Handbuch Rhein 3896787721, 9783896787729

Dieses konzeptionell einmalige Werk, das sowohl als Lesebuch als auch als Nachschlagewerk geeignet ist, liefert von der

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German Pages 336 [335] Year 2011

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Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Danksagung
Zur Einführung
1 Der Rhein: Geographie und Biologie
1.1 Der Rhein in der Erdgeschichte
1.2 Rheinlandschaften
1.3 Auen
1.4 Biotopvernetzung
1.5 Wanderfische / Fischpässe
1.6 Gestaltung der besiedelten Uferbereiche
1.7 Gartenschauen am Rhein
1.8 Die Landschaft der Deiche in den Niederlanden
2 Der Rhein: Wirtschaft und Energie
2.1 Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse
2.2 Der Rhein als Transportweg
2.3 Zentralkommission und Schifffahrtsbehörden
2.4 Der Ausbau des Oberrheins
2.5 Trinkwasser
2.6 Kies am Oberrhein
2.7 Fischer und Angler
3 Der Rhein: Hydrologisches
3.1 Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte
3.2 Wasserrahmenrichtlinie
3.3 Das Zusammenspiel von Rheinwasser und Grundwasser am Oberrhein
3.4 Schöpfwerke
3.5 Flusssohle in Bewegung
3.6 Auswirkungen des Klimawandels auf den Rhein
3.7 Zukunft der Altarme
4 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz
4.1 Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern
4.2 Hochwasser und Hochwasserretention
4.3 Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise
4.4 Rückhalteraum Weil – Breisach – „Der 90-Meter-Streifen"
4.5 Küstenschutz an den Rheinmündungen
4.6 Der Weg zur HochWasserstadt
5 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins
Biografische Notizen zu den Autoren
Register
Bildquellenverzeichnis
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Handbuch Rhein
 3896787721, 9783896787729

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Autoren Gerhard Björnsen Rüdiger Homberg Martin Matter Jochen Rahe Horst Schmidt

Jan Smit Martin Stieghorst Urs Weber Günter Wendel Tilo Wiedemann

Herausgeber Jochen Rahe Martin Stieghorst Urs Weber

Handbuch Rhein

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: // dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

© 2011 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Redaktion: Melanie Löw, Saarbrücken Bildredaktion: Günter Wendel Layout, Satz und Prepress: schreiberVIS, Seeheim Einbandabbildung: © picture-alliance – G. Krämer/Helga Lade Einbandgestaltung: Peter Lohse, Heppenheim Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-24179-8

Die Buchhandelsausgabe erscheint beim Primus Verlag. Einbandabbildung: Blick vom Loreley-Felsen, St. Goarshausen (© picture-alliance / Bildagentur Huber); Naturschutzgebiet Taubergießen bei Freiburg (© picture-alliance / HB Verlag); Angler vor der BASF in Ludwigshafen (© picture-alliance / augenklick); Hochwasser am Rhein (© picture-alliance / dpa); Schiff auf dem Rhein-Herne-Kanal (© picture alliance / Arco Images GmbH); Rheinschlucht im Vorderrheintal bei Versam, Graubünden, Schweiz (© picture alliance / Arco Images GmbH) Einbandgestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt a. M. ISBN 978-3-89678-772-9 www.primusverlag.de

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-70171-1 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-71334-9 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-86312-778-7 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-86312-779-4 (Buchhandel)

Inhaltsverzeichnis Editorial

7

Danksagung

9

Zur Einführung

11

1 Der Rhein: Geographie und Biologie

19

1.1 Der Rhein in der Erdgeschichte

20

1.2 Rheinlandschaften

25

1.3 Auen

29

1.4 Biotopvernetzung

33

1.5 Wanderfische / Fischpässe

39

1.6 Gestaltung der besiedelten Uferbereiche

43

1.7 Gartenschauen am Rhein

48

1.8 Die Landschaft der Deiche in den Niederlanden

52

2 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

57

2.1 Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse

58

2.2 Der Rhein als Transportweg

68

2.3 Zentralkommission und Schifffahrtsbehörden

75

2.4 Der Ausbau des Oberrheins

80

2.5 Trinkwasser

92

2.6 Kies am Oberrhein

98

2.7 Fischer und Angler

102

3 Der Rhein: Hydrologisches

111

3.1 Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte

112

3.2 Wasserrahmenrichtlinie

123

3.3 Das Zusammenspiel von Rheinwasser und Grundwasser am Oberrhein

126

3.4 Schöpfwerke

131

3.5 Flusssohle in Bewegung

136

3.6 Auswirkungen des Klimawandels auf den Rhein

146

3.7 Zukunft der Altarme

151

5

4 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

155

4.1 Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern

6 Inhaltsverzeichnis

156

4.2 Hochwasser und Hochwasserretention

167

4.3 Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise

180

4.4 Rückhalteraum Weil – Breisach – „Der 90-Meter-Streifen“

187

4.5 Küstenschutz an den Rheinmündungen

190

4.6 Der Weg zur HochWasserstadt

197

5 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

205

Biografische Notizen zu den Autoren

326

Register

328

Bildquellenverzeichnis

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Editorial

E

ine breite Sammlung des Wissens über den Rhein der Gegenwart zu schaffen – das war die

Idee einiger Autoren am Rande einer Tagung des Rheinkolleg e. V. 2004 in Rotterdam. Der Rhein bildet zusammen mit seinen Nebenflüssen und in der Unterschiedlichkeit seiner Abschnitte eine ästhetisch eindrucksvolle Flussund Stadtlandschaft sowie ein ökologisch reiches Flussregime. Er prägt den europäischen Kontinent nordwestlich der Alpen bis zum Mündungsgebiet an der niederländischen Nordsee in vielerlei miteinander verwobenen Dimensionen – geologisch,

waltung, Wissenschaft und Planung sowie Wirtschaft und Bevölkerung. Neben der Hochwasserproblematik betrifft das Umdenken auch so ökologisch sensible Themen wie Kontrolle und Verbesserung der Wassergüte, Schutz und Ausweitung der Auengebiete, Pflege der Altarme, Beschränkung des Kiesabbaus, Rückverlegung von Deichen, Anlage von Pol-

Besonders in den immer häufigeren Hochwassern zeigt sich augenfällig und leidvoll, dass die Grenzen dieser Beanspruchung und Umge-

dern, Respektierung rheinnaher Gebiete für Naturschutz, besonders auch für Zugvögel, Revitalisierung rheintypischer Flora und Fauna, Öffnung der Barrieren für die Wanderfische usw. Auf den Gebieten des Planens, Bauens und Wirtschaftens geht es besonders um Strukturwandel der Binnenhäfen, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit der Binnenschifffahrt, Belastung des Flusses durch Kraftwerke, Gefährdung des Trinkwassers aus Uferfiltrat, Lärm durch flussbegleitende Straßen und Schienentrassen, ästhetische Banalisierung der Flusslandschaft, Trennung der Städte von ihren Ufern, Vorsorge und Risikominderung in den hochwassergefährdeten Gebieten usw. Aus der Vielfalt und Komplexität der Probleme und fortschrittlicher Maßnahmen für deren Lösung ergab sich die Idee für dieses „Handbuch Rhein“ – eine möglichst umfassende, breit ge-

staltung überschritten sind. Es wächst das Bewusstsein, dass ein Gleichgewicht zwischen den natürlichen Gegebenheiten und zivilisatorisch-

fächerte, fachlich fundierte und allgemein verständliche Sammlung des gegenwärtigen Wissens über den modernen Rhein zu schaffen. Ein An-

technischen Überformungen am Rhein wieder neu herzustellen ist. Um dies tatsächlich auch

spruch auf Vollständigkeit wäre vermessen, aber die bedenklichsten Tatbestände und Entwick-

zu erreichen, bedarf es künftig verstärkter und andauernder Bemühungen von Politik und Ver-

lungen der Vergangenheit sowie Perspektiven der Verbesserung sind hier dargestellt – von der

naturräumlich, geographisch, historisch, politisch, wirtschaftlich, ökologisch, sozial und kulturell. Der Mensch hat den Rhein und sein Umfeld schon im Mittelalter und immer intensiver seit der Neuzeit – vor allem seit Beginn der Industrialisierung – für viele Ansprüche, besonders für Besiedlung und Verstädterung, für Transportwege und als Wirtschaftsstandort, aber auch als Attraktion für den Massentourismus in seine Dienste genommen, was in der Folge zu einer grundlegenden Umgestaltung der ursprünglichen Landschaft führte.

7

Quelle bis zur Mündung, mit dem internationalen Hintergrund der sieben Rheinanliegerstaaten.

Das „Handbuch Rhein“ besteht aus zwei Teilen. Ausführliche Texte zu komplexen Themen, deren

Eine breite, sachlich informierte Öffentlichkeit und auch eine damit verbundene kritische Wert-

jeweilige Problematik und denkbare Lösungsansätze bilden zusammen mit einer ausführlichen

schätzung des heutigen Rheins ist letztlich eine der Voraussetzungen für die Sanierung und Kultivierung dieser weltberühmten Landschaft. Im

Bebilderung den ersten Teil, für den einige fachkundige Experten als Autoren gewonnen werden konnten. Der zweite Teil mit dem Titel „Eine

Vergleich zu den 1960er- und 1970er-Jahren ist in den vergangenen Jahrzehnten einiges gesche-

kleine Enzyklopädie des Rheins“ enthält eine Fülle von Stichworten, zu denen kürzere Texte

hen und so sind spürbare Entlastung und Verbesserung zu verzeichnen wie z. B. die bessere Wassergüte durch entscheidende Verminderung der

über die jeweiligen Fakten und Zusammenhänge informieren. Dazu gehören auch manche Stichworte, die dem Leser nicht ohne Weiteres ver-

Schadstoffe in fast allen Rheinabschnitten, die allmähliche Wiederkehr der Wanderfische und der Ausbau eines Systems von Poldern und miteinander vernetzten Biotopen. Auch hiermit beschäftigt sich das vorliegende Werk.

traut sein dürften. Insofern lädt das Handbuch auch zum anregenden Blättern und Stöbern ein, unterstützt durch ein ausführliches Register und Literaturhinweise.

8 Editorial

Danksagung

D

ieses Handbuch über die Fluss- und Siedlungslandschaft des Rheins wäre ohne Hilfe

nologiezentum Wasser in Karlsruhe hat uns in Trinkwasserfragen die Augen geöffnet. Über den

und Mitwirkung zahlreicher Fachleute nicht zustande gekommen.

Fischbestand haben uns Goetz Kuhn, Vorsitzender der Berufsfischervereinigung am Rhein, der

Anne Schulte-Wülwer-Leidig, Biologin im Sekretariat der Internationalen Kommission für den Schutz des Rheins in Koblenz, hat uns zahlreiche Hinweise gegeben. Von Prof. em. Hans Helmut Bernhart und Klaus König erhielten wir zum Entwurf des Manuskriptes fachübergreifende Anregungen. Wichtige Hinweise verdanken wir Harald Irmer, dem langjährigen Präsidenten des Umwelt-

Straßburger Naturfreund, Angler und Umweltexperte Jean Wencker sowie der Zürcher Rheinfischer Walter Nägeli, Ellikon, aufgeklärt. Beim Integrierten Rheinprogramm hat uns Othmar Huppmann, Leiter dieses Projekts beim Regierungspräsidium Freiburg, an seinem reichen Erfahrungsschatz teilhaben lassen. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des

amtes Nordrhein-Westfalen. Robert Kolf brachte seine Kenntnisse über den Niederrhein ein. Frank Hartmann vom Regierungspräsidium Karlsruhe erschloss uns sein Spezialwissen zum Thema Wanderfische, Andrea Wahrheit-Lensing von

Bundes stellte eine große Zahl von Abbildungen zur Verfügung: Bernd Rossbach und Heinrich Armbruster von der Bundesanstalt für Wasserbau öffneten nicht nur das Historische Bildarchiv und andere Quellen des Hauses, sondern

der Bundesanstalt für Wasserbau zur Rheinschifffahrt, Thomas Gudera von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz BadenWürttemberg zum Grundwasserregime, Manfred Bremiker, ebenfalls von dort, und Peter Homagk zur Hochwasserretention, Barbara Miess zu Neophyten. Hartmut Vobis fertigte Textbausteine zur Wasserqualität an wie auch Peter Diehl von der Landesanstalt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz, die darüber

halfen auch mit großem Engagement bei der Klärung von Einzelfragen und ebneten den Kontakt zu anderen Dienststellen des Bundes wie der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest, Petra Mang und Jens Stenglein; Martin Mauermann vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen und Kai Kempmann vom Wasser- und Schifffahrtsamt Freiburg öffneten bereitwillig ihren jeweiligen Bilderfundus. Gleiches gilt für das Wasser- und Schifffahrtsamt Duisburg-Rhein, Sebastian Mes-

hinaus Grafiken zum Thema beisteuerte. Zum Thema des Rheins in der Erdgeschichte verdanken wir Daniel Bernoulli, Professor em. der Geologie an der ETH Zürich, und Andreas Wetzel,

sing und Bernd Bours, die zudem als Kenner des Niederrheins wichtige Informanten darstellten. Das Regierungspräsidium Karlsruhe, Elke Rosport, und das Regierungspräsidium Freiburg,

Professor der Geologie an der Uni Basel, wertvol-

Ulrike Pfarr, statteten uns mit Abbildungen zur

le Hinweise. Prof. Hans-Jürgen Brauch vom Tech-

Wasserwirtschaft, insbesondere zum Hochwasser-

9

schutz, aus. Henk Nijland und Ute Menke vom Rijkswaterstaat in Arnhem gaben wertvolle Hin-

Württemberg AG, die Électricité de France und die BASF SE.

weise zum Rhein in den Niederlanden und stellten bestens geeignetes Abbildungsmaterial be-

Die Rheinhäfen Karlsruhe finanzierten einen Textbeitrag.

reit. Überraschende Hinweise und Abbildungen aus den Niederlanden sowie notwendige sachliche und sprachliche Korrekturen kamen von Jan

Eine große Zahl von Mitgliedern des Rheinkollegs e.V. (Y Kap. 5) hat wesentlich zur Qualität des Buches beigetragen, indem sie das Manuskript in

Smit, em. Professor der Geographie. Viele Fachleute, Fotografen und Grafiker, so

einem fortgeschrittenen Zwischenstadium gelesen, mit Kritik und Anregungen und in intensi-

Markus Düdder, Tilch Hagemann, Peter Heiniger und Martin Keller, beide von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz, Bernd Issel-

ven Gesprächen Präzision und Aktualität verbessert hat, ohne hier namentlich erwähnt zu sein. Der Vorstand des Rheinkollegs unter dem Vorsitz

horst von der Bezirksregierung Düsseldorf, Peter Kesselring, Wolfgang Koch von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Rheinland-Pfalz, Ernst Küstner vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau-

von Prof. Monika Daldrop hat die Mittel für die Kopien der Entwurfsfassung bereitgestellt, der Geschäftsführer Martin Baumgärtner hat diese Aktion mit Hilfe der Verwaltung der Stadt Speyer umsichtig organisiert.

cherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Ulrich Mahler, Heike Robakowski von der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg, Volker Späth samt Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz Bühl, Reiner Steinmetz, Hans Jörg Vieser, Reinhart Vogt von den Stadtentwässerungsbetrieben Köln und Peter Zimmermann vom Regierungspräsidium Karlsruhe stellten Material zur Verfügung, mit dem Lücken im entstehenden Abbildungskonzept gezielt geschlossen werden konnten. Das gilt auch für das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz, das Hessische Bereitschaftspolizeipräsidium, die Energie Baden-

Zusammen mit seinen beiden computerkundigen Söhnen Philipp und Steffen Beck übernahm Günter Wendel die mühevolle Arbeit der Sammlung, Ordnung, Digitalisierung und Optimierung des Bildmaterials. Mit fachlichem, oft kritischem Rat begleitete Martin Baumgärtner, Journalist mit dem Schwerpunkt Rhein, die Entstehung mancher Texte. Bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, insbesondere dem Lektor Jens Seeling und der umsichtig aufmerksamen Redakteurin der heterogenen Textfülle, Melanie Löw, fühlten wir uns gut aufgehoben und betreut. Ihnen allen sagen wir, die Herausgeber und Autoren, herzlichen Dank.

10 Danksagung

Zur Einführung Urs Weber

D

er Rhein ist der mächtigste Fluss im westli-

chen Europa und der mächtigste Zufluss zur Nordsee. Seine Quellen liegen in den Alpen, von wo er in nordwestlichem Lauf seine Mündungen erreicht. Sein alpines Einzugsgebiet liegt an der europäischen Hauptwasserscheide zwischen Atlantik, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Dort, wo er das Alpensystem verlässt, erreicht er den tektonischen Graben, der Oberrheingraben heißt. Als mächtiger Fluss war der Rhein schon da, als sich das Rheinische Schiefergebirge aus der Ebene hob. Zusammen mit der Seine, der Somme, der Schelde, der Maas, der Weser und der Elbe gibt der Rhein der nordwestlichen Küste des Kontinents das Gepräge. An Länge und Wasserführung wird der Rhein auf dem europäischen Kontinent von der mitteleuropäischen Donau und von mehreren osteuropäischen Flüssen übertroffen, die ins Schwarze Meer münden, sowie von der Wolga, die zum Kaspischen Meer fließt, und von mehreren Flüssen, die ins Weiße Meer oder zur Barentssee streben. Auf dem westlichen Teil des Kontinents ist der Rhein eine der geographischen Magistralen. Aus Kartenangaben erstmals eine Flusslänge errechnet hat man am Rhein erst 1816. Die Messungen, auf denen die heutigen Rheinkilometer beruhen, fanden 1831 bis 1839 statt. Das Ergeb-

1 ó Abschnitte des Rheins.

11

nis ist falsch, wie man heute weiß, aber das hindert die Rheinschifffahrt nicht am praktikablen Umgang mit der Rheinkilometrierung, die – seit 1939 – in Konstanz bei null beginnt und in der Nordsee bei 1034,5 km endet. Unter den größten Flüssen der Welt, nach ihrer Länge gemessen, ist der Rhein mit seinen 1235 km die Nummer 181 – nach gegenwärtiger Kenntnis, muss man anfügen. Denn die Messung von Flusslängen ist ein schwieriges Geschäft, auch wenn die Beobachtung der Erde mittels Satelliten große Fortschritte gemacht hat. Auf Nummer 181 unter den Flüssen der Welt kommt man für den Rhein, weil bei manchen anderen ein Nebenfluss eingerechnet wird (wie z. B. bei der Elbe, die mit der Moldau zusammengerechnet in der weltweiten Liste Nummer 176 einnimmt). Wollte man darauf abstellen, auf wie vielen Kilometern ein Fluss denselben Namen trägt, würde der Rhein unter allen Flüssen der Welt wohl etwa zu Nummer 75. Denn beim Rhein tragen die Quellen, die am weitesten von den Mündungen entfernt sind, ebenfalls den Namen Rhein, der Medelser Rhein und der Vorderrhein.

4 ó Durch den Canyon der Rheinschlucht fließt der Vorderrhein, kurz bevor er sich mit dem Hinterrhein zum Alpenrhein vereinigt.

NN + 500 m

NN + 0 m

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400 Oberrrhein

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Koblenz

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Ba se l 12 Zur Einführung

100 Hochrhein

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RheinSeitenKanal

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0,5 %

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NN + 100 m

Alpenrhein

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Rheinfall 0,8 %

NN + 200 m

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NN + 300 m

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NN + 400 m

600 Mittel-

NORDSEE

Niederlande Lelystad

Ijssel

Amsterdam

Rotterdam

Lek

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Lippe Essen

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Österreich

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700 rhein

800 Niederrhein

Rotterdam

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3 ó Einzugsgebiet des Rheins.

900 1000 km Mündungsdelta 2 ó Längenprofil des Rheins.

Zur Einführung 13

n

5 ó Hochrhein bei Waldshut-Tiengen.

6 ó Oberrheinlandschaft südlich von Karlsruhe.

14 Zur Einführung

Der Name Rhein ist erstaunlich spät in der dokumentierten Geschichte aufgetaucht. Julius Cäsar, römischer Feldherr und Autor, hat, was die Völker Galliens „rhen“ nannten, als Erster mit der lateinischen Vokabel „Rhenus“ bezeichnet. Das Wort ist nicht gallisch, es stammt aus einer fernen indogermanischen Ursprache und bezeichnet laufendes Wasser, das Rinnende. Cäsars „Rhenus fluvius“ war die Grenze zu Germanien, und Grenzfluss ist der Rhein jahrhundertelang geblieben, auch wenn an die Stelle des römischen Imperiums und der Teutonenstämme eine Vielzahl von Ländern, geistlichen und weltlichen Anspruchs, ritterlicher und bürgerlicher Art getreten ist. An Kriegen und Schlachten war zwischen den Staaten am Rhein nie Mangel – im politisch vereinigten Europa, endlich, ist Krieg am Rhein undenkbar geworden. Dank der politischen Ruhe kann man sich in den neun Staaten, die am Rhein Anteil haben, endlich dem zuwenden, was der Rhein seit jeher in erster Linie ist, ein gemeinsames Gewässer. Erst als der nationalsozialistische deutsche Staat abgetreten war, konnte die „Internationale Kommission zum Schutz des Rheins“ ins Leben gerufen werden. Waren das 19. und das 20. Jahrhundert ein Zeitalter der Verschmutzung, der nationalen Kanalisierung, der Übernutzung aller Gewässer, so ist das 21. Jahrhundert das Zeitalter ihrer europäischen Sanierung: Pünktlich auf den 1. Januar 2001 hat die Europäische Union ihr Rahmengesetz in Kraft gesetzt, das die Fließgewässer systematisch sanieren will. Und zwar stellt sich die große Aufgabe nicht nach Staats-

7 ó Blick von Burg Pfalzgrafenstein bei Kaub am Mittelrhein.

fraglos zur Verfügung, unter anderem dank der stetig präziser werdenden chemischen Analytik. Lange hielt man dafür, vor den Interessen der Schifffahrt habe die Umwelt zurückzustehen. Aber heute zeigt sich, dass die Schifffahrt ihre Belastung des Wasserkörpers Rhein höchst wirk-

gebieten, sondern nach den Einzugsgebieten der Flüsse. Auf dem Weg der gemeinsamen Vernunft, den die Rheinanlieger seit 1945 nach und nach ein-

sam zu reduzieren weiß. Der Rhein ist freilich nicht nur ein Wasserkörper, er ist auch ein biologisches Kontinuum. Auch daran haben sich das 19. und das 20. Jahrhun-

geschlagen haben, wurde für die Qualität des Wassers bereits viel erreicht. Wenn sich neue Fra-

dert schwer vergangen, und die Reparaturen werden viel Zeit und Aufwand in Anspruch nehmen.

gen stellen, steht das nötige Fachwissen heute

Aber auch da besteht Hoffnung auf die gemein-

Zur Einführung 15

8 ó Ob Freiraum oder Siedlungsfläche: Am Niederrhein werden die rheinnahen Bereiche intensiv genutzt.

9 ó Abzweigung der „Gelderse IJssel“ (rechts) vom Nederrijn und Baustelle der Nebenrinne Hondsbroeksche Pleij.

16 Zur Einführung

10 ó Mündung des Nieuwe Waterweg in die Nordsee.

same europäische Vernunft, die den Rhein als Lebensraum ernst nimmt. Ungelöst sind hingehen viele Fragen um das Hochwasser. Die Erfahrungswerte von Jahrzehnten erweisen sich als nicht verlässlich, die Hochwasser-Ereignisse werden häufiger. Die Kunst des Wasserbaus hat ihre Rezepte auch am Rhein in Frage gestellt, und der Weisheit letzter Schluss

ist noch nicht gefunden – auch die Veränderungen des Klimas wollen in Rechnung gestellt sein. Aber auch in diesem Bereich gilt, was bei der Wasserqualität hilfreich war: Von den Mündungen bis hinauf zu den Quellen bildet der Rhein eine Schicksalsgemeinschaft, die nach gemeinsamer Vernunft verlangt.

Weitere Informationen: – Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR) (Hrsg.): Der Rhein unter der Einwirkung des Menschen – Ausbau, Schifffahrt, Wasserwirtschaft. Bericht Nr. I–11 der KHR. Lelystad 1993. – Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest (Hrsg.): Kompendium. Organisatorische und technische Daten; Binnenschifffahrt, Aufgaben, Wasserstraßen. Mainz 2007. – Febvre, L.: Der Rhein und seine Geschichte. Frankfurt / New York 1995. – Tümmers, H. J.: Der Rhein. Ein Europäischer Fluss und seine Geschichte. München 1994. – Wielenga, F. u. Taute, I. (Hrsg.): Länderbericht Niederlande. Geschichte – Wirtschaft – Gesellschaft. Bonn 2004. – Ven, G. P. van de (Hrsg.): Leefbaar laagland, geschiedenis van de waterbeheersing en landaanwinning in Nederland. Utrecht 2003. (Auch in englischer Sprache: Man-made lowlands, history of water management and land reclamation in the Netherlands.) – Bosch, A. u. Ham, J. van der (Hrsg.) Twee eeuwen Rijkswaterstaat 1798 – 1998. Zaltbommel 1998.

Zur Einführung 17

18 UK

1 Der Rhein: Geographie und Biologie

U1 19

1.1

Der Rhein in der Erdgeschichte Urs Weber

Urs Weber

D

er Rhein fließt von den Alpen zur Nordsee, als Alpenrhein, Bodensee, Hochrhein, Ober-

22 Millionen Jahren zurück und aus dem nördlichen vor etwa 15 Millionen Jahren.

rhein, Mittelrhein, Niederrhein, Rijn, Lek, Waal und Ijssel. Aber die heute zusammenhängenden

In dem vom Meer befreiten Gebiet bildete sich ein System von Flüssen. Einer dieser Flüsse –

Abschnitte des Stroms haben keineswegs alle denselben Ursprung. Die Geschichte beginnt in dem Graben, den wir den oberrheinischen nennen. Der Graben zwischen Basel und Mainz ist nicht ein vom Fluss erodiertes Tal, sondern ein Einbruch zwischen sich hebenden, flankierenden Gebirgen. Dabei war nie ein tiefer Graben vorhanden, da

man kann ihn als Ur-Rhein bezeichnen – floss gegen Ende des Miozäns, also vor rund zehn Millionen Jahren, im Oberrheingraben nordwärts. Beim Kaiserstuhl nahm dieser Ur-Rhein seinen Anfang, und im Graben fließend erreichte er Worms, wandte sich dann aber nordwestwärts und floss – teilweise in Höhlen – durch Rheinhessen nach Bingen. Dieser Ur-Rhein führ-

das langsam einsinkende Gebiet stets mit Ablagerungen aufgefüllt wurde, auch wenn die zum Graben hin scharf begrenzten und steil aufsteigenden Flanken einen solchen Eindruck vermitteln. Die Grabenfüllung ist heute bis zu gut

te deutlich weniger Wasser als der heutige Oberrhein. Ab Bingen ging es in Mäandern durch eine Ebene, unter der sich das Rheinische Schiefergebirge verbarg. In dieser Ebene traf der Rhein auf die ebenfalls mäandrierende Mosel und wur-

3000 m mächtig. Der Oberrheingraben begann vor etwa 45 Millionen Jahren einzusinken. Damals entwickelten sich mehr oder minder zusammenhängende Seen und Senken, in die Flüsse von den sich hebenden Flanken hinein entwässerten. Entsprechend der klimatischen Bedingungen bildeten sich Süßwasserseen bei feuchtem Klima oder Salzseen zu trockenen Zeiten. Während des trockenen Klimas wurden die Kalisalze bei Mülhausen (Elsass)

de damit etwas wasserreicher. Den europäischen Kontinent durchzieht von Sardinien bis zur Nordsee ein ganzes System von Gräben. Dazu gehört nebst dem Oberrheingraben auch ein Graben im Niederrheinischen Becken, im Gebiet des heutigen Niederrheins und der Niederlande. Dieser nördlichere Graben füllte sich mit Flussablagerungen auf, also auch mit dem Geschiebe des Rheins, der Maas, des Mains etc. Hinzu kam pflanzliches Material in großen

und Buggingen (Baden) abgelagert. Ob während der Salzabscheidung eine Verbindung zum Meer vorhanden war oder nicht, wird heute noch diskutiert. Nachgewiesen ist eine Verbindung zum

Torfmooren, die sich in dem absinkenden Becken vor 18 bis 8 Millionen Jahren bildeten und die heute als Braunkohle im Raum Köln-Aachen vorhanden sind. Zugleich schob sich die Küste nord-

Meer ab 34 Millionen Jahren. Aus dem südlichen

wärts vor. Der Oberrheingraben sank weiter ein,

Oberrheingraben zog sich das Meer vor etwa

und vor 8,5 bis 5 Millionen Jahren nahm der bis-

20 Der Rhein: Geographie und Biologie

Vor ca. 5 Millionen Jahren Beginn Pliozän Neckar

heutige Lage von Bodensee und Genfer See

11 ó Erst seit einer halben Million Jahren gibt es den von den Alpen zur Nordsee fließenden Rhein. Die kontinentale Wasserscheide hat sich mehrfach verschoben.

Urrhein

Donau

her rheinhessische nördliche Oberrhein etwa seinen heutigen Lauf ein. Das heißt, nun wurde

Doubs

Urdonau

Alpenrhein

ren, vermochte der tiefer einsinkende südliche Oberrheingraben auch die Aare anzulocken. Die Aare hatte da freilich bereits eine lange Vorge-

Vor ca. 2 Millionen Jahren Ende Pliozän

schichte. Sie hat ihren Ursprung in den Alpen, und sie entwässert einen großen Teil des Rau-

Neckar

Urrhein

Donau

Doubs Aare Alpenrhein Rhône

Vor ca. 1,5 Millionen Jahren Beginn Pleistozän Neckar

Rhein

Doubs

auch der Main zu seinem Nebenfluss. Sehr viel später, vor rund 1,5 Millionen Jah-

Donau

Aare

Alpenrhein Rhône

mes zwischen den Alpen und dem heutigen Jura. Den tief eingeschnittenen Hochrhein gab es nicht, ebenso wenig wie den Bodensee oder den Genfer See, und die Aare floss den Jurafuß entlang nordostwärts. Auch der Oberlauf der Rhone fand noch keinen Weg quer durch den Jura, das heißt, Aare und Alpen-Rhone bildeten einen einzigen Fluss, der zum Ostabhang des Schwarzwalds floss – dessen Aufstieg mit dem Absinken des Oberrheingrabens einherging. Bei Geisingen erreichte diese Rhone-Aare die Donau, zweifellos als einer ihrer mächtigsten Zuflüsse. Im mittleren Pliozän, also vor rund vier Millionen Jahren, fand die Aare einen Durchbruch durch den Jura – etwa da, wo sie heute in den Hochrhein mündet. Das heißt, die Aare verließ das Donau-System und floss westwärts zum Südende des Oberrheingrabens. In Basel bog sie aber zunächst nicht in diesen Graben ein, sondern strömte weiterhin westwärts und erreichte den Doubs, also das Saône-Becken, das zum Mittelmeer entwässert. Erst das weitere Einsinken des Grabens bis zum Kaiserstuhl und darüber hinaus wandelte die Aare, die inzwischen den Zufluss Rhone verloren hat-

Vor ca. 500 000 Jahren Mitte Pleistozän Neckar

te, zum Rheinzufluss um. Rhein

Donau

Doubs

Noch etwas später, vor vielleicht 800 000 Jahren, begann das entstehende Bodenseebecken weitere Flüsse der Aare zuzuführen, vor allem

Aare Alpenrhein Rhône

Der Rhein in der Erdgeschichte 21

12 ó Die Isteiner Schwelle hinderte den Aarerhein daran, den Oberrheingraben zu erreichen; stattdessen floss er zum Doubs und via Saône und Rhone ins Mittelmeer.

den Alpenrhein. Die Vorgeschichte des Alpenrheins ist etwas einfacher, er floss zur Donau. Die Quellflüsse und die hochalpinen Nebenflüsse des Vorder- und des Hinterrheins hatten sich wohl schon seit dem Pliozän, also seit 2,5 oder mehr Millionen Jahren, zum Alpenrhein vereinigt. Es gibt unterschiedliche Ansichten über den Lauf dieses Alpenrheins. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass er ab Sargans – wie noch heute – nordwärts bis Bregenz floss. Da wandte er sich nordwestwärts und bog nach kurzer Strecke wieder nordwärts. Über das heutige Tal der Schussen (Ravensburg) und den Federsee (bei

dieses Becken wurde der Alpenrhein westwärts abgeleitet. Das Becken entstand nicht nur durch Eintiefung, sondern auch durch erhöhte Randzonen aus Moränenschutt. Dazu gehört der den See heute südlich begleitende Seerücken. Dieser Rücken leitete auch die am Säntis entstehende Thur westwärts ab, die ehedem ebenfalls hinüber zur schwäbischen Alb und zur Donau geflossen war. Ähnliches gilt auf der Nordseite des Bodensees für die Argen, die schon kurz nach ihrem Allgäuer Quellgebiet durch das eingetiefte Seebecken west- und südwestwärts abgelenkt wird;

Biberach / Riss) erreichte er bei Ehingen die Donau. In den Mindel-, Riss- und Würm-Eiszeiten,

ehedem floss sie nordwärts und erreichte über Ochsenhausen in weitem nordöstlichem Bogen die Donau. Nur wenig östlich der Argenquelle

vor einer Million bis vor etwa 12 000 Jahren, entstanden durch die Eismassen der Gletscher die

entspringt auch die Iller; sie ist ein Donauzufluss geblieben.

Alpenrandseen. Der Alpenrhein-Gletscher tiefte in Etappen das Bodenseebecken ein, und durch

Mit der Ableitung des Alpenrheins hat der Rhein seine heutige Gestalt gefunden. Er nagt

22 Der Rhein: Geographie und Biologie

13 ó Mit dem fast 20 m hohen Rheinfall stürzt der Fluss in sein ehemaliges Bett, das er in einem früheren Erdzeitalter ausgewaschen hat.

aber weiterhin am Einzugsgebiet der Donau. Das gilt besonders deutlich für die Wutach, den 86 km langen Nebenfluss des Hochrheins. Sie entspringt im Hochschwarzwald (Baden-Württemberg) am 1448 m hohen Seebuck als Seebach und fließt zunächst ostwärts, unter anderem durch den Feldsee und den Titisee. Bei Blumberg biegt die Wutach als Wutachknie scharf nach Südwesten ab, verläuft mit starkem Gefälle in einer langen Schlucht und erreicht bei Waldshut-Tiengen

Hochrhein beziehungsweise den Bodensee fließen werden – so wie es anderseits denkbar ist, dass der Alpenrhein bei Sargans eines Tages den Weg zum Walensee, zum Zürichsee und zum Unterlauf der Aare findet, was seinen Lauf verkürzen würde. Auch wenn der Rhein seit der Ableitung des Alpenrheins, sozusagen aus heutiger Sicht, vollständig war, standen ihm einige dramatische Veränderungen immer noch bevor. Dazu gehört

den Hochrhein. Das heißt, der Rheinzufluss hat kraft seines größeren Gefälles durch rückwärtige Erosion die ehemalige Feldberg-Donau angezapft und umgeleitet.

der Aufstieg des Rheinischen Schiefergebirges. Er setzte vor rund 800 000 Jahren ein, und er ist noch nicht zu Ende. Im selben Tempo, in dem sich die Ebene zum Gebirge hob, schnitten sich

In geologischen Zeiträumen denkend kann man annehmen, dass westlich des Bodensees die

sowohl der Rhein als auch die Lahn und die Mosel ein, wobei sie die in der Ebene ausgebildeten

Aitrach und östlich des Bodensees die Iller, die heute beide zur Donau fließen, dereinst in den

Mäander „als Erbe“ beibehielten. Den Mäandern verdankt man die Sonnenhänge der Winzer, das

Der Rhein in der Erdgeschichte 23

14 ó Seine Mäander bildete der Rhein in der Ebene aus. Als die Ebene zum Rheinischen Schiefergebirge aufstieg, grub sich der Fluss ein und behielt die Mäander bei.

Echo der Loreley und die Vielzahl der Burgen am romantischen Rhein. Das Rheinische Schiefergebirge, vom Hunsrück und der Eifel im Westen bis zum Rothaargebirge im Osten, ist zwar als Gebirge relativ jung. Aber sein Material hat eine lange, komplexe Vorgeschichte. So wird das Alter der Steinkohle, die das Ruhrgebiet auszeichnet, auf 300 Millionen Jahre geschätzt. Eine weitere dramatische Veränderung hat

päische Küste an der Nordsee muss während der Eiszeiten über die Doggerbank verlaufen sein, verband also England mit Dänemark, und der Rhein floss vom heutigen Mündungsgebiet zur weiter nördlich gelegenen Nordsee. Vor dem ansteigenden Meeresspiegel zog sich die Küste zurück. Der linke Rheinzufluss aus England wurde vom Rhein abgeschnitten und mündet als Themse in die heutige Nordsee.

sich um die Rheinmündung abgespielt. Die euro-

Weitere Informationen: – Villinger, E.: Zur Paläographie von Alpenrhein und oberer Donau, Z. dt. geol. Ges. 154 / 2 – 3, Stuttgart, Dezember 2003, E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung, Stuttgart. – Probst, E.: Der Ur-Rhein, Rheinhessen vor zehn Millionen Jahren, Grin Verlag, März 2009.

24 Der Rhein: Geographie und Biologie

Rheinlandschaften 1.2 Urs Weber

A

uf einem großen Teil seines Laufs wird der Rhein von Ebenen begleitet, die meist vom

Rhein selbst aufgeschüttet worden sind. Das gilt für den Alpenrhein im St. Galler bzw. Vorarlberger Rheintal, es gilt auf kurzen Abschnitten des Hochrheins, und erst recht gilt es für die 300 km lange Tiefebene des Oberrheins bis zu den Inseln im Rheingau. Hingegen gibt es von der Nahemündung in Bingen bis zum Drachenfels bei Bonn kaum alluviale Ebenen, denn hier kerbt sich der Fluss in das nach ihm benannte Schiefergebirge ein. Aber danach durchfließt er erneut weites Flachland, erst die Rheinische Bucht, nördlich der Mündungen von Erft und Ruhr das Rheinische Tiefland. Anders als am Alpen- oder Oberrhein sind im Rheinischen Tiefland und in den Niederlanden keine begrenzenden Gebirge mehr sichtbar, und der Fluss teilt

sich mit der Maas (die bis 1904 ein Nebenfluss des Rheins war), mit der Schelde und der Ijssel den weiten Raum und das gemeinsame „Delta“. Schwemmebenen in Flussnähe lassen einen bestimmten Landschaftstypus entstehen, Flussauen mit ihren Auenwäldern, Stillwässern, Altarmen, Flussschlingen, Kies- und Sandbänken, außerdem Wiesen, auf denen – von der Überflutungsaue über die Niedere und Hohe Hartholzaue – Weiden, Erlen, Ulmen, Eschen, Eichen einzeln oder in Gruppen gedeihen. Dieses Muster kann überall dort als typische Rheinlandschaft gelten, wo der Fluss in alluvialen Ebenen

15 ó Mündung der Sauer in den Oberrhein – nur wenige Flussmündungen sind in diesem naturnahen Zustand erhalten geblieben.

