vertrag oder die dem Arbeitnehmer darüber auszuhändigende Urkunde (§ 74 Abs. 1) aufgenommen oder ob sie nur mündlich abgegeben worden ist, ist unerheblich.84 Nicht entscheidend ist es auch, ob der Arbeitgeber eine Versicherung dieser Art gefordert oder der Arbeitnehmer sie von sich aus abgegeben hat.85 Nur ist im letzteren Fall bei einer bloß mündlich abgegebenen Versicherung des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber das Recht einzuräumen, die Versicherung zurückzuweisen, um die Vereinbarung nicht unwirksam werden zu lassen.86 Ob eine Zurückweisung schon darin zu erblicken ist, dass der Arbeitgeber auf die nicht verlangte mündliche Versicherung des Arbeitnehmers schweigt, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Die Nichtigkeit der Vereinbarung wird indessen nur bewirkt, wenn sich die Versicherung auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots richtet. Eine ehrenwörtliche Versicherung des Arbeitnehmers, er werde gewisse Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse nicht verraten, fällt nicht unter die Bestimmung.87 Die Vorschrift geht auf eine vor Erlass des Gesetzes existierende Rechtsprechung zurück, 39 nach der eine „Verpfändung der Ehre“ nicht zugelassen werden könne.88 Die Vorschrift wird 79 BAG 20.4.1964 – 5 AZR 278/63, AP § 90a HGB Nr. 1 (Bl. 4) m. Anm. Hefermehl; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 28. 80 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 28. 81 Vgl. auch Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 3. 82 Vgl. Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 191; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 27. 83 Vgl. RG 23.1.1912 RGZ 78, 258 (261). 84 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 26; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 19. 85 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 196; Hopt/Roth41 Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 60; Röhricht/ Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 19; aA Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 27; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 28. 86 Hopt/Roth41 Rn 6. 87 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 223. 88 RG 7.4.1908 RGZ 68, 229; 8.11.1910 RGZ 74, 332; 23.1.1912 RGZ 78, 258. 897
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heute völlig zu Recht als nicht mehr zeitgemäß erachtet.89 Methodisch ist es allerdings nicht vertretbar, die Vorschrift „aufgrund der völlig gewandelten Moralvorstellungen“ unangewendet zu lassen.90
IV. Versprechen Dritter 40 Nach Abs. 2 Satz 2 ist auch eine Vereinbarung nichtig, durch die ein Dritter an Stelle des Arbeitnehmers die Verpflichtung übernimmt, dass dieser sich nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränken werde. Durch diese Bestimmung soll vermieden werden, dass ein anderer kraft seines persönlichen Einflusses auf den Arbeitnehmer diesen von einem Wettbewerb gegenüber dem Arbeitgeber fernhält, ihn also insbesondere bestimmt, nicht in ein Konkurrenzgeschäft einzutreten.91 Von praktischer Bedeutung kann die Nichtigkeit einer solchen Abmachung namentlich dann sein, wenn der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Arbeitnehmers sich persönlich verpflichtet, dafür aufzukommen, dass der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses dem Arbeitgeber keine Konkurrenz macht. Von der Bestimmung werden aber auch die Fälle betroffen, in denen ein dem Arbeitnehmer nahestehender Dritter, z.B. seine Ehefrau, ein Verwandter oder ein Freund, statt seiner eine solche Verpflichtung übernimmt. Es soll nicht möglich sein, die für den Arbeitnehmer geschaffenen Sicherungsmaßnahmen mit Hilfe des Einflusses eines Dritten zu umgehen. 41 Die Nichtigkeit der Verpflichtung des Dritten ist dabei nicht auf die Fälle beschränkt, in denen eine Vereinbarung, die der Arbeitnehmer seinerseits mit dem Arbeitgeber über das Verbot des Wettbewerbs treffen würde, rechtsungültig wäre. Voraussetzung für die Anwendung des Abs. 2 Satz 2 ist indessen, dass der Arbeitnehmer selbst ein rechtswirksames Wettbewerbsverbot mit dem Arbeitgeber nicht vereinbart hat. Denn die Bestimmung geht dahin, dass der Dritte nicht „an Stelle“ des Arbeitnehmers die Verpflichtung übernehmen darf. Dass ein Dritter sich neben dem Arbeitnehmer verpflichtet, für die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtung desselben aufzukommen, ist daher möglich.92 Dies gilt auch für sonstige Vereinbarungen, mit denen ein mit dem Arbeitnehmer vereinbartes Wettbewerbsverbot abgesichert werden sollen, z.B. Garantieerklärungen oder Strafversprechen.93
D. Verhältnis zu anderen Nichtigkeitsvorschriften I. Sittenwidrigkeit 42 Abs. 3 bestimmt, dass die Vorschrift des § 138 BGB über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen, unberührt bleibt. Potenzielle Anwendungsfälle für § 138 BGB wären etwa sog. Knebelungsverträge, durch die der Arbeitnehmer nach Beendigung des Dienstverhältnisses in einer über das Maß des sittlich Erlaubten hinausgehenden Weise in seinem Fortkommen gehemmt wird, ohne dass diese Benachteiligung in einer entsprechend hohen Karenzentschädigung ihren gebührenden Ausgleich findet.94 Allerdings ist zu beachten, dass die Regelungen in § 74a Abs. 1 und 2 die Sittenwidrigkeits43 kontrolle gesetzlich konkretisiert haben und deshalb als leges speciales zu betrachten sind.95 89 90 91 92 93 94 95
Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 223; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 9. So aber Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 223. Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 285 ff. Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 288; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 29. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 30 m.w.N. Vgl. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 30. Stv. Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 247 f; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 31; Lumper S. 53 f.
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74a
Zum einen sind die Kontrollmaßstäbe bei § 74a Abs. 1 strenger.96 Vor allem aber wird in § 74a Abs. 1 als Rechtsfolge die bloße Unverbindlichkeit sowie eine geltungserhaltende Reduktion („insoweit“, „soweit“) angeordnet. Diese besonderen Rechtsfolgenanordnungen, insbesondere das aus der bloßen Unverbindlichkeit folgende Wahlrecht des Arbeitnehmers, dürfen durch den Rückgriff auf § 138 BGB, der die (Gesamt)Nichtigkeit zur Folge hätte, nicht unterlaufen werden.97 Dies muss konsequenterweise auch in besonders extremen Fällen wie in denjenigen der erwähnten Knebelungsverträge gelten.98 Für eine Anwendung des § 138 BGB (i.V.m. § 74a Abs. 3) ist damit nur dort Raum, wo sich 44 die Sittenwidrigkeit nicht aus dem Inhalt der Wettbewerbsabrede, sondern aus der Art und Weise des Zustandekommens bzw. den Begleitumständen ergibt.99 Zutreffend ist daher der Hinweis des BAG, die Sittenwidrigkeit eines unter die §§ 74 ff fallenden Wettbewerbsverbots könne sich gerade aus § 138 Abs. 2 BGB (Ausnutzung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit etc.) ergeben, soweit nicht die ähnliche Bestimmung in § 74a Abs. 2 einschlägig sei.100 Darüber hinaus wurde in der Instanzrechtsprechung eine Sittenwidrigkeit auch auf die inhaltliche Unbestimmtheit der Wettbewerbsabrede gestützt;101 im Fall von AGB ist insoweit § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten (Vor § 74 Rn 41 ff). Für die Anwendung des § 138 BGB ist freilich bei Sachverhalten Raum, die sich außerhalb 45 des Anwendungsbereichs der §§ 74 ff bewegen, so etwa bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH oder von AG-Vorstandsmitgliedern (Vor § 74 Rn 52 ff). Wo die §§ 74 ff analog zur Anwendung kommen, was etwa bei „indirekten Wettbewerbsverboten“ (Mandantenübernahme-, Rückzahlungs-, Verfallsklauseln etc.) der Fall sein kann (Vor § 74 Rn 63 ff, 77 ff, 80 ff), ist § 138 BGB wiederum verdrängt.
II. AGB-Kontrolle Hinsichtlich des Verhältnisses des § 74a zu den Regelungen der AGB-Kontrolle vgl. ausf. Vor 46 § 74 Rn 31 ff; speziell in Bezug auf „indirekte Wettbewerbsbeschränkungen“ und Geheimhaltungsklauseln, auf welche die §§ 74 ff unter Umständen analog zur Anwendung kommen, Vor § 74 Rn 39, 67, 79.
III. Arbeitnehmerüberlassung Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam, die dem Leiharbeitnehmer untersa- 47 gen, nach dem Ende des mit dem Leiharbeitsunternehmen bestehenden Arbeitsverhältnisses einen Arbeitsvertrag mit dem Beschäftigungsunternehmen („Entleiher“) abzuschließen. Nach Maßgabe des § 74a Abs. 1 wäre eine solche Vereinbarung regelmäßig unverbindlich, da das Beschäftigungsunternehmen, wenn es nicht ausnahmsweise selbst Arbeitnehmerüberlassung betreibt, nicht als Konkurrenzunternehmen des Zeitarbeitsunternehmens betrachtet werden kann. Da aber § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG die Unwirksamkeit der Vereinbarung anordnet und nicht deren
96 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 349, 365. 97 Vgl. BAG 2.2.1968 – 3 AZR 462/66, AP § 74 HGB Nr. 22 (unter III 2 a) m. Anm. Weitnauer = SAE 1969, 43 m. Anm. Rüthers; 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (unter III 4 a) m. Anm. Wiedemann/ Steinberg; LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 32. 98 AA MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 242 m.w.N.; Vesper S. 157; so auch noch Staub/Weber5 Rn 35. 99 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 365; insofern auch Vesper S. 157 (Begleitumstände des Vertrags). 100 BAG 2.2.1968 – 3 AZR 462/66, AP § 74 HGB Nr. 22 (unter III 2 b) m. Anm. Weitnauer = SAE 1969, 43 m. Anm. Rüthers; 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 24 (unter III 4 a) m. Anm. Wiedemann/ Steinberg. 101 LAG Düsseldorf 28.8.1996 – 4 Sa 729/96, LAGE § 74 HGB Nr. 15. 899
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§ 74a
1. Buch. Handelsstand
bloße Unverbindlichkeit, hat die Regelung nicht nur deklaratorischen Charakter, sondern ist vielmehr lex specialis gegenüber § 74a Abs. 1.102 Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das eine Tätigkeit bei einem früheren Beschäftigungsunternehmen nicht erfasst, ist zulässig und nach §§ 74 ff zu bewerten.
E. Darlegungs- und Beweislast 48 Bei den in § 74a geregelten Nichtigkeits- und Unverbindlichkeitsgründen handelt es sich um rechtshindernde Einwendungen des Arbeitnehmers.103 Nach allgemeinen Grundsätzen trägt daher der Arbeitnehmer für deren tatsächliche Voraussetzungen die Darlegungs- und Beweislast.104 Allerdings obliegt dem Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO ein substantiierter Tatsachenvortrag, soweit es um seine berechtigten betrieblichen Interessen (§ 74a Abs. 1 Satz 1) geht.105 Hinsichtlich der Möglichkeit des Arbeitnehmers, mittels einer Feststellungsklage für Klar49 heit zu sorgen, s. Rn 31.
102 BeckOK-ArbR/Kock64 § 9 AÜG Rn 58; Rambach/Begerau BB 2002, 937 (943); ErfK/Wank/Roloff22 § 9 AÜG Rn 19; aA Schüren AÜG5 § 9 Rn 197. 103 LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 (509); LAG Niedersachsen 16.7.2009 – 4 SaGa 697/09, NZA-RR 2010, 68; Hunold NZA-RR 2013, 174 (175); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 27; Lembke BB 2020, 52 (54); anders BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23): rechtsvernichtende Einwendung. 104 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 23); LAG Niedersachsen 16.7.2009 – 4 SaGa 697/09, NZARR 2010, 68 f; LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 (509); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 331; Hunold NZA-RR 2013, 174 (175); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 27; Lembke BB 2020, 52 (54); ErfK/Oetker22 § 74a HGB Rn 2; aA Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 25. 105 BAG 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, AP § 74a Nr. 5 (unter I 2 b) = AR-Blattei ES 1830 Nr. 173 m. Anm. Reinfeld; LAG Niedersachsen 16.7.2009 – 4 SaGa 697/09, NZA-RR 2010, 68; LAG Baden-Württemberg 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZARR 2008, 508 (509); ErfK/Oetker22 § 74a HGB Rn 2. Weber/Gräf
900
§ 74b [Zahlung und Berechnung der Entschädigung] (1) Die nach § 74 Abs. 2 dem Handlungsgehilfen zu gewährende Entschädigung ist am Schlusse jedes Monats zu zahlen. (2) 1Soweit die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen in einer Provision oder in anderen wechselnden Bezügen bestehen, sind sie bei der Berechnung der Entschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. 2 Hat die für die Bezüge bei der Beendigung des Dienstverhältnisses maßgebende Vertragsbestimmung noch nicht drei Jahre bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, für den die Bestimmung in Kraft war. (3) Soweit Bezüge zum Ersatze besonderer Auslagen dienen sollen, die infolge der Dienstleistung entstehen, bleiben sie außer Ansatz.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht 1.
„Vertragsmäßige Leistungen“ 12 a) Erfasste Einkommenspositionen b) Nicht erfasste Einkommenspositio17 nen Ausklammerung von Auslagenersatz 21 (Abs. 3)
A.
Allgemeines
I.
Überblick über die Regelungen des § 74b
II.
Entstehung des Karenzentschädigungsan4 spruchs
2.
B.
Fälligkeit des Karenzentschädigungsanspruchs
II. 1. 2.
Referenzzeiträume 22 Feste Bezüge Wechselnde Bezüge (Abs. 2)
I.
Fälligkeit zum Monatsschluss (Abs. 1)
III.
Berechnungsmethode
II.
Abweichende Vereinbarungen
D. III.
Verzug des Arbeitgebers
Verjährung, Ausschlussfristen und Verwir33 kung
C.
Berechnung der Karenzentschädigung
E.
Zwangsvollstreckung und Insolvenz
I.
Berücksichtigungsfähiges Einkommen
1
13
28
6 32
8
10 11
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A. Allgemeines I. Überblick über die Regelungen des § 74b § 74b Abs. 1 enthält wie § 614 BGB und § 64 eine Fälligkeitsregelung. Abs. 1 nimmt Bezug auf 1 die nach § 74 Abs. 2 zu zahlende Entschädigung und stellt damit klar, dass die wirksame Vereinbarung der Karenzregelung (vgl. § 74 Rn 49 ff) vorausgesetzt wird (zur Entstehung des Anspruchs Rn 4). Als Fälligkeitstermin für die Auszahlung der Karenzentschädigung bestimmt Abs. 1 den Schluss jeden Monats. Die Vorschrift entspricht damit der in § 64 Satz 1 für die Ge-
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haltszahlung getroffenen Regelung. Eine § 64 Satz 2 entsprechende Bestimmung über die Wirksamkeit einer von Abs. 1 abweichenden Vereinbarung enthält § 74b nicht;1 insoweit gilt § 75d. 2 Abs. 2 und 3 enthalten Vorschriften für die Berechnung der Karenzentschädigung. Für feste Bezüge fehlt in § 74b eine eigenständige Regelung. Es gilt das von § 74 Abs. 2 für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots geforderte Mindestmaß der Entschädigung, sodass ein Betrag in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen pro Jahr nicht unterschritten werden darf (§ 74 Rn 56). Soweit es sich nicht um feste, sondern um wechselnde Bezüge handelt, ergibt sich die Berechnung der Karenzentschädigung aus § 74b Abs. 2. Abs. 3 schließlich nimmt von den bei der Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehenden Bezügen solche Beträge aus, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich als Auslagenersatz gezahlt hat. 3 Die für die Berechnung maßgeblichen vertragsmäßigen Leistungen i.S.v. § 74b Abs. 2 und die anrechenbaren Leistungen i.S.v. § 74c Abs. 1 müssen in derselben Weise berechnet werden.2
II. Entstehung des Karenzentschädigungsanspruchs 4 Die Verpflichtung zur Zahlung einer Karenzentschädigung entsteht mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein dadurch, dass der Arbeitnehmer den ihm untersagten Wettbewerb unterlässt.3 Er entsteht unabhängig vom Umfang der Tätigkeitsbeschränkung.4 Er entsteht auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus objektiven oder subjektiven Gründen nicht in der Lage ist, eine Konkurrenztätigkeit aufzunehmen (z.B. in Fällen der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit); der Arbeitgeber ist durch § 75a ausreichend geschützt (näher mit Nachweisen § 75 Rn 51). Eine Ausnahme bildet insoweit nur der Fall der Verbüßung einer Freiheitsstrafe nach § 74c Abs. 1 Satz 3; die Vorschrift ist nicht analogiefähig (näher § 74c Rn 36). 5 Vgl. zur Beendigung der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung die Kommentierung zu § 75; vgl. speziell zum Verzicht § 75a.
B. Fälligkeit des Karenzentschädigungsanspruchs I. Fälligkeit zum Monatsschluss (Abs. 1) 6 Enthält die Vereinbarung über die dem Arbeitnehmer zu zahlende Karenzentschädigung keine Abrede über deren Fälligkeit, so ist die Entschädigung in monatlichen Raten, und zwar am Schluss jeden Monats, zu zahlen (Abs. 1). Maßgeblich ist nicht das Ende des Kalendermonats, der Monat ist vielmehr vom Datum der Beendigung des Dienstverhältnisses an zu berechnen.5 Fällt der Fälligkeitstag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich die Fälligkeit nach § 193 BGB auf den darauffolgenden Werktag.6
1 Vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4. 2 BAG 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, AP § 74 HGB Nr. 59; 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 4) m. Anm. Schröder.
3 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (unter I 2); 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 14); 14.9.2011 – 10 AZR 198/10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 11).
4 MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 43. 5 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 117; Heymann/Henssler/ Michel HGB Rn 8; Hopt/Roth41 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 737. 6 BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 31) m. Anm. v. Hoyningen-Huene (m.w.N.). Weber/Gräf
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Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer monatlich fälligen Entschädigung be- 7 wirkt, dass die zuletzt gezahlten festen Bezüge in einen Jahresbetrag umgerechnet, dann die nach Abs. 2 zu berechnenden wechselnden Bezüge hinzugerechnet werden müssen und schließlich ein Monatsbetrag durch Zwölftelung der Gesamtsumme ermittelt werden muss.7 Gegebenenfalls muss eine Karenzentschädigung, die als Gesamtentschädigung zugesagt wurde, in Monatsraten umgerechnet werden.
II. Abweichende Vereinbarungen Treffen die Parteien eine von Abs. 1 abweichende Vereinbarung über die Fälligkeit der zu gewäh- 8 renden Entschädigung, wonach die Zahlungen nur in größeren als monatlichen Abständen zu erfolgen haben, kann sich der Arbeitgeber wegen § 75d Satz 1 auf diese dem Arbeitnehmer zum Nachteil gereichende Abrede nicht berufen;8 einer analogen Anwendung von § 64 Satz 2 bedarf es nicht. Einem auf Abs. 1 gestützten monatlichen Zahlungsverlangen des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber deshalb nicht im Wege der Einrede eine für ihn günstigere Vereinbarung entgegenhalten. Anders als aus der in § 64 Satz 2 für die Gehaltszahlung getroffenen Regelung folgt aus § 75d Satz 1 nur die Unverbindlichkeit der Parteivereinbarung, nicht ihre Nichtigkeit. Der Arbeitnehmer ist also nicht daran gehindert, seinen Entschädigungsanspruch nur nach dem Inhalt der Parteivereinbarung geltend zu machen (vgl. im Einzelnen § 75d Rn 12 f).9 Die Unverbindlichkeit betrifft hierbei auch nicht etwa die ganze Wettbewerbsabrede, sondern nur die Fälligkeitsregelung.10 Ohne weiteres möglich ist dagegen die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auszahlung der 9 Entschädigung innerhalb kürzerer Zeitabstände als der in Abs. 1 vorgesehenen;11 es handelt sich nicht um eine für den Arbeitnehmer nachteilige Abweichung i.S.d. § 75d Satz 1. Auch die Vorauszahlung der gesamten Karenzentschädigung oder mehrerer Monatsraten nach Beendigung des Dienstverhältnisses ist für den Arbeitnehmer günstiger und kann deshalb Gegenstand einer wirksamen Parteivereinbarung sein. Allerdings muss es sich bei der Vorauszahlung tatsächlich um eine Karenzentschädigung handeln und nicht um eine bloße Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes12 (vgl. § 74 Rn 47). So kann z.B. für einen Arbeitnehmer, der selbst ein Geschäft eröffnen will, eine einmalige Zahlung wegen der anfallenden Investitionen von Vorteil sein. Nicht zulässig ist es dagegen, die zu zahlende Gesamtentschädigung wegen der vorverlegten Fälligkeit mit einem Abzinsungsabschlag zu versehen, durch den die Entschädigung die in § 74 Abs. 2 normierte Mindesthöhe unterschreitet.13 Zur Vorauszahlung einer Karenzentschädigung in Teilbeträgen während des bestehenden Arbeitsverhältnisses vgl. § 74 Rn 58.
III. Verzug des Arbeitgebers Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Entschädigung ist vertraglich oder durch Abs. 1 gesetzlich nach 10 dem Kalender bestimmt.14 Zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung nicht rechtzeitig, kommt er 7 Vgl. Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 78. 8 Hopt/Roth41 Rn 2. 9 Schlegelberger/Schröder § 75d HGB Rn 1. 10 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 482 f. 11 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2. 12 BAG 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, NZA 1995, 72; vgl. ferner LAG Hamm 19.2.1992 15 – Sa 1728/91, LAGE § 74c Nr. 4. 13 ErfK/Oetker22 § 74b HGB Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; vgl. allerdings Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 8: Abzinsung in Höhe der gesetzlichen Zinsen (§ 246 BGB) entspreche dem wirtschaftlichen Wert der Leistungen und sei grds. zulässig; vgl. auch Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2: Unterschreitung bei moderater Berechnung ausgeschlossen; vgl. auch BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133f GewO Nr. 19 m. Anm. Duden; NK-GA/Reinhard2 § 74b Rn 4. 14 Vgl. BAG 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, AP § 74a HGB Nr. 6 (Rn 31) m. Anm. v. Hoyningen-Huene. 903
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daher ohne Mahnung (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) in Verzug,15 wenn er die Verschuldensvermutung des § 286 Abs. 4 BGB nicht widerlegen kann und auch die sonstigen Verzugsvoraussetzungen gegeben sind.16 Zu den einzelnen Verzugsfolgen und den sonstigen Rechten des Arbeitnehmers bei Verletzung der Pflicht des Arbeitgebers zu Zahlung der Karenzentschädigung vgl. § 74 Rn 92 ff.
C. Berechnung der Karenzentschädigung 11 Das für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots erforderliche Mindestmaß der Entschädigung bestimmt § 74 Abs. 2 für jedes Jahr auf die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen (§ 74 Rn 56). Für die Berechnung bedarf es zunächst der Feststellung, welche Einkommenspositionen überhaupt berücksichtigungsfähig sind. Sie müssen dazu unter den Begriff der „vertragsmäßigen Leistungen“ fällen, der nicht nur in § 74 Abs. 2, sondern auch in Abs. 2 Satz 1 (sowie in § 74c Abs. 1 Satz 1 und § 75 Abs. 2 Satz 1) Erwähnung findet (Rn 12 ff). Zudem ist Abs. 3 zu beachten (Rn 21). Hinsichtlich des Referenzzeitraums ist zu unterscheiden: Wenn § 74 Abs. 2 auf die „zuletzt“ bezogenen vertragsmäßigen Leistungen abstellt, so gilt dies nur für feste Bezüge (Rn 22 ff). Für wechselnde Bezüge bestimmt Abs. 2 abweichend einen Referenzzeitraum von grundsätzlich drei Jahren (Rn 28 ff).
I. Berücksichtigungsfähiges Einkommen 1. „Vertragsmäßige Leistungen“ 12 Als „vertragsmäßig“ i.S.v. § 74 Abs. 2 und des Abs. 2 Satz 1 ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrages beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird.17 Dabei sind grundsätzlich die Brutto-Bezüge ohne Abzug der Werbungskosten maßgeblich.18
13 a) Erfasste Einkommenspositionen. Zu den vertragsmäßigen Leistungen gehören das Gehalt und etwaige vertraglich geschuldete wechselnde Bezüge (Rn 28). Ebenfalls erfasst sind jederzeit widerrufliche Leistungszulagen, Jahresvergütungen, Gratifikationen, Urlaubsgelder, Tantiemen und Sonderzuwendungen, selbst wenn ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf diese nicht besteht und der Arbeitnehmer für die Zukunft nicht sicher mit den Zahlungen rechnen kann.19 So ist etwa eine dem Arbeitnehmer regelmäßig neben seinem Tarifgehalt gewährte „freiwillige, jederzeit widerrufliche außertarifliche Zulage“ in die Berechnung des Jahresgehalts als Bestandteil seiner festen Bezüge einzubeziehen.20 Das gilt auch für ein dem Arbeitnehmer anteilig für den letzten Monat des Dienstverhältnisses zustehendes 13. Monatsge15 Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 64; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 65 m.w.N. 16 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 59. 17 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 3) m. Anm. Schröder; 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 17); 19.12.2018 – 10 AZR 130/18, AP § 74 HGB Nr. 90 (Rn 17 f) m. Anm. Fehrenbach.
18 Näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 386; s. auch Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 58. 19 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 3) m. Anm. Schröder (unter Aufgabe der früheren Rspr., vgl. dazu BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23); 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 17); LAG Berlin-Brandenburg 2.12.2020 – 15 Sa 964/20, BeckRS 2020, 38116 (Rn 14); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 378, 398; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 305; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 58; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 46, § 74b Rn 10. Zur Einbeziehung von Vergütungen Dritter, etwa bei Konzernsachverhalten vgl. Bauer/Diller a.a.O. Rn 375. 20 BAG 5.8.1966 – 3 AZR 154/66, AP § 74 HGB Nr. 19 m. Anm. Herschel. Weber/Gräf
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halt, wenn er während des Jahres ausscheidet.21 Besteht kein Anspruch auf ein anteiliges 13. Monatsgehalt, sind die dem Arbeitnehmer insoweit in den Vorjahren ausgezahlten Beträge gleichwohl als Bestandteile seiner wechselnden Bezüge gemäß Abs. 2 Satz 1 in Ansatz zu bringen.22 Ebenfalls zu den vertragsmäßigen Leistungen gehören Sachzuwendungen (Werkdienst- 14 wohnung, Freiflüge, ÖPNV-Tickets, Essensgutscheine etc.).23 Erfasst ist deshalb auch die private Dienstwagennutzung;24 zur Bemessung des geldwerten Vorteils ist hier auf die steuerliche Bewertung (Steuerpauschale) abzustellen.25 Weiterhin erfasst sind etwaige vermögenswirksame Leistungen.26 Erbringt der Arbeitge- 15 ber bereits während des Arbeitsverhältnisses Leistungen in Hinblick auf eine später dem Arbeitnehmer zu gewährende betriebliche Altersversorgung, so wird man auch diese entsprechend ihrem Charakter als geldwerte Leistung im steuerlichen Sinn und als Gegenleistung im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis bei der Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen haben.27 Zur Altersteilzeit noch Rn 25. Probleme ergeben sich bei der Berücksichtigung von Mitarbeiterbeteiligungen, insbesonde- 16 re bei der Gewährung von Aktienoptionen.28 Auch wenn sich die Wertermittlung als schwierig erweisen kann, müssen diese grundsätzlich als vertragsmäßige Leistungen miteinbezogen werden.29 Dies gilt auch dann, wenn sie nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern – wie es in der Praxis die Regel ist – im Rahmen eines konzernweiten Aktienoptionsprogramms von einer Konzernobergesellschaft ausgezahlt werden und im Arbeitsvertrag hierauf nicht verwiesen wird.30 Ist die Aktienoption bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits ausgeübt, ist deren Wert entsprechend der einkommenssteuerrechtlichen Gewinnermittlung zu berechnen31 und nach
21 BAG 18.10.1976 – 3 AZR 376/75, AP § 74b HGB Nr. 1 (Bl. 3) = SAE 1977, 174 m. Anm. Beitzke; vgl. dazu auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 422. 22 BAG 18.10.1976 – 3 AZR 376/75, AP § 74b HGB Nr. 1 (Bl. 3R) = SAE 1977, 174 m. Anm. Beitzke. 23 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10; ausf. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 377, 389 ff. 24 BAG 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, NJW 1998, 1732 (1733); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 40) m. Anm. Diller; LAG Baden-Württemberg 17.1.2012 – 22 Sa 77/11, BeckRS 2012, 68072 (unter II 1 c aa). 25 LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 394; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; NK-GA/Reinhard2 § 74 Rn 57; aA (Kostentabelle des ADAC) LAG Rheinland-Pfalz 23.3.1990 LAGE § 249 BGB Nr 4; ff; so auch noch Staub/Weber5 Rn. 17; wieder aA (Nutzungsausfalltabelle nach Küppersbusch) Becker-Schaffner DB 1993, 2078; Dombrowski/Zettelmeyer NZA 1995, 155; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 50; Gruss BB 1994, 71; ErfK/Oetker22 § 74b HGB Rn 3; wieder aA (Rspr. des BAG zu Schadensersatzansprüchen bei Entziehung des zur privaten Nutzung überlassenen Dienstfahrzeugs) LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter I 1); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 100.1; wieder aA MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 79 (Fn 236): der Arbeitgeber könne jede dieser Berechnungsmöglichkeiten wählen. 26 Bengelsdorf DB 1989, 1025. 27 AA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 380 f, die dies nur bei einer Entgeltumwandlungsversorgung nach § 1a BetrAVG so sehen; vgl. auch zu einem „Zuschuss zur Altersversorgung“ LAG Berlin-Brandenburg 2.12.2020 – 15 Sa 964/20, BeckRS 2020, 38116 (Rn 30): nicht berücksichtigungsfähig. 28 Hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 396 f; Busch BB 2000, 1294 (1296 f); Fischer DB 1999, 1704; Franken Die Vergütung mittels Aktienoptionen aus arbeitsrechtlicher Sicht, 2009 S. 116 ff; Grimm Mitarbeitervergütung durch Aktienoptionen, 2007 S. 119 ff; Naber/Seeger GWR 2016, 117. 29 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 396; Busch BB 2000, 1294 (1296); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 12.1; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 78; aA LAG Baden-Württemberg 17.1.2012 – 22 Sa 77/11, BeckRS 2012, 68072 im Rahmen eines sog. Virtual-Stock-Programms; vgl. auch Nader/Seeger GWR 2016, 117 (118 f); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4. 30 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 375, 396; in der Tendenz auch LAG Hessen 31.5.2017 – 18 Sa 768/16, BeckRS 2017, 123014 (Rn 50); s. auch zu einer Kommanditbeteiligung LAG Berlin-Brandenburg 2.12.2020 – 15 Sa 964/ 20, BeckRS 2020, 38116 (Rn 19); aA BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 12.1; Nader/Seeger GWR 2016, 117 (118); LAG Hamm 11.8.2021 – 10 Sa 284/21, BeckRS 2021, 26187. 31 Busch BB 2000, 1294. 905
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§ 74b Abs. 2 mit dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen.32 Für die problematischere Situation, dass die Aktienoption bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch nicht ausgeübt ist, wird vorgeschlagen, den Wert schlicht zu schätzen33 oder abzuwarten und auf den späteren Zeitpunkt abzustellen, an dem die Aktienoption schließlich ausgeübt wird.34
17 b) Nicht erfasste Einkommenspositionen. Keine vertragsmäßigen Leistungen sind die Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, ebenso wenig der Krankenversicherungszuschuss des Arbeitgebers nach § 257 SGB V,35 die von ihm freiwillig ausgezahlten Beiträge zu einer ersetzenden Lebensversicherung,36 die Arbeitgeberzuschüsse für berufsständische Versorgungswerke nach § 172a SGB VI37 und das Übergangsgeld nach § 20 SGB VI als Leistung der Rehabilitation.38 Urlaubsabgeltungsansprüche nach § 7 Abs. 4 BUrlG sind nach unbestrittener Ansicht 18 ebenfalls nicht zu berücksichtigen. Dabei wird zur Begründung zuweilen noch auf die These verwiesen, es handele sich um ein Surrogat für den nicht genommenen Urlaub.39 Zwar hat das BAG die Surrogatstheorie inzwischen aufgegeben;40 jedoch kann man an der Nichtberücksichtigung der Urlaubsabgeltung festhalten, da dem Anspruch nicht – jedenfalls nicht überwiegend – die Funktion einer Entlohnung für bereits geleistete Arbeit zukommt.41 Eine Vergütung für Arbeitnehmererfindungen und Verbesserungsvorschläge ist ebenfalls 19 nicht in die Bemessung der Karenzentschädigung einzubeziehen;42 ebenso wenig Abfindungen, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden.43 Den Anforderungen des § 74 Abs. 2 genügt es nicht, wenn in der Karenzentschädigungsver20 einbarung die Bemessung der konkreten Höhe in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird. Hier kann der Arbeitnehmer das gesetzliche Minimum (§ 74 Abs. 2), im Einzelfall sogar einen darüber hinausgehenden Betrag verlangen44 (näher § 74 Rn 58, 60).
2. Ausklammerung von Auslagenersatz (Abs. 3) 21 Nach Abs. 3 bleiben bei der Berechnung der Entschädigung solche Beträge, die nur dem Ersatz der Auslagen des Arbeitnehmers dienen, unberücksichtigt. Bei Aufwandsentschädigungen 32 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 396; vgl. auch Naber/Seeger GWR 2016, 117 (118); näher Grimm Mitarbeitervergütung durch Aktienoptionen, 2007 S. 119 ff. 33 So Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 396, die einen Rückgriff auf das sog. „Black-Scholes-Modell“ vorschlagen; zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) Rn 12.1. 34 So Busch BB 2000, 1294 (1296); der Arbeitgeber wäre in diesem Fall bis zur Ausübung der Aktienoption zu Abschlagszahlungen verpflichtet; vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 396. 35 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 387. 36 BAG 21.7.1981 – 3 AZR 666/78, AP § 74 HGB Nr. 40 m. Anm. Brackmann; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 309; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 47. 37 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 387. 38 BAG 7.11.1989 – 3 AZR 796/87, AP § 74c HGB Nr. 15. 39 LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter I 2); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 382. 40 BAG 19.6.2012 – 9 AZR 652/10, AP § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 95 m. Anm. Heilmann. 41 Zutr. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 98; vgl. allerdings zur Vergütungskomponente des Urlaubsanspruchs BAG 22.1.2019 – 9 AZR 45/16, AP § 7 BUrlG Abgeltung Nr. 107 (Rn 22 f) m. Anm. Kamanabrou. 42 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 379; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 308; vgl. dazu im einzelnen Bengelsdorf DB 1989, 1024. 43 LAG Berlin-Brandenburg 2.12.2020 – 15 Sa 964/20, BeckRS 2020, 38116; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 383. 44 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 35 ff) m. Anm. Diller. Weber/Gräf
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und Reisespesen ist aber der Teil, der die tatsächlich entstandenen Auslagen übersteigt und deshalb Vergütungscharakter hat, in die Berechnung einzubeziehen.45 Bei pauschal gezahlten Spesen (sog. Vertrauensspesen) ist der Anteil zu ermitteln, der durchschnittlich auf die tatsächlichen Aufwendungen entfällt, und der überschießende Teil in Ansatz zu bringen.46
II. Referenzzeiträume 1. Feste Bezüge Erhielt der Arbeitnehmer feste Bezüge, kommt es nach § 74 Abs. 2 auf die „zuletzt“ bezogenen vertragsmäßigen Leistungen an. Das Jahresgehalt wird daher aus dem letzten Monats-, Wochen- oder Tagesgehalt errechnet.47 Da auf die zuletzt bezogene Vergütung abzustellen ist, kann als Karenzentschädigung auch nicht „die Hälfte der Bezüge des Arbeitnehmers im Durchschnitt der letzten drei Jahre“ festgelegt werden.48 Ob der Arbeitnehmer früher einmal eine höhere oder niedrigere Vergütung bezogen hat, ist deshalb unerheblich. Hat der Arbeitnehmer im letzten Monat des Arbeitsverhältnisses eine Tariferhöhung erhalten, so ist der sich daraus ergebende Betrag maßgeblich. Umgekehrt ist eine nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetretene Tariflohnentwicklung nicht zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.49 Allgemein kommt es nicht darauf an, wie sich die Höhe der Bezüge weiterentwickelt hätte.50 Auch ist die Höhe der Karenzentschädigung nicht im Laufe der Karenzzeit an die Inflation anzupassen.51 Scheidet der Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt aus, zu dem er wegen einer unbezahlten Freistellung infolge von Wehrdienst, Elternzeit oder Langzeiterkrankung keine Vergütung erhält, so muss es allerdings nach dem Grundgedanken derartiger Freistellungen auf diejenigen Bezüge ankommen, die der Arbeitnehmer zuletzt vor der Freistellung erhalten hatte.52 Gleiches gilt beim Ausscheiden in Zeiten der Entgeltfortzahlung in Konstellationen, in denen der Arbeitgeber nur eine reduzierte Vergütung zu zahlen hat.53 Hingegen besteht grundsätzlich kein Spielraum für eine Wertungskorrektur, wenn der Arbeitnehmer zuletzt Teilzeitarbeitnehmer war. Hier ist am Normwortlaut („zuletzt“) festzuhalten, sodass der Teilzeitverdienst maßgeblich ist. Der frühere Vollzeitverdienst bleibt – selbst 45 BAG 23.2.1999 – 9 AZR 739/97, AP § 74c HGB Nr. 20 (Bl. 2) m. Anm. Wertheimer; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 50; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 8; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 61a; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10, 13; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 79; krit. im Falle verdeckter Vergütungen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 384. 46 LAG Hamm 7.12.1983 – 5 Sa 1568/83, DB 1984, 623; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 14; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 7. 47 MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 78; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 48 BAG 5.8.1966 – 3 AZR 154/66, AP § 74 HGB Nr. 19 m. Anm. Herschel; zur Unanwendbarkeit des Abs. 2 auf feste Bezüge bei einem kurz vor Ausscheiden erfolgten Wechsel von Vollzeit- in Teilzeitbeschäftigung BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 29); vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 460 mit weiteren Beispielen für unzulässige Bezugnahmen auf Sechs- oder Zwölfmonatszeiträume. 49 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 406; Grunsky Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer S. 69. 50 BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 18); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 25, 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 51 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 405. 52 Vgl. BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 38), das dieses Ergebnis auf eine analoge Anwendung von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, § 11 Abs. 2 MuSchG a.F. und §§ 130, 131 SGB II a.F. gestützt hat; wie hier auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 412; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 104; für die Elternzeit LAG Baden-Württemberg 17.1.2012 – 22 Sa 77/11, BeckRS 2012, 68072 (unter II 1 c aa). 53 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 412 in Bezug auf den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG. 907
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wenn die Vollzeittätigkeit über eine lange Zeit ausgeübt und die Arbeitszeit erst kurz vor dem Ausscheiden reduziert wurde – außer Betracht.54 Allerdings ist die verminderte Höhe der Karenzentschädigung im Rahmen des § 74a Abs. 1 Satz 2 bei einer möglichen Unverbindlichkeit wegen unbilliger Fortkommenserschwernis zu berücksichtigen.55 Dasselbe gilt bei Altersteilzeit;56 hier sind allerdings als zuletzt bezogene vertragsmäßige Leistungen neben dem reduzierten Gehalt auch die Aufstockungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ATG zu berücksichtigen,57 nicht hingegen die Einzahlungen des Arbeitgebers in die gesetzliche Rentenversicherung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b ATG.58 Lediglich der letzte Teilzeitverdienst soll nach Ansicht des BAG auch im Falle des Ausschei26 dens aus dem Arbeitsverhältnis bei Elternteilzeit nach § 15 Abs. 6 BEEG maßgeblich sein.59 Einen Wertungswiderspruch im Vergleich zu der Situation, dass der Arbeitnehmer in Elternzeit überhaupt keiner Arbeit nachgeht (dort wird einhellig auf die Bezüge vor der Freistellung abgestellt, Rn 24), erkennt das BAG nicht.60 Insoweit mag man dem BAG noch zustimmen können. Die Auffassung des BAG erscheint aber jedenfalls im Anwendungsbereich der EU-Vereinbarkeitsrichtlinie61 (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. f RL 2019/1158/EU) im Hinblick auf das dort geregelte Diskriminierungsverbot (Art. 11 i.V.m. Art. 9 RL 2019/1158/EU) zweifelhaft.62 Insofern dürfte nämlich ein strengerer Rechtfertigungsmaßstab gelten als im Rahmen von Art. 3 und Art. 6 GG sowie im Rahmen des unionsrechtlichen Verbots einer mittelbaren Geschlechterdiskriminierung; in Hinblick auf die letztgenannten Normen hat das BAG eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verneint.63 27 Unproblematisch ist die umgekehrte Situation: Wechselt der Arbeitnehmer kurz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einem Teilzeit- in ein Vollzeitarbeitsverhältnis, ist unstrittig auf den letzten Vollzeitverdienst abzustellen.64
2. Wechselnde Bezüge (Abs. 2) 28 Die auf einen Drei-Jahres-Zeitraum abstellende Berechnungsmethode nach § 74b Abs. 2 findet nur auf „wechselnde Bezüge“ Anwendung. Das Kennzeichen wechselnder Bezüge ist ihre Abhängigkeit von ständig wechselnden äußeren Umständen.65 Es handelt sich um Entgeltbe54 BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 21); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12; mit Bedenken auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 413. 55 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 413. 56 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 47. 57 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 407; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 47; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 81; grds. auch Heilmann/Koch NZA 339 (341 f), die allerdings nur den gesetzlichen Mindestaufstockungsbetrag, nicht auch eine etwaige zusätzliche freiwillige Aufstockung berücksichtigen wollen. 58 Heilmann/Koch NZA 339 (342); aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 407: Rentenversicherungsbeiträge in Höhe des aufgestockten Gehalts zu berücksichtigen. 59 BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 21 ff); aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 414; Hahn FA 2010, 41. 60 BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 37 ff); aA (einen Wertungswiderspruch bejahend) Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 414; Hahn FA 2010, 41. 61 Richtlinie (EU) 2019/1158 v. 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates, ABl. EU L 188/79. 62 Vgl. auch zu Entlassungsabfindungen EuGH 27.2.2014 – C-588/12 (Lyreco BelgiumNV/Sophie Rogiers), NZA 2014, 359; zuvor bereits zu einer Sozialplanabfindung EuGH 22.10.2009 – C-116/08 (Christel Meerts/Proost NV), NZA 2010, 29; auf letztgenannte Entscheidung nehmen auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 414 und Hahn FA 2010, 41 Bezug. 63 BAG 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 30 ff). 64 Statt vieler MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12. 65 BAG 5.8.1966 – 3 AZR 154/66, AP § 74 HGB Nr. 19 (Bl. 2) m. Anm. Herschel; 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 29). Weber/Gräf
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standteile, die entweder nicht ständig oder jedenfalls nicht immer in der gleichen Höhe gezahlt werden.66 Zu ihnen zählen neben den in Abs. 2 ausdrücklich erwähnten Provisionen vor allem Umsatz- und Gewinnbeteiligungen.67 Bei der Berechnung der Karenzentschädigung sind sie nach dem Durchschnitt der letzten 29 drei Jahre, in denen das Arbeitsverhältnis bestand, in Ansatz zu bringen (Abs. 2 Satz 1). Gemeint sind nicht die letzten drei Kalenderjahre, sondern die letzten 36 Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses.68 Hat die Vertragsbestimmung, auf der die zuletzt dem Arbeitnehmer gewährten Bezüge beruhten, bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht drei Jahre lang bestanden, so erfolgt der Ansatz nach dem Durchschnitt des Zeitraums, während dessen die Bestimmung in Kraft war (Abs. 2 Satz 2). Aus dem dreijährigen bzw. verkürzten Referenzzeitraum sind Zeiräume, in denen sich der Arbeitnehmer in Elternzeit befunden hat, sowie ähnliche vergütungslose Freistellungszeiträume auszublenden, ohne dass der Referenzzeitraum entsprechend nach vorne zu verlagern wäre69 (vgl. auch Rn 24, 26). Maßgeblich sind auch i.R.d. Abs. 2 jeweils die Bruttobeträge (vgl. Rn 12). Wettbewerbsklauseln dürfen nicht den Eindruck erwecken, bei der Berechung der Höhe 30 der Karenzentschädigung seien etwaige wechselnde Bezüge nicht miteinzubeziehen.70 Eine Klausel, nach der die Karenzentschädigung auf „die Hälfte der monatlich zuletzt bezogenen Bezüge“ festgelegt wird, genügt daher nicht.71 Allerdings muss die Wettberwerbsklausel nicht zwingend auch den besonderen Referenzzeitraum wiedergeben, der nach § 74b Abs. 2 für wechselnde Bezüge gilt.72 Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BAG, nach der es ausreicht, wenn die Klausel hinsichtlich Entstehung und Höhe der Karenzentschädigung auf § 74 Abs. 2 verweist (§ 74 Rn 10, 50). Für die Praxis wird daher empfohlen, sich an den Wortlaut des § 74 Abs. 2 zu halten (z.B.: „Der Mitarbeiter erhält für jedes Jahr des Wettbewerbsverbots die Hälfte der von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“73). In die Berechnung einzubeziehen ist, was dem Arbeitnehmer für den Drei-Jahres-Zeitraum 31 des § 74b Abs. 2 zusteht. Es kommt hingegen nicht darauf an, wann der Anspruch fällig geworden ist oder tatsächlich ausgezahlt wurde.74
III. Berechnungsmethode Die Berechnung der nach § 74 Abs. 2 für jedes Jahr des Verbots mindestens zu zahlenden Ka- 32 renzentschädigung erfolgt bezüglich der festen Bezüge in der Weise, dass das zuletzt erhaltene Monats-, Wochen- oder Tagesgehalt auf der Basis des Bruttobetrags (Rn 12, 29) auf ein Jahr hochgerechnet wird. Bei wechselnden Bezügen ist auf Grundlage des Drei-Jahres-Durch66 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 416, 424. 67 BAG 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, AP § 74 HGB Nr. 59 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 165 m. Anm. Buchner; 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 29).
68 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 415 mit Nachw. aus der Instanz-Rspr. Klarstellend insoweit § 83 Abs. 1 Satz 2 Diskussionsentwurf eines ArbVG (Stand: November 2007, Beilage zu NZA 21/2007).
69 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 415. 70 Vgl. zu verschiedenen kritischen Klauselformulierungen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 451 ff. 71 LAG Frankfurt 5.3.1990 – 10/2 Sa 1114/89, LAGE § 74 HGB Nr. 5; 10.2.1997 – 10 SaGa 2269/96, LAGE § 74a HGB Nr. 1; LAG Düsseldorf 10.12.2002 – 8 Sa 1151/02, NZA-RR 2003, 570; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 31; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 59; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 463. 72 Vgl. insofern zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 463: § 74b nur „Zusatzregelung“ zu § 74 Abs. 2. 73 So der Formulierungsvorschlag von Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 453 mit Verweis auf LAG Hamm 10.1.2002 – 16 Sa 1217/01, BeckRS 2004, 42092. 74 BAG 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, AP § 74 HGB Nr. 59 = AR-Blattei ES 1830 Nr. 165 m. Anm. Buchner; 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 4) m. Anm. Schröder; 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, AP § 74 HGB Nr. 83 (Rn 18); anders noch BAG 20.4.1967 – 3 AZR 314/66, AP § 74 HGB Nr. 20 (Bl. 2R). Klarstellend insoweit § 83 Abs. 1 Satz 1 Diskussionsentwurf eines ArbVG (Stand: November 2007, Beilage zu NZA 21/2007). 909
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schnitts ebenfalls ein Jahres-Durchschnitt zu errechnen. Liegen sowohl feste als auch wechselnde Bezüge vor, sind die Beträge zu addieren. Der (Gesamt-)Betrag wird anschließend auf die Hälfte gekürzt. 1/12 des ermittelten Betrags ist dann monatlich fällig.75
D. Verjährung, Ausschlussfristen und Verwirkung 33 Die Ansprüche auf die Zahlungen der Karenzentschädigungen unterliegen – bezogen auf die einzelnen Raten – der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB.76 Es gelten der subjektive Verjährungsbeginn des § 199 Abs. 1 BGB und die zehnjährige Verjährungsobergrenze nach § 199 Abs. 4 BGB.77 Der Karenzentschädigungsanspruch als Stammrecht unterliegt nicht der Verjährung.78 Der Karenzentschädigungsanspruch kann auch etwaigen Ausschlussfristen unterliegen.79 34 Dies gilt sowohl für einzelvertraglich – grundsätzlich auch in AGB80 – als auch für tarifvertraglich geregelte81 Ausschlussfristen. Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 74 Abs. 1 ist allerdings zu verlangen, dass die Ausschlussfrist dem dort geregelten Schriftformerfordernis genügt.82 Im Übrigen gelten hinsichtlich der Ausgestaltung einer Ausschlussfrist, insbesondere in Bezug auf die zulässige Dauer, die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen83 (zur Anwendbarkeit des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Nebenabreden zur Wettbewerbsvereinbarung vgl. Vor § 74 Rn 40). Ob eine Ausschlussfrist auch den Anspruch auf Karenzentschädigung erfasst, ist Auslegungssache.84 Im Zweifel bezieht sich eine tarifliche Verfallklausel nicht auf das Stammrecht, sondern nur auf den jeweils fälligen monatlichen Anspruch; für die Fristberechnung ist damit die Fälligkeit der Einzelrate maßgeblich.85 Eine Ausschlussklausel, die „alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen“ erfasst, bezieht sich dementsprechend in der Regel auch auf die monatlich fällig werdenden Teilraten einer Karenzentschädigung.86 Das gilt jedenfalls dann, wenn die Geltendmachung der Ansprüche in einer bestimmten Frist ab Fälligkeit verlangt wird und nicht allgemein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt wird; eine solche Klausel passt nicht auf An-
75 Vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14, 16. 76 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 352; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 67; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 48, § 74b Rn 9. 77 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 121 (vgl. auch Rn 121.1 zum Umgang mit möglichen Rechtsirrtümern des ausgeschiedenen Arbeitnehmers hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots). 78 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 121. 79 BAG 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP § 74b HGB Nr. 2; LAG Baden-Württemberg 14.1.2014 – 15 Sa 24/13, BeckRS 2015, 72048 (unter B I 3); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 118; aA Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 12. 80 BAG 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP § 74b HGB Nr. 2 (Bl. 2); LAG Baden-Württemberg 14.1.2014 – 15 Sa 24/13, BeckRS 2015, 72048 (unter B I 3); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 81 LAG Baden-Württemberg 14.1.2014 – 15 Sa 24/13, BeckRS 2015, 72048. 82 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 746; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 119. 83 S. den Überblick bei ErfK/Preis22 § 217 BGB Rn 34 f, 43 ff. 84 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 328/69, AP § 74 HGB Nr. 25 m. Anm. Simitis; 18.12.1984 – 3 AZR 383/82, AP § 4 TVG Ausschlußfrist Nr. 87 (Bl. 2); 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP § 74b HGB Nr. 2 (Bl. 2R); 22.6.2005 – 10 AZR 459/04, AP § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 183 (Bl. 3); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 744; Bengelsdorf DB 1985, 1585 (1589). 85 BAG 7.10.1974 – 3 AZR 4/74, AP § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 55 m. Anm. Wiedemann; 22.6.2005 – 10 AZR 459/ 04, AP § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 183 (Bl. 3R); Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 354; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 11; ErfK/Oetker22 § 74b HGB Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 86 BAG 18.12.1984 – 3 AZR 383/82, AP § 4 TVG Ausschlußfrist Nr. 87 (Bl. 2); 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP § 74b HGB Nr. 2 (Bl. 2R); LAG Nürnberg 21.2.2007 NZA-RR 2007, 428; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 744; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. Weber/Gräf
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sprüche, die erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden.87 Eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist, die sich alleine auf die Karenzentschädigungspflicht bezieht, stellt in der Regel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar.88 Anders als die Verjährung ist der Ablauf einer Ausschlussfrist grundsätzlich von Amts 35 wegen zu beachten.89 Der Arbeitgeber kann nach Treu und Glauben wegen eigenen widersprüchlichen Verhaltens zur Zahlung der Entschädigung verpflichtet sein, wenn er beim Arbeitnehmer vor dem Ablauf der Frist den Eindruck erweckt, er werde sich auf diese später nicht berufen.90 Eine Verwirkung des Karenzentschädigungsanspruchs (§ 242 BGB) kommt nur in Ausnah- 36 mefällen in Betracht.91 Dabei kann es im Rahmen des Umstandsmoments eine Rolle spielen, dass der Arbeitgeber nach einer gewissen Zeit nicht mehr die Möglichkeit hat, die eventuelle Anrechenbarkeit eines böswillig unterlassenen anderweitigen Verdiensts – für die er die Darlegungs- und Beweislast trägt (§ 74c Rn 37) – zu prüfen und nachzuweisen.92 Zur Frage, inwieweit eine Ausgleichsquittung Karenzentschädigungsansprüche erfassen 37 kann, vgl. § 75 Rn 42 ff.
E. Zwangsvollstreckung und Insolvenz Die Karenzentschädigung zählt nach § 850 Abs. 3 lit. a ZPO zum Arbeitseinkommen und ist 38 damit nach § 850 Abs. 1 ZPO nur nach Maßgabe der §§ 850a bis 850i ZPO pfändbar. Bezieht der Arbeitnehmer neben der Entschädigung noch ein weiteres Arbeitseinkommen (vgl. dazu aber auch § 74c), so ist wegen § 850e Nr. 2 ZPO der unpfändbare Grundbetrag dem Einkommen zu entnehmen, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Vollstreckungsschuldners bildet.93 Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers94 werden Ansprüche auf rückständige Entschädi- 39 gung wie sonstiges Arbeitseinkommen behandelt. Der Karenzentschädigungsanspruch ist als einfache Insolvenzforderung zu behandeln.95 Allerdings besteht für Arbeitnehmeransprüche aus den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Anspruch auf Insolvenzgeld nach §§ 165 ff SGB III.96
87 BAG 24.4.1970 – 3 AZR 328/69, AP § 74 HGB Nr. 25 m. Anm. Simitis; 18.12.1984 – 3 AZR 383/82, AP § 4 TVG Ausschlußfrist Nr. 87 (Bl. 2); 17.6.1997 – 9 AZR 801/95, AP § 74b HGB Nr. 2 (Bl. 2R); LAG Nürnberg 21.2.2007 6 Sa 576/04, NZA-RR 2007, 428; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 744; vgl. aber BAG 7.10.1974 – 3 AZR 4/74, AP § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 55 m. Anm. Wiedemann, wo auch in einem solchen Fall die Ausschlussfrist auf die Fälligkeit der Ansprüche bezogen wird. 88 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 119. 89 St. Rspr.; vgl. nur BAG 17.7.1958 – 2 AZR 312/57, AP § 611 BGB Lohnanspruch Nr. 10 m. Anm. Tophoven. 90 BAG 18.12.1984 – 3 AZR 383/82, AP § 4 TVG Ausschlußfristen Nr. 87 (Bl. 2R f); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 749; zu den Voraussetzungen widersprüchlichen Verhaltens vgl. auch BAG 22.6.2005 – 10 AZR 459/04, AP § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 183 (Bl. 4R f). 91 Verneint von BAG 24.4.1970 – 3 AZR 328/69, AP § 74 HGB Nr. 25 (unter III 3) bei einem siebenmonatigen Abwarten; bejaht von LAG Nürnberg 21.2.2007 – 6 Sa 576/04, NZA-RR 2007, 428 (432): Die Arbeitnehmerin hatte zunächst für einen Teil der Karenzzeit die Entschädigung klageweise geltend gemacht, die für die Folgemonate geschuldete Entschädigung aber erst nach 13 Monaten eingefordert. 92 LAG Nürnberg 21.2.2007 – 6 Sa 576/04, NZA-RR 2007, 428 (432); zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74 Rn 122.1. 93 Vgl. Hopt/Roth41 Rn 2. 94 Vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1015 ff; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 436 ff. 95 LAG Nürnberg 1.10.2014 – 4 Sa 273/14, BeckRS 2015, 65265; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1016; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 37; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 96 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1017. 911
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Bei Wettbewerbsvereinbarungen mit Arbeitnehmern, die bereits vor dem Insolvenzfall ausgeschieden waren, ist das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO zu beachten: Besteht der Insolvenzverwalter auf Einhaltung des Verbots, wird die Karenzentschädigung Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO), der Arbeitnehmer bleibt an das Wettbewerbsverbot gebunden.97 Der Arbeitnehmer hat allerdings ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn die vorhandene Masse voraussichtlich den Karenzentschädigungsanspruch nicht abdeckt.98 Verweigert der Insolvenzverwalter hingegen die Erfüllung der Vereinbarung, wird der Arbeitnehmer von seiner Verpflichtung aus der Wettbewerbsvereinbarung befreit und kann einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach §§ 280 BGB i.V.m. 103 Abs. 2 Satz 1 InsO geltend machen. Dieser ist wie der ursprüngliche Karenzentschädigungsanspruch als einfache Insolvenzforderung zu behandeln.99 41 Im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Insolvenzverwalter (vgl. § 113 Satz 1 InsO) greift zugunsten des Arbeitnehmers § 75 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 (vgl. näher § 75 Rn 29 ff).100 Entscheidet sich der Arbeitnehmer in dieser Situation für die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots, so kann der Insolvenzverwalter sich gleichwohl über sein Wahlrecht nach § 103 InsO vom Wettbewerbsverbot lösen.101
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97 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1020; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 38; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 74. 98 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1020; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski § 74 Rn 38. 99 LAG Nürnberg 1.10.2014 – 4 Sa 273/14, NZI 2015, 290; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 441 f; MünchArbR/ Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 73 m.w.N. 100 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 440; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 73; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 80. 101 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 440. Weber/Gräf
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§ 74c [Anrechnung anderweitigen Erwerbs] (1)
1
Der Handlungsgehilfe muss sich auf die fällige Entschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweite Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterläßt, soweit die Entschädigung unter Hinzurechnung dieses Betrags den Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen um mehr als ein Zehntel übersteigen würde. 2Ist der Gehilfe durch das Wettbewerbverbot gezwungen worden, seinen Wohnsitz zu verlegen, so tritt an die Stelle des Betrags von einem Zehntel der Betrag von einem Viertel. 3Für die Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Gehilfe eine Entschädigung nicht verlangen. (2) Der Gehilfe ist verpflichtet, dem Prinzipal auf Erfordern über die Höhe seines Erwerbes Auskunft zu erteilen.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht A.
Allgemeines
I.
Normzweck
II.
Abdingbarkeit
B.
Anrechnung anderweitigen Erwerbs
I.
Tatsächlicher anderweitiger Erwerb (Abs. 1 5 Satz 1 Alt. 1) 6 Erwerb während des Karenzzeitraums Erwerb durch anderweitige Verwertung der Ar8 beitskraft Insbesondere: Sozialversicherungsleistun12 gen 15 Insbesondere: Arbeitslosengeld 18 Ersparte Aufwendungen
1. 2. 3. 4. 5. II.
21
1. 2.
Grundsätzliches 23 Einzelfälle
III. 1. 2.
Ermittlung des Anrechnungsbetrages 27 Regelfall (Abs. 1 Satz 1) Wohnsitzverlegung (Abs. 1 Satz 2)
C.
Verbüßung einer Freiheitsstrafe (Abs. 1 35 Satz 3)
D.
Auskunftsanspruch des Arbeitgebers (Abs. 2)
I.
Normzweck und Anwendungsbereich
II.
Inhalt des Auskunftsanspruchs
III.
Durchsetzung des Auskunftsanspruchs
1 2
31
37
40 44
Böswillig unterlassener anderweitiger Erwerb (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2)
A. Allgemeines I. Normzweck Der Arbeitnehmer muss sich während der Dauer des Wettbewerbsverbots Einkünfte, die er durch 1 die anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erzielt hat, unter den in § 74c näher bestimmten Voraussetzungen auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1).1 Abs. 1 1 Vgl. auch § 83 Abs. 2 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (aktualisierte Fassung: Beilage zu NZA 21/2007). 913 https://doi.org/10.1515/9783111097510-060
Weber/Gräf
§ 74c
1. Buch. Handelsstand
Satz 1 Alt. 2 fingiert bei böswilligem Unterlassen einen anderweitigen Erwerb. Dadurch wird eine Obliegenheit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers begründet, aus Rücksichtnahme auf den früheren Arbeitgeber zumutbare Einkünfte zu erzielen.2 Die Regelung enthält einen Grundgedanken, der sich auch in § 326 Abs. 2 Satz 2, § 615 Satz 2 BGB3 und § 11 KSchG wiederfindet: Die Zahlung der Karenzentschädigung soll dem Arbeitnehmer die Beibehaltung seines Lebensstandards in der Übergangszeit ermöglichen (vgl. § 74 Rn 47); andererseits besteht aber keine Veranlassung, ihn auf Kosten des Arbeitgebers finanziell wesentlich besser zu stellen als vor dem Arbeitsplatzwechsel.4 Einer Karenzentschädigung bedarf es nicht, soweit der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot keine wirtschaftlichen Nachteile erleidet.5
II. Abdingbarkeit 2 Einer ausdrücklichen Vereinbarung der Anwendbarkeit des § 74c auf die von dem Arbeitgeber zu zahlende Entschädigung bedarf es nicht.6 Die Vorschrift führt also bei einer Überschreitung der in Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 normierten Grenzen zur Verringerung des Entschädigungsanspruches und bestimmt deshalb, zusammen mit § 74 Abs. 2, von Gesetzes wegen die Höhe der zu zahlenden Karenzentschädigung.7 Eine für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarung ist freilich möglich: Ein zum Zeitpunkt 3 des Arbeitsvertragsschlusses vorhandener und erkennbar übereinstimmender Abbedingungswille der Parteien kann zur Reduzierung oder zum Wegfall der Anrechnung führen8 und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der vollen Entschädigung trotz anderweitigen Einkommens begründen. Eine derartige Vereinbarung kann ausdrücklich oder konkludent geschlossen werden.9 Eine konkludente Vereinbarung kann darin liegen, dass die Parteien die Vorauszahlung der Entschädigung in einem Betrag im Voraus vereinbaren.10 Auch ein Verzicht des Arbeitgebers auf den Auskunftsanspruch nach Abs. 2 ist grundsätzlich zulässig und kann schon darin zu sehen sein, dass der Arbeitgeber die Entschädigung vorbehaltlos im Voraus zahlt.11 4 Der Verbindlichkeit einer von § 74c zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichenden Vereinbarung steht § 75d Satz 1 entgegen. In diesem Fall ist nicht nur die Anrechnungsklausel unverbindlich, sondern das Wettbewerbsverbot insgesamt, da letztlich ein vergleichbarer Fall vorliegt wie bei einer zu niedrigen und deshalb gegen § 74 Abs. 2 verstoßenden Entschädigung (vgl. § 74 Rn 59).12
2 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 53) m. Anm. Diller; vgl. auch zu § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG BAG 22.3.2017 – 5 AZR 337/16, AP § 615 BGB Nr. 151 (Rn 25) m.w.N. Ausf. hierzu Kühn S. 88 ff. BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23 (Bl. 2R) m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer. BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 29) m. Anm. Diller (m.w.N.). BAG 21.3.1974 – 3 AZR 259/73, AP § 74c HGB Nr. 3 (Bl. 2R) mit insoweit krit. Anm. Reuter. BAG 21.3.1974 – 3 AZR 259/73, AP § 74c HGB Nr. 3 (Bl. 2R) mit insoweit krit. Anm. Reuter; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 763 f; vgl. auch zu § 615 Satz 2 BGB Kühn S. 89. 8 BAG 12.1.1978 – 3 AZR 57/76, AP § 74c HGB Nr. 8 (Bl. 1R) m. Anm. Herschel. 9 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 1; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 1; aA Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 825, 197, der Schriftform nach § 74 Abs. 1 verlangt. 10 LAG Hamm 19.2.1992 – 15 Sa 1728/91, LAGE § 74c Nr. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 826; aA NK-GA/ Reinhard2 § 75c Rn 17: weitere Anhaltspunkte erforderlich. 11 BAG 5.8.1968 – 3 AZR 128/67, AP § 74 HGB Nr. 24 (Bl. 2) m. Anm. Diederichsen. 12 LAG Baden-Württemberg 21.4.1961 – 6 Sa 14/61, DB 1961, 982; 22.1.1968 – 7 Sa 94/67, DB 1968, 1317; LAG Hamm 12.3.1980 – 15 Sa 6/80, DB 1980, 1125; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 477 ff; HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 24; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.9.2021) § 74c Rn 45; aA LAG Hamm 20.12.2001 – 16 Sa 414/01, BeckRS 2001, 31010520
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Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74c
B. Anrechnung anderweitigen Erwerbs I. Tatsächlicher anderweitiger Erwerb (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1) Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 gebietet die Anrechnung der von dem Arbeitnehmer durch die anderweitige 5 Verwertung seiner Arbeitskraft tatsächlich erzielten Einkünfte.
1. Erwerb während des Karenzzeitraums Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 erfasst nur Einkünfte, die der ausgeschiedene Arbeitnehmer im Karenzzeit- 6 raum „erwirbt“. Damit gemeint sind nur tatsächlich realisierte Ansprüche, nicht solche, die (z.B. wegen Insolvenz des neuen Arbeitgebers) nicht erfüllt werden.13 Je nach den Umständen des Einzelfalls kann aber böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) vorliegen, wenn der Arbeitnehmer auf die Geltendmachung ihm zustehender Ansprüche verzichtet.14 Anzurechnen ist nur dasjenige, was der ausgeschiedene Arbeitnehmer „während des Zeit- 7 raums, für den die Entschädigung gezahlt wird“, erwirbt. Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass die Auszahlung oder die Fälligkeit innerhalb des Karenzzeitraums liegen müssen (vgl. auch § 74b Rn 31); denn dadurch ließe sich die Höhe des nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 anzurechnenden Betrags von Seiten des Arbeitnehmers leicht manipulieren.15 Entscheidend ist allein, ob der Zeitraum, für den die Leistungen erbracht werden, innerhalb der Karenzzeit liegt16 (vgl. zum Einkommen im Rahmen selbständiger Tätigkeit Rn 43).
2. Erwerb durch anderweitige Verwertung der Arbeitskraft Mit dem Merkmal des Erwerbs aus einer „anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft“ meint das 8 Gesetz sämtliche geldwerte Leistungen, die zur Abgeltung von Arbeitsleistung gezahlt werden.17 Der Erwerb kann sowohl auf einer unselbständigen Tätigkeit, also auf einem neuen Arbeitsverhältnis, als auch auf selbständiger Tätigkeit beruhen.18 Ebenso sind etwaige Bezüge aus einem Beamtenverhältnis zu berücksichtigen.19 Gegenstand der Vorschrift sind nur solche Einnahmen (zur Abgeltung von Arbeitsleistung), die durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst möglich geworden sind20 („durch“). Sie müssen also kausal auf dem auflösungsbedingten Freiwerden seiner Arbeitskraft beruhen.
(unter 2); vgl. auch BAG 25.6.1985 – 3 AZR 305/83, AP § 74c HGB Nr. 11 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke einerseits, BAG 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 3) andererseits. 13 LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter II 1); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 799. 14 LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter II 1). 15 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 53) m. Anm. Diller; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 16 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 m. Anm. Schröder; 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, AP § 74 HGB Nr. 59; vgl. auch BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 51, 53) m. Anm. Diller mit Hinweis auf das Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2. 17 BAG 7.11.1989 – 3 AZR 796/87, AP § 74c HGB Nr. 15 (unter 3 a); 14.9.2011 – 10 AZR 198/10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 16); 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 25) m. Anm. Diller. 18 BAG 16.11.2005 – 10 AZR 152/05, AP § 74c HGB Nr. 21 (unter II 2 a aa); 14.9.2011 – 10 AZR 198/10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 16); 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 25) m. Anm. Diller. 19 Näher zur Anrechnungsweise Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 780. 20 Vgl. BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 25, 52) m. Anm. Diller; LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter II 2). 915
Weber/Gräf
§ 74c
1. Buch. Handelsstand
Im Falle der unselbständigen Tätigkeit ist die Art der Vergütung unerheblich; es kommen sowohl feste als auch wechselnde Bezüge (vgl. § 74b Rn 22 ff) in Betracht. Zu beachten ist aber, dass der Anrechnung nur solche Einkommensbestandteile unterliegen, die auch als „vertragsmäßige Leistungen“ i.S.d. §§ 74 Abs. 2 und 74b Abs. 2 Satz 1 in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen sind;21 es gilt das Prinzip der „Gleichheit von Berechnung und Anrechnung“.22 Anzurechnen sind daher nur Einkünfte mit Vergütungscharakter (im Einzelnen § 74b Rn 12 ff). Daher sind Aufwandsentschädigungen (z.B. in Form von Auslandszuschlägen) nicht einzubeziehen, soweit es sich dabei um Ersatzleistungen für tatsächliche Auslagen und Mehraufwendungen des Arbeitnehmers handelt und diesem nicht etwa ein zusätzliches Einkommen verschafft wird.23 Anrechnungsfähig sind hingegen 13. und 14. Monatsgehälter, Zulagen, Gratifikationen, Urlaubsgelder oder ähnliche Sonderzahlungen; dies gilt auch, wenn diese freiwillig gezahlt werden und keinen Rechtsanspruch des Arbeitnehmers für die Zukunft begründen24 (§ 74b Rn 13). Das anrechenbare Einkommen ist ohne Abzug der Werbungskosten25 mit dem Brutto26 anzusetzen. 10 Erzielt der Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, wird der anzurechnende Verdienst durch Abzug der Betriebsausgaben von den Einnahmen ermittelt. Maßgeblich ist also nur der Gewinn,27 und zwar derjenige vor Steuern, also der Bruttogewinn28 (zur Berechnung noch Rn 30, 43). Da nur Einnahmen aus der Verwendung der Arbeitskraft einzubeziehen sind, müssen allerdings gegebenenfalls Gewinne herausgerechnet werden, die aus einem bloßen Kapitaleinsatz oder aus eingebrachten Betriebsmitteln resultieren (vgl. Rn 11).29 Etwas anderes gilt, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer nicht als Mitgesellschafter an einem Geschäft beteiligt ist und lediglich über ein Gehalt verfügt,30 dessen Höhe der von ihm eingesetzten Arbeitskraft entspricht. Wegen eines offenbar zu niedrig bemessenen Geschäftsführergehalts muss der Arbeitnehmer sich aber regelmäßig eine böswillig unterlassene Einnahmeerzielung (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) entgegenhalten lassen.31 11 Nicht anrechenbar – da nicht aus der anderweitigen Verwertung der Arbeitskraft resultierend – sind Erträge aus Kapitalanlagen32 oder Mieteinnahmen.33 Gleiches gilt für Karenzentschädigungszahlungen aus anderen Arbeitsverhältnissen des Handlungsgehilfen, die dieser als 9
21 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 3) m. Anm. Schröder; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 317; 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, AP § 74 HGB Nr. 59; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 79.
22 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 776. 23 BAG 3.4.1984 – 3 AZR 56/82, AP § 74 HGB Nr. 44 (Bl. 3) m. Anm. Beitzke. 24 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 3) m. Anm. Schröder; aA Schlegelberger/Schröder Rn 3, allerdings noch unter Bezug auf die inzwischen ausdrücklich aufgegebene frühere Rechtsprechung des BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23 m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer. 25 BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68 AP § 133f GewO Nr. 23 (unter III 2 c) m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 779. Etwas anderes gilt für § 11 Nr. 1 KSchG (BAG 2.10.2018 – 5 AZR 376/17, AP § 615 BGB Nr. 156 [Rn 35]) und § 615 Satz 2 BGB (LAG Baden-Württemberg 28.6.2017 – 2 Sa 56/16, BeckRS 2017, 122911 [Rn 30 ff]; BeckOGK-BGB/Bieder [1.7.2022] § 615 Rn 85; MünchKommBGB/Henssler8 § 615 Rn 75): dort können erforderliche Aufwendungen grundsätzlich vom Zwischenverdienst abgezogen werden. 26 LAG Rheinland-Pfalz 25.11.2004 – 4 Sa 618/04, BeckRS 2005, 42358 (unter II); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 779. 27 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 52) m. Anm. Diller; Röhsler/Borrmann S. 89 f. 28 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 781; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 11; Röhsler/Borrmann S. 89; Schlegelberger/Schröder Rn 3a; vgl. allerdings Gumpert BB 1970, 890. 29 Diller Anm. BAG AP § 74c HGB Nr. 23 (unter 3) mit dem Hinweis, dass aufgrund der praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten im Streitfall nur eine Schätzung (auf Basis eines Sachverständigengutachtens) übrig bleiben kann; vgl. dazu auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 783. 30 BAG 20.4.1967 – 3 AZR 314/66, AP § 74 HGB Nr. 20; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 5. 31 Vgl. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 5; Röhsler/Borrmann S. 89. 32 BAG 20.4.1967 – 3 AZR 314/66, AP § 74 HGB Nr. 20 (Bl. 4); Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 33 Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74c
Gegenleistung für eine Unterlassung des Wettbewerbs erhält, die aber nicht das Ergebnis anderweitig verwerteter Arbeitskraft sind.34 Ebenfalls nicht anrechenbar ist eine Abfindung, da sie noch auf die Tätigkeit im früheren Arbeitsverhältnis bezogen ist.35 Überhaupt sind Einkünfte aus dem beendeten Arbeitsverhältnis nicht in die Anrechnung einzubeziehen.36 Nicht anzurechnen sind auch Einkünfte des Arbeitnehmers, die er bereits in seiner früheren Stellung als Nebeneinkünfte erzielt hat oder hätte erzielen können.37 Diese Einkünfte dienen zwar der Abgeltung von Arbeitsleistung; sie beruhen aber nicht kausal auf dem auflösungsbedingten Freiwerden seiner Arbeitskraft (vgl. Rn 8).
3. Insbesondere: Sozialversicherungsleistungen Auch Leistungen der Sozialversicherung beruhen regelmäßig nicht auf der Verwertung der Ar- 12 beitskraft und sind deshalb grundsätzlich nicht anzurechnen.38 Unberücksichtigt bleiben im Rahmen des § 74c deshalb die Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung39 (zur betrieblichen Altersversorgung sogleich Rn 13) und die Erwerbsminderungsrente40 (dazu, dass Wettbewerbsverbot und Karenzentschädigung regelmäßig auch nicht mit dem Eintritt des Ruhestands außer Kraft treten, § 75 Rn 46). Auch das Übergangsgeld nach § 119 SGB III ist nicht auf die Karenzentschädigung anzurechnen. Eine Gleichstellung mit dem Arbeitseinkommen verbietet sich auch hier, da das Übergangsgeld nicht durch anderweitige Verwertung der Arbeitskraft erworben wird und der Arbeitnehmer anders als bei Arbeitslosigkeit auch nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.41 Offen gelassen hat das BAG die Frage, ob auch Ruhegeldzahlungen aus betrieblichen 13 Versorgungszusagen der Anrechnung unterliegen.42 Sowohl der Wortlaut des Abs. 1 Satz 1 als auch der Umstand, dass eine betriebliche Altersversorgung durch den früheren Arbeitgeber nicht auf der anderweitig erbrachten Arbeitsleistung des Arbeitnehmers beruht, sprechen aber gegen eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 74c.43 Allerdings ist eine Vereinbarung möglich, wonach eine Karenzentschädigung auf Ruhegeldzahlungen angerechnet werden kann.44 Das widerspricht nur auf den ersten Blick § 75d, der Abweichungen u.a. von § 74c zu
34 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 777. 35 LAG Hamm 30.3.2000 – 16 Sa 1684/99, BeckRS 2000, 30784037 (unter II 2); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 778; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 36 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 772 (dort auch zur Auswirkung sog. Sprinterklauseln). 37 BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23 (Bl. 3R) m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer; LAG Rheinland-Pfalz 25.11.2004 – 4 Sa 618/04, BeckRS 2005, 42358 (unter II); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 17; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 3; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 4; Hopt/Roth41 Rn 1; Schlegelberger/Schröder HGB Rn 3; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 81; aA für Nebeneinnahmen, die der Handlungsgehilfe bereits früher hätte erzielen können: Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5, 12. 38 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 39 BAG 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46 (Bl. 2) m. Anm. Beitzke; LAG Berlin-Brandenburg 10.12.2019 – 11 Sa 1573/19, BeckRS 2019, 38077 (Rn 29); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 795. 40 Zur früheren Erwerbsunfähigkeitsrente BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 4) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort. 41 BAG 7.11.1989 – 3 AZR 796/87, AP § 74c HGB Nr. 15; Grüll/Janert S. 56; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 42 BAG 26.2.1985 – 3 AZR 162/84, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 30 m. Anm. Beitzke. 43 LAG München 19.4.2007 – 2 Sa 1341/06, BeckRS 2009, 61889 (Rn 14); LAG Niedersachsen 26.1.2005 – 6 Sa 1306/ 04 B, BeckRS 2005, 31055994 (unter I 1); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 786; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 478; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 62; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 44 BAG 26.2.1985 – 3 AZR 162/84, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 30 m. Anm. Beitzke; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 427, 855 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 14. 917
Weber/Gräf
§ 74c
1. Buch. Handelsstand
Lasten des Arbeitnehmers nicht zulässt.45 Denn in Wahrheit handelt es sich um eine Frage der Ausgestaltung des Ruhegelds, dessen Höhe durch Vereinbarung ohne weiteres in Relation zu anderen Leistungen gesetzt werden kann. 14 Anrechenbar sind hingegen Leistungen, die erst aufgrund der neuen Tätigkeit bezogen werden. Dazu gehört der Gründungszuschuss nach § 93 SGB III, da er den Einsatz eigener Arbeitskraft für den Aufbau einer wirtschaftlichen Existenz voraussetzt.46 Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer nach Aufnahme der neuen Beschäftigung Lohnersatzleistungen erhält. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch Krankengeld (§§ 44 ff SGB V),47 Kurzarbeitergeld (§§ 95 ff SGB III) und Insolvenzgeld (§§ 165 ff SGB III) anrechenbar.48
4. Insbesondere: Arbeitslosengeld 15 Da im Rahmen des § 74c nur Einkünfte aufgrund der anderweitigen Verwertung der eigenen Arbeitskraft anzurechnen sind, greift die Vorschrift hingegen an sich nicht, wenn der Handlungsgehilfe kein neues Arbeitsverhältnis eingeht, sondern im Hinblick auf das alte Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht. Verfügt der ehemalige Arbeitnehmer allerdings auf der Basis von Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung über mehr als 110 % seines früheren Einkommens, so würde der Zweck des § 74c ohne Anrechnung verfehlt. Das BAG hatte deshalb in analoger Anwendung des § 74c die Anrechnung von Arbeitslosengeld auf die Entschädigung bejaht.49 Von 1985 bis 2004 enthielt auch das Gesetz eine Anrechnungsregelung, zunächst in § 128a 16 Abs. 1 Satz 3 AFG a.F., später in § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. Der Regelungszweck bestand allerdings nicht wie bei § 74c in einer Deckelung der Bezüge des arbeitslosen Arbeitnehmers. Vielmehr erfolgte die Anrechnung, um eine gewisse Kompensation dafür zu schaffen, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, zunächst 100 %, später – nach Intervention des Bundesverfassungsgerichts50 – noch 30 % des dem Arbeitnehmer zu zahlenden Arbeitslosengeldes zu erstatten.51 § 148 SGB III wiederum wurde mit Wirkung zum 1.1.2004 aufgehoben,52 da die Erstattungspflicht erheblichen Verwaltungsaufwand verursachte und nur wenige Anwendungsfälle betraf.53 Damit fehlt für die Anrechnung wiederum eine gesetzliche Regelung, sodass nach zutreffender, allerdings umstrittener Ansicht die frühere Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 74c wieder zum Tragen kommt.54 Das BAG hat die Frage nach einer Rückkehr zur
45 Vgl. aber Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 479 für die umgekehrte, im Ergebnis aber gleichermaßen wirkende Regelung der Anrechnung der Betriebsrente auf die Karenzentschädigung.
46 BAG 16.11.2005 – 10 AZR 152/05, AP § 74c HGB Nr. 21 (Bl. 2R). 47 Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 4; Röhsler/Borrmann S. 92; offengelassen von BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (unter I 6 c) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; nicht anrechenbar ist hingegen Krankentagesgeld aus einer privaten Krankenversicherung, vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 783. 48 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 796; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 14 f; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 7. 49 BAG 25.6.1985 – 3 AZR 305/83, AP § 74c HGB Nr. 11 (Bl. 7) m. Anm. Beitzke; vgl. auch BSG 13.3.1990 – 11 Rar 50/86, NZA 1990, 906 (907). 50 BVerfG 10.11.1998 – 1 BvR 2296/96 u.a., BVerfGE 99, 202. 51 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 1130. 52 G. v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848). 53 Vgl. BT-Drucks. 15/1515, S. 88. 54 Ebenso LAG München 14.8.2007 – 4 Sa 189/07, BeckRS 2008, 54978 (Rn 16 – obiter); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 788; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 322; HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 18; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 6; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 9 f; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 91; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 4; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 11; Ch. Weber Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 89 (unter IV); i.E. auch Hunold NZA-RR 2007, 617 (624); BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 9; aA LAG Köln 30.1.2014 – 13 Sa 744/13, NZS 2014, 396; LAG Düsseldorf 21.9.2015 – 9 Sa 152/15, BeckRS 2015, 73316 (Rn 79); EbenWeber/Gräf
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ursprünglichen Rechtsprechung zwar bisher offengelassen,55 allerdings deutliche Bedenken geäußert, die sich auf die Analogievoraussetzung der „planwidrigen“ Regelungslücke beziehen: Immerhin sei mit § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. eine bestehende gesetzliche Regelung aufgehoben worden, zumal nach dieser zuletzt nur 30 % des Arbeitslosengelds anrechenbar waren, während bei analoger Anwendung des § 74c Abs. 1 Satz 1 eine volle Anrechnung möglich wäre. Es sei schlicht Aufgabe des Gesetzgebers, das Verhältnis zwischen Arbeitslosengeld und Karenzentschädigung zu regeln.56 Diese Bedenken greifen letztlich nicht durch, da § 148 Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. nur im Zusammenhang mit der Erstattungspflicht des Arbeitgebers zu sehen war und § 74c Abs. 1 – wie erwähnt – einen anderen Regelungszweck verfolgt. Allerdings ist für die praktische Bedeutung der Anrechnung von Arbeitslosenunterstüt- 17 zung zu beachten, dass bei analoger Anwendung von § 74c nach der Rechtsprechung allenfalls der von der Arbeitslosenversicherung gezahlte Nettobetrag, also kein fiktiv hochgerechnetes Brutto, mit der Karenzentschädigung zusammenzurechnen ist.57 Karenzentschädigung und Arbeitslosengeld werden daher zusammen nur dann 110 % des vorhergehenden Bruttoentgelts überschreiten, wenn die Karenzentschädigung sehr hoch bemessen ist und den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbetrag nach § 74 Abs. 2 deutlich überschreitet.58
5. Ersparte Aufwendungen Anders als in § 326 Abs. 2 Satz 2 und § 615 Satz 2 BGB ist in § 74c Abs. 1 nicht explizit die Anrech- 18 nung ersparter Aufwendungen vorgesehen. Gleichwohl sind nach zutreffender hM auch hier Aufwendungen, die sich der ausgeschiedene Arbeitnehmer infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erspart hat, als geldwerte Vorteile anzurechnen.59 Denn auch insoweit würde die Karenzentschädigung über das hinausgehen, was es zum Ausgleich der aus dem Wettbewerbsverbot folgenden wirtschaftlichen Nachteile bedarf (vgl. zum Normzweck Rn 1). Insofern sind die in § 75c Abs. 1 Satz 1 genannten Anrechnungstatbestände im Wege der Analogie zu roth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10a f; Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 4; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 85. 55 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 4) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; 16.11.2005 – 10 AZR 152/05, AP § 74c HGB Nr. 21 (Bl. 3R); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 41) m. Anm. Diller; vgl. auch BAG 31.1.2018 – 10 AZR 392/17, AP § 74 HGB Nr. 89 (Rn 13) m. Anm. Ch. Weber. 56 BAG 14.9.2011 − 10 AZR 198/10, AP § 74c Nr. 22 (Rn 20 f). 57 BAG 14.9.2011 − 10 AZR 198/10, AP § 74c Nr. 22 (Rn 22 ff); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 41) m. Anm. Diller; s. bereits zur Rechtslage vor Aufhebung des § 148 SGB III a.F.: BAG 27.11.1991 – 4 AZR 211/91, AP § 4 TVG Nachwirkung Nr. 22 (Bl. 5R) m. Anm. Löwisch/Rieble = EzA § 4 TVG Nachwirkung Nr. 15 m. Anm. Oetker = ARBlattei ES 1550.6 Nr 32 m. Anm. Pulte; 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 4) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; ebenso (wiederum zur aktuellen Rechtslage) LAG München 14.8.2007 – 4 Sa 189/07, BeckRS 2008, 54978 (Rn 17 ff); Diller BB 2008, 1680 (1682 ff); HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 18; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 74c HGB Rn 14; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 62; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 85; aA LAG Köln 20.2.1991 – 7 Sa 994/90, DB 1991, 2245. 58 Um Fälle, in denen die 110 %-Grenze jeweils nicht erreicht wurde, ging es gerade in den Entscheidungen, in denen das BAG die grundsätzliche Frage nach der Anrechenbarkeit von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung offen lassen konnte, vgl. die Nachw. unter Rn 16. 59 GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 113; Röhsler/Borrmann S. 93 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. AA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 798, die gegen die Berücksichtigungsfähigkeit ersparter Aufwendungen einwenden, dass nach der Rechtsprechung des BAG der Zwischenverdienst im Rahmen des § 74c Abs. 1 ohne Abzug der Werbungskosten anzusetzen ist (vgl. Rn 9). Der Arbeitnehmer sei daher „doppelt bestraft, wenn er sich auf die Karenzentschädigung die ersparten Werbungskosten aus seiner früheren Tätigkeit anrechnen lassen müsste, ohne die Werbungskosten von seinen neuen anrechenbaren Bezügen abziehen zu können“. Jedoch ist zu bedenken, dass auch die Berechnung der Karenzentschädigungshöhe (vor dem Abzug nach § 74c Abs. 1) zugunsten des Arbeitnehmers auf Basis des Bruttolohns der früheren Beschäftigung ohne Abzug der Werbungskosten durchzuführen ist (§ 75b Rn 12, 27). 919
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erweitern. Dem steht nicht entgegen, dass eine Berücksichtigung ersparter Aufwendungen im Wortlaut des § 11 KSchG ebenfalls fehlt und dort eine korrigierende Interpretation allseits abgelehnt wird;60 denn die Ausklammerung ersparter Aufwendungen beruht bei § 11 KSchG auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung vor dem Hintergrund normspezifischer Überlegungen,61 die sich nicht auf § 74c übertragen lassen. 19 Für die Anrechnung bedarf es eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem früheren Arbeitsverhältnis und den ersparten Aufwendungen. Danach können z.B. nicht mehr erforderliche Fahrtkosten und Kosten für Arbeitsmittel (Arbeitskleidung etc.) als Abzugsposten zu berücksichtigen sein.62 Die Ersparnis ist für jede Aufwendungsart gesondert zu ermitteln: Fallen z.B. im Rahmen der neuen Tätigkeit Fahrtkosten an, die niedriger sind als diejenigen im Rahmen des alten Arbeitsverhältnisses, ist insoweit die Differenz in Ansatz zu bringen (bei gleichen oder gestiegenen Fahrtkosten überhaupt nichts). Eine Ersparnis bei den Fahrtkosten kann aber nicht etwa mit Mehraufwendungen z.B. für bestimmte Arbeitsmittel verrechnet werden; der bei den Fahrtkosten ersparte Betrag ist in voller Höhe von der Karenzentschädigung abzuziehen. 20 Nicht anrechenbar sind hingegen Aufwendungen, die dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer früher im Bereich der privaten Lebensführung entstanden sind (z.B. für die Kinderbetreuung oder Haus- und Gartenarbeiten) und die er sich nun durch eigenen Einsatz erspart.63
II. Böswillig unterlassener anderweitiger Erwerb (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2) 1. Grundsätzliches 21 Unterlässt der Arbeitnehmer während der Karenzzeit die Verwertung seiner Arbeitskraft in böswilliger Weise, muss er sich die Einnahmen, die er hätte erzielen können, ebenfalls auf die Entschädigung anrechnen lassen (Abs. 1 Satz 1 Alt. 2). Es gelten insoweit die gleichen Grundsätze wie bei § 615 Satz 2 BGB und § 11 Nr. 2 KSchG.64 Böswillig ist ein Unterlassen, „wenn der Arbeitnehmer in Kenntnis der objektiven Umstände, nämlich der Arbeitsmöglichkeit, der Zumutbarkeit der Arbeit und der Nachteilsfolgen für den Arbeitgeber vorsätzlich untätig bleibt“ oder gegen eine zu geringe Vergütung arbeitet.65 Das Erfordernis der Kenntnis dieser Umstände beinhaltet die Notwendigkeit einer bewussten Schädigung des Arbeitgebers. Fahrlässiges Verhalten, auch grob fahrlässiges, reicht also nicht. Andererseits bedarf es auch keiner Schädigungsabsicht.66 22 Das vom BAG in seine Formulierung aufgenommene Erfordernis der Zumutbarkeit einer vom Arbeitnehmer nicht angenommenen Arbeit lässt erkennen, dass die Auslegung des Begriffs der Böswilligkeit auf der Grundlage der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufswahl (vgl. Vor § 74 Rn 13 f) zu erfolgen hat.67 So ist der Arbeitnehmer berechtigt, einen neuen Arbeitsplatz frei zu wählen und seinen eigenen Interessen den Vorrang vor denen des Arbeitgebers einzuräumen.68 Erst wenn die Ablehnung eines neuen Arbeitsplatzes (oder auch 60 Statt vieler Staudinger/Richardi/Fischinger (2019) § 615 BGB Rn 155. 61 Vgl. die Darstellung anhand der Gesetzgebungsmaterialeien bei MünchArbR/Tillmanns5 Bd. 1 § 76 Rn 63 (und Fn 367). 62 GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 113; Röhsler/Borrmann S. 93 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 63 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 797; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 113; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 88; Röhsler/Borrmann S. 94; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; vgl. i.R.d. § 615 Satz 2 BGB zur LAG Düsseldorf 25.10.1955 – 2b Sa 239/55 (r), BB 1956, 305 zur Entlassung einer Haushaltshilfe; aA Schütze DB 1971, 918. 64 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14; s. ausf. etwa Bayreuther NZA 2003, 1365 ff; BeckOGK-BGB/Bieder (1.7.2022) § 615 Rn 93 ff. 65 BAG 23.1.1967 – 3 AZR 253/66, AP § 74c HGB Nr. 1 m. Anm. A. Hueck. 66 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 801; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 327. 67 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 328; Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 7. 68 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 801. Weber/Gräf
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dessen spätere Aufgabe) nicht mehr von vernünftigen Überlegungen getragen ist, gebieten Treu und Glauben eine Anrechnung.69
2. Einzelfälle Die Anrechnung hat nach diesen Grundsätzen zu unterbleiben, wenn eine neue Beschäftigung 23 der beruflichen Weiterentwicklung des Arbeitnehmers förderlich ist, selbst wenn er mit ihr weniger verdient als auf einer anderen freien Stelle.70 Der Arbeitnehmer ist ferner berechtigt, in der Karenzzeit eine selbständige Existenz zu gründen, ohne mit dem Vorwurf böswillig unterlassener Einnahmeerzielung rechnen zu müssen, wenn er in der Aufbauphase weniger verdient als in einer abhängigen Beschäftigung.71 Auch der Verzicht des während der Karenzzeit selbständig tätigen, damit aber nur ein geringes Einkommen erzielenden Arbeitnehmers auf Leistungen aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung rechtfertigt keine Anrechnung des entgangenen Arbeitslosengeldes.72 Nimmt der ausgeschiedene Arbeitnehmer hingegen keine (selbständige oder unselbständi- 24 ge) Tätigkeit auf, liegt in der Regel böswilliges Unterlassen vor, wenn er sich bei der Agentur für Arbeit nicht arbeitsuchend meldet, obwohl die Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs im Übrigen vorliegen.73 Das BAG hat seine anderslautende – zu § 615 Satz 2 BGB ergangene – Rechtsprechung,74 die zu Recht vielfach auf Kritik gestoßen ist,75 nunmehr mit Blick auf die veränderte Rechtslage im Sozialversicherungsrecht (vgl. §§ 2 Abs. 5, 38 Abs. 1 SGB III) revidiert.76 Jedoch obliegen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer keine besonderen Anstrengungen bei der Suche nach einer neuen Beschäftigung (z.B. Meldung auf Stellenanzeigen, Aufgabe eigener Stellenanzeigen, Versendung von Initiativbewerbungen oder Anmeldung zu einem Job-Portal im Internet).77 Wenn ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis nach dem Arbeitsvertrag mit Vollendung 25 des 63. Lebensjahres endet, sich nicht um eine weitere Beschäftigung bemüht, sondern sich aus Altersgründen aus dem Arbeitsleben zurückzieht, kann dies unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht als böswilliges Unterlassen eines anderweitigen Erwerbs i.S.d. § 74c bewertet werden.78 Kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs ist es auch, wenn der Arbeitnehmer ein Weiterbeschäftigungsangebot seines bisherigen Arbeitgebers ablehnt, auch wenn er selbst gekündigt hat.79 Zum einen würde es sich bei einer Weiterbeschäftigung nicht um eine „anderweitige“ Verwertung seiner Arbeitskraft han69 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 801, 805; vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15. 70 BAG 23.1.1967 – 3 AZR 253/66, AP § 74c HGB Nr. 1 (Bl. 5R) m. Anm. A. Hueck; 17.12.1973 – 3 AZR 283/73, AP § 74c Nr. 2 HGB (Bl. 2R) = SAE 1975, 20 m. Anm. Hadding.
71 BAG 13.11.1975 – 3 AZR 38/75, AP § 74c HGB Nr. 7; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 803. 72 BAG 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 155 m. Anm. Buchner.
73 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 804; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 16 f; Röhsler/Borrmann S. 85 f. 74 BAG 16.5.2000 – 9 AZR 203/99, AP § 615 BGB Böswilligkeit Nr. 7 (unter II 2 b) m. Anm. Opolony = SAE 2001, 138 m. Anm. v. Koppenfels. 75 LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 41); Bayreuther NZA 2003, 1365 (1366 f); Kühn S. 102 m.w.N.; vgl. demgegenüber etwa Ricken NZA 2005, 323 (327). 76 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 47) m. Anm. Kolbe; zust. etwa Witteler/Brune NZA 2020, 1689 (1691). 77 Anerkannt für § 615 Satz 2 BGB, s. nur LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 41); BeckOGK-BGB/Bieder (1.7.2022) § 615 Rn 96 m.w.N. 78 BAG 3.7.1990 – 3 AZR 96/89, AP § 74 HGB Nr. 61 m. Anm. van Venrooy. 79 BAG 18.10.1976 – 3 AZR 376/75, AP § 74b HGB Nr. 1 (Bl. 2R) = SAE 1977, 174 m. Anm. Beitzke; 3.7.1990 – 3 AZR 96/89, AP § 74 HGB Nr. 61 (Bl. 3) m. Anm. van Venrooy. 921
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deln; zum anderen beschränkt die Wettbewerbsabrede seine Berufsfreiheit bereits bezüglich der Wahl einer neuen Tätigkeit, darf dies aber nicht zusätzlich noch bezüglich der Kündigungsmöglichkeit in seiner bisherigen Tätigkeit tun. Das Gleiche gilt, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung aus Altersgründen endet.80 Kein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer in Elternzeit geht.81 26 Betreibt der ausgeschiedene Arbeitnehmer in der Karenzzeit ein Studium, bedarf es nach der Rechtsprechung des BAG für die Frage, ob ein böswilliges Unterlassen vorliegt, einer Entscheidung nach den gesamten Umständen des Einzelfalls.82 Eine Vermutung für einen mit Aufnahme eines Studiums verbundenen böswillig unterlassenen anderweitigen Erwerb besteht danach nicht, während andererseits der Arbeitgeber nicht mit einem Studium eines Minderbegabten rechnen oder ein offenbar plan- und sinnloses Studium auf Kosten einer Karenzentschädigung ohne Anrechnung hinnehmen muss. Diese Judikatur ist weithin auf Zustimmung,83 aber auch auf im Wesentlichen an Schwierigkeiten in der Rechtsanwendung anknüpfende Kritik gestoßen.84 Dennoch bietet eine Missbrauchskontrolle im Einzelfall der grundgesetzlich garantierten freien Berufswahl jenen Raum, den die Gegenmeinung ihr zu verschließen droht. Allerdings hat das BAG mit seiner Feststellung, zunächst müsse dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gegeben werden, Durchführung und Ziel des Studiums zu erläutern,85 die Möglichkeit einer Umkehr der Darlegungslast angedeutet und damit zugleich Zweifel an der Unabweisbarkeit seiner eigenen Behauptung genährt, ein Studium begründe keine Vermutung böswilligen Unterlassens. Den vorgetragenen Bedenken könnte auf diese Weise Rechnung getragen werden.
III. Ermittlung des Anrechnungsbetrages 1. Regelfall (Abs. 1 Satz 1) 27 Die Anrechnung erfolgt nur insoweit, wie der anderweitig erzielte oder böswillig nicht erzielte Verdienst des Arbeitnehmers zusammen mit der Karenzentschädigung mehr als 110 % – bei einer Wohnsitzverlegung mehr als 125 % (Rn 31) – des Betrages ausmacht, den er zuletzt als vertragsmäßige Leistung für seine Tätigkeit von seinem ehemaligen Arbeitgeber erhalten hat. Die Anrechnung erfolgt bei regelmäßigen Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit auf jede fällige Monatsrate der Karenzentschädigung (Monatsrechnungsmethode),86 nicht – wie bei § 615 Satz 2 BGB und § 11 KSchG – im Wege der sogenannten Gesamtanrechnungsmethode, bei 80 BAG 3.7.1990 – 3 AZR 96/89, AP § 74 HGB Nr. 61 m. Anm. van Venrooy; ausf. zur Problematik des unterlassenen Erwerbs beim ursprünglichen Arbeitgeber BeckOGK-BGB/Bieder (1.7.2022) § 615 Rn 97 ff. 81 BAG 24.10.1972 – 3 AZR 102/72, AP § 74 HGB Nr. 31 (Bl. 4) = SAE 1974, 5 m. Anm. Birk; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 808. 82 BAG 8.2.1974 – 3 AZR 519/73, AP § 74c HGB Nr. 4 (Bl. 4) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1975, 207 m. Anm. Streckel; 9.8.1974 – 3 AZR 350/73, AP § 74c HGB Nr. 5 (Bl. 2) m. Anm. Reinhardt; 13.2.1996 – 9 AZR 931/94, AP § 74c HGB Nr. 18; Oetker/Kotzian-Marggraf7 § 74 Rn 7. 83 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 802; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 17; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 329; HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 21; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 5; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 9; Hopt/Roth41 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 80. 84 ArbG Ludwigshafen 19.9.1984 – 5 Ca 272/84, ARSt 1985, 140; Reinhardt Anm. zu BAG AP § 74c HGB Nr. 5; Bengelsdorf BB 1983, 905 (910 ff). 85 BAG 9.8.1974 – 3 AZR 350/73, AP § 74c HGB Nr. 5 (Bl. 2R) m. Anm. Reinhardt. 86 BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer; 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 4) m. Anm. Schröder; 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; 16.11.2005 – 10 AZR 152/05, AP § 74c HGB Nr 21 (Bl. 3R); LAG Nürnberg 21.2.2007 – 6 Sa 576/04, NZA-RR 2007, 428; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 816; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 337; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22; anders noch BAG 23.1.1967 – 3 AZR 253/66, AP § 74c Nr. 1 HGB m. Anm. Hueck; Schlegelberger/Schröder Rn 4c. Weber/Gräf
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der das während der gesamten Karenzzeit erzielte anderweitige Einkommen addiert und anschließend auf die Monate der Karenzzeit verteilt wird.87 Hatte der Arbeitnehmer beispielsweise zuletzt monatliche Bezüge von 5.000 A, so beträgt die Anrechnungsgrenze 5.500 A. Eine vereinbarte Karenzentschädigung von 2.500 A ist deshalb bei einem anderweitigen Erwerb des Arbeitnehmers auf der neuen Stelle in Höhe von monatlich 3.500 A um 500 A zu kürzen. Die 110 %-Grenze verschiebt sich nicht nach oben, wenn der Arbeitgeber eine Karenzent- 28 schädigung zahlt, die über der von § 74 Abs. 2 vorgegebenen Mindestgrenze von 50 % liegt.88 Da es für die Berechnung der regelmäßigen Einkünfte auf deren jeweilige aktuelle Höhe 29 ankommt, sind auch zwischenzeitliche Tariflohnerhöhungen zu berücksichtigen. Sie können bewirken, dass sich im Laufe der Karenzzeit die Höhe der Karenzentschädigung zulasten des Arbeitnehmers verringert. Das ist nach dem Sinn und Zweck der Anrechnungsregel auch gerechtfertigt.89 Schwierigkeiten bereitet die Monatsanrechnungsmethode bei unregelmäßigen oder einmali- 30 gen Zahlungen (Gratifikationen, Provisionen etc.): In diesen Fällen bietet sich an, die Zuwendungen auf den Gesamtzeitraum, für den sie gewährt wurden, umzulegen und anschließend anteilig auf die Karenzentschädigung anzurechnen.90 Ähnlich ist bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit zu verfahren; dort ist im Ausgangspunkt auf das Geschäftsjahr abzustellen und dann ein Zwölftel pro Monat in Ansatz zu bringen91 (s. zum berücksichtigungsfähigen Gewinn bereits Rn 10). Da aber der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach § 74b Abs. 1 Anspruch auf monatliche Entschädigungszahlungen hat, hat der frühere Arbeitgeber auf Verlangen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers unterjährig Abschlagszahlungen zu leisten (vgl. hinsichtlich der erforderlichen Auskünfte Rn 43). Ergibt die Berechnung am Ende des Gesamtzeitraums bzw. Geschäftsjahrs, dass eine zu hohe Entschädigung gezahlt wurde, ist der Arbeitgeber auf die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nach Maßgabe des Bereicherungsrechts angewiesen.92
2. Wohnsitzverlegung (Abs. 1 Satz 2) Die Grenze, von der an die Anrechnung erfolgt, erhöht sich gemäß Abs. 1 Satz 2 auf 125 %, 31 wenn der Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot gezwungen worden ist, seinen Wohnsitz zu verlegen. Im Beispielsfall in Rn 27 beträgt die Anrechnungsgrenze bei früheren Bezügen von monatlich 5.000 A dann 6.250 A. Da Karenzentschädigung (2.500 A) und neues Gehalt des Arbeitnehmers (3.500 A) zusammen nur 6.000 A ergeben, kommt eine Kürzung der Karenzentschädigung nicht in Betracht. Die erhöhte Anrechnungsfreigrenze soll zum einen umzugsbedingte Mehraufwendungen ausgleichen und zum anderen einen Anreiz für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer schaffen, sich nach einer neuen Beschäftigung umzusehen.93 Eine Besserstellung des Arbeitnehmers ist daher gerechtfertigt.
87 Ausf. zu dieser Methode und zur Kritik Kühn Zur Methode der Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 615 Satz 2 BGB, 2006.
88 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 814. 89 ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 23; kritisch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 776. 90 BAG 16.11.1973 – 3 AZR 61/73, AP § 74 HGB Nr. 34 (Bl. 4R) m. Anm. Schröder; 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 338; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 820; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22. 91 Vgl. BAG 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel; 14.9.2011 – 10 AZR 198/ 10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 26); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 782; aA Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 16: Kalenderjahr. 92 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 16 f; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 27. 93 BAG 23.2.1999 – 9 AZR 739/97, AP § 74c Nr. 20 m. Anm. Wertheimer. 923
Weber/Gräf
§ 74c
1. Buch. Handelsstand
Voraussetzung ist ein – vom Arbeitnehmer zu beweisender94 – ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Wettbewerbsverbot und der Wohnsitzverlegung („durch das Wettbewerbsverbot gezwungen“): Am früheren Wohnsitz des Arbeitnehmers musste eine Wettbewerbstätigkeit überhaupt in Frage kommen, es mussten also entsprechende Arbeitsmöglichkeiten vorhanden gewesen sein.95 Der ursächliche Zusammenhang ist zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer wegen des Wettbewerbsverbots an seinem Wohnsitz keine Beschäftigung finden konnte, die seiner bisherigen Tätigkeit nach Art, Vergütung und Aufstiegschancen gleichkommt.96 Für eine „Verlegung“ des Wohnsitzes i.S.d. Norm genügt es, wenn der Arbeitnehmer in 33 Hinblick auf die neue Tätigkeit nur einen Zweitwohnsitz begründet hat.97 Auch bei einem Umzug über eine geringe Entfernung gilt die erhöhte Anrechnungsgrenze.98 Allerdings ist eine Privilegierung des Arbeitnehmers regelmäßig nicht gerechtfertigt, wenn der Wohnsitzwechsel lediglich innerhalb derselben politischen Gemeinde erfolgt ist.99 Ist der Arbeitnehmer wegen des Wettbewerbsverbots zum Umzug gezwungen und ent34 schlossen, so gilt die erhöhte Freigrenze des Abs. 1 Satz 2 auch für den der tatsächlich vollzogenen Wohnsitzverlegung vorangegangenen Zeitraum, wenn sich die Wohnsitzverlegung nur durch Umstände verzögert, auf die der Arbeitnehmer keinen Einfluss hat. Der mit der Bestimmung verfolgte Zweck einer Besserstellung des umzugsbereiten Arbeitnehmers gebietet eine solch extensive Auslegung.100 Weiterhin gilt die erhöhte Anrechnungsgrenze auch dann, wenn der Arbeitnehmer darlegt, dass er mit Rücksicht auf das Wettbewerbsverbot eine seiner früheren Tätigkeit vergleichbare Beschäftigung nur bei einem branchenfremden ortsansässigen Arbeitgeber unter dem Vorbehalt der späteren Versetzung aufnehmen konnte.101 32
C. Verbüßung einer Freiheitsstrafe (Abs. 1 Satz 3) 35 Während der Dauer der Verbüßung einer Freiheitsstrafe kann der Arbeitnehmer die Karenzentschädigung nicht verlangen (Abs. 1 Satz 3). In dieser Zeit kann der Arbeitnehmer in der Regel ohnehin keine Wettbewerbstätigkeit ausüben.102 Darüber hinaus kann die Verbüßung einer Freiheitsstrafe als Sonderfall des böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs angesehen werden.103 Wird offener Vollzug gewährt und ist eine Berufstätigkeit des Arbeitnehmers im Hinblick auf eine vom Wettbewerbsverbot erfasste Konkurrenztätigkeit wieder möglich, lebt – zusammen mit dem Wettbewerbsverbot – die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung wieder auf;104 insofern ist die Norm teleologisch zu reduzieren.
94 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 768; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 6. 95 BAG 23.2.1982 – 3 AZR 676/79, AP § 74c HGB Nr. 9; 10.9.1985 – 3 AZR 31/84, AP § 74c HGB Nr. 12. 96 BAG 17.12.1973 – 3 AZR 283/73, AP § 74c Nr. 2 HGB (Bl. 2R) = SAE 1975, 20 m. Anm. Hadding; 23.2.1982 – 3 AZR 676/79, AP § 74c HGB Nr. 9; 10.9.1985 – 3 AZR 31/84, AP § 74c HGB Nr. 12; 23.2.1999 – 9 AZR 739/97, AP § 74c Nr. 20 m. Anm. Wertheimer; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 336; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 86. 97 ErfK/Oetker22 § 75 HGB Rn 93; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 21; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 766 (Lebensmittelpunkt der Familie entscheidend; Zweitwohnsitzbegründung nur ausreichend, wenn alsbald Familie nachgeholt wird); ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 19. 98 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 770. 99 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 13; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 21. 100 BAG 17.5.1988 – 3 AZR 482/86, AP § 74c HGB Nr. 14. 101 BAG 8.11.1994 – 9 AZR 4/93, AP § 74c HGB Nr. 17; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 769. 102 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 3) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Heymann/Henssler/ Michel HGB Rn 18; krit. unter Hinweis auf die heutige Ausgestaltung des Strafvollzugs Grunsky FS Söllner, 1990 S. 46 f. 103 Löwe S. 64 f; ähnlich Grunsky FS Söllner, 1990 S. 46 f: Sanktionscharakter. 104 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 705; Grunsky FS Söllner, 1990, S. 46 f; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 42. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 74c
Da es sich um eine Ausnahmebestimmung handelt, sind eine extensive Auslegung und erst 36 recht eine analoge Anwendung ausgeschlossen.105 Eine Verhinderung des Arbeitnehmers am Wettbewerb aus anderen Gründen (z.B. wegen Krankheit, dauernder Berufsunfähigkeit, Elternzeit, Auslandsaufenthalts, Wehrdienstes oder Aufnahme eines Studiums) gibt daher dem Arbeitgeber nicht das Recht, die Zahlung der Karenzentschädigung zu verweigern (näher mit Nachweisen § 75 Rn 51). Auch ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt nicht in Betracht (näher § 75 Rn 48). Erkennt der Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer keine Konkurrenztätigkeit wird ausüben können, muss er rechtzeitig, d.h. noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, den Verzicht nach § 75a erklären.106 Dagegen erlischt die Zusage aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Wettbewerbsverbots mit dem Tod des Arbeitnehmers107 (anders beim Tod des Arbeitgebers, vgl. § 74 Rn 76 f, § 75 Rn 52).
D. Auskunftsanspruch des Arbeitgebers (Abs. 2) I. Normzweck und Anwendungsbereich Die Darlegungs- und Beweislast dafür, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe tatsächlich oder 37 fiktiv anzurechnende Einkünfte i.S.d. Abs. 1 den Karenzanspruch mindern, trägt im Ausgangspunkt der Arbeitgeber.108 Da es sich allerdings um Umstände aus der Sphäre des ausgeschiedenen Arbeitnehmers handelt, befindet sich der Arbeitgeber typischerweise in einer Beweisnot. Um den Arbeitgeber hieraus zu befreien,109 hat der Gesetzgeber die Anrechnungsvorschriften in Abs. 2 mit einem Auskunftsanspruch flankiert.110 Auf diese Weise wird vermieden, dass der Arbeitgeber auf aufwändige Überwachungsmaßnahmen (z.B. Detektiv-Einsätze) zurückgreifen muss,111 die im Übrigen heute auf datenschutzrechtliche Grenzen (vgl. Art. 6 DSGVO, § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG) stoßen würden.112 Dabei muss der Arbeitnehmer nicht von sich aus Auskunft gegeben, sondern nur auf Verlangen („auf Erfordern“) des Arbeitgebers. Die Vorschrift wird von der Rechtsprechung analog auch im Rahmen des § 615 Satz 2 BGB 38 und des § 11 Satz 1 KSchG angewendet,113 wo die Interessenlage insofern dieselbe ist. Die Auskunftspflicht bezieht sich allein auf die Mitteilung des tatsächlich erzielten Er- 39 werbs des Arbeitnehmers nach § 74c Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, nicht auch auf einen etwaigen böswillig unterlassenen Erwerb i.S.d. Abs. 1 Satz 1 Alt. 2.114 Zwar ist der Arbeitgeber auch im Hinblick auf ein etwaig böswilliges Unterlassen beweisbelastet. Allerdings bezieht sich der Wortlaut des 105 BAG 8.2.1974 – 3 AZR 519/73, AP § 74c HGB Nr. 4 (Bl. 1R) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1975, 207 m. Anm. Streckel; 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 3) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 359; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 26. 106 Zutr. Grunsky FS Söllner, 1990 S. 51 f. 107 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 711; Grunsky FS Söllner, 1990 S. 45 f m.w.N. 108 BAG 13.2.1996 – 9 AZR 931/94, AP § 74c HGB Nr. 18; 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 27) m. Anm. Diller; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 812; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 333. 109 Vgl. Bengelsdorf BB 1979, 1150. 110 Vgl. auch § 87 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (aktualisierte Fassung: Beilage zu NZA 21/ 2007). 111 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 27) m. Anm. Diller. 112 Vgl. BAG 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 42) m. Anm. Kolbe. 113 Vgl. stv. BAG 19.2.1997 – 5 AZR 379/94, BeckRS 1997, 30767166 (unter 1); 29.7.1993 – 2 AZR 110/93, ARBlattei ES 80 Nr. 43 m. Anm. Marhold = EzA § 615 BGB Nr. 79 m. Anm. Gravenhorst = SAE 1994, 232 m. Anm. Danne; LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 35); Kühn S. 107 ff. 114 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 23; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 56; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 30; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 88; ebenso i.R.d. analogen Anwendung des Abs. 2 auf § 11 KSchG LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 52); aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 828; HWK/ Diller10 § 74c HGB Rn 26; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 74c HGB Rn 20; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 37. 925
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1. Buch. Handelsstand
Abs. 2 nur auf Abs. 1 Satz 1 Alt. 1115 und einer analogen Anwendung des Abs. 2 auf den Anrechnungstatbestand in Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 steht dessen Ausnahmecharakter entgegen (vgl. Rn 22), der auch in beweisrechtlicher Hinsicht eine restriktive Handhabung zugunsten des Arbeitnehmers verlangt.116 Allerdings hat das BAG in Bezug auf die Parallelregelung zum böswillig unterlassenen Erwerb in § 11 KSchG entschieden, dass der Arbeitgeber insofern auf den allgemeinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB zurückgreifen kann.117 Da letzterer an strengere Voraussetzungen gebunden ist (vgl. § 61 Rn 35 ff) als der Auskunftsanspruch in § 74c Abs. 2, kann diesem Ansatz zugestimmt werden, allerdings unter der Voraussetzung, dass man bei Anwendung des allgemeinen Auskunftsanspruchs im vorliegenden Kontext auf eine restriktive Handhabung achtet.118 Mit dieser Maßgabe lässt sich der Ansatz des BAG auch auf § 74c übertragen.119 Dadurch lässt sich hinsichtlich des böswilligen Unterlassens i.S.d. Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 ein angemessener beweislastrechtlicher Interessenausgleich erreichen.
II. Inhalt des Auskunftsanspruchs 40 Der ausgeschiedene Arbeitnehmer schuldet nach Abs. 2 vollständige und wahrheitsgemäße Angaben auf Basis seines persönlichen Wissens.120 Der genaue Inhalt und Umfang des Auskunftsanspruchs ist einzelfallbezogen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu ermitteln,121 das heißt, es ist im Rahmen einer Abwägung zu prüfen, welche Angaben oder Belegvorlagen dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer billigerweise zugemutet werden können.122 Dabei kann abgestuft vorgegangen werden123: Im Ausgangspunkt kann die mündliche Er41 klärung des Arbeitnehmers, sein Einkommen liege unterhalb der Freigrenze des Abs. 1, ausreichend sein.124 Kann der Arbeitgeber allerdings begründete Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben darlegen, kann er vom Auskunftspflichtigen Belege über die von ihm erzielten Einkünfte verlangen.125 Erzielt der Arbeitnehmer in der Karenzzeit Einkünfte aus einer abhängigen Beschäftigung, 42 kommt er dem Auskunftsverlangen des ehemaligen Arbeitgebers am verlässlichsten durch die Vorlage von Gehaltsabrechnungen nach.126 Im Hinblick darauf, dass die Karenzentschädigung monatlich zu zahlen ist und sich monatlich unterschiedliche Anrechnungsbeträge ergeben kön-
115 AA BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 37. 116 LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 52, 55). 117 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 30 ff) m. Anm. Kolbe; aA LAG Hessen 11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 (Rn 55, 59).
118 Damit wird auch den Bedenken des LAG Hessen (11.5.2018 – 10 Sa 1628/17, BeckRS 2018, 23971 [Rn 55, 59]) Rechnung getragen, das im Falle eines Rückgriffs auf den allgemeinen Auskunftsanspruch (§ 242 bzw. § 241 Abs. 2 BGB) von einem Wertungswiderspruch ausgeht: Die Entscheidung gegen eine analoge Anwendung des § 74c Abs. 2 werde unterlaufen. 119 Vgl. auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 37.1. 120 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 30 f) m. Anm. Diller. 121 BAG 25.2.1975 – 3 AZR 148/74, AP § 74c Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Moritz; 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 27, 45) m. Anm. Diller. 122 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 45, 57) m. Anm. Diller. 123 Vgl. auch BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 Rn 57 (m. Anm. Diller): keine schematischen Regeln aufstellbar. 124 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 830; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 341; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 56; aA (grunds. Textform, § 126b BGB) BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 74c Rn 33; wieder aA (i.d.R. schriftlich) Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 24; Hopt/Roth41 Rn 6. 125 BAG 25.2.1975 – 3 AZR 148/74, AP § 74c Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Moritz; Bengelsdorf BB 1979, 1150 (1152); Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 830; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 342; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 116; Schaub/ Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 88. 126 BAG 25.2.1975 – 3 AZR 148/74, AP § 74c HGB Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Moritz. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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nen, ist die Auskunft bei einem entsprechenden Verlangen des Arbeitgebers („auf Erfordern“) im Grundsatz monatlich zu erteilen, bei festen Bezügen sollte man aber eine quartalsweise Auskunft genügen lassen.127 Als Selbständiger genügt der ausgeschiedene Arbeitnehmer der Auskunftspflicht regelmä- 43 ßig durch die Vorlage des jährlichen Einkommensteuerbescheids,128 wohingegen eine Einsicht in die Gewinn- und Verlustrechnung grundsätzlich nicht gewährt werden muss.129 Etwas anderes gilt, wenn erkennbar ist, dass der ausgeschiedene Arbeitnehmer in der Einkommensteuererklärung falsche Angaben gemacht hat (und diese inhaltlich vom Finanzamt nicht geprüft wurde). Dann kann der ehemalige Arbeitgeber – unter Umständen selbst dann, wenn eine eidesstattliche Versicherung vorliegt – weitere Unterlagen verlangen, um die Verlässlichkeit der Auskünfte überprüfen zu können.130 Die Vorlage einer Gewinnberechnung mittels EinnahmenÜberschuss-Rechnung genügt – auch wenn diese steuer- und handelsrechtlich als Alternative zur bilanziellen Gewinnermittlung zulässig ist – in solchen Fällen nach zutreffender Rechtsprechung des BAG nicht, da diese auf dem Zuflussprinzip beruht; dieses ist im Kontext des § 74c zu manipulationsanfällig (vgl. Rn 7).131 Daraus folgt, dass eine Gewinnermittlung nach Bilanzierungsgrundsätzen verlangt werden kann.132 Sowohl bei der Vorlage des Einkommensteuerbescheids als auch der Jahresbilanz handelt es sich um eine jahresbezogene Vorgehensweise, die dem Grundsatz entspricht, dass der nach § 74c anzurechnende anderweitige Erwerb eines Selbständigen nicht nach der Monatsrechnungsmethode ermittelt wird (Rn 30). Da aber auch Selbständige nach § 74b Abs. 1 Anspruch auf monatliche Entschädigungszahlungen haben, kann der frühere Arbeitgeber bei einem entsprechenden Begehren zur Berechnung der Abschlagszahlungen (vgl. Rn 30) vorläufige Auskünfte über die jeweiligen monatlichen Geschäftsergebnisse verlangen.133
III. Durchsetzung des Auskunftsanspruchs Solange er die erforderlichen Auskünfte nicht erteilt hat, ist der Arbeitgeber außerstande, die 44 Höhe der zu zahlenden Entschädigung zu berechnen. Kommt der Arbeitnehmer deshalb seiner Verpflichtung zur Auskunftserteilung nicht nach, so ist der Arbeitgeber berechtigt, die Zahlung der Karenzentschädigung zu verweigern. Das ergibt sich aus § 273 Abs. 1 BGB.134 Da die Auskunftspflicht nicht Teil des Synallagmas ist, kommt ein Rückgriff auf § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB135 nicht in Betracht. Auch das BAG stellt neuerdings auf § 273 Abs. 1 BGB ab.136 127 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 829. 128 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 27) m. Anm. Diller. 129 BAG 25.2.1975 – 3 AZR 148/74, AP § 74c HGB Nr. 6 (Bl. 2) m. Anm. Moritz; allerdings im Grundsatz wieder offen gelassen in BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 58 ff) m. Anm. Diller; wie hier GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 116; Hopt/Roth41 Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 88; aA Durchlaub BB 1976, 232; Tschöpe/ Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 57; diff. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 836 f (Steuererklärung reicht nur, wenn eine Betriebsprüfung stattgefunden hat); zust. NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 23. 130 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 33 ff, 46 ff, 62 ff) m. Anm. Diller. 131 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 51, 53) m. Anm. Diller. 132 Diller Anm BAG AP § 74c HGB Nr. 23 (unter 4, 6); ders. Wettbewerbsverbote9 Rn 781. 133 BAG 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel. 134 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 839; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 28; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 344 f; HWK/Diller10 § 74c HGB Rn 30; NK-GA/Reinhard2 § 74c Rn 24; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 29. 135 Hierauf abstellend aber Bengelsdorf BB 1979, 1150 (1152); Hopt/Roth41 Rn 6; Schlegelberger/Schröder Rn 8; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 64a; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 88; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 37. 136 BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 43) m. Anm. Diller; ohne Bezugnahme auf eine bestimmte Norm: BAG 14.9.2011 – 10 AZR 198/10, AP § 74c HGB Nr. 22 (Rn 26); 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB 927
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1. Buch. Handelsstand
Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung des § 260 Abs. 2 BGB gegebenenfalls eine eidesstattliche Versicherung verlangen.137 Dem Arbeitgeber steht darüber hinaus auch die Möglichkeit zur Klage auf Erteilung der Auskunft offen; der Anspruch ist auch selbständig einklagbar.138 Er kann auch im Wege der Widerklage geltend gemacht werden,139 über die dann durch Teilurteil entschieden werden kann.140 Die Zwangsvollstreckung aus dem der Klage entsprechenden Urteil erfolgt nach § 888 46 Abs. 1 ZPO.141 45
Nr. 23 (Rn 36 ff) m. Anm. Diller; zuvor auf § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB abstellend BAG 16.5.1969 – 3 AZR 137/68, AP § 133f GewO Nr. 23 (Bl. 5) m. Anm. Hofmann = SAE 1970, 181 m. Anm. Pleyer; 12.1.1978 – 3 AZR 57/76, AP § 74c Nr. 8 HGB (Bl. 2) mit abl. Anm. Herschel; 2.6.1987 – 3 AZR 625/85, AP § 74c HGB Nr. 13 m. Anm. Küstner/v. Manteuffel. 137 BAG 29.7.1993 – 2 AZR 110/93, AP § 615 BGB Nr. 52 (Bl. 4R); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 842; Tschöpe/ Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 57a; aA LAG Hamm 28.1.1974 – 2 Sa 832/73, DB 1974, 972 sowie noch Staub/Konzen/ Weber4 Rn 20. 138 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 17) m. Anm. Kolbe; LAG Hamm 28.1.1974 – 2 Sa 832/73, DB 1974, 972; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 838; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 29; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 27; aA Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 346 f. 139 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 39) m. Anm. Diller; 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 17) m. Anm. Kolbe. 140 BAG 27.5.2020 – 5 AZR 387/19, AP § 615 BGB Nr. 158 (Rn 18 ff) m. Anm. Kolbe. 141 BAG 27.2.2019 – 10 AZR 340/18, AP § 74c HGB Nr. 23 (Rn 31) m. Anm. Diller; ErfK/Oetker22 § 74c HGB Rn 9; Hopt/Roth41 Rn 6; Schlegelberger/Schröder Rn 8; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 88. Weber/Gräf
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§ 75 [Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots] (1) Löst der Gehilfe das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 70 und 71 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Prinzipals auf, so wird das Wettbewerbverbot unwirksam, wenn der Gehilfe vor Ablauf eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, daß er sich an die Vereinbarung nicht gebunden erachte. (2) 1In gleicher Weise wird das Wettbewerbverbot unwirksam, wenn der Prinzipal das Dienstverhältnis kündigt, es sei denn, daß für die Kündigung ein erheblicher Anlaß in der Person des Gehilfen vorliegt oder daß sich der Prinzipal bei der Kündigung bereit erklärt, während der Dauer der Beschränkung dem Gehilfen die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren. 2Im letzteren Falle finden die Vorschriften des § 74b entsprechende Anwendung. (3) Löst der Prinzipal das Dienstverhältnis gemäß den Vorschriften der §§ 70 und 72 wegen vertragswidrigen Verhaltens des Gehilfen auf, so hat der Gehilfe keinen Anspruch auf die Entschädigung.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht 1
A.
Überblick
B.
Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Lossagung von der Wettbewerbsabrede
I.
Kündigung durch den Arbeitnehmer aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens 6 des Arbeitgebers (Abs. 1) Voraussetzungen des Lossagungsrechts 7 a) Kündigung aus wichtigem Grund b) Vertragswidriges Verhalten des Arbeitge10 bers Lossagungserklärung und Lossagungs12 frist 16 Rechtsfolgen der Lossagung
1.
2. 3. II.
1. 2.
III.
Kündigung durch den Arbeitgeber aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers 18 Verfassungswidrigkeit des Abs. 3 Lossagungsrecht des Arbeitgebers (analoge An20 wendung des Abs. 1) 21 a) Begründung der Analogie b) Voraussetzungen des Lossagungsrechts 23 und Rechtsfolgen der Lossagung c) Rechtsfolgen bei Festhalten am Wettbe28 werbsverbot Sonstige Kündigungen durch den Arbeitgeber (Abs. 2)
929 https://doi.org/10.1515/9783111097510-061
1. 2.
Lossagungsrecht des Arbeitnehmers (Verweis 29 auf Abs. 1) 32 Ausnahmen a) Erheblicher Anlass in der Person des Ar33 beitnehmers 34 b) Zusage der vollen Leistungen
IV.
Sonstige Kündigungen durch den Arbeitneh36 mer
V.
Kündigung bei Insolvenz des Arbeitge37 bers
C.
Aufhebungsverträge
I.
Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und Lossa39 gungsrechts
II.
Aufhebung des Wettbewerbsverbots
D.
Weitere Fälle der Beendigung der Wettbewerbsabrede
I.
Beendigung durch Zeitablauf
II.
Einseitige Beendigung
III.
Nachträgliche Unmöglichkeit
IV.
Tod des Arbeitnehmers oder des Arbeitge52 bers
42
45
47 51
Weber/Gräf
§ 75
1. Buch. Handelsstand
A. Überblick 1 Eine Wettbewerbsabrede i.S.d. § 74 tritt mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Kraft. Sie endet grundsätzlich mit Ablauf der in der Wettbewerbsabrede vereinbarten Karenzzeit, die nach § 74a Abs. 1 Satz 3 höchstens zwei Jahre betragen darf (näher zur Beendigung durch Zeitablauf Rn 45 f). Allerdings ist auch eine vorzeitige Beendigung möglich. § 75 bestimmt für verschiedene Fälle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses1 durch Kündigung, dass einer der Vertragspartner das Recht hat, innerhalb einer Monats-Frist zu wählen, ob das Wettbewerbsverbot Gültigkeit behalten soll oder nicht. § 75 erfasst allerdings nicht alle denkbaren Varianten einer Kündigung des Arbeitsverhält2 nisses, sondern nur die folgenden: – Abs. 1 regelt die Kündigung durch den Arbeitnehmer aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers. Abs. 1 räumt dem Arbeitnehmer in diesem Fall ein Recht zur Lossagung von der Wettbewerbsabrede ein. Der in dieser Bestimmung noch enthaltene Verweis auf die inzwischen aufgehobenen §§ 70 und 712 bezieht sich nunmehr auf § 626 BGB,3 schließt aber die Anwendbarkeit des Abs. 1 bei ordentlicher Kündigung nicht aus (Rn 7).4 – Abs. 3 regelt an sich den Parallelfall der Kündigung durch den Arbeitgeber aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers. Die Vorschrift, die den automatischen Verlust des Entschädigungsanspruchs für den Arbeitnehmer vorsieht, ist allerdings vom BAG wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig erklärt worden (Rn 18 f). Stattdessen räumt die Rechtsprechung in analoger Anwendung des Abs. 1 auch dem Arbeitgeber ein Lossagungsrecht ein (Rn 20 ff).5 – Abs. 2 schließlich regelt alle sonstigen (ordentlichen oder außerordentlichen) Kündigungen des Arbeitgebers. Abs. 2 Satz 1 billigt hier grundsätzlich ebenfalls dem Arbeitnehmer ein Lossagungsrecht zu. Davon macht das Gesetz eine Ausnahme, wenn der Kündigung ein erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers zugrunde lag oder der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die volle Zahlung der von ihm zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen für die Dauer der Karenzzeit verspricht (Rn 32 ff).6 3 Nicht geregelt ist der Fall der (ordentlichen und außerordentlichen) Kündigung durch den Arbeitnehmer, die nicht aus dem in Abs. 1 genannten Grund – also nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers – erfolgt. Hier bleibt die Wettbewerbsabrede ohne weiteres wirksam (Rn 36). Ebenfalls nicht geregelt sind die Fälle der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsver4 trags. Diese werden von der Rechtsprechung in Anlehnung an die Maßstäbe bei der Kündigung behandelt, sodass sich im Einzelfall – wenn der Aufhebungsvertrag anstelle einer außerordentlichen Kündigung vereinbart wurde – eine Beendigung des Wettbewerbsverbots aus der Wahrnehmung des Lossagungsrechts einer der beiden Parteien ergeben kann (Rn 39 ff). Zu sonstigen – ebenfalls von § 75 nicht geregelten – Fällen der vorzeitigen Beendigung 5 der Wettbewerbsabrede vgl. Rn 47 ff.
1 Zur Frage der Anwendbarkeit des § 75 auf GmbH-Geschäftsführer Eckert/Köpple NZA 2020, 1453; zur Geltung des § 75 Abs. 3 im Fall von GmbH-Geschäftsführern LG Stuttgart 6.5.2019 – 44 O 100/18 KfH, BeckRS 2019, 8317 (Rn 57 ff). 2 Erstes Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz v. 14.8.1969 (BGBl. I 1106). 3 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 383; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 4 Vgl. auch § 86 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes in der aktualisierten Fassung von November 2007 (Beilage zu NZA 21/2007). 5 Vgl. auch § 85 Abs. 2, 3 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes in der aktualisierten Fassung von November 2007 (Beilage zu NZA 21/2007). 6 Vgl. auch § 85 Abs. 1, 3 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes in der aktualisierten Fassung von November 2007 (Beilage zu NZA 21/2007). Weber/Gräf
930
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75
B. Kündigung des Arbeitsverhältnisses und Lossagung von der Wettbewerbsabrede I. Kündigung durch den Arbeitnehmer aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers (Abs. 1) Das Wettbewerbsverbot wird nach Abs. 1 unwirksam, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsver- 6 hältnis aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers kündigt und sich innerhalb eines Monats nach dieser Kündigung von der Vereinbarung des Wettbewerbsverbots lossagt. Bei diesem Lossagungsrecht handelt es sich um ein Gestaltungsrecht des Arbeitnehmers,7 das ihm letztlich ein Wahlrecht dahingehend vermittelt, ob er das Wettbewerbsverbot einhalten will oder nicht.8
1. Voraussetzungen des Lossagungsrechts a) Kündigung aus wichtigem Grund. Die Kündigung muss wirksam sein, ein Einverständnis 7 des Arbeitgebers mit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers nach unwirksamer Kündigung genügt nicht.9 Der in Abs. 1 enthaltene Verweis auf § 626 BGB (dazu Rn 2) macht das Lossagungsrecht des Arbeitnehmers trotz des missverständlichen Wortlauts nicht davon abhängig, dass dieser eine fristlose Kündigung erklärt. Es bedarf nur eines tatsächlich vorliegenden, vom Arbeitnehmer gegebenenfalls zu beweisenden und auf vertragswidrigem Verhalten des Arbeitgebers beruhenden wichtigen Grundes, der dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist an sich unzumutbar macht.10 Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer kann aber durchaus unter Einhaltung einer Frist erfolgen. Erforderlich ist deshalb nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Erklärung einer erkennbar11 auf einem wichtigen Grund beruhenden Kündigung, unabhängig davon, ob sie der Arbeitgeber als außerordentliche Kündigung mit oder ohne Auslauffrist oder als ordentliche Kündigung (mit Kündigungsfrist) erklärt.12 Diese weite Auslegung des Abs. 1 ist gerechtfertigt, da dem Arbeitnehmer, der auf die 8 mögliche Erklärung einer fristlosen außerordentlichen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers verzichtet hat, daraus kein Nachteil entstehen darf.13 Die rigorose Anbindung des Abs. 1 an eine Kündigung mit sofortiger Wirkung brächte neben dem Entgegenkommen des Arbeitnehmers durch die Einräumung einer Übergangsfrist als gleichsam zweite unverdiente Begünstigung des Arbeitgebers den Wegfall des Lossagungsrechts mit sich. Ebenso 7 Vgl. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 8; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6: rechtsgestaltende Wirkung der Lossagungserklärung. 8 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 Nr. 75 (I 1 b) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10. 9 BAG 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher; Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 625; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2; vgl. auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 384. 10 BAG 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher; 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller. 11 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller. 12 Bauer DB 1979, 500; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 623, 628; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 383; GK/ Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 84; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 39; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 4; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3; vgl. allerdings Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6, nach denen wohl nur die außerordentliche Kündigung (mit oder ohne Auslauffrist) erfasst ist. 13 BAG 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 (Bl. 3) m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher; Bauer DB 1979, 500. 931
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§ 75
1. Buch. Handelsstand
wie bei einverständlicher Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (Rn 39) hängt die Anwendung der Grundsätze des § 75 vom Anlass und nicht von der Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. 9 Da auch auf § 626 Abs. 2 BGB verwiesen wird, muss der Arbeitnehmer diese Erklärung allerdings binnen zwei Wochen nach Kenntnis des wichtigen Grundes abgeben.14
10 b) Vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers. Nach Abs. 1 genügt nicht schlechthin ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB; erforderlich ist vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers, das dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar macht und einen wichtigen Grund für die mögliche fristlose Kündigung darstellt.15 Vertragswidrig ist jedes gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstoßende Verhalten des Arbeitgebers. Um allerdings die Qualität eines wichtigen Grundes für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB zu erlangen, bedarf es für die Vertragsbeendigung im Rahmen einer Interessenabwägung der besonderen Berücksichtigung von Art und Gewicht dieser Verstöße. Hierbei kann auch das Verschulden des Arbeitgebers eine Rolle spielen. Da aber auch für die außerordentliche Kündigung ein Verschulden nicht immer vorliegen muss, ist auch das Lossagungsrecht des Arbeitnehmers nicht davon abhängig.16 Die Gegenauffassung argumentiert, der Gesetzgeber habe in der entsprechenden Neuregelung zum Wettbewerbsverbot des Handlungsgehilfen (§ 90a Abs. 3)17 ausdrücklich ein Verschuldenserfordernis vorgesehen.18 Daraus lässt sich aber für § 75 nichts Zwingendes ableiten, da die Vorschrift auch ansonsten nicht identisch ausgestaltet ist19 und auch in anderen Punkten Analogien zu § 90a zu Recht abgelehnt werden (vgl. § 74 Rn 53, 60 im Hinblick auf § 90a Abs. 1 Satz 3). Als Beispiele für vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers kommen die Vorenthaltung 11 des Gehalts oder die grobe Verletzung der nach § 62 geschuldeten Schutzpflichten sowie Tätlichkeiten oder Ehrverletzungen in Betracht.
2. Lossagungserklärung und Lossagungsfrist 12 Innerhalb eines Monats nach der Kündigung oder der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (Rn 39) hat der Arbeitnehmer das Recht zur schriftlichen Erklärung, dass er sich nicht an die Wettbewerbsvereinbarung gebunden erachte. Bei der Lossagungserklärung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung.20 Die Erklärung muss klar und zweifelsfrei zum Ausdruck bringen, dass der Arbeitnehmer 13 sich von der Wettbewerbsabrede lossagen und keine Karenzentschädigung in Anspruch nehmen
14 Bauer DB 1979, 500; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 630 f; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 40; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 4; vgl. ferner BAG 2.12.1963 – 5 AZR 496/62, AP § 75 HGB Nr. 2 (Bl. 4) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 173 m. Anm. Beitzke. 15 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 623; Bettinghausen BB 2018, 1016 (1019). 16 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 39; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 4.1; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; ErfK/Oetker22 § 75 HGB Rn 2; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 5; Schlegelberger/Schröder Rn 2a; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5 f; Röhricht/Graf von Westphalen/ Haas/Wagner/Vogt5 Rn 4; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 624, 647; HWK/Diller10 § 75 HGB Rn 5; Heymann/ Henssler/Michel HGB Rn 7. 17 Neufassung durch Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998 (BGBl. I S. 1474). 18 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 624, 647; HWK/Diller10 § 75 HGB Rn 5; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 7. 19 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. 20 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 10; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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will.21 Die Lossagung liegt deshalb nicht schon in der Kündigungserklärung selbst, kann aber mit ihr verbunden werden.22 Das Gesetz fordert die Schriftform nach § 126 BGB. Eine nicht formgerecht abgegebene Los- 14 sagungserklärung ist nach § 125 Satz 1 BGB unwirksam und lässt das Wettbewerbsverbot nicht entfallen.23 Indes ergibt die Auslegung einer dem Arbeitgeber nur mündlich (oder verspätet, dazu Rn 15) zugegangenen Lossagungserklärung des Arbeitnehmers in der Regel dessen Angebot zur einvernehmlichen Aufhebung der Wettbewerbsabrede;24 deren Annahme wird der Arbeitgeber freilich regelmäßig ausdrücklich erklären müssen.25 Die Monatsfrist des Abs. 1 beginnt mit dem Zugang der Kündigung beim Arbeitgeber, und 15 zwar auch dann, wenn es zu einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit der vorangegangenen Kündigung kommt, und auch dann, wenn die Vertragsparteien erst im Rahmen eines solchen Rechtsstreits die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses verabreden.26 Da es auf die Kündigungserklärung ankommt und nicht auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kann die Monatsfrist noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses und damit vor Inkrafttreten des Wettbewerbsverbots ablaufen, wenn der Arbeitnehmer die Kündigung nicht fristlos erklärt hat.27 Andererseits gibt die Bedenkfrist dem Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Wettbewerbsabrede noch bis zu einem Monat nach Beendigung eines fristlos gekündigten Arbeitsverhältnisses fortbestehen zu lassen, indem die Lossagungserklärung zum letztmöglichen Zeitpunkt abgegeben wird. Nicht von § 75 Abs. 1 gedeckt ist es allerdings, die Erklärung unmittelbar nach der Kündigung mit der Maßgabe zu erklären, dass sie erst nach Ablauf eines Monats wirken soll.28
3. Rechtsfolgen der Lossagung Mit dem rechtzeitigen Zugang der schriftlichen Lossagungserklärung wird die Wettbewerbsabre- 16 de insgesamt unwirksam, d.h. sowohl die Pflicht zur Wettbewerbsunterlassung als auch der Anspruch auf die Karenzentschädigung entfallen.29 Richtiger Ansicht nach hat eine nicht sofort mit der fristlosen Kündigung, sondern erst im Lauf der Monatsfrist abgegebene Lossagungserklärung Rückwirkung, sodass das Wettbewerbsverbot von Anfang, also vom Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsvertrags an, als unwirksam gilt.30 Daraus folgt, dass eventuelle Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers sanktionslos bleiben und umgekehrt eine bereits gezahlte Karenzentschädigung nach Maßgabe des Bereicherungsrechts zurückgefordert werden kann.31 Der Arbeitnehmer kann aber, wenn er das Arbeitsverhältnis wegen vertragswidrigen Verhal- 17 tens des Arbeitgebers gekündigt hatte, nach § 628 Abs. 2 BGB den Ersatz des entstandenen 21 BAG 13.4.1978 – 3 AZR 822/76, AP § 75 HGB Nr. 7; 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller. 22 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8. 23 BAG 18.2.1967 – 3 AZR 290/66, AP § 133 f GewO Nr. 19 (Bl. 5) m. Anm. Duden = SAE 1967, 284 m. Anm. Hofmann. 24 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 638; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 11; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 25 Bauer DB 1979, 500; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 638; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 14; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 10; aA Schlegelberger/Schröder Rn 3a, der das Schweigen des Arbeitgebers als Zustimmung auslegt. 26 BAG 26.1.1973 – 3 AZR 233/72, AP § 75 HGB Nr. 4 (Bl. 3R) m. krit. Anm. Lindacher = SAE 1974, 73 m. Anm. Beitzke; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 633 f; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 11; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10; zweifelnd OLG Schleswig 17.3.2000 – 1 U 8/00, NZG 2000, 894. 27 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 632; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 28 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 632. 29 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 30 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 636; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 40; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; aA MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 12; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 11. 31 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 933
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§ 75
1. Buch. Handelsstand
Schadens verlangen, z.B. den Verdienstausfall, solange es ihm nicht gelingt, eine neue Stelle zu finden.32 Die infolge der Ausübung des Lossagungsrechts entgangene Karenzentschädigung kann aber nicht nach § 628 Abs. 2 BGB verlangt werden33 (vgl. auch noch Rn 28).
II. Kündigung durch den Arbeitgeber aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers 1. Verfassungswidrigkeit des Abs. 3 18 Nach Abs. 3 war der Arbeitgeber, der das Dienstverhältnis aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers aufgelöst hatte, nicht zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet, während die Wettbewerbsbeschränkung für den Arbeitnehmer weiter Bestand haben sollte (unbezahlte Karenz). Mit Urteil vom 23.2.1977 hat das BAG diese Vorschrift, an deren Verfassungsmäßigkeit es bereits in einer vorangegangenen Entscheidung Zweifel geäußert hatte,34 als vorkonstitutionelles Recht für nichtig erklärt.35 Die Bestimmung enthielt nach Ansicht des BAG eine mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Benachteiligung des Arbeitnehmers: Ein sachlicher Grund dafür, dass der Arbeitnehmer wegen Abs. 1 nach einer Lösung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers lediglich die Möglichkeit zur Lossagung von dem Wettbewerbsverbot erhält, der Arbeitgeber im umgekehrten Fall aber in den Genuss der unbezahlten Karenz kommen soll, sei nicht ersichtlich.36 19 Die Entscheidung des BAG ist zu Recht überwiegend auf Zustimmung gestoßen.37 Soweit Kritik geäußert wurde,38 stützt sich diese vor allem auf die Überzeugung, das Interesse der Vertragsparteien an der Wirksamkeit und am Wegfall des Wettbewerbsverbots sei von so unterschiedlichem Gewicht, dass kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliege.39 Die der Kritik zugrundeliegende Behauptung, der Wegfall des Wettbewerbsverbots verbessere den Rechtsstatus des durch das Verbot letztlich nur belasteten Arbeitnehmers und beeinträchtige im Gegenzug die wettbewerbsrechtlichen Interessen des Arbeitgebers,40 ist indessen nicht überzeugend. Sie berücksichtigt nicht in hinreichendem Maße den Entgeltcharakter der Karenzentschädigung41 (vgl. § 74 Rn 47) und vermag nicht zu erklären, weshalb der Arbeitnehmer im Falle der Lossagung nach Abs. 1 mit dem Wegfall seiner Leistungspflicht auch den Anspruch auf die Ge32 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 639; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 8. 33 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 10a; aA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 639. 34 BAG 26.10.1973 – 3 AZR 118/73, AP § 75 HGB Nr. 5 m. Anm. Beitzke = AR-Blattei ES 1830 Nr. 105 m. Anm. Buchner = SAE 1975, 51 m. Anm. Leipold.
35 BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 m. Anm. Beitzke = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 120 m. Anm. Buchner = SAE 1977, 241 m. Anm. Pestalozza; bestätigt u.a. durch BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 12 f); vgl. auch BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, AP Art. 12 GG Nr. 65 m. Anm. Canaris zu § 90a Abs. 2 Satz 2 a.F. 36 Vgl. auch BAG 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, AP § 75 HGB Nr. 10 (Bl. 1R); 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 13). 37 Bauer DB 1979, 500; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 642; Beitzke Anm. zu BAG 26.10.1973, 23.2.1977 AP § 75 HGB Nrn. 5, 6; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 86; Hopt/Roth41 Rn 2; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/ Vogt5 Rn 19; Weisemann/Schrader DB 1980, Beilage 4 S. 14; vgl. allerdings LG Stuttgart 6.5.2019 – 44 O 100/18 KfH, BeckRS 2019, 8317 (Rn 57 ff). 38 Buchner Wettbewerbsverbot, 1981 S. 106 f, freilich mit der Maßgabe, die Entscheidung sei aus „rechtspolitischer Sicht durchaus zu akzeptieren“. 39 Buchner Wettbewerbsverbot, 1981 S. 106 f; ders. AR-Blattei SD 1830.3 Rn 396 ff; vgl. auch LG Stuttgart 6.5.2019 – 44 O 100/18 KfH, BeckRS 2019, 8317 (Rn 57 ff). 40 Buchner Wettbewerbsverbot, 1981 S. 106 f. 41 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75
genleistung verlieren soll, der Arbeitgeber im umgekehrten Fall aber nicht.42 Das BAG weist deshalb zu Recht darauf hin, dass der Wegfall des Wettbewerbsverbots keineswegs von selbst eine Begünstigung des Arbeitnehmers bedeutet,43 zumal dieser während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses gehalten ist, sich auf eine bezahlte Karenz einzustellen. Der generelle Ausschluss des Anspruchs auf eine Karenzentschädigung im Fall einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers ist auch mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar.44 Der Gesetzgeber hat insoweit die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten. § 75 Abs. 3 vernachlässigt den Ausgleich der Verhandlungsschwäche der Arbeitnehmer gegenüber der Interessenverwahrung auf Seiten der Unternehmer und wird den Anforderungen der Berufsfreiheit nicht gerecht. Etwas anderes könnte freilich für GmbH-Geschäftsführer gelten,45 soweit man § 75 auf diese analog anwenden möchte.46
2. Lossagungsrecht des Arbeitgebers (analoge Anwendung des Abs. 1) Die mit der Verfassungswidrigkeit von Abs. 3 entstandene nachträgliche Regelungslücke ist 20 durch die analoge Anwendung von Abs. 1 auszufüllen.47
a) Begründung der Analogie. Das BAG weist zutreffend darauf hin, dass die Beendigung 21 des Arbeitsverhältnisses wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund mit einer Sanktion versehen sein muss, wie sie der Gesetzgeber im umgekehrten Fall offenbar für erforderlich gehalten und deshalb in Abs. 1 zur Verfügung gestellt hat.48 Zwar wird der Arbeitgeber, wenn er sich von der Wettbewerbsabrede lossagt, nicht nur von der Karenzentschädigung frei, sondern verliert seinerseits den Unterlassungsanspruch. Aus Sicht des Arbeitnehmers stellt sich das Wahlrecht des Arbeitgebers aber praktisch als bedingtes Wettbewerbsverbot dar, das grundsätzlich zwar unzulässig ist (§ 74 Rn 63 ff), dessen Hinnahme hier aber als Sanktion für das vertragswidrige Verhalten des Arbeitnehmers geboten ist.49 Mit der analogen Anwendung des Abs. 1 wird dem angestrebten und auch in Abs. 1 sinnfällig gewordenen Gleichgewicht von Wettbewerbsunterlassung als Leistung des Arbeitnehmers und Zahlung der Karenzentschädigung als Gegenleistung am ehesten Rechnung getragen. Das BAG hat seine Argumentation später um den Hinweis ergänzt, die Analogie-Lösung 22 habe inzwischen insoweit mittelbare gesetzgeberische Bestätigung gefunden, als in § 90a Abs. 3 für Handelsvertreter ein für beide Vertragsparteien gleichermaßen geltendes Wahlrecht normiert sei.50 Dieses Argument kann freilich nur bedingt überzeugen; denn die §§ 74 ff einer42 43 44 45
Vgl. auch Beitzke Anm. zu BAG 23.2.1977 AP § 75 HGB Nr. 6. BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 (Bl. 2R) m. Anm. Beitzke. Vgl. BVerfG 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, AP Art. 12 GG Nr. 65 m. Anm. Canaris zu § 90a Abs. 2 Satz 2 a.F. Für eine Anwendung des § 75 Abs. 3 auf diese LG Stuttgart 6.5.2019 – 44 O 100/18 KfH, BeckRS 2019, 8317 (Rn 57 ff). 46 Näher dazu Eckert/Köpple NZA 2020, 1453. 47 BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 (Bl. 4) m. Anm. Beitzke; 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, AP § 75 HGB Nr. 10 (Bl. 2); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller; 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 14); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 644; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 21; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 394; HWK/Diller10 § 75 HGB Rn 27; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 41; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 62; ErfK/Oetker22 § 75 HGB Rn 5; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 18; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 100; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 20. 48 Vgl. insoweit auch die Neufassung von § 90a Abs. 3 durch das Handelsrechtsreformgesetz v. 22.6.1998 (BGBl. I S. 1474); dazu BAG 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, AP § 75 HGB Nr. 10 (Bl. 2). 49 BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 (Bl. 3R f) m. Anm. Beitzke. 50 BAG 7.7.2015 – 10 AZR 260/14, AP § 74 HGB Nr. 87 (Rn 14). 935
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seits und § 90a andererseits sind keineswegs synchron ausgestaltet und werden auch ansonsten nicht identisch interpretiert (vgl. Rn 10 und § 74 Rn 53, 60). An der Richtigkeit der Analogielösung ändert dies freilich nichts.
23 b) Voraussetzungen des Lossagungsrechts und Rechtsfolgen der Lossagung. Die Verwerfung von Abs. 3 und die Anlehnung an das Wahlrecht nach Abs. 1 bewirkt, dass es auch im Falle einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitgebers wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot gibt. Das Wettbewerbsverbot kann nur als Ganzes durch das Lossagungsrecht des Arbeitgebers beseitigt werden. Damit sind auch Klauseln unverbindlich, die in Anlehnung an die Regelung des § 75 Abs. 3 für den Fall einer außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber den Ausschluss der Karenzentschädigung vorsehen.51 Aus der Anwendung von Abs. 1 folgt, dass sich der Arbeitgeber im Anschluss an eine wegen 24 vertragswidrigen Verhaltens (des Arbeitnehmers) – nicht notwendig fristlos (Rn 7 f)52 – erklärte Kündigung von dem Wettbewerbsverbot lossagen kann. Wie bei Abs. 1 ist es notwendig, dass eine außerordentliche Kündigung auch tatsächlich gerechtfertigt ist, dass also insbesondere vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vorlag.53 Es reicht nicht aus, dass der Arbeitnehmer eine unwirksame Kündigung widerspruchslos hinnimmt.54 Liegt materiell vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers vor, ist die Kündigung aber aufgrund formaler Fehler wie etwa fehlender Betriebsratsanhörung unwirksam, besteht das Lossagungsrecht, wenn die Parteien im weiteren Verlauf noch einen Aufhebungsvertrag schließen, da es dann ohnehin nur auf das Recht zur Kündigung ankommt (vgl. Rn 39 f).55 Erforderlich ist für die Ausübung des Lossagungsrechts eine den Willen des Arbeitgebers 25 klar zum Ausdruck bringende Erklärung des Inhalts, dass neben dem Wegfall der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung der Arbeitnehmer seinerseits von seinen Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot entbunden werden soll.56 Auch im Rahmen der analogen Anwendung des Abs. 1 gilt für die Erklärung das Schriftformerfordernis (Rn 14) und die Monats-Frist (Rn 15), die hier mit dem Zugang der arbeitgeberseitigen Kündigungserklärung beim Arbeitnehmer zu laufen beginnt. Ein Lossagungsrecht besteht nicht mehr, wenn der Arbeitgeber zuvor wirksam gemäß § 75a 26 auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots verzichtet und damit die Verpflichtung zur Wettbewerbsunterlassung schon zum Erlöschen gebracht hat.57 Der Entschädigungsanspruch entfällt allerdings in einem solchen Fall nicht erst mit Ablauf der Jahresfrist des § 75a, sondern sofort mit Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung. Der frühere Verzicht wird insofern durch die Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens überlagert. Die Sanktion des sofortigen Wegfalls der Karenzentschädigungspflicht muss auch in einem solchen Fall greifen. Das BAG nimmt darüber hinaus mit Recht an, dass der Entschädigungsanspruch automatisch entfällt und es nicht einer eigenen, über den Verzicht hinausgehenden Lossagungserklärung
51 BAG 25.6.1985 – 3 AZR 305/83, AP § 74c HGB Nr. 11 (Bl. 1R) m. Anm. Beitzke = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 145 m. Anm. Buchner = SAE 1987, 144 m. Anm. Hammen/Hadding; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 646. 52 BAG 13.11.1967 – 3 AZR 471/66, AP § 74 HGB Nr. 21 (Bl. 4R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 1 m. Anm. Simitis; 2.12.1963 – 5 AZR 496/62, AP § 75 HGB Nr. 2 (Bl. 3R) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 173 m. Anm. Beitzke. 53 Bettinghausen BB 2018, 1016 (1019). 54 Zweifelnd Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 648. 55 Vgl. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 650; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 13. 56 BAG 13.4.1978 – 3 AZR 822/76, AP § 75 HGB Nr. 7 (Bl. 3); 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller, vgl. auch BAG 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, AP § 75 HGB Nr. 10 (Bl. 2). 57 BAG 17.2.1987 – 3 AZR 59/86, AP § 75a HGB Nr. 4. Weber/Gräf
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des Arbeitgebers nach § 75 Abs. 1 bedürfe. Der Wegfall des Konkurrenzverbots steht bereits fest, eine entsprechende Erklärung wäre ohne Funktion.58 Sagt sich der Arbeitgeber vor Ablauf eines Monats nach Ausspruch einer außerordentlichen 27 Kündigung von der Wettbewerbsvereinbarung los, so ist nach Ausspruch einer Wiederholungskündigung eine erneute Lossagungserklärung entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer erkennen muss, dass der Arbeitgeber nicht nur an der Vertragsbeendigung, sondern auch an der Lösung von der Wettbewerbsvereinbarung festhalten will.59
c) Rechtsfolgen bei Festhalten am Wettbewerbsverbot. Entscheidet sich der Arbeitgeber 28 dafür, das Wettbewerbsverbot bestehen zu lassen, kann er nach Auffassung des BAG zumindest den Teil der Karenzentschädigung für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot als Auflösungsschaden gemäß § 628 Abs. 2 BGB geltend machen, der auf die Zeit zwischen einer außerordentlichen Kündigung und dem nächstmöglichen Termin für eine ordentliche Vertragsbeendigung entfällt.60 Das ist inkonsequent, da es dadurch für diesen Zeitraum letztlich doch wieder zu einem entschädigungslosen nachvertraglichen Wettbewerbsverbot käme, das mit der Verwerfung des § 75 Abs. 3 gerade verhindert werden sollte. Konstruktiv ließe sich die Anwendung des § 628 Abs. 2 BGB durchaus begründen: Hält der Arbeitgeber am Wettbewerbsverbot fest, ist der Arbeitnehmer zwar zur Unterlassung des Wettbewerbs verpflichtet, aber der Arbeitgeber muss Karenzentschädigung zahlen. Wäre das Arbeitsverhältnis nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers gekündigt worden, wäre der Arbeitnehmer allein aufgrund des gesetzlichen Verbots nach § 60 ohne Karenzentschädigung zur Unterlassung von Konkurrenztätigkeit verpflichtet. Dennoch ist das Ergebnis des BAG nicht überzeugend: Es macht wertungsmäßig keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer unmittelbar nach § 75 Abs. 3 die Karenzentschädigung verliert und dennoch am Wettbewerbsverbot festgehalten wird oder ob dies über den Umweg des § 628 Abs. 2 BGB geschieht. Ein entschädigungsloses nachvertragliches Wettbewerbsverbot widerspricht der Grundkonzeption des Gesetzes und der vom BAG selbst zutreffend angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 75 Abs. 3 (vgl. zur ähnlichen Situation der fristlosen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, ohne dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht, § 60 Rn 42). III. Sonstige Kündigungen durch den Arbeitgeber (Abs. 2) 1. Lossagungsrecht des Arbeitnehmers (Verweis auf Abs. 1) Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, ohne dass dazu in der Person des Arbeitnehmers 29 ein erheblicher Anlass vorliegt (Rn 33), ist der Arbeitnehmer grundsätzlich wie in Abs. 1 zur Lossagung vom Wettbewerbsverbot berechtigt (Abs. 2 Satz 1). Der Arbeitnehmer soll, ohne dass er dazu Veranlassung gegeben hat, nicht seinen Arbeitsplatz und seine Existenzgrundlage auf Initiative des Arbeitgebers verlieren und zusätzlich noch einem Wettbewerbsverbot unterworfen sein.61 In aller Regel wird dem Wahlrecht des Arbeitnehmers eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber zugrunde liegen. Die Voraussetzungen von Abs. 2 Satz 1 sind indes auch erfüllt, 58 BAG 17.2.1987 – 3 AZR 59/86, AP § 75a HGB Nr. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 657; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 14; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 19; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 22 f; vgl. auch LAG Schleswig-Holstein 12.4.2017 – 3 Sa 202/1, BeckRS 2017, 113281 (Rn 79). 59 BAG 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, AP § 75 HGB Nr. 10 (Bl. 2); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 657. 60 BAG 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, AP § 75 HGB Nr. 6 (Bl. 4R) mit insoweit krit. Anm. Beitzke; vgl. ferner BAG 9.5.1975 – 3 AZR 352/74, AP § 628 BGB Nr. 8 m. Anm. Lieb = SAE 1976, 216 m. Anm. Hadding; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 16; Weisemann/Schrader DB 1980, Beilage 4 S. 14. 61 Vgl. BAG 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, AP § 75 HGB Nr. 1 m. Anm. Grüll = SAE 1964, 88 m. Anm. G. Hueck. 937
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wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis außerordentlich, aber nicht wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kündigt.62 § 75 Abs. 2 ist analog anwendbar, wenn der Arbeitnehmer nach dem Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses dessen Fortsetzung anbietet und der Arbeitgeber ablehnt.63 30 Aus dem Verweis des Abs. 2 auf Abs. 1 („in gleicher Weise“) wird deutlich, dass im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber das Wettbewerbsverbot nicht etwa automatisch entfällt, sondern nur im Fall einer Lossagungserklärung des Arbeitnehmers. Wie bei Abs. 1 hat der Arbeitnehmer also ein Wahlrecht, das in der Monatsfrist des Abs. 1 ausgeübt werden muss und der Schriftform bedarf, wenn der Arbeitnehmer sich vom Wettbewerbsverbot befreien möchte.64 Eine Beschränkung des Wahlrechts des Arbeitnehmers ist wegen § 75d Satz 1 unverbind31 lich.65 Eine solche unzulässige Beschränkung kann auch in der Weise erfolgen, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur bei Eigenkündigungen des Arbeitnehmers gelten soll. Auch dies nimmt dem Arbeitnehmer nach zutreffender Auffassung des BAG sein Wahlrecht gerade für den in § 75 Abs. 2 gesetzlich vorgesehenen Fall der Kündigung durch den Arbeitgeber. Die Wettbewerbsklausel ist deshalb wegen § 75d Satz 1 für den Arbeitnehmer unverbindlich.66 Der Arbeitnehmer kann sich im Fall einer Arbeitgeberkündigung oder des Endes eines befristeten Arbeitsverhältnisses binnen eines Monats67 dafür entscheiden, Konkurrenztätigkeit zu unterlassen und Karenzentschädigung zu beanspruchen.68 Im Fall einer Eigenkündigung kann der Arbeitnehmer sich dafür entscheiden, sich nicht an das Wettbewerbsverbot halten zu wollen.69
2. Ausnahmen 32 Ein Lossagungsrecht steht dem Arbeitnehmer nach Abs. 2 Satz 1 nicht zu, wenn in seiner Person ein „erheblicher Anlass“ für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vorlag (Alt. 1) oder der Arbeitgeber sich bei der Kündigung zur Weiterzahlung der vollen von dem Arbeitnehmer zuletzt bezogenen Vergütung für die Dauer des Wettbewerbsverbots verpflichtet (Alt. 2).
33 a) Erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers. Einen erheblichen Anlass zur Kündigung hat der Arbeitgeber, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach vernünftigen Erwägungen eines verständigen Arbeitgebers als angezeigt und sachlich gerechtfertigt erscheint.70 Einigkeit besteht darüber, dass diesem erheblichen Anlass nicht das Gewicht eines 62 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 662; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 75 HGB Rn 6. 63 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 662; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 16; aA Wertheimer NZA 1997, 525. 64 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 680, 682; BeckOK-ArbR/Hagen64 § 75 HGB Rn 7. 65 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 686 f; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 385; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 66 BAG 14.7.1981 – 3 AZR 515/78, AP § 75 HGB Nr. 8 m. Anm. Stumpf = SAE 1983, 84 m. Anm. Koller; 10.12.1985 – 3 AZR 242/84, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 31; 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, AP § 75 HGB Nr. 11 (Bl. 2R) = SAE 2007, 7 m. abl. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 686 f; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 42; Preis/Stoffels Der Arbeitsvertrag6 II W 10 Rn 92; aA Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 182a. 67 BAG 14.7.1981 – 3 AZR 515/78, AP § 75 HGB Nr. 8 (Bl. 2R) m. Anm. Stumpf = SAE 1983, 84 m. Anm. Koller; Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 686a. 68 BAG 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, AP § 75 HGB Nr. 11 (Bl. 2R) = SAE 2007, 7 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 686a; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 24. 69 BAG 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, AP § 75 HGB Nr. 11 (Bl. 2R) = SAE 2007, 7 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 686a. 70 Bauer DB 1979, 500 (501); Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 99; Weisemann/Schrader DB 1980, Beilage 4 S. 14. Weber/Gräf
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wichtigen Grundes im Sinne des § 626 BGB zukommen muss.71 Die Vorschrift gebietet indes das Vorliegen eines Kündigungsgrundes auf Seiten des Arbeitnehmers. In Betracht kommen personen- oder verhaltensbedingte Kündigungsgründe i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG.72 Diese müssen tatsächlich vorliegen, eine Fiktion nach §§ 4 Satz 1, 7 Hs. 1 KSchG reicht nicht.73 Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich.74 Eine betriebsbedingte Kündigung ist niemals in der Person des Arbeitnehmers veranlasst und rechtfertigt deshalb den Ausschluss des Lossagungsrechts nach Abs. 2 nicht.75 Der Anlass in der Person des Gehilfen muss zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem die Kündigung erklärt wird. Im Übrigen muss der Grund dem Arbeitnehmer bei der Kündigung zwar nicht ausdrücklich mitgeteilt werden, ihm aber zumindest erkennbar geworden sein, damit die Monatsfrist für das Lossagungsrecht in Gang gesetzt wird.76 Der Beweis dafür, dass der erhebliche Anlass zur Kündigung in der Person des Arbeitnehmers vorlag, ist vom Arbeitgeber zu führen.77
b) Zusage der vollen Leistungen. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer dadurch an der 34 Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot festhalten, dass er sich bei der Kündigung bereit erklärt, für den Zeitraum des Verbots die vollen zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren, die Karenzentschädigung also auf den vollen Betrag seines Entgelts zu erhöhen. Die Erklärung muss „bei der Kündigung“ erfolgen, also zumindest zeitgleich mit ihr zugehen,78 nachträglich ist ein Ausschluss des Lossagungsrechts nur einvernehmlich möglich. Schriftform ist für die Erklärung nicht vorgeschrieben.79 Hat sich der Arbeitgeber wirksam bereit erklärt, die erhöhte Karenzentschädigung zu zahlen, so kann er diese Erklärung – von der Möglichkeit der Anfechtung nach den allgemeinen Vorschriften abgesehen – nicht einseitig wieder beseitigen.80 Die Erklärung des Arbeitgebers muss sich der Höhe nach auf die gesamten dem Arbeitneh- 35 mer zukommenden vertragsmäßigen Leistungen (§ 74b Rn 12 ff) und der Ausdehnung nach auf die Zeitdauer des Wettbewerbsverbots erstrecken. Sind diese Erfordernisse nicht erfüllt, behält der Arbeitnehmer das Wahlrecht nach Abs. 1. Zur Berechnung der Höhe der zu zahlenden Karenzentschädigung verweist Abs. 2 Satz 2 auf § 74b. Darüber hinaus ist auch § 74c anwendbar; ein anderweitiger Erwerb des Arbeitnehmers ist unter den dort genannten Voraussetzungen auf die Karenzentschädigung anzurechnen.81 Die vorwiegend auf den Wortlaut des Abs. 2 gestützte Gegenmeinung berücksichtigt nicht, dass die erhöhte Karenzentschädigung immerhin 71 Vgl. nur Grüll/Janert S. 70; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 17; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 21; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. 72 Bauer DB 1979, 500 (501); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 665; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 388; GK/ Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 88; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 17; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 21; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 99; vgl. allerdings Hopt/Roth41 Rn 3 („unbefriedigende Leistungen“) sowie Schlegelberger/Schröder Rn 6 („vertragswidriges Verhalten“). 73 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 670; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 18. 74 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 665, BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 21. 75 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 666; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 17. 76 AA Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 666. 77 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 667; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. 78 RG 1.11.1904 RGZ 59, 125; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 672; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 25; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 16. 79 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 673 (die dies allerdings als Systembruch kritisieren). 80 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 672. 81 Bauer DB 1979, 500 (501); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 675; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 390; GK/ Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 89; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 101; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 17; aA RG 19.10.1926 RGZ 114, 418. 939
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eine „echte“ Karenzentschädigung ist und aus diesem Grund den Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht wesentlich besser stellen soll als vor einem Arbeitsplatzwechsel (§ 74c Rn 1). Der Arbeitgeber allerdings verpflichtet sich durch seine Erklärung in aller Regel zu einer Mehrleistung und trägt das Risiko, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft nicht anderweitig verwerten kann.
IV. Sonstige Kündigungen durch den Arbeitnehmer 36 Das Wettbewerbsverbot tritt ohne weiteres in Kraft, wenn der Arbeitnehmer ordentlich oder außerordentlich kündigt, ohne dass dies wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitgebers i.S.d. Abs. 1 geschieht.82
V. Kündigung bei Insolvenz des Arbeitgebers 37 Im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers steht der arbeitgeberseitigen Kündigung diejenige des Insolvenzverwalters gleich. Kündigt dieser das Arbeitsverhältnis nach § 113 Satz 1 InsO, so bleibt das Wettbewerbsverbot zunächst bestehen.83 Der Arbeitnehmer kann aber – vorausgesetzt, dass nicht ein erheblicher Anlass zu der Kündigung in seiner Person vorlag – gemäß § 75 Abs. 2 erklären, dass er sich an die Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot nicht mehr gebunden fühle.84 Hat der Insolvenzverwalter ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots, so muss er sich in dem vorstehend bezeichneten Fall bei der Kündigung bereit erklären, die vollen zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen für die Dauer des Verbots als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu zahlen. Ebenso bleibt die Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund § 113 Satz 1 InsO kündigt. Auch hier greift für die Karenzentschädigung dann § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Kündigen der Insolvenzverwalter oder der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des jeweils anderen Teils, gilt die Regelung des Abs. 1 (Rn 6 ff). Die Karenzentschädigung ist als Masseschuld geschützt, wenn das Wettbewerbsverbot mangels Ausübung des Lossagungsrechts zum Tragen kommt. 38 Hat der Insolvenzverwalter kein Interesse an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbsverbots, insbesondere, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist, so kann er die Vereinbarung als beiderseits noch nicht oder nicht vollständig erfüllten Vertrags nach § 103 InsO kündigen.85 § 113 InsO ist insofern, da es nicht um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses geht, nicht anwendbar. Der Arbeitnehmer kann einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach §§ 280 ff BGB i.V.m. 103 Abs. 2 Satz 1 InsO geltend machen. Dieser ist wie der ursprüngliche Karenzentschädigungsanspruch als einfache Insolvenzforderung zu behandeln.86
C. Aufhebungsverträge I. Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und Lossagungsrechts 39 § 75 regelt ausdrücklich nur die Folgen einer Kündigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, nicht hingegen die Folgen einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhält82 83 84 85 86
Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 381 f. Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 662. Vgl. BGH 8.10.2009 – IX ZR 61/06, NZG 2009, 1438. Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 441 f.
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nisses. Sofern nicht die Auslegung des Aufhebungsvertrags ausnahmsweise etwas anderes ergibt (dazu Rn 42 ff), bleibt im Ausgangspunkt das Wettbewerbsverbot bestehen.87 In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob in Anlehnung an die Grundsätze des § 75 Arbeitgeber oder Arbeitnehmer ein Lossagungsrecht zuzusprechen ist, je nachdem, wer den Anlass für den Aufhebungsvertrag gegeben hat. Das BAG88 und mit ihm das überwiegende Schrifttum89 befürworten zu Recht eine analoge Anwendung des § 75, wenn im Einzelfall der Anlass für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der gleiche ist wie in den von § 75 erfassten Fällen und nur statt der Beendigung durch Kündigung ein Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird. Soweit in der Literatur auf den Vorrang von Vereinbarungen der Beteiligten und die Auslegung des Aufhebungsvertrags verwiesen wird,90 ist zu berücksichtigen, dass die Grundsätze des § 75 wegen § 75d Satz 1 während des bestehenden Arbeitsverhältnisses (vgl. § 75d Rn 4) nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abdingbar sind und ein Aufhebungsvertrag häufig anstelle einer Kündigung tritt (vgl. auch Rn 31). Das Wahlrecht des Abs. 1 steht also entsprechend dem Arbeitnehmer oder dem Arbeitge- 40 ber zu, je nachdem, wer bei einseitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des jeweils anderen Teils gehabt hätte.91 Die analoge Anwendung des Abs. 1 auf Seiten des Arbeitgebers baut insofern darauf auf, dass die Vorschrift ohnehin auch bei dessen außerordentlicher Kündigung analog angewandt wird (Rn 21 f). Im Übrigen bietet sich die analoge Anwendung von Abs. 2 an, wenn der Anstoß zur einverständlichen Vertragsbeendigung vom Arbeitgeber ausging: Dem Arbeitnehmer steht deshalb das Wahlrecht des Abs. 1 zu, sofern nicht die Ausnahmen des Abs. 2 Satz 1 (Rn 32 ff) vorliegen.92 Beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses dagegen auf einer Initiative des Arbeitnehmers, die nicht an vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers anknüpft, tritt das Wettbewerbsverbot mit diesem Zeitpunkt ohne Einschränkung in Kraft, wie auch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nur unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots zur Folge haben kann.93 Auf diese Weise ist sichergestellt, dass sich die in § 75 geregelten Folgen für die Wirksamkeit des Wettbewerbsverbots nach dem Anlass und nicht nach der äußerlichen Form der Beendigung des Arbeitsverhältnisses richten.94 Die vorstehenden Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn die Parteien sich erst im Rah- 41 men eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer vorangegangenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu dessen einvernehmlicher Aufhebung entschließen. Die Frist für eine Lossagung vom Wettbewerbsverbot (Abs. 1) beginnt in diesem Fall nicht erst mit dem Abschluss der Aufhe87 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, AP § 75 HGB Nr. 1 (Bl. 5) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 88 m. Anm. G. Hueck; LAG Baden-Württemberg 22.9.1995 – 5 Sa 28/95, NZA-RR 1996, 163; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 730; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 366; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 68. 88 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, AP § 75 HGB Nr. 1 (Bl. 5) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 88 m. Anm. G. Hueck; 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 27) m. Anm. Diller; vgl. auch BAG 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 (Bl. 3) m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher. 89 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 628, 651; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; HWK/ Diller10 § 75 HGB Rn 29; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75 Rn 7 f, 20; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; ErfK/ Oetker22 § 75 HGB Rn 6; NK-GA/Reinhard2 § 75 Rn 9, 11, 18; Hopt/Roth41 Rn 6; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 102; aA Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 25; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 22; Wertheimer NZA 1997, 522 (523). 90 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 628, 662; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 25. 91 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, AP § 75 HGB Nr. 1 (Bl. 5) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 88 m. Anm. G. Hueck; 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 (Bl. 3) m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher. 92 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 662 (solange nicht die Auslegung der Vereinbarung einen Ausschluss der Lossagung durch den Arbeitnehmer ergibt); Hopt/Roth41 Rn 7; aA Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 26. 93 Hopt/Roth41 Rn 7. 94 BAG 2.12.1963 – 5 AZR 496/62, AP § 75 HGB Nr. 2 (Bl. 3R) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 173 m. Anm. Beitzke; 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, AP § 75 HGB Nr. 3 (Bl. 3R) m. Anm. G. Hueck = SAE 1966, 177 m. Anm. Brecher; Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 628. 941
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bungsvereinbarung, sondern – nach Auffassung des BAG insoweit in unmittelbarer Anwendung von Abs. 1 – mit der Kündigung.95
II. Aufhebung des Wettbewerbsverbots 42 Im Zweifel lässt die einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses das Wettbewerbsverbot im Ausgangspunkt unberührt (vgl. oben Rn 39). Vereinbaren die Parteien allerdings im Rahmen des Aufhebungsvertrags auch eine Ausgleichs- oder Erledigungsklausel, so ist es Auslegungsfrage, ob eine solche Klausel auch als Aufhebung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gedeutet werden kann. 43 Eine Entscheidung des BAG aus dem Jahre 1981 schien darauf hinzudeuten, dass das Gericht bei Ausgleichsquittungen regelmäßig keine wirksame Aufhebung von Wettbewerbsvereinbarungen annehmen wollte, zumal die Begründung im Kern darauf beruhte, dass eine Ausgleichsklausel nur Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis betreffe, nicht aber das Entstehen zukünftiger Ansprüche verhindern wolle.96 Jüngere Entscheidungen tendieren eher in die andere Richtung97 und stellen den generellen Grundsatz der weiten Auslegung von Erledigungsklauseln98 in den Vordergrund. Allerdings beruhen die Ergebnisse letztlich – wie schon die Entscheidung von 198199 – auf einzelfallbezogenen Abwägungen und sind dementsprechend auch uneinheitlich.100 Angesichts der Vielzahl denkbarer Interessenlagen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags erscheint diese Rechtsprechung sachgerecht.101 Maßgebliche Auslegungskriterien i.S.d. §§ 133, 157 BGB sind auf dieser Basis der Wortlaut der Erledigungsklausel sowie der aus dem Gesamtinhalt des Aufhebungsvertrags und den Begleitumständen des Vertragsschlusses zu ermittelnde mutmaßliche Parteiwille.102 Jenseits der genannten Fälle, in denen die Wettbewerbsabrede im Kontext der Aufhebung 44 des Arbeitsverhältnisses unter Umständen „mitaufgehoben“ wird, ist jedenfalls stets eine gezielte Aufhebung der Wettbewerbsabrede durch eine (ausdrückliche oder konkludente) isolierte Vereinbarung möglich,103 sei es vor oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Auf95 BAG 26.1.1973 – 3 AZR 233/72, AP § 75 HGB Nr. 4 (Bl. 3R) m. krit. Anm. Lindacher = SAE 1974, 73 m. Anm. Beitzke; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 654; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10.
96 BAG 20.10.1981 – 3 AZR 1013/7, AP § 74 HGB Nr. 39 m. Anm. Stumpf; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 22.9.1995 – 5 Sa 28/95, NZA-RR 1996, 163; im Zweifel gegen eine Erfassung der Karenzentschädigungspflicht Hopt/ Roth41 § 74b Rn 1; ErfK/Oetker22 § 74b HGB Rn 2. 97 BAG 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 3R) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst; 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 50 (Bl. 2R); 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, AP § 75 HGB Nr. 11 (Bl. 2R) = SAE 2007, 7 m. Anm. Buchner; 22.12.2008 – 10 AZR 617/07, AP § 74 HGB Nr. 82 (Rn 16 ff); 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, AP § 74 HGB Rn 81 (Rn 24 ff); im Zweifel für eine Erfassung der Karenzentschädigungspflicht MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 86 m.w.N. 98 BAG 31.7 2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 4R) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst; 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 50 (Bl. 3); 7.9.2004 AP § 75 HGB Nr. 11 (Bl. 3) = SAE 2007, 7 m. Anm. Buchner; 22.12.2008 – 10 AZR 617/07, AP § 74 HGB Nr. 82 (Rn 22); 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, AP § 74 HGB Rn 81 (Rn 24); insofern auch BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Bl. 5). 99 Vgl. dazu BAG 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 5) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst. 100 Vgl. einerseits BAG 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (Bl. 5) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst; 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, AP § 75 HGB Nr. 11 = SAE 2007, 7 m. Anm. Buchner; 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, AP § 74 HGB Rn 81 (Rn 24 ff); andererseits BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79; LAG Hamm 17.5.2002 – 7 Sa 356/02, LAG-Report 2002, 329. 101 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 718; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 370 f. 102 BAG 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, AP § 74 HGB Rn 81 (Rn 24); vgl. dazu näher Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 720 ff. 103 Vgl. BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Rn 28); 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, AP § 448 ZPO Nr. 7 (Rn 20); 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, AP § 74 HGB Rn 81 (Rn 22). Weber/Gräf
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hebungsvereinbarung bedarf dann grundsätzlich auch nicht der Schriftform (vgl. bereits § 74 Rn 11).104 Das Formerfordernis in § 623 BGB erfasst die Aufhebung einer Wettbewerbsvereinbarung nur dann, wenn diese im Zusammenhang mit einem Vertrag über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses (Rn 42 f) erfolgt.105 Haben die Parteien zuvor rechtsgeschäftlich die Schriftform vereinbart, wird diese – wenn keine korrekt formulierte doppelte Schriftformklausel vorliegt106 – durch den Aufhebungsvertrag in der Regel konkludent abbedungen.107 Im Einzelfall können allerdings Tarifverträge für die Aufhebung von Wettbewerbsvereinbarungen die Schriftform vorsehen.108
D. Weitere Fälle der Beendigung der Wettbewerbsabrede I. Beendigung durch Zeitablauf Liegt keiner der vorgenannten Fälle der Lossagung vom Wettbewerbsverbot oder einer einver- 45 ständlichen Aufhebung vor, erlöschen die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Wettbewerbsunterlassung und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung grundsätzlich mit Ablauf der vereinbarten Dauer des Wettbewerbsverbots, die nach § 74a Abs. 1 Satz 3 maximal zwei Jahre betragen darf (näher zur Fristberechnung § 74a Rn 22 ff). Ist in der Wettbewerbsabrede eine längere Frist vereinbart, verliert das Wettbewerbsverbot nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist seine Verbindlichkeit; der Arbeitnehmer hat dann ein Wahlrecht (§ 74a Rn 29). Ist ein Termin nicht ausdrücklich vereinbart, ist im Wege der Auslegung im Zweifel von der Vereinbarung der gesetzlichen Höchstdauer auszugehen,109 da in der Regel anzunehmen ist, dass die Parteien eine (gerade noch) rechtskonforme Regelung treffen wollten (vgl. § 74 Rn 24); ein Wahlrecht des Arbeitnehmers besteht dann nach Ablauf der Zwei-Jahres-Frist nicht. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot tritt im Zweifel nicht vorzeitig mit dem Ruhe- 46 stand des Arbeitnehmers außer Kraft.110 Denn für diesen Zeitraum ist der Arbeitnehmer nicht etwa ohnehin schon entschädigungslos zur Unterlassung von Wettbewerb verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer eine Betriebsrente erhält.111 Allerdings können die Parteien durchaus vereinbaren, dass die Wettbewerbsabrede mit Eintritt des Arbeitnehmers in den altersbedingten112 Ruhestand endet.113 Zur analogen Anwendung des Abs. 2 beim Auslaufen eines befristeten Arbeitsverhältnisses vgl. Rn 29.
Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 222, 712 ff; Heymann/Henssler/Michel HGB § 74 Rn 9. Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 368. Näher hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 712. BAG 10.1.1989 – 3 AZR 460/87, AP § 74 HGB Nr. 57; 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 48 (unter II 2) = EzA § 74 HGB Nr. 64 m. Anm. Gravenhorst; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 712; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 363 f; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 36, 69. 108 Vgl. BAG 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 50. 109 LAG Köln 28.5.2010 – 10 Sa 162/10 – BeckRS 2010, 74441; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 273. 110 Ausführlich dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 709 f, 852 ff. 111 BAG 26.2.1985 – 3 AZR 162/84, AP § 611 Konkurrenzklausel Nr. 30 (Bl. 2) m. Anm. Beitzke; 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46 (Bl. 2) m. Anm. Beitzke; 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 40 m. Anm. Reinfeld = AR-Blattei ES 1830 Nr. 168 m. Anm. Buchner; LAG Niedersachsen 26.1.2005 – 6 Sa 1306/04 B, BeckRS 2005, 31055994; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 709; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 471; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14; aA Schlegelberger/Schröder Rn 3a; Weisemann/Schrader DB 1980 Beilage 4 S. 14. Zur Frage nachvertraglicher Wettbewerbsverbote für Vorstandsmitglieder einer AG oder GmbH-Geschäftsführer im Ruhestandsverhältnis vgl. Hoffmann-Becking FS Quack, 1991 S. 282 ff. 112 Zutr. hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 509 f, 853. 113 BAG 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, AP § 74 HGB Nr. 46; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 509 f, 852 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14.
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II. Einseitige Beendigung 47 Im Einzelfall ist eine vorzeitige einseitige Beendigung der Wettbewerbsabrede möglich, etwa durch Rücktritt einer Vertragspartei im Fall von Leistungsstörungen (vgl. §§ 323, 326 Abs. 5 BGB): Einerseits kommt ein Rücktrittsrecht des Arbeitgebers in Betracht, wenn der Arbeitnehmer während der Karenzzeit gegen das Wettbewerbsverbot verstößt (näher § 74 Rn 86), andererseits ein Rücktrittsrecht des Arbeitnehmers, wenn der Arbeitgeber mit der Zahlung der Karenzentschädigung in Verzug gerät (§ 74 Rn 94). Dem steht es nach § 281 Abs. 4 BGB gleich, wenn in solchen Leistungsstörungsfällen ein Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung geltend gemacht wird (§ 74 Rn 88). Bei beharrlicher Verletzung des Wettbewerbsverbots bzw. der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung kann auch die Möglichkeit bestehen, die Wettbewerbsabrede aus wichtigem Grund nach § 314 BGB zu kündigen (näher § 74 Rn 87). Davon zu unterscheiden sind Konstellationen, in denen der potenzielle Kündigungsgrund nicht in einer Leistungsstörung liegt, sondern auf einer Veränderung objektiver (z.B. Betriebsschließung oder Veränderung des Unternehmensgegenstands beim Arbeitgeber, veränderte Marktlage) oder subjektiver Umstände (z.B. Veränderung der beruflichen Situation des Arbeitnehmers) beruht. In solchen Fällen ist § 314 BGB – jedenfalls regelmäßig – durch das ausdifferenzierte System der §§ 74 ff verdrängt.114 Auch ein Rückgriff auf § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) ist in solchen Fällen 48 nicht möglich. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer überhaupt keinen Wettbewerb betreiben kann (vgl. zur nachträglichen Unmöglichkeit auch Rn 51). Das Risiko, in solchen Fällen trotzdem die Karenzentschädigung zahlen zu müssen, ist – mit Ausnahme des Sonderfalls der Freiheitsstrafe (§ 74c Abs. 1 Satz 3) – dem Arbeitgeber zugewiesen, der durch § 75a ausreichend geschützt ist.115 Aus diesen Gründen ist auch eine arbeitgeberseitige Änderungskündigung des Arbeitsvertrags ausgeschlossen, bei der eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Aufhebung eines bestehenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbots angeboten wird. Die §§ 75, 75a regeln die Möglichkeiten des Arbeitgebers, sich – abgesehen von den Fällen der Leistungsstörung – einseitig vom Wettbewerbsverbot zu lösen, abschließend.116 49 Nicht verdrängt ist hingegen das Recht zur Anfechtung einer separat abgeschlossenen Wettbewerbsvereinbarung nach Maßgabe der §§ 119 ff BGB.117 Wird hingegen der Arbeitsvertrag angefochten, bleibt das Wettbewerbsverbot davon in der Regel unberührt, wenn der Arbeitsvertrag bereits in Vollzug gesetzt wurde (näher § 74 Rn 21). Wird ein bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag allerdings nach § 123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten, wird der anfechtenden Partei zutreffend wegen einer mit § 75 Abs. 3 vergleichbaren Interessenlage ein Wahlrecht nach § 75 Abs. 1 analog eingeräumt.118 Der vor Beendigung des Dienstverhältnisses schriftlich erklärte Verzicht des Arbeitgebers 50 auf das Wettbewerbsverbot hat nach § 75a die sofortige Befreiung des Arbeitnehmers von der Pflicht zur Unterlassung des Wettbewerbs zur Folge. Der Arbeitgeber bleibt hingegen noch für die Zeit eines Jahres seit der Erklärung des Verzichts zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet (näher die Kommentierung zu § 75a; vgl. zum Verhältnis zum Lossagungsrecht oben Rn 26).
114 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 735. 115 Vgl. BAG 2.8.1971 – 3 AZR 121/71, AP § 615 BGB Nr. 25 (unter II 2) m. Anm. Bloymeyer; 23.11.2004 – 9 AZR 595/ 03, AP § 74 Nr. 75 (unter I 4) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 706. 116 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 733. 117 Vgl. hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 60 ff. 118 LAG München 19.12.2007 – 11 Sa 294/07, BeckRS 2009, 67579 (unter III 2); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 653; offen gelassen von BAG 15.1.2014 – 10 AZR 243/13, AP § 74 HGB Nr. 86 (Rn 29) m. Anm. Diller. Weber/Gräf
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III. Nachträgliche Unmöglichkeit Im Laufe der Karenzzeit können objektive Umstände eintreten, die dem Arbeitnehmer eine 51 unerlaubte Konkurrenztätigkeit unmöglich machen (z.B. der Wegfall sämtlicher von der Wettbewerbsverbotsabrede erfasster Konkurrenzunternehmen oder eine Betriebseinstellung beim ehemaligen Arbeitgeber). In solchen Fällen kommt es allerdings nicht wegen Eintritts objektiver Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) zum Wegfall der Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung nach § 326 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BGB.119 Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer aus subjektiven Gründen – etwa wegen Krankheit,120 dauernder Berufsunfähigkeit,121 Elternzeit,122 Auslandsaufenthalts,123 Wehrdienstes124 oder Aufnahme eines Studiums125 – am Wettbewerb gehindert ist.126 Dies folgt jeweils aus denselben Erwägungen zur Risikozuweisung wie bei §§ 313, 314 BGB (Rn 47 f). Die Ausnahmevorschrift in § 74c Abs. 1 Satz 3 kann auf solche Fälle nicht etwa analog angewendet werden (§ 74c Rn 36).