25

verläuft; das ist für drei Viertel seines Laufs der Fall. Nur wo der Fluss durch Gebirge fließt, an seinen Bündner Quellflüssen, am Rheinfall, in der Klamm von Laufenburg, vor allem am Mittelrhein, ist nicht der alluviale Charakter rheintypisch, sondern eine dramatischere Orografie. Aber was heißt Landschaft? Der Urochse und das Mammut hatten einen sicheren Sinn für Essbares, für Wildwechsel oder deren Hindernisse, für Weideland, für offenes Land oder Geländekammern etc. Aber Interesse an der ästhetischen Dimension der Landschaft hatte der voreiszeitliche Säbelzahntiger ebenso wenig, wie heutige Rehe, Adler oder Rohrdommeln die optische Harmonie ihres Lebensraums erleben. Landschaft im ökologischen Sinn existiert unabhängig von menschlicher Wahrnehmung. Hingegen ist es

das städtereiche Hügelland der Toskana mit ihrer je besonderen topographischen Situation. Der Raum wird individuell beschrieben, er wird aber zugleich als Ganzes ästhetisch erlebt. Der Landschaft begrifflich beizukommen, ist nicht einfach. Einem wissenschaftlichen Lehrbuch der Landschaftsökologie ist zu entnehmen, Landschaft sei „das konkret, das heißt real, vorhandene landschaftliche Ökosystem eines beliebig ausgedehnten räumlichen Ausschnittes aus der Geosphäre. Je nach Anzahl der sie aufbauenden, ursächlich miteinander verknüpften Sphären kann das landschaftliche Ökosystem in verschiedenen Integrationsstufen auftreten; im einfachsten Fall - zum Beispiel als Physiosystem ‚Extremwüste‘ – umfasst es Lithosphäre, Hydro-

Aber auch das gibt es nicht seit jeher, sondern es ist ein kulturelles, in historischer Zeit herangewachsenes und differenziertes Phänomen. Homer beschrieb nie Landschaft an sich. Römische Fresken bilden zwar ansatzweise Landschaft ab, aber diese sind noch ebenso typisiert wie auf persischen Miniaturen. Die Standorte keltischer Siedlungen wurden mit kosmischen Visuren festgelegt, und mittelalterliche Festungs- und Städtebauer suchten die wehrtechnischen Vorteile der Lage. Ob sie alle auch die Schönheit der Lage sahen, ist hingegen ungewiss. Plinius der Jüngere, immerhin, hat bereits Landschaftliches beschrieben. Die Wende kommt im 14. Jahrhundert, und sie wird von Bergwanderern ausgelöst. Petrarca

sphäre, Atmosphäre; dort können biotische Komponenten in geographisch relevanter Größenordnung fehlen. In den meisten Bereichen der Erdoberfläche ist es jedoch höher integriert zu einer mit Lebewesen erfüllten Ökosphäre, in der das Leben in artspezifischer Weise auf seine Umwelt eingestellt ist und mit ihr zusammen selbstregulierende Wirkungsgefüge bildet, die wegen des komplexen Charakters als ‚landschaftliche Ökosysteme‘ bezeichnet werden. Landschaft ist insofern stets ein offenes stoffliches und / oder energetisches System, das sich in einem dynamischen Gleichgewicht befindet und eine gewisse Amplitude aufweist. In das System kann der Mensch gestaltend oder auch zerstörend eingreifen. Das landschaftliche Ökosystem befindet sich in einem permanenten Wandel, der ursächlich naturgesetzlich abläuft, aber auch anthropogen

hat 1336 den Mont Ventoux wegen dessen besonderer Aussicht bestiegen. Die Sienesen seines Zeitalters haben einzelne Landschaften und

geregelt werden kann. Sukzessionen bzw. Entwicklungsstadien der landschaftlichen Ökosysteme sind die objektiv-reale Manifestierung dieses

Städtebilder detailliert porträtiert. Was sich auf Lorenzettis Wandbildern im Rathaus von Siena

Wandels im Raum. Infolge der Strukturierung der einzelnen Sphären und der damit zusammenhän-

(1338 – 1340) findet, ist nicht unberührter Naturraum, sondern es ist Kulturlandschaft, es ist

genden Unterschiedlichkeit der landschaftlichen Ökosysteme treten in der Landschaft sowohl phy-

menschlicher Wahrnehmung vorbehalten, Landschaft als ästhetischen Raum zu verstehen.

26 Der Rhein: Geographie und Biologie

siognomische als auch funktionale Verbreitungsmuster auf, die wichtig für die Eingliederung in

ren, so wie der nördliche mehr hügelige Teil von unendlichen kleinen Bächen durchschnitten ist,

die naturräumlichen Ordnungsstufen und damit die nur sekundär bedeutende Abgrenzung sind.

die überall schnelles Wachstum begünstigen (…) wie ein neues Paradies für den Menschen (…).“

Ein Ausschnitt der Geosphäre mit einheitlicher Struktur und der Ordnungsstufe entsprechend homogenem Systemcharakter wird als ein Land-

Auch an anderer Stelle, auf der Reise ins badische Emmendingen zu seiner Schwester Cornelia, spricht der am Main aufgewachsene Autor vom

schaftsraum bezeichnet.“ Diese wissenschaftliche Definition des Objekts

„paradiesischen Rheintal“ und meint damit den Rhein in seiner Alluvialebene.

Landschaft wurde am Rhein erarbeitet, von Hartmut Leser, Professor der Physiogeographie an der Universität Basel, gemeinsam mit Dozenten in

Rheinische Landschaft ist schon seit Jahrhunderten erschlossen, besiedelt, menschlich überprägt. Auch die oberrheinische Ebene, die Goethe

Düsseldorf und Bonn. Sie sieht die Landschaft als Träger sowohl von Form als auch von Funktion. Aus der Form / Gestalt ergibt sich auch die ästhetische Kategorie der Landschaft. Der Satz, der Mensch könne „gestaltend oder zerstörend“

sah, war keineswegs in einem Urzustand. Es gab darin Wiesen und Ackerbau, Städte und Dörfer, Straßen und Mühlenräder, Viehzucht, Fischerei, Forstwirtschaft und Jagd. Aber trotz menschlicher Überprägung bildeten der Fluss, seine Ufer-

eingreifen, macht deutlich, dass trotz des vereinigten Scharfsinns der Professoren der Begriff der Landschaft nicht mehr naturwissenschaftlich objektivierbar ist, sobald es um die ästhetische Bewertung der Landschaft geht. Landschaft über ihre physischen und biologischen Fakten hinaus zu sehen, heißt, sie zu würdigen und zu bewerten, und das ist von ästhetischen Kriterien nicht zu trennen. Den Ausblick vom Straßburger Münster beschreibt Goethe: „Und so sah ich denn von der Plattform die schöne Gegend vor mir, in welcher ich eine Zeitlang wohnen und hausen durfte: die ansehnliche Stadt, die weitumherliegenden, mit herrlichen dichten Bäumen besetzten und durchflochtenen Auen, diesen auffallenden Reichtum der Vegetation, der dem Laufe des Rheins fol-

und Auenbereiche und die sich anschließende Rheinebene ein biologisches Ganzes. Natur und Kultur standen in einem angenehmen Gleichgewicht, das Ludwig XIV. verleitet haben soll, „quel beau jardin“ auszurufen, als er von der Zaberner Steige aus erstmals die elsässische Ebene sah. Ähnliches riefen aber auch jene englischen Reisenden aus, die seit dem 18. Jahrhundert den von Gebirgen gesäumten Mittelrhein besuchten. Ihre Reisemotive waren aber nun nicht mehr das Liebliche und der harmonische Dialog des Mosaiks der verschiedenen Nutzungen mit der Natur, sondern es war das Pittoreske. Erst aus diesem Zeitgeschmack heraus ist der „romantische Rhein“ erfunden worden. Den gefährlichen LoreFelsen, den Lore-Ley, als „femme fatale“ zu allegorisieren, war ein Geniestreich der romanti-

gend, die Ufer, Inseln und Werder bezeichnet. Nicht weniger mit mannigfaltigem Grün geschmückt ist der von Süden herab sich ziehende flache Grund, welchen die Ill bewässert. Selbst

schen Poeten Brentano und Heine. Durch die Französische Revolution, die nachfolgenden Kriege und die napoleonische Epoche wurde mit dem „romantischen“ Rhein das politi-

westwärts, nach dem Gebirge zu, finden sich manche Niederungen, die einen ebenso reizen-

sche Postulat der deutschen Einigung verquickt. Damit wurde die Rheinlandschaft zum mythi-

den Anblick von Wald- und Wiesenwuchs gewäh-

schen, zum nationalen Anliegen überhöht, mit-

Rheinlandschaften 27

16 ó Die durchgrünte Niederrheinlandschaft hat ihren Charakter trotz der künstlichen Buhnen im Fluss nicht eingebüßt.

samt „Germania“ bei Rüdesheim, dem Mahnmal für den umfassenden deutschen Nationalstaat, und mitsamt dem „Deutschen Eck“: Dieser Name für die Geländezunge an der Moselmündung rührt vom Deutschritter-Orden her, aber im späten 19. Jahrhundert wurde das Reiterstandbild von Kaiser Wilhelm – das zunächst eine preußische Territoriumsmarkierung sein sollte – zum deutschnationalen Symbol. Die alluvialen Ebenen, am Oberrhein nicht anders als am Niederrhein, bildeten, obwohl seit zwei Jahrtausenden besiedelt und menschlich mitgeprägt, bis ins 18. Jahrhundert sowohl hydrologisch als auch biologisch einen fortlaufenden Teppich, und dieses biologische Kontinuum zog sich genau genommen auch durch die Engstellen und Kerbtäler. Im 19. und 20. Jahrhundert hingegen haben fleißige Ingenieure, von Tulla über den Bergbau, von der EDF bis zu den Bahnund Straßenbauern, sowohl den oberrheinischen Garten als auch den Niederrhein gründlich umgespatet und auch den Mittelrhein und den Hochrhein nicht verschont. Die Bevölkerungszunahme, der enorme technische und wirtschaftliche Fortschritt, die Industrialisierung, die Kohle-, Erz- und Kaliförderung, die Eisenbahn, die mechanisierte und intensivierte Landwirtschaft,

28 Der Rhein: Geographie und Biologie

die Kanalisierung des Rheins, der allgegenwärtige Straßenbau, die landfressenden SiedlungsDimensionen, die mit dem Automobil möglich geworden sind – das alles hat die vormals harmonische Landschaft tiefgreifend zerfurcht. Ob der Dichte zivilisatorischer Phänomene ist sie nun nicht nur optisch, sondern auch funktional verändert: Der einst zusammenhängende biologische Teppich ist vielfach unterbrochen. Für die Alluvialebenen gilt das weit stärker als für die Kerbtäler, denn in den Ebenen hat die Zivilisation auch noch in die Hydrologie des Flusses massiv eingegriffen, mit großen und kleinen Kanälen, mit Kraftwerken und Deichbauten. Die ehedem alljährlich überschwemmten Auwälder sind auf wenige Reste reduziert. Dasselbe gilt für die Wässerwiesen. Die früher den Strom begleitenden Nebengewässer sind entweder verschwunden oder vom Hauptstrom hydrologisch abgetrennt. Kein Wunder, dass sich die Rhein-Diskussion im 21. Jahrhundert nun der Reparatur dieses biologischen Teppichs zugewandt hat: Der Rheinlauf soll seine früheren biologischen Qualitäten wieder bekommen, er soll wieder zur großräumigen Biotopachse werden. Das Anliegen beruht auf biologischer Analyse, und zugleich ist es ästhetisch motiviert.

Auen 1.3 Jan Smit / Urs Weber

W

o ein Fließgewässer seine Uferbereiche periodisch überflutet und wieder trockenfal-

enreich, hoch spezialisiert und bestens an ihren Lebensraum angepasst. Ihr Spektrum reicht von

len lässt, wo die Grundwasserstände den Wasserspiegeln des Oberflächenwassers folgen, wo sich

rein aquatischen über solche der Wasserwechselzone bis hin zu feuchten und sogar zu Trocken-

ein permanenter Eintrag und Abtrag von feineren und gröberen Sedimenten abspielt und sich dadurch die Geländegestalt ständig umformt, spricht man von einer Flussaue. Die Flussauen stellen einzigartige Lebensräume dar, die zu den reichhaltigsten und dynamischsten Ökosystemen Mitteleuropas zählen. Entsprechend der Vielfalt ihrer Einzelstandorte und deren andau-

lebensräumen. Der Rhein war natürlicherweise auf langen Strecken von Auen begleitet, auf einzelnen Strecken am Alpenrhein und am Hochrhein, auf nahezu dem gesamten, langen Oberrhein, ebenso auf langen Abschnitten des Niederrheins und des Deltarheins. Das Band der kostbaren Auenbiotope

ernden Veränderungen ist die Tier- und Pflanzenwelt der Auen höchst arten- und individu-

17 ó Silberweidenwald der häufig und lang überfluteten Aue, meistens in Stromnähe.

29

18 ó Hartholzaue, selten und niedrig überflutet, meistens am landseitigen Rand der Aue.

umfasste früher in der Regel eine Breite von wenigstens einigen Hundert Metern. Am Ober- und Niederrhein erreichten Auen vor der Eindeichung und Kultivierung sogar bis zu 15 km Breite. Die Rheinauen sind bis auf geringe Reste verschwunden, auch wenn landseits der Deiche noch heute Wald dort zu sehen ist, wo einst die Auwälder an der Dynamik des Flusses teilnahmen. Auwälder kann man nach der Zusammensetzung in Weichholz- und Hartholzauen aufteilen. Ist der Standort häufig oder lang andauernd,

vielfach genutzten, in ihrem Lauf stark geänderten Flüssen wie dem Rhein sind die natürlichen Uferpflanzen weitgehend verschwunden. Das wurde auch dadurch bewirkt, dass die Ausgestaltung der Rheinufer prioritär von den Sicherheitsanforderungen der Schifffahrt bestimmt wurde. Im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen sollen nun diese Ufervegetation und insbesondere die Auwälder wieder in die Flusslandschaften zurückkehren. Die Losung der Renaturierung ist rheinauf, rheinab populär und teilweise auch politisch prioritär geworden, z. B. am Oberrhein. Am Niederrhein ist der Auenwald noch etwas mehr

hoch und meist schnell durchströmt (100 bis 200 Tage im Jahr), bildet sich eine Weichholzaue mit Silberweiden und Schwarzpappeln. Bei

als in den Niederlanden erhalten geblieben, sein Rückgang weniger weit fortgeschritten. Aber auch in den Niederlanden sind Auwälder zum

kürzeren oder selteneren Überflutungen mit geringer Fließgeschwindigkeit, meistens in größe-

Modell der Renaturierung des Deichvorlandes im Rheinmündungsgebiet gewählt worden. Bis 1990

rer Entfernung zum Strom, bildet sich eine Hartholzaue mit Eichen, Ulmen und Weißdorn. An

waren sie weitgehend verschwunden, danach sind sie durch den natürlichen Aufwuchs an vie-

30 Der Rhein: Geographie und Biologie

19 ó Heftiges Einströmen des Rheinwassers in die Aue. 20 ó Beruhigung der Wasserbewegung. 21 ó Die Erosionskräfte lassen Steilufer entstehen. 22 ó Das vom Wasser mitgeführte Material lagert sich als Kies- und Schlammbänke ab.

len Orten zurückgekehrt, nicht nur in den bekannten Modellgebieten Millingerwaard (an der heutigen Rheingabelung) oder „Blaue Kamer“ (am „Nederrijn“ bei Rhenen), sondern auch in den schmaleren Streifen. Hier sind es meistens nur Weichholzauen. In den großräumigen Gebieten jedoch treten auf den Uferwällen auch Hartholzauen in Erscheinung. An der IJssel wachsen auf manchem Deichvorland noch jahrhundertealte Eichen. Bei der besonderen Raumknappheit in den Niederlanden kann die gesetzliche Vorgabe, den Abfluss von 16 000 m³ / s zu gewährleisten, nur dann eingehalten werden, wenn auch

Auen 31

23 ó Die Auen des Rheins gehören zu den arten- und individuenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas (Hartholzaue).

einige Auenbereiche an den Hauptarmen für den Hochwasserabfluss zur Verfügung stehen. Solche Flächen sind im Programm „Raum für den Fluss“ festgelegt. Deshalb wurden bereits landwirtschaftlich genutzte Flächen abgegraben, um Flutrinnen zu schaffen; auch wurden Auwälder, die den Wasserabfluss behinderten, mit Zustimmung der mit der Naturentwicklung befassten Organisationen wieder beseitigt. Allerdings werden darüber hinausgehende Auwälder zusätzlich abgeholzt. Hier stehen die Interessen des Hochwasserschutzes und der Naturentwicklung nicht immer in Einklang.

Für die deutschen Flussufer laufen Überlegungen und Maßnahmen an, um die Belange der Schifffahrt mit den Erfordernissen zur Ausgestaltung von geeigneten Lebensräumen für eine vielfältigere aquatische Fauna und Flora als Teil der Rheinaue zu verbinden. In den Niederlanden, wo seit einem halben Dutzend Jahren das Programm „Raum für den Fluss“ („Ruimte voor de Rivier“) läuft, werden – durchaus mit Zustimmung der Naturschützer – bestimmte Auenwaldflächen abgeholzt, weil an ihrer Stelle Nebenrinnen entstehen sollen.

Weitere Informationen: – Hügin, G.: Wesen und Wandlung der Landschaft am Oberrhein. – Beitr. Z. Landespflege 1. Stuttgart 1962. – Dister, E. (1991): Folgen des Oberrheinausbaus und Möglichkeiten der Auen-Renaturierung. – Laufener Seminarbeitr. 4 / 91 : 115 – 123. – Galluser, W. A., Schenker, A.: Die Auen am Oberrhein. Les zones alluviales du Rhin supérieur. Basel 1992.

32 Der Rhein: Geographie und Biologie

Biotopvernetzung 1.4 Martin Stieghorst / Urs Weber

S

eit den 1960er-Jahren ist – am Rhein wie anderswo – die Ökologie als Wissenschaft he-

rangewachsen. Der lange Kampf um saubereres Rheinwasser erzielte, wie man weiß, etwa seit den 1970er-Jahren nach und nach zunehmende Erfolge (Y Kap. 3.1). Aber das hat die Kritik nicht etwa verstummen lassen, sondern es hat die Kritiker zu weitergehenden Postulaten beflügelt. Der Kampf geht nun nicht mehr nur um die Wasserqualität, sondern auch um den „Biotopverbund am Rhein“ – so lautet eine Publikation

der Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) von 2006 (Y Kap. 5). Dahinter steht die Einsicht, dass ein Biotop dauerhaft nur bestehen kann, wenn es nicht nur hinreichend qualifiziert und hinreichend groß ist; es muss auch der genetische Austausch zwischen ihm und Biotopen gleicher Art und anderer Art, mit denen ein funktionaler Zusammenhang besteht, gewährleistet sein. Die regelhaft am Rhein auftretenden Biotoptypen, das heißt der Wasserkörper des Stromes

24 ó Biologische Sperrzone aus Pflaster zwischen Fluss und Aue.

33

25 ó Naturnahes Ufer zwischen den Buhnen, das zur Verknüpfung der Lebensräume des Wassers und der Aue beiträgt.

diesen die Niederungen, – ein jeder ermöglicht einen kontinuierlichen Austausch seiner Lebewesen in Längsrichtung des Stromes. Beispiele sind die Wanderung von Fischen im Wasserkörper und der Transport von Samen und von Tieren, die sich bei der Überflutung der Auen auf Treibgut geflüchtet haben. Neben dem Austausch in Längsrichtung ist

selbst, die aus Kiesen und Sanden bestehende Flusssohle, die auf langen Abschnitten seitlich anschließenden, bei Hochwasser überfluteten Auen, die Deiche und schließlich landseits von

der Austausch zwischen den Biotoptypen, also in Querrichtung, gleichermaßen überlebensnotwendig. Das geradezu klassische Beispiel bilden die biologischen Verknüpfungen von Strom und Aue. Nicht umsonst wird die Aue als „die Kinderstube des Rheins“ bezeichnet. – Für Vögel und Groß-

26 ó Plan zur Fortführung des Biotopverbundes landseits des Deiches östlich von Nimwegen.

34 Der Rhein: Geographie und Biologie

27 ó Großräumige Biotopachse Rhein – auch wenn die ehemals breite Rheinaue auf den oft schmalen Streifen zwischen Ufer und Deich verringert ist.

säuger sind die einen Biotoptypen Nahrungs-, die anderen Ruhe- und Rückzugsraum. Nicht nur Größe und Qualität der einzelnen Biotope, sondern auch das Beziehungs-

und Austauschgefüge zwischen ihnen sind seit dem 19. Jahrhundert zum Teil erheblich beeinträchtigt. Im Gesamtgeflecht der Biotope am Rhein bestehen nicht unerhebliche Lücken und

28 ó Im Bereich von Siedlungsgebieten, hier Ludwigshafen (links) und Mannheim (rechts), ist das Biotopband seitlich des Rheins nicht mehr durchgängig vorhanden.

Biotopvernetzung 35

Schwachstellen, und Barrieren erschweren oder verhindern inzwischen den Austausch.

erfassendes Biotopnetzwerk mit dem Rhein als Rückgrat einrichten. Das ist zurzeit zwar eine Vi-

Neben der Aufgabe, die Biotope in sich zu qualifizieren, wird es künftig primär darauf an-

sion, aber keine Träumerei. Die für Umweltfragen zuständigen Regie-

kommen, die durch menschliche Eingriffe verursachten Trennungen von benachbarten Biotopen aufzuheben. Wo guter ökologischer Standard in

rungsmitglieder der Anliegerstaaten am Rhein bilden alle paar Jahre eine Rheinministerkonferenz. Diese nur selten zusammentretende Kon-

der Fläche nicht zu erreichen ist, der Austausch mithin eingeschränkt bleibt, sind ökologisch

ferenz und die IKSR haben sich als Protagonisten der Ökologie am Rhein etabliert, und sie

qualifizierte Korridore als Austauschbahnen einzurichten. Wo selbst dies nicht möglich ist, sind wenigstens ökologische „Trittsteine“, das heißt

sind von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) umgeben. Aber bis zum Ende des 20. Jahrhunderts hatte keines dieser Gremien je

Biotopinseln inmitten der ökologisch wenig qualifizierten Umgebung, anzulegen; durch sie soll – so die Hoffnung – wenigstens ein Mindestmaß an Austausch ermöglicht werden. Wenn dieses Band aus miteinander vernetzten

eine unmittelbare formelle Entscheidungsgewalt, sondern ihre Bühne war stets die öffentliche, von den Medien begleitete politische Bühne, auf der sie – mit vielen Erfolgen – um Gesetze und um Gelder der öffentlichen Hand kämpften. Eine

Biotopen über die Nebenflüsse und deren Seitengewässer ausgedehnt würde, ließe sich für das gesamte Einzugsgebiet des Stroms ein flächen-

große Hilfe war ihnen allen, dass die IKSR nicht nur eine Kommission hoher Regierungsbeamter ist, sondern auch ein permanentes Sekretariat

29 ó Ober- und unterhalb der Neckarmündung bleiben von der Biotopachse nichts als der Wasserkörper und die Flusssohle.

36 Der Rhein: Geographie und Biologie

hat. Die Tätigkeit des Sekretariats ist weit sichtbarer als die Kommission selbst, und seine fachliche Arbeit war stets international legitimiert. Im 21. Jahrhundert stützen sich die Akteure der politischen Bühne nun auf eine neue, gemeinsame Rechtsgrundlage, auf die im Jahr 2000 in Kraft getretene Wasserrahmenrichtli-

wässern an den Rhein, oder es geht um den Abbruch harter Uferverbauungen aus dem 19. oder 20. Jahrhundert. Viele Projekte haben den Schutz vor Hochwasser zum Ziel, und zwar namentlich da, wo sie Retentionsflächen („Polder“) schaffen. Die meisten Projekte stehen – tatsächlich oder

nie (WRRL) (Y Kap. 3.2) der EU. Die WRRL formuliert „Umweltziele“, und bei „erheblich veränder-

zumindest gemäß ihrer Intention – sowohl im Dienst des Naturschutzes als auch des Hochwasserschutzes, sie verquicken also mehrere Ziele,

ten Wasserkörpern“ – zu denen auch der Rhein zählt – lautet das Ziel „gutes ökologisches Po-

weshalb man von integrierten Projekten spricht. In der Tat nennt Baden-Württemberg sein seit

tential und guter chemischer Zustand“. Anders als bei den Belastungen des Wassers vor 30 Jahren, die in erster Linie als chemisches Problem

1996 geplantes, 1998 in Gang gesetztes Konzept „Integriertes Rheinprogramm“. Die Renaturierungs-Absicht durchweht auch

verstanden wurden, steht im 21. Jahrhunderts ein biologisch-ökologischer Ansatz, wie er sich in der WRRL konkretisiert, im Vordergrund. Die Ziele der WRRL kommen, was den Rhein und seine Zuflüsse angeht, nicht zu früh. Denn

das ambitiöse, breit angelegte Programm „Rhein 2020“, zu dem sich die IKSR von den Rheinministern hat beauftragen lassen. Das Programm hat mehrere Aspekte, und für die Thematik der Biotope setzte die Kommission eine Experten-

schon seit den 1990er-Jahren gibt es am Rhein ungezählte Einzelprojekte, und zwar von den Niederlanden bis hinauf zum Alpenrhein, die die „Renaturierung“ einzelner Fluss- und Uferabschnitte zum Ziel haben. Gestützt werden sie

gruppe ein, die sich aus Fachleuten aus den Anliegerstaaten sowie aus dem permanenten Kommissionssekretariat in Koblenz zusammensetzte. Das Resultat ihrer Arbeit ist die eingangs erwähnte Publikation zum Biotopverbund.

von unterschiedlichen Initianten, von Vereinen, von NGOs aller Art und auch von Behörden, und sie wollen stets Natur, also eine „naturnahe Gestaltung“, „Biotope“. Da geht es oft um eine neue standortgerechte Bepflanzung, wie sie bis ins 18. Jahrhundert stets spontan herangediehen war. Manche Renaturierungs-Projekte wollen die intensive Landwirtschaft von den Uferbereichen wegdrängen, um dem Eintrag von Agrochemikalien in den Rhein entgegenzuwirken und um Flä-

Der Fluss wurde für diese Publikation systematischer analysiert als je zuvor. Er wird mit seinen Nebengewässern, Zuflüssen, Uferbereichen, Auen- und anderen Wäldern als ein biologisches Ganzes verstanden, das gestört ist und nun wieder zusammengefügt werden soll. Für die gesamte Strecke vom Bodensee bis zur Nordsee stellt der Atlas auf 35 Karten den Ist-Zustand (mit den „Defiziträumen“), den Soll-Zustand und den daraus abgeleiteten Handlungsbedarf dar. Es wurden

chen zu erobern, die wirtschaftlicher Nutzung entzogen sind. Denn nach dem Bau aller Kläranlagen gibt es noch immer eine Wasserbelastung, und dafür sind die Agrochemikalien zwar nicht

für den Atlas sieben Biotoptypen unterschieden und am gesamten Rheinlauf kartographiert: f aquatischer und amphibischer Bereich, f natürliche und naturnahe Auen- und Stillge-

die einzige, aber die umfangreichste Quelle. Es geht aber oft auch um die Wiederherstellung der Flussdynamik und den Anschluss von Nebenge-

wässer, f Auenwälder, f Sümpfe und Hochstaudenfluren,

Biotopvernetzung 37

f Trockenbiotope, f Grünland und f andere Wälder. Die Karten weisen auch eine ganze Anzahl von eigens geschaffenen Piktogrammen auf. Sie reduzieren zwar für Laien die Lesbarkeit der Kar-

und Nutzung verloren haben – wie stillgelegte Industrie- oder Gewerbebetriebe, Militärliegenschaften, Verkehrsflächen u. Ä. – mittels planerischer, umwelttechnischer und wirtschaftspolitischer Maßnahmen“ – so lautet die von der deutschen Bundesregierung übernommene Defi-

ten, erhöhen aber den Informationsgehalt, vor allem für den Soll-Zustand und den Handlungsbedarf.

nition des Flächenrecyclings. Bei den vielen großen und kleinen Projekten zur Renaturierung von Landschaftsabschnitten

Der Biotopverbund ist aber nicht nur biologisch begründet, sondern auch landschaftlichkulturell: Der Biotopverbund soll nämlich auch

handelt es sich aber um eine Sonderform des Flächenrecyclings, nämlich um Landschaftsreparatur, bei der man frühere Überprägungen rückgän-

einen „ästhetischen Eigenwert“ (S. 11 des IKSRBerichts) verwirklichen. Das ist nicht ein Anlie-

gig zu machen sucht. Aus den Tagebaubrachen des Braunkohlebergbaus werden Parks, aus Fab-

gen der Lachse oder Lurche, sondern es ist das Anliegen von Menschen – die Intention der Renaturierung ist auch ästhetischer Art. Dass Landschaften überprägt werden, am ersichtlichsten durch Siedlungen, ist so alt wie

riken werden Gärten, aus Maisfeldern sollen wieder Auwälder werden. Diese Art von Überprägung im Rückwärtsgang spielt sich auch am Rhein ab: Anders als bei allen früheren Überprägungen der Rheinlandschaft steht hinter dem Ziel des „Bio-

die Menschheit. Überprägung hatte stets entweder wirtschaftliche Gründe oder wurde durch Klimaverschiebungen oder Katastrophen ausgelöst. Wenn heute an stillgelegten Rheinhafenbecken fashionable Quais entstehen, ist das ebenfalls wirtschaftlich motiviert, denn der Container drängt der Schifffahrt andere Normen auf. Das heißt, die neuen Rheinquartiere sind Phänomene städtischer Überprägung, wie es sie immer gab, sie sind eine Variante des heute „Flächenrecycling“ genannten Phänomens. Darunter versteht man „die nutzungsbezogene Wiedereingliederung solcher Grundstücke in den Wirtschaftsund Naturkreislauf, die ihre bisherige Funktion

topverbundes am Rhein“ kein wirtschaftliches Motiv. NABU-Präsident Olaf Tschimpke formuliert: „Der Rhein als Deutschlands größter Strom muss wieder ein lebendiger Fluss werden. Von einer naturnahen Gestaltung der Ufer- und Flussabschnitte profitieren nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch die Menschen.“ Das kann man dahingehend interpretieren, dass der angestrebte Biotopverbund auch Anklänge an die Jagdreviere oder „pleasure gardens“ fürstlicher Auftraggeber gewinnen soll. Damit wird die Brücke zu dem „beau jardin“ des Sonnenkönigs, zu Goethes „Paradiesischem Rheintal“ geschlagen.

Weitere Informationen: – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 155 Biotopverbund am Rhein. Koblenz 2006. www.iksr.org

38 Der Rhein: Geographie und Biologie

Wanderfische /Fischpässe 1.5 Martin Stieghorst

I

m Rhein sind die Fernwanderfischarten Lachs, Meerforelle, Maifisch, Finte, Aal und der in-

zwischen ausgestorbene Rheinstör beheimatet. Zwischen Meer und Rhein wandern auch Meerneunauge und Flussneunauge, die keine Fische, sondern Rundmäuler sind. Der Lachs gilt als der Vorzeigefisch, der Leitfisch aller. Seine Fischlarven schlüpfen in den kiesig-sandigen Abschnitten des Rheins und der Nebengewässer, wachsen in diesen Habitaten zu jugendlicher Größe heran und wandern dann stromab ins Meer. Nachdem sie dort ihre ausgewachsene Größe erreicht haben, kehren sie in ihre Geburtsgewässer zurück, um sich fortzupflanzen. Allein der Aal benutzt Meer und Rhein in umgekehrter Reihenfolge: Er pflanzt sich in der fernen Sargassosee fort, und es sind die Jungaale, die vor der Küste erscheinen und weiter im Rhein und seinen Ne-

bengewässern aufsteigen (Y Kap. 2.7). Dort wachsen sie zu voller Größe heran und kehren später in die Sargassosee zum Laichen zurück. Der Ausbau des Rheins hat den Aufstieg für die Wanderfische deutlich erschwert. Als die Niederländer im Zuge des Deltaplans das Sperrwerk im Haringvliet schlossen, fiel dieser bis dahin wichtigste Zugang der Wanderfische in den Rhein zunächst weitgehend aus. Für ihre Passage konnten die Fische jedoch den Nieuwe Waterweg und den Rotterdamer Hafen als Ausweg benutzen. Die Pläne, einige Schütze des HaringvlietSperrwerkes bis auf die Zeiten von Springfluten permanent zu öffnen, sind – zumindest vorerst – gestoppt; an anderen Stau- und Regelwerken sind Maßnahmen zur Erleichterung der Fischwanderung durchgeführt worden. So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass der Fischauf-

30 ó Die größte Zahl der Wanderfische zog vor dem Bau des Sperrwerkes durch das Haringvliet in den Rhein. Um dies in Zukunft wieder zu ermöglichen, müssen wenigstens einige Absperrsegmente im Regelfall geöffnet bleiben.

39

31 ó Staustufe Iffezheim mit Kraftwerk und Fischpass (rechts).

32 ó Detail vom Fischpass Iffezheim: Durch die Schlitze zwischen den Kammern schwimmen die Fische stromauf.

stieg von der Nordsee in den Rhein immer noch komplizierter und weniger attraktiv ist als im früheren Zustand der Rheinarme, dass es aber in diesem untersten Rheinabschnitt keine unüberwindbaren Barrieren für die Wanderfische gibt. Somit erschließen sich den Wanderfischen die Abschnitte des Niederrheins, des Mittelrheins und des nördlichen Oberrheins, in die eine Reihe früher intensiv besiedelter Nebenflüsse wie Sieg, Mosel und Nahe münden. Für die relativ geringe Zahl der Wanderfische, die bis in den mittleren Oberrhein gelangten, bedeutete die unterste Staustufe das Ende des Aufstiegs. Immerhin wurden im Unterwasser der Staustufe Iffezheim zwischen 1995 und 1998 44 Lachse gezählt und daraufhin ein Fischpass nachträglich eingebaut: Ein ca. 300 m langer, offener Betonkanal führt vom Oberwasser in das Unterwasser; er ist in 37 Becken unterteilt, die durch vertikale Schlitze miteinander verbunden sind

tikalschlitze von Becken zu Becken. In diesen

und die den Gesamthöhenunterschied von ca. 11 m in Einzelstufen von jeweils ca. 30 cm Höhe zerlegen. 1,2 m³ / s Wasser strömen durch die Ver-

Kammern können sich die Fische ausruhen, um Kraft für die Passage durch den Vertikalschlitz in das nächstobere Becken zu sammeln.

40 Der Rhein: Geographie und Biologie

33 ó Am Fischpass der Staustufe Iffezheim werden die Fische vermessen und registriert.

Der Fischpass ist seit Juni 2000 funktionsfähig; bisher wird er von ca. 25 000 Fischen pro Jahr zum Aufstieg benutzt. Der Erfolg war Anlass genug, auch an der nächsten Staustufe bei Gambsheim einen Fischpass einzurichten. Er steht den Fischen seit April 2006 zur Verfügung und erschließt ihnen den Zugang zur Kinzig, einem früher bedeutenden Lachsgewässer. Der geplante Fischpass an der Staustufe Straßburg soll bis zum Jahr 2015 fertiggestellt sein, in den Jah-

34 ó Dem Fischpass an der Staustufe Albbruck-Dogern wurde viel Platz gegeben, eine Voraussetzung für die naturnahe Gestaltung der Aufstiegshilfe.

ren danach der Ausbau im Bereich der Schlingen fortgesetzt werden. Weitgehend ungelöst ist bisher die Frage, wie die Wanderfische am nördlichen Ende des Grand Canal, also im Bereich der Staustufe Vogelgrün / Breisach, dazu gebracht werden kön-

Wanderfische/Fischpässe 41

chere, Teil des gesamten Themas. Was nämlich den Abstieg der Wanderfische angeht, sieht es am ausgebauten Oberrhein düster aus: Auch bei ihrer Abwärtswanderung folgen die Wanderfische der Hauptströmung, sie geraten somit nahezu zwangsläufig in die Kraftwerksanlagen. In den Turbinen erleiden sie einerseits mehr oder weniger heftige Schnittverletzungen, an35 ó Bei ihrer Wanderung stromab geraten die Jungfische in die Turbinenanlagen. Das Risiko, dort Schnittverletzungen und Schäden der inneren Organe zu erleiden, ist beträchtlich.

nen, nicht der Hauptströmung des Wassers, das heißt in den Grand Canal, zu folgen, sondern in den neu geschaffenen Rhein auszuschwenken, dessen ökologische Optimierung unter dem Stichwort „90 m-Streifen“ zurzeit betrieben wird (Y Kap. 4.4). Die Zeitvorstellungen, wann dieser Aufstiegsweg zur Verfügung steht, sind bislang höchst vage. Am Stauwehr Märkt wird im Zuge der Neukonzessionierung des Kraftwerkes (Y Kap. 2.1) ein neuer Fischpass eingerichtet werden, sodass später der Aufstieg der Wanderfische bis Basel und über die bestehenden Aufstiegshilfen im Hochrhein bis an das Kraftwerk Rheinau unterhalb vom Rheinfall bei Schaffhausen möglich sein wird. Wenn hier mit einigem Optimismus von günstigen Perspektiven bei der Durchgängigkeit des Rheins für den Aufstieg der Wanderfische berichtet wird, so ist dies nur der eine, der erfreuli-

dererseits innere Verletzungen durch die plötzlichen Schwankungen des Wasserdrucks. Schätzungen der Mortalitätsquoten bei der Passage nur einer Turbine schwanken je nach Fischart und Turbinentyp zwischen wenigen und fast

36 ó Die ausgewachsenen, stromab wandernden Aale haben kaum eine Chance, die Wasserkraftanlagen unbeschadet zu passieren.

50 %. Bei insgesamt zehn Kraftwerken am Oberrhein heißt das, dass nur wenige Wanderfische die freie Stromstrecke unterhalb Iffezheim unbeschadet erreichen. Praktikable Vorschläge, wie diese Verluste vermindert werden können, sind zurzeit nicht erkennbar.

Weitere Informationen: – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 179 Masterplan Wanderfische. Koblenz 2009. www.iksr.org – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 167 Fischökologische Gesamtanalyse einschließlich Bewertung der Wirksamkeit der laufenden und geplanten Maßnahmen im Rheingebiet mit Blick auf die Wiedereinführung von Wanderfischen. Büro BFS im Auftrag der IKSR. Koblenz 2009. www.iksr.org – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 162 Lachs 2020. Der Weg zu selbst erhaltenden Populationen von Wanderfischen im Einzugsgebiet des Rheins. Koblenz 2007. www.iksr.org

42 Der Rhein: Geographie und Biologie

Gestaltung der besiedelten Uferbereiche

1.6

Jochen Rahe

D

ie hohe Dichte der Besiedlung, der landwirtschaftlichen Nutzung und der Verkehrs-

flächen macht eine planerische Gestaltung der Rheinufer in ihrer gesamten Länge unausweichlich. Eine wildwüchsige Naturlandschaft des Rheins auch in kleinen Teilabschnitten ist nicht mehr denkbar. Reine Naturlandschaften sind verschwunden – auch in den Auengebieten am Oberrhein.

Häfen und Schiffsanleger, sondern gestalteten Uferpartien als Promenaden oder Parks, die zu beliebten öffentlichen Stadträumen für Einwohner wie für Gäste wurden. Wohnlagen und Standorte für Hotels und Gastronomie direkt am Flussufer sind bis heute sehr begehrt. Der touristische

1. Die Lage am Fluss war historisch immer ein besonderer Grund für Stadtgründungen, sei es wegen der wirtschaftlichen und verkehrlichen Vorteile, der Wasserversorgung, der zusätzlichen Sicherheit vor Angriffen, aber natürlich auch we-

Ruhm, besonders auch der Weinorte am Rhein, lebte von dieser oft über Jahrhunderte gewachsenen Verbindung von Stadt und Fluss. Besonders anschauliche Beispiele dafür sind neben vielen kleinen mittelalterlichen Rheinstädten auch Großstädte wie Basel, Mainz oder Koblenz, die sich von Uferstraßen für den Durchgangsverkehr weitgehend freihalten konnten. Der Einbruch in die Stadtentwicklung der Rheinstädte kam – wie an anderen Flüssen auch – mit den rücksichtslosen, die Ufer begleitenden Verkehrsanlagen von Bahn und Straße im 20. Jahrhundert. Die Städte wurden vom Fluss getrennt. Die Uferpartien degenerierten zu banalen, rein funktional bestimmten Räumen. Nach dem Prinzip des geringsten Aufwands wurden die kostbaren ufernahen Flächen für maßstabslose Verkehrsräume in Anspruch genommen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden Lärm und Abgase mehr und mehr zur unerträglichen Belastung. Die Städte

gen der landschaftlichen Attraktivität. So wuchsen Städte fast immer innig mit ihren Flussufern zu einer städtebaulichen Einheit zusammen und säumten oft den Fluss beidseitig, wenn sich auf

litten unter diesen Zuständen, eine grundsätzliche Neuorientierung wurde aber erst in den letzten Jahren spürbar. f So wird Basel seine Uferwege rheinauf und

der gegenüberliegenden Seite eine „Neustadt“

rheinab noch wesentlich verlängern und dabei zugleich nicht mehr genutzte Hafengebiete neu gestalten.