IV. Tod des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers Dagegen erlischt die Wettbewerbsabrede einschließlich der Pflicht zur Karenzentschädigungs- 52 zahlung aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Wettbewerbsverbots mit dem Tod des Arbeitnehmers.127 Anders ist dies beim Tod des Arbeitgebers (wenn es sich um eine natürliche Person handelt); hier gehen die Rechte und Pflichten aus der Wettbewerbsvereinbarung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben über (hierzu und zu Betriebsübergangsfällen § 74 Rn 76 ff).
119 BAG 2.8.1971 – 3 AZR 121/71, AP § 615 BGB Nr. 25 (unter II 2) m. Anm. Bloymeyer; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 704; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 67; aA (bzgl. des Karenzentschädigungsanspruchs eines GmbH-Geschäftsführers bei Unternehmensstillegung) Brechtel/Kehrel GmbHR 2021, 240 (245). 120 BAG 8.2.1974 – 3 AZR 519/73, AP § 74c HGB Nr. 4 m. Anm. Küchenhoff = SAE 1975, 207 m. Anm. Streckel; 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; LAG Köln 17.3.2011 − 6 Sa 1413/10, NZA-RR 2011, 513 (514); Grunsky FS Söllner, 1990 S. 50 ff; MünchKomm-HGB/Thüsing5 § 74c Rn 26. 121 BAG 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 3) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort. 122 LAG Düsseldorf 4.3.1997 – 3 Sa 1644/96, NZA-RR 1998, 58. 123 LAG Köln 4.5.2004 – 1 Sa 1240/03, BeckRS 2004, 42102 (unter 2 d). 124 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 706. 125 BAG 8.2.1974 – 3 AZR 519/73, AP § 74c HGB Nr. 4 (unter III 3) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1975, 207 m. Anm. Streckel; 9.8.1974 – 3 AZR 350/73, AP § 74c HGB Nr. 5 (unter 1); 13.2.1996 – 9 AZR 931/94, AP § 74c HGB Nr. 18 (unter II 2); MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 67; aA LAG Hessen 28.2.1994 – 10 Sa 937/93, NZA 1995, 632 (633). 126 Vgl. BAG 8.2.1974 – 3 AZR 519/73, AP § 74c HGB Nr. 4 (unter III 3) m. Anm. Küchenhoff = SAE 1975, 207 m. Anm. Streckel; 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, AP § 74 HGB Nr. 75 (Bl. 3) = SAE 2005, 261 m. Anm. Kort; Buchner ARBlattei SD 1830.3 Rn 357; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 447, 704 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 43 f; aA LAG Hessen 28.2.1994 – 10 Sa 937/93, NZA 1995, 632 (633). 127 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 711; Grunsky FS Söllner, 1990 S. 45 f; MünchKommHGB/Thüsing5 § 74 Rn 45. 945
Weber/Gräf
§ 75a [Verzicht auf Wettbewerbsverbot] Der Prinzipal kann vor der Beendigung des Dienstverhältnisses durch schriftliche Erklärung auf das Wettbewerbverbot mit der Wirkung verzichten, daß er mit dem Ablauf eines Jahres seit der Erklärung von der Verpflichtung zur Zahlung der Entschädigung frei wird.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht A.
Grundlagen
I.
Regelungsgehalt und Normzweck
II.
Keine Auskunftspflicht des Arbeitneh3 mers
III.
Anwendungsbereich
B.
Anforderungen an die Verzichtserklä7 rung
I.
Inhalt der Erklärung
1
II.
Zeitpunkt der Erklärung
III.
Form der Erklärung
C.
Wirkung des Verzichts
I.
Wettbewerbsverbot
II.
Karenzentschädigung
D.
Abweichende Vereinbarungen
10 14
15
5 17 21
8
A. Grundlagen I. Regelungsgehalt und Normzweck 1 Die Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot kann im beiderseitigen Einverständnis der Arbeitsvertragsparteien1 jederzeit – in der Regel formlos – während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wie auch nach dessen Beendigung wieder aufgehoben werden (hierzu und zu weiteren Fällen der Beendigung des Wettbewerbsverbots vgl. § 75 Rn 42 ff, 45 ff). Die Bestimmung des § 75a gibt dem Arbeitgeber dagegen das Recht, einseitig auf die Einhaltung der Wettbewerbsabrede zu verzichten (vgl. auch § 90a Abs. 2 für den Handelsvertreter).2 Dies muss durch eine vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer gegenüber abzugebende schriftliche Erklärung geschehen. Da dem Anspruch des Arbeitgebers auf Unterlassung des Wettbewerbs aber seine Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung gegenübersteht, ist im Interesse des Arbeitnehmers bestimmt, dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung dieser Entschädigung erst mit dem Ablauf eines Jahres nach Abgabe seiner Verzichtserklärung endet. 2 Die Vorschrift erkennt das Recht des Arbeitgebers zur einseitigen Lösung von der Wettbewerbsabrede an, wenn sein Interesse an der Einhaltung des Verbots vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses weggefallen ist.3 Damit verbunden ist aber zugleich eine Risikozuweisung 1 Zur analogen Anwendung des § 75a auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter BAG 21.1.1997 – 9AZR 778/95, AP § 611 BGB Konkurrenzklausel Nr. 44 (unter I 1 c) und allg. Vor § 74 Rn 51.
2 Vgl. auch § 84 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes in der aktualisierten Fassung vom November 2007 (Beilage zu NZA 21/2007).
3 BAG 2.12.1968 – 3 AZR 402/67, AP § 74a HGB Nr. 3 (Bl. 2R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 269 m. Anm. Rittner. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-062
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zu Lasten des Arbeitgebers, wenn sich die Interessenlage nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verändert hat; er kann sich dann grundsätzlich nicht mehr einseitig von der Wettbewerbsabrede lösen bzw. die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung begrenzen (näher § 75 Rn 48, 51). Insofern enthält nur § 74c Abs. 2 Satz 1 für den Fall der Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers eine – nicht analogiefähige (§ 74c Rn 36) – Ausnahme.
II. Keine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers Der Arbeitgeber trägt zudem das Risiko, bei seiner Entscheidung über die Ausübung des Ver- 3 zichtsrechts nach § 75a vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses falsch zu liegen, also eine aus seiner Sicht wirtschaftlich ungüngstige Wahl zu treffen.4 Es ist daher allein Sache des Arbeitgebers, die Feststellungen zu treffen, aus denen sich ein Wegfall seines Interesses am Wettbewerbsverbot ergeben könnte. Der Arbeitnehmer muss ihm nicht zu einer Einsparung der Karenzentschädigung verhelfen. Die Auskunftspflicht nach § 74c Abs. 2 setzt erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein.5 Der Arbeitnehmer ist daher nicht zur Auskunft über seine zukünftige Tätigkeit verpflichtet.6 Hat er sich zu einer solchen Auskunft vertraglich verpflichtet, ist die Verpflichtung unver- 4 bindlich (§ 75d).7 Da die Auskunftsverpflichtung nur unverbindlich und nicht unwirksam ist, ist auch eine auf einer entsprechenden Auskunft des Arbeitnehmers beruhende Verzichtserklärung des Arbeitgebers nicht automatisch unwirksam. Das BAG hat allerdings einen Verzicht unter Berufung auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einem Fall für unwirksam erachtet, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zur Auskunftserteilung über seine zukünftige Tätigkeit veranlasst hatte, aufgrund dieser Auskunft die Entscheidung des Arbeitnehmers durch Informationen über zulässige und unzulässige Tätigkeiten beeinflusst und diese Lage dann zu seinen Gunsten durch die Erklärung des Verzichts auf das Wettbewerbsverbot ausgenutzt hat.8 In solchen Fällen ist freilich vorrangig ein konkludenter „Verzicht auf das Verzichtsrecht“ zu prüfen (Rn 22). Ein Rückgriff auf Treu und Glauben zugunsten des Arbeitnehmers scheidet jedenfalls dann aus, wenn dieser von Anfang an beabsichtigt hatte, sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten; § 242 BGB schützt nur den vertragstreuen Arbeitnehmer.9
III. Anwendungsbereich Der Arbeitnehmer kann zwar nicht verpflichtet werden, dem Arbeitgeber zur Einsparung der 5 Karenzentschädigung zu verhelfen; erfährt aber der Arbeitgeber dennoch (zufällig), dass seine geschäftlichen Interessen zukünftig nicht gefährdet sein werden, so entspricht es dem Zweck 4 5 6 7
LAG Hessen 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, BeckRS 2010, 67131 (unter 4 c aa). Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 601. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 14. BAG 2.12.1968 – 3 AZR 402/67, AP § 74a HGB Nr. 3 (Bl. 2R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 269 m. Anm. Rittner; vgl. auch BAG 26.10.1978 – 3 AZR 649/77, AP § 75a HGB Nr. 3 (Bl. 2) mit dem aufgrund von § 75d zutreffenden Hinweis auf die Unverbindlichkeit, nicht Unwirksamkeit, einer dahingehenden Abrede. Für Unwirksamkeit aber LAG Hessen 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, BeckRS 2010, 67131 (unter 4 c aa); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 602; HWK/Diller10 § 75a HGB Rn 16 ff; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; ErfK/ Oetker22 § 75a HGB Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 96; bei formularvertraglichen Vereinbarungen auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 14.1. 8 BAG 26.10.1978 – 3 AZR 649/77, AP § 75a HGB Nr. 3 (Bl. 2); LAG Hessen 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, BeckRS 2010, 67131 (unter 4 c aa); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 17. 9 LAG Hessen 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, BeckRS 2010, 67131 (unter 4 c bb); zust. BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 14.1. 947
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der Vorschrift, ihm den Verzicht zu ermöglichen.10 Das BAG will demgegenüber das Recht des Arbeitgebers zum Verzicht möglicherweise auf Fälle begrenzen, in denen dessen Interesse am Wettbewerbsverbot unabhängig von der zukünftigen Tätigkeit des Arbeitnehmers weggefallen ist.11 Eine solche einschränkende Deutung des § 75a wäre indessen mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren. Im Übrigen schützt die Vorschrift das legitime Interesse des Arbeitnehmers durch eine zeitlich begrenzte Sicherung des Entschädigungsanspruchs auch nach dem Verzicht des Arbeitgebers. Dadurch wird die Ungewissheit darüber kompensiert, ob das Wettbewerbsverbot in Kraft tritt und ein Anspruch auf eine Karenzentschädigung bestehen wird.12 Ein Verzicht des Arbeitgebers ist auch möglich, wenn das Wettbewerbsverbot unverbind6 lich war, etwa wegen unzureichender Karenzentschädigung.13 Spricht in einem solchen Fall der Arbeitgeber den Verzicht aus, bevor der Arbeitnehmer sein Wahlrecht ausgeübt hat, so entfällt dieses, da das Wettbewerbsverbot schon infolge des Verzichts entfallen ist.14 Hat der Arbeitnehmer sein Wahlrecht schon dahingehend ausgeübt, dass er sich an das Wettbewerbsverbot halten will, so kann der Arbeitgeber versuchen, über einen Verzicht zumindest noch die Wirkung des § 75a zu erreichen.15 Da eine Verzichtserklärung aber nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist, besteht diese Option für den Arbeitgeber nur dann, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht seinerseits schon vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hatte.
B. Anforderungen an die Verzichtserklärung 7 Die Verzichtserklärung des Arbeitgebers ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die gegenüber dem Arbeitnehmer abzugeben ist.16 Eine Zustimmung des Arbeitnehmers ist daher nicht erforderlich.17 Allerdings kommt bei einer Verzichtserklärung, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht, eine Auslegung als bzw. Umdeutung in ein Angebot auf Aufhebung der Wettbewerbsabrede in Betracht, die der Zustimmung durch den Arbeitnehmer bedarf (vgl. Rn 9, 10). Da es sich um ein Gestaltungsrecht handelt, kann auf das Verzichtsrecht nach § 75a auch einseitig verzichtet werden (Rn 22).
I. Inhalt der Erklärung 8 Die Verzichtserklärung ist als einseitiges Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich,18 unwiderruflich19 und muss eindeutig den Willen zur Befreiung des Arbeitnehmers vom Wettbewerbsverbot zum Ausdruck bringen.20 Unwirksam ist deshalb ein Verzicht, bei dem sich der Arbeitgeber
10 Vgl. auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 14.1. 11 BAG 2.12.1968 – 3 AZR 402/67, AP § 74a HGB Nr. 3 (Bl. 2R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 269 m. Anm. Rittner; vgl. dazu auch Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 372 f.
12 Vgl. dazu LAG Baden-Württemberg 12.7.1963 – 7 Sa 45/63, AP § 75a HGB Nr. 2. 13 BAG 19.1.1978 – 3 AZR 573/77, AP § 74 HGB Nr. 36 = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 123 m. Anm. Buchner = SAE 1978, 180 m. Anm. Canaris; LAG Köln 16.12.1999 – 5 Sa 1221/99, MDR 2000, 960; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 570, 595; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38. 14 LAG Köln 16.12.1999 – 5 Sa 1221/99, MDR 2000, 960; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 595. 15 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 595. 16 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 17 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 588; Hopt/Roth41 Rn 1. 18 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 578. 19 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 589. 20 BAG 13.4.1978 – 3 AZR 822/76, AP § 75 HGB Nr. 7 (Bl. 3); LAG Hamm 11.7.2003 – 7 Sa 674/03, LAG-Report 2004, 187. Weber/Gräf
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Rechte aus dem Wettbewerbsverbot vorbehält.21 Auch die bloße Weigerung zur Zahlung einer Karenzentschädigung genügt nicht.22 Eine „Kündigung“ des Wettbewerbsverbots23 oder eine Änderungskündigung des Arbeitsvertrags verbunden mit dem Angebot zum Abschluss eines neuen Vertrags ohne Wettbewerbsverbot können nicht als Verzichtserklärung gedeutet werden.24 Gleiches gilt für die Erklärung der Freistellung des Arbeitnehmers.25 Ob ein teilweiser Verzicht möglich ist, also eine Erklärung des Arbeitgebers, wonach er 9 einseitig das Wettbewerbsverbot zeitlich (dazu auch noch Rn 16), räumlich oder gegenständlich gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung einschränkt, ist zweifelhaft.26 Der Arbeitnehmer würde dann insoweit frei, behielte aber zunächst den Anspruch auf die volle Karenzentschädigung. Dem steht aber zum einen der singuläre Charakter des dem Arbeitgeber in § 75a eingeräumten Gestaltungsrechts entgegen, vor allem aber der Umstand, dass ein Verzicht des Gläubigers auf einen schuldrechtlichen Anspruch grundsätzlich der vertraglichen Vereinbarung bedarf.27 Es gilt daher das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“.28 Demnach kann in der Erklärung eines teilweisen Verzichts nur ein Angebot des Arbeitgebers zur vertraglichen Abänderung der Wettbewerbsabrede gesehen werden, das mit einem Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung des Arbeitnehmers verbunden sein kann (§ 151 Satz 1 BGB).29
II. Zeitpunkt der Erklärung Die einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers, dass er auf das Wettbe- 10 werbsverbot verzichte, kann rechtswirksam nur bis zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgen. Der Arbeitgeber kann deshalb jederzeit während der Dauer des Arbeitsverhältnisses – auch noch gleichzeitig mit der (ordentlichen oder außerordentlichen) Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag – seinen Verzicht erklären.30 Vorzeitige Anfragen des Arbeitnehmers, ob der Arbeitgeber eine Verzichtserklärung abgeben werde, muss dieser nicht beantworten.31 Gibt der Arbeitgeber aber eine Auskunft, etwa die Erklärung, den Verzicht nicht ausüben zu wollen, so ist er daran gebunden32 (vgl. Rn 22). Ausreichend ist bei einer ordentlichen Kündigung auch ein Verzicht, der nach der Kündi- 11 gungserklärung, aber vor Ablauf der Kündigungsfrist abgegeben wird.33 Letzteres gilt selbst
21 22 23 24
BAG 13.4.1978 – 3 AZR 822/76, AP § 75 HGB Nr. 7 (Bl. 3). MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3. LAG Hamm 11.7.2003 – 7 Sa 674/03, LAG-Report 2004, 187; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. BAG 10.9.1985 – 3 AZR 490/83, AP § 74 HGB Nr. 49 (Bl. 2) m. Anm. Beitzke = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 146 m. Anm. Buchner; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 583; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 25 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 26 Dafür Schlegelberger/Schröder Rn 4; dagegen Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 586; Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 80; Grüll/Janert S. 75; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 2; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38; ErfK/Oetker22 § 75a HGB Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 96; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 5; diff. NK-GA/Reinhard2 § 75b Rn 4: gegenständlich (u.B. auf selbständige Tätigkeit) beschränkter Verzicht möglich. 27 Vgl. nur MünchKommBGB/Schlüter8 § 397 Rn 1. 28 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 15. 29 Zur Zulässigkeit einer solchen einvernehmlichen Teilaufhebung des Wettbewerbsverbots Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 15; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 30 Vgl. BAG 17.2.1987 – 3 AZR 59/86, AP § 75a HGB Nr. 4; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 573; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 31 BAG 26.10.1978 – 3 AZR 649/77, AP § 75a HGB Nr. 3; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 600; Grüll/Janert S. 75; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14 (der aber auch eine entsprechende Vereinbarung für unwirksam hält, dazu Rn 19). 32 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 600. 33 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 572; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 949
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dann, wenn der Arbeitgeber sich zunächst bei der Kündigung gemäß § 75 Abs. 2 bereit erklärt hat, dem Arbeitnehmer den vollen Betrag der zuletzt von ihm bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu gewähren.34 12 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann die Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot in der Regel nur durch Vertrag der Parteien aufgehoben werden. Das Wettbewerbsverbot kann in einem solchen Fall mit allen Rechten und Pflichten beider Vertragspartner beendet werden, es kann also – nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses – auch vereinbart werden, dass die Jahresfrist des § 75a für die Weiterzahlung der Karenzentschädigung nicht eingehalten werden muss.35 Ein Aufhebungsvertrag kann auch mündlich abgeschlossen werden (näher dazu § 75 Rn 44). Zur Aufhebung von Wettbewerbsvereinbarungen durch Erledigungserklärungen („Ausgleichsquittungen“) im Rahmen von Aufhebungsverträgen vgl. § 75 Rn 39 ff; zu sonstigen Formen der vorzeitigen Beendigung von Wettbewerbsvereinbarungen § 75 Rn 47 ff. 13 Ein einseitiger Verzicht des Arbeitgebers nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses löst nicht die Rechtsfolge des § 75a aus.36 Der Verzicht kann zwar unter Umständen als Angebot zur nachträglichen einvernehmlichen Aufhebung der Vereinbarung gedeutet werden37 (zur Formfreiheit § 75 Rn 44). Allerdings darf nicht vorschnell von einer konkludenten Annahme durch den Arbeitnehmer ausgegangen werden, soweit es um die Aufhebung seines Anspruchs auf Karenzentschädigung geht.38
III. Form der Erklärung 14 Die Verzichtserklärung des Arbeitgebers muss schriftlich abgegeben werden (§ 126 BGB). Eine mündliche Erklärung kann nur als Angebot zur Aufhebung der Wettbewerbsabrede einschließlich der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung Wirksamkeit erlangen, bedarf dann aber der zumindest konkludenten Annahme durch den Arbeitnehmer.39
C. Wirkung des Verzichts I. Wettbewerbsverbot 15 Die Verzichtserklärung hat die Wirkung, dass der Arbeitnehmer von der künftigen Verpflichtung zur Einhaltung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sofort40 befreit wird. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bleibt allerdings das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 60 noch bestehen, die Verzichtswirkung bezieht sich nur auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot.41 16 Im Schrifttum wird vereinzelt die Auffassung vertreten, der Verzicht könne in der Weise erklärt werden, dass das Wettbewerbsverbot erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegfalle.42 Dem Gesetzeswortlaut lässt sich zwar ein
34 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 570. 35 BSG 9.11.1989 – 11 Rar 75/88, NZA 1990, 541 (542). 36 BAG 31.7.2002 – 10 AZR 513/01 – AP § 74 HGB Nr. 74 (Bl. 3) = EzA § 74 HGB Nr. 63 m. Anm. Gravenhorst DB 2002, 2651; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 573.
37 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 614; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 3; Schlegelberger/Schröder Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 38 Zutr. Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 614; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 3. 39 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 577. 40 BAG 17.2.1987 – 3 AZR 59/86, AP § 75a HGB Nr. 4. 41 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 591. 42 Schlegelberger/Schröder Rn 5. Weber/Gräf
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bestimmter Zeitpunkt für das Wirksamwerden des Verzichts nicht eindeutig entnehmen. Der Zweck des § 75a liegt aber darin, dass der Arbeitnehmer unmittelbar mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses frei disponieren können soll. Die geschilderte Variante einer Verzichtserklärung käme einem unzulässigen Teilverzicht gleich (Rn 9).43
II. Karenzentschädigung Der Arbeitgeber wird von seiner Verpflichtung zur Zahlung der Karenzentschädigung erst frei, 17 wenn die gesetzliche Frist von einem Jahr verstrichen ist – auch wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum eine Konkurrenztätigkeit aufnimmt.44 Maßgeblich für den Fristbeginn („seit der Erklärung“) ist der Zeitpunkt des Zugangs der Verzichtserklärung, nicht derjenige der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.45 Ist demnach die Verzichtserklärung dem Arbeitnehmer am 15. Mai zugegangen und endet das Arbeitsverhältnis am 30. Juni desselben Jahres, so hat der Arbeitgeber die Karenzentschädigung bis zum 15. Mai des nächsten Jahres, also für 10 ½ Monate, zu zahlen. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (im Beispiel: 30. Juni) ist nicht etwa eine Karenzentschädigung, sondern die arbeitsvertragliche Vergütung zu zahlen.46 Ist die Verzichtserklärung des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer schon ein Jahr vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder noch früher zugegangen, so entfällt die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers vollständig; das nachvertragliche Wettbewerbsverbot erlangt dann insgesamt keinerlei praktische Wirksamkeit.47 Die Jahresfrist ist gesetzlich vorgegeben. Sie verkürzt sich deshalb nicht verhältnismäßig, 18 wenn das Wettbewerbsverbot nur für eine Laufzeit von beispielsweise einem Jahr vereinbart wurde.48 Liegt allerdings die Laufzeit des Wettbewerbsverbots unter einem Jahr, so ist der Arbeitgeber im Falle eines Verzichts nicht etwa verpflichtet, gleichwohl ein Jahr Karenzentschädigung zu zahlen.49 Die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung entfällt mit sofortiger Wirkung, wenn 19 der Arbeitgeber im Anschluss an einen bereits erklärten Verzicht das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund wegen vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers kündigt.50 Eine solche Kündigung berechtigt den Arbeitgeber in entsprechender Anwendung von § 75 Abs. 1 zur Beseitigung der Unterlassungspflicht des Arbeitnehmers und damit zugleich seiner eigenen Karenzentschädigungspflicht durch eine Erklärung binnen Monatsfrist (§ 75 Rn 20 ff). Mit dem vorangegangenen Verzicht des Arbeitgebers ist diese Unterlassungspflicht schon endgültig beseitigt. Mit der auf vertragswidrigem Verhalten des Arbeitnehmers beruhenden Kündigung des 43 Im Ergebnis auch LAG Hamm 11.7.2003 – 7 Sa 674/03, LAG-Report 2004, 187; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 578, 587; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 81; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38. 44 BAG 25.10.2007 – 6 AZR 662/06, AP § 12 KSchG 1969 Nr. 3 (Rn 26 ff); ErfK/Oetker22 § 75a HGB Rn 4; Hopt/Roth41 Rn 1. 45 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 11, 13; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; Schaub/Vogelsang ArbRHdb19 § 55 Rn 96; vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg 15.12.2016 – 5 Sa 1620/16, BeckRS 2016, 115376 (Rn 22 ff), wo allerdings – wohl missverständlich – nicht vom Zugang, sondern von der „Abgabe“ der Verzichtserklärung die Rede ist; aA ErfK/Oetker22 § 75a HGB Rn 4 mit dem Verweis auf BAG 25.10.2007 – 6 AZR 662/06, AP § 12 KSchG 1969 Nr. 3 (Rn 26); die dortige Formulierung des Gerichts („wenn der Arbeitnehmer innerhalb der Jahresfrist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Konkurrenztätigkeit ausübt“) ist allerdings so nicht zu verstehen. 46 BAG 25.10.2007 – 6 AZR 662/06, AP § 12 KSchG 1969 Nr. 3 (Rn 27). 47 Vgl. z.B. BAG 3.7.1990 – 3 AZR 96/89, AP § 74 HGB Nr. 61 (Bl. 1R f) m. Anm. van Venrooy; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75a Rn 12; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4. 48 LAG Rheinland-Pfalz 26.2.1998 – 7 (8) Sa 297/97, LAGE § 75a HGB Nr. 1; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 593; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38; ErfK/Oetker22 § 75a HGB Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 49 LAG Rheinland-Pfalz 26.2.1998 – 7 (8) Sa 297/97, LAGE § 75a HGB Nr. 1; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 593; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 38. 50 BAG 17.2.1987 – 3 AZR 59/86, AP § 75a HGB Nr. 4. 951
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Arbeitsverhältnisses endet wegen des schon weggefallenen Wettbewerbsverbots auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung, ohne dass es einer weiteren Ausübung des Wahlrechts aus § 75 Abs. 1 – für das ja tatsächlich gar kein Raum mehr besteht – bedarf (§ 75 Rn 26). 20 Auf die vom Arbeitgeber während der Jahresfrist zu zahlende Entschädigung muss sich der Arbeitnehmer anderweitigen Verdienst nach § 74c anrechnen lassen.51
D. Abweichende Vereinbarungen 21 Nach § 75d Satz 1 kann sich der Arbeitgeber nicht auf eine Vereinbarung berufen, durch die von der Vorschrift des § 75a zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen wird. Die Parteien können deshalb vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Vereinbarung mit dem Inhalt treffen, dass der Karenzentschädigungsanspruch im Fall des Verzichts des Arbeitgebers vollständig oder vor Ablauf eines Jahres nach Zugang der Verzichtserklärung wegfällt oder aber der Höhe nach reduziert wird. Gleiches gilt für die vertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Auskunftserteilung über ein zukünftiges Arbeitsverhältnis, die dem Arbeitgeber die Einsparung eines Teils der Entschädigungszahlung ermöglichen soll (Rn 4).52 Unverbindlich ist auch eine Vereinbarung, die dem Arbeitgeber den Verzicht noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht.53 Zu bedingten Wettbewerbsverboten vgl. § 74 Rn 63 ff. 22 Dagegen kann eine für den Arbeitnehmer vorteilhafte Abweichung von § 75a vereinbart werden. So können die Parteien z.B. das Verzichtsrecht des Arbeitgebers vertraglich ausschließen oder einschränken.54 Fehlt es an einem vertraglichen Ausschluss, hat der Arbeitgeber aber immerhin den Eindruck erweckt, er werde von seinem Verzichtsrecht nach § 75a keinen Gebrauch machen, soll dem Arbeitnehmer nach verbreiteter Ansicht der Einwand des widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB (venire contra factum proprium) zustehen, wenn der Arbeitgeber später dennoch den Verzicht nach § 75a erklärt.55 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach allgemeinen Grundsätzen auf ein Gestaltungsrecht – anders als auf schuldrechtliche Ansprüche (vgl. Rn 9) – auch einseitig verzichtet werden kann.56 Dies muss auch für das Gestaltungsrecht aus § 75a gelten.57 Lässt sich hinsichtlich eines solchen „Verzichts auf das Verzichtsrecht“ nicht der erforderliche rechtgeschäftliche Wille des Arbeitgebers feststellen, darf dies nicht mittels Rückgriffs auf § 242 BGB unterlaufen werden; ein solcher kann damit allenfalls in besonders gelagerten Fallgestaltungen in Betracht kommen (vgl. Rn 4). Ein weiterer Fall einer für den Arbeitnehmer vorteilhaften Abweichung von § 75a liegt in der vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer bis zu einem vereinbarten Zeitpunkt Auskunft darüber zu geben, ob er von seinem Verzichtsrecht Gebrauch machen wird; auch eine solche Vereinbarung ist zulässig.58 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht auch einer Einigung der Parteien über 23 eine Einschränkung zum Nachteil des Arbeitnehmers nichts entgegen (vgl. auch Rn 12).
51 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 596. 52 BAG 2.12.1968 – 3 AZR 402/67, AP § 74a HGB Nr. 3 (Bl. 2R) m. Anm. Hofmann = SAE 1969, 269 m. Anm. Rittner; vgl. auch BAG 26.10.1978 – 3 AZR 649/77, AP § 75a HGB Nr. 3 (Bl. 2).
53 BAG 16.12.1986 – 3 AZR 73/86, AP § 74 HGB Nr. 53 (Bl. 1R f) m. Anm. Hadding/Hammen; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 574; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7 (der aber von Unwirksamkeit spricht). 54 Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 6; MünchKomm-HGB/Thüsing5 Rn 10. 55 BAG 26.10.1978 – 3 AZR 649/77, AP § 75a HGB Nr. 3 (unter 2); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 6; MünchKomm-HGB/Thüsing5 Rn 10; unklar Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5. 56 MünchKommBGB/Schlüter8 § 397 Rn 19; BeckOGK-BGB/Wolber (1.7.2022) § 397 Rn 21. 57 Vgl. GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 79. 58 AA Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6; MünchKomm-HGB/Thüsing5 Rn 14. Weber/Gräf
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§ 75b (aufgehoben) 1
Ist der Gehilfe für eine Tätigkeit außerhalb Europas angenommen, so ist die Verbindlichkeit des Wettbewerbverbots nicht davon abhängig, daß sich der Prinzipal zur Zahlung der in § 74 Abs. 2 vorgesehenen Entschädigung verpflichtet. 2Das gleiche gilt, wenn die dem Gehilfen zustehenden vertragsmäßigen Leistungen den Betrag von achttausend Deutsche Mark für das Jahr übersteigen; auf die Berechnung des Betrags der Leistungen finden die Vorschriften des § 74b Abs. 2 und 3 entsprechende Anwendung.
Die nach § 74 Abs. 2 notwendige Karenzentschädigung war gemäß § 75b bei Handlungsgehilfen, 1 die außerhalb Europas tätig sind (Satz 1), und für Hochbesoldete (Satz 2) nicht erforderlich. Beide Ausnahmen beruhten auf der Vorstellung des Reichsgesetzgebers von dem in diesen Fällen vermeintlich fehlenden erheblichen und schutzwürdigen Interesse des Handlungsgehilfen an einer bezahlten Karenz.1 Satz 1 der Vorschrift wurde indessen durch Urteil des BAG vom 16.10.1980 für nichtig,2 Satz 2 nach bereits zuvor wiederholt geäußerten Zweifeln3 an seiner Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz durch Urteil vom 5.12.19694 für verfassungswidrig erklärt.5 § 75b Satz 2 galt nach den Vorschriften des Einigungsvertrages bereits nicht mehr in den neuen Bundesländern.6 Mit Wirkung vom 1.1.2002 wurde § 75b insgesamt aufgehoben.7
1 Vgl. dazu BAG 16.10.1980 – 3 AZR 202/79, AP § 75b HGB Nr. 15 (Bl. 2) m. Anm. Reuter = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 128 m. Anm. Buchner = SAE 1981, 232 m. Anm. Leipold.
2 BAG 16.10.1980 – 3 AZR 202/79, AP § 75b HGB Nr. 15 (Bl. 2) m. Anm. Reuter. 3 BAG 6.12.1968 – 3 AZR 251/67, AP § 75b HGB Nr. 8 = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Entsch 63 m. Anm. Diederichsen/Görg = SAE 1968, 101 m. Anm. Beitzke; 30.5.1969 – 3 AZR 188/68, AP § 75b HGB Nr. 9 m. Anm. Wiedemann. 4 BAG 5.12.1969 – 3 AZR 514/68, AP § 75b HGB Nr. 10 m. krit. Anm. Beitzke = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 72 m. Anm. Diederichsen = AuR 1971, 214 m. Anm. Dorndorf = SAE 1971, 1 m. Anm. Kraft; zur fehlenden Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung BAG 2.10.1975 – 3 AZR 28/75, AP § 75b HGB Nr. 14 (Bl. 2R, 3) m. Anm. Beitzke = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 116 m. Anm. Buchner = AuR 1976, 156 m. Anm. Moritz = SAE 1977, 128 m. Anm. Canaris. 5 Näher Staub/Konzen/Weber4 § 74b Rn 2 ff. 6 Vgl. Anl. I Kap III Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1 und Anl. I Kap VIII Sachgeb. A Abschn. III Nr. 2 zum Einigungsvertrag (BGBl. II 1990, 889, 959, 1020). 7 Vgl. Art. 24 des 4. EuroEG 2000 v. 21.12.2000, BGBl. I S. 1983. 953 https://doi.org/10.1515/9783111097510-063
Weber/Gräf
§ 75c [Vertragsstrafe] (1)
1
Hat der Handlungsgehilfe für den Fall, daß er die in der Vereinbarung übernommene Verpflichtung nicht erfüllt, eine Strafe versprochen, so kann der Prinzipal Ansprüche nur nach Maßgabe der Vorschriften des § 340 des Bürgerlichen Gesetzbuchs geltend machen. 2Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe bleiben unberührt. (2) Ist die Verbindlichkeit der Vereinbarung nicht davon abhängig, daß sich der Prinzipal zur Zahlung einer Entschädigung an den Gehilfen verpflichtet, so kann der Prinzipal, wenn sich der Gehilfe einer Vertragsstrafe der in Absatz 1 bezeichneten Art unterworfen hat, nur die verwirkte Strafe verlangen; der Anspruch auf Erfüllung oder auf Ersatz eines weiteren Schadens ist ausgeschlossen.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht 1
3.
A.
Normzweck
B.
Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung
I.
Akzessorietät
II.
Formerfordernis
III.
AGB-Kontrolle
C.
Rechte des Arbeitgebers aus § 340 11 BGB
I. 1. 2.
4. II.
Vertragsstrafe als Mindestschaden (§ 340 Abs. 2 18 BGB)
III.
Abweichende Vereinbarungen
D.
Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe (§ 75c Abs. 1 Satz 2)
I.
Verweis auf § 343 BGB
II.
Keine Geltung des § 343 BGB bei Verstoß gegen 25 § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB
E.
Vertragsstrafe bei einem Wettbewerbsverbot ohne Entschädigungspflicht (§ 75c 26 Abs. 2)
2 3 4
Wahlrecht aus § 340 Abs. 1 Satz 1 BGB Keine Vertragsstrafe neben der Erfüllung des 12 Wettbewerbsverbots Mehrfache Verwirkung der Vertrags13 strafe
Dauerverstoß gegen das Wettbewerbsver14 bot 17 Vertragsstrafenregelungen in AGB
19
20
A. Normzweck 1 § 75c bezieht sich auf den besonderen Fall, dass der Arbeitnehmer sich unter dem Versprechen einer Vertragsstrafe an das Wettbewerbsverbot gebunden hat (zur Unzulässigkeit solcher Vereinbarungen bei Auszubildenden vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG).1 Auf diese Weise soll die Einhaltung und Erfüllung des Wettbewerbsverbots durch den Arbeitnehmer gesichert, darüber hinaus auch der Schadensausgleich im Falle eines Verstoßes des Arbeitnehmers gegen das Wettbe-
1 Vgl. auch § 90 Abs. 1 Nr. 3 Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes (aktualisierte Fassung: Beilage zu NZA 21/2007). Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-064
954
Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75c
werbsverbot erleichtert werden (vgl. § 340 Abs. 2 BGB); denn der Schaden aus einem Wettbewerbsverstoß ist in der Praxis häufig nur schwer nachzuweisen bzw. zu beziffern.2
B. Wirksamkeit der Vertragsstrafenvereinbarung I. Akzessorietät Aus dem Zweck der Erfüllungssicherung folgt die Akzessorietät des Vertragsstrafenverspre- 2 chens: Die Unwirksamkeit oder der Wegfall des zu sichernden Wettbewerbsverbots, z.B. zum Ende der Karenzzeit, hat die Unwirksamkeit des Vertragsstrafenversprechens zur Folge (vgl. auch § 344 BGB).3 Auch bei einem unverbindlichen Wettbewerbsverbot kann die Vertragsstrafe grundsätzlich nicht verwirkt werden, da ansonsten das Wahlrecht des Arbeitnehmers (Vor § 74 Rn 20, § 74 Rn 18, 59 ff, § 74a Rn 29) leerlaufen würde.4 Ein Anspruch aus der Vertragsstrafenabrede besteht allerdings, wenn sich der Arbeitnehmer dazu entschieden hatte, sich nicht auf die Unverbindlichkeit zu berufen (vgl. § 74 Rn 61, § 74a Rn 29).5 Umgekehrt bewirkt die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenklausel nicht etwa die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots insgesamt.6
II. Formerfordernis Eine besondere Form ist für die Übernahme der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Zahlung 3 der Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot an sich nicht vorgeschrieben. Allerdings ist die Vertragsstrafenabrede angesichts ihres akzessorischen Charakters als Teil des Inhalts der Vereinbarung über das Wettbewerbsverbot anzusehen, für den deshalb die Formvorschrift des § 74 Abs. 1 gilt.7 Die Abrede bedarf demnach, um Rechtswirksamkeit zu erlangen, der Schriftform und der Aushändigung einer von dem Arbeitgeber unterzeichneten Urkunde (vgl. § 74 Rn 6 ff). In der Regel wird sich die Erfüllung dieser Formerfordernisse von selbst ergeben, da die Vertragsstrafenabrede üblicherweise mit den übrigen Bestimmungen über das Wettbewerbsverbot verbunden wird. Das Schriftformerfordernis gilt aber auch, wenn der Wettbewerbsabrede nachträglich eine Vertragsstrafe hinzugefügt werden soll.8
III. AGB-Kontrolle Vertragsstrafen in Formulararbeitsverträgen unterliegen seit der Schuldrechtsreform von 2002 4 der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff BGB (vgl. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB).9 Anders als im Hin2 Vgl. etwa Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 198; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 1. 3 LAG Frankfurt 5.3.1990 – 10/2 Sa 1114/89, LAGE § 74 HGB Nr. 5; vgl. auch BAG 22.11.1965 – 3 AZR 130/65, AP § 611 BGB Abwerbung Nr. 1 m. Anm. A. Hueck = SAE 1966, 135 m. Anm. F. Bydlinski: Unwirksamkeit der Vertragsstrafe bei unzulässigem Wettbewerbsverbot und unzulässiger Kündigungsbeschränkung; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 4 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 1. 5 LAG Frankfurt 5.3.1990 – 10/2 Sa 1114/89, LAGE § 74 HGB Nr. 5; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 933; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 15. 6 BAG 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, AP § 74 HGB Nr. 79 (Bl. 4). 7 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 932; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 202; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 96; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 4. 8 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 2. 9 Vgl. dazu etwa Hauck NZA 2006, 816; Preis/Roloff ZFA 2007, 43 (71 f); Preis/Stoffels AR-Blattei SD 1710 Rn 74 ff; Wensing/Niemann NJW 2007, 401. 955
Weber/Gräf
§ 75c
1. Buch. Handelsstand
blick auf das Wettbewerbsverbot selbst (Vor § 74 Rn 32 ff) werden die Vorschriften über die AGBInhaltskontrolle im Hinblick auf die Vertragsstrafenabrede auch nicht durch vorrangige Wertungen der § 74 ff verdrängt; insbesondere stellt § 343 BGB i.V.m. § 75c Abs. 1 Satz 2 keine Sonderregelung gegenüber § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (näher Rn 25). 5 Da solche Regelungen nicht generell ungewöhnlich sind, verstoßen sie nicht gegen § 305c Abs. 1 BGB, solange sie nicht an unerwarteter Stelle verortet sind.10 § 309 Nr. 6 BGB ist bei Vertragsstrafen wegen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots schon seinem Wortlaut nach nicht einschlägig.11 Anders als bei sonstigen Wettbewerbsverboten in Arbeitsverträgen kommt es darauf, dass sich aus § 888 Abs. 3 ZPO Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) ergeben und diese einer Anwendung des § 309 Nr. 6 BGB entgegenstehen,12 in Bezug auf Wettbewerbsverbote nach § 75c damit nicht an.13 Für die Inhaltskontrolle ist damit nur die Generalklausel des § 307 BGB maßgeblich.14 In 6 der Vereinbarung einer Vertragsstrafe wegen Verstoßes gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot liegt nicht schon generell eine unangemessene Benachteiligung. Denn angesichts der oben genannten Vertragsstrafenzwecke besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Verwendung solcher Regelungen.15 Die Kontrolle beschränkt sich daher regelmäßig auf die konkrete Ausgestaltung der Vertragsstrafenregelung. Allgemein fordert das BAG bei Vertragsstrafenklauseln im Arbeitsrecht dabei einen strengen Kontrollmaßstab zum Schutze der Arbeitnehmer.16 Eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (Transparenzgebot) 7 liegt nach der Rechtsprechung des BAG vor, wenn die strafauslösende Pflichtverletzung nur allgemein bezeichnet ist. Der Arbeitnehmer muss sich darauf einstellen können, welche konkrete Pflichtverletzung die Vertragsstrafe auslöst.17 Auf Vertragsstrafenregelungen, die an nachvertragliche Wettbewerbsverbote anknüpfen, lässt sich diese strenge Judikatur nicht ohne weiteres übertragen. Denn die Reichweite des Wettbewerbsverbots bedarf nicht selten der Auslegung. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Wettbewerbsverbot oft erst nach vielen Jahren seine Wirkung entfaltet und daher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine präzise Inhaltsbestimmung im Einklang mit § 74a Abs. 1 Satz 1 und 2 nur begrenzt möglich ist (vgl. bereits Vor § 74 Rn 42, § 74a Rn 5). Bleiben Unklarheiten, sollte man diese nicht vorschnell auf die Wirksamkeit der Vertragsstrafenklausel ausstrahlen lassen. Vielmehr kann es ausreichen, in solchen Fällen im Rahmen der Auslegung die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB heranzuziehen und ggf. bereits einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot abzulehnen. Kein Grund für eine Relativie10 Vgl. dazu auch BAG 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP § 74 HGB Nr. 78 (Bl. 2R ff) unter Aufhebung von LAG Hamm 10.9.2004 – 7 Sa 918/04, LAGE § 305c BGB 2002 Nr. 2; BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 21 f); 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP § 307 BGB Nr. 49 (Rn 54 f); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 930; BeckOGK-HGB/ Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 5. 11 Vgl. BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, AP § 336 BGB Nr. 1 (Bl. 3) = SAE 2006, 275 m. Anm. Schöne; 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 23); Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 200; i.E. zust. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 925; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 76. 12 Vgl. BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 m. Anm. v. Koppenfels-Spies = EzA § 309 BGB 2002 Nr. 1 m. Anm. Thüsing/Lederer = SAE 2005, 148 m. Anm. Hümmerich; 19.8.2010 – 8 AZR 645/09, AP § 307 BGB Nr. 49 (Rn 38); 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, AP § 309 BGB Nr. 6 (Rn 11). 13 Ebenso BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 6; vgl. aber Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 926; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 76, die darauf hinweisen, dass § 75c als arbeitsrechtliche Besonderheit die grundsätzliche Zulässigkeit von Vertragsstrafen bei Wettbewerbsverboten dokumentiere. 14 Ausf. hierzu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 929 ff, 938 ff; BeckOGK-BGB/Fehrenbach (1.5.2022) § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn 130 ff. 15 BeckOGK-BGB/Fehrenbach (1.5.2022) § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn 131. 16 BAG 17.3.2016 – 8 AZR 665/14, AP § 309 BGB Nr. 6 (Rn 11). 17 BAG 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, AP § 307 BGB Nr. 3 = SAE 2006, 16 m. Anm. Bauer/Krieger; LAG MecklenburgVorpommern 20.1.2015 – 2 Sa 59/14, BeckRS 2015, 70993 (Rn 44). Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75c
rung der Transparenzmaßstäbe besteht hingegen im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Pflichtverstoßes, die für den Arbeitnehmer klar erkennbar sein müssen. Dies ist etwa nicht der Fall, wenn die Höhe der Vertragsstrafe unbestimmt und die Festlegung der genauen Höhe dem Arbeitgeber überlassen bleibt (vgl. dazu Rn 17).18 Die Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit richtet sich nach § 307 Abs. 1 Satz 1 8 BGB. Hier geht es insbesondere um die Kontrolle der Höhe der Formularvertragsstrafe. Auch insofern lassen sich allerdings die in der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätze, die auf Vertragsstrafen im laufenden Arbeitsverhältnis zugeschnitten sind, nicht schematisch auf das nachvertragliche Wettbewerbsverbot übertragen. Das BAG scheint dies tendenziell ebenso zu sehen, wenn es betont, dass bei Wettbewerbsverstößen höhere Schäden drohen als bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer.19 Die Grenze von maximal einem Monatsgehalt20 erscheint angesichts der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers und der bisherigen Rechtsprechung, wonach die Vertragsstrafe sogar die Höhe der Karenzentschädigung überschreiten könne,21 im vorliegenden Zusammenhang daher unbrauchbar.22 Eine unangemessene Benachteiligung stellt es allerdings dar, wenn die Höhe der Vertragsstrafe den zu erwartenden Schaden unverhältnismäßig übersteigt.23 Zudem kann sich eine unangemessene Benachteiligung aus der Kumulation der Vertragsstrafen für Einzelverstöße ergeben,24 sodass es in der Regel einer Summenobergrenze bedarf.25 Bei einem Verstoß gegen § 307 BGB lehnt das BAG eine geltungserhaltende Reduktion 9 ab.26 Dazu, dass § 343 BGB in diesem Fall nicht zum Zuge kommt ist, vgl. Rn 25. 10 Zum gesetzlichen Wettbewerbsverbot vgl. § 61 Rn 42.
C. Rechte des Arbeitgebers aus § 340 BGB Ein Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Unterlassungspflicht aus dem Wettbewerbsverbot 11 zieht grundsätzlich die Anwendbarkeit der Regeln über Leistungsstörungen im gegenseitigen Vertrag nach sich. Bei Verschulden des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber insbesondere die Rechte aus § 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 283 BGB geltend machen (§ 74 Rn 85 ff, insb. Rn 88). Für den Fall der schuldhaften27 Verwirkung einer vom Arbeitnehmer bei Verletzung des Wettbe-
18 BAG 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, AP § 336 BGB Nr. 1 (Bl. 3) = SAE 2006, 275 m. Anm. Schöne; speziell zur Vertragsstrafe bei Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 26 ff). 19 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP § 307 BGB Nr. 39 (Rn 59). 20 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 m. Anm. v. Koppenfels-Spies. 21 BAG 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c HGB Nr. 1 m. Anm. H. P. Westermann = SAE 1972, 154 m. Anm. Beuthien. 22 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 939, die insofern auf die arbeitsrechtlichen Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB verweisen und „nur wirklich evident überzogene“ Vertragsstrafenregelungen an § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitern lassen möchten; für einen großzügigeren Maßstab bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten auch BeckOGK-BGB/Fehrenbach (1.5.2022) § 307 Wettbewerbsverbotsklausel Rn 137. 23 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 60) m. Anm. v. Koppenfels-Spies; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 3; vgl. auch LAG Hamm 3.11.2006 – 7 Sa 1232/06, BeckRS 2007, 43975 (unter II) zum gesetzlichen Wettbewerbsverbot eines Handelsvertreters. 24 Vgl. LAG Hamm 3.11.2006 – 7 Sa 1232/06, BeckRS 2007, 43975 (unter II). 25 Vgl. die entsprechenden Gestaltungsempfehlungen von Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 944; BeckOGKHGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 13 f; Lingemann/Gottschalk DStR 2011, 774 (778); vgl. auch Günther/Nolde NZA 2012, 62 (68). 26 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 63 ff) m. Anm. v. Koppenfels-Spies; speziell zur Vertragsstrafe bei Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 34). 27 BGH 29.6.1972 – II ZR 101/70, NJW 1972, 1893; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 955, BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 27; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski 957
Weber/Gräf
§ 75c
1. Buch. Handelsstand
werbsverbots versprochenen Vertragsstrafe räumt Abs. 1 Satz 1 dem Arbeitgeber die Geltendmachung der Rechte aus § 340 BGB ein. Ob der Arbeitnehmer durch einen Wettbewerbsverstoß tatsächlich auch die versprochene Vertragsstrafe verwirkt hat – etwa bei einer nur einmaligen geringfügigen Zuwiderhandlung –, ist Auslegungssache.28 Im Rahmen von AGB ist dabei zugunsten des Arbeitnehmers die Unklarheitenregel nach § 305c Abs. 2 BGB zu beachten.
I. Wahlrecht aus § 340 Abs. 1 Satz 1 BGB 1. Keine Vertragsstrafe neben der Erfüllung des Wettbewerbsverbots 12 § 340 Abs. 1 Satz 1 BGB erlaubt dem Arbeitgeber, vom Arbeitnehmer wahlweise die Entrichtung der vereinbarten und verwirkten Vertragsstrafe oder aber die Erfüllung des Wettbewerbsverbots und damit die Unterlassung – weiterer – Konkurrenz zu verlangen. Er kann für ein und denselben Wettbewerbsverstoß nicht – wie im Fall des § 341 BGB – die verwirkte Strafe neben der Unterlassung geltend machen. Entscheidet er sich dafür, den Arbeitnehmer auf Zahlung der Vertragsstrafe in Anspruch zu nehmen, so ist sein Erfüllungsanspruch gemäß § 340 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen.29 Wegen des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot kann der Arbeitgeber in diesem Fall keine Unterlassung mehr verlangen30 (vgl. aber Rn 13 ff). Umgekehrt kann der Arbeitgeber auch nicht nachträglich und wegen derselben Verletzung des Wettbewerbsverbots zum Anspruch auf die Vertragsstrafe übergehen, nachdem er zuvor Unterlassung gefordert und der Arbeitnehmer sich wieder an das Wettbewerbsverbot gehalten hat.31
2. Mehrfache Verwirkung der Vertragsstrafe 13 Da ein Wettbewerbsverbot als Unterlassungsgebot grundsätzlich einer mehrfachen Zuwiderhandlung fähig ist, wird die Vertragsstrafenvereinbarung in der Regel in der Weise getroffen, dass jede Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers gegen das noch wirksame Wettbewerbsverbot die Pflicht zur Zahlung der Vertragsstrafe auslöst.32 Derartige Regelungen stellen keine nach § 75d unzulässigen Abweichungen von § 75c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 340 BGB dar, sondern sind zulässig33 (vgl. allerdings zu Summenobergrenzen Rn 8). Der Wortlaut des § 340 Abs. 1 Satz 2 BGB steht dem nicht entgegen. Das berechtigte Vertragsstrafenverlangen des Arbeitgebers hat nämlich nicht in jedem Fall den endgültigen Ausschluss seines gesamten Unterlassungsanspruches zur Folge. Lautet die Vereinbarung wie oben beschrieben, so heißt dies, dass die Vertragsstrafe bei jedem neuen Verstoß des Arbeitnehmers verwirkt ist und dementsprechend auch jedes Rn 9. Zutr. betont Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5, dass ein Unrechtsbewusstsein nicht erforderlich ist, mit Verweis auf BAG 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c Nr. 1 (unter 3 c): keine Entlastung des Arbeitnehmers durch den Vortrag, er habe die Konkurrenztätigkeit „für harmlos halten dürfen“. 28 Vgl. dazu BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c HGB Nr. 1 m. Anm. H. P. Westermann = SAE 1972, 154 m. Anm. Beuthien; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 2. 29 BAG 16.1.1970 – 3 AZR 429/68, AP § 74a HGB Nr. 4 (Bl. 3R) m. Anm. Hofmann = SAE 1971, 65 m. Anm. Herschel; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5. 30 RG 23.1.1926 RGZ 112, 361, 366. 31 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 968; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 12. 32 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c HGB Nr. 1 m. Anm. H. P. Westermann = SAE 1972, 154 m. Anm. Beuthien; 26.1.1973 – 3 AZR 233/72, AP § 75 HGB Nr. 4 m. Anm. Lindacher = SAE 1974, 73 m. Anm. Beitzke; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 99; Hopt/Roth41 Rn 3; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 107. 33 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 966; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 458; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 28; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75c
Mal ein neues Wahlrecht des Arbeitgebers aus § 340 Abs. 1 Satz 1 BGB auslösen soll. Der Arbeitgeber ist deshalb auch nicht daran gehindert, vom Arbeitnehmer, der während der Karenzzeit eine Konkurrenztätigkeit ausgeübt hat, für die Zeit der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsverbot die Vertragsstrafe und für den verbleibenden Teil der Karenzzeit Unterlassung zu verlangen, wenn der Arbeitnehmer die Zahlung einer Vertragsstrafe für jede Verletzung des Wettbewerbsverbots versprochen hat.34
3. Dauerverstoß gegen das Wettbewerbsverbot Möglich ist auch eine Vertragsstrafenvereinbarung des Inhalts, dass die Vertragsstrafe bei Fällen 14 des Dauerverstoßes für jeden Monat, in dem die Verstöße vorkommen, verwirkt wird.35 Auf diese Weise können die Fälle erfasst werden, in denen der Arbeitnehmer fortdauernd, insbesondere durch die dauerhafte Ausübung einer Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen des Arbeitgebers, gegen das Wettbewerbsverbot verstößt. Eine Vertragsstrafenvereinbarung, wonach jede Verletzung der Wettbewerbsabrede eine 15 neue Verwirkung der Vertragsstrafe mit sich bringt, bereitet demgegenüber für Fälle des Dauerverstoßes Schwierigkeiten. Das BAG hält eine solche Vereinbarung insofern für lückenhaft, als nicht geregelt ist, welche Vertragsstrafe bei einem Dauerarbeitsverhältnis des Arbeitnehmers verwirkt ist, und versucht diese Lücke durch eine ergänzende Auslegung der vertraglichen Vereinbarung unter Berücksichtigung der Parteiinteressen zu schließen.36 Maßgebliche Bedeutung gewinnt dabei die Relation zwischen der vereinbarten Vertragsstrafe und der Höhe der dem Arbeitnehmer insgesamt zustehenden Karenzentschädigung: Übersteigt die Summe der Karenzentschädigung die vereinbarte Vertragsstrafe deutlich, so liegt es nahe, dass die einmalige Zahlung dieser Vertragsstrafe durch den Arbeitnehmer nach dem übereinstimmenden Parteiwillen nicht den Erfüllungsanspruch des Arbeitgebers insgesamt zum Erlöschen bringen soll.37 Die Auslegung der Vereinbarung kann deshalb ebenfalls eine von dem fortdauernd gegen das Wettbewerbsverbot verstoßenden Arbeitnehmer monatlich neu verwirkte Vertragsstrafe ergeben.38 Der Auslegung bedarf bei einem Dauerverstoß gegen das Wettbewerbsverbot ferner eine 16 Vertragsstrafenregelung, die ohne nähere Konkretisierung „für den Fall des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot“ gelten soll, wenn die Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers sich auf einen Teil der Karenzzeit beschränkt.39 Es kommt dabei darauf an, ob die Parteien die Vertragsstrafe nur für den Fall einer die ganze Karenzzeit überdauernden Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers vereinbaren wollten. Nach dem Zweck eines Wettbewerbsverbots und der zu seiner Sicherung abgeschlossenen Vertragsstrafenabrede liegt es näher, dass schon eine vorübergehende, die Interessen des Arbeitgebers aber nicht minder verletzende Konkurrenztätigkeit die Verwirkung der Vertragsstrafe mit sich bringen soll. Deren Höhe ist dann zwar nicht pro rata temporis zu bestimmen, kann aber nach § 343 BGB durch das Gericht unter Berücksichtigung des Gewichts der Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers reduziert werden.40
34 BAG 26.1.1973 – 3 AZR 233/72, AP § 75 HGB Nr. 4 (Bl. 4R) m. Anm. Lindacher = SAE 1974, 73 m. Anm. Beitzke; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 966; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 459; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8. 35 Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 458; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 36 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld; vgl. auch LAG Baden-Württemberg 6.11.1972 – 7 Sa 90/72, BB 1973, 40 (41) m. krit. Anm. Trinkner; Bauer/ Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 957 f. 37 Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 10. 38 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 (Bl. 2) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 39 BAG 30.4.1971 – 3 AZR 259/70, AP § 340 BGB Nr. 2 m. Anm. Diederichsen = SAE 1972, 93 m. Anm. Beitzke. 40 BAG 30.4.1971 – 3 AZR 259/70, AP § 340 BGB Nr. 2 (Bl. 4R) m. Anm. Diederichsen = SAE 1972, 93 m. Anm. Beitzke; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 959
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4. Vertragsstrafenregelungen in AGB 17 Insgesamt empfiehlt sich deshalb die ausdrückliche vertragliche Regelung der Frage, ob, wie oft und in welcher Höhe die Vertragsstrafe bei einem Einzel- oder Dauerverstoß oder bei mehrfacher Verletzung des Wettbewerbsverbots verwirkt sein soll. Bei formularvertraglichen Vertragsstrafenregelungen ist dabei darauf zu achten, dass der Rechtsprechung des BAG Genüge getan wird, die mit Blick auf § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für die ausreichende Bestimmtheit einer Vertragsstrafenregelung verlangt, dass die zu leistende Strafe ihrer Höhe nach klar und bestimmt ist. Wird in einer Vertragsstrafenklausel etwa festgelegt, dass der Arbeitgeber „für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei durchschnittlichen Brutto-Monatseinkommen“ verlangen kann, ferner, dass „im Falle einer dauerhaften Verletzung des Wettbewerbsverbots jeder angebrochene Monat als erneute Verletzungshandlung“ gilt, so genügt dies den Anforderungen der Rechtsprechung nicht, weil die Abgrenzung zwischen „Einzelverstößen“ und „Dauerverstößen“ nicht näher erläutert wurde.41
II. Vertragsstrafe als Mindestschaden (§ 340 Abs. 2 BGB) 18 Gemäß § 340 Abs. 2 BGB kann der Arbeitgeber, wenn er Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach §§ 280 ff BGB (§ 74 Rn 88) verlangt, diesen Anspruch auch über die Höhe der Vertragsstrafe hinaus geltend machen.42 Das kann gleichzeitig mit der Vertragsstrafe geschehen oder auch nachträglich.43
III. Abweichende Vereinbarungen 19 Eine Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber bei einer Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers nur die verwirkte Vertragsstrafe fordern darf oder dass der Arbeitnehmer – nach Art eines Reuegeldes – die Vertragsstrafe zahlen darf, um sich seiner Verpflichtung aus dem Wettbewerbsverbot zu entledigen, ist ohne Weiteres zulässig. Keine dieser Vereinbarungen enthält eine Benachteiligung des Arbeitnehmers i.S.d. § 75d.
D. Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Vertragsstrafe (§ 75c Abs. 1 Satz 2) I. Verweis auf § 343 BGB 20 Abs. 1 Satz 2 erklärt die Vorschriften des BGB über die Herabsetzung einer unverhältnismäßig hohen Strafe für anwendbar. Die Bestimmung hat lediglich deklaratorischen Charakter, da § 343 BGB, der dem Schuldner die Befugnis einräumt, die Herabsetzung der Strafe durch Urteil zu beantragen, ohnehin gilt (zu Vereinbarungen in AGB vgl. Rn 25). Die Wirksamkeit der Vertragsstrafenabrede hängt nicht davon ab, dass ein angemessenes 21 Verhältnis zwischen der Vertragsstrafe und der Karenzentschädigung besteht. Deshalb berechtigt auch eine im Vergleich zur vom Arbeitgeber geschuldeten Karenzentschädigung unange41 Vgl. zur Vertragsstrafe bei Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, AP § 307 BGB Nr. 28 (Rn 27 ff); dazu Diller NZA 2008, 574; s. auch die Formulierungsvorschläge bei Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 963 f. 42 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 5; ErfK/Oetker22 § 75c HGB Rn 3. 43 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 969. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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messen hohe Vertragsstrafe den Arbeitnehmer nur, die Herabsetzung der Strafe gemäß § 343 BGB zu beantragen. Die Vorschrift ist eine Sonderregel zu § 138 BGB.44 Der Arbeitnehmer kann deshalb über § 343 BGB lediglich die Ermäßigung einer unbillig hohen Vertragsstrafe erreichen, deren Verwirkung auf einem nur kurzen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot während eines Teils der Karenzzeit beruht.45 Die erstmalige Festsetzung der Höhe der Vertragsstrafe ist Sache der Parteien, die diese 22 Aufgabe zwar einem besonders sachverständigen und vertrauenswürdigen Dritten übertragen können, nicht aber dem Gericht, dem § 343 BGB ausdrücklich und abschließend nur die Möglichkeit zur Herabsetzung einer anderweitig festgesetzten Strafe zuweist.46 Der erkennende Richter hat ferner erst das Recht, über diese Herabsetzung zu entscheiden, wenn der Arbeitnehmer einen entsprechenden Antrag stellt. Dieser Antrag muss aber nicht in einer Klage oder Widerklage enthalten sein, es genügt die Erhebung einer Einrede. Als Antrag auf Herabsetzung der Vertragsstrafe hat daher im Prozess jede Anregung zu gelten, die erkennen lässt, dass der Arbeitnehmer ganz oder teilweise von der Vertragsstrafe loskommen will, weil er sie als unangemessen hoch oder drückend empfindet.47 Auf Feststellung der Herabsetzung kann der Arbeitnehmer dagegen erst klagen, nachdem die Strafe verwirkt ist; vorher fehlt das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Wegen § 343 Abs. 1 Satz 3 BGB ausgeschlossen ist die Herabsetzung einer schon entrichteten Strafe.48 Die Herabsetzung der Vertragsstrafe auf einen angemessenen Betrag ist das Ergebnis einer 23 gerichtlichen Interessenabwägung. Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Strafe ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls jedes berechtigte Interesse des Arbeitgebers, nicht nur sein Vermögensinteresse, in Betracht zu ziehen.49 Entscheidend ist, ob ein erhebliches Missverhältnis zwischen der Höhe der Strafe und dem Interesse des Arbeitgebers an der Einhaltung des Wettbewerbsverbots besteht. Maßgeblich sind die Umstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung.50 Zu berücksichtigen sind u.a. der bereits eingetretene und möglicherweise noch zu erwartende Schaden, das Gewicht der Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers, aber auch seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Erschwerung seines Fortkommens durch das Verbot.51 Die Ausübung des richterlichen Ermessens bei der Herabsetzung der Vertragsstrafe ist der 24 Nachprüfung in der Revisionsinstanz grundsätzlich entzogen. Revisibel ist die Entscheidung nur insoweit, als der Tatrichter von falschen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist oder wesentliche Umstände des Falls unberücksichtigt gelassen hat.52
II. Keine Geltung des § 343 BGB bei Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB Bei in AGB vereinbarten, zu hohen – also gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB verstoßenden – Vertrags- 25 strafen (vgl. oben Rn 6 ff) kommt § 343 BGB nach der Rechtsprechung des BAG nicht zur Anwen44 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 947. 45 BAG 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c HGB Nr. 1 m. Anm. H. P. Westermann = SAE 1972, 154 m. Anm. Beuthien; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 461; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 46 BAG 25.9.1980 – 3 AZR 133/80, AP § 339 BGB Nr. 7 m. krit. Anm. Lindacher; Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 936. 47 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 954; Bötticher ZfA 1970, 3 (40). 48 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 6. 49 BAG 26.9.1963 – 5 AZR 61/63, AP § 74a HGB Nr. 1 (Bl. 4R) m. Anm. Grüll = SAE 1964, 208 m. Anm. Schnorr v. Carolsfeld. 50 HM, s. stv. MünchKommBGB/Gottwald8 § 343 Rn 19 m.w.N. auch zu den Gegenansichten (Zeitpunkt der Vereinbarung, Zeitpunkt der Verwirkung der Vertragsstrafe). 51 Vgl. auch Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 949; ausf. BeckOGK-BGB/Ulrici (1.9.2021) § 343 Rn 56 ff. 52 Vgl. nur BAG 21.5.1971 – 3 AZR 359/70, AP § 75c HGB Nr. 1 (Bl. 2R) m. Anm. H. P. Westermann = SAE 1972, 154 m. Anm. Beuthien m.w.N. 961
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dung. In diesen Fällen gilt das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.53 Demgegenüber wird im Schrifttum teilweise vertreten, § 343 BGB bzw. § 75c Abs. 1 seien insoweit als lex specialis anzusehen.54 Dem BAG ist zuzustimmen. Denn § 343 BGB setzt denklogisch eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe voraus.55 Insoweit gilt etwas anderes als – in Bezug auf die Wettbewerbsabrede selbst – im Verhältnis zwischen §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 einerseits und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB andererseits (vgl. Vor § 74 Rn 38). Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass § 343 BGB lediglich eine Rechtsausübungskontrolle regelt; ein nicht existenter Anspruch auf eine Vertragsstrafe kann aber nicht Gegenstand einer richterlichen Gestaltungsentscheidung sein.56 § 75c Abs. 1 Satz 2 ändert daran nichts, da die Vorschrift nur auf § 343 BGB verweist und § 75c somit ebenfalls eine wirksam vereinbarte Vertragsstrafe voraussetzt (vgl. Rn 2).57
E. Vertragsstrafe bei einem Wettbewerbsverbot ohne Entschädigungspflicht (§ 75c Abs. 2) 26 § 75c Abs. 2 enthält eine spezielle Rechtsfolgenregelung für die Verwirkung einer Vertragsstrafe, die der Sicherung eines ohne Karenzentschädigung verbindlichen Wettbewerbsverbots dienen soll. Die Bestimmung bezieht sich auf § 75b a.F., dessen beide Varianten einer Ausnahme von der Pflicht zur Entschädigung des Wettbewerbsverbots das BAG allerdings für verfassungswidrig erklärt hatte und der inzwischen aufgehoben wurde (vgl. die Kommentierung zu § 75b). Es bewendet deshalb bei dem in § 74 Abs. 2 enthaltenen Grundsatz, dass die Verbindlichkeit des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung voraussetzt. Abs. 2 ist daher gegenstandslos.58
53 BAG 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, AP § 309 BGB Nr. 3 (Rn 63 ff) m. Anm. v. Koppenfels-Spies; 25.9.2008 – 8 AZR 717/ 07, AP § 307 BGB Nr. 39 (Rn 75); speziell zur Vertragsstrafe bei Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses BAG 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170 (172); weiterhin LAG Niedersachsen 25.10.2003 – 16/Sa 1211/03, BeckRS 2004, 40353 (Rn 54); Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 938, 946; Hümmerich NZA 2003, 753 (762); BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75c Rn 14, 19.1; Leder/Morgenroth NZA 2002, 952 (956); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13; so auch die hM in der allgemeinen zivilrechtlichen Diskussion, s. stv. Staudinger/Rieble (2020) § 343 BGB Rn 9, 72 f, 139 ff; BeckOGK-BGB/Ulrici (1.9.2021) § 343 Rn 33 ff. 54 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 9; Tschöpe/Hund Arbeitsrecht12 Teil 2 F Rn 76; Reichenbach NZA 2003, 309 (313); Wensing/Niemann NJW 2007, 401; vgl. auch LAG Hamm 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 514 (515). 55 BAG 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, AP § 307 BGB Nr. 39 (Rn 75) m.w.N.; so auch die Argumentation der hM in der allgemeinen zivilrechtlichen Diskussion, s. stv. Staudinger/Rieble (2020) § 343 BGB Rn 9, 73; BeckOGK-BGB/Ulrici (1.9.2021) § 343 Rn 36. 56 Ausf. Staudinger/Rieble (2020) § 343 BGB Rn 9, 72 f, 139 ff. 57 S. nur MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 13. 58 Vgl. stv. MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 14. Weber/Gräf
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§ 75d [Abweichende Vereinbarungen] 1
Auf eine Vereinbarung, durch die von den Vorschriften der §§ 74 bis 75c zum Nachteil des Handlungsgehilfen abgewichen wird, kann sich der Prinzipal nicht berufen. 2Das gilt auch von Vereinbarungen, die bezwecken, die gesetzlichen Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung durch Verrechnungen oder auf sonstige Weise zu umgehen.
Schrifttum Vgl. die Nachweise Vor § 74.
Übersicht 1
6
II.
Anwendungsbereich und Tatbestand
Nachteilig abweichende Vorschriften (§ 75d Satz 1)
III.
Verhältnis zu § 138 und § 307 Abs. 1 Satz 1 9 BGB
I.
Zulässigkeit von Abweichungen zu Gunsten des 3 Arbeitnehmers
D.
Rechtsfolgen eines Verstoßes
I.
Verstoß gegen § 75d Satz 1
12
II.
Zeitpunkt der Vereinbarung
II.
Verstoß gegen § 75d Satz 2
15
C.
Umgehungsverbot (§ 75d Satz 2) E.
Abweichungen in Kollektivverträgen
I.
Verhältnis zur Analogie
A.
Normzweck
B.
4
17
5
A. Normzweck Die Vorschriften der §§ 74 ff enthalten zugunsten des Arbeitnehmers zwingendes Recht. Auf 1 eine zum Nachteil des Arbeitnehmers von den §§ 74 bis 75c abweichende arbeitsvertragliche Vereinbarung (zu Kollektivverträgen Rn 17 ff) kann sich der Arbeitgeber nach § 75d Satz 1 nicht berufen. Dieser Grundsatz gilt nach Satz 2 ausdrücklich auch für solche Vereinbarungen, die eine Umgehung der gesetzlichen Regelungen über das Mindestmaß der Entschädigung bezwecken (Rn 5 ff). Die Vorschrift insgesamt dient allein dem Schutz des Arbeitnehmers, der davor bewahrt 2 bleiben soll, dass ihm vom Arbeitgeber von der gesetzlichen Regelung abweichende Zugeständnisse hinsichtlich des Wettbewerbsverbots und der Karenzentschädigung abgetrotzt werden. Satz 2 bringt den besonderen gesetzgeberischen Willen zum Ausdruck, dem Arbeitnehmer die Karenzentschädigung unverkürzt zu sichern, wobei sich die Vorschrift nach ihrem telos auch auf den Schutz vor Umgehung sonstiger Vorschriften der §§ 74 ff erstreckt (Rn 6).
B. Nachteilig abweichende Vorschriften (§ 75d Satz 1) I. Zulässigkeit von Abweichungen zu Gunsten des Arbeitnehmers § 75d erfasst nicht solche von den §§ 74 ff abweichende Abreden, die für den Arbeitnehmer von 3 Vorteil sind. Eine für den Arbeitnehmer günstigere Regelung kann im Einzelfall auch konklu-
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§ 75d
1. Buch. Handelsstand
dent getroffen werden (vgl. etwa § 75a Rn 7, 9, 10).1 Es kann etwa vereinbart werden, dass die Karenzentschädigung in kürzeren Zeitabständen als denjenigen, die in § 74b Abs. 1 bestimmt sind, zu zahlen ist, oder dass der Arbeitnehmer anstelle der monatlichen Zahlungen sogleich deren Gesamtsumme als einmalige Kapitalzahlung erhalten soll (vgl. § 74b Rn 8 f). Möglich ist es auch zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer sich entgegen § 74c Abs. 1 kein anderweitiges Einkommen auf seine Karenzentschädigung anrechnen lassen muss (vgl. § 74c Rn 3) oder dass der Arbeitgeber im Falle des § 75c bei einer Zuwiderhandlung des Arbeitnehmers gegen das Wettbewerbsverbot nur das Recht haben soll, die Vertragsstrafe zu fordern, aber keine weitergehenden Ansprüche geltend machen kann (vgl. § 75c Rn 19). Auch eine Abbedingung oder Einschränkung des Verzichtsrechts des Arbeitgebers aus § 75a ist unbedenklich (vgl. § 75a Rn 22).
II. Zeitpunkt der Vereinbarung 4 Die Bestimmung betrifft nur Vereinbarungen, die vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden, zu einer Zeit also, da der Arbeitnehmer sich noch in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt dagegen auch die Vereinbarung für den Arbeitnehmer nachteiliger Abweichungen in Betracht.2 Zulässig und für beide Seiten verbindlich ist daher etwa eine nach Auflösung des Arbeitsvertrages getroffene Vereinbarung, dass der Arbeitgeber einen Verzicht auf das Wettbewerbsverbot mit der in § 75a bestimmten Wirkung auch jetzt noch erklären könne (vgl. § 75a Rn 12, 23), oder dass an den Arbeitnehmer anstelle der monatlich zu zahlenden Beträge der Karenzentschädigung eine einmalige Entschädigung von geringerer Höhe als der Gesamtsumme der Teilbeträge geleistet werden könne.
C. Umgehungsverbot (§ 75d Satz 2) I. Verhältnis zur Analogie 5 § 75d Satz 1 wird in Satz 2 durch ein Umgehungsverbot flankiert. Solche explizit normierten Umgehungsverbote finden sich punktuell auch in anderen Bereichen der deutschen Privatrechtsordnung, insbesondere im Verbraucherschutzrecht.3 Auch im Arbeitsrecht spielen Umgehungsverbote eine große Rolle, selbst dort, wo sie nicht explizit geregelt sind.4 Die im älteren Schrifttum häufiger vertretene These, dass es sich beim Verbot der Gesetzesumgehung um ein eigenständiges methodisches Rechtsinstitut handele,5 wird heute von der ganz herrschenden Literatur aber zu Recht abgelehnt. Letztere geht vielmehr zutreffend davon aus, dass es beim Verbot der Gesetzesumgehung in der Sache letztlich nur darum geht, die „umgangene“ Norm im Wege der Analogie zur Anwendung zu bringen.6 Entscheidend für die Frage, ob eine Umgehung
1 Vgl. aber BAG 12.1.1978 3 AZR 57/76, AP § 74c HGB Nr. 8 (unter I 1) m. Anm. Herschel = AR-Blattei Wettbewerbsverbot Nr. 122 m. Anm. Buchner.
2 NK-GA/Reinhard2 § 75d Rn 5. 3 Vgl. §§ 241a Abs. 3 Satz 2, 306a, 312k Abs. 1 Satz 2, 476 Abs. 1 Satz 2, 487 Satz 2, 512 Satz 2, 655e Abs. 1 Satz 2 BGB. 4 Vgl. nur zum Befristungsrecht BAG (GS) 12.10.1960 – GS 1/59, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16 = SAE 1961, 125 m. Anm. Bötticher; zuletzt etwa BAG 13.5.2020 – 4 AZR 489/19, AP TVG § 4 Nr. 37.
5 S. zur Entwicklung der Rspr. und der Diskussion in der Lit. den Überblick bei Teichmann JZ 2003, 761 (764 f); ausf. Behrends Die fraus legis, 1982; zur neueren Rechtsgeschichte Schröder Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung, 1985. Das BAG greift bis heute auf das Institut der objektiven Gesetzesumgehung zurück, s. zuletzt etwa BAG 13.5.2020 – 4 AZR 489/19, AP TVG § 4 Nr. 37; zur Kritik Gräf RdA 2021, 201 (204 ff). 6 S. – mit unterschiedlichen Nuancierungen im Detail – ausf. Dommermuth-Alhäuser Arbeitsrechtsmissbrauch, 2015 S. 47 ff; Rudnik Die Gesetzesumgehung in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, 2019 S. 70 ff; Sieker Umgehungsgeschäfte, 2001 S. 58 ff; Teichmann Die Gesetzesumgehung, 1962 S. 67 ff; ders. JZ 2003, 761 (767); im Grundsatz Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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vorliegt, ist nämlich der jeweilige Gesetzeszweck der potenziell umgangenen Norm. Daher geht man überwiegend davon aus, dass Umgehungsverboten dort, wo sie – wie im Fall des § 75d Satz 2 – ausdrücklich geregelt sind, gegenüber Auslegung und Analogie kein eigenständiger methodischer Stellenwert zukommt.7 Zwar mag einiges dafür sprechen, in „Umgehungsfällen“ auf § 75d Satz 2 als vorrangigen normativen Anknüpfungspunkt abzustellen.8 Allein § 75d Satz 2 gibt dem Rechtsanwender aber noch keine praktikablen Prüfkriterien an die Hand. Methodisch klarer ist es daher, in potenziellen Umgehungskonstellationen die Frage nach einer analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff zu stellen und diese anhand der üblichen methodischen Kriterien zu beantworten; dadurch lässt sich die „Umgehungs“-Prüfung auch besser strukturieren. Dies zeigt sich vor allem bei der praktisch wichtigen Frage nach dem Umgang mit „indirekten Wettbewerbsverboten“, zu denen z.B. Rückzahlungsklauseln oder Mandantenübernahmeklauseln gehören (ausf. dazu Vor § 74 Rn 65 ff, 77). Wenn im Folgenden gleichwohl die Merkmale des § 75d Satz 2 erläutert werden, so soll damit zum einen der Rechtsprechung und den Teilen des Schrifttums Rechnung getragen werden, die sich weiterhin allein oder teilweise auf eine Umgehungsprüfung nach § 75d Satz 2 stützen, und zum anderen aufgezeigt werden, dass § 75d Satz 2 letztlich so zu interpretieren ist, dass es praktisch zu keinen anderen Ergebnissen als nach dem Analogieansatz kommt.9
II. Anwendungsbereich und Tatbestand Der Wortlaut des § 75d Satz 2 beschränkt sich auf Vereinbarungen, welche die „gesetzlichen 6 Vorschriften über das Mindestmaß der Entschädigung“ umgehen (durch Verrechnung oder auf sonstige Weise). Es besteht jedoch inzwischen Einigkeit darüber, dass das Umgehungsverbot nicht nur § 74 Abs. 2, sondern auch sonstige, nicht mindestentschädigungsbezogene Schutznormen der §§ 74 ff zum Gegenstand hat,10 insbesondere § 74a Abs. 1.11 Bei dieser Erweiterung handelt es sich in der Sache um eine analoge Anwendung des § 75d Satz 2. Dieser methodische Umweg ist freilich verzichtbar, wenn man in solchen Fällen nach dem vorgenannten Ansatz (Rn 5) vorgeht und die „umgangene“ Norm (z.B. § 74 Abs. 2 oder § 74a Abs. 1) selbst zur Anwendung bringt, also diese analog heranzieht. Nach dem Wortlaut des § 75d Satz 2 setzt eine Umgehung eine Vereinbarung voraus, die 7 „bezweckt“, die Vorschriften über die Karenzentschädigung zu umgehen. Dies ist aber nicht im Sinne eines subjektiven Elements zu verstehen; eine Umgehungsabsicht ist – wie auch in anderen Fällen der Gesetzesumgehung12 – nicht erforderlich.13 Eine analoge Anwendung der „umgangenen“ Norm (vgl. Rn 5) setzt derartiges ebenfalls nicht voraus. auch Benecke Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004 S. 73 ff, 187 ff; s. auch den Überblick bei Gräf RdA 2021, 201 (204 ff). 7 Bejahend für die besonderen Umgehungsverbote im Verbraucherschutzrecht etwa Benecke Gesetzesumgehung im Zivilrecht, 2004, S. 73 ff; Gramlich/Zerres ZIP 1998, 1299, 1303 ff; abl. etwa MünchKommBGB/Armbrüster8 § 134 Rn 22; NK-BGB/Looschelders4 § 134 Rn 86; vgl. speziell zu § 75d Satz 2 Vesper S. 134 f. 8 Vesper S. 135. 9 Vgl. dazu, dass man mit dem Analogieansatz und auf Basis des Umgehungsverbots nach § 75d Satz 2 zu den gleichen Ergebnissen kommt, auch Bieder S. 232; insofern auch Vesper S. 134 f. 10 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6 (§ 75d Satz 2 enthalte „einen allgemeinen Rechtsgedanken“); Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 6 (dies ergebe sich „aus allgemeinen Grundsätzen“); Vesper S. 137 f; vgl. auch Schlegelberger/Schröder § 74 Rn 1a. 11 Vesper S. 138. 12 Vgl. BAG (GS) 12.10.1960 – GS 1/59, AP BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 16 (unter C 1); MünchKommBGB/ Maly/Armbrüster4 § 134 Rn. 18; 6.7.1995 – 5 AZB 9/93, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 22 (unter B I 2 b) m. Anm. Diller = ARBlattei ES 110 Nr. 43 m. Anm. Bauschke; 18.3.2009 – 5 AZR 355/08, AP BGB § 134 Nr. 26 (Rn 17) m. Anm. Gutzeit/ Kürth; aA Heeder Fraus legis, 1998 S. 325 ff. 13 Vesper S. 137. 965
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1. Buch. Handelsstand
Was den für die Umgehungskontrolle maßgeblichen Zeitpunkt betrifft, kommt es darauf an, welche Vorschrift durch die Vertragsgestaltung potenziell umgangen wird. Steht etwa eine Umgehung des § 74a Abs. 1 im Raum, ist wie bei der direkten Anwendung des § 74a Abs. 1 (§ 74a Rn 5, 17) auf den Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis abzustellen; wird die Umgehung des Karenzentschädigungserfordernisses (§ 74 Abs. 2) geprüft, ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich.
III. Verhältnis zu § 138 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB 9 Es wurde bereits dargelegt, dass § 138 BGB trotz der Verweisung in § 74a Abs. 3 grundsätzlich durch die §§ 74a Abs. 1, 74 Abs. 2 als leges speciales verdrängt wird (§ 74a Rn 42 ff). Gleiches gilt nach zutreffender herrschender Ansicht für die AGB-Inhaltskontrolle (mit Ausnahme des Transparenzgebots): Neben §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 ist für eine Anwendung des §§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB kein Raum; auch das AGB-rechtliche Verbot der geltungserhaltenden Reduktion wird insoweit verdrängt (Vor § 74 Rn 38). 10 Bislang kaum diskutiert wird die Frage, ob § 138 und § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB neben einer Umgehungskontrolle i.S.d. § 75d Satz 2 zum Zuge kommen können oder ob der Vorrang der Wertungen der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 auch insoweit gilt. Virulent wird diese Frage wiederum beim Umgang mit sog. indirekten Wettbewerbsverboten, die zwar eine Konkurrenztätigkeit nicht direkt verbieten, aber den Arbeitnehmer durch wirtschaftlichen Druck hiervon abhalten sollen: Hier wird im Schrifttum neben der Umgehungskontrolle nach § 75d Satz 2 zunehmend eine zusätzliche AGB-Inhaltskontrolle gefordert;14 in der Instanzrechtsprechung wird dies vereinzelt auch bereits – ohne nähere Begründung – so praktiziert.15 Dem ist nicht zu folgen. Auch hier besteht nämlich die Gefahr, dass die vorrangigen Wertungen der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 mittelbar unterlaufen werden; denn auch die Prüfung einer möglichen Umgehung dieser Normen muss sich ja gerade nach den dort geltenden Abwägungsmaßstäben richten,16 die in Kombination mit den besonderen Rechtsfolgenanordnungen dieser Normen ein geschlossenes System bilden (Vor § 74 Rn 18, 38). Die Wertungen der §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 können die Umgehungskontrolle nach § 75d Satz 2 freilich nur dann verdrängen, wenn §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 im konkreten Fall überhaupt Geltung beanspruchen. In der Sache geht es also wiederum um die Frage, ob die §§ 74 Abs. 2, 74a Abs. 1 (bzw. die §§ 74 ff in Gänze) in der betroffenen Konstellation analog anzuwenden sind (vgl. Rn 5). Ist dies zu bejahen, kann nichts anderes gelten als bei der direkten Anwendung der §§ 74 ff: § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wird verdrängt, ebenso bei Individualvereinbarungen § 138 BGB. 11 Die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Umgehungskontrolle i.S.d. § 75d Satz 2 (bei der es sich in Wirklichkeit um die Prüfung einer analogen Anwendbarkeit der §§ 74 ff auf die konkrete Vertragsgestaltung handelt, Rn 5) einerseits und der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 138 BGB andererseits ist damit differenziert zu beantworten: Sind auf eine bestimmte Vertragsgestaltung die §§ 74 ff analog anzuwenden, wird § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 138 BGB verdrängt; es gelten dann auch allein die dort vorgesehenen besonderen Rechtsfolgen (also ggf. eine bloße Unverbindlichkeit für den Arbeitnehmer, ggf. eine geltungserhaltende Reduktion). Liegen die Analogievoraussetzungen im konkreten Fall nicht vor, ist der Weg für die Anwendung des § 307 Abs. 1 Satz 1 bzw. des § 138 BGB frei (ausf. dazu in Bezug auf die sog. indirekten Wettbewerbsverbote: Vor § 74 Rn 39, 67, 79).
14 S. etwa Vesper S. 150 f; zu Mandantenübernahmeklauseln etwa Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 134a; Meier NZA 2013, 253 (255 ff).
15 Vgl. zu einer Mandantenübernahmeklausel LAG Schleswig-Holstein 1.7.2014 – 1 Sa 392/13, BeckRS 2014, 72371 (unter III 2).
16 Vgl. insoweit auch (zu Rückzahlungsklauseln) Vesper S. 255. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75d
D. Rechtsfolgen eines Verstoßes I. Verstoß gegen § 75d Satz 1 Aus dem auf den Schutz des Arbeitnehmers begrenzten Zweck der Bestimmung (Rn 2) erklärt 12 sich, dass eine nach § 75d Satz 1 unzulässige Abweichung vom Gesetz insoweit, als sie den Arbeitnehmer benachteiligt, für diesen nicht verbindlich ist, die Verbindlichkeit für den Arbeitgeber aber sehr wohl besteht. Dies ist der Sinn des Ausdrucks, der Arbeitgeber könne sich auf eine solche Vereinbarung „nicht berufen“. Es wird dem Arbeitnehmer also ein Wahlrecht eingeräumt.17 Am rechtlichen Bestand der Vereinbarung wird grundsätzlich nichts geändert. Allerdings hat § 75d Satz 1 kaum eine eigenständige Bedeutung, soweit es um das Wettbe- 13 werbsverbot selbst und die Gegenleistung der Karenzentschädigung geht: Die diese betreffenden Normen enthalten bereits selbst eine § 75d Satz 1 entsprechende Rechtsfolge. So ist etwa eine Vereinbarung, welche die gesetzliche Mindesthöhe der Karenzentschädigung unterschreitet, schon nach § 74 Abs. 2 unverbindlich (zum Fall des gänzlichen Fehlens einer Karenzentschädigungszusage sogleich Rn 14). Gleiches gilt für die Reichweite des Wettbewerbsverbots nach § 74a Abs. 1. Bedeutung hat § 75d Satz 1 vielmehr vor allem dann, wenn eine Nebenabrede von den §§ 74 ff abweicht. Hierzu wird vielfach gesagt, dass dann nur die Nebenabrede unverbindlich sei; an ihre Stelle sollen dann die gesetzlichen Regelungen treten.18 Dies ist im Grundsatz richtig. Zu beachten ist allerdings, dass es auch Fälle gibt, in denen die Unverbindlichkeit einer Nebenabrede zur Unverbindlichkeit des gesamten Wettbewerbsverbots führt. Dazu kommt es z.B., wenn zum Nachteil des Arbeitnehmers von der Anrechnungsregelung in § 74c abgewichen wird (§ 74c Rn 4); denn in dieser Konstellation liegt letztlich ein vergleichbarer Fall vor wie bei einer zu niedrigen und deshalb gegen § 74 Abs. 2 verstoßenden Entschädigung (vgl. § 74 Rn 59). Der Arbeitnehmer hat dann wiederum ein Wahlrecht. Vielfach wird gesagt, eine Unverbindlichkeit nach § 75d Satz 1 scheide dann aus, wenn die 14 in Frage stehende Abrede den Tatbestand einer Nichtigkeitsregelung erfüllt19 (das sind namentlich der Fall des Verstoßes gegen die Schriftform nach § 74 Abs. 1, die Fälle des § 74a Abs. 2 und der Fall der fehlenden Karenzentschädigung, da hier die Unverbindlichkeit der Nichtigkeit gleichkommt, vgl. § 74 Rn 53). Dies ist missverständlich: Wenn damit gemeint sein soll, dass eine Wettbewerbsverbotsabrede, die gegen eine solche Vorschrift verstößt, nichtig ist, dann ist das eine Selbstverständlichkeit, die mit § 75d nichts zu tun hat. So ist z.B. eine mündlich vereinbarte Wettbewerbsabrede nach § 74 Abs. 1 i.V.m. § 125 Satz 1 BGB nichtig. § 75d Satz 1 kommt vielmehr erst dann zum Zug, wenn die Parteien – um im Beispiel zu bleiben – das Schriftformerfordernis abbedingen wollen: Vereinbaren die Parteien zunächst (schriftlich), dass für eine etwaige spätere Vereinbarung über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot das Schriftformerfordernis in § 74 Abs. 1 nicht gelten soll, und verabreden sie dann mündlich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot (mit Karenzentschädigung), dann kann sich der Arbeitgeber – wenn er später vom Arbeitnehmer Schadensersatzansprüche wegen eines Wettbewerbsverstoßes geltend machen möchte – nach § 75d Satz 1 nicht auf die Abbedingung des § 74 Abs. 1 (erste Vereinbarung) berufen; d.h. es bleibt dabei, dass die mündliche Wettbewerbsverbotsabrede (zweite Vereinbarung) dem Formerfordernis in § 74 Abs. 1 unterliegt und daher nach § 125 Satz 1 BGB unwirksam ist. § 75d Satz 2 hindert allerdings nach seinem Wortlaut den Arbeitnehmer nicht daran, sich auf die Abbedingung des Formerfordernisses (erste Vereinbarung) zu berufen. So kann dieser etwa ein Interesse daran haben, sich an das Wettbewerbsverbot zu halten und vom Arbeitgeber, die in der Wettbewerbsvereinbarung (zweite Vereinbarung) mündlich zugesagte 17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; Hopt/Roth41 Rn 2. 18 GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 128; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 4; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75d Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 5.
19 S. etwa BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75d Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 967
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§ 75d
1. Buch. Handelsstand
Karenzentschädigung, zu verlangen. Ein solches Wahlrecht wäre aber mit dem Sinn und Zweck des § 74 Abs. 1 (hier: Beweisfunktion, vgl. § 74 Rn 6) unvereinbar. Letztlich kann es für das Eingreifen der in § 74 Abs. 1 angeordneten Nichtigkeitsfolge keinen Unterschied machen, ob die Parteien direkt mit ihrer Wettbewerbsabrede gegen das Formerfordernis verstoßen oder ob sie zunächst einen Abbedingungsversuch unternehmen – zumal beide Vereinbarungen auch uni actu denkbar sind und sich dann gar nicht mehr voneinander unterscheiden lassen. Insofern ist der Wortlaut des § 75d Satz 1 wie folgt korrigierend zu lesen: Vereinbarungen, durch die von einer derjenigen Vorschriften der §§ 74 ff abgewichen wird, die auf Rechtsfolgenseite die Nichtigkeit anordnen, sind nicht lediglich für den Arbeitnehmer unverbindlich, sondern nichtig. Ein Wahlrecht des Arbeitnehmers besteht hier nicht.
II. Verstoß gegen § 75d Satz 2 15 Das Umgehungsverbot nach Satz 2 verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen auf Satz 1; auch eine die §§ 74 ff umgehende Vereinbarung soll also nur für den Arbeitnehmer unverbindlich sein. Etwas anderes gilt wiederum, wenn eine Norm umgangen wird, welche die Nichtigkeit 16 anordnet; in diesem Fall ist auch die Umgehungsvereinbarung nichtig. Das folgt aus einer korrigierenden Lesart des § 75d Satz 2 i.V.m. Satz 1 entsprechend dem unter Rn 14 Gesagten oder – wenn man dem hier vertretenen Analogieansatz (Rn 5) folgt – aus der „umgangenen“ Norm selbst, die auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgenanordnung analog anzuwenden ist.
E. Abweichungen in Kollektivverträgen 17 Im Gesetz nicht geregelt ist die Frage, ob der grundsätzlich zwingende Charakter der §§ 74 ff tarifvertragliche Abweichungen zum Nachteil des Arbeitnehmers erlaubt.20 In seiner bislang einzigen Entscheidung zur Problematik der Tarifdispositivität der §§ 74 bis 75c hat das BAG erklärt, § 75d brauche einer vom Gesetz abweichenden tariflichen Regelung „nicht unbedingt im Wege zu stehen“.21 Das Recht des vertraglichen Wettbewerbsverbots soll vielmehr bis auf gewisse Mindesterfordernisse, zu denen das Prinzip der Entschädigungspflicht und eine zeitliche, räumliche und sachliche Begrenzung des Wettbewerbsverbots gehören, tarifvertraglich abdingbar sein.22 Das BAG gibt für die vorgebliche Tarifdispositivität der §§ 74 ff keine Begründung. 18 Im Schrifttum wird den gesetzlichen Bestimmungen zum Wettbewerbsverbot der tarifdispositive Charakter zu Recht ganz überwiegend abgesprochen.23 Dies beruht auf ihrem in § 75d Satz 1 ausdrücklich angeordneten einseitig zwingenden Charakter und dem Fehlen einer z.B. den §§ 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, 622 Abs. 4 Satz 1 BGB24 entsprechenden Vorschrift, die den Tarifpartnern eine weitergehende Regelungsbefugnis einräumt als den Parteien des Arbeitsvertrags. 20 Beispiele bei Chung Wettbewerbsregelungen im Tarifvertrag, 1987 S. 8 ff, 208 ff; Überblick über den Meinungsstand bei Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, 1993 S. 107 ff. 21 BAG 12.11.1971 – 3 AZR 116/71, AP § 74 HGB Nr. 28 (Bl. 5) m. Anm. Canaris. 22 BAG 12.11.1971 – 3 AZR 116/71, AP § 74 HGB Nr. 28 (Bl. 5) m. Anm. Canaris. 23 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 17; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4; Buchner AR-Blattei SD 1830.3 Rn 82 ff; GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 130; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75d Rn 10.1; Käppler Voraussetzungen und Grenzen tarifdispositiven Richterrechts, 1977 S. 97 ff; Löwe Der Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, 1988 S. 137 ff, 152 f; Löwisch/ Rieble TVG § 1 Rn 1071; ErfK/Oetker22 § 75d HGB Rn 3; Hopt/Roth41 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9 f; Schaub/ Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 34; Vossen Tarifdispositives Richterrecht, 1974 S. 136 ff; Wagner Die Besonderheiten beim Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers, 1993 S. 113 f; Wiedemann TVG8 Einl. Rn 594; aA Canaris Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 28; Heymann/Henssler/Michel HGB Rn 7; früher Staub/Konzen/Weber4 Rn 5. 24 S. die Auflistung weiterer die Tarifdispositivität anordnender Vorschriften bei Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn 1068. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75d
Zwar hat der Gesetzgeber im Jahre 1914 die Konkurrenz zu tarifvertraglichen Regelungen noch nicht berücksichtigen können.25 Inzwischen hätte aber Gelegenheit bestanden, eine Tariföffnungsklausel aufzunehmen, namentlich im Zusammenhang mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 74 bis 75f auf alle Arbeitnehmer durch die Neufassung der §§ 6 Abs. 2, 110 Satz 2 GewO26 im Jahre 2003. Jedenfalls seitdem ist daher für eine den Arbeitnehmer benachteiligende Abweichung durch Tarifverträge kein Raum.27 Die Frage hat allerdings ohnehin an Bedeutung verloren, da heute nur noch wenige Tarifverträge Regelungen über Wettbewerbsverbote vorsehen.28 Erst recht kann von den §§ 74 ff nicht in Betriebsvereinbarungen abgewichen werden;29 19 das Gleiche gilt für Richtlinien nach dem SprAuG. Hier fehlt es von vornherein an einer grundrechtlich (Art. 9 Abs. 3 GG) begründeten Richtigkeitsgewähr.30 Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob durch Kollektivverträge nachvertragliche Wettbe- 20 werbsverbote i.S.d. §§ 74 ff eingeführt werden können. Hierzu § 74 Rn 5.
25 Canaris Anm. zu BAG AP § 74 HGB Nr. 28. 26 Drittes Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften v. 24.8.2002 (BGBl. I S. 3412). § 148 Abs. 1 des Diskussionsentwurfs eines Arbeitsvertragsgesetzes (aktualisierte Fassung: Beilage zu NZA 21/2007) erlaubt generell Abweichungen von den Bestimmungen des Gesetzes zugunsten der Arbeitnehmer nur, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist. Eine entsprechende Regelung enthalten die in §§ 81 bis 87 aufgenommenen Regelungen zum Wettbewerbsverbot nicht. 27 Vgl. auch stv. Löwisch/Rieble TVG § 1 Rn 1071; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 28 Vgl. dazu und zu den möglichen Rechtsfolgen einer unzulässigen Abweichung Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 18 ff. 29 Statt vieler GK/Etzel HGB8 §§ 74–75d Rn 130; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75d Rn 11; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 11; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 35. 30 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 22 m.w.N. 969
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§ 75e (aufgehoben) Die Bestimmung ist durch das Gesetz über Konkursausfallgeld vom 17.7.1974 aufgehoben worden.1 Zur Karenzentschädigung in Zwangsvollstreckung und Insolvenz vgl. § 74b Rn 38 ff.
§ 75f [Sperrabrede] 1
Im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem im Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, steht beiden Teilen der Rücktritt frei. 2Aus der Vereinbarung findet weder Klage noch Einrede statt.
Schrifttum Alexander Das vertragliche Verbot der Abwerbung von Mitarbeitern zwischen Unternehmen im Spannungsfeld von Kartellrecht, Handelsrecht und Lauterkeitsrecht, ZWeR 2016, 16; Brinker War for Talents, NZKart 2015, 209; Busch/ Dendorfer Abwerbung von Mitarbeitern, BB 2002, 301; Butzert Die Wirksamkeit von Abwerbeverboten in Vereinbarungen zwischen Unternehmen, NJOZ 2015, 1153; Eggert Sperrabreden unter Arbeitgebern, Diss. Konstanz, 2001; Glöckner Vereinbarte Abwehrverbote – „No poaching, please!“, JuS 2018, 1130; Greßlin/Römermann Arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten zum Schutz von betrieblichem Know-how, BB 2016, 1461; Gumpert Rechtsbehelfe gegen Abwerbung von Arbeitnehmern und Ausscheiden von Arbeitnehmern unter Vertragsbruch, BB 1995, 964; Hack/Leister Zur Zulässigkeit von Abwerbeverboten aus kartellrechtlicher Sicht, DB 2018, 2741; Hartmann Sperrabreden zwischen Arbeitgebern, ZfA 2019, 486; Hoeren/Münker Die neue EU-Richtlinie zum Schutz von Betriebsgeheimnissen und die Haftung Dritter, CCZ 2018, 85; Hurek Abwerbungs- und Einstellungsverbote im Arbeitsvertrag, Diss. Berlin, 2005; Linke/Fröhlich Gestaltungsoptionen für Vertraulichkeitsvereinbarungen bei Unternehmenstransaktionen, GWR 2014, 449; Linsmeier „Hände weg von meinen Mitarbeitern“ – Absprachen im Personalbereich in der Praxis der Kartellbehörden, BB 2018, 515; Linsmeier/Mächtle Abwerbeverbote und Kartellrecht, NZKart 2015, 258; Naber Abwerbeverbote und andere Wettbewerbsabreden zwischen Unternehmen, DB 2014, 294; Salger/Breitfeld Regelungen zum Schutz von betrieblichem Know-how – die Abwerbung von Mitarbeitern, BB 2004, 2574; Salje Individualarbeitsrecht und Kartellverbot, ZfA 1991, 653; Schloßer Effektiver Schutz der Belegschaft durch vertragliche Abwerbeverbote, BB 2003, 1382; Schwarzfischer Mehr Rechtssicherheit bei vertraglichen Abwerbeverboten, BB 2014, 2900; Schwill Ausscheiden aus der Anwaltspartnerschaft – Sperrabreden unter Arbeitgebern, NJW 2017, 3120; Weiland Zur Durchsetzbarkeit vertraglicher Abwerbungsverbote, BB 1976, 1179; Vogt Abwerbung von Arbeitskollegen – Eine arbeitsrechtliche Einordnung, StBW 2011, 950; v. Werder/Kost Vertraulichkeitsvereinbarungen in der M&A-Praxis, BB 2010, 2903; Wolf Die Wirksamkeit von Anstellungs- und Abwerbeverboten in Due-Diligence Prozessen im Lichte von § 75f HGB, NZG 2004, 366.
Übersicht A.
Überblick und Normzweck
B.
Anwendungsbereich
I.
Persönlicher Anwendungsbereich
II. 1. 2.
Sachlicher Anwendungsbereich 7 Grundsätzliches 10 Abwerbeverbote
C.
Rechtsfolgen
1
3
I.
Fehlende Durchsetzbarkeit, Rücktritt und Sitten15 widrigkeit
II. 1.
Schadensersatzansprüche Schadensersatzansprüche des Arbeitneh19 mers Schadensersatzansprüche beteiligter Arbeitge23 ber
2.
D.
Sperrabreden und Grundrechtsschutz
24
14
1 BGBl. I 1974, 1481. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-067
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§ 75f
A. Überblick und Normzweck Während die §§ 74 bis 75d Wettbewerbsabreden regeln, die zwischen dem bisherigen Arbeitge- 1 ber und dem Arbeitnehmer geschlossen werden („vertikale Wettbewerbsklauseln“), hat § 75f Vereinbarungen zwischen zwei oder mehreren Arbeitgebern zum Gegenstand („horizontale Wettbewerbsklauseln“).1 Letztere werden meist als „Sperrabreden“ bezeichnet, vielfach aber auch als „geheime Wettbewerbsklauseln“ oder „geheime Konkurrenzklauseln“, weil sie typischerweise ohne Kenntnis des betroffenen Arbeitnehmers abgeschlossen werden;2 allerdings fallen auch offen kommunizierte Sperrabreden unter die Vorschrift.3 Es handelt sich um Vereinbarungen, in denen zwei oder mehr Arbeitgeber sich gegenseitig verpflichten, Arbeitnehmer, die bei einem von ihnen beschäftigt waren, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen. § 75f erlaubt den Vertragsschließenden ohne weiteres den Rücktritt von einer solchen Abrede (Satz 1); auch ohne Rücktritt sind weder Klage noch Einrede aus einer solchen Vereinbarung möglich (Satz 2). § 75f regelt damit vordergründig die rechtlichen Beziehungen zwischen den vertrags- 2 schließenden Arbeitgebern. Die Regelung soll aber dem Schutz des Arbeitnehmers dienen. Sie steht nämlich in funktionellem Zusammenhang mit den §§ 74 bis 75d und soll deren Umgehung verhindern4: Die uneingeschränkte Durchsetzbarkeit (geheimer) „horizontaler Wettbewerbsverbote“ zwischen Arbeitgebern enthielte für den Arbeitgeber die Möglichkeit, seine eigenen geschäftlichen Interessen unter Umgehung der §§ 74 ff, vor allem ohne die für „vertikale Wettbewerbsklauseln“ geltende Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung,5 zu sichern. Zugleich dient § 75f damit dem Schutz der Arbeitsplatzwahlfreiheit des Arbeitnehmers als Ausprägung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG6 (näher Rn 24 f; vgl. bereits Vor § 74 Rn 13): Der Arbeitnehmer soll bei einem anderen Arbeitgeber trotz einer Sperrabrede eine neue Tätigkeit aufnehmen können, ohne dass der ehemalige Arbeitgeber gegenüber diesem aus der Abrede einen Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch geltend machen kann.7 Rechtlicher Schutz bleibt einer Sperrabrede deshalb versagt. Insofern handelt es sich bei § 75f um einen Fall, in dem die Privatrechtsordnung sog. Verträgen mit Lastwirkung für Dritte8 Schranken setzt.
B. Anwendungsbereich I. Persönlicher Anwendungsbereich Die Vorschrift schützt nicht nur Handlungsgehilfen, sondern nach § 110 Satz 2 GewO sämtliche 3 Arbeitnehmer; dies war schon zuvor in der Rechtsprechung anerkannt.9
1 2 3 4 5
Vgl. zu dieser Begrifflichkeit Hartmann ZfA 2019, 486 (495 ff). Vgl. Hartmann ZfA 2019, 486 (487). HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 2. Darin lag auch der historische Anlass zur Schaffung des § 75f, ausf. dazu Hartmann ZfA 2019, 486 (495 ff, 501). Allerdings ist die Anwendbarkeit der Vorschrift nicht davon abhängig, dass dem Arbeitnehmer durch die Sperrabrede eine ihm zustehende Karenzentschädigung entzogen wird, BGH 27.9.1983 – VI ZR 294/81, BGHZ 88, 260. 6 BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 (Bl. 2); 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 25); Hartmann ZfA 2019, 486 (501 f). 7 Schlegelberger/Schröder Rn 1. 8 Zur Einordnung der Sperrabrede in diese Kategorie Hartmann ZfA 2019, 486 (502 f, 508, 514). 9 BGH 30.4.1974 – VI ZR 153/72, NJW 1974, 1282 (1283); vgl. zuletzt etwa BGH 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 14). 971
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1. Buch. Handelsstand
§ 75f ist sowohl auf Vereinbarungen unter einzelnen Arbeitgebern als auch auf Verbandsabsprachen, also Vereinbarungen auf Ebene einer Arbeitgeberkoalition, anwendbar.10 Ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG liegt darin nicht.11 § 75f will zwar die Schutzvorschriften über nachvertragliche Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff) 5 flankieren (Rn 2). Die Anwendbarkeit der Regelung ist aber nicht davon abhängig, dass gerade einem Konkurrenten die Einstellung untersagt wird; es kann sich auch um Kunden oder Auftraggeber handeln. Entscheidend ist nämlich nicht, welchen Zweck ein Arbeitgeber mit der Klausel verfolgt – den Schutz vor Konkurrenz oder einen anderen Zweck –, sondern allein die beschränkende Wirkung für den Arbeitnehmer.12 Sperrabreden, durch die ein mit gewerblicher Arbeitnehmerüberlassung befasstes Unter6 nehmen die Abwerbung seiner Arbeitnehmer durch den Beschäftigungsarbeitgeber zu verhindern sucht, sind nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG unwirksam. Diese Rechtsfolge wird auch von Art. 6 Abs. 2 der Leiharbeitsrichtlinie (RL 2008/104/EG)13 gefordert. Insofern trifft § 9 Abs. 1 Nr. 3 AÜG eine gegenüber § 75f strengere und damit speziellere Regelung.14 § 75f ist auf solche Vereinbarungen daher nicht anwendbar.15 Die Vorschrift wird ergänzt durch § 9 Abs. 1 Nr. 4 AÜG, wonach auch Vereinbarungen im Arbeitsvertrag unwirksam sind, die es dem Leiharbeitnehmer untersagen, im Anschluss an den Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher einzugehen.16
4
II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Grundsätzliches 7 § 75f betrifft alle Abreden, in denen ein Arbeitgeber einem anderen verspricht, einen Arbeitnehmer gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen einzustellen. Die Regelung greift nach ihrem Schutzzweck aber auch dann, wenn die Sperre die Tätigkeit des Arbeitnehmers als selbständiger Unternehmer – etwa im Rahmen eines Dienstvertrags – verhindern soll.17 Weiterhin ist § 75f auf Vertragsstrafenvereinbarungen zu erstrecken, durch welche die Einhaltung der Sperrabrede abgesichert werden soll.18 § 75f gilt nicht nur, wenn sich Unternehmen wechselseitig zur Unterlassung von Einstellun8 gen verpflichten, sondern auch für einseitige Abreden.19 Unerheblich ist zudem, ob die Unterlassungspflicht entgeltlich oder unentgeltlich vereinbart wird.20 Zudem werden nicht nur Vereinbarungen erfasst, die ein unmittelbares Überwechseln zum anderen Arbeitgeber verhindern 10 BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 (Bl. 1R); 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 13); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 3; Eggert S. 43; NK-GA/Reinhard2 § 75f Rn 2; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 3. 11 BGH 30.4.1974 – VI ZR 132/72, NJW 1974, 1330 (1331). 12 BGH 30.4.1974 – VI ZR 153/72, NJW 1974, 1282 (1283). 13 Richtlinie 2008/104/EG v. 19.11.2008 über Leiharbeit, ABl EG L 327/9. 14 Vgl. allerdings Hartmann ZfA 2019, 486 (507), der vor dem Hintergrund der Normgeschichte des § 75f auch bei dieser Vorschrift von einer Unwirksamkeitsfolge ausgeht. 15 Eggert S. 43; GK/Etzel HGB8 Rn 1; vgl. auch Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 6 (keine Bedeutung des § 74f mehr); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2 (für § 74f bleibe kein Raum mehr); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3 (§ 9 Abs. 1 Nr. 3, 4 AÜG als Spezialregelungen). Der BGH nahm vor Einführung des AÜG die Unverbindlichkeit derartiger Klauseln nach § 75f an: BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 (Bl. 1R). 16 Dazu etwa ErfK/Wank/Roloff22 § 9 AÜG Rn 19. 17 BGH 27.9.1983 – VI ZR 294/81, BGHZ 88, 260; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 8; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 18 BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1; 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 13). 19 HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 4; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75f Rn 3. 20 HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 4. Weber/Gräf
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§ 75f
sollen, sondern auch solche, die Einstellungen nach einer Zwischenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber untersagen.21 § 75f bezieht sich nach seinem Wortlaut nicht nur auf Vereinbarungen, welche die Einstel- 9 lung des Arbeitnehmers untersagen, sondern auch auf solche, die sie nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. Dazu gehört etwa eine Vereinbarung, wonach die Einstellung nur mit Zustimmung des ehemaligen Arbeitgebers22 oder bei Vereinbarung einer bestimmten Mindestvergütung23 möglich sein soll.
2. Abwerbeverbote Umstritten ist die Bewertung bloßer Abwerbeverbote, in denen sich ein Arbeitgeber gegenüber 10 einem anderen zur Unterlassung der gezielten Abwerbung von Arbeitnehmern verpflichtet. Gegen diese werden zunächst kartellrechtliche Bedenken erhoben.24 Hiervon unabhängig ist aber die Frage nach der Anwendbarkeit des – einen anderen Schutzweck verfolgenden – § 75f zu beurteilen.25 Richtigerweise hat die früher hM eine Anwendbarkeit des § 75f verneint, da bloße Abwerbeverbote den Arbeitnehmer in seiner Entscheidungsfreiheit in Hinblick auf seine Arbeitsplatzwahl nicht beschränken.26 Der BGH hat demgegenüber im Jahr 2014 entschieden, dass Abwerbeverbote grundsätzlich 11 unter § 75f fallen.27 Er begründet dies mit dem insoweit (vermeintlich) offenen Normwortlaut, dem Schutzzweck vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Norm und dem verfassungsrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG). Kernargument ist dabei, dass in der heutigen Arbeitswelt bei der Besetzung offener Stellen das Ansprechen von Arbeitnehmern durch Einschaltung von Personalberatern üblich sei und interessierten Arbeitnehmern durch Abwerbeverbote die Chance genommen werde, auf diesem Wege von Möglichkeiten zu erfahren, wie sie ihre berufliche Stellung verbessen oder ändern könnten.28 Vor dem Hintergrund des Grundrechtsschutzes der Arbeitgeberseite (Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) soll § 75f allerdings – bezogen auf Abwerbeverbote – verfassungskonform einschränkend auszulegen sein. Deshalb seien in zwei Fallkonstellationen Abwerbeverbote trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des § 75f zulässig: Eine erste Ausnahme soll die Situation betreffen, in der ein Abwerbeverbot Bestandteil einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist. Eine zweite Ausnahme soll für Vereinbarungen gelten, „bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern bei denen es nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen worden sind, besteht kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.“ Letzteres soll etwa bei Abwerbeverboten der Fall sein, 21 22 23 24
BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 (unter II 2). BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 (unter II 2). BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75f Rn 3. Vgl. zur kartellrechtlichen Problematik Alexander ZWeR 2016, 16; Bischke/Brack NZG 2017, 499 (500 f); Brinker NZKart 2015, 209; Glöckner JuS 2018, 1130; Hack/Leister DB 2018, 2741; Linsmeier BB 2018, 515; Linsmeier/Mächtle NZKart 2015, 258; allg. zur kartellrechtlichen Bewertung von Sperrabreden Salje ZfA 1991, 653. 25 Vgl. zum Nebeneinander der beiden Regelungsbereiche und den unterschiedlichen Zielrichtungen Glöckner JuS 2018, 1130 (1132 f); Hartmann ZfA 2019, 486 (502 ff). 26 Bauer/Diller FS Helm, 2002 S. 3 (6 f); Linke/Fröhlich GWR 2014, 449 (453 f); Salger/Breitfeld BB 2004, 2574 (2578); v. Werder/Kost BB 2010, 2903 (2910); Wolf NZG 2014, 336 (367 f); aA Schloßer BB 2003, 1382 (1383); Schlegelberger/Schröder Rn 2a; Weiland BB 1976, 1179 (1180). 27 BGH 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 20 ff); in der Folge auch OLG Köln 3.9.2021 – 6 U 81/21, NJWRR 2022, 50 (Rn 44 ff). 28 BGH 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 28 f). 973
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die bei Due-Diligence-Prüfungen vor Unternehmenskaufverträgen geschlossen werden.29 Diese beiden Ausnahmen schränkt der BGH allerdings ihrerseits ein, indem er für die Dauer der in solchen Fällen zulässigen Abwerbeverbote eine Zwei-Jahres-Grenze einzieht; diese dürfe jedenfalls grundsätzlich30 nicht überschritten werden.31 12 Dem kann schon im Ausgangspunkt nicht gefolgt werden32: Entgegen der Behauptung des BGH lassen sich Abwerbeverbote nur schwerlich unter den Normwortlaut fassen. Dies im Wege der teleologische Extension oder gar einer Analogie zu überspielen, würde eine vergleichbare Interessenlage voraussetzen, die hier aber mit Blick auf die Schutzzwecke des § 75f nicht gegeben ist: Erstens ist der Normzweck des Schutzes vor einer Umgehung der §§ 74 ff nicht einschlägig; denn die Pflicht zum Unterlassen von Abwerbungen trifft gerade den potenziellen neuen Arbeitgeber, mit dem der Arbeitnehmer von vornherein überhaupt keine Vereinbarung treffen könnte, die nach §§ 74 ff zu bewerten wäre.33 Zweitens ist im Hinblick auf den Schutz der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) dem BGH zwar zuzugeben, dass deren Schutzbereich bei Abwerbeverboten durchaus berührt ist. Dies würde aber nur dann dafür sprechen oder gar dazu zwingen, Abwerbeverbote unter § 75f zu subsumieren, wenn diese die Berufsfreiheit in gleicher oder nahezu gleicher Weise beeinträchtigen würden wie Einstellungsverbote bzw. beschränkungen. Dies ist nicht der Fall; denn die Entscheidung des dem Abwerbeverbot unterworfenen Unternehmens über die Einstellung des Arbeitnehmers wird durch das Abwerbeverbot in keiner Weise beeinflusst.34 13 Auf die beiden Fallgruppen, in denen der BGH § 75f wieder einschränkt (Rn 11), kommt es vom hiesigen Standpunkt aus daher nicht an. Es wird allerdings vertreten, die Einschränkungen des § 75f müssten nicht nur bei Abwerbeverboten, sondern generell – also auch im Rahmen von Einstellungsverboten – Anwendung finden.35 Dagegen spricht aber, dass auch in diesen Fallgruppen – bezogen auf Einstellungsverbote – der Schutz des Arbeitnehmers vor einer Umgehung der §§ 74 ff durchaus einschlägig ist.36 Eine entsprechende teleologische Reduktion des § 75f muss also ausscheiden.
29 BGH 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 31 ff); als weiteres Bsp. nennt der BGH Abwerbeverbote im Zusammenhang mit der Abspaltung von Unternehmensteilen oder Konzerngesellschaften oder bei Vertriebsvereinbarungen zwischen selbständigen Unternehmen. Vgl. anknüpfend an diese zweite Ausnahme LG Hamburg 15.3.2016 – 305 O 460/15, BeckRS 2016, 12460: Zulässigkeit eines Abwerbeverbots, das einem ausscheidenden Sozietätsmitglied auferlegt wird; LG Köln 3.2.2021 – 31 O 3/21, GRUR-RS 2021, 33275 (Rn 17): Zulässigkeit eine Abwerbeverbots bei Call-Center-Mitarbeitern wegen Einblick in das IT-System; vgl. demgegenüber OLG Köln 3.9.2021 – 6 U 81/ 21, NJW-RR 2022, 50 (Rn 50 ff); LG Mannheim 22.2.2016 – 24 O 66/15, BeckRS 2016, 11889 (unter 2); vgl. weiterhin Hoeren/Münker CCZ 2018, 85 (88): Zulässigkeit eines Abwerbeverbots, wenn der bisherige Arbeitgeber durch eine konkrete Geheimhaltungsvereinbarung deutlich gemacht habe, dass bestimmte Informationen besonders schutzwürdig sind. 30 Krit. im Hinblick auf diese Einschränkung unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit Hack/Leister DB 2018, 2741 (2742). 31 BGH 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 35 ff); vgl. auch LG Mannheim 22.2.2016 – 24 O 66/15, BeckRS 2016, 11889 (unter 3). 32 So auch Hartmann ZfA 2019, 486 (489 ff); ErfK/Oetker22 § 75f HGB Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 5; vgl. auch BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 2; aA (dem BGH zumindest grds. zust.) HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 4; Henssler/Bleck WuB 2015, 78; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75f Rn 6; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 2; Heymann/Markworth HGB Rn 5; Naber DB 2014, 2945; MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 109; NK-GA/Reinhard2 § 75f Rn 4; Hopt/Roth41 Rn 1; Schwarzfischer BB 2014, 2897. 33 So zutr. Hartmann ZfA 2019, 486 (505 f); vgl. auch MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 34 Vgl. auch Hartmann ZfA 2019, 486 (506): Zahl der potenziellen Vertragspartner des Arbeitnehmers wird durch das Abwerbeverbot nicht verringert. 35 LG Hamburg 15.3.2016 – 305 O 460/15, BeckRS 2016, 12460 (Rn 15); Naber DB 2014, 2945 (2949); Schwill NJW 2017, 3120 (3121 ff). 36 Zutr. Ulrich GmbHR 2015, R21; vgl. auch Hartmann ZfA 2019, 486 (493 f). Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75f
C. Rechtsfolgen Die aus heutiger Sicht anachronistisch anmutenden Rechtsfolgenanordnungen des § 75f sind 14 durch die komplexe Genese der Vorschrift zu erklären.37
I. Fehlende Durchsetzbarkeit, Rücktritt und Sittenwidrigkeit Sperrabreden sind nach der gesetzlichen Konzeption nicht unwirksam (zur Sittenwidrigkeit 15 Rn 18, zur Frage der Vereinbarkeit dieser Rechtsfolge mit Art. 12 GG Rn 24 f). Bis zur Erklärung des Rücktritts (Rn 17) ist die Abrede wirksam und kann freiwillig erfüllt werden.38 Der Arbeitnehmer kann dies nicht mittels einer Unterlassungsklage verhindern;39 ebenso kann er nicht die Ausübung des Rücktrittsrechts verlangen.40 Der ehemalige Arbeitgeber kann seinen Anspruch nach Satz 2 aber weder im Klagewege 16 durchsetzen noch eine entsprechende Einrede geltend machen.41 Gerichtlich nicht durchsetzbar ist deshalb auch ein Vertragsstrafenversprechen zur Sicherung dieser Abrede.42 Ein durchsetzbarer gesetzlicher Schadensersatzanspruch (§ 826 BGB) steht dem Arbeitgeber erst zu, wenn die Abwerbung mit einer Verleitung des Arbeitnehmers zum Vertragsbruch verbunden ist oder sich in anderer Weise als sittenwidrig darstellt.43 § 75f Satz 1 räumt den Vertragsschließenden die jederzeitige, nicht abdingbare44 Möglichkeit 17 zum Rücktritt von der Sperrabrede ohne Angabe von Gründen45 ein. Durch das Rücktrittsrecht entsteht aber kein Rückgewährschuldverhältnis, sodass Leistungen, die zwischen den Vertragspartnern ausgetauscht wurden, nicht rückabzuwickeln sind. So kann ein Entgelt, das ein Unternehmen vom bisherigen Arbeitgeber zur Einhaltung der Sperrabrede erhalten hat, nicht zurückgefordert werden, ebenso wenig umgekehrt der Wert des Einstellungsverzichts. Auch eine entsprechende bereicherungsrechtliche Rückabwicklung ist ausgeschossen.46 Dass das vom Gesetz eingeräumte Rücktrittsrecht damit kaum praktische Konsequenzen hat, ist historisch zu erklären.47 37 S. die Aufarbeitung der Gesetzgebungsgeschichte im Hinblick auf die Rechtsfolgen bei Hartmann ZfA 2019, 486 (497 ff).
38 HM, s. nur BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1; GK/Etzel HGB8 Rn 2, 5; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; Schloßer BB 2003, 1382 (1384); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6 f; BeckOK-HGB/Wetzel37 Rn 5; aA mit Hinweis auf die Normgeschichte Hartmann ZfA 2019, 486 (507): § 75f führe zur Unwirksamkeit; von einer Unwirksamkeit sprechen auch – allerdings ohne nähere dogmatische Begründung – Bauer/Haußmann NZA 2016, 803 (805). 39 HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 11; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75f Rn 13; für einen Unterlassungsanspruch, wenn ausnahmsweise die Voraussetzungen einer sittenwidrigen Schädigung i.S.d. § 826 BGB nachweisbar sind, Hartmann ZfA 2019, 486 (510 f); Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7; auch ein solcher Unterlassungsanspruch dürfte aber nicht zu einem Kontrahierungszwang (Anspruch auf Einstellung bei einem bestimmten Arbeitgeber) führen, vgl. HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 11. 40 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 8. 41 BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1 („zwar nicht unwirksam, aber kraftlos vor Gericht“). 42 BGH 13.10.1972 – I ZR 88/71, AP § 75f HGB Nr. 1; 30.4.2014 – I ZR 245/12, NJW 2014, 3442 (Rn 13). 43 BGH 30.4.1974 – VI ZR 153/72, NJW 1974, 1282 (1283); 27.9.1983 – VI ZR 294/81, BGHZ 88, 260; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9; Schlegelberger/Schröder Rn 2a; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9; vgl. dazu auch Weiland BB 1976, 1179 (1180). 44 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 45 GK/Etzel HGB8 Rn 3; Hopt/Roth41 Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 46 HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 10; ausf. vor dem Hintergrund der Normgeschichte dargelegt von Hartmann ZfA 2019, 486 (498 ff, 507 f): Konstruktiv soll ein Rückgriff auf § 817 Satz 2 BGB möglich sein, jedenfalls habe § 75f „den Regelungsgehalt des § 817 Satz 2 BGB in sich aufgenommen“. 47 Vgl. Hartmann ZfA 2019, 486 (500): In der Vorgängervorschrift in § 152 Abs. 2 GewO a.F. bezog sich das Rücktrittsrecht auch auf die Mitgliedschaft in einer Koalition; der Rücktritt betraf auch und vor allem die Beendigung der Mitgliedschaft. 975
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1. Buch. Handelsstand
Allerdings kann in krassen Fällen eine Sperrabrede nach § 138 BGB sittenwidrig und deshalb nichtig sein.48 Zu denken ist hier insbesondere an Fälle, in denen die Abrede nicht mehr von einem berechtigten Arbeitgeberinteresse i.S.d. § 74a Abs. 1 Satz 1 gedeckt ist,49 sondern sachfremden Zwecken dient wie z.B. der Verdrängung unliebsamer Arbeitnehmer aus einem bestimmten Marktbereich50 oder der allgemeinen Einschränkung von Personalfluktuation.51 Sittenwidrig können Sperrabreden auch dann sein, wenn sie die freie Wahl des Arbeitsplatzes (Art. 12 Abs. 1 GG) in einem bestimmten räumlichen oder gegenständlichen Bereich praktisch beseitigen, z.B. weil sie die (weit) überwiegende Zahl der in Betracht kommenden Arbeitgeber erfassen.52 Eine Rückabwicklung bereits ausgetauschter Leistungen zwischen den Vertragspartnern der Sperrabrede ist auch in diesen Unwirksamkeitsfällen freilich ausgeschlossen (§ 817 Satz 2 BGB).