So haben wir es heute durchgängig mit einer vom Menschen gestalteten Flusslandschaft des Rheins zu tun. Dabei sind im Wesentlichen drei Raumtypen zu unterscheiden, die sich in der regionalen geographischen Situation allerdings mehr oder weniger überlagern: 1. die Flussufer der Städte und Ortschaften, 2. die Verkehrswege von Straße und Bahn an den Flussufern und 3. die landschaftlichen grünen Abschnitte der Flussufer.

als Stadterweiterung bildete. Die Städte waren stolz auf ihre Lagen am Fluss, bauten nicht nur

43

37 ó Das Kölner Pegelhaus fügt sich wie selbstverständlich in die Uferbebauung ein und ist zugleich Treffpunkt und Ziel für Spaziergänger.

44 Der Rhein: Geographie und Biologie

39 ó Die neuen Hochwasserschutzanlagen in Emmerich sind so geschickt in die Uferzone integriert, dass ein beliebter Platzbereich entstand, der immer wieder Passanten und Schaulustige anlockt.

f Straßburg und das gegenüberliegende Kehl haben ihre Uferabschnitte anlässlich einer Landesgartenschau ( Y Kap. 1.7 ) zu grünen Parks ausgestaltet und die beiden Städte mit einer architektonisch markanten Fußgängerbrücke verbunden. f In Mainz wurde ein direkt am Rhein gelegener Parkplatz aufgehoben, darunter wurde eine Tiefgarage gebaut, deren Dachfläche auf Uferniveau begrünt wurde und als „grüner Strand“ lebhaft genutzt wird. f In Rüdesheim wurde nach jahrzehntelanger Diskussion endlich entschieden, die Eisenbahntrasse auf Innenstadthöhe in einen Tun-

nel zu verlegen. Das schafft immerhin Erleichterung, auch wenn die Bundesstraße nach wie vor ebenerdig darüber geführt wird. f Köln konnte seine Uferstraße von einer Durchgangsstraße zu einer Promenadengestaltung mit direktem Zugang zur Altstadt und zum Dombereich mit seinen Museen verwandeln. f In Düsseldorf wurde die Uferstraße in einen Tunnel verlegt und die Stadt mit den darüber liegenden Flächen wieder an den Rhein herangeführt. So lässt sich eine Fülle von Maßnahmen aufzählen, die Probleme zwar nur teilweise lösen, aber doch Erleichterungen und wesentliche Ver-

38 ó Breite und lärmende Straßenbänder haben viele Städte am Rhein von ihren Ufern getrennt. Die Wiedergewinnung der Einheit von Stadt und Fluss ist zu einem Leitbild heutiger Stadtentwicklung geworden. Düsseldorf hat seine Uferstraße im Innenstadtbereich in einen Tunnel verlegt, ein gewaltiger Aufwand. Jetzt aber blüht Düsseldorf am Rhein förmlich auf. Eine wunderbare autoverkehrsfreie Uferzeile steht Fußgängern und Radfahrern für öffentliches städtisches Leben zur Verfügung und wird lebhaft genutzt.

Gestaltung der besiedelten Uferbereiche 45

40 ó Glücklich die Städte mit einem direkten Zugang der Stadt zum Rhein. In Rees am Niederrhein findet ein Volksfest natürlich am Ufer statt.

besserungen schaffen. Ein schier unlösbares Problem sind die Bahntrassen besonders in den mittelrheinischen Kleinstädten. Im 19. und noch im 20. Jahrhundert wurden sie voller Fortschrittsstolz – manchmal auf hochgelegenen Bahndämmen – mitten durch die Stadt geführt. Gegenüber der frühen Zeit haben sich die Zugfrequenzen, besonders auch des Güterverkehrs, vervielfacht. So machen Lärm und Bodenerschütterungen diese Lage zur täglichen und nächtlichen Strapaze, von der abriegelnden Wirkung zum Rhein hin ganz abgesehen. Die Bahn selber besteht darauf, diese Strecken als Teil einer noch weiter auszubauenden und die Alpen querenden nordsüdeuro-

ten, manche mit Ampelanlagen, der jeweiligen Ortschaften brauchen noch weitere Flächen und verbreitern die Straßen oft erheblich um vorgeschriebene zusätzliche Spuren. Mit ihren jeweiligen Substruktionen, Brückenköpfen, Hochlagen, aus Stein oder Beton befestigten Stützhängen, Gräben und Röhren für die Regenwasserableitung, Parkplätzen, zum Teil mit Raststätten, bilden sie technische Bauwerke, die nicht zu übersehen, aber nur selten harmonisch in Landschaft oder bauliche Umgebung integriert sind. Das alles trifft natürlich besonders im engen Mittelrheintal zu. Da Bahntrasse und Straße

päischen Transversale auf lange Zeit zu nutzen.

zwangsläufig meist eng parallel geführt werden müssen, werden die Ufergelände oft vollständig von der Verkehrsfläche in Anspruch genommen.

2. Auch außerhalb der Städte und Ortschaften verlaufen Bahntrassen und Straßen oft direkt

Die restlichen Uferstreifen werden zu schmal bemessenen Überflutungsflächen. Da erscheinen

entlang der Ufer und schneiden gravierend in das Landschaftsbild ein, indem sie die Uferpartien verändern und entstellen. Die Zu- und Ausfahr-

die Warteflächen für die Fähren geradezu idyllisch, da sie doch offensichtlich eine Funktion für den Rhein erfüllen.

46 Der Rhein: Geographie und Biologie

3. Wo die Uferlandschaften flacher verlaufen, also am Hoch- und Oberrhein, wie natürlich besonders am Niederrhein etwa ab Bonn oder Köln, konnten Bahn- und Straßenverlauf weiter entfernt vom Ufer gehalten werden, wenn überhaupt solche flussnahen Strecken gebaut wurden. Hier ist der Abstand vom Fluss schon deshalb notwendig, weil in diesen Abschnitten Vorflutland und Deiche gegen Überflutung des Hinterlandes durch Hochwasser großdimensioniert bereit gehalten werden müssen. Der Rhein ist bis auf das enge Mittelrheintal schon seit Ende des 19. Jahrhunderts beidseitig vollständig eingedeicht. So prägen Vorflutland und Deiche das Uferbild des Rheins über weite Strecken und bringen eine gewisse Monotonie mit sich. Nur selten trifft man auf besondere landschaftsarchitektonische Maßnahmen wie Baumreihen, Ein- und Ausgänge zu Altarmen oder Betonung typischer Wiesen- und Waldabschnitte. Doch auch hier hat sich, unterstützt von der Notwendigkeit zur Biotopvernetzung über die Gesamtstrecke des Rheins, in den letzten Jahrzehnten das Verhältnis zur rheinischen Flusslandschaft als einer wertvollen und in den Abschnitten jeweils charakteristischen Landschaft gewandelt. So werden nicht nur Altarmgebiete und Auenwaldreste am Oberrhein, Riedland wie der Kühkopf auf Höhe Groß-Gerau / Südhessen oder Schwemminseln wie der Inselrhein zwischen Ingelheim und Bingen unter Schutz gestellt. Es werden auch ganze Landschaftszüge als neue Rheinufer gestaltet, z. B. wurde aus dem ufernahen Gelände zwischen Bonn und Bad Godesberg im Rahmen einer Bundesgartenschau (Y Kap. 1.7) eine weitläufige, leicht hügelige Flusstallandschaft gegenüber dem Siebengebirge geschaffen, der Rheinauenpark. Die Qualität des Rheinauenparks hat offenbar auf weitere Projekte in diesem Abschnitt ausgestrahlt. So konnten das ehemalige Abge-

ordnetenhaus und Regierungsgebäude nach einer Umnutzung für das UN-Klimasekretariat und Neubauten für Deutsche Post und Deutsche Telekom sowie für den Radiosender Deutsche Welle als architektonisch eindrucksvolles Ensemble in die Uferlandschaft integriert werden, heute als UN-Campus international bekannt. Gegenüber dem Rheinauenpark wurden die wenigen, aber reizvollen Gebäude einer am Ufer brachliegenden alten Zementfabrikanlage für neue Wohnungen und Büros saniert. Dazu entstand ein Restaurant mit großer Rheinterrasse für Anwohner und Touristen. Unter der Bezeichnung Grünes C Bonn / Rhein-Sieg-Kreis entsteht ein Landschaften-Park quer zum Rhein als Brückenschlag auf Höhe der Mondorfer Rheinfähre. Zum Thema „Rheinquerung“ wurde eigens ein Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben. Die jeweilige Annäherung an das gegenüberliegende Ufer wurde durch Kunstwerke „in der Fläche“ zum besonderen Erlebnis aufgewertet. Das umliegende Gelände erhielt stellenweise eine Terrassierung zum Ufer und zum Verweilen geeignete Treppenanlagen. Typische Übergänge von Wiese und Park wurden mit landschaftsarchitektonischen Mitteln betont. In Leverkusen gelang es im Rahmen einer Landesgartenschau 2005, den durch Industriebauten und Deponien vom Rhein getrennten Neuland-Park direkt mit dem Fluss zu verbinden und dort ein Naherholungsgebiet mit vielen Veranstaltungsorten und Spielstationen unter freiem Himmel zu schaffen (Y Kap. 1.7). So wird der Rhein insgesamt mehr und mehr wieder zum prägenden Element von Stadtentwicklung und Landschaftsgestaltung, wo Spielraum dafür geschaffen werden kann. Dabei werden selbst Bauten des Hochwasserschutzes wie Polderdeiche, Schleusen oder Staumauern als flusstypisch mit einbezogen.

Gestaltung der besiedelten Uferbereiche 47

1.7

Gartenschauen am Rhein Horst Schmidt/Urs Weber

D

ie Tradition der periodisch wiederkehrenden Gartenschau ist in Deutschland und den Nie-

Amsterdam, 1992 in Den Haag und Zoetermeer, 2002 in Haarlemmermeer. Die Floriade 2012 wird

derlanden fest verankert, weit mehr als in den anderen Rheinanliegerstaaten Frankreich und

in der Region Venlo stattfinden. In der Bundesrepublik wird seit 1951 alle

der Schweiz. In den Niederlanden wird etwa alle zehn Jahre die „Floriade“ durchgeführt, ebenfalls gleichzeitig als internationale Gartenschau. 1960 fand sie in Rotterdam statt, 1972 und erneut 1982 in

zwei Jahre eine Bundesgartenschau ausgerichtet, nachdem schon vor 1914 und auch in der Zwischenkriegszeit immer wieder Reichsgartenschauen durchgeführt worden waren. Die Bundesgartenschau, eine Ausstellung für Gartenbau

41 ó Wie schon zur Bundesgartenschau in Köln 1971 wurde anlässlich der BUGA Koblenz 2011 wieder eine Seilbahn über den Rhein gebaut, vom Stadtgebiet Koblenz hoch zur rechtsrheinischen Veste Ehrenbreitstein – im Hintergrund das Deutsche Eck. Auch die BUGA Koblenz befasst sich besonders mit der Gestaltung des städtischen Rheinufers.

48 Der Rhein: Geographie und Biologie

und Landschaftspflege, ist stets politisch breit abgestützt, sie wird mittels wohleingespielter

In Nordrhein-Westfalen werden seit 1984 (in einem hinkenden Zweijahresrhythmus) Landes-

Mechanismen finanziert, und sie verschafft der Stadt, die sie ausrichtet, stets die Möglichkeit,

gartenschauen durchgeführt, ähnlich in Hessen seit 1994, in Rheinland-Pfalz seit dem Jahr

Parks und Grünflächen neu zu schaffen, auszuweiten oder umzuformen. Sie wird im zweijährigen Rhythmus durch die Deutsche Bun-

2000. In Nordrhein-Westfalen sind die Landesgartenschauen in die Regionale übergegangen, bei der mehrere Städte und Gemeinden gemein-

desgartenschaugesellschaft in Bonn meist nach Entscheidung eines Teilnehmerwettbewerbes an

sam eine Gartenschau mit geringerer Organisation durchführen. In den anderen Bundesländern

die entsprechende Stadt vergeben und bis zur Realisierung begleitet. Die Bundesgartenschaugesellschaft führt auch die gärtnerischen Wett-

haben sich die zeitlichen Abstände der Gartenschauen zum Teil erheblich vergrößert. Anders als bei Bundesgartenschauen geht die

bewerbe durch. Das gilt auch für die Großstädte am Rhein und in Rheinnähe, die Bundesgartenschauen ausgerichtet haben: Köln 1957 und erneut 1971, Dortmund 1959 und 1969, Essen 1965, Karlsru-

Entscheidung und Finanzierung einer Landesgartenschau direkt von den Kommunen aus, in Abstimmung mit dem jeweiligen Bundesland. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene geht es nicht nur um eine Leistungsschau des Gar-

he 1967, Mannheim 1975, Bonn 1979, Düsseldorf 1987, Frankfurt 1989, Gelsenkirchen 1997. 2011 hat die Bundesgartenschau in Koblenz stattgefunden. Das System der deutschen Bundesgartenschauen fügt sich in einen mehr oder weniger regelmäßigen Turnus internationaler Gartenschauen ein, der 1866 in London in Gang gesetzt wurde, und an dem sich Hamburg mehrmals beteiligte. Auch die Bundesgartenschau von 1993 in Stuttgart war zugleich eine internationale Gartenbauausstellung. Der manifeste Erfolg der Bundesgartenschauen hat die Bundesländer Bayern und BadenWürttemberg motiviert, im Jahr 1980 in Ulm und Neu-Ulm gemeinsam eine Landesgartenschau

tenbaugewerbes, sondern hauptsächlich um die Neuanlage von Parks und Grünanlagen sowie um den Ausgleich städtebaulicher Defizite, um Förderung des Tourismus und ganz allgemein um Stadtwerbung und Stadtmarketing. Innovative Gesichtspunkte und Maßnahmen zugunsten einer verbesserten und nachhaltigen Stadtentwicklung haben sich immer mehr in den Vordergrund geschoben. Gewerbeinteressen und öffentliche Interessen gehen hier oft eine gelungene Verbindung ein. Einige der Landesgartenschauen stellten das Verhältnis der jeweiligen Stadt zu ihrem Rheinufer in den Mittelpunkt. Einen besonders augenfälligen Rheinbezug wies die Bundesgartenschau in Bonn auf. Zwi-

durchzuführen. In Baden-Württemberg fand da-

schen Plittersdorf und dem Bundesviertel in

nach bis 2000 jährlich eine Landesgartenschau statt. Seit 2001 gibt es die Landesgartenschau nur alle zwei Jahre, aber im Zwischenjahr gibt es ein „Grünprojekt“, eine kleinere Ausprägung der

Bonn erstreckt sich dem Rhein entlang die sogenannte Gronau. Hier wurde schon 1901 eine Stadthalle eröffnet – Wilhelm II. nannte den Neo-Renaissance-Bau „Bierkirche“ –, deren wei-

Landesgartenschau für kleinere Städte und Gemeinden oder Teile von größeren Städten.

tes Podest noch heute einen schönen Blick auf den Rhein bietet. In der Gronau wurden für die

Gartenschauen am Rhein 49

42 ó Gartenschauen zeichnen sich auch durch die Nachhaltigkeit ihrer Projekte für Stadtbild und Stadtleben aus. Das Bingener Rheinufer wurde durch die Landesgartenschau Bingen 2008 dauerhaft zu einer wohlgeordneten und gepflegten Promenade ausgebaut.

Bundesgartenschau von 1979 landwirtschaftlich genutzte Flächen großzügig zu Parkwiesen, Seen, Hügeln und Promenaden umgestaltet, im Interesse eines großstädtischen Maßstabs für die damalige Bundeshauptstadt Bonn. Die Schau übertraf mit 160 ha die meisten Vorgängerausstellungen an Ausdehnung (Y Kap. 1.6). 1999 gab es eine Landesgartenschau in Weil am Rhein. Der Bezug zum Rhein war hier eher theoretisch, denn sie lag nicht am Rhein. Die Stadt Weil erhob aber den Anspruch, das Gartenschaugelände, das der schweizerisch-deutschen Grenze entlang gelegen war, stelle sich in ein erst noch zu entwickelndes Konzept einer (mit dem nahen Frankreich) trinationalen Grünraumplanung ein. 2004 fand in Kehl und Straßburg eine grenzüberschreitende Landesgartenschau mit einer umfangreichen parkartigen Neugestaltung der Rheinufer auf beiden gegenüberliegenden Seiten statt, die durch eine futuristisch anmutende Brücke (Mimram-Brücke oder Passerelle genannt) höchst symbolisch miteinander verbunden wurden. Leverkusen richtete 2005 eine Landesgartenschau aus, durch die eine ehemalige Giftmülldeponie am Rhein mit Planen und Abdichtungen saniert werden konnte (Neulandpark,

schaffen will. Mit dem Rheinpark auf dem Adelberg ist Rheinfelden bewusst an den Rhein herangerückt und nutzt die Aussicht auf die gegenüberliegende Rheinseite und das Naherholungsangebot. 2008 machte die Stadt Bingen die Begrünung ihrer Uferpartien, das alte Hafengelände und die Mündung der Nahe in den Rhein, zum Thema einer Landesgartenschau. Das Rheinufer rückte wieder näher in das Blickfeld und in die selbst-

2007 fand eine Landesgartenschau in Rhein-

verständliche Nutzung der Stadt. Wohnen direkt am Fluss wurde mit einer neuen Wohnbebauung auf dem Hafenareal Teil der Landesgartenschau.

felden (Baden) statt. Sie stellte sich in einen langfristigen Planungsprozess ein, der aus dem

Auch in Karlsruhe gab es einen Plan, mittels einer Bundesgartenschau zum 300-jährigen Be-

ehedem eher lockeren Verbund von vormals zahlreichen, erst seit rund 50 Jahren zusammengelegten Gemeinden einen erlebbaren Stadtraum

stehen der Stadt, also 2015, unter anderem die Rheinauen als öffentlich zugängliche Grünräume zu einem Landschaftspark auszubauen. Aber

Y Kap. 1.6).

50 Der Rhein: Geographie und Biologie

die Bundesgartenschaugesellschaft vergab diese Schau an die Havelregion. Die lange Geschichte der Gartenschauen am Rhein zeigt ein Stück Kultur, eine planmäßig erfolgte Nutzung der Naherholung am Rheinufer in der jeweiligen Ausprägung ihrer Zeit. Erhebliche Unterschiede werden allein schon durch die Siedlungsdichte und den Abstand des Rhein-

ufers zur Bebauung vorgegeben. Waren die ganz frühen Gartenschauen geprägt durch den Ausstellungswettbewerb des Gartenbaugewerbes, so wurden im Weiteren zunehmend die nachhaltige Naherholungsnutzung und die ökologische Entwicklung der Lebensräume von Mensch, Tier und Pflanze betont.

Gartenschauen am Rhein 51

1.8

Die Landschaft der Deiche in den Niederlanden Jan Smit

D

ie Uferlandschaften des Niederrheins und die der Niederlande sind grundsätzlich gleich: Es

sind die Landschaften des sedimentierenden Unterrheinlaufes. Jedoch bestehen Unterschiede zwischen dem deutschen und dem niederländischen Teil. Die wichtigsten sind: 1. Der deutsche Niederrhein ist im Wesentlichen nur der Unterlauf des Rheins, er besteht – abgesehen von vielen mehr oder wenig verlandeten Altrheinarmen – aus einem geschlossenen Ge-

wässerbett. Kurz unterhalb der Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden teilt sich der Rhein in mehrere Arme, die sich manchmal wieder treffen, aber als eigene Gewässer in der Nordsee bzw. in das IJsselmeer münden. 2. In den Niederlanden liegt nicht nur das Mündungsgebiet des Rheins, sondern auch das von Maas und Schelde. Das Wasser dieser Flüsse mischt sich, zumindest teilweise, bevor es die Nordsee erreicht.

43 ó Die Gabelung des Rheins nahe der deutsch-niederländischen Grenze bei Millingen – der Rhein verzweigt sich in seinen Hauptarm Waal und den Nebenfluss Nederrijn/Pannerdens Kanaal.

52 Der Rhein: Geographie und Biologie

3. Bei den Ablagerungen des Rheins am deutschen Niederrhein herrschen Kies und Sand vor, in den Niederlanden ist es vor allem Lehm. Durch die geringere Fließgeschwindigkeit in den Niederlanden haben sich im westlichen Teil des Mündungsgebiets Tiefmoore gebildet, wie in der Alblasserwaard und der Lopikerwaard östlich von Rotterdam. Die Geschichte der Uferlandschaften am Niederrhein und in den Niederlanden gliedert sich in zwei Zeitperioden: 1. Die Zeit vor dem Bau von Flussdeichen, bis etwa zum Jahr 1000. 2. Die Zeit nach dem Bau der Flussdeiche. Vor dem Bau der Flussdeiche hatte der Rhein ein freies Flussbett, das sich, je nach Gelände, zwischen einigen und bis zu mehr als 10 km Breite in der Niederung erstrecken konnte. Am Niederrhein und im östlichen Teil der Niederlande wurde diese Niederung durch Reste von Stauchmoränen begrenzt, im westlichen Mündungsgebiet hatte der Rhein durch das Fehlen solcher Hügel freies Spiel und vereinigte sich mit dem Mündungsgebiet von Maas und Schelde. Die Uferlandschaften gestalten sich je nach Art der Ablagerungen. Grobkörnige Materialien werden bei größerer Fließgeschwindigkeit abgesetzt, die feinkörnigen setzen sich erst ab, wenn der Fluss langsamer fließt (Y Kap. 3.5). Daraus entstehen unterschiedliche landschaftliche Gestaltungsformen: Die groben Ablagerungen wie sandiger Ton, senken sich bei Austrocknung weniger stark als die schweren feinkörnigen Ton-

44 ó Flussdünenbildung im Millingerwaard parallel zum südlichen Hauptstrom Waal.

Bei Hochwasser werden die Ablagerungen erneut nach dem existierenden Muster abgesetzt; steigt das Wasser weiter an, dann können Uferwälle durchbrochen werden und das Abflusssystem kann sich vollständig ändern. An den trockengefallenen Stellen kann der Wind Sand aufnehmen und im Abflussgebiet Flussdünen aufbauen. Die Uferwälle und Flussdünen sind die sichersten Wohnstätten, die ältesten Besiedlungen befanden sich hier. Vor dem Bau von Deichen waren

ablagerungen. Die grobkörnigeren Ablagerungen liegen in Form von Uferwällen etwas höher als die schweren Tonböden; beide erstrecken sich in langen Streifen entlang des Stroms: die Uferwälle näher am Wasser, die schweren Ablagerungen dahinter. Durch unterschiedliche Wasserstände ändert sich das Landschaftsbild der Flussufer:

45 ó Tonablagerungen am Waalufer bei Nimwegen.

Die Landschaft der Deiche in den Niederlanden 53

die schweren Tonböden unbesiedelt, hier wuchsen Sumpfwald oder Auenwald auf. Die Orte der

östlich der Dorfgebiete. Ihr Hauptziel war, die Wassernot der tieferen Teile des Kulturlandes ei-

Besiedlung konnten sich durch die Änderung der Abflusshöhen bei Hoch- und Niedrigwasser verla-

nes Dorfes zu lindern. Im Lauf der Zeit wuchsen daraus die sogenannten Dorfpolder, das sind die Deiche, die die ganze Dorfgemarkung umschlie-

gern, bestimmte Stellen sind jedoch seit der Römerzeit kontinuierlich besiedelt gewesen.

Landschaftsveränderung durch Deichbau Nach dem Bau der Deiche änderte sich die Gestalt der Uferlandschaften am Niederrhein und in den Niederlanden grundlegend. Die Änderungen vollzogen sich jedoch nicht in kurzer Zeit, weil es mehrerer Jahrhunderte dauerte, in den Niederlanden vom Jahr 1000 bis zum Jahre 1300, bis die Deiche im ganzen Flussmündungsgebiet vollendet waren und sie das Hinterland ausreichend sicherten. Angefangen hatte der Schutz der Bewohner durch den Bau von kurzen Querdämmen

ßen. Über eingedeichte Wässerungen wurde das überflüssige Wasser der Dorfpolder – am Anfang ohne künstliche Eingriffe – in den benachbarten Rheinstrom geleitet. Später wurden dazu Wasserwindmühlen errichtet (Y Kap. 3.4). Im Lauf der Zeit stellte sich heraus, dass die Zusammenarbeit von Dörfern notwendig war, weil durch den Hochwasserschutz bestimmter Dörfer andere umso stärker vom Wasser bedroht wurden. Es entstanden Deichgemeinschaften, die ganze Landstriche umfassten. Eine der frühesten Deichgemeinschaften, im niederländischen Flussgebiet „Polderdistricten“ genannt, war der „Bom-

46 ó Die Waal, der wichtigste Rheinarm in den Niederlanden, bei Beneden-Leeuwen, etwa 30 km westlich der Stadt Nimwegen. Der Banndeich im Vordergrund schließt an dieser Stelle einen nur schmalen Streifen Deichvorland ein.

54 Der Rhein: Geographie und Biologie

47 ó Der kleinste Flussarm, die Ijssel, zweigt kurz oberhalb von Arnheim vom Nederrijn ab. Trotz mehrerer Begradigungen hat sie mehr als Waal und Nederrijn ihren natürlichen Lauf erhalten.

melerwaard“, in der Nähe der Stadt Zaltbommel. In der Nähe von Kleve entstand zu dieser Zeit die „Brienerward“. Auf diese Weise wurden immer mehr Teile der Flussniederung eingedeicht, zugleich wurden die Deiche seit dem späten Mittelalter ständig erhöht. Die natürlichen Abflussrinnen – außerhalb des Hauptstroms des Flusses waren es insbesondere die tiefer liegenden schweren Tonböden – verloren für die Wasserabfuhr zusehends an Bedeutung, das heißt, das Wasser musste in immer engeren Abflussräumen abtransportiert werden. Aus diesem Grund traten trotz Stärkung der Deiche im Laufe der Zeit immer wieder Deichbrüche auf. Allerdings war nicht nur die Einengung des Flussbettes daran schuld, sondern auch die Abholzung der Wälder in den Mittelgebirgslagen, am Oberlauf des Rheins, in den Niederungen der Oberrheinischen Tiefebene und am Niederrhein. Außerdem senkten sich die trockengelegten Ländereien, weshalb Deichbrüche eine verheerende, nach und nach sich verstärkende Wirkung hatten. Nach dem Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert wurden deshalb die Höfe an den tieferen Stellen trotz Deichschutz auf künstlichen Anhöhen, sogenannten „Warften“ (im deutsch-niederländischen Grenzgebiet werden sie „Pollen“ genannt) gebaut, damit sie auch bei Deichbruch vor Überflutung geschützt waren. Das 19. Jahrhundert war die Zeit der Industriellen Revolution. Mit der Anwendung von Dampf-

kraft, später von Dieselmotoren und Elektrokraft, sowie durch neue Transportarten wuchsen die Möglichkeiten, Deiche umfassender als zuvor auszubauen. Nicht nur am Meer verstärkte sich in den Niederlanden die Eindeichung, auch im Rheinstromgebiet und am Niederrhein. Noch bis zu den 1960er-Jahren wurde durch Anwendung neuerer Techniken das Flussgebiet eingeengt, wie z. B. der Bylerward bei Emmerich am Niederrhein. Seit den 1990er-Jahren, insbesondere nach den Hochwassern von 1993 und 1995, wurden sowohl in den Niederlanden als auch am Niederrhein Programme entwickelt, mit denen man sich bemüht, die Abflussräume für den Rhein zu erweitern, indem man die Deiche rückverlegt und indem man Retentionsräume bildet. Zurzeit ist man mit deren Ausführung beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzung dieser Räume geht zu Ende, Auenwälder wachsen wieder auf, und an geeigneten Stellen bauen sich wieder Flussdünen auf. Diese Prozesse finden sowohl in den Niederlanden – z. B. in den Außendeichbereichen östlich von Nimwegen – als auch am Niederrhein statt, an der Bislicher Insel bei Xanten.

Weitere Informationen: – Bekhuis, J. et al. (Hrsg.): Land der lebendigen Flüsse. Die Auenlandschaft Gelderse Poort. o. O. 2002. – Ham, W. van der: Hoge dijken, diepe gronden, een geschiedenis van Schieland. Utrecht 2004. – Smit, J. G.: Manchmal geht der Nachbar auf Distanz. Niederländische Naturnetzwerke in „De Gelderse Poort“. in Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hrsg.): Natur- und Kulturerbe. Köln 2010.

Die Landschaft der Deiche in den Niederlanden 55

56 UK

2 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

U1 57

2.1

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse Martin Matter

D

er Umstand hat fast symbolische Bedeutung. Bereits wenige Kilometer nach seiner Quelle

in den Schweizer Alpen muss der Rhein, genauer: der Vorderrhein, erstmals massiv der Energiegewinnung dienen: Kostbarer Spitzenstrom wird erzeugt. Das Flüsschen verschwindet vorerst einmal in einem Stollen, nur ein Rinnsal plätschert im Bachbett abwärts; der Konflikt zwischen Stromerzeugung und Restwassermenge beginnt schon zwei Kilometer nach der Quelle. Auch der kleinere Bruder, der Hinterrhein, wird genutzt: Er speist zusammen mit dem Wasser aus 18 Gemeinden ein riesiges wasserwirtschaftliches Gesamtsystem. Und kaum fließen die beiden „Vorläufer“ zum echten Rhein zusammen, stoßen wir bei Reichenau-Tamins unweit Chur auf das erste Laufkraftwerk. Es blieb bis heute das einzige am Alpenrhein zwischen Reichenau und dem Bodensee; riesige neue Kraftwerksprojekte scheiterten in den 1980er- und 1990er-Jahren am umweltpolitischen Widerstand, sind aber noch nicht ganz abgeschrieben. Ab Schaffhausen am Hochrhein geht die Strompost dann wirklich ab: Ein Kraftwerk reiht sich an das andere. Als Stromproduzent dient der Rhein bis nach Iffezheim im Norden von Straßburg (Y Kap. 2.4). Ab Karlsruhe gibt es kei-

Nordsee liegen am Rhein 27 große Wasserkraftanlagen: Die erste, Rheinfelden, ging 1898 in Betrieb; die letzte, im Nederrijn (Deltarhein), folgte 90 Jahre später.

Fluss

Anzahl Anlagen

Vorderrhein Verbund

JahresLeistung produktion (MW*) (GWh**) 331

760

Hinterrhein Verbund

1390

Laufkraftwerke: Alpenrhein

1

18

107

Hochrhein

11

727

4475

Oberrhein

10

1406

8668

Deltarhein

3

12

50

Total

27

ca. 15 450

* 1 MW (Megawatt) = 1000 Kilowatt (kW). ** 1 GWh (Gigawattstunde) = 1 Million Kilowattstunden (kWh).

Tabelle 1 ó Die Wasserkraftwerke am Rhein.

Die Nutzung der Wasserkraft blickt auf eine lange Geschichte zurück. Während Jahrhunderten drehten sich Wassermühlen aller Art am Rhein und seinen Nebenflüssen, zuerst zum Mah-

ne weiteren Staustufen mehr im Rhein; für die

len, vom Mittelalter an auch für andere gewerbliche Tätigkeiten wie Sägereien. Solche Mühlen arbeiteten in der Regel mit unterschlächtigen

Schifffahrt sind sie nicht erforderlich, für eine ausschließliche Wasserkraftnutzung ist der Ein-

Wasserrädern und waren, wie etwa in Konstanz ab 1427, in eine Brücke eingebaut oder standen

griff in die Kulturlandschaft zu groß. Erst im Deltarhein gibt es nochmals etwas Stromerzeugung. Ab Quellgebiet bis zur Mündung in die

als Pfahlbauten am Ufer. Vorab am Alpenrhein sind auch frei schwimmende, an beiden Ufern befestigte Mühlen belegt. Am Hochrhein dürf-

58 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

ten in den besten Zeiten um die 100 Wasserräder in Betrieb gewesen sein. In geeigneten Re-

ortsgebunden sind. Erstes und wichtigstes Beispiel für diesen Entwicklungssprung ist das 1898

gionen ließen sich auch seitlich einmündende Bäche und Kanäle wie die Schwarzwald-Wuhren

vollendete Kraftwerk Rheinfelden. In den folgenden 90 Jahren entstanden am Hochrhein bis

oder die Basler Teiche für den Einsatz von (oberschlächtigen) Wasserrädern nutzen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen die

Basel elf, am Oberrhein zwischen Basel und Iffezheim weitere zehn Laufkraftwerke: Eine Perlenkette von Stromfabriken, an deren Ernte die

leistungsfähigeren Turbinen die Räder zu verdrängen, eigentliche Kleinkraftwerke entstan-

beteiligten Länder in sehr unterschiedlicher Art profitieren.

den. Aber noch nicht für die Stromerzeugung. Während längerer Zeit arbeiteten solche Anlagen mit Direktantrieb: Die Energie der Turbinen wur-

Rheinfelden und Augst-Wyhlen: Die Wiege der Stromkraft

de mittels einer Transmissionswelle an eine benachbarte Fabrik abgegeben oder gelangte mit Hilfe von Seiltransmission sogar über den Fluss an eine Fabrik am anderen Ufer. Der Einsatz solcher Kraftwerke blieb also örtlich beschränkt auf

Das früheste Stück der Energieachse bildet der Hochrhein mit seinem stetigen Gefälle, welches ideale Verhältnisse für die Energiegewinnung bietet: Rund 146 Meter Höhenunterschied sind es zwischen Bodensee und Basel. Die Geschichte der Wasserkraft und der Stromerzeugung am Hochrhein ist voller Superlative. Hier liegt die Keimzelle der europäischen Stromwirtschaft mit den Verbünden und den Überlandleitungen. Dass die erste Wahl auf Rheinfelden fiel, ist kein Zufall: Wegen relativ hoher Ufer bot sich die Gegend besonders an. Am 1. Mai 1895 began-

einige Hundert Meter. Mit dem Siegeszug der Elektrizität und ihrer fast unbegrenzten Möglichkeiten begann das Zeitalter der großen Wasserkraftwerke. In einer ersten Phase aber arbeiteten auch elektrische Anlagen noch im Inselbetrieb, das heißt, sie belieferten einen festgelegten Kundenkreis im Umkreis von einigen Kilometern mit Strom. Erst nach dem Bau der ersten Überland-Starkstromleitungen setzte die Zeit der modernen Stromfabriken ein, die ins Netz liefern und nicht mehr

WSP = Mittelwasserstand R.P.N. 373,60 400 Bodensee 395,43 m ü. M.

nen etwa 700 Paar Arbeiterhände zu schaufeln und zu pickeln für das Kraftwerk, das bald zur größten Baustelle Europas wurde. Mit seinen 20 Turbinenpaaren und einer Gesamtleistung von

Schaffhausen Rheinau

390,80

Thur Töss

Untersee

Eglisau

Reckingen

359,00

Wutach Aare

343,48

350

Albbruck-Doggern Laufenburg

331,94 311,24 299,44

300

289,69

RyburgSäckingen Schwörstadt Rheinfelden Augst-Wyhlen 281,14 268,99

261,00

254,25

250 Birsfelden 200 0 10 20 Brücke Konstanz

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

130

140

150

160 170 Rhein-km

48 ó Die Treppe der Wasserkraftwerke am Hochrhein, vom Bodensee bis Birsfelden – wo sich weitere zehn Kraftwerke am Oberrhein anschließen. Die Darstellung ist stark überhöht.

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse 59

49 ó Rhein bei Laufenburg vor dem Bau des Kraftwerks (1910 – 1914). Das Gemälde (176 × 123 cm) von Gustav Schönleber von 1912 befindet sich im Museum Schiff in Laufenburg (Schweiz). Eine erste Version (1908) desselben Gemäldes befindet sich in der Kunsthalle Karlsruhe.

vorerst 12 000 kW ist Rheinfelden das erste europäische Großkraftwerk, das zudem erstmals eine neue, bis heute gängige Technik einsetzte: den 50-Hertz-Drehstrom, eine wichtige Voraussetzung für den Stromtransport über große Distanzen. Das Kraftwerk wurde zu einem Wirtschaftsund Siedlungsmotor erster Güte; auf deutscher Seite entstanden die großen und energieintensiven Aluminium- und Chemieindustrie-Anlagen und parallel dazu die Ortschaft Badisch-Rheinfelden. Schon 1903 stieß das Kraftwerke an seine Leistungsgrenze. Der Boom führte wenige Jahre später zum Bau des benachbarten Doppelkraftwerks Augst-Wyhlen, das mit dem gemeinsam genutzten Stauwehr und der gemeinsam betriebenen Schleuse den Beginn der europäischen Verbundwirtschaft symbolisierte. Schlag auf Schlag ging es weiter. Die Nummer 3 am Hochrhein, das mit 110 000 kW Leistung viel größere Kraftwerk Laufenburg (erbaut 1908 – 1914), bildete einen neuen Meilenstein: Erstmals wagte man das Wehr und das Maschinenhaus nebeneinander in den Fluss zu stellen. In Laufenburg entstand das Vorbild für moderne Laufkraftwerke; vorher zwangen die Ingenieure den Fluss mit einem Damm in einen Kanal und bauten die Maschinenhäuser an den Ufern.

60 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Laufenburg ging auch aus einem anderen Grund in die Geschichte ein: Der gigantische Eingriff in die Natur – etwa 300 000 m3 Fels aus den dortigen Wasserfällen („Louffen“) mussten dem Kraftwerkbau geopfert werden – provozierte auch Widerspruch: Erstmals entstand eine grenzüberschreitende Protestaktion des Naturschutzes. Die vorab in Deutschland aktive Bewegung sensibilisierte erstmals breite Kreise in Europa für den Umweltschutz und gegen die Großtechnologie. Die ärmliche Bevölkerung um Laufenburg hingegen erhoffte sich vom Kraftwerk wirtschaftlichen Aufschwung. Im Jahre 1922 einigten sich die HochrheinUferstaaten auf ein Gesamtkonzept von zwölf zusammenhängenden Staustufen zwischen Schaffhausen und Birsfelden, die auch der grundsätzlich befürworteten Hochrheinschifffahrt Rechnung tragen sollten. Das leistungsstärkste Kraftwerk am Hochrhein ist heute noch Ryburg-Schwörstadt (1931) mit 120 000 kW – das sind zehnmal mehr als die Rheinfelder Pionier-Anlage. Wechselnden Zeitgeist und unterschiedliche Befindlichkeiten lassen sich an der Architektur ablesen: Während Kraftwerke wie Eglisau mit seinem imposanten roten Backsteinbau (1919) oder auch Birsfelden

(1954) als eigentliche Strompaläste konzipiert wurden, nahm das politisch höchst umstrittene

Dafür bemühen sich die Behörden und Kraftwerksbetreiber am Hochrhein in neuer Zeit nicht

Projekt Rheinau (1956) mehr Rücksicht auf die Umgebung und schuf ein geradezu bescheide-

nur um Leistungserhöhungen, sondern ebenso um mehr Umweltverträglichkeit und Fischgän-

nes Maschinenhaus. Das zwölfte und letzte Projekt Koblenz-Kadelburg wurde 1966 begraben, weil damals die Kernkraft in der Schweiz wie in

gigkeit. Spektakuläre Beispiele sind Rheinfelden und Albbruck-Dogern. Ab Ende 2010 liefert das in sieben Jahren komplett neu gebaute Kraft-

Deutschland das Ende der Wasserkraft zu besiegeln schien. Die als „Koblenzer Laufen“ bezeich-

werk Rheinfelden mit 116 MW Strom für etwa 160 000 Haushalte, verbunden mit einem natur-

neten Stromschnellen sind deshalb einer der wenigen naturnahen Abschnitte des Hochrheins geblieben und – abgesehen vom Rheinfall bei

nahen Aufstieg- und Laichgewässer. Mit einer Länge von rund 900 m und einer Breite von 60 m soll das Fließgewässer in dieser Größenordnung

Schaffhausen – der einzige Katarakt des Hochrheins, der nicht im langen Rückstau eines Wasserkraftwerks versunken ist. „Der Hochrhein ist heute eine Abfolge von Flussstauseen“, hält die internationale Rheinschutzkommission fest.

europaweit einzigartig werden; vom Lebensraum mit Stromschnellen, Rinnen und Kiesinseln sollen Fischarten wie Nasen, Forellen und Groppen ebenso profitieren wie beispielsweise Krebse. In Albbruck-Dogern wurde das bestehende Ka-

50 ó In Rheinfelden am Hochrhein ist das jüngste Rheinwasserkraftwerk im Bau – seit Dezember 2010 sind alle vier Turbinen in Betrieb. Es ersetzt das älteste Rheinkraftwerk von 1898, damals das größte Flusskraftwerk Europas. Der Neubau wurde so ausgelegt, dass Stromschnellen (das sogenannte „Gwild“) teilweise erhalten blieben. Im ehemaligen Kraftwerk-Zulaufskanal (rechte Rheinseite) soll eine „raue Rampe“ den Wanderfisch-Aufstieg erleichtern.

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse 61

Tabelle 2 ó Die Hochrheinkraftwerke in der Reihenfolge ihrer Entstehung.

Inbetriebnahme

Installierte Leistung (MW*)

Rheinfelden

1898

26

85

Augst-Wyhlen

1912

73

405

Laufenburg

1914

110

630

Eglisau

1919

34

240

Ryburg-Schwörstadt

1931

120

760

Albbruck-Dogern

1934

85

569

Reckingen

1941

39

234

Birsfelden

1954

100

555

Rheinau

1956

37

237

Schaffhausen

1963

29

168

Säckingen

1966

Name

Total * 1 MW = 1000 kW.

492 4475 GWh

** 1 GWh = 1 Million kWh.

nal- mit einem neuen Wehrkraftwerk ergänzt, was die Gesamtleistung um etwa ein Drittel auf 107 MW steigerte und eine Strommenge erzielt, die dem Verbrauch von rund 18 000 Haushalten entspricht. Die Inbetriebnahme Ende 2009 wertete dank deutlich erhöhter Restwasserabgabe die ökologische Qualität des Gewässers erheblich auf, die angrenzenden Auenwälder werden durchflutet. Auch in Albbruck-Dogern bildet ein naturnahes, 800 m langes Umgehungsgewässer, das wie in Rheinfelden sogar Lachsen den Aufstieg am Kraftwerk vorbei ermöglicht, das Kernstück der ökologischen Aufwertungsmaßnahmen. Die Hochrheinkraftwerke sind ausnahmslos in guter schweizerisch-deutscher Zusammenarbeit entstanden. Ihren Strom liefern sie entsprechend dem Gefällsanteil zu 56 % in die Schweiz und zu 44 % nach Deutschland. Ein Teil der Werke liefert ausschließlich nach „links“ oder nach „rechts“, andere teilen ihre Produktion auf. Grundlage bildete ein Staatsvertrag zwischen der Schweiz und dem Großherzogtum Baden aus dem Jahre 1879. Selbst während der beiden Weltkriege wurde der

62 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

74 727 MW

Jahresproduktion (GWh**)

Betrieb mit den oftmals gemischten Belegschaften nie ernsthaft gestört.

Der Oberrhein: Zwischen Kanal und Schlingen Die Stromnutzung am Oberrhein zwischen Basel und Neuenburg hat eine völlig andere Geschichte (Y Kap. 2.4). Die Nutzung setzte später ein als am Hochrhein, dafür umso massiver und mit entsprechenden ökologischen Folgen. Grundlegende Veränderungen in der Dynamik des Flusses brachte zuerst die „Bändigung“ und Verkürzung des mäandernden Rheins durch den badischen Wasserbauingenieur Tulla. 1862 war die Rheinkorrektur im Wesentlichen vollendet. Im 20. Jahrhundert folgte die Kanalisierung für die Stromproduktion und die Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen. Frankreich, das im Vertrag von Versailles 1919 als Kriegsentschädigung das Recht zur Ableitung und Wasserkraftnutzung des Rheins erhalten hatte, begann 1928, den Grand Canal d’Alsace zwischen Kembs und Breisach zu bauen. Vollendet werden konnte er indessen erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nicht

zuletzt dank Marshall-Geldern. Der Eingriff in die Umwelt war massiv. 98 % der Rheinwassermenge

und Energie Baden-Württemberg (EnBW) betrieben. Iffezheim soll bis 2012 dank einer fünften

fließt durch den betonierten Kanal; der „RestRhein“ führt seither eine kümmerliche Restwassermenge (Y Kap. 4.6). Zwischen 1932 und 1959 entstanden am Rheinseitenkanal vier Kraftwer-

Maschine zu einem der größten Laufwasserkraftwerke Europas und dem größten Laufwasserkraftwerk auf deutschem Boden ausgebaut werden. Bei der Nutzung der Oberrheinelektrizität be-

ke und Schleusen auf dem linken Ufer, Kembs, Ottmarsheim, Fessenheim und Vogelgrün. Gleich-

steht ein starkes Gefälle zwischen den beiden Partnerländern. Die ersten acht Kraftwerke im

zeitig mit Kembs baute man erstmals in Frankreich ein Pumpspeicherkraftwerk, das ähnlich arbeitet wie die zahlreichen Anlagen in den Al-

Rheinseitenkanal und in den Rheinschlingen befinden sich ausschließlich in der Hand des staatlichen französischen Energieherstellers EDF, der

pen. Der Höhenunterschied zwischen zwei natürlichen Seen im Naturschutzgebiet der Voge-

Strom geht nach Frankreich. (Einzige Ausnahme bildet Kembs: Die Schweiz hat Anrecht auf

sen (Lac Noir, Lac Blanc) wird zur Bereitstellung von Spitzenlaststrom genutzt, erzeugt mit billiger Nachtenergie aus Kembs.

20 % des Stroms, weil der Staubereich des Kraftwerks zu 20 % auf Schweizer Landesfläche zurückreicht.) Zur Partnerschaft fanden Frankreich

Die ökologischen Folgen des großen Kanalbetriebs am Oberrhein wurden nur zu bald sichtbar: Der Grundwasserspiegel sank stark ab, die Auen verödeten. Auf Drängen Deutschlands und seines Kanzlers Adenauer einigten sich die beiden Länder 1956 auf eine Teilkanalisierung, die sogenannte „Schlingenlösung“. Der Rhein führt jeweils für die Länge einer Staustufe mit Kraftwerk über französisches Land und wieder zurück zum Wehr. In rascher Folge entstanden auf dieser Basis die vier Kraftwerke Marckolsheim, Rhinau, Gerstheim und Straßburg. Bei dieser Bauvariante, verbunden mit dem Bau von zwei Kulturwehren im Altrhein,

und Deutschland erst im Vertrag von 1969: Danach entstanden die beiden gemeinsamen Laufkraftwerke Gambsheim und Iffezheim, deren Produktion hälftig zwischen den beiden Ländern geteilt wird.

bleibt etwa auf der Hälfte der Strecke das Rheinwasser dem alten Flussbett erhalten. Doch auch diese Lösung verursachte beträchtliche Nebenwirkungen, sodass man nun unterhalb von Straßburg zum sogenannten „Vollaus-

Dabei hatte der Versailler Vertrag von 1919 zwar Frankreich die Verwaltung der Staustufen und Kraftwerke zugesprochen, der Strom aus den Kraftwerken aber sollte auf beide Staaten verteilt werden. In Wirklichkeit wurde dies jedoch nie umgesetzt. 1956 musste die Bundesrepublik im Luxemburger Vertrag sogar ausdrücklich auf seinen Stromanteil verzichten. Dieser Vertrag war dennoch ein klassisches Geben und Nehmen: Frankreich verzichtete auf seine Pläne, den Grand Canal bis nach Straßburg weiterzubauen, und stimmte der Schlingenlösung zu. Im

bau“ des Rheins überging (Vertrag von 1969). Dabei wurde der Fluss zwischen neuen, meist unmittelbar bis an das Ufer herangezogenen Sei-

Gegenzug erreichte Frankreich die Kanalisierung der Mosel für größere Schiffe, um die lothringischen Industriegebiete zu erschließen. Der deutsche Verzicht auf die Hälfte des Stroms wurde im

tendämmen innerhalb seines nunmehr kanalar-

Vertrag mit den Mehrausgaben durch die Schlin-

tigen ausgebauten Bettes aufgestaut. Die beiden Kraftwerke Gambsheim und Iffezheim werden gemeinschaftlich durch Électricité de France (EDF)

genlösung begründet, ist aber wohl eher vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs zu sehen.

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse 63

Aufgrund ihres bescheideneren Alters erzeugen die Oberrheinkraftwerke heute mehr als dop-

rechte für die Stromproduktion, ohne auf die Bedürfnisse von Forst-, Landwirtschaft und Fische-

pelt so viel Strom wie die Anlagen am Hochrhein. Doch die Förderung des sauberen Stroms und der

rei Rücksicht zu nehmen. Doch heute wird eine andere Sprache gesprochen. Von der EDF selber stammt der Satz: „Der Rhein kann sowohl Strom

umweltfreundlichen Binnenschifffahrt hatte ihren Preis: Der Großteil der natürlichen Überschwemmungsgebiete ging verloren, die Hochwassergefahr stieg. Ab 1982 begannen die beiden Staaten Gegensteuer zu geben (Y Kap. 4.2).

als auch Lachse produzieren!“

Aare, Mosel, Main, Neckar…

2007 ist die Konzession des ältesten Ober-

Auch an den Nebenflüssen des Rheins spielt die Wasserkraft eine bedeutende Rolle. Wichtigster

rheinkraftwerks, Kembs, abgelaufen. Ihrer Erneuerung kam vor allem wegen der neuen Mindest-

Nebenfluss der Energieachse Rhein ist die Aare. Genau wie bei Vater Rhein wird auch die Aare

wassermengen eine ganz besondere Bedeutung zu. Denn die alte Kembser Konzession ist verantwortlich für dürftige Restwasserführung im bestehenden Flussbett (Altrhein): Frankreich überließ dem Kraftwerkbetreiber EDF die Wasser-

schon in ihrem Mündungsgebiet Grimsel in den Berner Alpen massiv zur Stromerzeugung genutzt: Unterhalb des Grimselstausees entstand ein weitverzweigtes Kraftwerksystem aus neun unterirdischen Zentralen mit einer Gesamtleistung, die jener eines großen AKW entspricht und Strom für eine Million Menschen liefert. Zur Jahreserzeugung von etwa 2300 GWh kommen noch rund

Name

InstalInlierte betriebLeistung nahme (MW*)

Jahresproduktion (GWh**)

Canal d’Alsace

760 GWh Strom aus dem Pumpspeicherbetrieb. Eine unvollständige Zählung der Wasserkraftanlagen im gesamten Rheinsystem unter Ein-

Kembs

1932

157

938

Ottmarsheim

1956

144

980

Fessenheim

1956

166

1030

1062

2300

1959

140

800

Aare (Grimsel)

9

Vogelgrün

Aare (Flusslauf)

28

420

2200

Fluss

„Schlingenlösung“

Anzahl Anlagen

Leistung (MW*)

Jahresproduktion (GWh**)

Marckolsheim

1961

152

928

Mosel

17

207

950

Rhinau

1963

152

936

Main

33

121

680

Gerstheim

1967

143

818

Neckar

26

101

569

Straßburg

1970

148

868

Ruhr

13

47

159

Saar

7

33

155

Lahn

10

13

65

Total

144

Staustufen Gambsheim

1974

96

650

Iffezheim

1977

108

720

Total 10 * 1 MW = 1000 kW.

1406 MW ** 1 GWh = 1 Million kWh.

Tabelle 3 ó Die Oberrheinkraftwerke.

64 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

8668 GWh

2014 MW 7078 GWh

* 1 MW = 1000 kW. ** 1 GWh = 1 Million kWh.

Tabelle 4 ó Stromproduktion an Nebenflüssen.

51 ó Auf der „Rheinschanzinsel“ bei Philippsburg (Landkreis Karlsruhe) befindet sich seit 1979 ein Kernkraftwerk (zweiter Reaktor seit 1984), betrieben von der EnBW Kernkraft GmbH. Es trägt zur Erwärmung des Rheins bei.

schluss der wichtigen Nebenflüsse und kleinerer Nebengewässer kam auf insgesamt etwa 2000 Groß- und Kleinwasserkraftwerke; 90 % davon sind Kleinanlagen mit Leistungen von weniger als 1 MW. Die gesamte installierte Leistung und die Jahresstromproduktion im ganzen Rheinsystem werden auf 5000 bis 6000 MW beziehungsweise 15 000 bis 20 000 GWh geschätzt.

Kernenergie: Vater Rhein kühlt Die Kernenergie ist für den Rhein insofern von Belang, als das französische AKW Fessenheim nördlich von Basel vollständig mit Flusswasserkühlung arbeitet. Der Rhein darf durch die beiden Kraftwerksblöcke um mehrere Grad erwärmt werden. Neben den zahlreichen Pannen im Betrieb bildet diese Erwärmung einen Hauptkritikpunkt von Umweltschützern in allen drei Ländern, die seit Jahren die Stilllegung fordern. Das AKW Fessenheim liefert mit rund 12 000 GWh fast

Teil Flusswasserkühlungen vorgesehen, wurden dann aber mehrheitlich mit Kühltürmen ausgerüstet. In der Schweiz ist die Flusswasserkühlung bereits seit 1971 verboten. Wenn alle Atomkraftwerke am Rhein auf Kühltürme verzichtet hätten, wäre der Rhein biologisch tot; davon sind deutsche Umweltschützer überzeugt. Wäre es nach den Plänen der AKW-Bauer gegangen, stünden weitere Reaktoren am Rhein. Das Projekt Kaiseraugst vor den Toren Basels musste wegen erbitterter Opposition der regionalen Bevölkerung – alles begann 1975 mit der Besetzung des Baugeländes – aufgegeben werden: Kaiseraugst wurde zum „energiepolitischen Vietnam“, wie eine Schweizer Zeitung es nannte. Die regionalen Mentalitätsunterschiede in der Schweizer Bevölkerung machten es indessen möglich, dass keine 40 km östlich von Kaiseraugst praktisch zeitgleich ein anderes AKW ohne nennenswerte Widerstände gebaut werden konnte

50 % mehr Strom als alle zehn Oberrhein-Flusskraftwerke zusammen. Bei der Planung der ande-

und 1984 in Betrieb ging: Leibstadt. Zeitgleich zu Kaiseraugst, nämlich 1975, lief

ren AKWs am Rhein, Biblis A und B, Philippsburg und Leibstadt (Schweiz) waren ursprünglich zum

in Wyhl am Kaiserstuhl dasselbe Szenario ab: die Besetzung des Baugeländes. Auch das Pro-

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse 65

jekt Wyhl musste angesichts der massiven Opposition aufgegeben werden. Eine ganz andere Ge-

Zur Zeit der Drucklegung dieses Textes (Herbst 2011) war die Zukunft der Kernenergie auch am

schichte spielte sich in Mülheim-Kärlich unweit von Koblenz ab: Das dortige AKW wurde zwar

Rhein völlig offen.

gebaut und ging 1986 in Betrieb, musste aber 1988 wegen gerichtlich festgestellter Mängel in der Baubewilligung wieder vom Netz genommen werden. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Mängel in letzter Instanz: Nach Meinung des Gerichts hätten die Erkenntnisse über die Erdbebengefährdung ein vollständig neues Genehmigungsverfahren erfordert. 1999 kam es zu einem Störfall im Reaktor. Das Kraftwerk wurde 2001 stillgelegt; der Rückbau wird noch Jahre dauern.

Geothermie am Oberrhein: Eine heiße Sache In Europa gehört der Oberrheingraben zu den geologisch „heißesten Zonen“: Hier werden Temperaturgradienten von über 50 °C pro 1000 m registriert. Allerdings muss man sehr weit hinunterbohren. In Tiefen von 4000 oder 5000 m sind Temperaturbereiche vorhanden, mit denen Kraftwerke betrieben werden können. Im elsässischen Soultz-sous-Fôrets ist in einem europäischen Verbundprojekt seit den späten

52 ó In Voerde (Kreis Wesel, Niederrhein), an der Mündung der Emscher in den Rhein, besteht seit 1970 ein Kohlekraftwerk. Es wurde 1982 / 85 um zwei Blöcke erweitert und erhielt – erstmals in Deutschland – eine Rauchentschwefelung. Das Kraftwerk bildet eine Etappe auf der touristischen „Route der Industriekultur“ (spezielle Themenroute „Großchemie und Energie“).

66 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

1980er-Jahren die „Hot-Dry-Rock“-Technologie entwickelt worden. Das Prinzip: Tiefenboh-

Damit zeigt sich, dass das Hot-Dry-Rock-Verfahren für eine seismisch sensible Gegend wie Ba-

rungen erschließen den Untergrund. Zwischen den Bohrungen liegende Klüfte und Risse wer-

sel zu riskant ist. Wenige Tage nach dem Abbruchentscheid der Regierung sprach das Basler Strafgericht den ver-

den kontrolliert zu einem System von Fließwegen ausgeweitet. Von oben hineingepresstes Wasser erhitzt sich in diesem System bis auf etwa 200 °C, wird wieder an die Oberfläche geleitet und treibt dort eine Turbine an; nach der Abkühlung wird es erneut in den unterirdischen Wärmetauscher hinab gepresst. In den 1990erJahren wurde in Soultz-sous-Fôrets erstmals in Mitteleuropa geothermischer Dampf erzeugt. Das Pilotkraftwerk für die Erzeugung von Strom und Wärme ging 2008 ans Netz. Einen schweren Rückschlag mussten die Geothermie-Bemühungen hingegen in Basel hinnehmen. Das verheißungsvolle Projekt, ebenfalls nach dem Hot-Dry-Rock-Prinzip, sollte dereinst Strom und Wärme für mehrere Tausend Haushaltungen liefern. Doch im Dezember 2006 verursachten die Wasser-Einpressungen zur allgemeinen Konsternation gut spürbare Erdbeben. Die Reaktionen in der Bevölkerung und in der Politik waren teilweise so heftig, dass das Projekt sofort gestoppt werden musste. Dass an eine Wiederaufnahme nicht zu denken ist, zeigten die im Dezember 2009 veröffentlichten Resultate der umfangreichen Risikoanalyse: Die Studie sagt zahlreiche weitere Beben mit Schäden voraus, wenn das Projekt weitergeführt wird. Die Basler Regierung hat es deshalb definitiv abgebrochen.

antwortlichen Geothermie-Projektleiter von der Anklage der vorsätzlichen Sachbeschädigung frei, was allseits mit Erleichterung registriert wurde. Zur Zufriedenheit funktioniert demgegenüber der geothermische Heizverbund in der Basler Vorortgemeinde Riehen: Seit 1994 wird heißes Thermalwasser genutzt, als Basis für zwei Blockheizkraftwerke, die das Wärmeniveau anheben. Das Fernwärmenetz versorgt über 200 Wärmeabnehmer und wird laufend ausgebaut. Eine Besonderheit in Riehen bildet die grenzüberschreitende Wärmeversorgung eines Stadtteils in Lörrach. Derweil werden die tiefengeothermischen Anstrengungen am Oberrheingraben fortgesetzt. 2007 ging in Landau (Pfalz) ein Geothermiekraftwerk in den Probebetrieb, bei dem mit 3 MW erstmals eine nennenswerte elektrische Leistung ins Netz geliefert werden konnte, parallel zur Produktion von Fernwärme. In Bruchsal bei Karlsruhe ging Ende 2009 ein weiteres Erdwärmekraftwerk mit einer elektrischen Leistung von 0,5 MW ans Netz; die Wärmeauskopplung soll später folgen. Laut geologischen Untersuchungen sollen zwischen Basel und Mannheim 300 Geothermiekraftwerke möglich sein, erklären enthusiastische Energieversorger.

Der Strom macht Strom – Der Rhein als Energieachse 67

2.2

Der Rhein als Transportweg Rüdiger Homberg

N

eben seinen vielen anderen Facetten hat der Rhein auch große Bedeutung für die Güter-,

In Westeuropa sind insgesamt Flüsse und Kanäle von fast 22 500 km Länge schiffbar, aller-

Personen- und Freizeitschifffahrt. Vor allem Güterschiffe sind auf dem Rhein öfter zu sehen als

dings in unterschiedlichen Dimensionen. Man unterscheidet generell zwischen Großschiff-

auf vielen anderen Flüssen in Europa. Eine funktionierende Wirtschaft ist Grundvoraussetzung für ein möglichst problemarmes Zusammenleben der Menschen. Um aber zu funktionieren, braucht die Wirtschaft ein gutes Transportsystem. Wo es schiffbare Flüsse gibt, sind sie integraler Teil dieses Systems; und umweltfreundlich zumal. Denn kein Transportmittel verbraucht,

fahrtsstraßen und Flüssen und Kanälen mit den sogenannten Freycinet-Maßen, die häufig nur noch touristische Bedeutung haben. Auf den Großschifffahrtsstraßen könnten sich in Zukunft vor allem Abladetiefen unter 2,5 m für das 135-m-Schiff als hinderlich erweisen. Alleine am deutschen Anteil des Rheins gibt es 22 Städte mit mehr oder weniger bedeutenden

auf die beförderte Tonne umgerechnet, weniger Energie als das Binnenschiff. Dies trifft umso mehr zu, je größer das Schiff ist und je ungehinderter es fahren kann. Der Rhein bietet hier den Vorteil, dass er von der Mündung in die Nordsee

Hafenanlagen für Güterschifffahrt, dazu kommen in Frankreich die elsässischen Häfen, die alle von Straßburg aus betrieben werden, und in der Schweiz die Häfen beider Basel. Die RheinHafenstädte in Deutschland sind (von der nie-

bei Rotterdam bis zur Staustufe Iffezheim, das heißt nahezu 700 km, schleusenfrei und ohne technisches Hindernis zu befahren ist – und das bei Tag und Nacht, ohne Wochenend- und Feiertags-Fahrverbot. – Ein einziges Binnenschiff kann rund 70 bis 100 Lastzüge und mehr als einen kompletten Güterzug ersetzen.

derländischen Grenzen stromaufwärts): Kleve, Emmerich, Duisburg, Krefeld, Mühlheim, NeussDüsseldorf, Köln, Andernach, Bendorf, Koblenz, Mainz, Gernsheim, Worms, Mannheim, Ludwigshafen, Speyer, Germersheim, Karlsruhe, Kehl, Breisach und Weil am Rhein. Hinzuzuzählen wären auch die Handelshäfen an den Rheinnebenflüssen, die ohne Zugang zum Rhein nicht denkbar wären. An der Wasserstraße Mosel-Saar sind das fünf Häfen, am Neckar drei. Die Häfen am

53 ó Fahrrinnentiefen des Rheins.

68 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

2,8 m

Emmerich

2,5 m

Duisburg

2,1 m

St. Goar Koblenz

Mainz

2,1 m

Iffezheim

Weil am Rhein

mind. 3 m

1,9 m

Hydrostatischer Stau bzw. Gleichwertiger Wasserstand (GIW)

Main zwischen Frankfurt und Bamberg sind seit Eröffnung des Rhein-Main-Donau-Kanals von zwei Seiten aus zu erreichen. Neben diesen öffentlichen Häfen gibt es am Rhein und seinen Nebenflüssen noch ungezählte private Länden, an denen etwa Kiesgruben Kies

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Güterverkehr auf den Wasserstraßen des Rheinsystems 1993 Bremen . nkan Amsterdam K ü s te

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München

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Keine Information

Basel Rheinfelden

54 ó Auf dem Rhein wird der bei Weitem größte Teil des Schiffs-Güterverkehrs in Deutschland abgewickelt.

55 ó Die Schleusen der Staustufe Iffezheim.

Der Rhein als Transportweg 69

56 ó Präzise Schiffsführung ist erforderlich: Ein talwärts fahrender, 185 m langer Vierer-Schubverband mit Containern begegnet einem Zweier-Schubverband in einer Flussbiegung bei Oberwesel.

alter Trenndamm

Fahrrinne

GIW

Felsabtrag

ehem. Binger Loch

ehem. II. Fahrwasser 0

50

100

150

200

250

57 ó Querprofil durch das Binger Loch.

58 ó Vor der Fahrrinnenverbreiterung in den 1960er-Jahren konnte immer nur ein Schiff die 30 m breite Passage zwischen den Riffs des Binger Lochs befahren.

70 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

300

m

59 ó Die gesunkenen Wracks zweier Schiffe brachten die Brücke von Karlsruhe-Maxau im Juni 1987 in Gefahr.

60 ó Schraubenschlepper mit mehreren Lastkähnen wurden in den 1950- / 1960er-Jahren von Schubschiffen abgelöst.

61 ó Dichter Schiffsverkehr auf dem Niederrhein bei Köln.

Der Rhein als Transportweg 71

62 ó Beladener Sechser-Schubverband auf Bergfahrt bei Duisburg; Länge: 265 m, Ladekapazität: 15 000 t.

und Sand auf Schiffe verladen oder andere private Firmen ihre Produkte verschiffen oder Rohware beziehen. Der nach Umschlagszahlen wichtigste Wirtschaftshafen am Rhein ist der „duisport“ in Duisburg mit 15,4 Millionen t und 300 000 TEU

ben Million TEU Containern und die Schweizer Häfen zählen. Die größten Schiffe, die auf dem Rhein unterwegs sind, können bis zu 6000 t laden und sind bis 135 m lang. Schubverbände können eine Länge bis zu 265 m erlangen. Schubschiffe sind in

Containern Umschlag pro Jahr (2009). Aber auch die Häfen in Neuss-Düsseldorf, Köln, Mannheim, Ludwigshafen oder Karlsruhe können mit beachtlichen Umschlagszahlen bei der Tonnage

der Lage, bis zu sechs sogenannte Schubleichter mit bis zu insgesamt 16 000 t Güter vor sich her zu schieben. Die Schubschifffahrt ist die effizienteste Variante der Binnenschifffahrt. Al-

bzw. bei TEU Containern aufwarten. Sie alle gehören zu den zehn bedeutendsten Binnenhäfen

lerdings passen so lange Schubverbände nicht in die zehn Schleusen am Ober- und Hochrhein.

in ganz Europa, zu denen auch die Straßburger Häfen mit dem Spitzenwert von gut einer hal-

Schwierigkeiten haben lange Schiffe und Verbände auch auf der Gebirgsstrecke des Mittelrheins,

72 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

63 ó Containerschiffe mit 20- und 40-Fuß-Containern: Stellagen sichern die Container gegen Verrutschen. Die großen Containerschiffe auf dem Rhein sind 135 m lang und 17,5 m breit und können bis zu 160 Container laden.

wo etwa bei der Loreley für Schiffe dieser Art ein durch Ampeln geregelter Einbahnverkehr eingerichtet ist. Besonders geeignet ist das Binnenschiff zum Transport von Massengütern wie Kohle, Baustoffe, Mineralölprodukte, Lebensmittel, Kraftfahrzeuge oder Schrott. Zunehmende Bedeutung erlangt aber auch der Stückgutverkehr in Containern. An nahezu allen Hafenstandorten befinden sich inzwischen Terminals zum Umschlag von Containern zwischen dem Binnenschiff einerseits und der Straße und der Schiene andererseits. Manche kleinere Hafenstandorte wie etwa Germersheim oder Wörth am Oberrhein leben nahezu nur vom Containerumschlag. Prognosen gehen dahin, dass der Schiffsverkehr auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen bei entsprechender Wirtschaftsentwicklung zuneh64 ó Massenguttransport im Koppelverband aus Motorschiff (hinten) und Schubleichter.

Der Rhein als Transportweg 73

65 ó Fahrgastkabinenschiff auf dem Mittelrhein oberhalb der Loreley.

men wird. Und es ist ebenfalls zu erwarten, dass sich die Schiffsgrößen steigern werden und das 135-m-Schiff in wenigen Jahren das Standardschiff auf dem Rhein sein wird. Dies hätte allerdings zur Folge, dass der Schiffsverkehr auf den Nebenflüssen einbrechen könnte, denn diese großen Schiffe können vor einem – allerdings bereits geplanten und teilweise schon in Gang

befindlichem – Ausbau der Schleusen etwa den Neckar oder die Mosel nicht mehr befahren. Annahmen gehen zudem dahin, dass vor allem der Containerverkehr zunehmen wird. Dem trägt z. B. die Straßburger Hafengesellschaft dadurch Rechnung, dass sie ihr Containerterminal in Lauterburg nahe der deutschen Grenze von 20 auf immerhin 60 ha kräftig ausweitet.

Weitere Informationen: – Trapp, R.: Vom Schleppzug zum Schubverband. Die Entwicklung der Binnenschiffahrt nach dem 2. Weltkrieg. Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen 5, 1985. – Statistisches Bundesamt. Wiesbaden: www.destatis.de / Publikationen / Fachveröffentlichungen / Verkehr – Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt e. V. (BDB): Geschäftsbericht sowie Faltblatt Daten & Fakten; jeweils jährlich. Duisburg. www.binnenschiff.de – Dollhoff, J.: Rheinschiffahrt. Ausflüge in die Geschichte des großen Stroms. Hamburg 1999. – Looz-Corswarem, C. von, u. Mölich, G.: Der Rhein als Verkehrsweg. Schriftenreihe der Niederrhein-Akademie, Band 7. Bottrop 2007. – Rings, H.: Mannheim auf Kurs. Hafen- und Schifffahrtsgeschichte der Stadt an Rhein und Neckar. Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim Nr. 20. Mannheim 2003.

74 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Zentralkommission und 2.3 Schifffahrtsbehörden Urs Weber

B

innenwasserstraßen werden von Behörden überwacht und unterhalten. Am Rhein sind

sei eine internationale Kommission einzusetzen. Am 15. August 1816 trat diese „Rhein-Zentral-

dafür sowohl internationale als auch nationale Behörden zuständig. Für die Schifffahrt auf dem

kommission“ erstmals in Mainz zusammen. Sie erarbeitete die „Mainzer Akte“, die am 31. März

Rhein ist mit dem als „Mannheimer Akte“ bekannten Staatsvertrag eine der inzwischen ältesten internationalen Behörden geschaffen worden, die „Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR)“ (nl. Centrale Commissie voor de Rijnvaart, frz. Commission Centrale pour la Navigation du Rhin). Die „Mannheimer Akte“ ist die Grundlage für

1831 verabschiedet wurde. Ihre Signatarstaaten waren nun weit weniger zahlreich als 1648, nämlich Baden, Bayern, Frankreich, Hessen, HessenNassau, die Niederlande und Preußen. Ihr erstes Ziel war die Freiheit für die Schifffahrt für Schiffe und Flöße jedweder Herkunft. Die Ziele des Abkommens von 1831 waren – und sind noch heute – die Freiheit der Schiff-

diese Zentralkommission. Schon im Westfälischen Frieden von 1648 war die Freiheit der Rheinfahrt – für Schiffer ebenso wie für Flößer – statuiert und im Frieden von Rijswijk 1697 erneut proklamiert worden, aber sie konnte sich nicht

fahrt, die gleiche Behandlung der Schiffer und Flotten, die Freistellung von Schifffahrtsabgaben, einfache Zollsysteme, die Verpflichtung der Anrainerstaaten zur Instandhaltung des Stroms, einheitliche Vorschriften über Schiffssicherheit

durchsetzen. Die Rheinanliegerstaaten waren zahlreich; 1794 z. B. zählte man zwischen Germersheim und Rotterdam 53 Zollstationen, die teils Warenzölle, teils Wegzoll (sogenanntes „Lizent“), teils beides einzogen. Die napoleonische Revolutionsregierung reduzierte in der „Konvention über das Rheinschifffahrtsoktroi“ von 1805 die 31 Zollstationen zwischen Straßburg und den Niederlanden auf zwölf Stationen. 1815 tagte der Wiener Kongress, und ein-

und Schiffsverkehr, eine einheitliche Gerichtsbarkeit für Schifffahrtssachen (Rheinschifffahrtsgerichte) sowie die Überwachung der Grundsätze durch die „zentrale Kommission für die Rheinschifffahrt“.

mal mehr wurde beschlossen, die Fahrt auf dem Rhein sei für Schiffe aller Nationen zugänglich, und es gebe für die Rheinfahrt keine Zölle, Stapelgebühren oder andere Abgaben. Diesmal blieb der Erfolg nicht aus, denn es wurde erstmals beschlossen, für den Rhein und die Rheinschifffahrt

Mainz, Mannheim, Straßburg 1861 wurde die Rheinzentralkommission von Mainz nach Mannheim verlegt. Am 17. Oktober 1868 wurde die „Mannheimer Akte“ verabschiedet, die die Regelungen von 1831 ersetzte und die letzten Rechte auf Sonderabgaben, die die Niederlande noch 1831 durchgesetzt hatten, aufhob. Die „Mannheimer Akte“ hat noch heute als Grundlagendokument für die Rheinschifffahrt Bestand.

75

Wiener Kongress

1815

Gründung des Zentralausschusses für die Rheinschifffahrt; Gründung der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR; 1817) Mannheimer Akte

Zentralkommission für die Rheinschifffahrt Genehmigung der Umsetzung des Gesamtprojekts für die Rheinkanalisierung von Basel bis Straßburg und der Regulierungsarbeiten von Basel bis Straßburg. Luxemburger Abkommen

1868

(1961) (1963) (1967) (1970)

Staustufen: Gambsheim Iffezheim

(1974) (1977)

Vereinbarung zur Änderung und Ergänzung der Zusatzvereinbarung von 1975 zum Vertrag von 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweier/Lauterburg; Durchführun der Geschiebezugabe unterhalb der Staustufe Iffezheim und der daraus resultierenden Folgemaßnahme.

Grenzvertrag zwischen Baden und Frankreich Beschluss über die Rheinkorrekturarbeiten von Tulla

1906

Zentralbeschluss für die Rheinschifffahrt Regulierungsarbeiten stromabwärts von Straßburg

Rheinregulierung

1919

1907 – 1956 von Straßburg bis Lauterburg 1956

Rheinregulierung von Idstein bis Straßburg mit dem Bau des Rheinseitenkanals 1928 – 1959 „Grand Canal D‘Alsace“ 1968 1969

Schlingenlösung 1961 – 1970 Staustufenbau 1970 – 1977

Versailler Vertrag Gründung des Zentralausschusses für die Rheinschiffahrt sowie dessen Ständigen Technischen Komitees

1925

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg; u. a. Errichtung von vier Staustufen, Bau von Kulturwehren und Schwellen. Staustufen:

Mainzer Akte Erste Rheinschiffahrtsakte mit einheitlichen Grundsätzen für die Rheinschifffahrt.

1840

Freiheit und Gleichheit der Rheinschiffahrt: Freistellung von Schifffahrtsabgaben, Vereinfachung der Zollabfertigung, Verpflichtung der Vortragsstaaten ihren Stromabschnitt zu unterhalten und auszubauen, um so alle Schiffshindernisse zu beseitigen, ständige Überwachung auf Einhaltung der Prinzipien der Rheinschiffahrtsakte durch die ZKR, etc.

Marckolsheim Rhinau Gerstheim Straßburg

1831

Rheinkorrektur 1817 – 1874

Staustufen: Kembs Ottmarsheim Fessenheim Vogelgrün

Bonner Konferenz Hochwasseruntersuchung durch einen Fachausschuss (1968 – 1978)

Pariser Abkommen Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweiler/Lauterburg; Errichtung von zwei Staustufen und Ausbau des Rheins unterhalb der Staustufe Iffezheim zur Verhinderung der Erosion des Rheinbettes

1975

Zusatzvereinbarung zum Vertrag von 1969 über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/Straßburg und Neuburgweiler/Lauterburg; Errichtung einer Staustufe in Neuburgweiler/Lauterburg; Deutschfranzösische Vereinbarung über den Bau des Kulturwehres Kehl auf Grundlage des Luxemburger Abkommens

1997

Deutsch-französische Vereinbarung über den Bau, Betrieb und Unterhaltung von Fischpässen an den Staustufen Iffezheim und Gambsheim

1982

66 ó Zeittafel bedeutender internationaler Abkommen und über den Ausbau des Oberrheins.

76 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

(1932) (1952) (1956) (1959)

Mitglieder der Zentralkommission sind heute die Niederlande, Belgien, Deutschland, Frank-

„Mannheimer Akte“ die letzte größere Überarbeitung der Vorschriften.

reich und die Schweiz; die EU hat Beobachterstatus. Der Zentralkommission obliegt die Regelung

Die Kommission tagt zweimal jährlich. Dazu kommen die Sitzungen von Unterkommissio-

der Schifffahrt von Basel (Mittlere Brücke) bis zu den Mündungen. Zur Rheinfahrt sind Schiffe aller Nationen (also nicht nur aus den Signa-

nen – im „Palais du Rhin“ in Straßburg wird an rund 100 Tagen im Jahr getagt. Die Kommission hat mehrere Verordnungen erlassen, die Rhein-

tarstaaten) in gleicher Weise zugelassen. Die Beschlüsse der Zentralkommission, in der die fünf

schifffahrtspolizeiverordnung, die Rheinschiffsuntersuchungsordnung, die Verordnung über die

Mitgliedstaaten das gleiche Gewicht haben, erfolgen einstimmig. Danach sind die Mitgliedstaaten gehalten, sie in einem festgelegten Zeitraum

Beförderung gefährlicher Güter und die Verordnung über die Patente für die Schifffahrt auf dem Rhein. Hinzu kommen zahlreiche techni-

in nationales Recht umzusetzen. Nach dem Ersten Weltkrieg, mit dem Versailler Vertrag, wurde die Zentralkommission neu geregelt, der Sitz wurde von Mannheim nach Straßburg verlegt und mit einem ständigen Se-

sche Spezialvorschriften, Richtlinien und Empfehlungen, die eine einheitliche Anwendung und Auslegung der Vorschriften in den Mitgliedstaaten sicherstellen sollen. Die Rheinzentralkommission hat eine eigene

kretariat ausgestattet, das heute rund 20 Mitarbeiter zählt. 1963 erfolgte mit einer Revision der

Fahne: sechs goldene Sterne und ein goldener Anker auf blauem Grund.

67 ó Dem Palais du Rhin in Straßburg fehlt es nicht an Pracht, auch nicht im Inneren.

Zentralkommission und Schifffahrtsbehörden 77

EFIN Die Niederlande, Deutschland, Belgien, Frankreich und die Schweiz setzten im Frühjahr 2004 eine freie Arbeitsgruppe aus hochrangigen Politikern und Fachleuten ein und baten sie um einen Bericht über die generelle wirtschaftspolitische Situation der europäischen Binnenschifffahrt. Die Arbeitsgruppe legte im Oktober 2004 ihren

nenwasserstraße Rhein zu betreuen, an den Kanton Basel-Stadt delegiert. Diese Aufgabe obliegt der Rheinschifffahrtsdirektion in Basel, die nicht nur die Häfen in Basel-Stadt und Baselland, sondern auch die Wasserstraße rheinaufwärts betreut. Für den Abschnitt von Basel rheinaufwärts bis Rheinfelden, wo die Großschifffahrtsstraße endet, ist die Zentralkommission nicht zuständig.

Bericht unter dem Titel „European Framework for Inland Navigation“ vor; man spricht seit-

In Frankreich obliegen seit 1991 der Amtsstelle „Voies Navigables de France (VNF)“ die

her von der EFIN-Gruppe. Ihr Bericht heißt auf Deutsch „Neuer institutioneller Rahmen für die Europäische Binnenschifffahrt“. Die EFIN-Grup-

Aufsicht und der Unterhalt von 6800 km Binnenwasserstraßen (bei einer Summe von 8500 km in

pe stellte fest, dass es viele politische Willenserklärungen für eine Stärkung der Binnenschifffahrt gibt, dass ihnen aber wenige Taten folgen. In ihrem Bericht schlug sie vor, für die Stärkung der Schifffahrt im gesamten Europa (inkl. Ukraine, Russland etc.) wäre eine „Europäische Ministerkonferenz für die Binnenschifffahrt“ zu schaffen, der ein „Europäisches Binnenschifffahrtsamt“ und ein „Interventionsfonds für die Europäische Binnenschifffahrt“ beizugeben wären. Die Diagnose der Gruppe, es fehle der Binnenschifffahrt an politischem Gewicht, scheint eher auf den Donauraum als auf den Rheinraum gemünzt zu sein. Von der gesamten per Binnenschiff transportierten Fracht entfallen 80 % auf den Rhein und seine Nebenflüsse. Auf die Donau und ihre Nebenflüsse entfallen weitere 13 %. Die Reaktionen auf den EFIN-Bericht sind nicht sehr zahlreich.