II. Schadensersatzansprüche 1. Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers 19 In Fällen der Sittenwidrigkeit der Wettbewerbsabrede (Rn 18) kann der betroffene Arbeitnehmer gegen die beteiligten Arbeitgeber einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB geltend machen, wenn ihm sein Fortkommen wesentlich erschwert oder unmöglich gemacht wird, weil der frühere Arbeitgeber aufgrund der Vereinbarung die Zustimmung zu seinem Eintritt in das Geschäft eines anderen verweigert und dieser den Arbeitnehmer deshalb nicht anstellt, ohne dass ein hinreichend berechtigt erscheinendes Geschäftsinteresse des früheren Arbeitgebers an der Verweigerung der Zustimmung bestand.53 Bei wirksamen und bloß unverbindlichen Sperrabreden kommt ein derartiger Schadensersatz grundsätzlich nicht in Betracht.54 Anderes kann nur dann gelten, wenn entgegen der Unverbindlichkeit der Vereinbarung unzulässiger Druck auf den Vertragspartner ausgeübt wird.55 In Betracht kommt auch ein Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB, da § 75f als Schutzgesetz zu qualifizieren ist.56 20 Daneben sind auch vertragliche Schadensersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen bisherigen Arbeitgeber aus § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB denkbar.57 Ein Anspruch gegen den die Einstellung verweigernden Arbeitgeber aus Culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1 oder 2, 241 Abs. 2 BGB) scheidet hingegen in der Regel aus, da es an einem Vertrauenstatbestand fehlt.58
48 NK-GA/Reinhard2 § 75d Rn 5; Hopt/Roth41 Rn 2. 49 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75f Rn 11; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 8; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 115; aA Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12. 50 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6. 51 Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 115. 52 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 12; GK/Etzel HGB8 Rn 3; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6; Schlegelberger/Schröder Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 8. 53 RAG ARS 3 (1928), 61; Eggert S. 113 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 54 Zutr. Salje ZfA 1991, 657. 55 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 56 Str., wie hier etwa Alexander ZWeR 2016, 16 (37 f); Hartmann ZfA 2019, 486 (509); dagegen etwa Eggert S. 121. 57 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10; Reinfeld Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot im Arbeits- und Wirtschaftsrecht, 1993 S. 91 f; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 117; ausf. zu den Maßstäben der dabei anzustellenden Interessenabwägung Eggert S. 113 ff; demgegenüber hält Hartmann (ZfA 2019, 486 [510]) eine Interessenabwägung für verzichtbar, da die Eingehung einer Sperrabrede per se rechtswidrig sei. 58 HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 11; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 10. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
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Für das Vorliegen der Schädigung trägt in allen Fällen der Arbeitnehmer die Darlegungs- 21 und Beweislast. Er muss nachweisen, dass er ohne die Vereinbarung eine ihm jetzt nicht mögliche Anstellung gefunden hätte. Dies dürfte in der Praxis regelmäßig nicht gelingen.59 Hat der Arbeitnehmer den Beweis im Einzelfall erbracht, so ist es – was den Anspruch aus § 826 BGB betrifft – Sache des seine Zustimmung verweigernden früheren Arbeitgebers darzulegen, dass er bei der Verweigerung in Wahrnehmung berechtigter geschäftlicher Interessen gehandelt habe, die er dem Interesse des Arbeitnehmers habe voranstellen dürfen.60 Ist der Arbeitnehmer selbst durch ein vereinbartes Wettbewerbsverbot gebunden, so kann er keine Schadensersatzansprüche erheben. Sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nachgewiesen, kommt allerdings 22 nur Ersatz in Geld in Betracht. Ein Kontrahierungszwang, also ein Anspruch auf Einstellung bei einem bestimmten Arbeitgeber, ist abzulehnen.61 Ein solcher kann auch nicht aus einem Unterlassungsanspruch des Arbeitnehmers hergeleitet werden, selbst wenn man einen solchen in Fällen der Sittenwidrigkeit bejaht (vgl. Rn 15).
2. Schadensersatzansprüche beteiligter Arbeitgeber Hält sich ein Vertragspartner der Sperrabrede nicht an das darin geregelte Einstellungsverbot, 23 kommen grundsätzlich Schadensersatzansprüche des ehemaligen Arbeitgebers nicht in Betracht. Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden wegen der von § 75f angeordneten fehlenden Durchsetzbarkeit der Sperrabrede aus.62 Ein Schadensersatzanspruch kann sich aus § 826 BGB ausnahmsweise nur dann ergeben, wenn die Abwerbung mit einer Verleitung des Arbeitnehmers zum Vertragsbruch verbunden ist oder sich in anderer Weise als sittenwidrig darstellt (Rn 16). Vgl. zum Ausschluss der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bereits Rn 17.
D. Sperrabreden und Grundrechtsschutz Hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 75f mit dem Grundgesetz wird eine unzulässige Beeinträch- 24 tigung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer (Art. 12 Abs. 1 GG) erwogen.63 Das wäre aber nur dann der Fall, wenn Art. 12 Abs. 1 GG eine Regelung forderte, die die generelle Unwirksamkeit von Sperrabreden und nicht bloß deren Unverbindlichkeit anordnet. Grundrechtsdogmatisch steht damit die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte im Privatrecht64 zur Debatte. Zwar geht es bei den Sperrabreden nicht um den Schutz einer unterlegenen Vertragspartei; es droht vielmehr einem am Vertrag nicht beteiligten Dritten eine Grundrechtsverletzung. Die Schutzgebotsfunktion der Grundrechte greift hier aber genauso. Der Staat ist gehalten, den Grundrechtsschutz des Arbeitnehmers zu gewährleisten. Genau das soll jedoch durch § 75f geschehen, der 59 60 61 62
So Hartmann ZfA 2019, 486 (510), der die praktische Bedeutung solcher Ansprüche daher für gering hält. AA MünchArbR/Nebendahl Bd. II5 § 140 Rn 110: Darlegungslast für das fehlende Interesse beim Arbeitnehmer. Zutr. HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 11; anders in der Tendenz Hartmann ZfA 2019, 486 (511). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 13; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 9. 63 Salje ZfA 1991, 671 ff (soweit ders. S. 673 ff einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz erwägt, da für nichtkaufmännische Angestellte und gewerbliche Arbeitnehmer eine entsprechende Regelung fehle, hat sich dies spätestens durch §§ 6 Abs. 2, 110 Satz 2 GewO erledigt); einen Verstoß gegen das Untermaßverbot erkennt Hartmann ZfA 2019, 486 (511 ff). 64 Grundlegend Canaris AcP 184 (1984), 201 ff; vgl. ferner u.a. Badura FS Molitor, 1988 S. 9; Bleckmann DVBl. 1988, 938; Hermes NJW 1990, 1764 ff; Jarras AöR 110 (1985), 378 ff; Klein NJW 1989, 1639 f; Lerche FS Steindorff, 1990 S. 903; Preis Grundfragen der Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 1993 S. 37 ff; Rüfner Gedächtnisschrift Martens, 1987 S. 214 ff; Ch. Weber Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 1992 S. 272 ff. 977
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Sperrabreden zwar nicht generell verwirft, aber mit Blick auf die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers für beide Vertragspartner als unverbindlich erachtet. 25 Ein darüber hinausgehender Schutz wäre nur dann notwendig, wenn das dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot entsprechende Untermaßverbot verletzt wäre, wenn also durch die fehlende oder unzureichende gesetzgeberische Gestaltung der (Privat-)Rechtsordnung in dem betreffenden Bereich das grundrechtlich gebotene Schutzminimum unterschritten wäre.65 Das erscheint aber zweifelhaft. Richtig ist zwar, dass es den skizzierten potenziellen Ansprüchen des Arbeitnehmers (Rn 19 ff) insofern faktisch an Durchsetzungskraft mangelt, als der Arbeitnehmer in der Regel keine Kenntnis von der Sperrabrede hat.66 Der Arbeitnehmer hätte aber selbst bei Kenntnis hiervon keinen Anspruch, bei einem bestimmten Arbeitgeber eingestellt zu werden; einen auf Vertragsabschluss gerichteten Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch hat er selbst in Fällen der Sittenwidrigkeit nicht (vgl. Rn 15, 22).67 Andererseits ist der potentielle neue Arbeitgeber in seiner Entscheidungsfreiheit angesichts der Unverbindlichkeit der Sperrabrede nicht eingeschränkt, er kann den Arbeitnehmer also einstellen und sich über die Sperrabrede hinwegsetzen, wenn er das will. Lehnt er die Einstellung ab, ist dies rechtlich nicht auf die unverbindliche Sperrabrede zurückzuführen. Daher fordert das Untermaßverbot nicht die Unwirksamkeit der Sperrabrede. Diese würde in Bezug auf den Einstellungsanspruch und die damit verbundene Einschränkung der Berufsfreiheit nichts ändern. 26 Zwar ist zuzugeben, dass Sperrabreden faktisch geeignet sind, auf den potenziellen neuen Arbeitgeber einzuwirken und diesen zu einem Einstellungsverzicht zu bewegen.68 Insofern ist aber daran zu erinnern, dass Sperrabreden auch der kartellrechtlichen Kontrolle unterliegen,69 die zwar andere Zwecke verfolgt (vgl. Rn 10), deren Schutz aber auf die Arbeitnehmer ausstrahlt. Weitere Schutzmechanismen fordert das Verfassungsrecht nicht.70
65 Canaris AcP 184 (1984), 228. 66 So zutr. Hartmann ZfA 2019, 486 (508 f, 511), der von einer „faktischen Bindungswirkung“ der Sperrabrede spricht. 67 Vgl. HWK/Diller10 § 75f HGB Rn 11. 68 Hartmann ZfA 2019, 486 (512). 69 Glöckner JuS 2018, 1130 (1134). 70 Demgegenüber fordert Hartmann ZfA 2019, 486 (513) – insbesondere für Sperrabreden, die nicht dem Kartellverbot unterfallen – weitere Schutzinstrumente wie etwa Musterfeststellungs- und Verbandsklagerecht oder eine strafrechtliche Sanktionierung. Weber/Gräf
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§ 75g [Vermittlungsgehilfe] 1
§ 55 Abs. 4 gilt auch für einen Handlungsgehilfen, der damit betraut ist, außerhalb des Betriebes des Prinzipals für diesen Geschäfte zu vermitteln. 2Eine Beschränkung dieser Rechte braucht ein Dritter gegen sich nur gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte.
Übersicht A.
Vorbemerkungen zu §§ 75g und 75h
I.
Genese, Systematik und Normzweck
II.
Beschränkung auf Handlungsgehilfen
1 3
4
B.
Anwendungsbereich des § 75g
C.
Vertretungsmacht nach § 55 Abs. 4
D.
Einschränkung nach Satz 2
7
8
A. Vorbemerkungen zu §§ 75g und 75h I. Genese, Systematik und Normzweck Während § 75f zwar bereits keine eigentliche arbeitsrechtliche Regelung mehr enthält, mittelbar 1 aber doch noch dem Schutz des Arbeitnehmers dient (vgl. § 75f Rn 2), befassen sich die §§ 75g und 75h ausschließlich mit der Vertretungsmacht eines Handlungsgehilfen im Verhältnis zu Dritten. Die Vorschriften enthalten in der Sache die gleichen Regelungen wie die §§ 91 Abs. 2, 91a und wurden bei der Reform des Handelsvertreterrechts im Jahre 1953 eingefügt.1 Bereits das ADHGB hatte Regelungen zum vertretungsrechtlichen Außenverhältnis vorgesehen (Art. 58 ADHGB). Mit der Einführung des HGB waren solche Fragen dann vollständig aus dem sechsten Abschnitt ausgeklammert worden. Durch die nachträgliche Einfügung der §§ 75g und 75h ist diese systematische Trennung wieder aufgeweicht worden; die Vorschriften bilden in dem auf das arbeitsvertragliche Innenverhältnis bezogenen sechsten Abschnitt insofern einen Fremdkörper (näher Vor § 59 Rn 3, 4, 9). §§ 75g und 75h bestimmen, in welchem Umfang sich der Arbeitgeber rechtsgeschäftliche 2 Handlungen von Arbeitnehmern, die lediglich mit der Vermittlung von Geschäftsabschlüssen (nicht dem Abschluss selbst) betraut sind oder eine bestehende Abschlussvollmacht überschreiten, im Außenverhältnis zurechnen lassen muss. Sie dienen dem Verkehrsschutz.2
II. Beschränkung auf Handlungsgehilfen §§ 75g und 75h sind von der Verweisung in §§ 6 Abs. 2, 110 GewO nicht erfasst und gelten des- 3 halb wie auch früher schon nur für Handlungsgehilfen i.S.d. § 59 Satz 1, also für Angestellte eines Kaufmanns, die ihrerseits kaufmännische Dienste leisten (näher zum Begriff des Handlungsgehilfen § 59 Rn 9 ff). Eine Zurechnung nach Maßgabe der §§ 75g und 75h findet also nicht statt, wenn der Arbeitgeber des Handelnden kein Kaufmann ist. Auch wenn das Bedürfnis nach Vertrauensschutz der Geschäftspartner in diesen Fällen gleichgelagert sein mag, darf doch der Schutz des Arbeitgebers hierbei nicht vernachlässigt werden. Insoweit gilt der allgemeine Grundsatz, dass Kaufleute im Geschäftsverkehr weniger schutzbedürftig sind und damit umgekehrt Nichtkaufleute sich Zurechnungsregeln des HGB nur entgegenhalten lassen müssen, wenn 1 Gesetz vom 6.8.1953 (BGBl. I 1953, S. 771). 2 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 1. 979 https://doi.org/10.1515/9783111097510-068
Weber/Gräf
§ 75g
1. Buch. Handelsstand
das – wie in § 91 Abs. 1 – ausdrücklich bestimmt ist.3 Eine analoge Anwendung der §§ 75g und 75h auf sonstige Arbeitnehmer scheidet damit aus.4 Auch für Nichtkaufleute als Vertretene sowie für technische und sonstige (nichtkaufmännische) Angestellte als Vertreter gelten jedoch die allgemeinen Regeln über die Duldungs- und Anscheinsvollmacht.5
B. Anwendungsbereich des § 75g 4 § 75g bezieht sich auf Handlungsgehilfen (Rn 3), die mit der Vermittlung von Geschäften für den Arbeitgeber betraut sind (sog. Vermittlungsgehilfen). Eine Geschäftsvermittlung liegt vor, wenn der Abschluss von Verträgen zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten durch Einwirkung auf den Dritten vorbereitet, ermöglicht und herbeigeführt wird.6 Die Tätigkeit des Arbeitnehmers muss für den Abschluss dieser Geschäfte zumindest mitursächlich sein.7 Zum Begriff der Vermittlungstätigkeit s. ausf. § 84 Rn 70 ff. Für Arbeitnehmer, die nicht nur Geschäfte vermitteln, sondern darüber hinaus mit Abschlussvollmacht ausgestattet sind (Abschlussvertreter), gilt § 55 Abs. 4 unmittelbar; § 75g greift hier nicht.8 Die geschäftsvermittelnden Arbeitnehmer gehören zu dem in § 84 Abs. 2 umschriebenen Personenkreis. Für selbständige Vermittlungsvertreter gilt die inhaltsgleiche Regelung des § 91 Abs. 2. 5 Die Aufgabenzuweisung an den Arbeitnehmer muss dahin gehen, die Geschäftsvermittlung außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers (nicht erforderlich: außerhalb des Stadtgebiets9) durchzuführen. Zu den Geschäftsräumen zählen dabei auch diejenigen einer Zweigniederlassung.10 Die Bestimmung ist aber auch anwendbar, wenn der Arbeitnehmer nicht ausschließlich im Außendienst tätig ist, sondern zum Teil auch im Innendienst.11 Insoweit ist der mit § 75g bezweckte Verkehrsschutz allerdings regelmäßig schon durch § 56 (s. dort Rn 1 ff, 42 ff) sowie bei Erteilung einer entsprechenden Handlungsvollmacht durch § 54 gewährleistet. § 75g ist grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn auch das konkrete Geschäft außerhalb der Geschäftsräume abgeschlossen wird; denn Sinn und Zweck der Norm ist gerade der Schutz von Geschäftspartnern bei Abschlüssen im Außendienst, die der Arbeitgeber nicht kontrollieren kann.12 Es genügt für die Anwendung des § 75g aber, wenn ein im Außendienst vorbereitetes Geschäft innerhalb der Geschäftsräume nur noch förmlich abgeschlossen wird.13 6 Der Handlungsgehilfe ist nur dann mit der Vermittlungstätigkeit außerhalb der Geschäftsräume „betraut“, wenn eine entsprechende Aufgabenzuweisung vorliegt. Eine rein tatsächliche Wahrnehmung von Vermittlungstätigkeit reicht nicht.14 Weiß der Arbeitgeber allerdings von ei-
3 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2; Schlegelberger/Schröder § 84 Rn 35; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4; Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 1.
4 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75g Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 5 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75g Rn 6.1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 4. 6 BGH 19.5.1982 – I ZR 68/80, AP § 84 HGB Nr. 4 (für den Handelsvertreter); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 4.
7 BGH 20.2.1986 – I ZR 105/84, DB 1986, 1117 (für den Handelsvertreter). 8 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 9 Anders früher nach § 55 a.F., wo zwischen Stadt- und Fernreisenden unterschieden wurde. 10 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 11 Ebenso Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 5; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75g Rn 11; Schlegelberger/Schröder Rn 2; zu § 75h auch BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (1107). 12 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 5; vgl. auch Heymann/Teichmann/Körber HGB § 55 Rn 14; aA MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 13 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75g Rn 11; vgl. auch Heymann/Teichmann/Körber HGB § 55 Rn 14. 14 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75g
ner solchen Tätigkeit und duldet er diese, kommt eine konkludente Einwilligung oder eine Duldungsvollmacht in Betracht.15
C. Vertretungsmacht nach § 55 Abs. 4 Durch § 75g Satz 1 wird dem an sich nur zur Vermittlung befugten Arbeitnehmer im Außenver- 7 hältnis eine auf die Fälle des § 55 Abs. 4 beschränkte Vertretungsmacht eingeräumt. Er gilt demnach als ermächtigt, Mängelanzeigen, Erklärungen, durch die eine Ware zur Verfügung gestellt wird, sowie ähnliche Erklärungen (Geltendmachung von Zurückbehaltungsrechten, Anfechtungen, Mahnungen, Fristsetzungen, Ablehnungsandrohungen, Minderungserklärungen, Geltendmachung von Schadensersatz etc.) entgegenzunehmen (passive Vertretungsmacht). Noch enger ausgestaltet ist die aktive Vertretungsmacht, die sich auf die Geltendmachung von dem Arbeitgeber zustehenden Beweissicherungsrechte beschränkt (ausf. hierzu § 55 Rn 53 ff, § 91 Rn 15 ff). Um einen Vertrauensschutz zugunsten von Vertragspartnern des Arbeitgebers zu erreichen, sind diesen gegenüber die Befugnisse der im Außendienst tätigen Mitarbeiter des Arbeitgebers insoweit gleich geregelt, unabhängig davon, ob diese Abschlussvollmacht oder lediglich Vermittlungsvollmacht besitzen.16 Dem Vertragspartner, der die internen Verhältnisse im Betrieb nicht kennt, sollen keine Nachforschungen zugemutet werden.17
D. Einschränkung nach Satz 2 Dem Charakter einer Vertrauensschutznorm entspricht es, dass § 75g als gesetzlicher Rechts- 8 scheinstatbestand ausgestaltet ist. Demzufolge kann sich ein Dritter nach Satz 2 nicht auf die Vorschrift berufen, wenn ihm eine Beschränkung der in den §§ 55 Abs. 4, 75g umschriebenen Befugnisse des Arbeitnehmers – die der Arbeitgeber jederzeit durch einseitige Erklärung vornehmen kann18 – bekannt war oder schuldhaft unbekannt geblieben ist (vgl. § 122 Abs. 2 BGB). Dasselbe gilt für Abschlussvertreter nach § 55 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 3. Die Darlegungs- und Beweislast für die Bösgläubigkeit liegt beim Arbeitgeber.19
15 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 6; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75g Rn 10; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 7. 16 Schlegelberger/Schröder Rn 1. 17 Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 2. 18 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 10. 19 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 9; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 11. 981
Weber/Gräf
§ 75h [Unkenntnis des Mangels der Vertretungsmacht] (1) Hat ein Handlungsgehilfe, der nur mit der Vermittlung von Geschäften außerhalb des Betriebes des Prinzipals betraut ist, ein Geschäft im Namen des Prinzipals abgeschlossen, und war dem Dritten der Mangel der Vertretungsmacht nicht bekannt, so gilt das Geschäft als von dem Prinzipal genehmigt, wenn dieser dem Dritten gegenüber nicht unverzüglich das Geschäft ablehnt, nachdem er von dem Handlungsgehilfen oder dem Dritten über Abschluß und wesentlichen Inhalt benachrichtigt worden ist. (2) Das gleiche gilt, wenn ein Handlungsgehilfe, der mit dem Abschluß von Geschäften betraut ist, ein Geschäft im Namen des Prinzipals abgeschlossen hat, zu dessen Abschluß er nicht bevollmächtigt ist.
Übersicht A.
Systematik und Normzweck
B.
Anwendungsbereich
C.
Genehmigungsfiktion
I.
Gutgläubigkeit des Dritten
1
4
II.
Benachrichtigung des Arbeitgebers
III.
Ablehnungserklärung
IV.
Beweislast
8
9
12
7
A. Systematik und Normzweck 1 Wie § 75g ist auch § 75h eine Vertrauensschutznorm zugunsten Dritter, die mit dem Arbeitgeber über dessen Handlungsgehilfen in geschäftlichen Kontakt kommen. Sofern diese Dritten gutgläubig sind, gelten ihnen gegenüber Willenserklärungen, die der Arbeitnehmer unter Überschreitung seiner Vollmacht im Namen des Arbeitgebers abgegeben hat, als genehmigt, wenn der vom Geschäftsabschluss benachrichtigte Arbeitgeber nicht unverzüglich seine Ablehnung erklärt. Die Vorschrift enthält also einen gesetzlich geregelten Fall, in dem das Schweigen im kaufmännischen Rechtsverkehr als Willenserklärung (Genehmigung) gewertet wird. Die §§ 177 ff BGB bleiben neben § 75h anwendbar.1 Eine inhaltsgleiche Parallelvorschrift ist § 91a, sodass die Rechtsfolgen bezüglich der 2 Handlungen von unselbständigen und selbständigen Hilfspersonen des Arbeitgebers – ein Unterschied, den ein Dritter häufig nicht erkennen kann – insoweit identisch sind. Wegen der Einzelprobleme vgl. die Kommentierung unter § 91a Rn 5 ff. Wie § 75g gilt auch § 75h nur für Arbeitnehmer, die Handlungsgehilfen i.S.d. § 59 Satz 1 3 sind (vgl. § 75g Rn 3).
B. Anwendungsbereich 4 Die Genehmigungsfiktion tritt nur ein, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber mit dem Abschluss (Abs. 2) oder zumindest der Vermittlung (Abs. 1, hierzu § 75g Rn 4) von Rechtsgeschäften betraut ist und dabei seine Kompetenzen überschreitet.2 Dies ist beim Vermittlungsvertreter 1 Näher Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 16; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75h Rn 26 ff; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 17 ff.
2 Schlegelberger/Schröder Rn 2. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-069
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75h
bei jedem Abschluss eines Geschäfts, beim Abschlussvertreter dagegen nur dann der Fall, wenn er seine örtlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkte Abschlussvollmacht überschreitet. Zu beachten ist allerdings, dass bei Abschlussvertretern gleichzeitig die §§ 55 Abs. 1, 54 zur Anwendung kommen, wonach – in den Grenzen der §§ 54 Abs. 2, 55 Abs. 2, 3 – bei auch insoweit vorausgesetzter Gutgläubigkeit des Dritten bereits eine weitgehende Vertretungsmacht des zu Geschäftsabschlüssen berechtigten Arbeitnehmers fingiert wird. Auf eine Genehmigung des Arbeitgebers kommt es also nicht an. Eine analoge Anwendung auf Handlungsgehilfen, die nicht mit dem Abschluss oder der 5 Vermittlung von Geschäften oder die mit der Vermittlung von Geschäften nur innerhalb des Betriebs des Arbeitgebers betraut sind, ist angesichts des eindeutigen Wortlauts und des Ausnahmecharakters von Vorschriften, die Schweigen im Rechtsverkehr als Willenserklärung deuten, nicht zu befürworten.3 § 75h Abs. 1 ist wie § 75g auf Vermittlungsgehilfen beschränkt, die mit Vermittlungstätigkeiten 6 außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers betraut sind (vgl. § 75g Rn 5). Die Vorschrift kommt – wie § 75g – auch dann zur Anwendung, wenn ein zur Vermittlung im Außendienst beauftragter Arbeitnehmer nicht ausschließlich im Außendienst tätig ist, sondern zum Teil auch im Innendienst. Etwas anderes folgt nicht etwa aus dem Wort „nur“ in § 75h Abs. 1; denn dieses dient lediglich der Abgrenzung zu Abs. 2.4 Wie § 75g ist § 75h Abs. 1 grundsätzlich nicht anwendbar, wenn das konkrete Geschäft innerhalb der Geschäftsräume abgeschlossen wird (vgl. § 75g Rn 5).5 In diesen Fällen kann allerdings § 56 eingreifen.6 Mit Blick auf den Rechtsgedanken der §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1, 91 Abs. 1 fallen unter § 75h Abs. 1 nur solche Geschäfte, die der Betrieb des Gewerbes des Arbeitgebers nach Art, Umfang und Risiko gewöhnlich mit sich bringt.7
C. Genehmigungsfiktion I. Gutgläubigkeit des Dritten Weitere Voraussetzung für die Genehmigungsfiktion ist Gutgläubigkeit des Dritten bezüglich 7 des Mangels der Vertretungsmacht. Dem Dritten schadet nur positive Kenntnis; Fahrlässigkeit genügt nicht, auch nicht grobe Fahrlässigkeit.8 Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses. Wird der Dritte danach, aber noch vor der Benachrichtigung des Arbeitgebers bösgläubig, so ist dies unschädlich.9
II. Benachrichtigung des Arbeitgebers Die Genehmigungsfiktion setzt weiterhin eine Benachrichtigung des Arbeitgebers über den Ge- 8 schäftsabschluss voraus. Die (formlos mögliche)10 Benachrichtigung muss die Tatsache und 3 Röhricht/v. Westphalen/Haas/Wagner/Vogt5 Rn 1; anders (Anwendung auch, wenn der Handlungsgehilfe die Geschäfte von vornherein innerhalb der Geschäftsräume abwickeln sollte) Schlegelberger/Schröder Rn 2, was jedoch mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren ist. 4 BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (Rn 11 ff); Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 4; Schlegelberger/Schröder Rn 2; aA GK/Etzel HGB8 Rn 5. 5 BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (Rn 11). 6 Vgl. Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 4. 7 BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (17); näher LG Düsseldorf 19.2.2016 – 16 O 261/09, BeckRS 2016, 130335 (Rn 30). 8 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 5; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 5. 9 MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 5. 10 BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (Rn 20); MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. 983
Weber/Gräf
§ 75h
1. Buch. Handelsstand
den wesentlichen Inhalt des Geschäftsabschlusses enthalten, und zwar so, dass der Arbeitgeber die Vollmachtsüberschreitung des Arbeitnehmers erkennen und eine Entscheidung darüber treffen kann, ob er das Geschäft ablehnen oder gegen sich gelten lassen will.11 Dazu gehören nach der Rechtsprechung des BGH eine hinreichend deutliche Beschreibung von Leistung und Gegenleistung, bei Kaufverträgen in der Regel auch Zeitpunkt und Ort der Lieferung sowie etwaige Beschaffenheits- oder Gewährleistungsvereinbarungen.12 Bei unvollständiger Benachrichtigung löst das Schweigen des Arbeitgebers nicht die Genehmigungsfiktion aus, da er für eine Ablehnung keine Veranlassung hatte und seine Untätigkeit ihm deshalb nicht als zurechenbar veranlasster Rechtsschein einer Genehmigung angelastet werden kann. Die Benachrichtigung muss schließlich vom tätig gewordenen Arbeitnehmer oder dem betroffenen Dritten selbst bzw. deren Vertreter oder Boten stammen. Auch insoweit scheidet eine analoge Anwendung auf Fälle, in denen der Arbeitgeber von dem Geschäftsinhalt anderweitig Kenntnis erlangt, aus.13
III. Ablehnungserklärung 9 Will der Arbeitgeber bei vollständiger Benachrichtigung die Genehmigungsfiktion vermeiden, muss er das Geschäft unverzüglich ablehnen. Die Ablehnung kann nur gegenüber dem Dritten erfolgen. Unverzüglich (also ohne schuldhaftes Zögern, § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedeutet nicht sofort; dem Arbeitgeber ist eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen. Welche Frist hierbei angemessen erscheint, ist eine Frage des Einzelfalls und insbesondere nach Umfang und Bedeutung des jeweiligen Geschäfts zu entscheiden. Im Regelfall ist – auch unter Berücksichtigung des § 177 Abs. 2 BGB – eine Frist von zwei Wochen anzusetzen.14 Die Ablehnung ist auch konkludent möglich.15 Erfolgt die Ablehnung gar nicht oder nicht rechtzeitig, gilt das Geschäft als mit dem zwi10 schen dem Arbeitnehmer und dem Dritten vereinbarten Inhalt zustandegekommen. Sofern dem Arbeitgeber dadurch ein Schaden entsteht, kommt im Innenverhältnis ein Ersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB in Betracht;16 hierbei wird aber in der Regel ein erhebliches Mitverschulden des Arbeitgebers wegen des Unterlassens einer rechtzeitigen Ablehnung zu berücksichtigen sein.17 In Betracht kommen ferner arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur außerordentlichen Kündigung, wenn die Vollmachtsüberschreitung einen schweren Verstoß darstellt (beispielsweise in Wiederholungsfällen oder bei Schädigungsabsicht des Arbeitnehmers).18 Ein Provisionsanspruch kann dem Arbeitnehmer aus dem als wirksam fingierten Geschäft nicht entstehen.19 Zur Frage, ob die durch das Schweigen fingierte Willenserklärung anfechtbar ist, vgl. § 91a 11 Rn 27; zur Anfechtbarkeit der Ablehnung § 91a Rn 24; zum Verhältnis der §§ 75h, 91a zu §§ 177 ff BGB vgl. § 91a Rn 32 ff. 11 12 13 14
RG 7.10.1919 RGZ 97, 1; BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (Rn 20). BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (Rn 20). Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 7; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 6. BGH 21.12.2005 – VIII ZR 88/05, NJW-RR 2006, 1106 (1108); LG Düsseldorf 19.2.2016 – 16 O 261/09, BeckRS 2016, 130335 (Rn 31). 15 Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 3. 16 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18; aA BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75h Rn 24.1; Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 15: die Wirksamkeit des Geschäfts beruhe auf einem eigenen Verhalten des Unternehmers; vgl. auch BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75h Rn 24: Haftung angesichts des Schweigens des Unternehmers regelmäßig ausgeschlossen. 17 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18. 18 Anders BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 75h Rn 24: Kündigung scheide wegen der Genehmigung des Rechtsgeschäfts regelmäßig aus. 19 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 18; aA Oetker/Kotzian-Marggraf7 Rn 4; MünchKommHGB/ Thüsing5 Rn 14. Weber/Gräf
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Sechster Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge
§ 75h
IV. Beweislast Für die Tatsache, dass der Arbeitgeber vollständig von dem Geschäftsabschluss benachrichtigt 12 wurde, ist der Dritte darlegungs- und beweisbelastet, für den Umstand, dass eine Vollmachtsüberschreitung vorlag, der Arbeitgeber. Hinsichtlich der rechtzeitigen Ablehnung gilt: Will der Dritte sich auf die Genehmigungsfiktion berufen, so muss er behaupten, dass eine rechtzeitige Ablehnung nicht erfolgt ist. In diesem Falle muss der Arbeitgeber, der eine rechtzeitige Ablehnung behauptet, hierfür substantiiert die Umstände vortragen. Sodann trägt der Dritte die Beweislast dafür, dass der substantiierte Vortrag des Arbeitgebers unzutreffend ist (vgl. zur Beweislast auch § 91a Rn 40).
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Weber/Gräf
§§ 76 bis 82 (aufgehoben) Die §§ 76–82 enthielten Bestimmungen über Handlungslehrlinge. Diese wurden durch das Berufsbildungsgesetz vom 14.8.19691 ersetzt. Vgl. zur Rechtsentwicklung bereits Vor § 59 Rn 3 ff.
§ 82a [Wettbewerbsverbot Volontär] Auf Wettbewerbsverbote gegenüber Personen, die, ohne als Lehrlinge angenommen zu sein, zum Zwecke ihrer Ausbildung unentgeltlich mit kaufmännischen Diensten beschäftigt werden (Volontäre), finden die für Handlungsgehilfen geltenden Vorschriften insoweit Anwendung, als sie nicht auf das dem Gehilfen zustehende Entgelt Bezug nehmen. 1 Die ursprüngliche Bedeutung der Vorschrift bestand in einer Legaldefinition des Volontärs1 und dem Verweis auf die Anwendbarkeit der Regeln des Handlungsgehilfenrechts über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot, allerdings mit der wichtigen Modifikation, dass nachvertragliche Wettbewerbsabreden abweichend von § 74 Abs. 2 entschädigungslos bleiben konnten.2 Mit Erlass des Berufsbildungsgesetzes 1969 ist § 82a gegenstandslos geworden, da § 12 2 Abs. 1 Satz 1 BBiG, der über § 26 BBiG auch für Volontäre gilt,3 nachvertragliche Wettbewerbsverbote grundsätzlich für nichtig erklärt.4 Hinsichtlich des gesetzlichen Wettbewerbsverbots bleibt es nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 BBiG für Auszubildende5 sowie nach § 26 i.V.m. § 10 Abs. 2 BBiG für Volontäre6 bei den allgemeinen arbeitsrechtlichen Regeln, sodass § 60 anwendbar ist. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 82a auf dem Gebiet der neuen Bundesländer, die aber 3 im Hinblick auf Rn 2 ohnehin bedeutungslos ist, vgl. Vor § 59 Rn 6.
1 BGBl. I 1969, S. 1112. 1 Vgl. zum Begriff Maties RdA 2007, 135 (140 f); s. allg. zum Recht der Volontäre Faulhaber Praktikanten und Volontäre zwischen Ausbildungs- und Arbeitsrecht, Diss. Heidelberg 2008; Lakies Volontär und Praktikant, AR-Blattei SD 1740, 2007; Orlowski Praktikanten- und Volontärverträge, 2013; Popella Praktikanten zwischen Mindestlohngesetz und Berufsbildungsgesetz, 2017; Schnelle Die Berufsbildung der Volontäre und Praktikanten, 2010; Ory AfP 2014, 308. 2 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 1. 3 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 10, 565; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2; GK/Etzel HGB8 Rn 2; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 3; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 82a Rn 5; Oetker/KotzianMarggraf7 Rn 1; ErfK/Oetker22 § 82a HGB Rn 1; ErfK/Schlachter22 § 26 BBiG Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3 ff; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 8. 4 Bauer/Diller Wettbewerbsverbote9 Rn 565; Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Boecken/Rudkowski Rn 2 f; GK/Etzel HGB8 Rn 4; Heymann/Henssler/Markworth HGB Rn 3 ff; BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 82a Rn 2, 5; Oetker/ Kotzian-Marggraf7 Rn 1; Hopt/Roth41 Rn 1; MünchKommHGB/Thüsing5 Rn 3 ff; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb19 § 55 Rn 8. 5 BAG 20.9.2006 AP § 60 HGB Nr. 13 Rn 17 ff = NZA 2007, 977; Buchner AR-Blattei SD 1830.2 Rn 191 ff; Heymann/ Henssler/Markworth HGB § 60 Rn 8; ErfK/Oetker22 § 60 HGB Rn 2; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 11. 6 BeckOGK-HGB/Ittmann (15.12.2021) § 60 Rn 8, § 82a Rn 6; MünchKommHGB/Thüsing5 § 60 Rn 11; vgl. allerdings Heymann/Henssler/Markworth HGB § 60 Rn 8, § 82a Rn 6, die – wie bei nicht-kaufmännischen Angestellten – auf § 241 Abs. 2 BGB abstellen. Weber/Gräf https://doi.org/10.1515/9783111097510-071
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§ 83 [Andere Arbeitnehmer] Hinsichtlich der Personen, welche in dem Betrieb eines Handelsgewerbes andere als kaufmännische Dienste leisten, bewendet es bei den für das Arbeitsverhältnis dieser Personen geltenden Vorschriften. Die Vorschrift adressiert Arbeitnehmer in einem Handelsgewerbe, die nicht-kaufmännische 1 Dienste leisten, also Arbeiter im herkömmlichen Verständnis sowie technische und sonstige nicht-kaufmännische Angestellte. Für diese bekräftigt § 83 die sich bereits aus § 59 Satz 1 ergebende Unanwendbarkeit des sechsten Abschnitts und verweist stattdessen auf das allgemeine Arbeitsrecht. Die Vorschrift beruht auf der ursprünglichen Konzeption der §§ 59 ff als Sonderrecht für 2 Handlungsgehilfen. Sie hat aber infolge der Tendenz zur Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen für alle Arbeitnehmer ihre Bedeutung verloren (vgl. bereits § 59 Rn 5 ff): Einerseits werden inzwischen die praktisch bedeutsamsten Regelungen aus dem sechsten Abschnitt, insbesondere diejenigen über die Wettbewerbsverbote, nicht mehr nur exklusiv auf Handlungsgehilfen, sondern auch auf andere Arbeitnehmer angewendet (vgl. § 60 Rn 15 ff, § 61 Rn 3 ff); für die nachträglichen Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff) hat dies der Gesetzgeber sogar ausdrücklich angeordnet (§§ 110 Satz 2, 6 Abs. 2 GewO). Andererseits gelten die allgemeinen Vorschriften des Arbeitsrechts, auf die § 83 für nicht-kaufmännische Arbeitnehmer verweist, auch ergänzend für Handlungsgehilfen (vgl. Art. 2 Abs. 1 EGHGB). Aus § 83 kann man nicht etwa den Umkehrschluss ziehen, dass für Handlungsgehilfen ausschließlich die §§ 59 ff gelten; die Regelungen haben ihren abschließenden Charakter schon lange verloren.1 Die §§ 59 ff enthalten lediglich leges speciales im Verhältnis zu den Regelungen des allgemeinen Arbeitsrechts.2 Allerdings ist ihre Bedeutung auch in dieser Hinsicht gering, da man in der Regel nicht zu unterschiedlichen Rechtsfolgen kommt (vgl. § 59 Rn 6).
1 Heymann/Henssler/Markworth HGB Vor § 59 Rn 19, § 83 Rn 1. 2 BeckOGK-HGB/Freyler (15.2.2022) § 59 Rn 24 m.w.N. 987 https://doi.org/10.1515/9783111097510-072
Weber/Gräf
Sachregister
A Abfindungen 74b 19 Abmahnung der Markenrechtsverletzung Anh II 37 70 Abschlussprovision 65 6 Abschlussvollmacht – Außendienstvollmacht 55 23 f. – Handelsvertreter 55 24 Abtretung, vertypte 25 110 Abtretungsfiktion 25 110 Abtretungsvermutung mit relativer Wirkung 25 110, 25 114 abweichende Haftungsvereinbarungen 25 123 ff. – anderweitig erlangte Kenntnis 25 140 f. – Ausschluss der Erwerberhaftung 25 134 ff. – Ausschluss des Schuldnerschutzes 25 139 – Bekanntmachung 25 139 f. – Eintragung 25 139 f. – Erbenhaftung 27 55 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 45 ff. – Kundmachung 25 129 ff. – Kundmachungsfolgen 25 143 – Mitteilung 25 132 – Rechtsscheinhaftung 25 161 f. – Rechtzeitigkeit der Kundmachung 25 133 ff. – Vereinbarung 25 124 ff. Abwerbeverbote 75f 10 ff. Abwerbeversuche 60 61 Abwicklung 49 22 Adelsbezeichnungen 18 65 ADHGB – Erwerberhaftung 25 4 – Firmenrecht Vor 17 11 – Handlungsgehilfenrecht Vor 59 2 f. Adressen 17 30 AG 48 52 AG & Co. KG 19 18 AGB-Kontrolle – Vertragsstrafe 75c 4 ff., 75c 17 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 31 ff., 74a 46 akademische Grade 18 67 Aktienoptionen 74b 16 Aktienoptionsprogramme Vor 74 71 Aktienrecht 20 1 ff. Alleinstellungsbehauptungen 18 110 Allerweltsnamen 18 21 989 https://doi.org/10.1515/9783111097510-073
Allgemeininteresse – Firmenänderung 22 99 f. – Firmenmissbrauchsverfahren 37 4 f. Alter 18 110 Altverbindlichkeiten – Enthaftung 26 43, 28 52 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 1, 28 39 amtliche Bezeichnungen 18 70 f. Amtslöschung – Erlöschen der Firma 31 36 ff. – Firmenmissbrauchsverfahren 37 49 f. Androhungsverfügung – Beschwerde 37 41 – Firmenmissbrauchsverfahren 37 39 ff. Angabepflicht 37a 14 ff., 37a 19 ff. – Ausnahmen 37a 14 ff. – Bericht 37a 15 – bestehende Geschäftsverbindung 37a 17 – Bestellschein 37a 18 – Durchsetzung 37a 32 ff. – Mitteilung 37a 15 – Vordrucke 37a 16 angemaßte Eigengeschäftsführung – Markenrechtsverletzung Anh II 37 69 – Namensrecht Anh I 37 47 Angestelltenvollmacht 56 1 ff. – Abdingbarkeit 56 42 ff. – Anfechtung 56 28 – Ankauf von Waren 56 33 – Beseitigung des Rechtsscheins 56 45 – Beweislast 56 49 – culpa in contrahendo 56 51 – Duldungsvollmacht 56 50 – Empfangnahme 56 35 ff. – Entgegennahme von Erklärungen 56 38 – Erlöschen 56 47 f. – Funktionsbereich 56 13 – geschützter Personenkreis 56 16 – gewöhnliches Geschäft 56 39 ff. – guter Glaube 56 6, 56 44 – Innenverhältnis 56 12 – Laden 56 18 f. – Ort der Geschaftstätigkeit 56 22 ff. – Rechtsscheinvollmacht 56 7, 56 27, 56 50 – Rückabwicklung des Kaufvertrages 56 32 – Tätigkeitsbereich innerhalb des Betriebes 56 2 – Umfang 56 29 ff. – Umsatzgeschäft 56 31 Klie
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– Verantwortlichkeit 56 51 – Verkäufe 56 30 ff. – Verkaufsraum 56 18 – Vermittlungsvertrag 56 30 – Vertretener 56 8 f. – Vertreter 56 10 ff. – Vertretungsmacht 56 26 ff. – Voraussetzungen 56 8 ff. – Warenlager 56 20 – Zweck 56 1 Angestellter Anh II 37 53a – kaufmännische Dienste 59 40 f. – kaufmännischer ~ 59 42 ff. – technischer ~ 59 43 Anmeldepflicht 29 7 ff. – Anmeldepflichtige 29 7, 33 17 ff. – Anmeldungsinhalt 29 10 – Betreiber des Handelsgewerbes 29 7 – Durchsetzung 29 9, 33 52 – Eigenbetriebe 33 40 f., s.a. dort – einzutragende Tatsachen 33 20 ff., s.a. dort – Entstehen 29 8 – Erforderlichkeit der Anmeldung 33 12 ff., s.a. dort – juristische Personen 33 11 ff. – Pacht 29 7 – Prokuraerteilung 53 4 – Rechtsfolgen 33 17 ff. – Satzungsänderung 34 6 – Vorstand 33 18 f. – Zwangsgeld 29 9 – Zweigniederlassungsänderungen 34 11 Anrechnung anderweitigen Erwerbs 74c 1 ff. – Abdingbarkeit 74c 2 ff. – Auskunftsanspruch 74c 37 ff. – böswillig unterlassener Erwerb 74c 21 ff. – Ermittlung des Anrechnungsbetrages 74c 27 ff. – Monatsrechnungsmethode 74c 27 – tatsächlicher anderweitiger Erwerb 74c 5 ff., s.a. dort – Wohnsitzverlegung 74c 31 ff. Anscheinsvollmacht – Handlungsvollmacht 54 90 ff. – Vertretungsmacht Vor 48 24 Anstellungsverhältnis – Erlöschen der Prokura 52 27 ff. – Prokurist 48 139 f. Anteilsübertragung 25 45 Anwachsung 25 43 Apotheker 48 8 Arbeitnehmer – Handlungsgehilfe 59 10 Klie
– nicht-kaufmännische Dienste 83 1 f. – Prokurist 48 139 – Provision 65 11 – Schutzpflichtverletzungen 62 42 ff., s.a. dort – Sperrabrede 75f 3 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 4, Vor 74 47 Arbeitnehmerähnliche – Handlungsgehilfe 59 19 ff. – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 21 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 51 Arbeitnehmererfindungen 74b 19 Arbeitnehmerfreizügigkeit – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 10 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 16 Arbeitnehmerhaftung 50 55 Arbeitnehmerüberlassung – Sperrabrede 75f 6 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74a 47 Arbeitslosengeld 74c 15 ff. Arbeitsplatzwahlfreiheit – Sperrabrede 75f 2 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 13 Arbeitsschutzrecht – Arbeitszeitschutz 62 12 – Betriebsrat 62 36 ff. – Doppelwirkung 62 11 – Fürsorgepflicht 62 10 ff. – Mindeststandards 62 13 – Mitbestimmung 62 36 ff. – sozialer Arbeitsschutz 62 12 – staatliches ~ 62 12 – technischer Arbeitsschutz 62 12 – Unfallverhütungsvorschriften 62 12 Arbeitsverhältnis – Haftung eintretender Gesellschafter 28 65 – Handlungsgehilfe 59 10, 59 24 ff. – Provision 65 18 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 20 f. – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 3 ff. Arbeitszeitkonten 64 14 Arbeitszeitschutz 62 12 Arthandlungsvollmacht 54 5, 54 13 – stillschweigende besondere Bevollmächtigung 54 59 Aufgebot 27 5 Aufhebungsvertrag – Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots 75 4, 75 39 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 28 990
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Aufmerksamkeitsausbeutung Anh II 37 43 Aufsichtsratsmitglieder – Erlöschen der Prokura 52 41 – Handlungsvollmacht 54 14, 54 86 – Prokurist 48 40 Auseinandersetzungsverlangen – Alleinerwerb des Unternehmens 27 103 – Einstellung der Geschäftsfortführung 27 98 – Geschäftsfortführung durch Erbengemeinschaft 27 98 Auskunftsanspruch – Anrechnung anderweitigen Erwerbs 74c 37 ff. – Markenrechtsverletzung Anh II 37 67 – Namensrecht Anh I 37 48 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 91 – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 33 ff. ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG 33 7 ausländische Namen 18 57 Ausschlagung der Erbschaft 27 25 Ausschließlichkeitsrecht Anh II 37 2 Ausschlussfristen – Karenzentschädigung 74b 34 f. – Provision 65 41 Außendienstvollmacht 55 1 ff. – Abschlussvollmacht 55 23 f. – außerhalb der Niederlassung 55 18 – bestehende Handlungsvollmacht 55 20 ff. – Betrieb 55 17 – Eigenhändler 55 15 – Entgegennahme von Erklärungen 55 38 ff., s.a. dort – Fernreisende 55 2 – Handelsvertreter 55 11 f. – Handlungsgehilfe 55 13 f. – Handlungsreisende 55 1 ff. – Kommissionäre 55 15 – Kommissionsagent 55 15 – Makler 55 15 – Ort der Vollmachtsausübung 55 16 ff. – Quittung 55 36 – selbständige Handelsvertreter 55 6 – Stadtreisende 55 2 – Umfang der Vertretungsmacht 55 25 ff. – Versicherungsvertreter 55 12 – Vertragsänderung 55 26 ff. – Zahlungsannahme 55 33 ff. – Zahlungsfristen 55 31 Außenverhältnis – Umfang der Handlungsvollmacht 54 34 – Veräußerung nur der Firma 23 20 ff. – Vertretungsrecht Vor 48 34 ff. 991
Außenwirkungstheorien 25 12, 25 19 Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 112 ff. – Art des Zusammenwirkens 48 117 ff. – Bevollmächtigung 48 122 ff. – Einzelprokura 48 116 – Einzelvertretungsmacht 48 115 – Erweiterungen der Vertretungsmacht 48 133 ff. – formbedürftiges Rechtsgeschäft 48 130 – gemischte Gesamtvertretung 48 113 – Gesamtvertretungsmacht 48 115 – kaufmännisches Bestätigungsschreiben 48 127 – Kenntnis 48 129 – passive Vertretungsmacht 48 125 ff. – Rechtsscheinvollmacht 48 136 – Selbstkontrahieren 48 131 – Umfang 48 112 ff. – Verhinderung eines Gesamtprokuristen 48 132 – Willensmängel 48 129 – Zustimmung 48 118 ff. Auszubildende – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 50 – Wettbewerbsverbot, nichtiges 74a 37 B Bagatellbeschränkungen Vor 74 61 f. Banken 18 78 Bau 18 86 Beauftragter Anh II 37 53a Bedingung – Firmenfortführung 22 74 – Prokura 48 60, 50 9 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 63 ff., 74 74 f. Befristung – Firmenfortführung 22 74 – Prokura 48 60, 50 10 Bekanntmachung – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 139 f. – Änderungen 34 18 – Handelsregisteranmeldung 29 16, 33 53 – Insolvenz 32 10 – Schuldenhaftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes 25 145 f. Bereicherungsanspruch – Markenrechtsverletzung Anh II 37 66 – Namensrecht Anh I 37 46 Berufsbezeichnungen – Irreführungsverbot 18 68 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 23 Klie
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Berufsfreiheit – Sperrabrede 75f 24 – Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 14 Beschwerde – Androhungsverfügung 37 41 – Eintragung 53 26 – Firmenmissbrauchsverfahren 37 43 – Handelsregisteranmeldung 29 14 – Ordnungsgeldfestsetzung 37 46 Beseitigungsanspruch – Markenrechtsverletzung Anh II 37 57 – Namensrecht Anh I 37 39 Bestellschein 37a 13 – Angabepflicht 37a 18 Betreiben eines Handelsgewerbes 60 54 ff. – abstrakte Gefährdung 60 63 – Abwerbeversuche 60 61 – Handelsgewerbe 60 54 f. – kapitalmäßige Beteiligung 60 57 – Kleinunternehmen 60 55 – organisatorische Maßnahmen 60 60 – unternehmerische Tätigkeit 60 56 – Vorbereitungshandlungen 60 58 ff. – Werbung 60 62 betriebliche Übung 59 63 Betriebsfähigkeit 22 14 Betriebsinhaber Anh II 37 53a Betriebsrat – Arbeitsschutzrecht 62 36 ff. – Provision 65 42 f. Betriebsübergang – Erlöschen der Prokura 52 56 – Handelszweig des Arbeitgebers 60 51 – verbotene Geschäfte im Handelszweig 60 67 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 78 ff. Betriebsvereinbarung – Prokurist 48 145 – Umfang der Prokura 49 14 – Vergütungspflicht 59 63 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 5 Betriebsverfassungsrecht 48 143 ff. Bevollmächtigung – Abstraktionsgrundsatz Vor 48 37 ff. – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 122 ff. – Grundgeschäft Vor 48 35 ff. – Innenverhältnis Vor 48 43 – Trennungsgrundsatz Vor 48 35 – Umfang der Vertretungsmacht Vor 48 41 f. – Vertretungsmacht Vor 48 35 ff. Beweislast – Angestelltenvollmacht 56 49 Klie
– Einwilligung des Arbeitgebers 60 79 – Entgegennahme von Erklärungen 55 44 – Erlöschen der Prokura 52 61 – Genehmigungsfiktion 75h 12 – Gesamtprokura 48 151 – Handlungsvollmacht 54 76 – Prokura 48 151 – Rechtsverletzung 37 60 – Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 122 – Schutzpflichtverletzungen 62 51 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 75 – Umfang der Prokura 49 52 – Unterlassungsklage 37 60 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 86 f. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 90, 74a 48 f. – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 15 f. Beweissicherung 55 53 ff. Bezirksprovision 65 6, 65 8 BGB-Gesellschaft – Firma Vor 17 5 – Firmenfähigkeit 17 9a – Firmenrecht Vor 17 10 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 21 Bildzeichen 17 29 – Firma 17 29 – Kennzeichnungseignung 18 9 f. Bio – Irreführungsverbot 18 111 Börse – Handelsregisteranmeldung 33 8 – Irreführungsverbot 18 80 Bote Vor 48 15 Branchennähe Anh II 37 33 ff. Briefumschläge 37 24 Buchführung 18 84 Buchstabenkombinationen 18 13 f. bürgerlicher Name Anh I 37 13 business judgment rule 27 16 C Cooling-off-Klauseln 74 29 Corona-Pandemie 62 26 culpa in contrahendo 56 51 D Darlehensaufnahme 54 63 Dauerschuldverhältnisse – Erbenhaftung 27 43 – Erwerberhaftung 25 89 ff. – Nachhaftungsbegrenzung 26 5 – Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 118 992
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Deliktsrecht – Markenrechtsverletzung Anh II 37 68 – Schutzpflichtverletzungen 62 52 Dienstleistungspflicht 59 50 ff. – andere gesetzliche Regelungen 59 54 f. – Angemessenheit 59 57 – Direktionsrecht 59 58 f. – Ortsgebrauch 59 56 – Tarifverträge 59 53 – vorrangige Vereinbarungen 59 51 f. – Weisungen 59 58 f. Dienstwagennutzung 74b 14 Direktionsrecht 59 58 f. Domainrecht Anh I 37 25 Duldungsvollmacht – Angestelltenvollmacht 56 50 – Handlungsvollmacht 54 90 ff. – Vertretungsmacht Vor 48 22 Dürftigkeitseinrede 27 3 E e.V. & Co. KG 19 18 eGbR mbH 17 22a Eheschließung 21 6 Ehrenwort 74a 38 f. Eigenbetriebe – Anmeldepflicht 33 40 f. – Anmeldungspflichtige 33 42 ff. – Firma 33 47 – Gebietskörperschaften 33 40 – Handelsregisteranmeldung 33 9, 33 39 ff. – Umfang des Gewerbebetriebs 33 41 – Unterlagen, beizufügende 33 49 – Vertretungsmacht 33 48 – Vorstandsmitglieder 33 48 Eigenhändler 55 15 ein Unternehmensträger – eine Firma Vor 17 39 ff., 33 24 Einfirmenvertreter 59 21 Einstellung der Geschäftsfortführung 27 62 ff. – Auseinandersetzungsverlangen 27 98 – Ausschlagungsfrist 27 71 – Einbringung in eine Gesellschaft 27 67 – Eingliederung in ein Unternehmen 27 68 – Einstellungsfrist 27 69 ff. – Geschäftsfortführung durch Erbengemeinschaft 27 100 – Nachlassverwaltung/-insolvenz 27 64 – rechtzeitige ~ 27 73 f. – Veräußerung des Unternehmens 27 65 – Verpachtung des Geschäfts 27 66 – werbende Tätigkeit 27 62 f. 993