Nationale Zuständigkeiten Der Unterhalt der Wasserstraße und die polizeiliche Betreuung des Schiffsverkehrs sind Sache der nationalen Behörden, und diese sind an die Beschlüsse der Zentralkommission gebunden. In der Schweiz ist die Binnenschifffahrt seit 1918 Bundessache. Der Bund hat seine Kompetenz, den kurzen Schweizer Anteil an der Bin-

78 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

ganz Frankreich). Die VNF untersteht nicht dem Transport-, sondern dem Umweltministerium, und sie hat ihren Sitz nicht in Paris, sondern in Béthune (Dépt. Nord). Die VNF hat eigene Rechtspersönlichkeit, sie kann Anleihen zur Finanzierung von Ausbauten auflegen, und sie wird von einem Verwaltungsrat geführt. Dessen Präsident und der Generaldirektor leiten den Betrieb, der nahezu 5000 Mitarbeitende umfasst (inkl. zahlreicher Schleusenwärter) und sich auf 13 regionale Direktionen erstreckt. Für den Rhein ist die Regionaldirektion Straßburg zuständig. Die VNF erhebt von den Schiffseignern Abgaben, aber die Rhein- und Moselfahrt sind davon – dank der „Mannheimer Akte“ – ausgenommen. In Deutschland ist der Bund für die Binnenschifffahrt zuständig. Beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gibt es deshalb eine Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Sie führt sieben regionale Wasser- und Schifffahrtsdirektionen (WSD), die regional selbständig operieren. Ihnen unterstehen insgesamt 39 Wasser- und Schifffahrtsämter mit 143 Außenbezirken. Mit dem Rhein befassen sich die Direktionen West und Südwest. Die WSD West (in Münster) ist zuständig für den Rhein in Nordrhein-Westfalen, also von der niederländischen Grenze bis zur Grenze zu Rheinland-Pfalz, sowie für das sogenannte westdeutsche Kanalnetz

(Ruhr, Wesel-Datteln-Kanal, Datteln-Hamm-Kanal, Dortmund-Ems-Kanal etc.). Der Direktion

dem Unterhalt der Wasserwege beauftragt. Der Rhein berührt nirgendwo belgisches Gebiet, aber

Südwest (in Mainz) obliegt der Mittel- und Oberrhein von der nordrhein-westfälischen Landes-

er ist mehrfach durch Wasserwege mit Belgien verbunden.

grenze bis zur schweizerischen Grenze in Basel, Teile des Neckars, der Mosel, der Saar und der Lahn. Mit dem Main, dem Main-Donau-Kanal und

In den Niederlanden ist für die Binnenschifffahrt das „Ministerie van Verkeer en Waterstaat“ zuständig. Seine Behörde für die Wasserstraßen

dem deutschen Abschnitt der schiffbaren Donau befasst sich die WSD Süd (in Würzburg). Fach-

heißt „Rijkswaterstaat“, ein überaus traditionsreiches, im 18. Jahrhundert gegründetes Gebil-

lich werden das Ministerium und die Direktionen durch die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Karlsruhe und die Bundesanstalt für Gewässer-

de, dessen Mitarbeiter auch heute noch zu einem großen Teil in Uniform arbeiten. Dem Rijkswaterstaat unterstehen heute zehn regionale Dienst-

kunde (BfG) in Koblenz unterstützt. In Belgien wird die Binnenschifffahrt von den Regionen betreut. Beim „Ministère Wallon de l’Equipement et des Transports“ ist dafür die „Direction générale des voies hydrauliques“ zu-

stellen, die an die Stelle der früheren Direktionen getreten sind. Alle Signatarstaaten der „Mannheimer Akte“ haben sich verpflichtet, für Rheinschifffahrtssachen spezielle Gerichte einzusetzen. Es sind in

ständig, und beim flämischen „Departement Mobiliteit en Openbare Werken“ ist die Abteilung „Haven- en Waterbeleid“ mit der Aufsicht und

der Regel ordentliche Zivil- und Strafgerichte in rheinnahen Regionen, nebst Berufungsgerichten, die mit diesen Aufgaben betraut sind.

Zentralkommission und Schifffahrtsbehörden 79

2.4

Der Ausbau des Oberrheins Martin Stieghorst

68 ó Rhein-Mäander bei Karlsruhe-Wörth mit der von Tulla geplanten Trasse des Durchstichs 1819.

I

m etwa 320 km langen Oberrheingraben zwischen Basel und Mainz war der Fluss vor den 1817 beginnenden Ausbaumaßnahmen ein Wildstrom, der aufgrund seines Gefälles drei Abschnitte von unterschiedlicher Charakteristik aufwies. Im Süden, kurz unterhalb von Basel, begann die Furkationszone. Sie erstreckte sich bis in den Bereich von Murg- und Lautermündung zwischen Rastatt und Karlsruhe und ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Strom in zahlrei-

den. Bei Hochwasser wurden je nach Abflussmenge mehr oder weniger große Teile des Korridors überflutet. Nach Norden schließt sich die Mäanderzone an, die bis in den Raum Worms reicht. In ihr bildete der Strom ein geschlossenes Bett aus, das in großen Schleifen die 10 bis 12 km breite Rheinniederung durchfloss und dessen Ufer bereits bei wenig erhöhten Abflüssen überströmt wurde. Auch hier verlegte der Rhein sein Bett stän-

che, flache, vielfach gewundene Arme auffiederte, deren Lage sich ständig veränderte; sie vereinigten sich, teilten sich bald erneut; das Wasser baute Kiesbänke auf und trug sie wieder ab. Es

dig, geriet dabei immer wieder mit den äußeren Bögen seines Laufs an den Rand der Rheinniederung und trug dann weitere Teile des anschließenden, höher gelegenen Geländes der Nieder-

gab mehr als 2000 Inseln in dem Korridor von 2 bis 3 km Breite, den der Fluss einnahm. Das Was-

terrasse ab. Durch diese Seitenerosion entstand ein ausgeprägter Geländesprung von bis zu 12 m

ser bewegte sich wegen der vielen Windungen insgesamt verhältnismäßig langsam nach Nor-

Höhe, dessen Kontur die Grenze der beiden Landschaftseinheiten heute noch markiert.

80 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Auf dem nördlichen, relativ kurzen Abschnitt unterhalb von Worms und vollends unterhalb von

sach auf der linken Rheinseite. Im 10. Jahrhun-

Oppenheim streckt sich der Lauf des Rheins. Sein Bett bleibt in der Nähe des linksseitig anschlie-

denn sowohl links als auch rechts war sie von Wasserarmen begrenzt. Im 13. Jahrhundert verlagerte sich der Strom erneut nach Osten, Breisach befand sich wieder auf der linken Seite. Im

ßenden Hügellandes, zu dem das Ufergelände sanft oder nur mäßig steil ansteigt. Aufgrund des geringen Gefälles bildeten sich in diesem Abschnitt mehr als 20 größere Inseln. Wegen der ständigen Überflutungen war eine geregelte Nutzung der rheinnahen Gebiete kaum möglich. Wochenlang staute sich das Wasser auf den Feldern. Das Grundwasser stand dicht unter der Geländeoberfläche; große Bereiche waren versumpft und boten Stechmücken ideale Lebensbedingungen. Das führte zu Malaria-Erkrankungen bei der Bevölkerung; aber auch Typhus und Ruhr stellten eine ständige gesundheitliche Bedrohung dar. Siedlungsversuche endeten häufig als Katastrophe, wenn das Wasser die Gebäude zerstörte. In Neuburg fiel z. B. das berühmte Münster den Fluten zum Opfer; im 16. Jahrhundert wurde Rheinau überschwemmt, in den Jahren 1615 und 1652 Daxlanden. Im Jahr 1758 versank Knaudenheim in den Fluten, es wurde auf der Niederterrasse als Huttenheim neu aufgebaut. Nach dem Untergang von Dettenheim im Jahr 1813 wurden die Einwohner nach Karlsdorf umgesiedelt; die Abteien von Honau und Seltz gingen unter. Zwar gab es viele Bemühungen, die Fluten des Rheins an den Siedlungsflächen vorbei zu lenken. Dazu wurden Mäander durchstochen und Leitwerke aus Dämmen gebaut. Diese Maßnahmen waren jedoch darauf gerichtet, einzelne Gefahrensituationen zu entschärfen; sie waren nicht aufeinander abgestimmt, vielfach technisch unvollkommen und hielten nachfolgenden Fluten nicht lange stand. Geradezu kurios ist die Geschichte der Stadt Breisach, die sich auf einer Felsformation über die Rheinebene erhebt: Zur Römerzeit lag Brei-

dert befand sich die Ansiedlung auf einer Insel,

14. Jahrhundert verlegte der Strom sein Bett nach Westen, sodass die Stadt nunmehr – und bis heute – auf der rechten Rheinseite zu liegen kam. Streitereien sowohl zwischen den Anrainergemeinden als auch zwischen den Staaten erwuchsen aus der Tatsache, dass als Grenzen der jeweiligen Hoheitsgebiete der „Thalweg“, das heißt die Hauptabflussrinne, galt, und diese änderte ständig ihre Lage. Deshalb waren regelmäßige „Flussbefahrungen“ nötig, auf denen der jeweils aktuelle Verlauf der Grenze festgestellt wurde. Der vom Rhein geprägte Korridor beherbergte damals eine Pflanzen- und Tierwelt von höchster Vitalität, deren ungeheure Zahl an Arten und Individuen von anderen Räumen in Mitteleuropa wohl kaum übertroffen wurde (Y Kap. 1.3). Die herausragende Qualität der Lebensräume ist durch die vielen Eingriffe, besonders durch den Ausbau des Stroms, weithin verloren gegangen.

Die „Rectification“ durch Johann Gottfried Tulla Johann Gottfried Tulla (1770 – 1828) war derjenige, der über lokale Planungen und Maßnahmen hinaus ein umfassendes Konzept zur Zähmung des Rheins – die „Rectification“ – ausarbeitete und in zum Teil zähen Verhandlungen die Zustimmung Frankreichs erreichte. Nach seinen Plänen wurde die Trasse des Rheinbettes auf eine bestimmte Linie festgelegt. Der Strom wurde also daran gehindert, sein Bett wie bisher ständig zu verlagern. Der Rhein erhielt einen gestreckteren Verlauf; dazu wurden zahlreiche Mäander durchstochen und Krümmungen begradigt. Das ließ sich relativ leicht bewerk-

Der Ausbau des Oberrheins 81

mit Steinen beschwert. Die Durchstiche und BePhilippsburg Germersheim Rußheim

gradigungen verkürzten den Rheinlauf zwischen Basel und Mannheim um 85 km. Die Laufverkürzung bedeutete, dass das Gefälle des festgelegten Rheins größer wurde. Als Folge grub sich der Rhein stärker als bisher in den Untergrund ein. Vor allem im Raum südlich von Brei-

Leimersheim Leopoldshafen

Karlsruhe

Lauterbourg

Steinmauern 69 ó Rheinverlauf von 1817 und die Trasse der von Tulla geplanten „Rectification“.

stelligen: Es musste nur ein schmaler Leitgraben ausgehoben werden. Das strömende Wasser erweiterte ihn fast ohne menschliches Zutun. Notwendig war es allerdings, das neue Ufer solide zu befestigen. Dazu wurden Faschinen, mächtige, lange Reisigbündel, am Ufer versenkt und

sach war das Maß der Tiefenerosion beträchtlich. Es betrug bis zu 5 m. Die Absenkung der Flusssohle war von Tulla beabsichtigt, wenngleich nicht überall in dem tatsächlich eingetretenen Umfang. Dass mit den sinkenden Wasserständen des Rheins auch die Absenkung des Grundwassers in der benachbarten Aue einherging, war von Tulla nicht geplant. Immerhin konnte das vorher versumpfte Land nun bewirtschaftet werden. Um zu verhindern, dass Hochwasser weiterhin große Flächen der Niederung überfluteten, wurde der neue Rheinlauf mit Deichen gefasst. Tulla war klug genug, sie nicht unmittelbar am Rheinufer, sondern in einem deutlichen Abstand, in der Größenordnung von etwa 175 m, vorzusehen. So blieb genügend Raum, in dem Hochwasser sich ausbreiten konnten. Im Jahr 1817 wurde der erste Mäander, bei Knielingen in der Nähe von Karlsruhe, durchstochen. Weil die Bewohner sich weigerten, die auferlegten Frondienste zu leisten, wurde Mili-

km2 1000

Deichbau (Honsell/Tulla)

800 660 km2 600

Erosion (von Basel bis Breisach)

400 80 km2 130 km2

200 Verbleibendes Überschwemmungsgebiet

130 km

2

1800 1820 1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 1996

82 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Oberrheinausbau bis Iffezheim Jahr

70 ó Rückgang der Auenflächen zwischen Basel und Iffezheim seit Tulla.

tär entsandt, das die Durchführung der Arbeiten erzwang. Später änderte sich die Stimmung in

Ausbau zur Großschifffahrtsstraße durch Max Honsell

den Dörfern am Rhein und die Tulla’schen Baumaßnahmen wurden hoch gelobt. Die Arbeiten

Im Jahr 1765 erfand James Watt die erste brauchbare Dampfmaschine; 1829 baute George Steven-

der Rheinkorrektion zogen sich hin bis zum Jahr 1874, sodass Tulla die Vollendung seines Lebenswerkes nicht mehr erlebte.

son seine berühmte Dampflokomotive „Rocket“; die erste Eisenbahnlinie in Deutschland, Nürn-

Heutzutage wird die Rheinkorrektion unterschiedlich beurteilt. Einerseits kann die Leistung

berg – Fürth, wurde 1835 in Betrieb genommen. In diese Zeit fällt auch die Entwicklung von Dampfschiffen.

Tullas kaum hoch genug eingeschätzt werden: Die von ihm auf den Weg gebrachten Maßnahmen bewirkten eine bis dahin nicht erreichbare

Nach den Plänen von Johann Gottfried Tulla war das Bett des rektifizierten Rheins für die Aufnahme hoher Abflussmengen, nämlich für

Hochwassersicherheit für die Siedlungsflächen, sie machten die geregelte Nutzung der Rheinniederung möglich. Die Staatsgrenze wurde präzise festgelegt. Der Zugewinn an wissenschaftlichen Erkenntnissen für den Flussbau durch Tullas

die doppelte Niedrigwassermenge und das heißt, in großer Breite ausgebaut worden. In ihm ver-

Überlegungen, Berechnungen und von ihm selbst entwickelte Messinstrumente ist bedeutend. Seine Prognosen haben sich in den meisten Fällen als richtig erwiesen. Andererseits hat die Rheinkorrektion auch Nachteile verursacht. Der gravierendste ist der, dass das Ausmaß der Sohlenerosion in bestimmten Stromabschnitten die von ihm angestrebten Werte überstieg. Der Rheinwasserspiegel senkte sich im Lauf der Zeit über das berechnete Maß ab. Die seitlichen Grundwasserspiegel fielen entsprechend. Aus ehemaligen Auen wurden sogar Trockenstandorte, deren land- und selbst forstwirtschaftliche Nutzung nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist. Inzwischen haben in den rheinnahen Bereichen mit ihrem sensiblen Wasserregime weitere problematische Ent-

lagerte sich die gewundene Talweglinie des Wassers; Kiesbänke und Kolke folgten aufeinander; sie waren in ständiger, stromab gerichteter Bewegung. Zahlreich waren die Untiefen bei Niedrigwasser, an denen der Wasserstand gelegentlich nur 70 cm betrug. Deshalb konnten die neu erfundenen Raddampfer zunächst nur dann verkehren, wenn der Strom genügend Wasser führte, also bei mittleren und hohen Wasserständen, und die gab es nur während sieben bis acht Monaten im Jahr. Immerhin waren es Sensationen, als im Jahr 1823 das Räderboot „Rijn“ den Strom bis nach Straßburg und einige Jahre später der Dampfer „Stadt Frankfurt“ bis nach Basel hinauffuhren. Der sich zwischen 1860 und 1880 verstärkende Schiffsverkehr diente vor allem dazu, Passagiere zu befördern. Es war Max Honsell (1843 – 1910), der sich der „Niedrigwasserregulierung“ annahm. Er hatte im Jahr 1889 seine Schrift „Die Wasserstraße zwi-

wicklungen stattgefunden. Dazu gehören das fast unbesehene Anwachsen von Siedlungsflächen und die Verwendung chemischer Produkte in der intensivierten Landwirtschaft. Ohne

schen Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-Straßburg. Canal oder Freier Rhein?“ veröffentlicht. In ihr argumentierte er, der Rhein könne durch Regulierungsbauwerke zu einer leistungsfähigen

die Rheinkorrektion hätten diese Umweltbelastungen dort wohl nicht entstehen können. Aber

Wasserstraße für Großschiffe ausgebaut werden;

man kann sie deshalb Tulla nicht anlasten.

dies sei dem Bau von Kanälen längs des Rheins, die damals auch diskutiert wurden, vorzuziehen.

Der Ausbau des Oberrheins 83

71 ó Buhnenbau am Oberrhein zu Beginn der 1950erJahre: Mit Länge, Höhenlage und Zahl der Buhnen wird die Befahrbarkeit bei geringem bis mittlerem Abfluss optimiert.

gestrebt wurde. Es dauerte dann allerdings noch sechs Jahre, bis die Bauarbeiten begannen. Die wesentlichen Arbeiten in diesem Bereich waren im Jahr 1913 erbracht. Nach den Plänen von Honsell wurden die Stromsohle an zahlreichen, genau bestimmten Stellen befestigt, sodass das strömende Wasser die Kolke auffüllte und die Kiesbänke abtrug. Weiterhin wurde der Abflussquerschnitt des rektifizierten Rheins durch Buhnen verengt. Diese

Honsell konnte schließlich die Regierungen von Baden, Bayern und Elsass-Lothringen für seine Pläne gewinnen und legte im Jahr 1896 / 97 den Entwurf für die Herstellung des Niederwasserbet-

Steinriegel, die im Abstand von ungefähr ihrer anderthalbfachen Länge zueinander angeordnet wurden, waren in Höhe, Länge, Längsneigung und Querprofil geradezu individuell entworfen. Unter den Nachfolgern Honsells wurde dieser Aufwand bei Planung und Ausführung zugunsten vereinfachter Planungsparameter und Ausführungsweisen aufgegeben. Unbestritten blieb es, die Buhnen so niedrig anzulegen, dass sie bei höheren Abflussmengen überströmt werden. Das bewirkt, dass die Abflusskapazität des Gesamtquerschnittes bei Hochwasser so gut wie erhalten bleibt. Sowohl Honsell als auch seine Nachfolger erreichten es, die vergleichsweise geringe Niedrigwassermenge zusammenzudrängen, sodass sie an Höhe gewann und das vertragliche Ziel von 2 m Fahrwassertiefe gewährleistet wurde. Die Fahrwasserbreiten ergaben sich aus der Forderung, dass unterhalb der Murgmündung ein Floß von 27 m Breite und ein Bergschleppzug mit

tes in dem 85 km langen Streckenabschnitt zwischen Straßburg und Sondernheim vor, der im Jahr 1901 zu einem entsprechenden Staatsver-

drei Kähnen, für die eine Fahrbreite von 50 m angenommen wurde, bei 15 m Spielraum und oberhalb zwei Schleppzüge im Begegnungsverkehr ge-

trag führte. Bei mittlerem Niedrigwasser sollte eine durchgehende Fahrwassertiefe von 2 m ge-

fahrlos einander passieren können sollten. Daraus resultieren Fahrwasserbreiten von 92 m und 88 m.

währleistet werden, das gleiche Maß, das auch für die Strecke von St. Goar nach Mannheim an-

Die Regulierungsmaßnahmen an den anderen Oberrheinstrecken wurden durch den Ersten

72 ó Steinsenkwürste in Faschinenhüllen werden zum Buhnenbau vorgefertigt; 1950er-Jahre.

84 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Weltkrieg unterbrochen. Danach war es schwierig, für den Stromabschnitt oberhalb von Straß-

dem Entwurf für einen Seitenkanal zwischen Hüningen und Straßburg auf. Es sollten acht Weh-

burg eine einvernehmliche Ausbaulösung zu finden. Die deutsche und die schweizerische Seite

re im Abstand von jeweils etwa 15 km und einem

befürworteten die Weiterführung der Stromregulierung; dagegen plädierte Frankreich für den Bau eines Kanals. Im Jahr 1925 beschloss schließlich die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, in der die beteiligten Staaten vertreten waren, die Regulierung oberhalb von Straßburg zu genehmigen, und im Jahr 1929 wurde die technische und institutionelle Mitarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz vereinbart. Im Jahr 1931 begannen an drei Stellen die Arbeiten, bei denen in den Anfangsjahren nahezu 1200 Arbeiter vor Ort beschäftigt wurden. Ab dem Jahr 1936 war die Regulierung im Wesentlichen ausgeführt und die Großschifffahrt bis Basel ununterbrochen möglich. Unterhalb von Sondernheim wurden die Regulierungsmaßnahmen zwischen 1924 und 1937 bis Speyer / Mannheim fortgeführt. Sie zogen sich insgesamt bis zum Jahr 1956 hin.

Grand Canal d’Alsace zwischen Märkt, Basel und Breisach Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren die technischen Möglichkeiten so weit entwickelt, dass elektrische Energie in großem Umfang erzeugt und über lange Strecken transportiert werden konnte. In dieser Zeit wurde das Kraftwerk Rheinfelden, oberhalb von Basel, gebaut. Es nahm im Jahr 1898 seinen Betrieb auf. Im Jahr 1902 legte eine deutsch-französisch-schweizerische Gruppe einen Entwurf vor, der als Vorläufer für die weiteren Planungen der Stauanlage bei Kembs gilt. Jedoch gelang es nicht, die Stauanlage bis zum Jahr 1914 zu bauen. Dann setzte der Erste Weltkrieg den Aktivitäten ein Ende. Auf der Grundlage des Versailler Vertrags, Artikel 358, wartete Frankreich im Jahr 1920 mit

Gefälle zwischen 10,2 m und 14,2 m gebaut werden. Konkretisiert und beschlossen wurden zunächst die Planungen für die Staustufe Kembs: Das Wasser des Rheins sollte mit einem Wehr bei Märkt, 5,5 km unterhalb der französisch-schweizerischen Grenze, in einen Kanal umgeleitet und zu Kraftwerk und Doppelschleuse bei Kembs geführt werden. Da der Aufstau des Wassers bis zur Birsmündung oberhalb von Basel reicht, wurde festgelegt, dass auch die Schweiz an dem Gewinn des Kraftwerkes Kembs zu beteiligen ist. Im Jahr 1932 ging dieser erste Abschnitt des Grand Canal in Betrieb. Für die Schifffahrt bedeutete er eine erhebliche Erleichterung; denn auf dem Kanal konnte die Passage durch die gefährlichen Felsriffe auf der Stromsohle bei Istein (Y Kap. 1.1) umgangen werden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kanal mit den Staustufen Ottmarsheim (1952), Fessenheim (1956) und Vogelgrün (1959) bis Breisach weitergebaut. Der Ausbaudurchfluss der vier Kraftwerke beträgt jeweils 1160 m³ / s (Y Kap. 2.1). An jeder Stauhaltung bestehen zwei Schleusen von 185 m Länge. Die eine ist 12 m, die andere 24 m breit. Der Kanal besitzt eine Sohlbreite von 80 m, eine Wassertiefe von 12 m und eine Wasserspiegelbreite von 150 m. Als folgenreich erwies es sich, dass er als betonierte, das heißt dichte Wanne erstellt wurde: Das Wasser des Rheins im Kanal und das seitliche Grundwaser stehen nicht mehr in Kontakt miteinander (Y Kap. 3.3 und 4.4). Um die dadurch verursachten Grundwasserabsenkungen im Bereich des Grand Canal zu mildern, wurde zwischen 1962 und 1965 bei Breisach ein Kulturwehr errichtet, in dem das Wasser des „Rest-Rheins“ um bis zu 8 m angestaut und der abgesunkene Grundwasserspiegel entsprechend angehoben wird.

Der Ausbau des Oberrheins 85

Schlingenlösung zwischen Breisach und Straßburg

Jahr 1956 dazu, dass Frankreich im „Luxembur-

Die Schäden und negativen Wirkungen des Grand Canal auf Grundwasser und Landeskultur, die auf

ger Abkommen“ von 1956 auf die Weiterführung des Grand Canal verzichtete und der „Schlingenlösung“ zustimmte. Hierbei wird das Rheinwas-

der Strecke zwischen Basel und Breisach in den 1950er-Jahren offensichtlich wurden, hätten

ser mit Hilfe eines Wehres in einen Kanal ausgeleitet und zu Schleusen und Kraftwerk geführt.

sich bei der Fortsetzung des Kanalbaus bis in den Raum Kehl-Straßburg ausgedehnt. Das wurde als nicht akzeptabel angesehen und führte im

Unterhalb dieser Anlagen fließt es zurück in das Rheinbett und bleibt dort bis zur nächsten Anlage in etwa 15 km Entfernung.

73 ó Verlust an Auenflächen durch den Ausbau des Rheins zwischen Breisach und Iffezheim.

450

Pegel Worms km 443,40

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Pegel Mannheim km 424,40

Pegel Speyer km 400,60 400

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Ausbau bis Iffezheim

Pegel Maxau km 362,32

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Vogelgrün

Pegel Kappel km 261,03

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vor Ausbau (Stand 1955) (F Basel – Iffezheim 220 km2)

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Strasbourg

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nach Ausbau (F Basel – Iffezheim 90 km2)

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Verlust an Rententionsfläche (130 km2 = 60 %)

Pegel Straßburg km 294,90

Pegel Breisach km 225,50

Fessenheim 200 Ottmarsheim Kembs

km 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5

Breite der Retentionsfläche F

86 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Staustufen am Oberrhein Rheinkilometer

Pegel Basel km 166,58

74 ó Schlinge Gerstheim mit Sperrwerk (vorn) und Ausleitungsstrecke mit Kraftwerk und Schleuse (links und im Hintergrund). 75 ó Grundschwelle im Rheinbett zur Anhebung der seitlichen Grundwasserstände im Abschnitt der Schlingenlösung.

Dadurch werden die Wasserstände in dieser unteren Teilstrecke des Rheinbettes wie bisher erhalten, sodass Grundwasserabsenkungen hier kaum eintreten. Anders ist es unterhalb der Wehre, in den Abschnitten, in denen das Wasser ausgeleitet ist: Da hier nur sehr wenig Wasser im Rheinbett verbleibt, sinkt der Flusswasserspiegel. Um dem entgegenzuwirken, sind niedrige, feste Schwellen im Rheinbett eingebaut, hinter denen sich das Wasser staut (Y Kap. 3.3). Die Aufstauhöhe an den Kraftwerken beträgt etwa 10 bis 12 m, sodass hohe Dämme erforderlich sind,

um das seitliche Ausfließen des Wassers zu verhindern. Nach diesem Prinzip wurden in den 1960er-Jahren die vier Schlingen Marckolsheim (1961), Rhinau (1964), Gerstheim (1967) und Straßburg (1970) gebaut. Der Ausbaudurchfluss beträgt einheitlich 1400 m³ / s (Y Kap. 2.1).

Der Ausbau des Oberrheins 87

76 ó Staustufe Iffezheim mit Schleusen, Kraftwerk, Absperrdamm und Wehr.

Staustufen unterhalb von Straßburg Unterhalb der letzten Stauhaltung des Schlingenabschnittes setzte eine verstärkte Sohlenerosion ein, die im ersten Jahr nach dem Dammschluss die Flusssohle um nicht weniger als 150 cm eintiefte und dazu führte, dass der Niedrigwasserspiegel im Bereich des sich bildenden

ßenden Stromabschnitt gebaut werden müssten. Dies zu tun, wurde im Vertrag der beiden Staaten von 1969, dem „Pariser Abkommen“, als gemeinsame Handlungsdirektive vereinbart. Im Unterschied zur Schlingenlösung wurde der Rhein nun nicht mehr ausgeleitet. Dadurch wurde die Flächeninanspruchnahme erheblich redu-

Erosionskeils um 60 cm sank. Es war zu befürchten, dass die Wassertiefe im Straßburger Hafen und in der Einfahrt der Schiffe in die Schleusen der Schlinge Straßburg über kurz oder lang nicht

ziert. In der Achse der Staustufe wurden unmittelbar neben dem Strombett auf der einen Seite das Wehr, auf der anderen Kraftwerk und Schleusen angelegt. Waren die baulichen Anlagen auf

mehr ausreichen würden. Gemeinsame deutschfranzösische Studien kamen zu dem Schluss,

beiden Seiten fertiggestellt, wurde in einer groß angelegten, genau geplanten Aktion ein Damm

dass zwei Staustufen und eventuell auch eine dritte an dem gemeinsamen, nördlich anschlie-

zwischen Wehr und Kraftwerk geschüttet. Tonnenschwere Felsbrocken, mächtige Bruchstein-

88 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

77 ó Staustufe Iffezheim am 26. März 1977: Die letzten LKW-Ladungen an grobem Gestein, Kies und Sand zur Verriegelung des bisherigen Rheinbettes werden eingebaut.

stücke, aber auch feineres gebrochenes Material sowie Kies und Sand wurden im Wettlauf mit dem sich anstauenden Wasser in das Flussbett verfüllt. Als der Damm fertiggestellt war, konnte das Wasser nur noch durch die Turbinen des Kraftwerks und über das Wehr abfließen. Dämme an den Ufern des Strombettes hindern auch hier das Wasser seitlich auszufließen. Auf diese Weise wurden in sieben Jahren die Staustufen Gambsheim (1974) und Iffezheim (1977) hergestellt. Die Fallhöhe beider Anlagen beträgt jeweils 10,25 m, der Ausbaudurchfluss jeweils 1100 m³ / s (Y Kap. 2.1). Sobald der Betrieb der Staustufe Gambsheim begonnen hatte, erniedrigte sich die Schleppspannung unterhalb der Stauanlage Straßburg, sodass die Tiefenerosion dort nicht weiter fortschritt. Dafür setzte sie unterhalb der neuen Staustufe ein. Sie endete, als die Staustufe Iffezheim ihren Betrieb aufnahm. Nun trat dasselbe Problem unterhalb dieser Anlage auf. Deshalb wurden die Planungen für die nächste Staustufe bei Neuburgweier, wenige Kilometer südlich von Karlsruhe gelegen, begonnen. Zur Konkretisierung der Ausbauweise wurde eine weitere zwischenstaatliche Regelung, die „Zusatzvereinbarung“ zum Vertrag von 1969, beschlossen. Planungen für eine weitere Staustufe im Raum Germersheim und damit allein auf deutschem Hoheitsgebiet wurden vorbereitet. Es schien so, als ob es zur Verhinderung der Sohlenerosion unvermeidlich wäre, immer weitere

Staustufen zu bauen. Darüber hinaus wurden die bisherigen Nachteile des Rheinausbaus für den Naturhaushalt und den Hochwasserschutz immer offensichtlicher.

Geschiebezugabe statt noch mehr Staustufen Nachdem sich die Geschiebezugabe (Y Kap. 3.5) als brauchbare Alternative herausgestellt hatte, wurde im Jahr 1982 zwischen Deutschland und

Karlsruhe Staustufen

Geschiebezugabe

Iffezheim Ausbau im Strom

Gambsheim Straßburg

Kehl

Straßburg Gerstheim

Schlingenausbau

Rhinau Marckolsheim

Breisach

Vogelgrün Fessenheim

Rheinseitenkanal

Ottmarsheim Kembs Basel

78 ó Schemaplan über den Ausbau des Oberrheins.

Der Ausbau des Oberrheins 89

Iffezheim

Straßburg

Gerstheim

Rheinau

Marckolsheim

Vogelgrün

Geschiebefang

GIW – 2,10 m-Vertiefung Iffezheim – St. Goar

NW-Regulierung Sondernheim – Mannheim (Rheinau) Spiess/Wittmann

NW-Regulierung Istein – Straßburg (*) Großschifffahrt ganzjährig bis Straßburg (1913)

(*)

MW-Regulierung Worms – Mainz

NW-Regulierung Straßburg – Sondernheim Honsell

1880

Korrektion Korrektion (Hessen) (Baden/Bayern) Kröncke Tulla

Korrektion (Baden, Frankreich) Tulla

1860

GIW – 2,50 m-Vertiefung Köln – Koblenz

Binger Leitwerk 120 m-Fahrrinne

Großschifffahrt ganzjährig bis Basel (1936)

1900

Geschiebezugabe

Ausbau am Urmitzer Werth Ausbau am Weißenthurmer Werth

1920

Geschiebezugabe

MW-Regulierung Mainz – Eltville (Hessen/Nassau) MW-Regulierung Eltville – Bingen (Hessen/Preussen)

Augst-Wyhlen

1940

Fessenheim

1960

Kembs

Birsfelden

Ottmarsheim

1980

Stauregelung Gambsheim

Rheinseitenkanal Schlingenausbau

2000 Jahr

Verbreiterung Binger Loch auf 30 m 2. Stufe

MW-Regulierung Bingen – Emmerich II. Fahrwasser (Preußen) Nobiling 1. Stufe

1840 Verbreiterung Binger Loch auf 23 m (*) dargestellt ist jeweils die Dauer der „ersten Anlagen“, nach der das Ausbauziel für die Schifffahrt im Wesentlichen erreicht war. Anschließend fand noch ein „weiterer Ausbau“ statt, der der Bestandssicherung diente.

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km 650

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Korrektion (Baden/Bayern) Tulla

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1820

79 ó Ausbauarbeiten am Rhein zwischen Basel und Rolandseck.

Frankreich vereinbart, dass der Bau der Staustufe Neuburgweier zurückgestellt wird, solange sich diese „Ausbauart“ als problemlos erweist. Die Vereinbarung von 1982 zur Änderung und Ergänzung der Zusatzvereinbarung ist bis heute gültig. Die Geschiebezugabe ist die Voraussetzung

haltes verursacht wurden und sich die Hochwassergefahr unterhalb der Ausbaustrecke drastisch verschärfte. Bereits die Vereinbarung von 1982 enthält Festlegungen zur Hochwasserretention, nach denen die Vertragspartner die damals vorgesehenen Maßnahmen bis zum Jahr 1990 hät-

dafür, dass vor allem die ökologischen Qualitäten der stromnahen Bereiche und ihre bedeutenden Leistungen zur Hochwasserrückhaltung am nicht mit Staustufen ausgebauten Oberrhein-

ten verwirklichen sollen. Es ist zukunftsweisend, dass heute nicht wie bis zur Vollendung der letzten Staustufe die Thematik des technischen Ausbaus im Vordergrund

abschnitt erhalten bleiben. Das ist umso not-

steht, auch wenn gelegentlich immer noch Stim-

wendiger, weil durch die Rektifikation und den „Vollausbau“ zwischen Breisach und Iffezheim erhebliche Beeinträchtigungen des Naturhaus-

men laut werden, die den Bau weiterer Staustufen propagieren. Die weiterführenden Überlegungen richten sich heute darauf, wie die Risiken,

90 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Schäden und Nachteile, die durch den Ausbau verursacht wurden, beseitigt oder wenigstens

Maßnahmen der Staaten und deutschen Bundesländer räumlich übergreifend gebündelt und be-

gemildert und zusätzliche Qualitäten entwickelt werden können. Das kommt unter anderem im

schlossen sind. Die Realisierung erfordert nicht nachlassende

Aktionsplan Hochwasser der IKSR aus dem Jahr 1998 zum Ausdruck, in dem die vorgesehenen

technische, finanzielle und politische Anstrengungen.

Weitere Informationen: – Bernhardt, Ch.: Die Rheinkorrektion. Die Umgestaltung einer Kulturlandschaft im Übergang zum Industriezeitalter. In: Der Bürger im Staat. Hrsg.: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 50. Jhg. Heft 2 2000, S. 76 – 81. – Cassione, H. u. Spieß, K.: Johann Gottfried Tulla. Sein Leben und Wirken. Karlsruhe 1929. – Honsell, M.: Die Wasserstraße zwischen Mannheim-Ludwigshafen und Kehl-Straßburg – Canal oder freier Rhein? Centralblatt der Bauverwaltung. Berlin 1890. – N. N.: Ausbau des Rheins zwischen Kehl / Straßburg und Neuburgweier / Lauterburg. o. O. 1972. – Hochwasserstudienkommission für den Rhein: Schlußbericht. Bonn 1978. – IKSR: Aktionsplan Hochwasser 1995 – 2005. Bericht Nr.156. www.iksr.org – Rechtliche Regelungen zwischen Frankreich und Deutschland über den Rheinausbau: 1.: Versailler Vertrag. 2.: Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Oberrheins zwischen Basel und Straßburg von 1956 („Luxemburger Abkommen“). 3.: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl/ Straßburg und Neuburgweier / Lauterburg von 1969 („Pariser Abkommen“). 4.: Zusatzvereinbarung zum Vertrag von 1969 über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl / Straßburg und Neuburgweier / Lauterburg von 1975. 5.: Vereinbarung zur Änderung und Ergänzung der Zusatzvereinbarung von 1975 zum Vertrag von 1969 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über den Ausbau des Rheins zwischen Kehl / Straßburg und Neuburgweier / Lauterburg von 1982.

Der Ausbau des Oberrheins 91

2.5

Trinkwasser Urs Weber

V

on seinen alpinen Ursprüngen bis in die Niederlande ist der Rhein Trinkwasserlieferant.

Man schätzt die Zahl der Menschen, deren Trinkwasser direkt oder indirekt aus dem Rhein und seinen Nebenflüssen stammt, auf 20 bis 30 Millionen; davon beziehen 5,5 Millionen ihr Trinkwasser aus dem Bodensee. Das heißt, der Rhein ist wohl der größte Trinkwasserspender Europas. Im gesamten Einzugsgebiet des Rheins werden jährlich gut 3 Milliarden m3 aufbereitetes Wasser be-

Kopf nimmt in Europa teils zu, teils ab. Für das Jahr 2006 wurden Verbrauchszahlen von 237 l pro Kopf und Tag für die Schweiz, von je 163 l für Österreich und Frankreich sowie von 125 l für Deutschland (inkl. wesentlich tieferer Zahlen für die östlichen Bundesländer) ermittelt. In Wasch-

zogen, und man hat eine durchschnittliche Menge von 130 l pro Person und Tag errechnet. Das Wasserangebot des Rheins und seiner Nebenflüsse vermag den Bedarf der Anwohner insgesamt mühelos zu decken. Neben der Förderung durch die öffentlichen Wasserwerke gibt es auch bedeutende Brauchwasserförderungen, oft über industrielle Eigenversorgungen, und auch für sie ist stets genug Wasser vorhanden. Die Gewährleistung der Trinkwasserqualität ist mit Energie- und anderen Kosten verbunden, und insofern ist die Höhe des

maschinen und Geschirrspülern nimmt der Verbrauch tendenziell deutlich ab, während der Aufwand für Körperpflege, Bad etc. eher zunimmt. Was das Wasserwerk dem Haushalt, dem Gewerbebetrieb etc. als Trinkwasser liefert, soll klar, geruchlos, frei von Krankheitserregern sein. Für zahlreiche Substanzen gibt es Grenzwerte, die von nationalen Gesetzen (in Deutschland von der Trinkwasser-Verordnung von 2001) aber auch von der EU (Trinkwasser-Richtlinie von 1998) vorgeschrieben werden. Trinkwasser sollte, wenn es beim Konsumenten ankommt, relativ tiefe Temperatur haben, weil sich etwaige Keime in der Wärme rascher vermehren. Die Wasserwerke legen Wert darauf, dass ihre Leitungen genü-

Wasserkonsums nicht gleichgültig. Aber ein Mengenproblem gibt es am Rhein nicht. Gemäß einer Schweizer Zählung aus den 1990er-Jahren, die von einem Gesamtverbrauch von 159 l Trinkwasser pro Person und Tag aus-

gend tief im Boden verlaufen, wo ihre kostbare Ware sowohl vor Frost als auch vor Erwärmung geschützt ist – Letzteres kann in städtischen Verhältnissen durchaus ein Problem sein, wenn Fernheizungs- oder Abwasserrohre zu nah lie-

ging, wurden 51 l für die Körperpflege, Händewaschen, Dusche und Bad verwendet, weitere 48 l brauchte die Toilettenspülung, 39 l rausch-

gen. Manche Wasserwerke sind zwar zu regionalen Wasserversorger-Organisationen verbunden, z. B. vom Bodensee bis nach Stuttgart und noch

ten durch die Waschmaschine, 24 l verwendete man in der Küche, wo der Geschirrspüler noch 4 l

darüber hinaus. Aber über kontinentale Distanzen erstrecken sich die Wasserleitungsverbünde

extra benötigte, und nur gerade 3 oder 2 l Wasser wurden getrunken. Der Wasserkonsum pro

nicht, und auch die Bodensee-Wasserversorgung ist mit 1700 km Leitungen untypisch groß.