Eintragung – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 139 f. – Änderungen 34 18 – Beschwerde 53 26 – Erlöschen der Firma 31 29 – Erlöschen der Prokura 53 21 f. – Erweiterungen der Prokura 53 20 – Firmenfortführung 22 25 – gemischte Gesamtvertretung 53 23 – Gesamtprokura 48 137, 53 19 – Handelsregisteranmeldung 29 15, 33 53 – Handlungsvollmacht 54 25 – Irreführungsverbot 18 54 – Niederlassungsprokura 50 19, 53 19 – Prokura 53 18 ff. – Prokuraerteilung 48 61 – Prüfung 53 18 – Umfangsbeschränkung der Prokura 53 19 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 18 ff. – Zweigniederlassung Vor 17 66 Eintragungsverfahren 37 48 Eintrittsrecht 61 18 ff. – Arbeitsentgelt 61 22 – Beteiligung an einer Konkurrenzgesellschaft 61 31 f. – Betrieb eines Handelsgewerbes 61 29 f. – Geschäfte auf eigene Rechnung 61 21 ff. – Geschäfte für fremde Rechnung 61 25 ff. – mehrere Einzelgeschäfte 61 28 – Rosinenpickerei 61 28, 61 30 Einwilligung des Arbeitgebers 60 73 ff. – Beweislast 60 79 – fingierte ~ 60 81 ff. – konkludente ~ 60 77 – nachträgliche ~ 60 76 – rechtsgeschäftlich erklärte ~ 60 74 ff. – Widerruf 60 84 f. Einzelhandelsgeschäfte 18 87 Einzelkaufmann – Erlöschen der Firma 17 38 ff., 31 18 ff., 31 30 – Firma 17 7 – Firmeneinheit Vor 17 41 – Firmenfortführung 24 7 – Firmenrecht Vor 17 10, Vor 17 11 – Geschäftsbriefe 37a 6, 37a 9, 37a 23 f. – Gleichnamige 30 42 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 19 – Handelsgewerbe 59 32 – Handelsregister 31 5 – Handelsregisteranmeldung 29 1 ff., 29 6a, s.a. dort Klie
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– Prokura 48 5 ff. – Rechtsformzusatz 19 6 ff. einzutragende Tatsachen 33 20 ff. – Änderung 34 5 – Firma 33 21 ff. – Prokura 53 3 ff. – Satzungsänderung 34 6 – Sitz 33 28 – Unterlagen, beizufügende 33 34 ff., s.a. dort – Unternehmensgegenstand 33 29 – Vertretungsmacht der Vorstandsmitglieder 33 31 f. – Vorstandsmitglieder 33 30 Elternteilzeit 74b 26 Endloshaftung 28 60 entgangener Gewinn 61 13 Entgegennahme von Erklärungen 55 38 ff. – Abdingbarkeit 55 42 – Angestelltenvollmacht 56 38 – Bereitschaft des Handlungsbevollmächtigten 55 46 – Beweislast 55 44 – Beweissicherung 55 53 ff. – kaufmännisches Bestätigungsschreiben 55 52 – Mängelanzeige 55 48 – passive Vertretungsmacht 55 45 – Vertretung bei Fremdgeschäften 55 47 – Ware 55 49 – widerlegbare Vermutung 55 41 – Zweck 55 39 f. Entgelt – Eintrittsrecht 61 22 – Handlungsgehilfe 59 28 ff. Enthaftung 26 40 ff. – Altverbindlichkeiten 26 43, 28 52 – Endloshaftung 28 60 – Erlöschen der persönlichen Haftung 26 45 – Freiwerden von Sicherheiten 26 46 ff. – Gegenstand 26 40 f. – Geschäftsverbindlichkeiten 26 40 f. – Haftung eintretender Gesellschafter 28 50 ff. – Interessenausgleich 28 52 – Kapitalgesellschaftsgründung 28 63 – Kommanditist 28 55 – Rechtsfolge 26 45 – Schuldnerwechsel 28 59 – Sicherheitsleistung 26 49 – Voraussetzungen 26 17 ff. – Zeitpunkt 26 42 ff. Enthaftungsausschluss, vereinbarter 26 35 f. Klie
Erben – Erlöschen der Prokura 52 34 – Unterlassungsklage 37 57 Erbengemeinschaft – Erlöschen der Prokura 52 54 – Geschäftsfortführung durch ~ 27 91 ff., s.a. dort – Nachfolgezusatz 22 92 – Prokuraerteilung 48 48 – Rechtsformzusatz 19 36 Erbenhaftung 27 1 ff. – abweichende Haftungsvereinbarungen 27 55 – Anwendungsbereich 27 20 – Aufgebot 27 5 – Ausschlagung der Erbschaft 27 2, 27 25 – Beschränkbarkeit der ~ 27 49 ff., 27 61 ff. – business judgment rule 27 16 – Dauerschuldverhältnisse 27 43 – Dürftigkeitseinrede 27 3 – Einstellung der Geschäftsfortführung 27 62 ff., s.a. dort – Einstellung der Geschäftsfortführung, rechtzeitige 27 73 f. – Eintragungspflichten 27 48 – Erbschaft 27 24 – Firmenfortführung 27 37 ff. – Fortführung des Handelsgeschäfts 27 31 ff., s.a. dort – Gesamtrechtsnachfolge 27 1 – Geschäftsfortführung durch Erbengemeinschaft 27 91 ff., s.a. dort – Geschäftsfortführung durch Testamentsvollstrecker 27 76 ff., s.a. dort – Geschäftsverbindlichkeiten 27 7, 27 41 ff. – Geschäftsverbindlichkeiten, frühere 27 42 ff. – Gesellschafteranteile 27 21 – Haftungsbeschränkung 27 3 – Haftungsfallen 27 13 – Handelsgeschäft 27 30 – Interessenausgleich 27 17 – Inventarerrichtung 27 5 – Kleingewerbetreibende 27 20 – Kundmachung der Beschränkung 27 56 ff. – Minderfirma 27 20 – Miterben 27 92 – Nacherbe 27 27 – Nachlasserbenschulden 27 46 – Nachlassinsolvenz 27 3 – Nachlassverwaltung 27 3 – Nachlassverwaltungsschulden 27 47 – Neuverbindlichkeiten 27 7 – Privatverbindlichkeiten 27 42 – Rechtsfolgen 27 41 ff. 994
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– Scheinerbe 27 28 – Schwebezeit 27 72 – Unbeschränkbarkeit der ~ 27 23 ff. – unbeschränkte ~ 27 6 – Universalsukzession 27 1 – Verkehrsschutz 27 12, 27 18 – Vermächtnisnehmer 27 29 – Vermeidung der Unbeschränkbarkeit der ~ 27 19 – Verpflichtungsgründe, besondere 27 40 – Vorerbe 27 27 – Zweck 27 9 ff. Erforderlichkeit der Anmeldung 33 12 ff. – Gegenstand des Gewerbebetriebs 33 12 – Gewinnerzielungsabsicht 33 13 – Handelsgewerbe 33 13 – kaufmännischer Geschäftsbetrieb 33 13 – Kleingewerbetreibende 33 14 – Umfang des Gewerbebetriebs 33 13 ff. – Vermögensverwaltung 33 13 – zulässige wirtschaftliche Betätigung 33 16 Erfüllungsanspruch – Prokuraerteilung 48 70 ff. – Schutzpflichtverletzungen 62 44 f. Erkenntnisverfahren 25 99 Erklärungstheorie 25 5, 25 10, 25 18 Erlöschen der Firma 17 33 ff. – Abgrenzung 31 17 – Absinken zum Kleingewerbe 31 18 – Amtslöschung 31 36 ff. – Änderung 17 33 – Anmeldepflichtige 31 30 ff. – Aufgabe 17 33 – Aufgabe des Gewerbebetriebs 17 39, 17 46 – Einstellung des Gewerbebetriebs 31 20 – Einzelkaufmann 17 38 ff., 31 18 ff., 31 30 – Firmenfähigkeit 17 10e – Firmenfortführung 17 34 – Formkaufmann 17 48 – Formwechsel 17 35 – Handelsregister 31 8, 31 17 ff. – Insolvenz 31 26, 31 27, 31 33 – Irreführungsverbot 18 39 – juristische Personen 17 49, 34 10 – Kapitalgesellschaft 31 27, 31 32 – Liquidation 31 24, 31 27 – Nachtragsliquidation 31 24 – Personenhandelsgesellschaft 17 44 ff., 31 23 ff., 31 31 – Spaltung 17 37 – subsidiäre Amtslöschung 31 36 ff. – Tod des Einzelkaufmanns 31 22 995
– Veräußerung des Gewerbebetriebs 31 25 – Verfahren 31 34 f. – Verschmelzung 17 36 – VVaG 31 28 – Wirkung der Eintragung 31 29 – Zwangsgeld 31 35 Erlöschen der Prokura 52 1 ff. – Aufsichtsratsmitglieder 52 41 – Beendigung des Anstellungsverhältnisses 52 27 ff. – Betriebsübergang 52 56 – Beweislast 52 61 – Einstellung des Handelsgewerbes 52 30, 52 44 f. – Eintragung 53 21 f. – Eintritt eines Gesellschafters 52 52 – Erben 52 34 – Erbengemeinschaft 52 54 – Erlöschensgründe 52 25 ff. – Firmenänderung 52 31 – Gesamtprokura 52 43 – Geschäftsunfähigkeit 52 39 f. – Gesellschafterwechsel 52 53 – gesetzlicher Vertreter 52 41 – Handelsregister 52 57, 53 9 ff. – Insolvenz 52 47 ff. – Kleingewerbetreibende 52 30 – Liquidation 52 46 – Löschung im Handelsregister 52 57 – Minderjährige 52 37 – Miterben 52 35 – Niederlegung der Prokura 52 42 – Organstellung 52 41 – Tod des Kaufmanns 52 32 ff. – Tod des Prokuristen 52 38 – Umwandlung 52 55 – Verlust der Kaufmannseigenschaft 52 30 – Wechsel des Unternehmensgegenstandes 52 31 – Wechsel des Unternehmensinhabers 52 50 ff. – Wechsel des Unternehmensträgers 52 26 – Widerruf der Prokura 52 4 ff., s.a. dort Ermächtigung Vor 48 6 Ermächtigungstreuhand 27 79 Ersatzbevollmächtigung 58 4 f. Ersatzfirma 22 67 ff. Ersetzungsbefugnis 61 6 Ersichtlichkeitsschwelle 18 50 ff. Erstbegehungsgefahr Anh I 37 41, Anh II 37 56 Erweiterungen der Prokura 53 20 Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 13 ff. – Bestehen des Handelsgeschäfts 22 14 ff. – Betriebsfähigkeit 22 14 Klie
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– Erwerb von Todes wegen 22 21 – Erwerberhaftung 25 1 ff., s.a. dort – Erwerbsformen 22 20 ff. – Grundlagengeschäfte 49 20 – Handelsgeschäft 22 13 – Hauptniederlassung 22 19 – Insolvenz 22 16 – Kaufmannseigenschaft 22 13 – Liquidation 22 15 – Mantelgesellschaft 22 22 – mehrere Unternehmen 22 18 – Nachhaftungsbegrenzung 26 1 ff., s.a. dort – Scheingründung 22 14 – Schenkung von Todes wegen 27 107 – Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 104 ff., s.a. dort – Unternehmen 22 13 – Unternehmenskern 22 17 ff. – Vermächtnisnehmer 27 104 ff. – Vorratsgesellschaft 22 22 – Zweigniederlassung 22 19 – Zweiterwerb 25 102 Erwerberhaftung 25 1 ff. – Abgrenzung 25 41 – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 123 ff., s.a. dort – ADHGB 25 4 – Anteilsübertragung 25 45 – Anwachsung 25 43 – Ausschluss der ~ 25 134 ff. – Außenwirkungstheorien 25 12, 25 19 – befisteter Erwerb 25 52 f. – bestehendes Handelsgeschäft 25 47 f. – Betriebsaufspaltung 25 41 – bisherige Firmenführung 25 49 f. – Dauerschuldverhältnisse 25 89 ff. – Erkenntnisverfahren 25 99 – Erklärungstheorie 25 5, 25 10, 25 18 – Erwerb unter Lebenden 25 51 – Fehlen eines Erwerbsgeschäfts 25 56 – Firmenfortführung 25 64 ff. – Firmenkontinuität 25 71 ff. – Fortführung des Handelsgeschäfts 25 61 ff. – Gesamtrechtsnachfolge 25 42 – Gesamtschuldnerhaftung 25 97 f. – Geschäftsbezeichnung 25 64 – Geschäftsverbindlichkeiten 25 84 ff. – Haftungsfondstheorie 25 11, 25 18 – Haftungskontinuität 25 10, 25 14, 25 20 – Handelsgesetzbuch 25 7 – Inhalt 25 83 ff. – Insolvenz 25 46 Klie
– Kleingewerbetreibende 25 36 ff. – mangelhafte RA-/Notar-Beratung 25 103 – ohen Firmenfortführung 25 144 ff. – Rechtsfolgen 25 75 ff. – rechtspolitische Bewertung 25 32 ff. – Rechtsscheinhaftung 25 10, 25 152 ff., s.a. dort – Rechtsscheintheorie 25 11, 25 18 – Reichsgericht 25 5 – Reichsoberhandelsgericht 25 4 – Schuldbeitritt 25 75 ff. – Schuldenhaftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes 25 144 ff., s.a. dort – Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 104 ff., s.a. dort – Schuldübernahme 25 91 – Umfang 25 83 ff. – Umwandlung 25 44 – Universalsukzession 25 16, 25 21 – Unternehmenskern 25 57 – Unwirksamkeit des Erwerbsgeschäfts 25 55 – Veräußerung eines von mehreren Unternehmen 25 58 ff. – Verkehrsschutz 25 13 – Vermögensübernahme-/ Verkehrsschutzprinzip 25 11 – Vertragsüberleitung 25 75 ff. – Vertragsübernahme 25 90 – Voraussetzungen 25 47 ff. – Weiterverpachtung 25 54 – Zulässigkeit der Firmenführung 25 69 – Zwangsvollstreckung 25 100 – Zweck 25 28 ff. – Zweigniederlassung 25 58 ff. – Zweiterwerb des Handelsgeschäfts 25 102 Etablissementbezeichnung Vor 17 5 EWIV 19 31 F Fabrik 18 92 Fachgeschäft 18 91 Familienangehörige – Fürsorgepflicht 62 6 – Handlungsgehilfe 59 17 fehlerhaftes Arbeitsverhältnis – Handlungsgehilfe 59 27 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 31 Feststellungsklage – Karenzentschädigung 74 93 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 84 – Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 31 – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 17 Finanzierung 18 82 996
Sachregister
Firma Vor 17 1 ff. – abgeleitete ~ Vor 17 21 – Abgrenzung Vor 17 5 ff., 17 15 ff. – Adressen 17 30 – Aktienrecht 20 2 – Änderungen 18 6 – Arten der ~ Vor 17 16 ff. – Begrenzung des Firmengebrauchs 17 52 ff. – Begriff Vor 17 1 – BGB-Gesellschaft Vor 17 5 – Bildzeichen 17 29 – Definition 17 4 ff. – Eigenbetriebe 33 47 – Einzelkaufmann 17 7 – einzutragende Tatsachen 33 21 ff. – Entstehen der ~ 17 31 ff. – Erlöschen der ~ 17 33 ff., s.a. dort – Ersatzfirma 22 67 ff. – Etablissementbezeichnung Vor 17 5 – Firmenabkürzungen 17 28 – Firmenänderung 18 6 – Firmenbestandteile Vor 17 25 – Firmenbildung 18 3 – Firmeneinheit Vor 17 24 – Firmenfähigkeit 17 9 ff., s.a. dort – Firmenfortführung 21 1 ff., 22 1 ff., 24 1 ff., s.a. dort – Firmenführungspflicht 17 51 – Firmenkern Vor 17 22 ff. – Firmenmissbrauchsverfahren 37 1 ff., s.a. dort – Firmenrecht Vor 17 8 ff., s.a. dort – Firmenschlagworte 17 28 – Firmenschutz Vor 17 50 f. – Firmenstatut Vor 17 52 ff. – Firmenwahlfreiheit 17 8, 18 1 – Firmenzusatz Vor 17 22 ff. – freie Berufe Vor 17 5 – Geschäftsabzeichen 17 30 – Geschäftsbezeichnung Vor 17 5, 17 15 ff. – Geschäftsbriefe 37a 1 ff., 37a 20, s.a. dort – Geschäftsverkehr Vor 17 3, 17 51 ff. – Gesellschafter 17 56 – gewerbliche Schutzrechte 17 55a – good will Vor 17 3 – Grundbuch 17 55 – Handelsgesellschaft 17 7 – Handelsregister 17 51 – Identifikationsfunktion 17 6 – Identifizierung 18 4 – Informationsfunktion Vor 17 1 – Insolvenz 22 54 ff. – Insolvenzmasse 22 55 997
– Irreführungsverbot 17 21, 18 33 ff., s.a. dort – Kennzeichnung des Unternehmens Vor 17 3 – Kennzeichnungseignung 18 2, 18 7 ff., s.a. dort – Luftfahrzeugrolle 17 55 – Marken Vor 17 7, 17 27 – Markenschutz Anh II 37 6 ff. – Minderfirma Vor 17 5, 17 19 ff., s.a. dort – Mischfirma Vor 17 20 – Name eines Kaufmanns 17 9 ff. – Namensrecht Anh I 37 14 – neue ~ 30 9 ff., s.a. Unterscheidbarkeit der Firma – Niederlassungsprokura 50 15 – Parteibezeichnung 17 58, 17 62 – Personenfirma Vor 17 16 f. – Phantasiefirma Vor 17 19 – Präventivschutz 18 5 – Prozess 17 57 ff. – Prozesshandlungen 17 62 – Prozessparteibestimmung 17 64 – Prozessparteiwechsel 17 65 f. – Publizitätsfunktion Vor 17 2 – Rechtsformzusatz 17 20 – Rechtskraft 17 67 – Rechtsnatur 17 50 – Registerrecht 17 54 – Sachfirma Vor 17 18 – Schiffsregister 17 55 – Testamentsvollstrecker 22 71 ff. – unbefugter Firmengebrauch 37 8 ff., s.a. dort – Unternehmenskennzeichen Vor 17 6, 17 26 – Unternehmensträger 17 5 – Unterscheidbarkeit der ~ 30 1 ff., s.a. dort – Unterscheidungskraft, abstrakte Vor 17 36 f., 18 2, 18 8, 18 16 ff., s.a. dort – Unterscheidungskraft, konkrete Vor 17 38 – Unzulässigkeit der ~ 37 9 ff., s.a. dort – Veräußerung der ~ 23 1 ff., s.a. dort – Verkehrsschutz 18 4 f. – Vermögenswert Vor 17 4 – Verwechselungsschutz 18 4 – Wechselprozess 17 62 – Werbeträger Vor 17 3 – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 3 – Zeichnung des Prokuristen 51 3 – Zwangsvollstreckung 17 68 f. – Zweigniederlassung Vor 17 44 ff. – Zweigniederlassungszusatz 50 16 Firmenabkürzungen/-schlagworte 17 28 – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 23 – Markenschutz Anh II 37 8 – Name Anh I 37 11 Klie
Sachregister
Firmenänderung 18 6, 22 87 ff. – Allgemeininteresse 22 99 f. – Erlöschen der Prokura 52 31 – Firmenmissbrauchsverfahren 37 3 – Grundlagengeschäfte 49 18 – Handelsregister 31 7 ff., 34 5 – Inhaberinteresse 22 101 – Irreführungsverbot 18 35 – Nachfolgezusatz 22 90 ff. – namensrechtliche Gestattung 22 46 – Rechtsformzusatz 22 87 ff. – unbestimmte Gesellschaftszusätze 22 97 f. – unwesentliche ~ 22 96 Firmenbeständigkeit Vor 17 31 ff. – Firmenfortführung 21 3, 22 4, 22 9 Firmenbestandteile Vor 17 25 – Fortführungseinwilligung 24 29 ff. – Irreführungsverbot 18 65 ff. – Markenschutz Anh II 37 7 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 29 Firmenbildung Vor 17 52 ff., 18 3 – deutsche Tochter ausländischer Rechtsträger Vor 17 62 – deutsche Zweigniederlassung ausländischer Rechtsträger Vor 17 63 f. – Firmenstatut Vor 17 52 ff. – juristische Personen 33 21 ff. – Rechtsformzusatz 19 5 – Unternehmensträger aus Drittstaaten Vor 17 52 – Unternehmensträger aus EU-Staaten Vor 17 53 – Unternehmensträger aus Vertragsstaaten Vor 17 54 – Unzulässigkeit der Firma 37 9 ff. – zulässige ~ 18 3 Firmeneinheit Vor 17 24, Vor 17 39 ff. – Einzelkaufmann Vor 17 41 – Irreführung Vor 17 41 – Kapitalgesellschaft Vor 17 40 – Personenhandelsgesellschaft Vor 17 40 – Zweigniederlassung Vor 17 44 ff. Firmenfähigkeit 17 9 ff. – Beginn 17 10 – BGB-Gesellschaft 17 9a – Ende 17 10a ff. – Erlöschen der Firma 17 10e – Firmenfortführung 21 10 – Formkaufmann 17 11 – GbR 17 12 – Handelsgesellschaft 17 11 – Kaufmann 17 9 – Partnerschaft 17 9a, 17 13 Klie
– Unzulässigkeit der Firma 37 14 – Vorgesellschaft 17 14 Firmenfortführung 21 1 ff., 22 1 ff., 24 1 ff. – andere Unternehmensträger 24 14 f. – Änderungen im Gesellschafterbestand 24 3 – Anwendungsbereich 22 11 f. – Art und Weise 22 84 ff., 24 43 ff. – Bedingung 22 74 – Befristung 22 74 – Beschränkungen 22 74 ff. – bestehendes Handelsgeschäft 22 13 ff., 24 16 – Betriebsaufspaltung 22 110 – bisherige Firmenführung 22 23 ff., 24 19 – Eheschließung 21 6 – Eintragung der Firma 22 25 – Einzelkaufmann 24 7 – Erbenhaftung 27 37 ff. – Erlöschen der Firma 17 34 – Erlöschen des ~srechts 22 105 ff. – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 13 ff., s.a. dort – Erwerberhaftung 25 1 ff., 25 64 ff., s.a. dort – Firmenänderung 22 87 ff., s.a. dort – Firmenbeständigkeit 21 3, 22 4, 22 9 – Firmenfähigkeit 21 10 – Firmenmissbrauchsverfahren 22 82 – Firmenpriorität 22 7 – Firmenvereinigung 22 103 f. – Firmenwahrheit 21 3, 22 9 f. – Formwechsel Anh 21 1 ff. – Fortführungseinwilligung 22 27 ff., 24 26 ff., s.a. dort – GbR Anh 21 6 – Geschäftsbezeichnung 22 12 – Gesellschaften 21 7 – Gesellschafter, Statusänderungen 24 25 – Gesellschafteraufnahme 24 20 – Gesellschafterausscheiden 24 26 ff. – Gesellschaftereintritt 24 21 f. – Gesellschafterrechtsnachfolge 24 24 – Gesellschafterwechsel, vollständiger 24 22 – Gründungszusatz 21 16 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 37 – Handelsgeschäft 24 7 – Handelsgesellschaft 24 7 ff. – Handelsrechtsreform 22 5 ff., 24 5 f. – Handelsregister 21 11, 31 8 – Inhaberwechsel 22 1, 31 11 – Insolvenz 22 57 f. – Irreführungsverbot 18 68 – Kontinuität des Unternehmens 24 17 f. – Kündigung aus wichtigem Grund 22 80 998
Sachregister
– Löschung der Firma 22 26 – Minderfirma 21 15, 22 12 – Nachfolgezusatz 24 44 f. – Nachhaftungsbegrenzung 26 1 ff., s.a. dort – namensgebender Gesellschafter 24 4 – namensrechtliche Gestattung 22 42 ff., Anh 22 7 f., s.a. dort – natürliche Personen 21 7 – Nießbrauch 22 110 – Nutzungspfandvertrag 22 111 – Pacht 22 110 – Partnerschaft Anh 21 5, Anh 22 9 f. – Pflicht 22 73 – Recht zur ~ 24 42 – Rechte des Erwerbers gegen Dritte 22 83 – Rechte gegen den Erwerber 22 82 – Rechtsformzusatz Anh 21 3, 24 46 – Rechtsscheinhaftung 25 157 – Rücktritt 22 81 – Scheidung 21 6 – Schuldnerschutz bei ~ 25 104 ff., s.a. dort – Spaltung Anh 22 11 ff. – Stiftungen 21 7 – Testamentsvollstrecker 22 71 ff., 22 111 – Tochtergesellschaft 22 75 – Tod des Ehegatten 21 6 – Umwandlung Anh 22 1 ff. – Unterscheidbarkeit der Firma 30 14 – unveränderte ~ 22 84 ff. – Verschmelzung Anh 22 1 ff. – Voraussetzungen 21 8 ff., 24 16 ff. – Vorgesellschaft 21 14 ff. – Wahlrecht 21 12 f. – weitere Firmierung des Inhabers 22 115 f. – weitere Firmierung des Veräußerers 22 108 f. – Weiterübertragung 22 75 – Widerrufsvorbehalt 22 74 – zeitweilige ~ 22 110 ff. – Zweigniederlassung 22 75 – Zweigniederlassungsfirma 22 102 Firmenführungspflicht 17 51 – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 18 – Unzulässigkeit der Firma 37 12 f. Firmengebrauch Vor 17 55 ff. – deutsche Tochter ausländischer Rechtsträger Vor 17 62 – deutsche Zweigniederlassung ausländischer Rechtsträger Vor 17 63 f. – Unternehmensträger aus EU-Staaten Vor 17 58 ff. – Unternehmensträger aus Nicht-EU-Staaten Vor 17 55 ff. 999
Firmenkern Vor 17 22 ff. Firmenkontinuität – Einzelfälle 25 73 f. – Erwerberhaftung 25 71 ff. Firmenlizenzen 23 7 ff. Firmenmissbrauch 23 23 Firmenmissbrauchsverfahren 37 1 ff., 37 35 ff. – Abrenzung 37 48 ff. – Allgemeininteresse 37 4 f. – Amtslöschung 37 49 f. – Androhungsverfügung 37 39 ff. – Anwendungsbereich 37 6 f. – Beschwerde 37 43 – Einschreiten von Amts wegen 37 37 f. – Einspruchsverfahren 37 42 – Eintragungsverfahren 37 48 – Firmenänderung 37 3 – Handelsregisteranmeldung 29 13 – Ordnungsgeldfestsetzung 37 44 ff. – Rechtspfleger 37 39 – Registergericht 37 1, 37 37 f. – sonstige Bezeichnungen 37 7 – unbefugter Firmengebrauch 37 8 ff., s.a. dort – und Unterlassungsklage 37 51 – Unterlassungsklage 37 52 ff., s.a. dort – Verfahrensziel 37 36 – Zweck 37 3 ff. Firmenordnungsrecht Vor 17 65 ff. Firmenpriorität 22 7 Firmenrecht Vor 17 8 ff. – ADHGB Vor 17 11 – Anwendungsbereich Vor 17 10 f. – BGB Vor 17 9 – BGB-Gesellschaft Vor 17 10 – EGHGB Vor 17 9 – Einzelkaufmann Vor 17 10, Vor 17 11 – Entwicklung Vor 17 11 ff. – Firmenbeständigkeit Vor 17 31 ff. – Firmenbildung Vor 17 15 – Firmeneinheit Vor 17 39 ff. – Firmenordnungsrecht Vor 17 65 ff. – Firmenpublizität Vor 17 49 – Firmenschutz Vor 17 50 f. – Firmenunterscheidbarkeit Vor 17 34 ff. – Firmenwahlfreiheit Vor 17 14, Vor 17 27 – Firmenwahrheit Vor 17 28 ff. – Formkaufmann Vor 17 10 – Geschäftsbriefe Vor 17 14 – Geschichte Vor 17 11 ff. – Grundsätze Vor 17 26 ff. – Handelsgesellschaft Vor 17 10, Vor 17 11 – Handelsgewerbe Vor 17 10 Klie
Sachregister
– Handelsrechtsreform Vor 17 12a ff. – HGB Vor 17 8 ff., Vor 17 12 – internationales ~ Vor 17 52 ff., s.a. dort – Irreführungsverbot Vor 17 14 – juristische Personen Vor 17 10 – Kleingewerbetreibende Vor 17 10a – MarkenG Vor 17 9 – Partnerschaft Vor 17 10 – Rechtsformzusatz Vor 17 14 – Registerrecht Vor 17 65 ff. – Sondervorschriften Vor 17 9 – Umwandlungsrecht Vor 17 9 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 26 – VVaG Vor 17 10a Firmenschlagworte 17 28 Firmenschutz Vor 17 50 f. – Fremdenrecht Vor 17 71 – gegen Firmen ausländischer Unternehmensträger Vor 17 68 – Gerichtsstand Vor 17 72 – Inländerbehandlung Vor 17 70 – internationales Firmenrecht Vor 17 68 ff. – Minderfirma 17 25 – Schutzlandprinzip Vor 17 69 – von Firmen ausländischer Unternehmensträger Vor 17 69 ff. – von Firmen deutscher Unternehmensträger Vor 17 73 Firmenstatut Vor 17 52 ff. Firmenunterscheidbarkeit Vor 17 34 ff. Firmenvereinigung 22 103 f. Firmenvervielfältigung 22 65 Firmenwahlfreiheit Vor 17 14, Vor 17 27, 17 8, 18 1 Firmenwahrheit Vor 17 28 ff. – Firmenfortführung 21 3, 22 9 f. – Irreführungsverbot 18 33 ff., s.a. dort Firmenzusatz Vor 17 22 ff. – Unterscheidbarkeit der Firma 30 31 f. Formkaufmann – Erlöschen der Firma 17 48 – Firmenfähigkeit 17 11 – Firmenrecht Vor 17 10 Formwechsel – Erlöschen der Firma 17 35 – Firmenfortführung Anh 21 1 ff. Fortführung des Handelsgeschäfts 27 31 ff. – Dritte 27 32 ff. – Erbe 27 31 – Minderjährige 27 33 f. – Personen kraft Amtes 27 35 – Testamentsvollstrecker 27 36 Klie
Fortführungseinwilligung 22 27 ff., 24 26 ff. – ausdrückliche ~ 22 31, 24 32 – Beschränkung 22 76 f. – Einwilligende 24 34 ff. – Einwilligungsberechtigung 22 33 ff. – Erteilungsfolgen 24 37 ff. – Gesellschaften als Namensgeber 24 30, 24 35 – Gesellschaftsfirma 22 37 ff. – Grundgeschäft 22 29 – Insolvenz 24 36 – Kapitalgesellschaft 22 38 – Name als Firmenbestandteil 24 29 ff. – namensgebender Gesellschafter 24 31 – namensrechtliche Gestattung 22 48 ff. – natürliche Person als Namensgeber 24 29, 24 34 – Personenhandelsgesellschaft 22 39 – Rechtsfolgen 24 37 ff. – Rechtsnatur 22 27 ff., 24 26 ff. – Rechtsscheinhaftung 25 160 – Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 108 f. – Übertragungsvertrag 22 28 – Veräußerung nur der Firma 23 5 – Versagung 24 41 – Voraussetzungen 24 29 ff. – Zeitpunkt 22 32, 24 33 freie Berufe – Firma Vor 17 5 – Handlungsgehilfe 59 18 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 17 freier Mitarbeiter 59 22 Freihaltebedürfnis – Markenschutz Anh II 37 15 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 18 Freiheitsstrafe 74b 35 f. Fremdenrecht Vor 17 71 fremdsprachige Bezeichnungen – Irreführungsverbot 18 112 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 32 Fürsorgepflicht 62 1 ff. – andere gesetzliche Regelungen 62 8 ff. – Anwendungsbereich 62 4 ff. – Arbeitsschutzrecht 62 3, 62 10 ff., s.a. dort – Arbeitszeit 62 27 – Betriebsrat 62 36 ff. – Corona-Pandemie 62 26 – Drittbeziehungen 62 5 – Familienangehörige 62 6 – Gerätschaften 62 23 f. – Geschäftsbetrieb 62 25 f. 1000
Sachregister
– Geschäftsräume 62 19 ff. – Gesundheit 62 16 – häusliche Gemeinschaft 62 32 ff., s.a. dort – Homeoffice 62 22 – Infektionsgefahren 62 26 – Mitbestimmung 62 36 ff. – nachvertragliche ~ 62 4 – Organisation des Betriebs 62 25 – Persönlichkeitsrecht 62 17 – Relativität der Schutzpflichten 62 28 ff. – Schutzgüter 62 16 ff. – Schutzpflichten 62 15 ff., 62 32 ff. – Schutzpflichtverletzungen 62 42 ff., s.a. dort – Sicherheitsniveau, technisches 62 29 – Unabdingbarkeit 62 55 ff. – unternehmerische Betätigungsfreiheit 62 31 – Vorrichtungen 62 23 f. – vorvertragliche ~ 62 4 – Zweck 62 1 G GbR – Firmenfähigkeit 17 12 – Firmenfortführung Anh 21 6 – Minderfirma 17 22 – Prokura 48 9 – Rechtsformzusatz 19 35 GbR mbH 17 22a Gebietskörperschaften 33 40 Gebrauch der unzulässigen Firma 37 15 ff. – Abschluss von Verträgen 37 31 – Briefumschläge 37 24 – eigene Firma 37 19 – Einzelfälle 37 24 ff. – Firmenabkürzungen/-schlagworte 37 23 – Firmenführungspflicht 37 18 – Geschäftsbriefe 37 26 – Geschäftsverkehr 37 22 ff. – Handelsverkehr 37 15 – Inserate 37 28 – Preislisten 37 25 – Rechnungen 37 32 – Registerverkehr 37 21 – Verzeichnisse 37 30 – Warenetiketten 37 27 – Warenprospekte 37 25 – Werbeanzeigen 37 27 Gehaltszahlung 64 1 ff. – Arbeitszeitkonten 64 14 – einseitige Abdingbarkeit 64 11 ff. – Fälligkeit 64 1 – Fälligkeitszeitpunkt 64 8 ff. 1001
– Gehalt 64 6 f. – Mindestlohn 64 7 – Modalitäten der Leistungspflicht 64 5 – Stundungsabreden 64 14 f. – verspätete ~ 64 17 f. – Vorleistungspflicht 64 1 Geheimhaltungsklauseln Vor 74 80 ff. Geheimhaltungspflicht 60 6 Gemeinde 30 22 Gemeinnützigkeit 18 72 gemischte Gesamtvertretung 48 97 ff. – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 113 – Eintragung 53 23 – Gesamthandlungsvollmacht 54 38 – GmbH 48 102 – GmbH & Co. KG 48 103 – halbseitige ~ 48 106 – Handelsgesellschaft 48 101 – Handelsregister 53 7 – Handlungsbevollmächtigte 48 108 – Inhaber des Handelsgeschäfts 48 99 f. – unternehmensfremde Dritte 48 98 – organschaftliche Vertreter 48 101 ff. – rechtsgeschäftliche Vertreter 48 110 f. – von der Vertretung ausgeschlossene Gesellschafter 48 107 Genehmigungsfiktion 75h 1 ff. – Ablehnungserklärung 75h 9 ff. – Abschluss/Vermittlung von Rechtsgeschäften 75h 4 ff. – außerhalb der Geschäftsräume 75h 6 – Benachrichtigung des Arbeitgebers 75h 8 – Beweislast 75h 12 – guter Glaube 75h 7 Generalbevollmächtigter 54 18 Generalhandlungsvollmacht 54 5, 54 13 Generalvollmacht – Handlungsvollmacht 54 7 – Umfang der Prokura 49 48 f. Genossenschaft – Handelsgewerbe 59 37 – Handelsregister 31 5 – Rechtsformzusatz 19 31 geografische Herkunftsangaben Anh II 37 1 geographische Zusätze 18 93 ff. – deutsche ~ 18 100 – europäische ~ 18 102 f. – internationale ~ 18 104 ff. – Ortsangaben 18 94 ff. – Phantasiebezeichnungen 18 107 – produktbezogene ~ 18 108 Klie
Sachregister
– Regionalbezeichnung 18 101 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 33 Gerätschaften 62 23 f. Gerichtsstand Vor 17 72 Gesamthandlungsvollmacht – echte ~ 54 36 – gemischte ~ 54 37 – gemischte Gesamtvertretung 54 38 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 35 ff. – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 5 Gesamtprokura 48 84 ff. – allseitige ~ 48 95 – ausdrückliche ~ 48 90 – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 112 ff., s.a. dort – Beweislast 48 151 – echte ~ 48 94 ff. – Eintragung 48 137, 53 19 – Erlöschen der Prokura 52 43 – gemischte Gesamtvertretung 48 97 ff., s.a. dort – Gesamtvertretungsmacht 48 86 – Gestaltungen 48 93 ff. – halbseitige ~ 48 96 – Handelsregister 48 137, 53 5 f. – Niederlassungsprokura 50 18 – Umfang der Prokura 49 5 – Voraussetzungen 48 90 ff. – Widerruf der Prokura 52 18 – Zeichnung des Prokuristen 51 8 – Zweck 48 84 f. Gesamtrechtsnachfolge – Erbenhaftung 27 1 – Erwerberhaftung 25 42 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 77 Gesamtvertretungsmacht – Ausübung der ~ 48 112 ff., s.a. dort – Beschränkung der Vertretungsmacht 48 87 – gemischte Gesamtvertretung 48 97 ff., s.a. dort – Gesamtprokura 48 86 Geschäft für den, den es angeht Vor 48 14 Geschäftemachen 60 68 ff. geschäftliche Bezeichnungen Anh II 37 3 Geschäftsabzeichen Anh II 37 4, Anh II 37 10 – Firma 17 30 Geschäftsanschrift, inländische 29 3, 31 15 Geschäftsbezeichnung Vor 17 5, 17 15 ff. – Erwerberhaftung 25 64 – Firmenfortführung 22 12 – Markenrechtsverletzung Anh II 37 38 ff. – Markenschutz Anh II 37 1, Anh II 37 3, Anh II 37 9 – Rechtsformzusatz 17 20 Klie
Geschäftsbriefe 37a 1 ff. – Angabepflicht 37a 14 ff., 37a 19 ff., s.a. dort – Begriff 37a 11 – Bestellschein 37a 13 – bestimmter Empfänger 37a 12 – Einzelkaufmann 37a 6, 37a 9, 37a 23 f. – Firma 37a 20 – Firmenrecht Vor 17 14 – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 26 – juristische Personen 33 56, 37a 6, 37a 10, 37a 25 – notwendige Informationen 37a 1 – Ort der Handelsniederlassung 37a 21 – Pflichtangaben Vor 17 14 – Rechtsformzusatz 37a 20 – Registergericht 37a 22 – Registernummer 37a 22 – sondergesetzliche Regelungen 37a 7 – Umsatzsteuer-Identifikationsnummer 37a 5 – Vor-/Familiennamen 37a 5 – Zweigniederlassung 37a 27 ff. Geschäftsfortführung durch Erbengemeinschaft 27 91 ff. – Auseinandersetzungsverlangen 27 98 – Beschränkbarkeit der Erbenhaftung 27 97 ff. – Einstellung der Geschäftsfortführung 27 100 – Geschäftsverbindlichkeiten 27 101 f. – Leistungsverweigerungsrecht 27 102 – Teilauseinandersetzung 27 98 – Unbeschränkbarkeit der Erbenhaftung 27 94 ff. Geschäftsfortführung durch Testamentsvollstrecker 27 76 ff. – Beendigung der Testamentsvollstreckung 27 88a ff. – echte Testamentsvollstreckerlösung 27 82 f., 27 85 – Ermächtigungstreuhand 27 79 – Folgen 27 84 ff. – Treuhandlösung 27 79, 27 86 – Unzulässigkeit 27 80 – Vollmachtslösung 27 78, 27 86 – Vollrechtstreuhand 27 79 – Zulässigkeit 27 77 ff. Geschäftsgeheimnis Vor 74 7, Vor 74 15 Geschäftsräume 62 19 ff. Geschäftsunfähigkeit – Erlöschen der Prokura 52 39 f. – Handlungsvollmacht 54 11 Geschäftsverbindlichkeiten – Enthaftung 26 40 f. – Erbenhaftung 27 7, 27 41 ff. – Erwerberhaftung 25 84 ff. 1002
Sachregister
– Geschäftsfortführung durch Erbengemeinschaft 27 101 f. Geschäftsverkehr – Firma 17 51 ff. – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 22 ff. Gesellschafter – Firma 17 56 – Prokurist 48 34 ff. Gesellschafterwechsel 52 53 Gesellschaftsfirma – Fortführungseinwilligung 22 37 ff. – Irreführungsverbot 18 59, 18 63 gesetzlicher Vertreter – Erlöschen der Prokura 52 41 – Prokuraerteilung 48 45 ff. – Prokurist 48 25 Gesundheit – Fürsorgepflicht 62 16 – häusliche Gemeinschaft 62 35 Gewinnbeteiligung 65 7 Gewinnerzielungsabsicht 33 13 Gleichbehandlungsgrundsatz 59 66 Gleichnamige – Einzelkaufmann 30 42 – Prioritätsprinzip Anh II 37 18 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 36 – Zweigniederlassung 30 43 f. GmbH 48 102 GmbH & Co. eGbR 17 22a GmbH & Co. KG – gemischte Gesamtvertretung 48 103 – mehrstöckige ~ 19 16 f. – Prokuraerteilung 48 51 – Prokurist 48 41 ff. – Rechtsformzusatz 19 14 ff., 19 25 ff. – Umfang der Prokura 49 4, 49 15 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 32 – Zeichnung des Prokuristen 51 6 GmbH & Co. KGaA 19 30 GmbH i.G. & Co. KG 19 19 good will Vor 17 3 Großhandel 18 87 Grundbuch – Firma 17 55 – Niederlassungsprokura 50 24 Grundgeschäft – Mängel Vor 48 37 – Vertretungsrecht Vor 48 35 ff. Grundlagengeschäft 49 17 ff. – Abwicklung 49 22 – Änderung des Unternehmensgegenstandes 49 18 1003
– Erwerb eines Handelsgeschäfts 49 20 – Firmenänderung 49 18 – gesellschaftsrechtliche Maßnahmen 49 23 ff. – Insolvenz 49 21 – laufender Betrieb 49 17 – Sitzverlegung 49 19 – Sozialplan 49 22 – Stilllegung des Betriebs 49 21 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 30 – Veräußerung des Handelsgeschäfts 49 21 – Verpachtung des Handelsgewerbes 49 21 – Zweigniederlassungserrichtung 49 19 Grundpfandrecht 49 33, 49 35 Grundrechte des Grundgesetzes – Sperrabrede 75f 24 ff. – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 7 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 12 ff. Grundrechte des Unionsrechts – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 9 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 15 Grundstücksgeschäft – Umfang der Handlungsvollmacht 54 61 – Umfang der Prokura 49 27 ff., 49 36 ff. Grundstücksklausel 49 36 Gründungszusatz 21 16 Gruppe 18 76 Gruppenprovisionen 65 7 guter Glaube – Angestelltenvollmacht 56 6, 56 44 – Genehmigungsfiktion 75h 7 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 55, 54 66 ff. – unbefugter Firmengebrauch 37 33 H Haftung des Vertreters Vor 48 32 Haftung eintretender Gesellschafter 28 1 ff. – abweichende Haftungsvereinbarungen 28 45 ff. – Altverbindlichkeiten 28 1, 28 39 – Anwendungsbereich 28 18 ff. – Arbeitsverhältnis 28 65 – auflösbare Gesellschaft 28 30 – beitretender Gesellschafter 28 41 – bestehende Gesellschaft 28 23 – bestehendes Geschäft 28 31 ff. – BGB-Gesellschaftsgründung 28 21 – Einbringung des Geschäfts 28 34 – Eintretender 28 25 – Einzelkaufmann 28 19, 28 36 – Entbehrlichkeit der Firmenfortführung 28 37 Klie
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– Enthaftung 28 50 ff., s.a. dort – Entstehung einer Gesellschaft 28 26 ff. – fehlerhafte Gesellschaftsgründung 28 27 ff. – Fortführung des Geschäfts 28 35 – Forthaftung des bisherigen Inhabers 28 40 – Gesellschaftsvertrag 28 26 – Gläubigerschutz 28 26 ff. – Haftungsfondstheorie 28 6, 28 10 – Haftungskontinuität 28 7, 28 10 – Kapitalgesellschaft 28 19 – Kapitalgesellschaftsgründung 28 22 – Legitimation 28 16 f. – Neuverbindlichkeiten 28 42 – Nichtkaufmann 28 20 – Rechtsscheinhaftung 28 7, 28 10 – Ruhestandsverhältnisse 28 66 – Schuldbeitritt 28 38 – Schuldnerschutz 28 44 ff. – Schuldtitel 28 43 – Übertragung des Geschäfts 28 24 – unwirksame Gesellschaft 28 28 f. – Verkehrserwartung 28 12 ff. – Vermögensübernahme-/ Verkehrsschutzprinzip 28 7 – Zweck 28 4 ff. Haftungsfondstheorie – Erwerberhaftung 25 11, 25 18 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 6, 28 10 Haftungskontinuität – Erwerberhaftung 25 10, 25 14, 25 20 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 7, 28 10 Handeln für fremde Rechnung Vor 48 13 Handeln im eigenen Namen Vor 48 12, Vor 48 33 Handeln im Namen des Vertretenen Vor 48 9 ff. Handelsgeschäft – Erbenhaftung 27 1 ff., 27 30, s.a. dort – Erwerberhaftung 25 1 ff., s.a. dort – Firmenfortführung 24 7 – Geschäftsfortführung durch Testamentsvollstrecker 27 76 ff. – Haftung eintretender Gesellschafter 28 1 ff., s.a. dort – Schenkung von Todes wegen 27 107 – Umfang der Prokura 49 1, 49 6 ff. – Veräußerung nur der Firma 23 1 ff., s.a. dort – Vermächtnisnehmer 27 104 ff. – Zweiterwerb des ~s 25 102 Handelsgesellschaft – Firma 17 7 – Firmenfähigkeit 17 11 Klie
– Firmenfortführung 24 7 ff. – Firmenrecht Vor 17 10, Vor 17 11 – gemischte Gesamtvertretung 48 101 – Handelsregister 31 5 – Handlungsvollmachtserteilung 54 16 – Prokura 48 9 – Prokuraerteilung 48 51 Handelsgewerbe 59 32 ff., 60 54 f. – Einzelkaufmann 59 32 – Erforderlichkeit der Anmeldung 33 13 – Firmenrecht Vor 17 10 – Genossenschaft 59 37 – Handlungsgehilfe 59 32 ff. – Ist-Kaufmann 59 33 – Kann-Kaufmann 59 34 – Kapitalgesellschaft 59 37 – Personenhandelsgesellschaft 59 36 – Scheinkaufmann 59 35 – VVaG 59 37 Handelsniederlassung – Geschäftsbriefe 37a 21 – Handelsregisteranmeldung 29 10 Handelsrechtsreform Vor 17 12a ff. Handelsregister – amtswegige Eintragungen 34 15 ff. – Änderungsprüfung 34 14 – Auflösung der juristischen Person 34 8 – Einzelkaufmann 31 5 – Erlöschen der Firma 31 8, 31 17 ff., 34 10 – Erlöschen der Prokura 52 57, 53 9 ff. – Firma 17 51 – Firmenänderung 31 7 ff., 34 5 – Firmenfortführung 21 11, 31 8 – gemischte Gesamtvertretung 53 7 – Genossenschaft 31 5 – Gesamtprokura 48 137, 53 5 f. – Geschäftsanschrift, inländische 31 15 – Handelsgesellschaft 31 5 – Handelsregisteranmeldung 29 1 ff., 33 1 ff., s.a. dort – Inhaberwechsel 31 9, 31 11 ff. – Insolvenz 32 1 ff., s.a. dort – Liquidatoren 34 9 – Niederlassungsprokura 50 19, 53 7 – Prokuraerteilung 48 56, 48 61, 53 4 – Publizitätsfunktion 31 4 – Umfangsbeschränkung der Prokura 53 7 f. – Verlegung der Niederlassung 31 14 – Voreintragung der Firma 31 6 – Zweigniederlassung 31 2 Handelsregisteranmeldung 29 1 ff., 33 1 ff. – Anmeldepflicht 29 7 ff., 33 11 ff., s.a. dort 1004
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– Anwendungsbereich 29 5 f. – ausländische juristische Personen 33 5 – ausländische Kapitalgesellschaft & Co. KG 33 7 – Bekanntmachung 29 16, 33 53 – Beschwerde 29 14 – Börse 33 8 – drittstaatliche juristische Personen 33 6 – Eigenbetriebe 33 9, 33 39 ff., s.a. dort – Eintragung 29 15, 33 53 – Einzelkaufmann 29 6a – einzutragende Tatsachen 33 20 ff., s.a. dort – Erforderlichkeit der Anmeldung 33 12 ff., s.a. dort – erstmalige ~ 29 6a, 33 4 – Firmenmissbrauchsverfahren 29 13 – Form 29 10, 33 38 – Geschäftsanschrift, inländische 29 3 – Handelsniederlassung 29 10 – Inhalt 29 10 – Ist-Kaufmann 29 5 – juristische Personen 33 1, 33 3 – juristische Personen des öffentlichen Rechts 33 8 – Kleingewerbetreibende 29 5 – Land-/Forstwirtschaft 29 5 – nicht rechtsfähiger Verein 33 10 – Prokura 53 17 – Prüfung 29 12 ff., 33 53 – Registergericht 29 11 ff., 33 51 – Sondervorschriften 29 6 – Stiftung 33 8 – Umfang der Prokura 49 41 – Unterlagen, beizufügende 33 34 ff., s.a. dort – Verein 33 8 – Zweck 29 4 – Zweigniederlassung 33 55 – Zwischenverfügung 29 12 Handelsvertreter 55 11 f. – Abschlussvollmacht 55 24 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 21 Handelsvertreterrecht 65 1, 65 13 ff. Handelszweig des Arbeitgebers 60 45 ff. – Begriff 60 47 – Betriebsübergang 60 51 – Konzern 60 53 – Leiharbeitnehmer 60 52 – Marktbereich 60 47 – mehrere ~ 60 49 – tatsächliches Geschäftsgebaren 60 48 – Veränderungen des ~s 60 50 – verbotene Geschäfte im Handelszweig 60 64 ff., 60 65 ff., s.a. dort – Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 7 1005
Handlungsbevollmächtigte – gemischte Gesamtvertretung 48 108 – Prokura 52 60 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 21 – Zeichnung des ~n 57 1 ff., s.a. dort Handlungsgehilfe 59 1 ff. – Angestellter 59 40 f. – Arbeitnehmer 59 10 – Arbeitnehmerähnliche 59 19 ff. – Arbeitsverhältnis 59 10, 59 24 ff. – Außendienstvollmacht 55 13 f. – Begriff 59 9 – Beispiele 59 46 – Dienstleistungspflicht 59 50 ff., s.a. dort – Einfirmenvertreter 59 21 – Entgelt 59 28 ff. – Familienangehörige 59 17 – fehlerhaftes Arbeitsverhältnis 59 27 – freie Berufe 59 18 – freier Mitarbeiter 59 22 – Fürsorgepflicht 62 1 ff., s.a. dort – Gehaltszahlung 64 1 ff., s.a. dort – Genehmigungsfiktion 75h 1 ff., s.a. dort – Handelsgewerbe 59 32 ff., s.a. dort – Handlungsvollmacht 54 94 – Hauptleistungspflichten 59 47 ff. – häusliche Gemeinschaft 62 32 ff., s.a. dort – Heimarbeiter 59 20 – juristische Personen 59 16 – kaufmännische Dienste 59 39 ff., s.a. dort – kaufmännischer Angestellter 59 8 – öffentliche Hand 59 38 – Organe juristischer Personen 59 14 ff. – persönliche Abhängigkeit 59 11 – Prokurist 48 139 – Provision 65 1 ff., s.a. dort – Selbständige 59 10 – Unselbständigkeit 59 11 ff. – Vergütungspflicht 59 60 ff., s.a. dort – Vermittlungsgehilfe 75g 1 ff. – Vertragsabschlussfreiheit 59 25 – Volontär 59 29 – Wettbewerbsverbot Vor 59 7 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 1 ff., 60 14, s.a. dort – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 1 ff., Vor 74 47 ff., 74 1 ff., s.a. dort Handlungsgehilfenrecht Vor 59 1 ff. – ADHGB Vor 59 2 f. – arbeitsrechtliche Gesetze Vor 59 5 – Bedeutung 59 3 ff. – Entwicklung Vor 59 2 ff. Klie
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– HGB Vor 59 4 ff. – Individualarbeitsrecht Vor 59 1, Vor 59 8 – kaufmännischer Angestellter 59 8 – praktische Bedeutung 59 6 f. – Sonderarbeitsrecht 59 3 – Vertretungsmacht Vor 59 9 – Wettbewerbsverbot Vor 59 7, 59 7 Handlungsreisende 55 1 ff. Handlungsvollmacht Vor 48 48 ff., 54 1 ff. – Anfechtung 54 83 – Anscheinsvollmacht 54 90 ff. – Arthandlungsvollmacht 54 5, 54 13 – Aufsichtsratsmitglieder 54 14, 54 86 – Außendienstvollmacht 55 1 ff., s.a. dort – Außenstehende 54 12 – Begriff 54 5 – Betriebsveräußerung 54 89 – Bevollmächtigter 54 11 ff. – Beweislast 54 76 – Duldungsvollmacht 54 90 ff. – Eintragung 54 25 – Erlöschen 54 80 ff. – Ersatzbevollmächtigung 58 4 f. – Erteilung 54 16 ff., s.a. Handlungsvollmachtserteilung – Erteilungsanspruch 54 26 – Generalhandlungsvollmacht 54 5, 54 13 – Generalvollmacht 54 7 – Geschäftsunfähigkeit 54 11 – Haftung des Kaufmanns 54 95 – Handlungsgehilfe 54 94 – Hilfspersonen 54 12 – Innenverhältnis 54 94 – Insolvenz 54 88 – Insolvenzverwalter 54 10 – juristische Personen 54 13 – Kleingewerbetreibende 54 9 – konkludente ~ 54 4 – Liquidation 54 87 – Liquidationsgesellschaft 54 10 – Minderjährige 54 8 – Missbrauch der Vertretungsmacht 54 77 – Prokuraerteilung, unwirksame 48 64 – Prokurist 54 15 – Rechtsscheinvollmacht 54 3 – Registerschutz 54 2 – Spezialhandlungsvollmacht 54 5, 54 13 – Tod 54 85 – Überschreitung der Vertretungsmacht 54 78 f. – Übertragung 58 1 ff. – Umfang 54 2 – Umfang der ~ 54 27 ff., s.a. dort Klie
– Umfang der Prokura 49 8, 49 47 – Unterbevollmächtigung 58 6 ff. – Unternehmensveräußerung 54 89 – Vermutung 54 6 – Vollmachtgeber 54 8 ff. – Wegfall der Kaufmannseigenschaft 54 84 – Widerruf 54 81 f. – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 1 ff., s.a. dort – Zweck 54 1 Handlungsvollmachtserteilung 54 16 ff. – Anspruch 54 26 – einseitige Willenserklärung 54 19 – Erklärungsempfänger 54 20 – Erklärungsperson 54 16 ff. – Form 54 21 ff. – Generalbevollmächtigter 54 18 – Handelsgesellschaft 54 16 – Inhaber des Handelsgeschäfts 54 16 – Prokurist 54 18 – Rechtsgeschäft 54 19 ff. – rechtsgeschäftlicher Vertreter 54 18 Hauptniederlassung 22 19 häusliche Gemeinschaft 62 32 ff. – Begriff 62 33 – Gesundheit 62 35 – Religion 62 35 – Schutzgüter 62 34 f. – Sittlichkeit 62 35 – Verpflegung 62 34 Heimarbeiter 59 20 HGB – Erwerberhaftung 25 7 – Firmenrecht Vor 17 8 ff. – Handlungsgehilfenrecht Vor 59 4 ff. Hilfspersonen 54 12 höchstpersönliche Geschäfte – Stellvertretung Vor 48 29 – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 27 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 76 Homeoffice 62 22 I Immaterialgüterrechte 37 64 Immobiliarklausel 49 36 Individualarbeitsrecht Vor 59 1, Vor 59 8 Infektionsgefahren 62 26 Inhabervermerke 18 58 Inhaberwechsel – Erwerberhaftung 25 1 ff., s.a. dort – Firmenfortführung 22 1, 31 11 – Handelsregister 31 9, 31 11 ff. 1006
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– Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 104 ff., s.a. dort – Testamentsvollstrecker 31 13 – Veränderung im Gesellschafterbestand 31 12 Inhaltskontrolle – Mandantenübernahmeklauseln Vor 74 79 – Wettbewerbsverbot, indirektes Vor 74 63 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 32 ff. Inkassoprovision 65 8 Inländerbehandlung Vor 17 70 Innenverhältnis – Angestelltenvollmacht 56 12 – Bevollmächtigung Vor 48 43 – Handlungsvollmacht 54 94 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 33 – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 52 ff. – Veräußerung nur der Firma 23 19 ff. – Vertretungsrecht Vor 48 34 ff. Inserate 37 28 Insichgeschäft 50 30 ff., s.a. Selbstkontrahieren Insolvenz – Auflösung von Gesellschaften 32 8 – Bekanntmachung 32 10 – einzutragende Beschlüsse 32 7 – Erlöschen der Firma 31 26, 31 27, 31 33 – Erlöschen der Prokura 52 47 ff. – Ersatzfirma 22 67 ff. – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 16 – Erwerberhaftung 25 46 – Firma 22 54 ff. – Firma, abgeleitete 22 66 – Firmenfortführung 22 57 f. – Folgeeintragungen 32 8 – Grundlagengeschäfte 49 21 – Handelsregister 32 1 ff. – Handlungsvollmacht 54 88 – Karenzentschädigung 74b 39 ff. – Löschung von Gesellschaften 32 8 – namensrechtliche Gestattung 22 59 ff. – Registergericht 32 9 – Sondervorschriften 32 5 – Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots 75 37 f. Insolvenzschuldner 48 32 Insolvenzverwalter – Handlungsvollmacht 54 10 – Prokura 48 15 – Prokurist 48 33 – Zeichnung des Prokuristen 51 7 Interessenausgleich – Enthaftung 28 52 – Erbenhaftung 27 17 1007
– Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 10 f. internationales Firmenrecht Vor 17 52 ff. – Firmenbildung Vor 17 52 ff., s.a. dort – Firmengebrauch Vor 17 55 ff., s.a. dort – Firmenschutz Vor 17 68 ff., s.a. dort – Firmenstatut Vor 17 52 ff. Inventarerrichtung 27 5 Investmentgesellschaft 18 79 IPR – Prokura Vor 48 53 – Vertretungsrecht Vor 48 53 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 87 ff. Irreführungseignung 18 41 ff. – Allgemeinheit 18 49 – geschäftliche Verhältnisse 18 45 – mündiger Verbraucher 18 48 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 20 – Verkehrskreise, angesprochene 18 47 ff. – Wesentlichkeitsschwelle 18 46 Irreführungsverbot Vor 17 14, 18 33 ff. – Adelsbezeichnungen 18 65 – akademische Grade 18 67 – Alleinstellungsbehauptungen 18 110 – Alter 18 110 – amtliche Bezeichnungen 18 70 f. – Angaben 18 40 – Anwendungsbereich 18 34 ff. – ausländische Namen 18 57 – Banken 18 78 – Bau 18 86 – Berufsbezeichnungen 18 68 – Bio 18 111 – Börse 18 80 – Buchführung 18 84 – Eintragung 18 54 – Einzelhandelsgeschäfte 18 87 – Erlöschen der Firma 18 39 – Ersichtlichkeitsschwelle 18 50 ff. – Fabrik 18 92 – Fachgeschäft 18 91 – Fallgruppen 18 56 ff. – Finanzierung 18 82 – Firmenänderung 18 35 – Firmenbestandteile 18 65 ff. – Firmenfortführung 18 68 – fremdsprachige Bezeichnungen 18 112 – Gemeinnützigkeit 18 72 – geographische Zusätze 18 93 ff., s.a. dort – geschäftliche Verhältnisse 18 45 – Gesellschaftsfirma 18 59, 18 63 Klie
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– Großhandel 18 87 – Gruppe 18 76 – Haus 18 90 – Inhabervermerke 18 58 – Investmentgesellschaft 18 79 – Irreführungseignung 18 41 ff., s.a. dort – Kapitalanlagegesellschaft 18 79 – Komparative 18 109a – Lager 18 88 – Minderfirma 17 21, 18 34 – Neubildung einer Firma 18 35 – Öko 18 111 – Partnerschaft 18 34 – Personenfirma 18 56 ff. – Phantasiefirma 18 64 – Pool 18 76 – produktbezogene Adjektive 18 109 ff. – Rechtsformzusatz 18 59 – Registergericht 18 54 – Revision 18 84 – Ring 18 76 – Sachfirma 18 60 ff. – Sozietät 18 77 – Sparkasse 18 78 – Stiftung 18 73 ff. – Superlative 18 109a – Tradition 18 110 – Treuhand 18 83 – Umwelt 18 111 – Unterlassung 18 55 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 7 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 20 – verfahrensrechtliche Berücksichtigung 18 50 ff. – Versicherung 18 81 – Voraussetzungen 18 34 ff. – Wesentlichkeitsschwelle 18 46 – wissenschaftliche Bezeichnungen 18 71 – Zentrum 18 89 – Zusammenschlüsse 18 76 Ist-Kaufmann – Handelsgewerbe 59 33 – Handelsregisteranmeldung 29 5 J juristische Personen – Anmeldepflicht 33 11 ff. – Erlöschen der Firma 17 49, 34 10 – Firmenbildung 33 21 ff. – Firmenrecht Vor 17 10 – Geschäftsbriefe 33 56, 37a 6, 37a 10, 37a 25 – Handelsregisteranmeldung 33 1 ff., s.a. dort Klie
– Handlungsgehilfe 59 16 – Handlungsvollmacht 54 13 – Name Anh I 37 10 – Prokurist 48 23 – Rechtsformzusatz 33 26 – Zweigniederlassung 33 55 K Kann-Kaufmann 59 34 Kapitalanlagegesellschaft 18 79 Kapitalgesellschaft – Enthaftung 28 63 – Erlöschen der Firma 31 27, 31 32 – Firmeneinheit Vor 17 40 – Fortführungseinwilligung 22 38 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 19, 28 22 – Handelsgewerbe 59 37 – Rechtsformzusatz 19 30 – Umfang der Prokura 49 3 Kapitalgesellschaft & Co. KG, ausländische 33 7 Karenzentschädigung Vor 74 10, Vor 74 23, Vor 74 25, 74 47 ff. – Anrechnung anderweitigen Erwerbs 74c 1 ff., s.a. dort – Anspruchsentstehung 74b 4 f. – Ausgleichsquittung 74b 37 – Ausschlussfristen 74b 34 f. – Berechnung 74b 2, 74b 11 ff., s.a. Karenzentschädigungsberechnung – Berechnungsmethode 74b 32 – Fälligkeit 74b 1, 74b 6 ff. – Fälligkeitsvereinbarungen 74b 8 f. – fehlende ~ 74 53 ff. – Feststellungsklage 74 93 – Freiheitsstrafe 74b 35 f. – Insolvenz 74b 39 ff. – Leistungsstörungsrecht 74 85 ff. – Mindesthöhe 74 56 – Rücktrittsrecht 74 94 – Schadensersatz 74 94 – Schuldner 74 52 – unbezahlte Karenz 75 18 – Unterschreitung der Mindesthöhe 74 59 ff. – Vereinbarung 74 49 ff., 74 57 f. – Verjährung 74b 33 – Verwirkung 74b 36 – Verzicht auf Wettbewerbsverbot 75a 17 ff. – Verzug des Arbeitgebers 74b 10 – Vorbehalt 74 51 – Wahlrecht 74 59, 74 61, 74 67 1008
Sachregister
– Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 32 – Zahlungsverzug 74 92 – Zusage 74 49 ff. – Zwangsvollstreckung 74b 38 – Zweck 74 47 Karenzentschädigungsberechnung 74b 11 ff. – Abfindungen 74b 19 – Aktienoptionen 74b 16 – Anrechnung anderweitigen Erwerbs 74c 1 ff., s.a. dort – Arbeitnehmererfindungen 74b 19 – Auslagenersatz 74b 21 – Berechnungsmethode 74b 32 – berücksichtigungsfähiges Einkommen 74b 12 ff. – betriebliche Altersversorgung 74b 15 – Bezüge 74b 13 – Bezüge, feste 74b 22 ff. – Bezüge, wechselnde 74b 28 ff. – Dienstwagennutzung 74b 14 – Einkommenspositionen 74b 13 ff. – Elternteilzeit 74b 26 – Referenzzeiträume 74b 22 ff. – Sachzuwendungen 74b 14 – Tariferhöhung 74b 23 – Teilzeitarbeitnehmer 74b 25 – Urlaubsabgeltungsansprüche 74b 18 – vermögenswirksame Leistungen 74b 15 – vertragsmäßige Leistungen 74b 12 ff. Kaufmann 17 9 kaufmännische Dienste 59 39 ff. – Angestellter 59 40 f. – Begriff 59 43 – Tarifverträge 59 44 – technischer Angestellter 59 43 kaufmännischer Angestellter 59 8 kaufmännisches Bestätigungsschreiben – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 127 – Entgegennahme von Erklärungen 55 52 Kaufmannseigenschaft – Erlöschen der Prokura 52 30 – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 13 – Handlungsvollmacht 54 84 – Rechtsscheinhaftung 25 155 Kausalität 37 62 Kennzeichenrecht 18 27 ff. Kennzeichnungseignung 18 2, 18 7 ff. – Abgrenzung 18 7 f. – Begriff 18 7 f. – Bildzeichen 18 9 f. – Buchstabenkombinationen 18 13 f. – Satzzeichen 18 9 f. 1009