92 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Leitungsverbünde sind beim Strom unerlässlich und beim Gas hilfreich, aber beim Trinkwasser will jeder Versorgungsbetrieb wissen, wie seine Ware gewonnen wurde, transportiert und genutzt wird. Denn Wasser aus verschiedenen Brunnen bzw. Quellen wollen die Wasserwerke wegen unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung nicht mischen. Außerdem ist Wasser wegen seines Gewichtes viel schwerer als Strom oder Gas zu transportieren.

Grundwasser und Uferfiltrat Die Wasserwerke beziehen ihren Rohstoff teils aus Grundwasserströmen in Rheinnähe und teils aus dem Rhein selbst. Durch die Flusssohle des Rheins versickert Wasser und bewegt sich, sofern der Wasserspiegel höher liegt als das benachbarte Grundwasser, landeinwärts – als Uferfiltrat. Wo der Grundwasserspiegel höher liegt, läuft die unterirdische Strömung in der Gegenrichtung. Das Wasserwerk gräbt in beiden Fällen „Brunnen“ und gewinnt darin Rohwasser. Die Gewinnung von Rohwasser aus dem Grundwasser und dem Rhein ist im 21. Jahrhun-

80 ó Horizontalbrunnentürme zur Trinkwassergewinnung – bei Überflutungsgefahr stellen sie ihre Fördertätigkeit ein. Bei modernen Brunnen geschieht das automatisch.

Rohwasser mit hohen Dosen von Chlor zu desinfizieren oder aber ihre Brunnen vorübergehend ganz stillzulegen. Dazu kommt, dass im Hochwasserfall zuweilen auch die Stromzufuhr ausfällt, womit meist auch der Trinkwassertransport

dert zunächst weniger problematisch als in den Jahrzehnten zuvor, weil der Rhein generell viel weniger belastet ist als etwa zwischen 1960 und 1990. Das verdankt man in erster Linie den zahlreichen Klärwerken, die vom Hinterrhein und

zum Stillstand kommt. Dem Rhein entlang gilt aber heute ein großer Teil der Trinkwasserbrunnen als hochwassersicher.

Vorderrhein bis in die Niederlande eine fast lückenlose Kette bilden: Ca. 96 % der Bevölkerung im gesamten Rheineinzugsgebiet sind an Kläranlagen angeschlossen. Zur Verbesserung haben aber auch die Abkommen über die Limitierung

Die Wasserwerke wollen, wenn immer möglich, ihr Rohmaterial mit „natürlichen Verfahren“ filtrieren, worunter man eine Filtration in vorzugsweise natürlichen Böden versteht. Nach dem „Basler“ Verfahren z. B. wird Rheinwasser

von Schmutzfrachteinleitungen beigetragen. Das heißt, das in den Brunnen gewonnene Wasser ist heute meist schon von recht guter Qualität.

in rheinnahen Wäldern zur Versickerung ausgebracht. Dadurch wird der natürliche Grundwasserstrom angereichert, und aus dem angereicherten Grundwasser gewinnt man Rohwasser, das

Es kann freilich zuweilen ganz und gar unbrauchbar werden, wenn der Brunnen von Hochwasser überschwemmt wird. Da drohen Bakterien und Viren, und die Wasserwerke pflegen dann ihr

Natürliche und andere Filter

sich meist ohne weitere Behandlung als untadeliges Trinkwasser zur Kundschaft pumpen lässt. In diesen Wäldern haben allerdings weder Landwir-

Trinkwasser 93

81 ó In den Niederlanden wird Rheinwasser zu ausgewählten Dünengebieten geleitet, wo es versickert und danach als Trinkwasser gewonnen werden kann.

Transportleitungen 1957

Versickerungsgebiet

Castricum

1966

Velsen

Major settlements

Amsterdam Haarlem

Versickerungsgebiet

Leiduin

Versickerungsgebiet

Leiden Oude

’s-Gravenhage Delft

Rijn

Gouda

Utrecht

Jssel Holl. I

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Bergambacht Rotterdam Lek

10 10

te noch Gewerbe- oder Industriebetriebe etwas zu suchen, und eigentlich ist auch jedes Auto ein Risiko. Weil sich 2007 unerklärliche ChlorVerbindungen im Rohwasser fanden, wird seit 2008 auch in Basel dem natürlichen ein zweiter Filtriervorgang, mit Aktivkohle, nachgeordnet. Ähnliche Verfahren werden in Köln angewendet. Da wird außerdem ein Teil des als Uferfiltrat gewonnenen Rohstoffs vor der Aufbereitung versprüht; dadurch reichert es sich mit Sauerstoff an, was die Mikroorganismen zur Wasserreinigung aufmuntert. Rechtsrheinisch wird ein Teil des zufließenden Rohstoffs durch Belüftung oder Zusatz von Natronlauge entsäuert. Auch in Köln spielt Aktivkohle eine wichtige Rolle. Anders als bei den „natürlichen“ Verfahren gibt beim „Düsseldorfer“ Verfahren das Wasserwerk sei-

94 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

0 Meilen 0 Kilometer

nem Rohstoff, dem Rohwasser, Ozon bei. Das Ozon lässt Fremdstoffe, vor allem Eisen und Mangan, zu Flocken koagulieren, und die kann man herausfiltern. Die letzten, feinsten Fremdstoffe schließlich bleiben auch da in Filtern aus Aktivkohle hängen. Aktivkohle ist inerte Kohle, an der dank ihrer extrem feinen Porosität Fremdstoffe hängen bleiben; Aktivkohlefilter wirken also in erster Linie nicht chemisch, sondern physikalisch. Die Eliminierung des Rest-Ozons mit derselben Kohle ist freilich auch ein chemischer Vorgang. Bei jedem Filtriervorgang erzielt man ein Filtrat – das ist das Ziel der Filtration. Es verbleibt aber im Filter auch ein Retentat mit den unerwünschten Substanzen. Den mit dem Retentat beladenen Filter sollte man verbrennen können, denn dadurch bauen sich die allermeisten fremden

Substanzen ab. Die Verbrennung ist freilich nicht immer einfach, es ist dazu eventuell eine Zugabe von Brennstoff nötig, und die Feuerungsabgase müssen durch kostspielige, spezialisierte Filter gehen. Aktivkohle als Trinkwasserfilter hat den Vorteil, dass ihre Verbrennung – dank dem hohen Heizwert der Kohle – samt den Fremdstoffen mühelos erfolgen kann. Trotzdem wird die Kohle heute oft nicht verbrannt, sondern reaktiviert.

Allianz der Wasserwerke

mehrmals. Von den rund 120 Wasserwerken, die dem Rhein entlang aktiv sind, nimmt ein großer Teil – ob sie es wollen oder nicht – an diesem Erneuerungsgewerbe teil. Diese stete Wasser-Erneuerung ist typisch für das Rheintal, und sie bedeutet, dass die Sorge der Wasserwerke allen ihren Ressourcen gilt, den Oberflächengewässern wie dem Grundwasser.

Intensive Landwirtschaft – Intensives Problem

Aus gemeinsamer Sorge um die Qualität ihres Rohstoffs haben sich in den Niederlanden die

Ein Grund der Sorge besteht seit Jahrzehnten: Düngemittel und andere Agrochemikalien wer-

Rhein-Wasserwerke schon 1951 zur RIWA (Vereniging van Rivierwaterbedrijven) zusammengeschlossen. Die Wasserwerke am deutschen Nieder- und Mittelrhein und um Frankfurt am Main gründeten 1957 die ARW (Arbeitsgemeinschaft Rhein-Wasserwerke e. V.), und 1968 folgte die AWBR (Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke Bodensee-Rhein), der heute über 70 Wasserwerke in Deutschland oberhalb der Neckarmündung, in Frankreich, in der Schweiz, in Österreich und im Fürstentum Liechtenstein angehören. Die drei Verbände haben 1970 den Dachverband IAWR ins Leben gerufen, die Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet.

den auf die Felder ausgebracht, geraten also in die Umwelt, und zwar bringt man sie nicht aus Versehen oder als in Kauf genommene Randerscheinung in die Umwelt, sondern in voller Absicht. Agrochemikalien rinnen in den Boden, können also bei unsachgemäßer Behandlung ins Grundwasser ausgewaschen werden. Das Trinkwasser-Memorandum der IAWR fordert deshalb: „Randstreifen entlang der Gewässer dürfen nicht gedüngt oder mit Pestiziden

Im Namen dieser IAWR wurden im Jahr 2003 das „Rhein-Memorandum“, 2004 das „Grundwasser-Memorandum“ und die „Zukunftsvision 2020“ publiziert, und 2008 wurde das Memorandum als „Donau-Maas-Rhein-Memorandum“ neu gefasst. Die Dokumente des Verbandes warnen – in vier Sprachen – vor den Risiken für das Trinkwasser, und sie fordern einen vorsorgenden Gewässerschutz. Was aus den Wasserhähnen der Rheinanwohner fließt, war möglicherweise weiter oben am Rhein bereits einmal Trinkwasser, dann Abwasser, dann Filtrat und Rohwasser und wurde so ein zweites Mal Trinkwasser, vielleicht sogar

behandelt werden“, und „Persistente Pestizide müssen in kurzer Zeit (engl. ‚as soon as possible‘) durch mikrobiell abbaubare Wirkstoffe ersetzt werden.“ Die „mikrobielle Abbaubarkeit“ ist ein Schlüsselbegriff. Nur in seiner chemisch reinen Form als H2O ist Wasser anorganisch. Im tatsächlichen Wasserhaushalt hingegen, vom Regen bis zum kleinsten Rinnsal, von den Brunnen der Wasserwerke bis zum Wasserhahn in jedermanns Küche, ist Wasser eine Substanz mit biologischem Gehalt. Es spielen sich darin unablässig chemische und biochemische Reaktionen ab. Dasselbe gilt aber auch für das Wasser, das aus jedermanns Küche ins Abwasser und in die Klärwerke rinnt. Das chemische und biochemische Geschehen ist mit dem Umbau, oft dem Abbau, von Fremdsubstanzen gleichbedeutend. Den Abbau kann man in

Trinkwasser 95

den Klärwerken befördern – das ist deren Hauptgeschäft –, aber er spielt sich auch außerhalb der

Ein Hauptproblem sind die Medikamente. Sie sind dazu da, im Körper der Patienten biologi-

Klärwerke ab, in den Leitungen, auf den Feldern und in den Böden, in kleinen und großen Bä-

sche und biochemische Wirkungen zu erzielen,

chen, im Rhein selbst. Einen wichtigen Beitrag zum Um- und Abbau der Fremdsubstanzen im Wasser leisten Mikroorganismen (Mikroben, des-

und das ist mit Metabolismus, also mit ihrem chemischen Um- und Abbau, gleichbedeutend. Aber bei den hochkomplexen Medikamenten ist auch der Um- und Abbau hochkomplex. Das

halb „mikrobieller“ Abbau). In den Klärwerken stecken diese Einzeller in den Klärschlämmen,

heißt, mit dem Urin der Patienten gelangen die medikamentösen Substanzen, seien sie unabge-

die man deshalb belebte Schlämme nennt. Der Abbau geschieht sowohl im Wasser als auch in den Böden nicht plötzlich, sondern über

baut oder seien sie zu Metaboliten geworden, ins Abwasser, also ins Klärwerk. Dort werden sie oft nicht abgebaut, sondern Vieles rinnt unverän-

eine gewisse Zeit. Bei den Agrochemikalien entscheidet ihre Verweildauer in den Böden darüber, wie viel davon noch in die Gewässer gelangt. Wenn die IAWR dazu aufruft, den Gewässern entlang genügende Randstreifen ungedüngt zu be-

dert wieder aus dem Klärwerk, also in den Rhein. Ihr Aufenthalt im Rhein ist nicht das Ende, son-

lassen, hat dieser Randstreifen mithin einen doppelten Zweck: Er dient erstens dazu, die Agrochemikalien in sicherer Distanz von den Bächen zu halten und er ist zweitens ein zeitlicher Puffer für den Abbau des überflüssigen (in der Pflanze nicht abgebauten) Düngers.

Medikamente und andere Substanzen Das Problem der Agrochemikalien für das Grundwasser ist, auch wenn es davon stets neue gibt, im Prinzip altbekannt. Es ist vielleicht nie ganz lösbar, aber die Verwendung von Agrochemikalien ist seit Langem bekannt, und die Lage ist überschaubar. Ins Grundwasser gelangt aber auch, was früher Abwasser war und geklärt worden ist. Und da ist die Lage nicht vollständig überschaubar. Es

dern die ausgeschiedenen und nicht abgebauten medizinischen Substanzen finden sich auch noch im Uferfiltrat, aus dem das nächste Wasserwerk seinen Rohstoff bezieht, und wenn sie nicht in deren Aktivkohlefiltern hängen bleiben, sind sie im Trinkwasser. Wer sich regelmäßig Medikamente, vor allem schwer oder nicht abbaubare, einverleibt, sollte eigentlich seine flüssige Ausscheidung nicht der Toilette, also dem Abwasser, überantworten, sondern dem Müll, der ja in aller Regel verbrannt wird. Leider ist das aus hygienischen Gründen nicht praktikabel. Ein Spezialproblem sind die Steroid-Präparate, zu denen „die Pille“ gehört. Manche sind mikrobiell gut abbaubar; und sie tauchen nach der Kläranlage nicht mehr auf. Aber es gibt synthetisch hergestellte (xenoöstrogene) Steroide, die sich nur mit Mühe abbauen, wie etwa das erfolgreiche,

tauchen fortlaufend neue Probleme auf, weil sich eine zunehmende Anzahl von Substanzen in der Kläranlage nicht oder nicht genügend abbaut. Mit

in Mengen konsumierte Ethenylestradiol. Der Wiedergewinnung von korrektem Trinkwasser scheint es zwar nicht zu schaden, aber es bekommt den zoologischen Wasserbewohnern

dem höheren Risiko problematischer Substanzen im Abwasser geht zum Glück eine ständig

schlecht: Die verminderte Reproduktionsrate, die bei vielen Süßwasserfischen festgestellt wird, hat

steigende analytische Fähigkeit einher, Stoffe in kleinsten Spuren nachzuweisen.

ihre Ursache offenbar in ihrem durch „die Pille“ gestörten Hormonhaushalt.

96 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Spezialproblem Krankenhaus Besonders konzentriert finden sich medikamentöse Substanzen im Abwasser der Krankenhäu-

man seit den 1970er-Jahren die Verfahren so verändert, dass aus der Herstellung im Regelfall so gut wie nichts mehr unkontrolliert in die Um-

ser. Überdies werden im Krankenhaus (und in Arztpraxen) den Patienten nicht nur Medika-

welt entlassen wird. Hingegen gerät da, wo diese industriell hergestellten Substanzen verwen-

mente einverleibt, sondern auch Diagnostika wie iodierte Kontrastmittel für die Röntgenaufnahmen, und zwar in großen Mengen. Sie werden

ins Abwasser und richtet dort Unheil an. Das heißt, es gibt eine wachsende Zahl von

wieder ausgeschieden und behalten dabei eine Eigenschaft bei, die man ihnen bei der Herstel-

Substanzen, die die Systeme zur Reinigung des Abwassers überfordern, die deshalb in die Müll-

lung mitgegeben hat: Sie sind chemisch stabil. Also rutschen sie nicht nur unbehelligt durch die durchleuchteten Patienten, sondern auch durch

verbrennung gehören oder gar als Sondermüll behandelt werden müssten. Antifouling-Mittel an Schiffen gehören in dieselbe Risikogruppe; diese

alle Kläranlagen. Die Krankenhäuser hätten also zwei Gründe, ihre Abwässer nicht in die öffentlichen Abwasserleitungen zu entlassen, sondern als Sondermüll zu verbrennen: erstens die schwer abbaubaren Medikamente (zu denen im Kranken-

haben überdies den Nachteil, dass sie nicht über das Abwasser in den Rhein gelangen, sondern im Rhein selbst verwendet werden.

haus auch die keineswegs harmlosen Zytostatika gehören) und zweitens die nicht abgebauten Röntgenkontrastmittel. Die Krankenhäuser sollten ihre Abwässer einer Verbrennung zuführen. Damit wäre für den Rhein viel gewonnen, für die Trinkwassersicherheit des Menschen, aber auch für seine aquatischen Bewohner. Röntgenkontrastmittel sind nicht die einzigen Substanzen, die ihrem Abbau im Klärwerk widerstehen. Über sie hinaus gibt es eine wachsende Zahl von ebenso stabilen Substanzen, die in zahlreichen, vor allem gewerblichen Vorgängen als Hilfsmittel dienen, Farben, Schutzlacke, Schmiermittel etc., und die produzierende Industrie macht dabei unablässig Fortschritte. Die großen, beunruhigenden Risiken stellen sich nicht mehr in der industriellen Produktion – dort hat

det werden, in Haushalt und Gewerbe, manches

82 ó Röntgenkontrastmittel werden in Kläranlagen nicht aufgelöst, sondern sie gelangen in den Kreislauf von Abwasser – Vorfluter – Wasserfassung – Trinkwasser. Krankenhaus-Abwasser sollte als Sondermüll behandelt werden.

Eine neue Dimension beim Abbau unerwünschter Substanzen eröffnet sich möglicherweise durch die Nanotechnik. Vielleicht ist es eines Tages möglich, dass künstlich geschaffene Mikroorganismen spezifische chemische Substanzen, die heute dem Abbau widerstehen, zu knacken wissen. Das wird aber wohl kaum in den normalen Klärwerken der Fall sein, sondern zu Beginn allenfalls bei Sondermüll. Sich heute schon auf diese ferne Möglichkeit zu verlassen, ist fahrlässig.

Weitere Informationen: – Technologiezentrum Wasser TZW, Karlsruhe. www.tzw.de – IAWR Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet. www.iawr.org – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 182 Auswertungsbericht Humanarzneimittel. Koblenz 2010. www.iksr.org

Trinkwasser 97

2.6

Kies am Oberrhein Martin Stieghorst

A

ls die Aare vor etwa 1,5 Millionen Jahren ihre Laufrichtung geändert hatte und unter-

halb des heutigen Hochrheins nach Norden abschwenkte und als später auch der Alpenrhein nach Westen entwässerte, ergoss sich das aus den Alpen mitgeführtes Geschiebe in den Oberrheingraben (Y Kap. 1.1). Zudem transportierten die Gewässer aus Schwarzwald, Odenwald, Vogesen und Pfälzerwald Gestein von den Seiten in den Trog. Da die Grabensohle nicht gleichmäßig von Süden nach Norden abfiel, sondern Buckel und Mulden aufwies, schwankt die Mächtigkeit der abgelagerten Schichten zwischen einigen zehn und gut 3000 m. Die nachlassende Schleppspannung des Rheins bewirkte, dass bereits nach einer kurzen Strecke das grobe Geröll vom Wasser nicht weiterbewegt werden konnte. Deshalb reicherte es sich vor allem im südlichen Trogab-

schnitt an; Sand und feinerer Kies wurden weiter nach Norden verfrachtet. Allerdings lagerte sich an einer Stelle nicht immer Material gleicher Größe ab. Da der Strom ständig seinen Lauf verlegte, befand sich dieselbe Stelle das eine Mal mitten in starker Strömung, das andere Mal im Stillwasser. Entsprechend sedimentierte in dem einen Fall nur gröberes, in dem anderen nur feineres Material. Die unterschiedlichen Korngrößen zeichnen sich heute in den Schichtprofilen deutlich ab. Bis gegen die Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Kies und Sand nur zur lokalen Verwendung abgegraben. Es handelte sich regelmäßig um kleine Mengen. Die Zahl der entstehenden Kiesgruben war zwar groß, aber den Freiraum prägende Bedeutung erreichten sie nicht. Heute sind die meisten in der Landschaft kaum mehr zu erkennen.

Kies für den Bauboom Das änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg: Beim Wiederaufbau der zerstörten Städte und dem Ausbau der Verkehrswege wurden erhebliche Sand- und Kiesmengen benötigt. Die technologischen Entwicklungen begünstigten die Förderung und den Transport des Materials. Am Oberrhein entwickelte sich ein neuer Industriezweig, der neben dem Abbau des Materials auch dessen Weiterverarbeitung zu Betonprodukten umfasste. 83 ó Bis zu 8 m³ Kies fördert der Greifer eines Schwimmbaggers bei einem Arbeitsgang zu Tage.

98 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

84 ó In der südlichen Hälfte des Oberrheingrabens kommt im Durchschnitt auf alle zwei Strom-Kilometer eine Kiesgrube.

Trocken- und Nassbau Auf Flächen, in denen das Grundwasser wenigstens einige Meter unter der Erdoberfläche liegt, entstanden Gruben, in denen Kies und Sand bis knapp über das Niveau des Grundwassers, also „trocken“, abgebaut werden konnte. Die begrenzte Entnahmetiefe führte vielfach zu besonders großflächigen Abbauarealen. Es erwies sich, dass die nach dem Abbau angestrebten landoder forstwirtschaftlichen Nutzungen auch bei intensiven Rekultivierungsmaßnahmen kaum zu verwirklichen waren. Bei der sogenannten Nassbaggerung hingegen wird das Material auch unterhalb des Grundwasserspiegels abgebaut. Die Abbautiefe wird zunächst einmal nur durch den natürlichen Böschungswinkel des Kieses bestimmt. Die Kies-

nis zur gewinnbaren Materialmenge bei der Nassbaggerung deutlich geringer ist als bei der Trockenbaggerung, bestehen zwei schwerwiegende Vorbehalte gegen den Abbau in die Tiefe: Zum einen wird das Grundwasser freigelegt und damit der Eintrag von Schadstoffen erleichtert. Das Fehlen der filternden Deckschicht lässt jede Verunreinigung, sei es über die Luft, sei es bei einem Unglücksfall, sofort und in vollem Umfang ins Grundwasser gelangen. Zum anderen bedeutet die Nassbaggerung den Verlust festen Landes und der darauf praktizierten Nutzungen. Sonst üblicherweise vorhandene Optionen auf anderweitige, an festes Land gebundene Verwendungen in späterer Zeit entfallen nahezu vollständig.

Einzeldaten statt Gesamtstatistik

grube besitzt demnach idealtypisch die Form eines auf dem Kopf stehenden Kegels. Das maximale Tiefenmaß wird jedoch nicht immer aus-

Bislang gibt es keine Statistik, in der die Da-

geschöpft, weil z. B. bindige Zwischenschichten

französische und die schweizerische Seite betrachtend, für die gesamte Oberrheinebene zusammengefasst sind. Jedoch verdeutlichen be-

den tieferen Abbau unrentabel machen. – Auch wenn die Flächeninanspruchnahme im Verhält-

ten über den Sand- und Kiesabbau gebietsübergreifend, also sowohl die deutsche als auch die

Kies am Oberrhein 99

85 ó Kiesexport per Schiff aus dem Raum Karlsruhe ins Rhein-Main-Gebiet, sogar bis in die Niederlande und in den Raum Heilbronn-Stuttgart.

reits einige Einzelangaben die Bedeutsamkeit des Sand- und Kiesabbaus für Wirtschaft, Raumnutzung und Natur. f Zwischen Bühl und Philippsburg, also einem 75 km langen Grabenabschnitt auf der rechten Rheinseite (Region Mittlerer Oberrhein) betrug die Fördermenge im Jahr 1955 ca. 5 Millionen t. In den folgenden Jahren stieg sie steil an und erreichte Anfang der 1970er-Jahre mit ca. 26 Millionen t / a ihr Maximum. Nach 1997 nahm die Fördermenge ab; im Jahr 2000 belief sie sich auf 17 Millionen t. f Anfang der 1980er-Jahre wurden nur ca. 25 % der geförderten Menge vor Ort, das heißt in der Region Mittlerer Oberrhein, weiterverarbeitet, hingegen 75 % in anderen Räumen. Der größte Anteil des außerregionalen Absatzes entfiel mit ca. 35 % auf den Raum Stuttgart-Heilbronn. Weiterhin wurden ca. 20 % in den Schwarzwald, ca. 9 % in das Rhein-Main-Gebiet und von dem Rest immerhin ca. 2 % ins Ausland, vorwiegend in die Niederlande, transportiert. f Im Mandatsgebiet der Oberrheinkonferenz, das vom Raum Basel fast 200 km nach Norden bis in den Raum Germersheim-Philippsburg reicht, gab es in den 1990er-Jahren knapp 250 Gruben, an denen Kies und Sand abgebaut wurde bzw. an denen dies geplant war. Davon entfielen 115 auf die Region Alsace, zwei auf die schweizerische und etwa 130 auf

100 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

die badische und rheinland-pfälzische Seite. Statistisch betrachtet folgt also von Süd nach Nord auf jeder der beiden Rheinseiten eine Kiesgrube auf die andere im Abstand von nur 2,5 km – stillgelegte Abbaustätten nicht mitgerechnet. f Die Größe der Abbauflächen (Nassbaggerung) betrug in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre nicht weniger als 7216 ha (Region Alsace 3071 ha, deutsche Gebietsteile 3699 ha). Im schweizerischen Gebietsteil wird nur Trockenbaggerung betrieben (19 ha), die in den anderen Gebietsteilen mit 300 ha (Region Alsace) und 127 ha (deutsche Seite) eine im Verhältnis zur Nassbaggerung geringe Flächenbeanspruchung bedeutet. – Bis 2015 bzw. 2020 ist der Kies- und Sandabbau an weiteren 1463 ha (876 ha in der Region Alsace, 587 ha auf deutscher Seite) beabsichtigt – eine Erweiterung um 20 %. Das dabei gewinnbare Volumen beträgt ca. 380 Millionen t. Für wie viele Jahre dieser Vorrat reichen wird, ist schwer abzuschätzen, da der Abbau von Kies und Sand sehr direkt von der Entwicklung der Wirtschaft abhängt.

Kostbarer Kies Die Kies- und Sandvorräte in der Oberrheinebene – und nicht nur dort – sind trotz ihrer großen Menge ein endliches Gut. Der Abbau der La-

86 ó In manchen Bereichen des Oberrheingrabens wie hier, auf halbem Weg zwischen Mannheim und Karlsruhe, häufen sich die Abbaustätten von Kies und Sand.

dere kostspielige Infrastruktureinrichtungen zugunsten des Abbaus aufgegeben werden. Die bestehende und die künftig weiter wachsende Verknappung der möglichen Entnahmeflächen macht es erforderlich, die geförderten Kies- und Sandmengen möglichst sparsam zu verwenden und nicht für Zwecke zu vergeuden, bei denen auch weniger wertvolles Material benutzt werden kann. So sollte z. B. die massenhafte Verwendung von Kies und Sand bei vielen Dammschüttungen durch Recyclingmaterial aus Bauschutt und durch Erdaushub ersetzt werden. Auch sollten die Bemühungen verstärkt werden, aufbereiteten Bauschutt und gebrochenes Material aus Festgestein als Ersatzstoff in größerem Umfang zu verwenden. Das sollte auch für die Betonherstellung gelten.

gerstätten ist demnach letztlich begrenzt. Viel wesentlicher als diese geologisch begründete Tatsache ist es, dass Materialentnahmen durch konkurrierende Raumnutzungen und -funktionen in bedeutendem Maße eingeschränkt sind: Der Schutz des Grundwassers auf großer Fläche, der Erhalt hochwertiger Böden für die Landwirtschaft, die Sicherung ökologisch und ästhetisch wertvoller Landschaftsteile sind gewichtige Gründe, die dem Kies- und Sandabbau entgegenstehen; erst recht ist es kaum vorstellbar, dass Siedlungsflächen, Bahnlinien, Straßen und an-

87 ó Auch in den Niederlanden, hier östlich von Nimwegen, werden die Ablagerungen des Rheins abgebaut.

Weitere Informationen: – Deutsch-französisch-schweizerische Oberrheinkonferenz: Gewinnung von Sand und Kies im Oberrheinraum. Bericht des Expertenausschusses „Kiesabbau“ der Arbeitsgruppe „Raumordnung“. Vervielfältigtes Manuskript. Kehl 1999. – Regionalverband Mittlerer Oberrhein: Kieskonzeption 2015. Karlsruhe 1999.

Kies am Oberrhein 101

2.7

Fischer und Angler Urs Weber

F

ischfang ist so alt wie die Menschheit. Auch am Rhein gab es Fischfang, schon bevor Gal-

delt. Die Fischer mussten der königlichen Garnison weichen, und man errichtete für sie – zwei

lier, Römer und Germanen seine Ufer entdeckten. Vom Fischfang am Rhein und seinen Neben-

französiche „lieues“ entfernt – ein neues Dorf mit dem Namen Village-Neuf.

gewässern und Zuflüssen haben stets zahlreiche Menschen gelebt, und manche Siedlungen in Wassernähe waren jahrhundertelang Fischerdörfer. Ein absonderliches Beispiel: Hüningen am südlichen Ende des damals verzweigten Oberrheins lebte seit seiner germanisch-frühmittelalterlichen Entstehung vom Fischfang, abseits der Weltgeschichte, aber 1648 wurde das Fischerdorf

Wem gehört der Fisch im Rhein? Auch am Rhein haben seit dem Altertum Grundherren geltend gemacht, was in ihrem Land gedeihe, gehöre ihnen, vom Apfel am Baum bis zum Fisch im Wasser, und das Recht zu fischen, erhalte der Fischer vom Grundherrn. Dieses Recht war (und ist) nicht unentgeltlich zu haben, und idealerweise war mit Entgelt und Kontrolle auch ein

unversehens zum Vorposten des an den Rhein vorgestoßenen französischen Königreichs und durch Marschall Vauban in eine Festung verwan-

Schutz vor Raubbau verbunden. Das Lehnswesen gilt als überwunden, aber in der Nachfolge der Grundherren sind es heute am Rhein der jeweilige Schweizer Kanton, das Fürstentum Liechtenstein, das österreichische Bundesland, das jeweilige deutsche Bundesland, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, welche umschriebene Pachtlose, befristete Bewilligungen, zeitlich und örtlich limitierte Patente und Scheine ausstellen, und zwar einerseits für die wenigen Berufsfischer und anderseits – in parallelen Verleihungen – für die vielen Freizeitangler. Die jahrhundertealte Fischerei am Rhein hat sich seit dem 19. Jahrhundert in mehrerer Hinsicht drastisch verändert. Am Oberrhein trat an die Stelle des vielverzweigten Flusses durch die Tulla’sche Korrektion ein vereinfachter und verkürzter Wasserlauf mit sehr viel we-

88 ó Im April 1927 soll im Rhein letztmals ein Stör gefangen worden sein.

102 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

niger Altarmen, Stillwässern und Auen. Im 19. und 20. Jahrhundert nahm von den Alpen bis

89 ó Weil man rheinaufwärts strebende Lachse, die nichts fressen, mit Ködern nicht erwischt, senkt man die „Salmenwaage“ (den „Fischergalgen“) in das stille „Widerwasser“; sobald sich ein Fisch hier ausruht, hebt man ihn heraus.

in die Niederlande die Bevölkerung gewaltig zu, die Landschaft am Rhein wurde nicht nur eingedeicht, sondern auch industriell genutzt und umgestaltet und auf vielen Kilometern zur Stadt verwandelt. Dazu wurden am Hochrhein und Oberrhein zwei Dutzend große Wasserkraftwerke gebaut, nebst weiteren Kraftwerken am Alpenrhein, an der Aare, dem Main, der Mosel und weiteren Nebenflüssen, sowie zahllose Kleinkraftwerke an den übrigen Gewässern (Y Kap. 2.1). Im 20. Jahrhundert wurden der Rhein und die Nebenflüsse durch Abwasser aller Art schwer verschmutzt (Y Kap. 3.1). Die Berufsfischer und die Sportangler waren die Ersten, die auf die Verschmutzung hinwiesen, aber es dauerte Jahrzehnte, bis ihr Anliegen politisch prioritär wurde. Zwar gab es immer Fische im Rhein, aber die Wasserfauna verarmte, und manche Fische waren ungenießbar. Die Fischerei kam deswegen fast ganz zum Erliegen. Nach einem Tiefpunkt der Rheinverschmutzung um 1960 bis 1970 hat sich, vor allem dank den zahlreichen Kläranlagen, an die heute 96 % aller Bewohner des Rheineinzugs-

gebiets angeschlossen sind, die Wasserqualität nach und nach erholt. Heute meldet die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins vor Verunreinigungen (IKSR Y Kap. 5), dass es im Rhein wieder mehr Fischarten gibt.

Berufsfischer – Meist im Nebenerwerb Gefischt wird am Rhein überall, von den Quellflüssen bis zu den Mündungen, aber die Veränderungen des 20. Jahrhunderts haben sich unterschiedlich ausgewirkt. Am Alpenrhein war die Verschmutzung nie dramatisch. Trotzdem haben sich große biologische Veränderungen ergeben, wo die auf Spitzenenergie ausgerichteten Kraftwerke Schwall und Sunk (Schwall Y Kap. 5) verursachen. Anders sieht es am Bodensee aus: In BadenWürttemberg sind für den Bodensee und Untersee rund 100 Berufsfischer registriert, und auf der gegenüberliegenden Seite im Schweizer Kanton Thurgau sind es rund 60 – 2005 wurden insgesamt 163 Berufsfischer für den gesamten See und die westlich anschließende, kurze Hoch-

Fischer und Angler 103

90 ó Fischfang wurde am Rhein vielerorts mit der ganzen Familie betrieben.

rheinstrecke, den sogenannten Seerhein, ermittelt. Der Bodensee war jahrzehntelang vor allem durch Phosphate ökologisch belastet, ist aber heute weitgehend saniert. Manche Fische sind deshalb heute kleiner als während der Eutrophierung des Sees. Das bereitet nicht allen Fischern Freude. An der Flussstrecke vom Rheinfall bis zu den Verzweigungen in den Niederlanden ist heute die Fischerei nur noch ein Schatten dessen, was sie bis ins 19. Jahrhundert bedeutete. Es sind da zwar insgesamt heute wieder über 100 Berufs-

er sie nur gelegentlich nutzt. Die IKSR schätzt den Ertrag der gesamten Rheinfischerei auf etwa 5 Millionen € jährlich. Das heißt, von einer bedeutenden Wertschöpfung durch die Fischerei kann keine Rede sein. Beim elsässischen Fessenheim ist einer der beiden französischen Rhein-Berufsfischer mit Erfolg seit nahezu 20 Jahren am Werk; sein jüngerer Kollege arbeitet bei Straßburg. Der für Fischer interessanteste Flussabschnitt ist der Oberrhein unterhalb des letzten Stauwehrs bei Iffezheim. Hier steht der Rhein mit seinen Altwässern und

fischer tätig, aber der größte Teil betreibt das Gewerbe nur nebenamtlich. In Deutschland gibt

mit teilweise großen Baggerseen in Verbindung, und es gibt eine funktionsfähige Aue. Alle vier

es nur vier Haupterwerbsfischer und in Frankreich zwei. Die Fischer kommen oft aus Familien, in denen seit Generationen Fischfang betrieben

der in Deutschland vollamtlich tätigen Berufsfischer arbeiten in diesem Abschnitt, und auch unter den nur gelegentlich tätigen Berufsfischern

wird. Sie bemühen sich, ihre Lose auszuweiten, aber das ist ein langsamer Prozess, denn wer ein-

sind viele hier erfolgreich. In Karlsruhe ist auch der „Verein der Rheinberufsfischer“ eingetragen,

mal eine Pacht für professionellen Fischfang errungen hat, gibt sie nicht mehr her, auch wenn

dessen Erster Vorsitzender, Dr. Goetz Kuhn, selbst im Hauptberuf als Fischer tätig ist.

104 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

Am mächtigen Niederrhein ist für das gesamte Gebiet von Nordrhein-Westfalen die Rheinfischereigenossenschaft Generalpächter. Sie gibt sogenannte Netz- und Reusenscheine an die professionell tätigen Fischer aus. Keiner von ihnen übt den Beruf vollamtlich aus. Recht zahlreich sind die professionellen Fischer hingegen in den Niederlanden; allerdings beschränkt sich ihre Tätigkeit meist nicht auf den Rhein, sondern erstreckt sich auf das verzweigte Mündungsdelta von Rhein, Maas und Schelde. Im Gegensatz zu den Verhältnissen am Hochrhein, Ober- und Niederrhein ist die Delta- und Küstenfischerei ein erheblicher Wirtschaftsfaktor.

Angeln, ein Männersport Unvergleichlich viel größer als die Zahl der Berufsfischer ist das Heer der Sport- und Freizeitangler, vom Alpen- bis zum Niederrhein. In der Regel sind es die Vereine und Genossenschaften der Angler, die kraft öffentlicher Konzession Pächter von Fischereirechten sind und für die einzelnen Gewässerstrecken Angelscheine ausstellen. In Deutschland gibt es insgesamt rund 700 Angelvereine mit etwa einer Million Mitgliedern. In Nordrhein-Westfalen allein sind in der Rheinfischereigenossenschaft rund 30 000 Angler eingetragen. Wie viele Angler – es sind zu 95 % männliche Personen – tatsächlich am Rhein und seinen Zuflüssen angeln gehen, lässt sich nicht genau ermitteln, aber erahnen: Es sind Zehntausende. Die Zahl scheint aber durchaus tragbar.

ne verpflichten ihre Inhaber vielerorts zur Beschränkung auf bestimmte Fischgrößen, aber das betrifft nicht alle Arten. Manche Angler holen verblüffend große Exemplare aus dem Rhein. Am Hochrhein, vom Untersee westwärts, ist das entscheidende Hindernis für den Fischfang zunächst nicht mangelnde Qualität des Wassers, denn trotz der Präsenz von mancherlei Industriebetrieben konnten die Abwässer den Fluss hier, am östlichen Teil des Hochrheins, nie tiefgreifend verderben. Hingegen hat die Kette der Stauwehre (Y Kap. 2.1) den Fluss in eine Abfolge von regulierten Becken verwandelt, und es gibt nur wenige kurzen Abschnitten mit natürlicher Flussdynamik, z. B. bei der Aaremündung. Westlich der Aaremündung hat das höhere Flussvolumen Industrien angezogen. Hier war die Verschmutzung des Wassers lange Zeit kritisch. In der badischen Industriestadt Rheinfelden z. B. leitete der Betrieb von Dynamit Nobel jahrelang Hexachlorbenzol in den Rhein, das sich in den Fischen anreicherte. Es war bis vor wenigen Jahren das Hauptproblem toxischer Anreicherungen in Rheinfischen, nicht nur im Hochrhein, son-

In Deutschland und der Schweiz geht nur etwa 1 bis 5 % der Bevölkerung angeln, in Frankreich und den Niederlanden sind es etwas mehr als 5 % (in Skandinavien, zum Vergleich, über 30 %). Die Sport- und Freizeitanglerei blickt heute auf eine 100-jährige Tradition zurück; zur Massenbewegung ist das Angeln freilich erst nach dem Zweiten Weltkrieg geworden. Eine Kenntnis ihrer gesamten Ernte gibt es nicht. Die Angelschei-

91 ó Gewaltige Brocken holen manche Angler aus dem Strom – hier ein Wels.