– Schriftart 18 11 – Schriftbild 18 12 – Sonderzeichen 18 9 f. – Zifferkombinationen 18 15 Kennzeichnungskraft Anh II 37 37 KG – Prokuraerteilung 48 51 – Rechtsformzusatz 19 10 KG mbH 19 25 ff. Kleingewerbetreibende – Erbenhaftung 27 20 – Erforderlichkeit der Anmeldung 33 14 – Erlöschen der Prokura 52 30 – Erwerberhaftung 25 36 ff. – Firmenrecht Vor 17 10a – Handelsregisteranmeldung 29 5 – Handlungsvollmacht 54 9 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 10 Kollusion 50 40, 50 48 Kommanditgesellschaft mbH 19 25 ff. Kommissionäre 55 15 Kommissionsagent 55 15 Komparative 18 109a Konkurrenzklausel Vor 74 1 Konkurrenzklausel, geheime 75f 1 Kontinuität des Unternehmens 24 17 f. Kündigung – Firmenfortführung 22 80 – Prokura 48 75 f. – Schutzpflichtverletzungen 62 54 – Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots 75 1 ff., s.a. dort – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 33 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 27 – Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 23 ff. – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 45 f. Kundmachung – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 129 ff. – Erbenhaftungsbeschränkung 27 56 ff. L Laden 56 18 f. Lager 18 88 Land-/Forstwirtschaft 29 5 Legalzession 25 110 Leiharbeitnehmer – Handelszweig des Arbeitgebers 60 52 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 19 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 49, 74a 47 Klie
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Leistungsstörungsrecht 74 85 ff. Leistungsverweigerungsrecht 27 102 Liquidation – Erlöschen der Firma 31 24, 31 27 – Erlöschen der Prokura 52 46 – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 15 – Handlungsvollmacht 54 87 Liquidationsgesellschaft – Handlungsvollmacht 54 10 – Prokura 48 11 ff. Liquidatoren – Handelsregister 34 9 – Zeichnung des Prokuristen 51 7 Lizenz 22 42, 23 7 ff. Lizenzanalogie Anh II 37 64 Lizenznehmer 37 57 Lohnfortzahlung 65 37 ff. Lohnwucher 59 64 Löschung der Firma 22 26 Löschungsklage Anh I 37 51 Lossagungsrecht 75 1 ff., s.a. Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots Ltd. & Co. KG 19 21 Luftfahrzeugrolle 17 55 M Makler 55 15 Mandantenschutzklauseln Vor 74 74 ff. – allgemeine ~ Vor 74 76 – beschränkte ~ Vor 74 75 – Mandantenübernahmeklauseln Vor 74 77 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 75 Mandantenübernahmeklauseln Vor 74 77 ff. Mängelanzeige 55 48 Mantel-GmbH 23 17 Mantelgesellschaft 22 22 Marken Vor 17 7, 17 27 Markengesetz Anh II 37 1 Markenrechtsverletzung Anh II 37 21 ff., Anh II 37 38 ff. – Abmahnung Anh II 37 70 – angemaßte Eigengeschäftsführung Anh II 37 69 – Angestellte Anh II 37 53a – Anspruchsgegner Anh II 37 51 f. – Anspruchsinhaber Anh II 37 50 – Aufmerksamkeitsausbeutung Anh II 37 43 – Auskunftsanspruch Anh II 37 67 – Ausnutzung der Unterscheidungskraft Anh II 37 43 – Ausnutzung der Wertschätzung Anh II 37 46 – Beauftragter Anh II 37 53a Klie
– Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft Anh II 37 44 – Beeinträchtigung der Wertschätzung Anh II 37 45 – Bereicherungsanspruch Anh II 37 66 – Beseitigungsanspruch Anh II 37 57 – Betriebsinhaber Anh II 37 53a – Deliktsrecht Anh II 37 68 – entgangener Gewinn Anh II 37 62 – Geschäftsbezeichnung, bekannte Anh II 37 38 ff. – Haftung für eigenes Verschulden Anh II 37 59 – Haftung für fremdes Verschulden Anh II 37 60 – Lizenzanalogie Anh II 37 64 – Marktverwirrungsschaden Anh II 37 65 – Prozessstandschaft Anh II 37 50 – Rechtfertigungsgründe Anh II 37 48 – Rückrufanspruch Anh II 37 71 – Rufausbeutung Anh II 37 46 – Rufschädigung Anh II 37 45 – Schadensberechnung Anh II 37 61 ff. – Schadensersatz Anh II 37 58 ff. – Störer Anh II 37 52 – Täter Anh II 37 51 – unbefugte Benutzung im Geschäftsverkehr Anh II 37 21 ff., Anh II 37 41 f. – unlautere Weise Anh II 37 47 f. – Unterlassung Anh II 37 54 ff. – Verletzergewinnherausgabe Anh II 37 63 – Vernichtungsanspruch Anh II 37 71 – Verwässerung Anh II 37 44 – Verwechselungsgefahr Anh II 37 27 ff., s.a. dort – Wettbewerbsrecht Anh II 37 72 – Zurechnung Anh II 37 53 f. Markenschutz Anh II 37 1 ff. – Ausschließlichkeitsrecht Anh II 37 2 – befugte Benutzung Anh II 37 13 – Beginn Anh II 37 11 ff. – Benutzungsaufnahme Anh II 37 11 f. – Ende Anh II 37 19 ff. – Firma Anh II 37 6 ff. – Firmenabkürzungen/-schlagworte Anh II 37 8 – Firmenbestandteile Anh II 37 7 – Freihaltebedürfnis Anh II 37 15 – geografische Herkunftsangaben Anh II 37 1 – geschäftliche Bezeichnungen Anh II 37 3 – Geschäftsabzeichen Anh II 37 4, Anh II 37 10 – Geschäftsbezeichnung Anh II 37 1, Anh II 37 3, Anh II 37 9 – Kennzeichen Anh II 37 1 – Konkurrenzen Anh II 37 73 – Marken Anh II 37 1 1010
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– Markenrechtsverletzung Anh II 37 21 ff., Anh II 37 38 ff., s.a. dort – Name Anh II 37 5 – Prioritätsprinzip Anh II 37 2, Anh II 37 17 f. – Schutzvoraussetzungen Anh II 37 11 ff. – Unternehmenskennzeichen Anh II 37 4 – Unterscheidungskraft Anh II 37 14 – Verkehrsgeltung Anh II 37 16 Marktbereich – Handelszweig des Arbeitgebers 60 47 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 30 f. Marktverwirrungsschaden Anh II 37 65 Minderbesoldete 74a 34 Minderfirma Vor 17 5, 17 19 ff. – eGbR mbH 17 22a – Erbenhaftung 27 20 – Firmenfortführung 21 15, 22 12 – Firmenschutz 17 25 – GbR 17 22 – GbR mbH 17 22a – GmbH & Co. eGbR 17 22a – Handelsrechtsreform 17 20 – Irreführungsverbot 17 21, 18 34 – Rechtsformzusatz 17 20 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 10 Minderjährige – Erlöschen der Prokura 52 37 – Handlungsvollmacht 54 8 – Prokuraerteilung 48 47 – Umfang der Prokura 49 43 – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 28 f. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 21 – Wettbewerbsverbot, nichtiges 74a 35 ff. Mindestlohn 64 7 Mindestschaden 75c 18 Mischfirma Vor 17 20 Missbrauch der Vertretungsmacht 50 35 ff. – Anerkennung des Geschäfts 50 50 – bürgerliches Recht 50 36 f. – handelsrechtliche Vertretungsmacht 50 38 ff. – Handlungsvollmacht 54 77 – Kollusion 50 40, 50 48 – Nachteil 50 41 – Nichtigkeit des Geschäfts 50 48 – Pflichtwidrigkeit 50 41 – Rechtsfolgen 50 47 ff. – Verhalten des Geschäftspartners 50 44 ff. – Verhalten des Vertreters 50 42 f. – Voraussetzungen 50 40 ff. – Wahlrecht 50 50 1011
Mitbestimmung – Arbeitsschutzrecht 62 36 ff. – Provision 65 42 f. Miterben – Erlöschen der Prokura 52 35 – Prokura 48 7 – Prokuraerteilung 48 50 – Prokurist 48 26 ff. Monatsrechnungsmethode 74c 27 N Nacherbe – Erbenhaftung 27 27 – Prokurist 48 31 Nachfolgezusatz – Firmenänderung 22 90 ff. – Firmenfortführung 24 44 f. Nachhaftungsbegrenzung 26 1 ff. – Anerkenntnis durch den früheren Geschäftsinhaber 26 32 ff. – Anwendungsbereich 26 12 ff. – Dauerschuldverhältnisse 26 5 – Enthaftung 26 1, 26 40 ff., s.a. dort – Enthaftungsausschluss, vereinbarter 26 35 f. – Fälligkeit der Verbindlichkeit 26 18 – Fünfjahresfrist 26 19 ff. – Haftungsausschluss 26 1 ff. – Hemmung des Fristablaufs 26 23 ff. – Nachhaftungsbegrenzungsgesetz 26 4 – öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten 26 30 f. – Rechtsfolgen 26 40 ff. – Verwaltungsakt 26 30 f. – Vollstreckungshandlung 26 29 – Voraussetzungen 26 17 ff. – Zurückweisung der Erwerberhaftung 26 37 ff. – Zweck 26 10 f. Nachlasserbenschulden 27 46 Nachlassinsolvenz 27 3 Nachlassverwalter 48 30 Nachlassverwaltung – Einstellung der Geschäftsfortführung 27 64 – Erbenhaftung 27 3 – Prokura 48 19 Nachlassverwaltungsschulden 27 47 Nachtragsliquidation 31 24 Name Anh I 37 9 ff. – Firmenabkürzungen/-schlagworte Anh I 37 11 – juristische Personen Anh I 37 10 – Markenschutz Anh II 37 5 – namensartige Bildzeichen Anh I 37 12 – namensartige Kennzeichen Anh I 37 11 – natürliche Personen Anh I 37 9 Klie
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– Personenvereinigungen Anh I 37 10 – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 3 Namensanmaßung Anh I 37 19 ff. – abgeleitetes Gebrauchsrecht Anh I 37 26 ff. – Domainrecht Anh I 37 25 – Gebrauch Anh I 37 23 – gleicher Name Anh I 37 20 f. – gleichrangiges Gebrauchsrecht Anh I 37 32 ff. – Interessenverletzung Anh I 37 36 ff. – nachrangiges Gebrauchsrecht Anh I 37 31 – originäres Gebrauchsrecht Anh I 37 25 – Rechtswidrigkeit Anh I 37 24 ff. – unbefugter Gebrauch Anh I 37 24 ff. – unredlicher Gebrauch Anh I 37 30 – Zuordnungsverwirrung Anh I 37 20 f. namensgebender Gesellschafter – Firmenfortführung 24 4 – Fortführungseinwilligung 24 31 Namensleugnung Anh I 37 18 Namensrecht Anh I 37 1 ff. – angemaßte Eigengeschäftsführung Anh I 37 47 – Anwendungsbereich Anh I 37 3 ff. – Auskunftsanspruch Anh I 37 48 – Beginn Anh I 37 13 ff. – Bereicherungsanspruch Anh I 37 46 – Beseitigungsanspruch Anh I 37 39 – bürgerlicher Name Anh I 37 13 – Ende Anh I 37 13 ff. – Fallkonstellationen Anh I 37 5 ff. – Firma Anh I 37 14 – Löschungsklage Anh I 37 51 – Markenrecht Anh I 37 4 – Name Anh I 37 9 ff., s.a. dort – Namensanmaßung Anh I 37 19 ff., s.a. dort – Namensleugnung Anh I 37 18 – Rechtsnatur Anh I 37 2 – Schadensersatz Anh I 37 43 ff. – Schutzsubjekt Anh I 37 3 – sonstige Namen/Kennzeichen Anh I 37 15 ff. – Unterlassung Anh I 37 40 ff., Anh I 37 50 – Voraussetzungen Anh I 37 9 ff. namensrechtliche Gestattung 22 42 ff. – ausdrückliche ~ 22 45 – Beschränkung 22 78 – Erforderlichkeit 22 49 f. – fehlende ~ 22 53 – Firmenänderung 22 46 – Firmenfortführung Anh 22 7 f. – Fortführungseinwilligung 22 48 ff. – Inhalt 22 46, 22 52 – Insolvenz 22 59 ff. Klie
– konkludente ~ 22 45 – Lizenz 22 42 – Rechtsnatur 22 43 – Reichweite 22 46, 22 52 – Tochtergesellschaft 22 46 – Übertragung an Dritte 22 46 – Zeitpunkt 22 51 natürliche Personen – Firmenfortführung 21 7 – Name Anh I 37 9 – Prokurist 48 22 Neuverbindlichkeiten – Erbenhaftung 27 7 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 42 nicht eingetragener Verein 19 34 nicht rechtsfähiger Verein 33 10 nicht-kaufmännische Arbeitnehmer 60 15 ff. nicht-kaufmännische Dienste 83 1 f. Nichtkaufmann 28 20 Niederlassungsprokura 50 14 ff. – Einstellung des Handelsgewerbes 52 45 – Eintragung 50 19, 53 19 – Erfüllung von Verbindlichkeiten 50 22 – Erlöschen 50 25 – Erteilung 50 17 ff. – Firma 50 15 – Gesamtprokura 50 18 – Grundbuch 50 24 – Handelsregister 50 19 – Umfang der Prokura 49 5 – Umfang der Vertretungsmacht 50 20 f. – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 20 ff. – Verwendung der Niederlassungsfirma 50 23 f. – Voraussetzungen 50 15 ff. – Widerruf der Prokura 52 17 – Zeichnung des Prokuristen 51 9 – Zweigniederlassungszusatz 50 16 Nießbrauch 22 110 Nutzungspfandvertrag 22 111 O Offenkundigkeitsprinzip Vor 48 9 OHG – Prokuraerteilung 48 51 – Rechtsformzusatz 19 9, 19 28 Öko 18 111 Ordinalzahlen 30 31 Ordnungsgeldfestsetzung – Beschwerde 37 46 – Firmenmissbrauchsverfahren 37 44 ff. Ordnungswidrigkeit 48 150 1012
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Organmitglieder – gemischte Gesamtvertretung 48 101 ff. – Handlungsgehilfe 59 14 ff. – Prokurist 48 38 ff. – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 22 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 52 ff. Ort – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 13 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 22 Ortsangaben 18 94 ff. P Pacht – Anmeldepflicht 29 7 – Firmenfortführung 22 110 Parteibezeichnung 17 58, 17 62 Partnerschaft – Firmenfähigkeit 17 9a, 17 13 – Firmenfortführung Anh 21 5, Anh 22 9 f. – Firmenrecht Vor 17 10 – Irreführungsverbot 18 34 – Prokura 48 9 – Rechtsformzusatz 19 31 Personenfirma Vor 17 16 f. – Irreführungsverbot 18 56 ff. – Unterscheidbarkeit der Firma 30 35 f. – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 21 ff. Personenhandelsgesellschaft – Erlöschen der Firma 17 44 ff., 31 23 ff., 31 31 – Firmeneinheit Vor 17 40 – Fortführungseinwilligung 22 39 – Handelsgewerbe 59 36 – Umfang der Prokura 49 3 Persönlichkeitsrecht – Fürsorgepflicht 62 17 – Unterlassungsklage 37 65 Pflichtenverhältnis 48 141 f. Phantasiefirma Vor 17 19 – geographische Zusätze 18 107 – Irreführungsverbot 18 64 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 38 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 30 ff. Pool 18 76 Praktikanten Vor 74 50 Preislisten 37 25 Prioritätsprinzip – Ausnahmen Anh II 37 18 – Gleichnamige Anh II 37 18 – Markenschutz Anh II 37 2, Anh II 37 17 f. Privatverbindlichkeiten 27 42 1013
Probezeit 74 44 Projektzusätze 30 31 Prokura Vor 48 46 f. – Anmeldepflichtige 53 13 ff. – Anmeldepflichtverletzung 53 24 – Apotheker 48 8 – Bedingung 50 9 – Befristung 50 10 – Beweislast 48 151 – Eintragung 53 18 ff., s.a. dort – eintragungspflichtige Tatsachen 53 3 ff. – Einzelkaufmann 48 5 ff. – Entstehung 48 4 ff. – Entwicklung Vor 48 4 – Erlöschen der ~ 52 1 ff., s.a. dort – Erteilung 48 45 ff., s.a. Prokuraerteilung – fristlose Eigenkündigung 48 75 f. – GbR 48 9 – Gesamtprokura 48 84 ff. – Handelsgeschäft unter Verwaltung 48 14 ff. – Handelsgesellschaft 48 9 – Handelsregisteranmeldung 53 17 – Handlungsbevollmächtigte 52 60 – Insolvenz 48 15 – IPR Vor 48 53 – Legitimation 48 68 – Liquidationsgesellschaft 48 11 ff. – mehrere Unternehmen 50 14 – Missbrauch der Vertretungsmacht 50 35 ff., s.a. dort – Miterben 48 7 – Nachlassverwaltung 48 19 – Niederlassungsprokura 50 14 ff., s.a. dort – Niederlegung 52 42 – Partnerschaft 48 9 – prokurafähige Unternehmen 48 4 ff. – Prokurist 48 21 ff., s.a. dort – Rechtswahl Vor 48 54 – Scheinkaufmann 48 6 – Staat 48 20 – Testamentsvollstrecker 48 16 ff. – Umfang der ~ 49 1 ff., s.a. dort – Umfangsbeschränkung der ~ 50 1 ff., s.a. dort – Unbeschränkbarkeit 50 4 ff. – Unübertragbarkeit 52 3, 52 58 ff. – unwirksame ~ 48 63 ff. – Verein 48 9 – Verpflichtung zur Nichterteilung 48 83 – Vertretungsmacht 48 2 – Vorgesellschaft 48 10 – Zurückweisungsrecht 52 42 – Zweck 48 1 Klie
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Prokuraerteilung 48 45 ff. – AG 48 52 – Anmeldepflicht 53 4 – Anspruch auf ~ 48 69 ff. – ausdrückliche ~ 48 57 ff. – Außenvollmacht 48 55 – Bedingung/Befristung 48 60 – Eintragung 48 61 – Erbengemeinschaft 48 48 – Erfüllungsanspruch 48 70 ff. – Erklärungsperson 48 45 ff. – gesetzlicher Vertreter 48 45 ff. – GmbH 48 53 – GmbH & Co. KG 48 51 – Handelsgesellschaft 48 51 – Handelsregister 48 56, 48 61, 53 4 – Handlungsvollmacht 48 64 – Innenvollmacht 48 55 – KG 48 51 – Minderjährige 48 47 – Miterben 48 50 – Niederlassungsprokura 50 17 ff. – OHG 48 51 – Rechtsscheinvollmacht 48 57, 48 67 – Schadensersatz 48 77 ff. – Umdeutung 48 64 ff. – unwirksame ~ 48 63 ff. – Vergütunganspruch 48 74 – Willenserklärung 48 54 ff. – Wirksamwerden 48 62 Prokurist 48 21 ff. – Anstellungsverhältnis 48 139 f. – Arbeitnehmer 48 139 – Aufsichtsratsmitglieder 48 40 – Betriebsvereinbarung 48 145 – Betriebsverfassungsrecht 48 143 ff. – Gesellschafter 48 34 ff. – gesetzlicher Vertreter 48 25 – GmbH & Co. KG 48 41 ff. – Haftung 48 143 – Handlungsgehilfe 48 139 – Handlungsvollmacht 54 15 – Handlungsvollmachtserteilung 54 18 – Insolvenzschuldner 48 32 – Insolvenzverwalter 48 33 – interne Kompetenzen 48 138 – juristische Personen 48 23 – Legitimation 48 68 – Miterben 48 26 ff. – Nacherbe 48 31 – Nachlassverwalter 48 30 – natürliche Personen 48 22 Klie
– Ordnungswidrigkeit 48 150 – Organmitglieder 48 38 ff. – Personenverschiedenheit vom Inhaber 48 24 ff. – Pflichtenverhältnis 48 141 f. – prozessrechtliche Stellung 48 147 – rechtliche Stellung 48 138 ff. – Rechtsnachfolge 48 44 – Steuerrecht 48 148 f. – Testamentsvollstrecker 48 30 – Tod des ~en 52 38 – Treuepflicht 48 141 – Vorerbe 48 31 – Vorstandsmitglieder 48 38 – Wettbewerbsverbot 48 142 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 21 – Zeichnung des ~en 51 1 ff., s.a. dort Provision 65 1 ff. – Abschlussprovision 65 6 – Arbeitnehmer 65 11 – Arbeitsverhältnis 65 18 ff. – Arten 65 6 – Ausschlussfristen 65 41 – Begriff 65 5 f. – Betriebsrat 65 42 f. – Bezirksprovision 65 6, 65 8 – Entstehung des Provisionsanspruchs 65 32 f. – Fälligkeit 65 34 – Gewinnbeteiligung 65 7 – Gruppenprovisionen 65 7 – Handelsvertreterrecht 65 1, 65 13 ff. – Höhe der ~ 65 28 ff. – Inkassoprovision 65 8 – Lohnfortzahlung 65 37 ff. – Mitbestimmung 65 42 f. – Provisionsgarantie 65 36 – provisionspflichtige Geschäfte 65 20 ff. – Provisionsvereinbarung 65 9 f. – Rückzahlungspflichten 65 35 – Tantiemen 65 7 – Überhanganspruch 65 24 ff. – Überhangprovision 65 24 ff. – Umsatzprovision 65 7 – Verjährung 65 40 – Vermittlungsprovision 65 6 – Verrechnung 65 36 – Vorschuss 65 35 Provisionsgarantie 65 36 Prozesshandlungen – Firma 17 62 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 65 – Umfang der Prokura 49 39 Prozessstandschaft Anh II 37 50 1014
Sachregister
R Rechtsformzusatz Vor 17 14, 19 1 ff. – AG & Co. KG 19 18 – Aktienrecht 20 1 ff. – Altfirmen 19 29 – ausländische Rechtsträger 19 38 – ausländischer Rechtsträger mbH 19 20 ff. – e.V. & Co. KG 19 18 – Einzelkaufmann 19 6 ff. – Erbengemeinschaft 19 36 – EWIV 19 31 – fehlende haftende natürliche Personen 19 11 ff. – Firma 17 20 – Firmenänderung 22 87 ff. – Firmenbildung 19 5 – Firmenfortführung Anh 21 3, 24 46 – GbR 19 35 – Genossenschaft 19 31 – Geschäftsbezeichnung 17 20 – Geschäftsbriefe 37a 1 ff., 37a 20, s.a. dort – GmbH & Co. KG 19 14 ff., 19 25 ff. – GmbH & Co. KGaA 19 30 – GmbH i.G. & Co. KG 19 19 – in Gründung 19 30 – Irreführungsverbot 18 59 – juristische Personen 33 26 – Kapitalgesellschaft 19 30 – KG 19 10 – KG mbH 19 25 ff. – Kommanditgesellschaft mbH 19 25 ff. – Komplementäre 19 18 ff. – Ltd. & Co. KG 19 21 – Minderfirma 17 20 – nicht eingetragener Verein 19 34 – OHG 19 9, 19 28 – Partnerschaft 19 31 – Pflicht 19 1 – Publizität 19 5 – Rechtsträger ohne ~ 19 32 ff. – Stiftung 19 32, 33 26 – Stiftung & Co. KG 19 18 – Transparenzgebot 19 5 – Übergangsvorschriften 19 29 – Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) 19 30 – Unternehmergesellschaft & Co. KG 19 18 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 31 f. – Verein 33 26 – Verstoßfolgen 19 39 ff. – Vor-GmbH & Co. KG 19 19 – VVaG 19 31 – Warnfunktion 19 5, 19 12 1015
Rechtskraft 17 67 Rechtsnachfolge 48 44 Rechtspfleger 37 39 Rechtsscheinhaftung – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 161 f. – Erwerberhaftung 25 10, 25 152 ff. – Firmenfortführungsanschein 25 157 – Fortführungseinwilligung 25 160 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 7, 28 10 – Kaufmannseigenschaft 25 155 – Unternehmensfortführungsanschein 25 158 f. Rechtsscheintheorie 25 11, 25 18 Rechtsscheinvollmacht – Angestelltenvollmacht 56 7, 56 27, 56 50 – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 136 – Handlungsvollmacht 54 3 – Prokuraerteilung 48 57 – Prokuraerteilung, unwirksame 48 67 – Vermittlungsgehilfe 75g 8 – Vertretungsmacht Vor 48 21 ff. – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 10 Rechtsverletzung – absolute Rechten 37 64 ff. – Beweislast 37 60 – eigenes Recht 37 57 – Erben 37 57 – Fallgruppen 37 63 ff. – Firmenrechtsverletzungen 37 63 – Gestattung der Nutzung 37 58 – Immaterialgüterrechte 37 64 – Interessen ideeller Art 37 67 – Interessen wirtschaftlicher Art 37 67 – Kausalität 37 62 – Lizenznehmer 37 57 – Namensrechtsverletzungen 37 63 – Persönlichkeitsrecht 37 65 – Recht am eingerichteten/ausgeübten Gewerbebetrieb 37 66 – Unternehmenskennzeichensverletzungen 37 63 – Verjährung 37 60 – Verwirkung 37 59 Rechtswahl – Prokura Vor 48 54 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 89 Regiebetriebe 33 40 Regionalbezeichnung 18 101 Registergericht – Firmenmissbrauchsverfahren 37 1 ff., 37 37 f., s.a. dort Klie
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– Geschäftsbriefe 37a 22 – Handelsregisteranmeldung 29 11 ff., 33 51 – Insolvenz 32 9 – Irreführungsverbot 18 54 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 46 Registerrecht – Firma 17 54 – Firmenrecht Vor 17 65 ff. – Veräußerung nur der Firma 23 23 Religion 62 35 Revision 18 84 Ring 18 76 Rückrufanspruch Anh II 37 71 Rücktrittsrecht 74 94 Rückzahlungsklauseln Vor 74 70 Rückzahlungspflichten 65 35 Rufausbeutung Anh II 37 46 Rufschädigung Anh II 37 45 Ruheständler 60 32 Ruhestandsverhältnisse 28 66 S Sachfirma Vor 17 18 – Irreführungsverbot 18 60 ff. – Unterscheidbarkeit der Firma 30 37 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 25 ff. Sachzuwendungen 74b 14 Satzung 33 34 Satzzeichen 18 9 f. Schadensersatz – Karenzentschädigung 74 94 – Markenrechtsverletzung Anh II 37 58 ff. – Namensrecht Anh I 37 43 ff. – Prokuraerteilung 48 77 ff. – Schutzpflichtverletzungen 62 48 ff. – Sperrabrede 75f 19 ff. – unbefugter Firmengebrauch 37 73 – Vertragsstrafe 75c 18 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 42 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 88 – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 9 ff., 61 38 f. Schadensrecht 62 53 Scheidung 21 6 Scheinerbe 27 28 Scheingründung – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 14 – Veräußerung nur der Firma 23 14 Scheinkaufmann – Handelsgewerbe 59 35 – Prokura 48 6 Scheinübertragungen 23 15 Schiffsregister 17 55 Klie
Schriftart 18 11 Schriftbild 18 12 Schuldbeitritt – Erwerberhaftung 25 75 ff. – Haftung eintretender Gesellschafter 28 38 Schuldenhaftung kraft besonderen Verpflichtungsgrundes 25 144 ff. – Bekanntmachung 25 145 f. – betriebsbezogene Steuern 25 150 f. – gesetzlicher Vertragsübergang 25 148 – Schuldübernahme 25 149 – Vermögensübernahme 25 147 – Vertragsübernahme 25 149 Schuldnerschutz bei Firmenfortführung 25 104 ff. – Abtretung, vertypte 25 110 – Abtretungsfiktion 25 110 – Abtretungsvermutung mit relativer Wirkung 25 110, 25 114 – abweichende Haftungsvereinbarungen 25 123 ff., s.a. dort – Beweislast 25 122 – Dauerschuldverhältnisse 25 118 – Firmenfortführung 25 107 – Fortführungseinwilligung 25 108 f. – Geschäftsforderungen 25 115 – Legalzession 25 110 – Übertragbarkeit der Forderung 25 116 f. – Voraussetzungen 25 107 ff. – Zessionsrecht 25 119 ff. Schuldnerwechsel 28 59 Schuldübernahme 25 149 Schutzlandprinzip Vor 17 69 Schutzpflichtverletzungen 62 42 ff. – Beweislast 62 51 – Deliktsrecht 62 52 – Erfüllungsanspruch 62 44 f. – Kündigung 62 54 – Schadensersatz 62 48 ff. – Schadensrecht 62 53 – Zurückbehaltungsrecht 62 46 f. Selbständige – Handlungsgehilfe 59 10 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 21 Selbstkontrahieren – Ausübung der Gesamtvertretungsmacht 48 131 – Stellvertretung Vor 48 29 – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 30 ff. Sicherheitsleistung 26 49 Sicherheitsniveau, technisches 62 29 Sittenwidrigkeit – Sperrabrede 75f 18 1016
Sachregister
– Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74a 42 ff. Sittlichkeit 62 35 Sitz 33 28 Sitzverlegung – Grundlagengeschäfte 49 19 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 13 Sonderarbeitsrecht 59 3 Sonderzeichen 18 9 f. Sozialplan 49 22 Sozialversicherungsleistungen 74c 12 ff. Sozietät 18 77 Spaltung – Erlöschen der Firma 17 37 – Firmenfortführung Anh 22 11 ff. Sparkasse 18 78 Sperrabrede 75f 1 ff. – Abwerbeverbote 75f 10 ff. – Arbeitnehmer 75f 3 – Arbeitnehmerüberlassung 75f 6 – Arbeitsplatzwahlfreiheit 75f 2 – Berufsfreiheit 75f 24 – einseitige ~ 75f 8 – Grundrechte des Grundgesetzes 75f 24 ff. – Rücktritt 75f 17 – Schadensersatz 75f 19 ff. – Sittenwidrigkeit 75f 18 – Untermaßverbot 75f 25 – Unwirksamkeit 75f 15 – Verbandsabsprachen 75f 4 – Vertragsstrafenvereinbarungen 75f 7 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 30, 75f 1 ff. Spezialhandlungsvollmacht 54 5, 54 13 – stillschweigende besondere Bevollmächtigung 54 59 Staat 48 20 Stellvertretung Vor 48 7 ff. – Bote Vor 48 15 – Geschäft für den, den es angeht Vor 48 14 – Geschäftslokal Vor 48 9 – Haftung des Vertreters Vor 48 32 – Handeln für fremde Rechnung Vor 48 13 – Handeln im eigenen Namen Vor 48 12, Vor 48 33 – Handeln im Namen des Vertretenen Vor 48 9 ff. – höchstpersönliche Geschäfte Vor 48 29 – mittelbare ~ Vor 48 12 – Offenkundigkeitsprinzip Vor 48 9 – Selbstkontrahieren Vor 48 29 – tatsächliche Handlungen Vor 48 8 1017
– unternehmensbezogene Geschäfte Vor 48 10 – unzulässige ~ Vor 48 29 – Vertretungsmacht Vor 48 16 ff., s.a. dort – Voraussetzungen Vor 48 7 ff. – Willenserklärung Vor 48 7 – Wirkung Vor 48 30 ff. Steuern, betriebsbezogene 25 150 f. Steuerrecht 48 148 f. Stiftung – Firmenfortführung 21 7 – Handelsregisteranmeldung 33 8 – Irreführungsverbot 18 73 ff. – Rechtsformzusatz 19 32, 33 26 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 8 Stiftung & Co. KG 19 18 Störer Anh II 37 52 Stundungsabreden 64 14 f. Superlative 18 109a T Tantiemen 65 7 Tarifverträge – Dienstleistungspflicht 59 53 – Vergütungspflicht 59 63, 59 68 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 5 tatsächlicher anderweitiger Erwerb 74c 5 ff. – Arbeitslosengeld 74c 15 ff. – ersparte Aufwendungen 74c 18 ff. – Karenzzeitraum 74c 6 f. – selbständige Tätigkeit 74c 9 – Sozialversicherungsleistungen 74c 12 ff. – unselbständige Tätigkeit 74c 9 – Verwertung der Arbeitskraft 74c 8 ff. technischer Angestellter 59 43 Teilauseinandersetzung 27 98 Teilzeitarbeitnehmer – Karenzentschädigungsberechnung 74b 25 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 18 Testamentsvollstrecker – Firmenfortführung 22 71 ff., 22 111 – Fortführung des Handelsgeschäfts 27 36 – Geschäftsfortführung durch ~ 27 76 ff. – Inhaberwechsel 31 13 – Prokura 48 16 ff. – Prokurist 48 30 Tochtergesellschaft – Firmenfortführung 22 75 – namensrechtliche Gestattung 22 46 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 39 Tod des Ehegatten 21 6 Tradition 18 110 Klie
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Transparenzgebot – Rechtsformzusatz 19 5 – Vertragsstrafe 75c 7 Transparenzkontrolle Vor 74 41 ff. Trennungsgrundsatz Vor 48 35 Treuepflicht – Prokurist 48 141 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 7 Treuhand – Geschäftsfortführung durch Testamentsvollstrecker 27 79 – Irreführungsverbot 18 83 U Überhanganspruch 65 24 ff. Überhangprovision 65 24 ff. überraschende Klauseln Vor 74 44 f. Überschreitung der Vertretungsmacht 54 78 f. Umfang der Handlungsvollmacht 54 27 ff. – allgemeine Begrenzung 54 30 – Allgemeine Geschäftsbedingungen 54 32 – Art der Handlungsvollmacht 54 47 – Art des Handelsgewerbes 54 42 f. – Ausnahmen 54 52 ff. – Außenverhältnis 54 34 – Begrenzung 54 32 ff. – Bestimmung durch den Kaufmann 54 31 ff. – Beweislast 54 75 – Branchenüblichkeit 54 44 – Darlehensaufnahme 54 63 – Einzelfälle 54 48 ff. – Erweiterung 54 32 ff. – Gesamthandlungsvollmacht 54 35 ff. – gesetzlicher ~ 54 40 ff. – gewöhnliche Geschäfte 54 44 ff. – Grundlagengeschäfte 54 30 – Grundstücksgeschäft 54 61 – guter Glaube 54 55, 54 66 ff. – Innenverhältnis 54 33 – Niederlassung 54 39 – private Geschäfte 54 30 – Prozessführung 54 64 f. – Prozesshandlungen 54 65 – regelmäßiger ~ 54 41 ff. – stillschweigende besondere Bevollmächtigung 54 56 ff. – übliche Geschäfte 54 44 ff. – Vermutung 54 29 – Wechselverbindlichkeiten 54 62 – Weisungen 54 33 f. – Zweigniederlassung 54 39 Klie
Umfang der Prokura 49 1 ff. – arbeitsrechtliche Maßnahmen 49 13 – Belastungen von Grundstücken 49 34 – Beschränkung der Vertretungsmacht 49 29 ff. – besondere Befugnis 49 36 – besondere Vollmachten 49 45 ff. – Betriebsvereinbarung 49 14 – Beweislast 49 52 – eingegangene Verbindlichkeiten 49 11 – Erweiterung der Prokura 49 36, 49 45 – Generalvollmacht 49 48 f. – Gerichtsbarkeiten 49 40 – Gerichtsverkehr 49 39 ff. – Gesamtprokura 49 5 – GmbH & Co. KG 49 4, 49 15 – Grundlagengeschäfte 49 17 ff., s.a. dort – Grundpfandrecht 49 33, 49 35 – Grundstücksgeschäft 49 27 ff., 49 36 ff. – Grundstücksklausel 49 36 – Haftungsmassen 49 2 ff. – Handelsgeschäft 49 1, 49 6 ff. – Handelsregisteranmeldung 49 41 – Handlungsvollmacht 49 8, 49 47 – höchstpersönliche Rechtsgeschäfte 49 7 – Immobiliarklausel 49 36 – Kapitalgesellschaft 49 3 – Minderjährige 49 43 – Niederlassungsprokura 49 5 – öffentliches Recht 49 12 – organisatorische Maßnahmen 49 13 – Personenhandelsgesellschaft 49 3 – privater Lebensbereich 49 7 – Prozesshandlungen 49 39 – rechtsgeschäftlicher Verkehr 49 6 ff. – Überschreitung der Vertretungsmacht 49 44 – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 1 ff., s.a. dort – untypische Geschäfte 49 9 – Veräußerung von Grundstücken 49 31 – Vertretener 49 2 ff. – Vollmachtserteilung 49 11 – Vormundschaftsgericht 49 16 Umfangsbeschränkung der Prokura 50 1 ff. – Arbeitnehmerhaftung 50 55 – Ausübung unter gewissen Umständen 50 9 – Eintragung 53 19 – einzelne Geschäfte 50 7 – einzelne Geschäftsarten 50 8 – einzelne Orte 50 13 – familiengerichtliche Genehmigung 50 28 f. – gesetzliche ~ 50 26 ff. – Handelsregister 53 7 f. 1018
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– höchstpersönliche Geschäfte 50 27 – Innenverhältnis 50 52 ff. – Insichgeschäft 50 30 ff. – Minderjährige 50 28 f. – Missbrauch der Vertretungsmacht 50 35 ff., s.a. dort – Niederlassungsprokura 50 20 ff., s.a. dort – Selbstkontrahieren 50 30 ff. – Weisungen 50 53 ff. – weisungswidriges Verhalten 50 55 – zeitliche ~ 50 10 Umsatzgeschäft 56 31 Umsatzprovision 65 7 Umsatzsteuer-Identifikationsnummer 37a 5 Umwandlung – Erlöschen der Prokura 52 55 – Erwerberhaftung 25 44 – Firmenfortführung Anh 22 1 ff. Umwelt 18 111 unbefugter Firmengebrauch 37 8 ff. – Dispositionsrecht der Parteien 37 34 – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 15 ff., s.a. dort – guter Glaube 37 33 – Schadensersatz 37 73 – Unterlassungsklage 37 52 ff., s.a. dort – Unzulässigkeit der Firma 37 9 ff., s.a. dort – Verschulden 37 33 Unfallverhütungsvorschriften 62 12 Universalsukzession 25 16, 25 21 Unterbevollmächtigung 58 6 ff. Unterlagen, beizufügende 33 34 ff. – Änderungen 34 12 – Bestellungsurkunden des Vorstands 33 35 – Eigenbetriebe 33 49 – Form 33 37 – Satzung 33 34 – Urkunde über Erlangung der Rechtsfähigkeit 33 36 Unterlassung – Anspruchsinhalt Anh I 37 42 – Erstbegehungsgefahr Anh I 37 41, Anh II 37 56 – Irreführungsverbot 18 55 – Markenrechtsverletzung Anh II 37 54 ff. – Namensrecht Anh I 37 40 ff., Anh I 37 50 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 83 f. – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 43 f. – Wiederholungsgefahr Anh I 37 40, Anh II 37 55 Unterlassungsklage 37 52 ff. – absolute Rechten 37 64 ff. – Beweislast 37 60 1019
– eigenes Recht 37 57 – Erben 37 57 – Firmenrechtsverletzungen 37 63 – Gestattung der Nutzung 37 58 – Immaterialgüterrechte 37 64 – Interessen ideeller Art 37 67 – Interessen wirtschaftlicher Art 37 67 – Kausalität 37 62 – Klageantrag 37 69 ff. – Klagebefugnis 37 54 ff. – Lizenznehmer 37 57 – Namensrechtsverletzungen 37 63 – Persönlichkeitsrecht 37 65 – Recht am eingerichteten/ausgeübten Gewerbebetrieb 37 66 – Rechtsverletzung 37 55 ff. – Schadensersatz 37 73 – unbefugter Firmengebrauch 37 53 – und Firmenmissbrauchsverfahren 37 51 – Unternehmenskennzeichensverletzungen 37 63 – Verjährung 37 60 – Verwirkung 37 59 – Vollstreckung 37 72 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 83 Untermaßverbot 75f 25 Unternehmen – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 13 – Veräußerung nur der Firma 23 3, s.a. dort Unternehmensfortführungsanschein 25 158 f. Unternehmenskennzeichen Vor 17 6, 17 26, Anh II 37 4 Unternehmenskern – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 17 ff. – Erwerberhaftung 25 57 Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) 19 30 Unternehmergesellschaft & Co. KG 19 18 Unterscheidbarkeit der Firma 30 1 ff. – Änderung des Handelsnamens 30 14 – Änderung von Orts-/Gemeindegrenzen 30 23 – bestehende Firma 30 16 f. – Beurteilungshorizont/-gegenstand 30 27 ff. – deutliche ~ 30 24 ff., 30 40 f. – Durchsetzung 30 46 – eingetragene Firma 30 18 ff. – Eintragung 30 18 ff. – Einzelfälle 30 40 f. – Firmenbestandteile 30 29 – Firmenfortführung 30 14 – Firmeninhaberschutzvorschriften 30 5 f. – Firmenzusätze 30 31 f. Klie
Sachregister
– Gemeinde 30 22 – Genossenschaftsregister 30 18 – geographische Zusätze 30 33 – Gleichnamige 30 36, 30 42 ff. – GmbH & Co. KG 30 32 – Handelsregister 30 18 – Irreführungsverbot 30 7 – Kleingewerbetreibende 30 10 – Mehrheit von Unterschieden 30 34 – Minderfirma 30 10 – neue Firma 30 9 ff. – Ordinalzahlen 30 31 – Ort 30 22 – Ort, benachbarter 30 45 – Partnerschaftsgesellschaftsregister 30 18 – Personenfirma 30 35 f. – Phantasiefirma 30 38 – Priorität 30 11 – Projektzusätze 30 31 – Rechtsformzusatz 30 31 f. – Registergericht 30 46 – Sachfirma 30 37 – Sitzverlegung 30 13 – Stiftung 30 8 – Tochtergesellschaft 30 39 – Unterscheidungskraft, abstrakte 30 7 – Verein 30 8 – Vereinsregister 30 19 – Verfahren 30 46 – Verkehrsauffassung 30 27 ff. – Verwechselungsgefahr 30 25 – Verwechselungsschutz 30 3 f. – Zweck 30 3 f. Unterscheidungskraft, abstrakte Vor 17 36 f., 18 2, 18 8, 18 16 ff. – Abgrenzung 18 16 ff. – Allerweltsnamen 18 21 – Begriff 18 16 ff. – Berufsbezeichnungen 18 23 – Einzelfälle 18 26 ff. – Firmenrecht 18 26 – Freihaltebedürfnis 18 18 – fremdsprachige Bezeichnungen 18 32 – Irreführungseignung 18 20 – Kennzeichenrecht 18 27 ff. – Personenfirma 18 21 ff. – Phantasiefirma 18 30 ff. – Sachfirma 18 25 ff. – Unterscheidbarkeit der Firma 30 7 – Unterscheidungskraft, konkrete 18 19 – Verwechselungsschutz 18 24 – Vornamen in Alleinstellung 18 22 Klie
– Werbeslogan 18 31 – Zifferkombinationen 18 15 Unterscheidungskraft, konkrete Vor 17 38 – Markenschutz Anh II 37 14 – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 19 Unterschrift – Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 3 – Zeichnung des Prokuristen 51 3 Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots 75 1 ff. – Aufhebung des Wettbewerbsverbots 75 42 ff. – Aufhebungsvertrag 75 4, 75 39 ff. – erheblicher Anlass zur Kündigung 75 33 – Festhalten am Wettbewerbsverbot 75 28 – Kündigung 75 1 ff. – Kündigung aus wichtigem Grund 75 7 ff. – Kündigung bei Insolvenz 75 37 f. – Kündigung des AG 75 18 ff., 75 29 ff. – Kündigung des AN 75 6 ff., 75 36 – Lossagungserklärung 75 12 ff. – Lossagungsfolgen 75 16 f. – Lossagungsfrist 75 15 – Lossagungsrecht 75 2 – Lossagungsrecht des Arbeitgebers 75 20 ff., 75 23 ff. – unbezahlte Karenz 75 18 – vertragswidriges Arbeitsgeberverhalten 75 10 f. – Zusage der vollen Leistungen 75 34 f. Unzulässigkeit der Firma 37 9 ff. – Bestandsschutz 37 11 – Firmenbildung 37 9 ff. – Firmenfähigkeit, fehlende 37 14 – Firmenführungspflicht 37 12 f. – Gebrauch der unzulässigen Firma 37 15 ff. – nachträgliche ~ 37 10 – ursprüngliche ~ 37 9 Urlaubsabgeltungsansprüche 74b 18 V Veräußerung nur der Firma 23 1 ff. – Aufgabe des Handelsgewerbes 23 18 – Außenverhältnis 23 20 ff. – bedingte/befristete Übertragung 23 6 – Begriff 23 5 – Firmenlizenzen 23 7 ff. – Firmenmissbrauch 23 23 – Fortführungseinwilligung 23 5 – Haftung des Erwerbers 23 21 – Haftung des Veräußerers 23 20 – Innenverhältnis 23 19 ff. – Mantel-GmbH 23 17 1020
Sachregister
– Registerrecht 23 23 – Scheingründung 23 14 – Scheinübertragungen 23 15 – Täuschungsgeeignung 23 3 – Umgehungsgeschäfte 23 14 ff. – Unternehmen 23 3 – Verstoßfolgen 23 19 ff. – Vorrats-GmbH 23 16 – Widerrufsvorbehalt 23 6 – Zurückbehaltung des Handelsgeschäfts 23 13 Verbandsabsprachen 75f 4 verbotene Geschäfte im Handelszweig 60 64 ff. – Betriebsübergang 60 67 – Geschäftemachen 60 68 ff. – Handelszweig des Arbeitgebers 60 65 ff. – Hilfstätigkeiten 60 69 – jedwede Dienstleitung 60 69 – Vorbereitungshandlungen 60 71 Verein – Handelsregisteranmeldung 33 8 – Prokura 48 9 – Rechtsformzusatz 33 26 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 8 Verfallklauseln Vor 74 71 Vergütunganspruch 48 74 Vergütungspflicht 59 60 ff. – Angemessenheit 59 68 f. – Art der Vergütung 59 70 – Auffangregelung 59 61 – betriebliche Übung 59 63 – Betriebsvereinbarung 59 63 – Gleichbehandlungsgrundsatz 59 66 – Lohnwucher 59 64 – Ortsüblichkeit 59 67 – Tarifverträge 59 63, 59 68 – Vergütungshöhe 59 62, 59 67 – vorrangige Vereinbarungen 59 63 ff. Verjährung – Karenzentschädigung 74b 33 – Provision 65 40 – Unterlassungsklage 37 60 – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 50 ff. Verkehrsauffassung 30 27 ff. Verkehrserwartung 28 12 ff. Verkehrsgeltung Anh II 37 16 Verkehrsschutz – Abstraktionsgrundsatz Vor 48 39 – Erbenhaftung 27 12, 27 18 – Erwerberhaftung 25 13 – Firma 18 4 f. – Vertretungsrecht Vor 48 4 1021
Verletzergewinnherausgabe Anh II 37 63 Vermächtnisnehmer – Erbenhaftung 27 29 – Handelsgeschäft 27 104 ff. – Rechtsstellung des Erben 27 106 Vermittlungsgehilfe 75g 1 ff. – Aufgabenzuweisung 75g 5 f. – außerhalb der Geschäftsräume 75g 5 – Begriff 75g 4 – Rechtsscheinsvollmacht 75g 8 – Vertretungsmacht 75g 7 Vermittlungsprovision 65 6 Vermögensübernahme 25 147 Vermögensübernahme-/ Verkehrsschutzprinzip – Erwerberhaftung 25 11 – Haftung eintretender Gesellschafter 28 7 Vermögensverwaltung 33 13 Vernichtungsanspruch Anh II 37 71 Verschmelzung – Erlöschen der Firma 17 36 – Firmenfortführung Anh 22 1 ff. Verschulden 37 33 Verschwiegenheitspflicht 60 6 Versicherung 18 81 Versicherungsvertreter 55 12 Vertragsabschlussfreiheit 59 25 Vertragsänderung 55 29 Vertragsfreiheit Vor 74 10, Vor 74 12 Vertragsstrafe – abweichende Vereinbarungen 75c 19 – AGB-Kontrolle 75c 4 ff., 75c 17 – Akzessorietät 75c 2 – Dauerverstoß 75c 14 – Formerfordernis 75c 3 – Herabsetzung unverhältnismäßig hoher ~n 75c 20 ff. – inhaltliche Angemessenheit 75c 8 – mehrfache Verwirkung 75c 13 – Mindestschaden 75c 18 – Rechte des Arbeitgebers 75c 11 ff. – Schadensersatz 75c 18 – Sperrabrede 75f 7 – Transparenzgebot 75c 7 – Verbindlichkeit abweichender Vereinbarungen 75c 12 ff. – Verbot der geltungserhaltenden Reduktion 75c 25 – Wahlrecht 75c 12 ff. – Wettbewerbsverbot ohne Entschädigungspflicht 75c 26 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 29, 75c 1 ff. Klie
Sachregister
– Wettbewerbsverbotsverletzung 61 40 ff. – Widerruf der Prokura 52 24 – Wirksamkeit der Vereinbarung 75c 2 ff. Vertragsüberleitung 25 75 ff. Vertragsübernahme 25 149 Vertretungsmacht Vor 48 16 ff. – Anscheinsvollmacht Vor 48 24 – Duldungsvollmacht Vor 48 22 – gesetzliche ~ Vor 48 27 – organschaftliche ~ Vor 48 28 – Prokura 48 2 – rechtsgeschäftliche ~ Vor 48 17 ff. – Rechtsscheinvollmacht Vor 48 21 ff. – Umfang Vor 48 41 f. – Vertretungsrecht Vor 48 35 ff. Vertretungsrecht Vor 48 1 ff. – Abstraktionsgrundsatz Vor 48 37 ff. – allgemeines ~ Vor 48 7 ff. – Außenverhältnis Vor 48 34 ff. – Bevollmächtigung Vor 48 35 ff. – BGB Vor 48 5 – Entwicklung Vor 48 2 ff. – Ermächtigung Vor 48 6 – Grundgeschäft Vor 48 35 ff. – Handlungsvollmacht Vor 48 48 ff., 54 1 ff. – Innenverhältnis Vor 48 34 ff. – IPR Vor 48 53 ff. – kaufmännisches ~ Vor 48 44 ff. – Prokura Vor 48 46 f. – Risikoverteilung Vor 48 3 – Stellvertretung Vor 48 7 ff., s.a. dort – Trennungsgrundsatz Vor 48 35 – Verkehrsschutz Vor 48 4 – Vertretungsmacht Vor 48 35 ff. Verwaltungsakt 26 30 f. Verwässerung Anh II 37 44 Verwechselungsgefahr Anh II 37 27 ff. – Branchennähe Anh II 37 33 ff. – Erscheinungsformen Anh II 37 27 – im weiteren Sinne Anh II 37 27 – Kennzeichnungskraft Anh II 37 37 – Markenrechtsverletzung Anh II 37 27 ff. – maßgebliche Faktoren Anh II 37 28 ff. – mittelbare ~ Anh II 37 27 – unmittelbare ~ Anh II 37 27 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 25 – Zeichenähnlichkeit Anh II 37 29 ff. Verwechselungsschutz – Firma 18 4 – Unterscheidbarkeit der Firma 30 3 f. – Unterscheidungskraft, abstrakte 18 24 Klie
Verwirkung – Karenzentschädigung 74b 36 – Unterlassungsklage 37 59 Verzeichnisse 37 30 Verzicht auf Wettbewerbsverbot 75a 1 ff. – abweichende Vereinbarungen 75a 21 ff. – Anwendungsbereich 75a 5 f. – Auskunftspflicht des Arbeitnehmers 75a 3 f. – Karenzentschädigung 75a 17 ff. – Verzichtserklärung 75a 7 ff. – Verzichtserklärungsform 75a 14 – Verzichtserklärungsinhalt 75a 8 f. – Verzichtserklärungszeitpunkt 75a 10 ff. – Wirkung 75a 15 ff. Verzichtsvorbehalt 74 63 Vollrechtstreuhand 27 79 Vollstreckungshandlung 26 29 Volontär – Handlungsgehilfe 59 29 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 50, 82a 1 ff. – Wettbewerbsverbot, nichtiges 74a 37 Vorbereitungshandlungen – Betreiben eines Handelsgewerbes 60 58 ff. – verbotene Geschäfte im Handelszweig 60 71 – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 34 Voreintragung der Firma 31 6 Vorerbe – Erbenhaftung 27 27 – Prokurist 48 31 Vorgesellschaft – Firmenfähigkeit 17 14 – Firmenfortführung 21 14 ff. – Prokura 48 10 Vorleistungspflicht 64 1 Vormundschaftsgericht 49 16 Vorrats-GmbH 23 16 Vorratsgesellschaft 22 22 Vorrichtungen 62 23 f. Vorstandsmitglieder – Anmeldepflicht 33 18 f. – Eigenbetriebe 33 48 – einzutragende Tatsachen 33 30 – Prokurist 48 38 Vorvertrag Vor 74 24, 74 4, 74 72 f., VVaG – Erlöschen der Firma 31 28 – Firmenrecht Vor 17 10a – Handelsgewerbe 59 37 – Rechtsformzusatz 19 31 1022
Sachregister
W Wahlrecht – Firmenfortführung 21 12 f. – Karenzentschädigung 74 59, 74 61, 74 67 – Missbrauch der Vertretungsmacht 50 50 – Vertragsstrafe 75c 12 ff. – Wettbewerbsverbot, unverbindliches 74a 29 – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 6 ff. Warenetiketten 37 27 Warenlager 56 20 Warenprospekte 37 25 Wechselprozess 17 62 Wechselverbindlichkeiten 54 62 Weisungen – Dienstleistungspflicht 59 58 f. – Umfang der Handlungsvollmacht 54 33 f. – Umfangsbeschränkung der Prokura 50 53 ff. Werbeanzeigen 37 27 werbende Tätigkeit 27 62 f. Werbeslogan 18 31 Werbeträger Vor 17 3 Wesentlichkeitsschwelle 18 46 Wettbewerbsrecht Anh II 37 72 Wettbewerbsverbot 60 1 ff. – bedingtes ~ 74 63 ff., 74 74 f. – Handlungsgehilfe Vor 59 7, 59 7, 60 1 ff. – indirektes ~ Vor 74 63 ff., Vor 74 68 ff. – Prokurist 48 142 – Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 3, s.a. dort – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 1 ff., 74 1 ff., s.a. dort – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 1 ff., s.a. dort Wettbewerbsverbot, gesetzliches 60 1 ff. – Abwerbeversuche 60 61 – Anwendungsbereich 60 14 ff. – Arbeitnehmerähnliche 60 21 – Arbeitnehmerfreizügigkeit 60 10 – Beginn 60 26 ff. – Begriff 60 3 – Betreiben eines Handelsgewerbes 60 54 ff., s.a. dort – Beweislast 60 86 f. – Einwilligung des Arbeitgebers 60 73 ff., s.a. dort – Ende 60 30 ff. – fehlerhaftes Arbeitsverhältnis 60 31 – freie Berufe 60 17 – Geheimhaltungspflicht 60 6 – Grundrechte des Grundgesetzes 60 7 – Grundrechte des Unionsrechts 60 9 – Handelsvertreter 60 21 – Handelszweig des Arbeitgebers 60 45 ff., s.a. dort – Handlungsbevollmächtigte 60 21 1023
– Handlungsgehilfe 60 14 – Inhalt 60 43 ff. – Interessenkonflikte 60 4 – Konkurrenz 60 4 – Kündigungsfrist 60 33 ff. – Leiharbeitnehmer 60 19 – nach Kündigung 60 33 ff. – Nebenpflicht des Arbeitnehmers 60 2 – Nebentätigkeit 60 5 – nicht-kaufmännische Arbeitnehmer 60 15 ff. – Organmitglieder 60 22 – Prokurist 60 21 – ruhendes Arbeitsverhältnis 60 29 – Ruheständler 60 32 – Schadensersatz 60 42 – Selbständige 60 21 – Teilzeitarbeitnehmer 60 18 – Unionsrecht 60 8 f. – verbotene Geschäfte im Handelszweig 60 64 ff., s.a. dort – Verschwiegenheitspflicht 60 6 – vertragliche Abweichungen 60 11 ff. – Wettbewerbsverbotsverletzung 61 1 ff., s.a. dort – zeitlicher Geltungsbereich 60 25 ff. – Zweck 60 2, 60 4 Wettbewerbsverbot, nachvertragliches Vor 74 1 ff., 74 1 ff. – abweichende Vereinbarungen 75d 1 ff. – abweichende Vereinbarungen in Kollektivverträgen 75dc 17 ff. – AGB-Kontrolle Vor 74 31 ff., 74a 46 – Aktienoptionsprogramme Vor 74 71 – Annahmeverweigerung 74 17 – Anwendungsbereich Vor 74 46 ff. – Arbeitnehmer Vor 74 4, Vor 74 47 – Arbeitnehmerähnliche Vor 74 51 – Arbeitnehmerfreizügigkeit Vor 74 16 – Arbeitnehmerüberlassung 74a 47 – Arbeitsplatzwahlfreiheit Vor 74 13 – Arbeitsverhältnis 74 20 f. – Aufhebung des ~s 75 42 ff. – Aufhebungsvertrag Vor 74 28 – Aushändigung der Urkunde 74 16 ff. – Auskunftsanspruch 74 91 – Auslegungszweifel 74 25 – Auszubildende Vor 74 50 – Bagatellbeschränkungen Vor 74 61 f. – bedingtes ~ Vor 74 24 – Bedingung 74 63 ff., 74 74 f. – Beendigung der Bindung Vor 74 26 ff. – Beendigung durch Zeitablauf 75 45 f. – Beginn 74 42 ff. Klie
Sachregister
– Betriebsübergang 74 78 ff. – Betriebsvereinbarung 74 5 – Beweislast 74 90, 74a 48 f. – Cooling-off-Klauseln 74 29 – einseitige Beendigung 75 47 ff. – einverständliche Aufhebung 74 46 – Ende 74 45 f. – erfasste Tätigkeiten 74 32 ff. – Feststellungsklage 74 84 – formelle Anforderungen Vor 74 19 – Fremd-Geschaftsführer Vor 74 56 – Geheimhaltungsklauseln Vor 74 80 ff. – Gesamtrechtsnachfolge 74 77 – Geschäftsgeheimnis Vor 74 7, Vor 74 15 – Gesellschafter-Geschäftsführer Vor 74 55 – Gesellschaftsbeteiligung 74 36 – gesetzliche Regelungen Vor 74 17 ff. – Grundrechte des Grundgesetzes Vor 74 12 ff. – Grundrechte des Unionsrechts Vor 74 15 – Handlungsgehilfe Vor 74 47 ff. – HGB Vor 74 2 – höchstpersönliche Geschäfte 74 76 – indirektes ~ Vor 74 68 ff. – Inhaltskontrolle Vor 74 32 ff. – Interessenausgleich Vor 74 10 f. – IPR Vor 74 87 ff. – Karenzentschädigung Vor 74 10, Vor 74 23, Vor 74 25, 74 47 ff., s.a. dort – Konkurrenzunternehmen 74 30 – konkurrierendes Handelsgewerbe Vor 74 59 f. – Konzerndimensionalität 74 37 f. – Kündigung Vor 74 27 – Leiharbeitnehmer Vor 74 49, 74a 47 – Leistungsstörungsrecht 74 85 ff. – Lossagungsrecht 75 1 ff., s.a. Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots – Mandantenschutzklausel 74 75 – Mandantenschutzklauseln Vor 74 74 ff., s.a. dort – Marktbereich 74 30 f. – Minderjährige Vor 74 21 – nachträgliche Unmöglichkeit 75 51 – Nichtbeachtung der Schriftform 74 14 f. – Organmitglieder Vor 74 52 ff. – Praktikanten Vor 74 50 – Probezeit 74 44 – räumliche Reichweite 74 39 ff. – Rechtsentwicklung Vor 74 2 ff. – Rechtswahl Vor 74 89 – Rücktrittsrecht Vor 74 28 – Rückzahlungsklauseln Vor 74 70 – sachliche Reichweite 74 26 ff. Klie
– Schadensersatz 74 88 – Schriftform 74 6 ff., 74 10 ff. – Schriftformverletzung 74 14 f. – selbständige Tätigkeiten 74 33 – Sittenwidrigkeit 74a 42 ff. – Sperrabrede Vor 74 30, 75f 1 ff., s.a. dort – Statuswechsel Vor 74 57 – Tarifverträge 74 5 – tätigkeitsbezogenes ~ 74 27 f. – Tod des Arbeitnehmers/-gebers 75 52 – Transparenzkontrolle Vor 74 41 ff. – Treuepflicht Vor 74 7 – Übergangsgeld Vor 74 71 – überraschende Klauseln Vor 74 44 f. – Übertragung 74 76 – Umgehungsverbot 75d 5 ff. – unselbständige Tätigkeiten 74 33 – Unterlassung 74 83 f. – Unterlassungsklage 74 83 – unternehmensbezogenes ~ 74 27 – Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots 75 1 ff., s.a. dort – Vereinbarungserfordernis Vor 74 6 ff. – Verfallklauseln Vor 74 71 – Vertragsauslegung 74 23 ff. – Vertragsfreiheit Vor 74 10, Vor 74 12 – Vertragsstrafe Vor 74 29, 75c 1 ff., s.a. dort – Verzicht auf Wettbewerbsverbot 75a 1 ff., s.a. dort – Verzichtsvorbehalt 74 63 – Volontär Vor 74 50, 82a 1 ff., – Vorbereitungshandlungen 74 34 – Vorvertrag Vor 74 24, 74 4, 74 72 f. – Wettbewerbsverbot, nichtiges Vor 74 20 f., 74 14, 74a 1 ff., s.a. dort – Wettbewerbsverbot, unverbindliches Vor 74 20, Vor 74 22, 74a 1 ff., s.a. dort – Wettbewerbsverbotsverletzung 74 83 ff. – Widerrufsklauseln Vor 74 71 – Zeitpunkt der Vereinbarung Vor 74 84 ff. – Zustandekommen 74 1 ff. Wettbewerbsverbot, nichtiges Vor 74 20 f., 74 14, 74a 1 ff., 74a 34 ff. – Auszubildende 74a 37 – Ehrenwort 74a 38 f. – Minderbesoldete 74a 34 – Minderjährige 74a 35 ff. – Versprechen Dritter 74a 40 f. – Volontär 74a 37 Wettbewerbsverbot, unverbindliches Vor 74 20, Vor 74 22, 74a 1 ff., 74a 4 ff. – Berufsfreiheit 74a 14 1024
Sachregister
– fehlendes berechtigtes geschäftliches Interesse 74a 4 ff. – Feststellungsklage 74a 31 – Folgen 74a 29 ff. – geltungserhaltende Reduktion 74a 30 – Handelszweig des Arbeitgebers 74a 7 – Karenzentschädigung 74a 32 – Kündigung 74a 23 ff. – unbillige Fortkommenserschwernis 74a 14 ff. – unternehmensbezogenes ~ 74a 8 – Verzicht auf ~ 75a 6 – Wahlrecht 74a 29 – Zwei-Jahres-Grenze 74a 22 ff. Wettbewerbsverbotsverletzung 61 1 ff. – Arbeitsverhältnis 61 3 ff. – Auskunftsanspruch 61 33 ff. – Beweislast 61 15 f. – Eintrittsrecht 61 18 ff., s.a. dort – entgangener Gewinn 61 13 – ersatzfähiger Schaden 61 12 ff. – Ersetzungsbefugnis 61 6 – Feststellungsklage 61 17 – Kündigung 61 45 f. – Lohnanspruch des Arbeitnehmers 61 47 – Schadensersatz 61 9 ff. – Schadensersatz, konkurrierender 61 38 f. – Unterlassung 61 43 f. – Verhältnis zum Geschäftspartner des AN 61 48 f. – Verjährung 61 50 ff. – Verjährungsfrist 61 56 ff., 61 61 – Verjährungsfristberechnung 61 62 – Vertragsstrafe 61 40 ff. – Wahlrecht 61 6 ff. – Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 74 83 ff. Widerruf der Handlungsvollmacht 54 81 f. Widerruf der Prokura 52 4 ff. – Anstellungsverhältnis 52 19 ff. – Erklärungsperson 52 7 ff. – Erlöschen der Vertretungsmacht 52 16 ff. – freie Widerruflichkeit 52 5 f. – Gesamtprokura 52 18 – Niederlassungsprokura 52 17 – Unabdingbarkeit des ~ 52 22 ff. – Vertragsstrafe 52 24 – Widerrufserklärung 52 13 ff. – Wirkungen 52 16 ff. Widerrufsklauseln Vor 74 71 Widerrufsvorbehalt – Firmenfortführung 22 74 – Veräußerung nur der Firma 23 6 1025
Wiederholungsgefahr Anh I 37 40, Anh II 37 55 Willenserklärung – Prokuraerteilung 48 54 ff. – Stellvertretung Vor 48 7 wissenschaftliche Bezeichnungen 18 71 Wohnsitzverlegung 74c 31 ff. Z Zeichenähnlichkeit Anh II 37 29 ff. Zeichnung des Handlungsbevollmächtigten 57 1 ff. – Firma 57 3 – Gesamthandlungsvollmacht 57 5 – Name 57 3 – Offenkundigkeit des Vertreterhandelns 57 9 – Ordnungsvorschriften 57 8 – Rechtsscheinvollmacht 57 10 – schriftliche Erklärungen 57 2 – Unterschrift 57 3 – Vollmachtszusatz 57 4 ff. – Wirksamkeit der Vertretung 57 8 Zeichnung des Prokuristen 51 1 ff. – einseitige Rechtsgeschäfte 51 12 – Einzelprokura 51 3 ff. – Firma 51 3 – Gesamtprokura 51 8 – GmbH & Co. KG 51 6 – Insolvenzverwalter 51 7 – Liquidatoren 51 7 – Niederlassungsprokura 51 9 – Ordnungsvorschrift 51 10 – schriftliche Erklärungen 51 2 – Unterschrift 51 3 – verschiedene Firmen 51 13 – wertpapierrechtliche Erklärungen 51 15 – Wirksamkeit der Vertretung 51 10 ff. – Zusatz 51 4 f. Zentrum 18 89 Zifferkombinationen 18 15 Zuordnungsverwirrung Anh I 37 20 f. Zurückbehaltungsrecht 62 46 f. Zurückweisungsrecht 52 42 Zwangsgeld – Anmeldepflicht 29 9 – Erlöschen der Firma 31 35 Zwangsvollstreckung – Erwerberhaftung 25 100 – Firma 17 68 f. – Karenzentschädigung 74b 38 Klie
Sachregister
Zweigniederlassung – deutsche Zweigniederlassung ausländischer Rechtsträger Vor 17 63 f. – Eintragung Vor 17 66 – Erwerb eines Handelsgeschäfts 22 19 – Erwerberhaftung 25 58 ff. – Firma Vor 17 44 ff. – Firma, eigenständige Vor 17 47 – Firmenfortführung 22 75, 22 102 – Geschäftsbriefe 37a 27 ff.
Klie
– Gleichnamige 30 43 f. – Grundlagengeschäfte 49 19 – Handelsregister 31 2 – Handelsregisteranmeldung 33 55 – juristische Personen 33 55 – Umfang der Handlungsvollmacht 54 39 – Zweigniederlassungszusatz Vor 17 46, Vor 17 48 f. Zweigniederlassungszusatz 50 16 Zwischenverfügung 29 12
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