Fischer und Angler 105

dern auch im Oberrhein. Die Fische weisen es nun nicht mehr auf, aber es steckt noch immer

Fischarten sind mit den Arten, die im 19. Jahr-

in den Flusssedimenten. Am Knie zwischen Hoch- und Oberrhein liegt

scher gingen, weitgehend identisch. Das heißt, es sind – vom Stör abgesehen – alle ursprünglichen Arten wieder da.

die Agglomeration Basel, wo sich viel chemische Industrie angesiedelt hat. Hier, im linksrheinischen Schweizerhalle, spielte sich auch der le-

hundert in die Reusen und Netze der Berufsfi-

Leonhard Baldner

gendäre Großbrand vom 1. November 1986 in einem Agrochemie-Lagerhaus der damaligen San-

Ein umfassendes Inventar der gesamten Rheinfisch-Fauna, vom Alpen- bis zum Niederrhein,

doz AG ab (Y Kap. 3.1). Am Giftmix des Löschwas-

gibt es erst seit Kurzem. Es ist nach dem ChemieGroßbrand von Schweizerhalle von 1986 entstan-

sers verendeten so gut wie alle Fische im Nahbereich, und flussabwärts kamen vor allem die Aale zu Tode, bis weit in den Mittelrhein. Die Augenfälligkeit der bauchoben treibenden Aale hatte beschleunigende Wirkung auf die Sanierung des Rheins, und dafür sind die Fischer heute dankbar. Der südliche Oberrhein ist auf 50 km Strecke neben dem mächtigen Grand Canal d’Alsace nur ein bescheidenes Restwasser (Y Kap. 4.4). Weiter nördlich, im Bereich der sogenannten Schlingen (Y Kap. 2.4), fließt das Rheinwasser in Teilstücken weiterhin in seinem bisherigen Bett. In Straßburg wurden die Fische eines Schleusen-Ausgleichsbecken kommerziell genutzt, bis die „préfecture“ den Verkauf dieser Ernte wegen deren Quecksilbergehalt verbot. Das Quecksilber kommt aus einem Industriebetrieb in Thann und gerät dort in die Ill. Von der Ill rinnt das giftige Metall sowohl über deren Überlaufkanal bei Plobsheim oberhalb von Straßburg als auch über die Illmündung unterhalb von Straßburg in den Rhein. 63 Fischarten zählte man im Jahr 2000 im gesünder gewordenen Rhein, und bei einem neuerlichen Inventar im Jahr 2005 waren es sogar 67 Arten; die IKSR weist darauf hin, von den Arten, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Rhein gefangen wurden, fehle nur noch der Stör. In der Tat ist in Europa der Atlantische Stör, einst auch im Rhein der größte Fisch, verschwunden, bis auf kleine Bestände in der Garonne. Die heutigen

106 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

den, erarbeitet vom Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt am Main. Finanziert wurden die Studien von dem „Rheinfonds“, den die Sandoz AG nach dem Brand einrichtete. Die Senckenberg-Forscher entdeckten, dass vor ihnen der Straßburger Fischer (und Jagdaufseher) Leonhard Baldner (1612 – 1694) die vollständigste Darstellung der Rheinfauna geschaffen hatte. Baldner nannte 40 Fischarten, außerdem 56 Wasservogelarten und 52 vierfüßige Arten, die er am und im Rhein, in der bei Straßburg mündenden Ill und in der Breusch (frz. Bruche) – sie mündet in Straßburg in die Ill – identifiziert hatte. Seine Kenntnisse breitete er 1666 in seinem „Vogel-, Fisch- und Thierbuch“ aus, einem umfangreichen Werk, das mit zahlreichen Aquarellen angereichert war. Baldners Originalwerk verbrannte in der Straßburger städtischen Bibliothek, denn die Bibliothek wurde 1870 von preußischen Militärs, die offenbar die deutschsprachige Vergangenheit Straßburgs auslöschen wollten, bombardiert. Von Baldners Werk gab es aber einige handschriftliche Kopien, teils von Baldner selbst, teils von seinem Sohn. Das Exemplar, das Baldner selbst dem kurfürstlichen Hof in Heidelberg schenkte, und das sich heute in Kassel befindet, gilt als das schönste. Erstmals im Druck herausgegeben wurde das Baldner’sche Werk erst 1901 durch Rudolf Lauterborn, Professor in Heidelberg und

Erforscher der Kleintierfauna des Rheins; seine Ausgabe umfasste nur den Textteil. 1963 erschien eine Faksimile-Ausgabe; sie ist vergriffen. Die heute im Rhein am häufigsten gefangenen Fische sind: Brasse, Rotauge, Rapfen, Barbe, Nase, Aal, Barsch, Zander, Wels, Karpfen und Hecht – etwa in dieser Reihenfolge der Häufigkeit. Das heißt, die anspruchslosen Allerweltsarten überwiegen. Zu Baldners Zeit waren es zum größten Teil dieselben Arten, aber in anderer Reihenfolge der Häufigkeit. Die Lachse und Meerforellen, die zu seiner Zeit einen größeren Anteil bildeten, sind im 20. Jahrhundert verschwunden. Als Zuzügler mit einer anderen genetischen Identität sind sie heute wieder präsent, und man ermöglicht ihnen nach und nach auch wieder den Aufstieg über die Stauwehre des Oberrheins, mit neuen Fischpässen (Y Kap. 1.5). Es gibt aber auch Fische, die Baldner nicht kennen konnte, etwa den Zander, der seit dem 19. Jahrhundert heimisch ist, oder die Regenbogenforelle, die aus amerikanischen Arten gezüchtet wurde und in Europa vielerorts ausgesetzt worden ist – im Rhein ist sie freilich selten. Aus Asien wurden sodann der Graskarpfen („Amurkarpfen“) eingeführt, der in stattlichen Formaten auch im Rhein gefangen wird. Außerdem hat sich im Rhein, obwohl nicht hier heimisch, der am Flussgrund lebende, räuberische Wels enorm

92 ó Die über 60 Fischarten im Rhein kommen unterschiedlich häufig vor.

scher keine Freude. Noch wirksamere Räuber als Welse oder Rapfen, freilich, sind die Kormorane. Laut der roten Liste der IUCN (International Union for the Conservation of Nature) sind in Westeuropa 522 Süßwasserfischarten heimisch, und davon seien rund 200 in Gefahr und bisher zwölf Arten definitiv ausgestorben. Diese Abgänge haben sich aber nicht im Rhein abgespielt – mit Ausnahme des Störs –, sondern im Ural, in der Wolga, der Donau und im Südwesten Spaniens.

Aale werden selten Aber auch am Rhein und seinen Nebenflüssen sind die Fischer nicht sicher, dass die heutige Vielfalt ihrer Ernten am Leben bleibt. Beunruhigend sind die Beobachtungen beim Aal. Während die meisten Wanderfischarten Anadrome sind, die flussaufwärts zum Ort ihrer Fortpflanzung wandern, ist der Aal ein katadromer Wanderfisch: Das heißt, er wandert rheinabwärts

breitgemacht. Auch an anderen Flüssen Westeuropas beklagen sich die Berufsfischer über diesen unliebsamen Konkurrenten. Der Wels wurde wohl

und überquert den Atlantik. Erst in der Sargassosee in großer Tiefe laicht der Aal – was offenbar noch niemand wirklich beobachtet hat – und

von Sportanglern ausgesetzt, die nicht ahnten, dass er sich so reichlich vermehren würde. Auch

verendet ebendort. Die Brut des Aals kehrt über den Atlantik nach Europa zurück, freilich nicht

am Rapfen, einer aus dem Donauraum eingewanderten, räuberischen Karpfenart, haben die Fi-

aus eigener Kraft, sondern sie wird anscheinend in etwa 200 m Tiefe vom Golfstrom getra-

Fischer und Angler 107

gen. Als Glasaale leben die Jungfische im europäischen Küstengebiet, und erst später steigen

Sterberaten können dabei bis zu 90 % betragen. Beim PKD-Erreger handelt es sich um einen ein-

sie in die Flüsse auf. In den letzten Jahrzehnten sind in den meisten westeuropäischen Flüs-

zelligen Parasiten (Tetracapsula bryosalmonae), welcher in seinem Vermehrungszyklus auch auf

sen die Aal-Bestände drastisch zurückgegangen, und bei den Glasaalen beträgt der Rückgang über 90 %. Für das beunruhigende Phänomen werden

das Vorhandensein von Moostierchen (Bryozoen) angewiesen ist. Der Rhein ist ein weit gesünderer Fluss als vor

viele einzelne Gründe angegeben, aber es sind nicht wesentlich andere Gründe als die Gefah-

30 oder 40 Jahren (Y Kap. 3.1), und die vielen Bemühungen um Renaturierung der Flussstruk-

ren, die schon vor dem Schwinden der Aal-Bestände bekannt waren: Die Kraftwerksturbinen töten oder verletzen viele Aale, der Befall mit

tur haben biologisch einen positiven Einfluss. Einen Naturzustand wie vor der Tulla’schen Kor-

Schwimmblasen-Parasiten (anguillicola crassus) schwächt den Aal, sodass er die Atlantik-Wanderung nicht übersteht etc. Das heißt, es gibt bisher keine schlüssige Erklärung für den drastischen Aal-Rückgang der letzten Jahre. Hingegen wird diskutiert, ob die geographische Verlagerung des Golfstroms, die sich im Zug des Klimawandels abzuspielen scheint, den Aalbrut-Transport nicht mehr gewährleistet. In der Schweiz wurde nach bedeutenden Rückgängen bei der Zahl der erbeuteten Fische unter der Bezeichnung „Fischnetz“ ein breites Programm von Untersuchungen abgewickelt. Es förderte viele Einzelfaktoren der Rückgänge zu Tage. Unter anderem gibt es in einer ganzen Reihe von Nebenflüssen der Aare eine Fischseuche, die sich hauptsächlich in der Niere manifestiert, namens PKD (Proliferative Kidney Disease). Die

rektion wird der Rhein nie mehr erreichen, aber ein Zustand wie im 19. Jahrhundert scheint ein erreichbares Ziel. Die Kläranlagen haben enorme Wirkung auf die Abwässer, aber ein Teil des Nährstoffüberschusses (Eutrophierung), mit dem die frühere Verschmutzung verbunden war, ist geblieben. In den Klärwerken wird nicht alles, was in die Abwässer gelangt, abgebaut. Das gilt auch für medikamentöse Substanzen und für eine Reihe von Chemikalien aus Haushalt und Gewerbe, die durch alle Kläranlagen unabgebaut in den Rhein rutschen und Fische, Mollusken, Kleintiere unterschiedlich belasten. Die Liste von problematischen Substanzen wird von Jahr zu Jahr länger, und nur nach und nach werden ihre Wirkungen aufgedeckt (Y Kap. 2.5). Das wichtigste Motiv ihrer Erforschung ist aber nicht die Gesundheit der Wasserfauna, sondern es ist vor allem die Sorge um das Trinkwasser.

Weitere Informationen: – IKSR (Hrsg.): Lachs 2000. Koblenz 1999. – RegioWasser e. V. (Hrsg.): 50 Jahre Rheinforschung – Robert Lauterborn. Freiburg 2009.

108 Der Rhein: Wirtschaft und Energie

110 UK

3 Der Rhein: Hydrologisches

U1 111

3.1

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte Martin Stieghorst

93 ó Badefreuden im offenbar noch sauberen Rhein vor der Industriekulisse von Duisburg etwa um 1900.

Sündenfälle

J

Der Ausbau des Rheins zur Schifffahrtsstraße im

in die Kanalisation abgibt. Diese Abwässer sind in aller Regel biologisch abbaubar. Darüber hinaus entstehen in den Wirtschaftsbetrieben des

letzten Jahrhundert bewirkte einen tiefgreifenden Wandel der Ökosysteme des Stromes und seiner Auen. Die natürliche Kraft des Gewässers zur Selbstreinigung wurde durch die Einengung des

eder Bewohner im Rheineinzugsgebiet benutzt im Durchschnitt etwa 130 l Wasser pro Tag, das er mehr oder weniger verschmutzt als Abwasser

Einzugsgebiets zahllose gewerbliche und industrielle Abwässer, die mit unterschiedlichen, häufig biologisch nicht oder nur schwer abbaubaren Stoffen belastet sind.

112 Der Rhein: Hydrologisches

Stromes verbunden mit einem harten Verbau der Uferstrukturen geschwächt. Am Oberrhein wurden die negativen Effekte mit dem Bau der Stauhaltungen zwischen Breisach und Iffezheim ver-

stärkt. Aus diesen Gründen wirkten sich gerade die zunehmend eingeleiteten, leicht abbaubaren kommunalen Abwässer besonders nachteilig aus, sie reduzierten den für die Tierwelt des Stromes so wichtigen Sauerstoffgehalt erheblich. In der Aufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg hatte man es unterlassen, den Sekundärfolgen der Wirtschaftsproduktion große Aufmerksamkeit entgegenzubringen. Das bedeutete auch für die Gewässer im Einzugsgebiet des Rheins, dass ein großer Teil der gewerblich-industriellen Abwässer ungeklärt eingeleitet wurde. Die Qualität des Rheinwassers verringerte sich nahezu von Jahr zu Jahr; der Gütezustand erreichte Anfang der 1970er-Jahre seinen Tiefpunkt. f Bereits im Bodensee lösten die Abwässer mit ihrem hohen Anteil an biologisch abbaubaren Stoffen bedenkliche Entwicklungen aus. Über die Zuflüsse – die Schussen bildete hierbei ein besonders unrühmliches Beispiel – gerieten große Mengen davon in den See. Dort dienten sie den Kleinlebewesen, insbesondere den Planktonalgen, als Nahrungsquelle mit der Folge, dass sich diese explosionsartig vermehrten. Sichtbar wurde dies z. B. durch ausgedehnte Algenteppiche, die sich zur Sommerzeit in den flachen Uferzonen ausbreiteten. Das Plankton entzog dem Wasser bei seinem Absterben so viel Sauerstoff, dass der biologische Abbau des Restes der im Abwasser enthaltenen Stoffe zum Er-

94 ó Problemlösung im Stil der 1950er-Jahre: Verlegung einer Abwasserleitung in den Rhein bei Duisburg.

trächtigt und teilweise vernichtet. – Die Tatsache, dass die Fische des Bodensees aufgrund des gestiegenen Nahrungsangebotes schneller an Größe und Gewicht zunahmen, konnte allenfalls die Fischer erfreuen. f 1969 beobachtete man im Rheingau ein Fischsterben, das sich zur bis dahin größten Giftkatastrophe am Rhein ausweiten sollte. Die Einleitung des Insektizids Endosulfan durch einen nie identifizierten Betrieb führte bis in

liegen kam und sich diese nicht mineralisierten Stoffe als Faulschlamm absetzten. Vor allem die besonders ausgedehnten Schilffelder in den Mündungsbereichen der Zuflüsse wurden durch Schlammablagerungen stark beein-

95 ó Verendete Fische bei Koblenz 1969: Die Giftwelle, die im Rheingau ihren Anfang nahm, verursachte ein großes Fischsterben bis in den Niederrhein.

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte 113

den Niederrhein zum Tod von schätzungsweise 40 Millionen Fischen. Die Trinkwasserversorgung in den Niederlanden wurde stark gefährdet. f Die im Rhein noch vorhandenen Fische waren wegen ihres Phenolgeschmacks ungenießbar, Fischsterben an der Tagesordnung. 1971 verendeten sämtliche Fische zwischen der Main-

Gemeinsamer politischer Wille Immerhin hatte schon 1948 auf Betreiben der Niederlande eine internationale Lachskonferenz in Basel stattgefunden, und im Jahr 1963 trafen sich die Außenminister der Rheinanliegerstaaten erneut und gaben sich mit der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) (Y Kap. 5) – eine völkerrechtlich verbind-

mündung und Köln durch die Fehleinleitung von Pestiziden in den unteren Main. f Der Charakterfisch des Rheins, der Salm (Rhein-

liche Vertragsgrundlage. Die IKSR bewirkte, dass

lachs), war wegen der schlechten Wasserqua-

ten das erste Abkommen gegen die Verschmutzung des Rheins und richteten ein permanentes Sekretariat für die Kommission ein, eine wir-

lität bereits spätestens Mitte der 1950er-Jahre ausgestorben. f Auch der zunehmende Ausbau der Kohle-, Ölund Kernkraftwerke am Rhein trug zur thermischen Belastung durch Kühlwasser bei, wodurch der Rhein seinen Charakter als sommerkalter Alpenfluss verlor. f In der ersten Gewässergütekarte der Bundesrepublik Deutschland, verfasst von der Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA), wurde der Rhein durchgehend als „kritisch belastet“ und schlechter eingestuft. Nur der Hochrhein galt als „gering bis mäßig belastet“. Schwerpunkte der Belastung bildeten die Bereiche der Ballungsräume der Großindustrie bei Mannheim, unterhalb der Mainmündung und im Ruhrgebiet, wo die Rheingüte sogar in die schlechteste Stufe IV „übermäßig verschmutzt“ fiel. Hier war die Lebewelt des Stromes artenarm geworden, nur wenige unsensible Arten, die „Schmutzfinken“, blieben bei der latent vorhandenen toxischen Belastung und bei dem um zwei Drittel verringerten Sauerstoffgehalt übrig, der im Hochsommer unterhalb von Ludwigshafen zeitweise auf den Wert „null“ fiel. Ört-

ein Netz von Messstellen längs des Rheins eingerichtet wurde. 1963 schlossen die Mitgliedstaa-

kungsvolle Institution, deren inhaltliche Kompetenz nicht nur der Kommission, sondern auch anderen Interessierten und Verantwortlichen zugutekommt. Im gleichen Jahr wurde auch die Deutsche Kommission zur Reinhaltung des Rheins gegründet, in der das gemeinsame Vorgehen der deutschen Bundesländer am Rhein koordiniert werden sollte. 1976 beschlossen die Rheinanliegerstaaten ein Chemieabkommen mit einer „schwarzen“ und einer „grauen“ Liste schädlicher Stoffe sowie Höchstgrenzen für Schwermetalle und besonders gefährliche organische Verbindungen. Ebenfalls 1976 wurde ein Chloridabkommen geschlossen, mit dem die Verminderung des Salzgehaltes an der deutsch-niederländischen Grenze auf 200 mg / l erreicht werden sollte, der vor allem durch die Kaliminen im Elsass, aber auch durch die Bergbaureviere am Oberlauf der Mosel und an Ruhr und Lippe verursacht wurde.

Erste Erfolge Bemühungen zur Herabsetzung der in den Rhein eingeleiteten Schadstoffmengen begannen.

liches Fischsterben war an der Tagesordnung. Der Rhein war zur Kloake Europas verkommen.

114 Der Rhein: Hydrologisches

f Ein Schwerpunkt war der Neu- und Ausbau von kommunalen Kläranlagen. Zwischen 1970

Trichlormethan Industrielle und kommunale Einleitungen

Cadmium (Cd) im Schwebstoff Rhein bei Koblenz 1973 – 2009

100 000 kg

mg/kg

80 000 60 000 40 000 20 000 0 1985

1992

1996

2000

19 73 19 76 19 79 19 82 19 85 19 88 19 91 19 94 19 97 20 00 20 03 20 06 20 09

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

96 und 97 ó Sowohl bei den Einleitungen (Beispiel: Trichlormethan) als auch bei der Konzentration in der fließenden Welle (Beispiel: Cadmium) zeigt sich der drastische Rückgang der Verunreinigungen.

und 1990 wurden dafür im Rheingebiet nicht weniger als 40 Milliarden € ausgegeben, je 20 Milliarden für die kommunale und für die industrielle Abwasserreinigung. f Weil die organischen Bestandteile des Abwassers in größer werdendem Maß in den Kläranlagen abgebaut wurden, reduzierte sich die Sauerstoffzehrung im Rheinwasser; sein Sauerstoffgehalt nahm nach und nach zu. Von großer Wirkung war es, dass auch industrielle Großeinleiter die Schädlichkeit ihrer Abwässer durch den Bau von Kläranlagen verringerten. Für die Verbesserung der Wasserqualität im nördlichen Oberrhein war die Inbetriebnahme der Kläranlage der BASF im Jahr 1974 von großer Bedeutung. f Darüber hinaus begann die Industrie, ihre Produktionsweisen so zu verändern, dass der Einsatz der gefährlichen Stoffe bei der Produktion vermieden oder verringert wurde. f Die Einträge von Stickstoff und Phosphor in die Flüsse – der Rhein hatte daran erheblichen Anteil – waren jedoch immer noch so groß, dass im Frühjahr 1988 längs der niederländisch-deutschen Nordseeküste eine Mas-

senentwicklung von Plankton einsetzte, die ein Sauerstoffdefizit des Meereswassers bewirkte. Dies war Ursache eines großen Fischsterbens im Mai. f Mitte der 1980er-Jahre wurden die Erfolge der Bemühungen, insbesondere des enormen Kläranlagenausbaus, am Gütezustand des Rheins sichtbar. Bis auf die industriellen Ballungsgebiete Basel, Karlsruhe, Mannheim, Mainmündung und Ruhrgebiet mit noch „kritischer Belastung“ war der Rhein nun in der politisch gewünschten Güteklasse „mäßig belastet“. Damit erreichte die vor allem von den Sauerstoffverhältnissen abhängige „biologische Gewässergüte“ ihr für einen so großen Strom höchstmögliches Niveau. Zwar hatten sich die Sauerstoffverhältnisse entscheidend gebessert, wodurch die Vielfalt des Lebens wieder anstieg. Jedoch blieb die Belastung mit den unterschiedlichsten Einzelsubstanzen, z. B. Schwermetallen und organischen Mikroverunreinigungen aus Industrie und Landwirtschaft, weiterhin unbefriedigend hoch. Deshalb war unter anderem die Aufbereitung des Uferfiltrates

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte 115

98 ó Der Ausbau der Kläranlagen, wie bei der BASF in Ludwigshafen, hatte maßgeblichen Anteil an der Verbesserung der Qualität des Rheinwassers.

des Rheins zur Trinkwassergewinnung nach wie vor sehr aufwendig.

Am 1. November 1986 geriet eine Lagerhalle der Sandoz AG in Schweizerhalle, wenige Kilometer östlich von Basel, in Brand. In der Halle waren viele Tonnen Chemikalien, zum größten

10 t davon gingen in Lösung und wurden mit der fließenden Welle unaufhaltsam den Rhein hinuntergeschwemmt. In dem Chemiecocktail befand sich auch eine rote, ungiftige Markierungsfarbe, die rheinab den Verbleib des vergifteten Löschwassers jedermann ersichtlich machte und in der öffentlichen Wahrnehmung ungeheuren Eindruck erzeugte. Nach zehn Tagen erreichte die Gift-

Teil Insektizide, darunter das sehr giftige Disulfoton, Herbizide und Fungizide, und auch stark giftige Quecksilberverbindungen, die insgesamt

welle die deutsch-niederländische Grenze, nach etwa zwei Wochen die Nordsee. Die Folgen der Gifteinleitung für die Lebewe-

2,6 t Quecksilber enthielten, gelagert. Der Brand wurde mit 10 000 bis 15 000 m³ Löschwasser be-

sen im Rhein waren verheerend. Tiere und Pflanzen fielen in der Nähe der Unfallstelle total aus.

kämpft, mit dem Löschwasser vermischt gelangten etwa 30 t Chemikalien in den Rhein, etwa

Bis 100 km stromab war das Tiersterben noch gravierend, betroffen waren vor allem Insekten-

Big Bang zum Schlechten

116 Der Rhein: Hydrologisches

larven und Krebstiere. Im Basler Rheinabschnitt wurden alle Fischarten getötet, auf der 60 km Strecke bis Breisach starben vor allem alle Aale. Die Auswirkungen der Giftwirkung, verendete Fische und geschädigte Kleinlebewesen, konnten noch bis zur Loreley verfolgt werden, danach war die Giftwelle so weit verdünnt, dass keine akuten Schäden mehr sichtbar waren. Fotos von verendeten Fischen, die käscherweise von der Wasseroberfläche abgeschöpft wurden, dokumentierten öffentlichkeitswirksam das Ausmaß der Schäden. Die Erholung der Tier- und Pflanzenwelt seit den 1970er-Jahren war abrupt unterbrochen. Die Gifteinleitung hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Trinkwassergewinnung. Aus Sorge, die Giftstoffe könnten in die filternden Schichten des Untergrundes eindringen und sogar unmittelbar in das Trinkwasser gelangen, wurden die rheinnahen Brunnen für 18 Tage stillgelegt. Nach Abschluss aller Reparaturen und Zahlungen wurden die Schäden der Brandkatastrophe auf etwa 90 Millionen € beziffert. Zur Überraschung, auch der Fachleute, erholte sich die wirbellose Fauna des Rheins jedoch rasch. Binnen eines Jahres erreichte sie weitgehend ihren vorherigen Stand. So begrüßenswert diese als „Ökowunder“ bezeichnete Tatsache ist, aus ihr den Schluss zu ziehen, selbst extreme Schadstoffbelastungen blieben sogar schon nach kurzer Zeit ohne negative Folgen, ist abwegig. Viele der giftigen Chemikalien waren noch über Jahre in den Sedimenten des Flusses nachweisbar und gaben Anlass zur Sorge.

Ambitionierte Ziele

Die IKSR setzte sich mit dem „Aktionsprogramm Rhein“ (APR) von 1987 unter anderem das ehrgeizige Ziel, die Einleitung zahlreicher Schadstoffe binnen zehn Jahren um 50 % zu senken. Zunächst richtete sich das Augenmerk darauf, Störfälle zu vermeiden und Anlagen sicherer zu machen: „Eine besondere Aufmerksamkeit muss dem gesamten Bereich des Umgangs mit gefährlichen Stoffen, die bei Unfällen direkt oder indirekt in die Gewässer gelangen können, gewidmet werden“ (APR, S. 10). Das führte zu einer Reihe von Empfehlungen der IKSR, unter anderem zur Aufstellung von Brandschutzkonzepten, Änderungen der Genehmigungsverfahren für störfallrelevante Anlagen, zu spezifischeren Regelungen von Abfüllsicherungen, Rohrleitungen, Abdichtungssystemen, der Lagerung von Stoffen, die miteinander gefährlich reagieren können. Es wurden Messstellen zur Überwachung der Wassergüte eingerichtet bzw. ausgebaut. Inzwischen wird an 57 Messstellen am Rhein und seinen wichtigsten Nebenflüssen die Wasserqualität regelmäßig, das heißt, mehrmals jährlich umfassend überprüft, teilweise sogar kontinuierlich überwacht. Mehr als 200 Wasserinhaltsstoffe werden regelmäßig im Wasser und in den Schwebstoffen untersucht. Auch Fische, wirbellose Kleintiere, Plankton und höhere Wasserpflanzen werden erfasst und bewertet. Bemerkenswert ist die Rheingütestation in Worms: Die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen haben sie gemeinsam im Jahr 1995 eingerichtet. Wenig unterhalb von Neckarmündung, Mannheim und Ludwigshafen, einem Belastungsschwerpunkt am Rhein mit hohem Gefährdungspotential für die Wasserqualität, hat sie die Auf-

Die Brandkatastrophe bei Basel und ihre verheerenden Folgen motivierten die politisch Verant-

gabe, sowohl die Gewässergüte zu überwachen als auch im Katastrophenfall frühzeitig zu war-

wortlichen, nun endlich mit großer Entschlossenheit Maßnahmen zur Sanierung des Rheins anzugehen.

nen. So konnte an Hand der dort permanent laufenden Daphnien-(Wasserfloh-)Tests und darauf folgenden Spezialanalysen des Wassers eine bis

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte 117

dato unbekannte, das Rheinwasser belastende Chemikalie identifiziert und ihre weitere Einlei-

f Dank verfeinerter und intensivierter Analysen können bei der Online-Überwachung in den

tung abgestellt werden. Für den Fall, dass trotz aller Vorsorge- und

Rheinüberwachungsstationen in jüngerer Zeit auch Schadstoffe in geringen Konzentratio-

Vorsichtsmaßnahmen durch einen Unfall doch er-

nen nachgewiesen werden. So zeigt es sich, dass der Schiffsverkehr trotz der Entsorgung des Bilgenöls (Y Kap. 5) in nicht unerhebli-

hebliche Mengen an Schadstoffen in den Rhein gelangen, hat die IKSR den „Warn- und Alarmplan Rhein“ (WAP) aufgestellt. In ihm sind die organisatorischen Regeln und Aufgaben der Beteiligten bei einem Alarm minutiös festgelegt. Das Alarmsystem gründet sich auf sieben Hauptwarnzentralen zwischen Basel und Arnhem. Im Katastrophenfall benachrichtigt die als erste informierte Hauptwarnzentrale die stromab, zum Teil auch die stromauf gelegenen Warnzentralen, örtliche Dienststellen und Wasserversorgungsbetriebe nach einem genauen Reglement, sodass diesen die längstmögliche Zeit bis zum Eintreffen der Schadstoffwelle zur Verfügung steht, um Schutzmaßnahmen in die Wege zu leiten. – Hilfreich ist dabei das computergestützte Rhein-Alarmmodell, mit dem der Verlauf einer Schadstoffwelle im Rhein vom Bodensee bis zur Mündung in die Nordsee sowie in einigen Nebenflüssen – Aare, Neckar, Main und Mosel – vorhergesagt werden kann.

chem Ausmaß Schadstoffwellen im Rhein verursacht. Dank der guten Zusammenarbeit der Umweltbehörden und der für die Schifffahrt zuständigen Dienststellen besteht jedoch begründete Hoffnung, dass auch diese Schadstoffquelle in absehbarer Zeit abgestellt wird. f Im Zeitraum von 1987 bis 2000 wurden vor allem die punktuellen Einträge von Schad- und Nährstoffen aus der industriellen Produktion und aus den gemeindlichen Kläranlagen deutlich verringert. Der Anschlussgrad von Kommunen und Industriebetrieben an Kläranlagen stieg zwischen 1985 und 2005 von 85 % auf 95 %. Die punktförmigen Einleitungen der besonders dringlichen Stoffe haben um 70 % bis zu 100 % abgenommen. Die Belastung mit

Artenzahl

Sauerstoff [mg/l]

Power Play Der Erfolg dieser Regelungen ist beträchtlich, die Schadstofffracht des Rheins hat sich durchweg signifikant verringert:

200

12

175

10

150 SauerstoffKonzentration

125

f Die Zahl der Stör- und Unfälle in der Industrie ging deutlich zurück; in der Regel melden Industriebetriebe es selbst, wenn Schad-

100

stoffe unbeabsichtigt in den Rhein gelangen. Ende der 1980er-Jahre wurden jährlich knapp 60 Störfälle gemeldet, kurz nach der Jahrtau-

25

sendwende waren es nur noch 15 pro Jahr. Die IKSR stellte 2009 fest, dass die Betriebe die Empfehlungen zur Störfallvorsorge und Anlagensicherheit weithin umgesetzt haben.

118 Der Rhein: Hydrologisches

75

8 6

Artenzahl

4

50

0

19

00 19 5 19 5 6 19 0 6 19 5 7 19 0 7 19 5 8 19 0 8 19 5 9 19 0 9 20 5 0 20 0 05

0

2

99 ó Die Zahl der an der Flusssohle lebenden wirbellosen Tierarten (Makrozoobenthos) hat seit den 1990er-Jahren auch dank des verbesserten Sauerstoffgehaltes fast wieder den Wert von 1900 erreicht.

Sie g

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Rhein

Wesel km 814

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Mainz km 499

Lahn

Mannheim km 452

Bimmen km 865

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Koblenz km 590 he Na

Maxau km 362

Düsseldorf km 722

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Köln km 688

Ru

Mo se l

Seltz km 335

2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 1980 1979 1978 1977 1976 1975 1974 1973 1972 1971 1970 300 ≤2

350 4

6

400

450

500

550

600

650

700

750

800

850 900 Rhein km

Sauerstoffkonzentration 8 ≥ 10 in mg/l

100 ó Der Sauerstoffgehalt des Rheinwassers ist seit Mitte der 1980er-Jahre wieder optimal, die Fortführung der Statistik bringt somit keine neuen Erkenntnisse. Den unterschiedlichen Wassertemperaturen im Sommer und im Winter entsprechen unterschiedliche Sauerstoffgehalte.

abbaubaren organischen Stoffen ist nur noch gering bis mäßig.

nämlich bei 38 Stoffen und Stoffgruppen. Bei 23 Stoffen und Stoffgruppen liegen die Mess-

f Die meisten Zielvorgaben, die die IKSR zur Verringerung der Schadstoffbelastung aufgestellt hat, wurden – Stand 2004 – erreicht,

werte in der Nähe der Zielvorgaben. f Die Stickstoffeinträge nahmen von über 500 000 t / a (1985) auf 360 000 t / a (2000)

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte 119

ab; davon stammten ein Drittel aus Punkteinleitungen, zwei Drittel aus diffusen Quel-

umfassenderen Untersuchungen des ökologischen Zustands des Stroms gezeigt, dass es

len. Allerdings blieb der diffuse Eintrag durch Auswaschung gedüngter landwirtschaftlich

immer noch erhebliche Defizite gibt. Der stark ausgebaute Fluss beherbergt deutlich weniger Tier- und Pflanzenarten, als es seinem ökolo-

genutzter Flächen so gut wie unverändert. Das ist weiterhin eine unbefriedigende Tatsache, die grundlegend nur durch die Mengenreduzierung der ausgebrachten Agrochemikalien verbessert werden kann. Selbst dann sind deutliche Erfolge binnen kurzer Zeit kaum zu erwarten, da die Stoffe, die bereits in den Untergrund landwirtschaftlich genutzter Flächen gelangt sind, in aller Regel nur in längeren Zeiträumen ausgeschwemmt werden. Die Belastung mit den Nährstoffen Stickstoff und Phosphor ist im Oberrhein sehr gering, im Mittel- bis Niederrhein steigt sie deutlich an. Damit ist auch eines der noch offenen Probleme skizziert: Der Stickstoffeintrag aus dem Rhein in die Nordsee ist noch zu hoch. Die Überdüngung dieses Binnenmeeres ist noch nicht dauerhaft ausgeschlossen. Die Sauerstoffversorgung des Rheins ist durchgehend gut. Die Artenzahl an Kleintieren ist auf 200 gestiegen und hat damit wieder fast den Zustand des Rheins von vor 100 Jahren erreicht. Darunter befinden sich besonders viele Arten, die keine hohen Ansprüche stellen, aber es werden auch zunehmend wieder ehemalige Rhein-Arten nachgewiesen, die als verschollen galten. f Auch die Artenzahl der Fische mit 50 Arten hat wieder den Stand von vor 100 Jahren erreicht. f Die Gewässergütekarten der Rheinanlieger aus der Zeit um das Jahr 2000 bescheinigen dem Rhein weiterhin durchweg die Güteklasse II „mäßig belastet“. f Gleichzeitig haben aber sowohl die moderneren Erfassungen der Gewässerstrukturgüte als auch die gegenüber der herkömmlichen biologischen Gewässergütebestimmung deutlich

120 Der Rhein: Hydrologisches

gischen Potenzial entspricht. Vor allem fehlen einige Charakterarten, während die Lebensgemeinschaft streckenweise sehr stark durch Neueinwanderer („Neozoen“) geprägt ist. Hier spielt sicherlich die veränderte Temperatur des Rheins, bedingt durch Abwasser und Kühlwassereinleitungen, vielleicht auch schon durch den Klimawandel, eine Rolle. Die 1987 aufgestellten Ziele für die Qualität des Rheinwassers waren am Ende der Laufzeit des Aktionsprogramms Rhein im Jahr 2000 größtenteils erreicht oder übertroffen. Jedoch: Wenn sich auch die Wasserqualität ganz entscheidend verbessert hatte, – es blieben beträchtliche Frachten und einige Schadstoffe, deren Herabsetzung im erwünschten Maße nicht gelungen war.

Die Anrainerstaaten lassen nicht nach Mit dem APR wurde auch deutlich, dass es zur Sanierung des Rheins nicht ausreicht, allein eine bessere Wasserqualität zu gewährleisten, sondern dass eine Gesamtschau und -Behandlung des komplexen Ökosystems Rhein geboten ist. Die Rheinministerkonferenz beschloss deshalb im Jahr 2001, die Bemühungen mit dem Programm „Rhein 2020“ fortzusetzen. In ihm sind die Sachfelder Biotopverbund am Rhein, Hochwasservorsorge, Wasserqualität und Grundwasserschutz zusammengefügt; Vorgaben der EU sind eingeschlossen. Das Programm enthält die allgemeinen Ziele zur Rheinschutzpolitik sowie die zur Umsetzung erforderlichen Maßnahmen. In Zusammenhang mit der Wasserqualität sind die wohl wichtigsten Ziele, die bis zum Abschluss des Programms erreicht werden sollen:

f Dauerhafte Einhaltung der Zielvorgaben von 1987 für alle für den Rhein relevanten Stoffe in Wasser, Schwebstoffen, Sediment und Lebewesen. f Beendigung oder schrittweises Einstellen von Einleitungen, Emissionen und Verlusten prioritär gefährlicher Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie. f Schrittweise Reduzierung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten prioritärer Stoffe der Wasserrahmenrichtlinie. f Die Wasserqualität soll so beschaffen sein, dass die Trinkwassergewinnung mit einfachen, naturnahen Aufbereitungsverfahren möglich ist. f Die im Rheinwasser enthaltenen Stoffe sollen weder einzeln noch in ihrem Zusammenwirken nachteilige Einwirkungen auf die Lebensgemeinschaften von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen haben. f Weitere Reduktion der Anreicherung von gefährlichen Stoffen in Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen. f Rheinfische, Muscheln und Krebse sollen ohne Einschränkung zum Verzehr geeignet sein.

101 ó Diffuse Quellen: Neben der Ausschwemmung von Agrochemikalien ist es auch der Kupfer- und Zinkabtrag von Blechdächern und -fassaden, durch die das Rheinwasser heute belastet wird.

Bezogen auf die Wasserqualität richtet sich das Augenmerk konkret darauf, die Einträge von sechs problematischen Stoffen und Stoffgruppen herabzusetzen oder zu beseitigen, deren Zielvorgaben im Aktionsprogramm Rhein nicht erreicht wurden: die Schwermetalle Cadmium, Kupfer und

Fassadenflächen aus Kupfer oder Zink stammen, zu den bedeutendsten Quellen des Schwermetalleintrags. Auch der Straßenverkehr liefert einen deutlichen Beitrag. – Andere Anteile der problematischen Stoffe wurden bereits in früherer Zeit in den Rhein eingetragen und sind nun in den Sedimenten als Altlast eingelagert. Häufig überdecken jüngere, weit weniger belastete Ablagerungen die verseuchten alten, sodass dadurch sogar

Zink, das Herbizid Diuron, der polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff (PAK) Benzo(a)pyren sowie die PCB-Stoffgruppe (polychlorierte Biphenyle). Das ist schwierig zu bewerkstelligen; denn

ein gewisser, allerdings unsicherer Schutz besteht. Es ist eine offene Frage, wie diese älteren Sedimente entfernt werden können, ohne dass ihre Schadstoffe das Rheinwasser erneut verseu-

diese Stoffe gelangen in der Regel nicht mehr aus Punktquellen, sondern aus der Fläche, aus

chen. – Von der Problematik von Arzneimitteln, hormonell wirkenden Stoffen und anderen Subs-

diffusen Quellen, in das Rheinwasser. Beispielsweise gehören die Abwässer, die von Dach- und

tanzen für die Wasserqualität einmal abgesehen (Y Kap. 2.5).

Hauptproblem: Diffuse Quellen

Die Wassergüte des Rheins – Eine Erfolgsgeschichte 121

Die immer noch hohen Stickstoffeinträge wirken nach wie vor als Dünger nicht nur für den Rhein, sondern auch für die Nordsee.

Besser ist noch nicht gut Die Entwicklung der Wassergüte des Rheins in der Zeit zwischen den 1950er-Jahren und heu-

ropäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) die Maßstäbe für eine zukunftsträchtige Gewässerschutzpolitik (Y Kap. 3.2). Sie macht rechtlich verbindliche Vorgaben. Unter anderem fordert sie die Aufstellung von Bewirtschaftungsplänen für den Rhein und seine Teileinzugsgebiete. Sie

te stellt sich insgesamt als eine Erfolgsgeschichte dar. Allerdings führte die Katastrophe im Jahr

verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten – am Rhein also alle neun Anlieger, außer der Schweiz und Liechtenstein – spätestens 2027 den guten öko-

1986 drastisch vor Augen, wie verletzlich das Ökosystem des Stroms ist. Doch noch ist nicht alles Notwendige erreicht; weiterhin belastet eine

logischen Zustand, oder für den stark ausgebauten Rhein: das gute ökologische Potenzial zu erreichen. Die WRRL setzt rechtlich verbindliche

Reihe von Schadstoffen das Rheinwasser in nicht unerheblichem Maße. Diese Schad- und Giftstoffe gilt es zu eliminieren. Darüber hinaus ist der Eintrag neu aufkommender belastender Substanzen zu verhindern. Schließlich sind nicht nachlassen-

Qualitätsnormen für 33 prioritäre bzw. prioritäre gefährliche Stoffe in Gewässern fest. Beim Ver-

de Bemühungen erforderlich, die bereits erreichten Qualitätsstandards zu halten. Das erfordert die permanente, sorgfältige chemische, physikalische und biologische Überwachung des Wassers, sicher funktionierende Melde- und Alarmsysteme und eingeübte Verhaltensweisen bei Störfällen. Nicht zuletzt ist die Verbesserung der Wasserqualität eine unabdingbare Voraussetzung für die anstehende, umfassende Gewässerentwicklung des Rheins. Neben dem Programm Rhein 2020, das eine freiwillige Vereinbarung der Rheinanliegerstaaten darstellt, setzt heute vor allem die Eu-

gleich des aktuellen Zustandes des Rheins mit den vorgegebenen Qualitätsnormen hat sich erwiesen, dass diese noch nicht für alle Stoffe eingehalten sind. Das gilt insbesondere für einige PAKs. Neben der weiteren Verringerung der Schadstoffbelastung gilt es gemäß der WRRL nun verstärkt, auch die Folgen der strukturellen Defizite zu beseitigen oder zu vermindern: ausgebaute Ufer, Staumauern und Wehre, fehlende Bepflanzung an den Ufern usw. Die damit verbundenen Anstrengungen werden denjenigen nach der Sandoz-Katastrophe nicht nachstehen. Es gilt, die Erfolgsgeschichte des Rheins – Vorbild für den Gewässerschutz überall auf der Welt – weiterzuführen.

Weitere Informationen: – Diehl, P., Gerke, T., Jeuken, A., Lowis, J., Stehen, R., Steenwijk, J. van, Stoks, P., Willemsen, H.-G.: Early Warning Strategies and Practices Along the River Rhine. In: Thomas P. Knepper (ed.) The Handbook of Invironmental Chemistry, Vol 5L, „The Rhine“, S. 99 – 124. Berlin, Heidelberg 2006. – Giger. W.: Brandkatastrophe in Schweizerhalle 1986 – Rückblick und Bilanz. UWSF – Z Umweltchem. Ökotox 19, Sonderheft 1, S. 11 – 23. Landsberg 2007. – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr. 168 Synthesebericht über die Qualitätskomponenten Phytoplankton, Makrophyten / Phytobenthos, Makrozoobenthos, Fische. Koblenz 2009. www.iksr.org – IKSR (Hrsg.): Bericht Nr.177 Internationaler Warn- und AlarmPlan Rhein. Koblenz 2009. www.iksr.org

122 Der Rhein: Hydrologisches

Wasserrahmenrichtlinie 3.2 Urs Weber

D

ie Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist die vom Europäischen Parlament und vom Rat

plans durchsetzen, welcher die Mitgliedstaaten

beschlossene „Richtlinie zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft

verpflichtet, erstens die Normen der Richtlinie zu übernehmen, zweitens die für ihren jeweiligen Gewässerschutz nötigen Behörden zu be-

im Rahmen der Wasserpolitik“. Sie beruht auf den Artikeln 174 –176 des EG-Gründungsvertrags, die den Rat ermächtigen, in Umweltdingen und insbesondere im Bereich der Wasserressourcen tätig zu werden. Die WRRL ist am 22. Dezember 2000, mit der Publikation im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, in Kraft getreten. Gemäß dem Recht der Europäischen Gemeinschaft schaffen „Verordnungen“ und „Entscheidungen“ direkt anwendbares Recht, während Richtlinien nicht direkt anwendbar sind. Sie verpflichten vielmehr die Mitgliedstaaten, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht zu übertragen. Bei ihrem Regelwerk zum Wasser spricht die EU von einer „Rahmenrichtlinie“. Das ist zwar rechtlich nichts anderes als eine andere Richtlinie, aber die Wortwahl hat ihren Grund: Es handelt sich dabei nämlich um ein politisch ambitiöses Instrument, um einen „Ordnungsrahmen“, dank dem nicht nur alle Gewässer Europas bis 2015 „in gutem Zustand“ sein sollen; in den Rahmen passen auch mehrere Tochterrichtlinien, die spezielle Bereiche abdecken, wie nament-

zeichnen, drittens Maßnahmenpläne auszuarbeiten und diese sodann viertens auszuführen, wobei an die Brüsseler Zentrale über die erzielten Fortschritte berichtet werden muss. Die Wasserpolitik in der EU soll mit der Klimapolitik und der Energiepolitik koordiniert werden und überdies im Einklang mit der Landwirtschaftspolitik ablaufen. Die WRRL hält zugleich fest, es müsse ein Anreiz zu haushälterischem Umgang mit dem Wasser geschaffen werden, und zwar über dessen Preis. Das heißt, Konsumenten, Industrie und Gewerbe sollen für ihr Wasser kostendeckende Preise bezahlen, und dasselbe gilt im Prinzip auch für die Landwirtschaft. Gewässer schützen heißt, sie vor anthropogenen Verschmutzungen schützen, und da bei der Schaffung der WRRL zahlreiche europäische Gewässer mehr oder weniger belastet waren, formuliert die Richtlinie in Artikel 1 a, es gelte „weitere Verschlechterung“ zu vermeiden, namentlich durch „schrittweise Reduzierung“ der Verschmutzungen, wobei gleichzeitig an die „Minderung“

lich das Grundwasser (Richtlinie von 2006) oder die Hochwasserrisiken (Richtlinie von 2007); neue Richtlinien sind zum Trinkwasser und zum

der Effekte von Dürre oder Überschwemmung ein Beitrag geleistet werden soll. Das heißt, die WRRL formuliert ihre Ziele nicht absolut, son-

Schutz der Meere vorgesehen.

dern komparativ, relativ zum Vorhandenen, als

Den guten Zustand der Gewässer will die WRRL mittels eines europaweit geltenden Zeit-

fortwährende Aufgabe. Das klingt zunächst bescheiden und resignativ, hat aber die Kehrseite,

123

dass immer weitere Verbesserungen angestrebt werden können.

offenbar hatten die Entwerfer der Richtlinie seit jeher damit gerechnet, dass dieser Termin Mühe

Der europäische Zeitplan sieht wie folgt aus:

bereiten werde, denn den Mitgliedstaaten werden mehrere Verlängerungsfristen von je sechs

f Bis Mitte 2004 hatten die Mitgliedstaaten ihre zuständigen Behörden zu bestimmen, und bis zum selben Zeitpunkt sollten sie die WRRL in nationales Recht überführt haben. f Bis Ende 2004 sollten sie umfassende Bestandsaufnahmen erarbeiten, die die Flussgebietseinheiten beschreiben, ihre wasserwirksamen menschlichen Tätigkeiten überprüfen, die Wassernutzung wirtschaftlich analysieren sowie die Schutzgebiete identifizieren. f In den Jahren 2005 und 2006 sollten Monitoringprogramme für die erwarteten Fortschritte eingerichtet werden. f Von 2007 bis Ende 2009 hatten Bewirtschaftungspläne zu folgen. f In den sechs Jahren von 2010 bis 2015 sollen diese Pläne nun ausgeführt werden. Im März 2007 legte die Europäische Kommission einen Bericht über das bisher Erreichte vor. Darin kritisierte sie, es seien in der gesamten EU große Unterschiede bei der Einhaltung der Termine festzustellen, und leider werde in einigen Staaten die Richtlinie nicht wirklich ernst genommen. Nun ist aber eine Richtlinie keine unverbindliche Empfehlung, sondern – via nationale Rechtsübernahme – zwingend. Die Kommission hat deswegen mehrere Verfahren gegen die fehlbaren Staaten vor dem Gerichtshof von Luxemburg angestrengt. Gleichzeitig stellte die Europäische Kommission ihr damals neues „Wasserinformationssystem für Europa (WISE)“ vor. Aber auch da, wo die WRRL durchaus ernst genommen und befolgt wird, scheint für manche

Jahren angeboten. Trotz ihrer offenen Formulierung zielt die Wasserrahmenrichtlinie auf konkrete Maßnahmenpläne, und ihnen sollen die Einzugsgebiete der Flüsse, auf Deutsch Flussgebietseinheiten (FGE), zugrunde liegen. Unter der FGE wird stets das gesamte Einzugsgebiet samt Nebenflüssen verstanden, von den Wasserscheiden bis inklusive der Mündung in einem Delta oder Ästuar. Manche Flusseinzugsgebiete liegen nicht nur in einem Staat, und das gilt in geradezu prototypischer Weise für den Rhein, dessen Einzugsgebiet in neun Staaten liegt (Schweiz, Italien, Österreich, Liechtenstein, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien, Niederlande). Das Rheineinzugsgebiet bildet deshalb in der Terminologie der WRRL eine „internationale Flussgebietseinheit“. Für jede Flussgebietseinheit soll eine Stelle bezeichnet werden, die für die Anwendung der WRRL verantwortlich sein soll. Für das Einzugsgebiet des Rheins haben die Anliegerstaaten die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR Y Kap. 5) beauftragt, sich um die Überwachung und Berichterstattung zu kümmern. Zwei Rheinanliegerstaaten, die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein, sind nicht Mitglieder der EU. Beide sind aber Mitglieder der IKSR, und beide haben frühzeitig erklärt, auch die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für ihr Staatsgebiet zu übernehmen. Hingegen hat das EU-Mitglied Italien auf eine Teilnahme an der IKSR stets verzichtet. Der italienische Anteil am

Flussgebiete das Zieljahr 2015 zu nah zu liegen.

Rheineinzugsgebiet umfasst lediglich das hochalpine, ökologisch unbedenkliche Tal „Valle di

Dieses Zieljahr betonte die Kommission in ihrem Bericht vom März 2007 nochmals mehrfach, aber

Lei“ (Provinz Sondrio) und ist deshalb für die WRRL bedeutungslos.

124 Der Rhein: Hydrologisches

Die IKSR ist älter als die EU, ihre Programme setzten andere, frühere Zieldaten als die WRRL, und deshalb verzeichnet das Rheineinzugsgebiet schon heute viel Fortschritt (Y Kap. 3.1), auf den man an anderen belasteten Flüssen in der EU noch wartet.

WRRL in ihrem ersten Jahrzehnt bewirkt hat. Einen bedeutsamen Unterschied zwischen den Tätigkeiten der IKSR und der Tätigkeit, die die WRRL den EU-Mitgliedstsaten aufgibt, darf man nicht übersehen: Die IKSR gab ihren Mitgliedstaa-

Die Rheinministerkonferenz von 2007 zog über das Erreichte Bilanz, wobei die Minister formulier-

ten Empfehlungen, und diese wurden zumeist befolgt, das heißt, die IKSR kann eindrucksvolle Erfolge vorweisen. Aber die Sanierungen erfolgten

ten, die EU-Richtlinien seien „Werkzeuge zur Umsetzung des Programms Rhein 2020“. Das heißt,

stets freiwillig. Das Regelwerk der EU hingegen, also die WRRL und ihre Tochterrichtlinien, set-

die in der IKSR breit abgestützten Sanierungsarbeiten am Rhein und seinen Zuflüssen haben durch die WRRL eine weitere Legitimation erhal-

zen ihre Ziele rechtsverbindlich. Ob dieser Weg größere Erfolge herbeiführen wird, ist durchaus offen. Dieses erste Jahrzehnt war aber vor allem

ten, aber sie haben sich inhaltlich wenig verändert. Der Arbeitsfortschritt, den die IKSR bewirkt hat, ist eher weiter vorangekommen, als was die

ein Jahrzehnt der Bestandsaufnahme und der Planung. Die Ausführungsphase gemäß WRRL hat mit dem Jahr 2010 eben erst begonnen.

Weitere Informationen: – „Wasserinformationssystem für Europa (WISE)“. – Europäische Gemeinschaft: Richtlinie 2000 / 60 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie / WRRL). ABL L 327 vom 22.12.2000. Brüssel 2000.

Wasserrahmenrichtlinie 125

3.3

Das Zusammenspiel von Rheinwasser und Grundwasser am Oberrhein Martin Stieghorst

E

reignisreich geht es zu, wo das Rheinbett im gewachsenen Felsen verläuft. Am bekanntes-

schwellen am Hochrhein und am Isteiner Klotz und dem verfestigten Lehm- und Tonuntergrund

ten sind der Rheinfall bei Schaffhausen und die Mittelrheinstrecke zwischen Bingen und Kob-

bei Sondernheim in der Nähe von Germersheim und bei Nackenheim südlich von Mainz sind die

lenz. Sie sind nicht nur Bereiche mit markanter Naturausstattung, sondern – darauf aufbauend – auch touristische Magnete und Barrieren bzw. Gefahrenstrecken für die Schifffahrt. Doch zusammen mit den Alpenabschnitten, den Fels-

Untergrundschwellen im Verhältnis zur Gesamtlänge des Rheins nur kurz. Zum weitaus größten Teil fließt der Strom über Lockergesteine. Das sind Kiese und Sande, die entweder er selbst oder seine Seitengewäs-

102 und 103 ó Die Grundwasserstände folgen den Wasserständen des Rheins. Beispiel: Raum nördlich der Murgmündung.

126 Der Rhein: Hydrologisches

ser in früheren Zeiten herangeschafft und abgelagert haben und die heute die Rheinebenen, so auch die Oberrheinische Tiefebene, bilden. Im Süden sind die Ablagerungen grobkörnig, nach Norden werden sie feiner. Die Poren der Lockergesteine sind häufig bis nahe ihrer Oberfläche mit Grundwasser gefüllt. Es hat sich in der Regel aus Niederschlägen gebildet, die in der Rheinebene selbst gefallen und in den Untergrund eingedrungen sind. Über diese lokalen Grundwasserneubildungen hinaus fließt dem Rhein auch Wasser aus seinen Nebengewässern und von den Rändern der Lockergesteinsareale von der Seite unterirdisch zu.

Wasseraustausch Das Grundwasser ist in den Hohlräumen des Untergrundes in Bewegung. Seine Fließgeschwindigkeit, im terminus technicus: seine Abstandsgeschwindigkeit, hängt vom Gefälle des Grundwasserspiegels, vom Anteil der Hohlräume und der Durchlässigkeit des Untergrunds ab. Sie kann südlich des Kaiserstuhls bis zu ungefähr 10 m pro Tag betragen. Weiter nördlich, zwischen Kaiserstuhl und Philippsburg, sinkt dieser Wert, zumeist unter den Betrag von ungefähr 1 m pro Tag. Das Grundwasser bewegt sich insgesamt gesehen auf den Rhein zu. Wenn der Spiegel des Grundwassers höher als der des Rheins liegt, läuft Grundwasser in das Rheinbett aus. Im umgekehrten Fall, wenn der Wasserspiegel des Grundwassers tiefer als der des Rheins liegt, tritt Wasser aus dem Rhein in

104 ó Bei nicht voll funktionstüchtigen Deichen kann Rheinwasser landseits als „Qualmwasser“ austreten. Das gilt es zu verhindern.

Im Unterschied zu den langsamen Schwankungen des Grundwasserspiegels ändert sich der Wasserspiegel des Rheins sehr schnell. Schneeschmelze oder ergiebige Regenfälle führen binnen Tagen oder gar Stunden zu hohen Wasserständen im Rhein. Dann liegt der Wasserspiegel des Rheins plötzlich höher als der des seitlichen Grundwassers. Die höhere Wassersäule und damit der größere Druck haben zur Folge, dass Rheinwasser in den Untergrund eindringt, in ihm landseits fließt und die Menge des sich stauenden Grundwassers vergrößert. Der Grundwasser-

das Grundwasser über, und das Grundwasser kann nicht ausfließen. Der aus dem Hinterland herandrängende Grundwasserstrom staut sich dann gegen den Rhein und die Nebengewässer auf, bis er deren Höhe erreicht hat und danach die darüber hinausgehende Menge über die stromnahen Entwässerungsgräben an den Strom abgibt. Der Rhein stützt also das Grundwasser und hält es in Rheinnähe auf einem oberflächennahen Niveau.

105 ó Bei längeren hohen Rheinwasserständen steigt das Wasser hinter dem Deich zum Teil bis über die Geländeoberfläche.

Das Zusammenspiel von Rheinwasser und Grundwasser am Oberrhein 127

spiegel hebt sich und rückt näher an, gelegentlich auch über die Erdoberfläche. – Das in den Untergrund übertretende Rheinwasser wird Uferfiltrat genannt; es unterscheidet sich nicht nur durch seine Herkunft, sondern auch durch seine Inhaltsstoffe, die vom Chemismus des Rheinwassers geprägt sind, vom „echten“ Grundwasser. Das ist z. B. bei der Trinkwassergewinnung von großer Bedeutung (Y Kap. 2.5). Durch die Untergrundpassage wird das Rheinwasser gefiltert. Im Wasser enthaltene Inhaltsstoffe werden auf oder in der Stromsohle abgelagert. Das ist zunächst ein überwiegend mechanischer Vorgang, der später von chemischen und biologischen Reaktionen ergänzt und abgelöst werden kann. Es kommt zur Anreicherung und Verfestigung der Ablagerungsschicht; dadurch verringert sich ihre Durchlässigkeit für das Wasser. Die Dicke der Sedimentschicht wächst in beruhigtem Wasser stärker als in bewegtem. Jedoch nimmt ihre Mächtigkeit nicht unbesehen zu: Turbulenzen, die bei Hochwasser auftreten oder die vom Schraubenstrahl eines Schiffes verursacht werden, können die Sedimentschicht aufreißen. Die Aufwirbelung kommt einer chemisch-biologischen

Reinigung der Gewässersohle gleich; sie begünstigt den weiteren Infiltrationsvorgang. Kehrt sich die Fließrichtung des Grundwassers um, so kann auch dadurch die Sedimentschicht aufgelockert oder fortgespült werden. Die Wechselwirkung von Grundwasser und Rhein ist ein natürlicher Vorgang und von großer Bedeutung nicht nur für den Wasserhaushalt und die Trinkwassergewinnung, sondern auch für die sonstigen Funktionen und Nutzungen der stromnahen Schotterebenen. Sie blieb in den freien Fließstrecken des Rheins bis heute weitgehend erhalten. Zum Teil gravierend andere Verhältnisse bestehen dort, wo der Rhein ausgebaut ist.

Grundwasserschwankung herabgesetzt Am südlichen Oberrhein verursachte die Rektifikation von Johann Gottfried Tulla im 19. Jahrhundert eine gravierende Sohleneintiefung des Rheins um bis zu 7 m – weit mehr, als Tulla sie geplant hatte – und damit eine entsprechende Absenkung des Wasserspiegels (Y Kap. 2.4). Als dann von 1932 bis 1959 zwischen Märkt / Kembs und Breisach der Grand Canal d’Alsace als betonierter, das heißt wasserundurchlässiger, Kanal

106 ó Von der Vernässung durch gestiegene Grundwasserstände bei Rheinhochwasser sind zum Teil große Flächen betroffen; hier die Rheinschanzinsel bei Philippsburg.

128 Der Rhein: Hydrologisches

107 ó In Teilen des an den „Rest-Rhein“ angrenzenden Gebiets wird der abgesunkene seitliche Grundwasserspiegel durch den Einstau im Kulturwehr Breisach um mehrere Meter angehoben.

gebaut und nahezu die gesamte Wassermenge des Rheins zur Stromerzeugung durch ihn abgeleitet wurde, sank der Wasserspiegel im Rheinbett nochmals um ca. 2 m ab (Y Kap. 4.4). Damit war die vorherige Stützfunktion des Rheins für die Grundwasserstände vollends verloren: Der Grundwasserspiegel sank deutlich und stellte sich mit seiner Höhenlage auf die Wasserspiegelhöhe des kümmerlichen Rinnsals im Bett des sogenannten Rest-Rheins – nomen est omen – ein. Insgesamt sank der Grundwasserstand in der Nähe des ehemaligen Strombettes um bis zu 9 m. Da der Untergrund aus grobkörnigem Material besteht, wurde ein Geländestreifen von durchweg mehreren Kilometern Breite seitlich des Stromes von der Absenkung betroffen. Die Folgen für den

von einst üppigem Wachstum. Es ist kein großer Trost, dass sich inzwischen Trockenheit liebende Pflanzen eingestellt haben. Die Grundwasserabsenkung hat auch Folgen für die Trinkwassergewinnung und für die Land- und Forstwirtschaft. Wenn sie überhaupt weiterhin betrieben werden können, müssen sie zumindest an die neuen Gegebenheiten angepasst, das heißt, auf ganz andere Weise betrieben, werden. Unumkehrbar verloren ging die natürliche Dynamik des Grundwassers, sein Steigen und Fallen in Abhängigkeit von den Wasserständen des Rheins. Um die Schäden zu mildern, wurde bei Breisach ein Kulturwehr errichtet. Mit ihm wird das Wasser im Rheinbett aufgestaut, sodass sich der Grundwasserspiegel anheben konnte. Die günsti-

Naturhaushalt waren drastisch: Der Untergrund trocknete aus. Wo früher Grund- und Oberflächenwasser im Überfluss vorhanden waren, wur-

ge Wirkung ist allerdings beschränkt: Der Staubereich des Kulturwehres erstreckt sich wegen des Gefälles der Stromsohle auf nur wenige Kilo-

de es zur Mangelware. Pflanzen konnten mit ihren Wurzeln nicht mehr die wassergesättigte

meter nach Süden. Um die Schäden und negativen Wirkungen der

Zone erreichen. Das galt selbst für tief wurzelnde Bäume. Kahle, verdorrte Pflanzenskelette zeugen

Grundwasserabsenkungen zwischen Märkt und Breisach beim weiteren Rheinausbau zwischen

Das Zusammenspiel von Rheinwasser und Grundwasser am Oberrhein 129

Breisach und Straßburg zu vermeiden, wurde eine andere Ausbauweise entwickelt, die sogenannte Schlingenlösung (Y Kap. 2.4). Mit ihr soll erreicht werden, dass in dem unteren Abschnitt der Austausch zwischen Grundwasser und Rhein erhalten bleibt und das Grundwasser nicht so gravierend wie südlich des Kaiserstuhls absinkt. Weil der Rheinwasserspiegel in den Stauhaltungen angehoben ist, bewegt sich das Wasser im

Staustufe führen und dort in den Rhein einleiten. Beim Bau der Staustufen hatte man angenommen, dass sich die Stromsohle bald zusetzen, – „kolmatieren“ – und die Infiltration des Rheinwassers binnen kurzer Zeit zumindest deutlich vermindern würde. Es zeigte sich allerdings, dass es mehrere Jahre dauerte, bis sich eine deutliche Kolmation einstellte. Erhebliche Mengen an Uferfiltrat und auch an „echtem“

Untergrund nur in einer Richtung, nämlich vom Rhein weg. In den Ausleitungsstrecken wurden feste Schwellen im Rheinbett eingebaut. Sie tra-

Grundwasser aufgrund des landseitigen Aufstaus laufen nach wie vor in den Seitengräben ab, die zusammen mit den Altrheinen die Aus-

gen dazu bei, die erniedrigten Wasserstände anzuheben und das Grundwasser auf dieser Höhe

tauschfunktionen übernehmen, die früher der Strom selbst erbracht hatte. An einigen Stellen muss das ufernahe Grundwasser mit Pumpen abgesenkt werden. Das geschieht vor allem, um stromnahe Siedlungsflächen zu schützen. Das in den Seitengräben ablaufende Wasser ist vom Untergrund gefiltert und deshalb von guter Qualität. Man könnte es nutzen, mindestens in der Landwirtschaft und nach der derzeit üblichen Aufbereitung auch zur Trinkwasserversorgung. Aber das sollte tunlichst unterlassen werden; denn seine Existenz ist Gewähr dafür, dass die landseitigen Grundwasserstände der Oberrheinebene zwischen Straßburg und Iffezheim in oberflächennahen Höhenlagen erhalten bleiben; die Stützfunktion der Seitengräben für das Grundwasser ist unverzichtbar. Das natürliche Pendeln der Grundwasserstände lässt sich allerdings auch hier nicht wiederherstellen – oder vielleicht doch?

zu halten. Wichtig sind die parallel zum Rhein verlaufenden Seitengräben: Je nach Wahl eines höheren oder niedrigeren Wasserspiegels in einem Grabenabschnitt lässt sich das Niveau des Grundwassers festlegen. Insgesamt konnte jedoch nicht verhindert werden, dass das natürliche Auf und Ab der Grundwasserstände verloren ging, sie sich also vergleichmäßigten.

Hoch die Grundwasserstände Auch aus den Stauhaltungen von Gambsheim und Iffezheim drängt ein erheblicher, permanenter Grundwasserstrom landseits, der die Grundwasserstände hinter den Seitendämmen ansteigen lässt. Um Vernässungsschäden zu vermeiden, wurden unmittelbar hinter den Seitendämmen Drainagegräben angelegt, die das in sie eintretende Wasser zum Unterwasser der jeweiligen Weitere Informationen:

– Umweltministerium Baden-Württemberg und Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz: Hydrogeologische Kartierung und Grundwasserbewirtschaftung im Raum Karlsruhe-Speyer – Fortschreibung 1986 – 2005. Stuttgart / Mainz 2007. – Bundesministerium des Inneren (Hrsg.): Uferfiltration. Bericht des BMI-Fachausschusses „Wasserversorgung und Uferfiltrat“. Bonn 1975. – Banzhaf, S. u. Scheytt, T.: Auswirkungen einer künstlichen Hochwasserwelle auf den fließgewässernahen Grundwasserleiter. in: Grundwasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie (2009) 14, S. 265 – 275. – Becker, B., Nowak, L., Klauder, W. S., Köngeter, J. u. Schüttrumpf, H.: Eine nichtlineare Leakage-Randbedingung für die Modellierung von hochwasserbeeinflusstem Grundwasseranstieg. In: Wasserwirtschaft (2009) 1 – 2, S. 26 – 31.

130 Der Rhein: Hydrologisches

Schöpfwerke 3.4 Günter Wendel

108 ó Früher beförderten windgetriebene Schöpfwerke das abzupumpende Wasser stufenweise von tiefer in höher liegende Gräben und letztlich in die Rheinarme.

S

chöpfwerke dienen mangels natürlicher Vorflut dazu, das Druckwasser aus tief liegenden Gebieten mit Maschinenkraft zu beseitigen. In Niederungen eingedeichter Ströme wird die natürliche Entwässerung zeitweise durch die hohen Wasserstände – in der Nähe des Meeres durch die auflaufenden Fluten – behindert. In den Niederlanden liegt ein Viertel des Landes unter dem Mittelwasser der Nordsee. Dieses Gebiet wird durch die hoch aufgedämmten Binnengewässer und die Seedeiche in eine Reihe von

Poldern geteilt. Deren landwirtschaftliche oder andere Raumnutzungen sind allerdings nur dann möglich, wenn sie künstlich entwässert werden. Bereits im 15. Jahrhundert wurden in den Niederlanden erste Schöpfwerke gebaut, die mittels Windkraft „Wasser mahlten“ und die tief gelegenen Polder entwässerten. Das heißt, die legendären niederländischen Windmühlen waren in aller Regel keine Getreidemühlen, sondern Schöpfwerke. Zahlreiche Beispiele fanden sich ebenfalls an den deutschen Strömen, so auch am Niederrhein.

131

109 ó Historische Schöpfwerke bei Kinderdijk zwischen Dordrecht und Rotterdam.

Das Pumpwerk (Schöpfwerk) wurde an der tiefsten, dem Vorflutgewässer nächstgelegenen Stelle, der zu entwässernden Niederung angelegt. Die zu fördernden Wassermengen wurden ihm durch offene Kanäle und Gräben zugeleitet. Die früheren Windmühlen wurden inzwischen durch leistungsstärkere, mit Strom oder Dieselkraftstoff betriebene Schöpfwerke ersetzt. An Oberrhein, Mittelrhein und Niederrhein entstanden so rechts und links zahlreiche Schöpf - bzw. Pumpwerke, von denen einige beispielhaft dargestellt werden.

Schöpfwerke zur Entwässerung der Oberrheinniederung Nach dem Bau der Deiche, welcher vor allem nach der Rheinkorrektur durch Tulla anfangs des 19. Jahrhunderts einsetzte, konnte das Binnenwasser bei Hochwasserführung des Rheins in der eingedeichten Niederung nur zurückgehalten, aber nicht abgeleitet werden. Bei starken Niederschlägen im Binnenland und / oder lange andauerndem Rheinhochwasser stieg der Binnenwasserspiegel so weit an, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen vernässten und kein Ertrag mehr erzielt werden konnte. Für die damals betroffene Bevöl-

132 Der Rhein: Hydrologisches

kerung bedeutete dies Hunger und Not. Deshalb setzten bereits frühzeitig Überlegungen ein, die im 19. Jahrhundert aufkommende Maschinentechnik für die Entwässerung der eingedeichten Niederung zu nutzen. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts nahmen vereinzelt die ersten dampfbetriebenen Schöpfwerke ihren Betrieb auf, und die landwirtschaftliche Nutzung der von ihnen entwässerten Flächen wurde erheblich verbessert.

Pumpwerk Altenheim – Rechtsrheinisch Bei der Rückhaltung im Kulturwehr Kehl / Straßburg und im Polder Altenheim sind zur Vermeidung von Druck- und Grundwasserschäden zusätzliche Anpassungsmaßnahmen erforderlich. Hierzu wurde zur Drosselung des Mühlbaches das Pumpwerk Altenheim gebaut. Mit drei Pumpen von jeweils 7,2 m³ / s kann eine maximale Wassermenge von 21,6 m³ / s gefördert werden. Der Antrieb erfolgt direkt durch Dieselmotoren mit einer Leistung von je ca. 700 kW.

Acher-Schöpfwerk – Rechtsrheinisch Das Acher-Schöpfwerk ist das größte Einzelbauwerk, das im Rückhalteraum des Polders Söllingen / Greffern (Y Kap. 4.2) errichtet wurde. Im Nor-

malfall fließt die Acher in den Seitengraben am Rheindeich. Bei Hochwasser wird die Vorflut der Acher durch das Acher-Schöpfwerk sichergestellt. Mit ihm lassen sich ein Rückstau in der Acher und der dadurch verursachte Anstieg des Grundwassers in den binnenseitig gelegenen Ortslagen verhindern. Mit vier Axialpumpen des Schöpfwerkes können insgesamt ca. 20 m³ / s gefördert werden. Das Durchlassbauwerk ist ein gesteuertes dreizügiges Bauwerk mit einem Abflussquerschnitt von jeweils 6 × 3 m und einer max. Leistungsfähigkeit von ca. 180 m³ / s. Die Steuerung erfolgt über drei Rollschütze. Das Gesamtbauvolumen betrug 10 Millionen € (Bauzeit 2002 – 2006).

Schöpfwerk Sondernheim-Süd – Linksrheinisch

110 ó Die Pumpen heutiger Schöpfwerke, hier das AcherSchöpfwerk im Polder Söllingen-Greffern nahe der Staustufe Iffezheim, werden mit Strom und Notstromaggregaten oder mit Diesel betrieben.

Schöpfwerk Philippsburg – Rechtsrheinisch

Der Sondernheimer Altrhein unterliegt dem natürlichen Prozess der Verlandung. Durch Ausbaggerung einer Rinne im Zulaufbereich des Sondernheimer Altrheins kann der Abfluss bei Mittelwasser noch verbessert werden. Das Schöpfwerk Sondernheim-Süd entwässert den Sondernheimer Altrhein. Eine komplette Modernisierung des Schöpfwerkes Sondernheim-Süd wird derzeit zurückgestellt, da die Hördter Rheinaue im Einzugsgebiet liegt. Die Hördter Rheinaue wird gemäß der Empfehlung der Enquête-Kommission des rheinland-pfälzischen Landtags auf die Mög-

Das Schöpfwerk Philippsburg schützt die Rheinniederung zwischen Karlsruhe und Philippsburg vor großflächigen Überflutungen. Es ist ein entscheidender Baustein im so genannten Pfinz-Saalbach-Korrektions-System. Beim Schöpfwerk im Philippsburger Altrhein fließt das gesamte Wasser aus dem Gewässersystem zwischen Karlsruhe und Philippsburg zusammen und muss dort bei Rheinhochwasser in den Rhein gepumpt werden. Das Schöpfwerk wurde 1962 in Betrieb genommen (Baukosten 1 Millionen DM). Nach 30-jähriger Betriebszeit mussten die altersschwach ge-

lichkeit der Nutzung als Hochwasser-Rückhalteraum für eine weitere Verbesserung des Hochwasserschutzes am Rhein untersucht (Y Kap. 4.4). Erst danach kann der endgültige Standort für das Schöpfwerk festgelegt werden.

wordenen maschinellen Anlageteile umgebaut und erneuert werden (1994 – 1996 für 10 Millionen DM). Die vier alten Pumpen (vier Dieselmotoren mit je 205 kW und vier Propeller-Pumpen) förderten 20 m³ / s (4 × 5 m³ / s). Jetzt sind nur

Betriebliche Kenndaten des Schöpfwerks Sondernheim-Süd:

noch zwei Pumpen installiert, die mit je 630 kW zusammen ebenfalls 20 m³ / s (2 × 10 m³ / s) fördern; hinzukommen noch zwei der alten Pumpen

Neubau: 1925 Teilsanierung: 1995 / 1999

für Spitzenhochwasser sowie als Reservepumpen (2 × 5 m³ / s). Das Schöpfwerk Philippsburg ist mit

Leistung bei Förderhöhe 3,5 m: 12,5 m³ / s (6 Pumpen)

seiner Leistung von 30 m³ / s eines der leistungsstärksten Pumpwerke am Rhein.

Schöpfwerke 133

111 ó Schnitt durch das Schöpfwerk Philippsburg zwischen Karlsruhe und Mannheim.

Pumpenmotor

Rechenreiniger

Rheinseite HHW 99,42 m ü. NN

Schieber

Binnenseite Stauspiegel 96,45 m ü. M.

Ausstoßrohr

Rechen Einlaufkegel

Im Zusammenhang mit dem Integrierten Rheinprogramm und dem Bau des Polders Rheinschanzinsel bei Philippsburg muss das Schöpfwerk weiter ausgebaut werden, um das zusätzlich anfallende Druckwasser aus dem Philippsburger Altrhein im Polderfall abzupumpen. Die Leistung wird dann weiter gesteigert.

Neubau zweier Hochwasserpumpwerke bei Speyer – Linksrheinisch Nach der Durchführung einer Standortuntersuchung wurde entschieden, den Hochwasserschutz für die Stadt Speyer durch den Bau zweier Pumpwerke mit Wehranlage am Speyerbach zu verbessern.

Das erste, größere Pumpwerk mit einer Förderleistung von 15 m³ / s am linken Speyerbachufer soll den Speyerbach entlasten, das zweite kleinere Pumpwerk mit einer Förderleistung von 2,5 m³ / s am rechten Ufer entlastet den Hilgardgraben. Auf Höhe des Hilgardgrabens wird ein Absperrbauwerk errichtet, das ab einem Wasserstand von ca. 8 m den Rückstau von Rheinwasser in den Speyerbach verhindert.

Pumpwerke am Niederrhein – Vier Schöpfwerke unterhalb von Wesel Auf der rechten Seite des Niederrheins zwischen den Rhein-km 819,9 – unterhalb von Wesel – und 857,9 – deutsch-niederländische Staatsgrenze – haben sich zum Jahreswechsel 2006 / 2007 sechs Einzelverbände zum Deichverband BislichLandesgrenze zusammengeschlossen. Neben der Unterhaltung von Deichen und anderen Hochwasserschutzanlagen, der Regelung des Wasserabflusses, dem Bau des Polders Lohrwardt und anderem hat der Verband auch die Aufgabe, Schöpfwerke zu bauen, zu betreiben, zu unterhalten und zu erneuern. Dabei kann er auf die Einrichtungen seiner Vorgängerinstitutionen zurückgreifen. Das sind vier Schöpfwerke, die nicht 112 ó Außenansicht des Schöpfwerkes am Philippsburger Altrhein.

134 Der Rhein: Hydrologisches

nur zu warten, sondern auch neuen Entwicklungen anzupassen sind.

Schöpfwerk Polder Lohrwardt Durch die Rückverlegung des Deiches im Bereich des Polders und die Neutrassierung von Gewässern sowie deren ökologische Aufwertung wird die Abflussspende des Geländes auf errechnete

Schöpfwerk Löwenberg Das erste Schöpfwerk wurde 1927 gebaut, um die sich in dem immerhin 72 km² großen Einzugsgebiet aufstauenden Niederschläge bei Rheinhochwasser abzuleiten. Das Schöpfwerk wurde 1982 durch eine neue Anlage mit Schneckenpumpen ersetzt. Damit können nun im Extremfall 7,4 m³ / s um 6,18 m angehoben und in den

1,4 m³ / s steigen. Bei hohen Wasserständen des Rheins muss diese Menge abgepumpt werden, um Überflutungen zu vermeiden. Dazu dienen

Rhein abgeleitet werden.

die zwei Propellerpumpen des Schöpfwerkes, von denen eine jede maximal 1,9 m³ / s fördern kann.

Das von deutscher und niederländischer Seite gemeinsam geplante Pumpwerk ging 1970 in Be-

Pumpstation Haffen Das Pumpwerk wird seit 1927 betrieben. Es liegt an der Haffen’schen Schleuse und beginnt zu pumpen, wenn dort der Rheinpegel auf 2,5 m angestiegen ist; dann nämlich ist der Rheinwasserstand so hoch, dass das Wasser im Polder nicht mehr frei abfließen kann. Die beiden Kreiselpumpen können bis zu 2,8 m³ / s in den Rhein überleiten.

Pumpwerk Kandia

trieb. Es entwässert einen Bereich, der auf niederländischem Gebiet bis zur Verzweigung des Rheins in Waal und Pannerdens Kanal reicht. Das heißt mehr als die Hälfte des erfassten Gebietes von ca. 93 km² liegt in den Niederlanden. Zwei Pumpen können bis zu 16 m³ / s Wasser schöpfen. Nach knapp 40 Jahren Betriebszeit wurde das Schöpfwerk kürzlich saniert.

113 ó Das holländisch-deutsche Pumpwerk nahe Nimwegen im Jahr 1973; im Hintergrund die Waalbrücke bei Nimwegen.

Schöpfwerke 135

3.5

Flusssohle in Bewegung Martin Stieghorst

D

er Paddler, der sich an einem stillen Sonntagmorgen den Rhein bei Karlsruhe hinab trei-

ben lässt, kann hören, wie auf der Flusssohle die Kiesel aneinander schlagen: Am Grunde des Rheines wandern die Steine. Doch auch die feineren Gesteinsanteile, kurz: das gesamte Material der Stromsohle, ist stromab in Bewegung. Das ist ein natürlicher Vorgang. Die Kiese und Sande werden von der Kraft des Wassers aus dem Untergrund gelöst und rollen so weit stromab, bis sie je nach ihrer Größe von der allmählich geringer werdenden Strömungskraft, im terminus technicus: von der Schleppspannung, nicht mehr weiter transportiert werden können. Die größten Kiesel bleiben zuerst liegen. Kleinere, für deren Transport eine geringere Schleppspannung ausreicht, werden neu aus der Flusssohle aufgenommen und stromab bewegt. Bezogen auf eine beliebige Linie quer durch den Rhein gilt demnach: Grober Kies wird von oberstrom an sie herangeführt und feinerer verlässt sie nach unterstrom. Das bewegte Material, das Geschiebe, wird also sortiert: Im Süden des Oberrheins ist die Stromsohle von überwiegend groben Kiesen bedeckt, während nach Norden die feineren, sandigen Anteile zunehmen. Ganz im Norden, im Inselrhein unterhalb von Mainz, wo das Gefälle sehr gering ist, werden nur noch Sande bewegt. Durch diesen Vorgang des Aufnehmens, Transportierens und Wieder-Ablagerns wird die Bewegungsenergie des Wassers umgewandelt. Dabei schleifen die sich bewegenden Steine aneinander und verlieren dadurch an Größe.

136 Der Rhein: Hydrologisches

Gestörtes Gleichgewicht Der Vorgang der Geschiebebewegung ist nicht allein mit diesem eher mechanistischen Prinzip zu fassen. Durch andere, weniger greifbare Faktoren wird es modifiziert. So unterliegt die Massenbilanz des transportierten Materials entlang des Stroms aus noch nicht restlos geklärten Gründen gewissen Schwankungen, das heißt, in einem Streckenabschnitt wird etwas mehr Kies und Sand abtransportiert als eingetragen; in einem anderen ist es umgekehrt. Diese Zonen der Eintiefung und der Aufhöhung bewegen sich langsam stromab, sodass sich die Flusssohle gleichsam in einer andauernden leichten Wellenbewegung befindet. – Das Phänomen ist z. B. für die Abladetiefe der Schiffe bei niedrigen Wasserständen von Bedeutung. Solange der Rhein ein naturbelassenes Gewässer war und seine Seitengewässer ihre Geschiebefrachten in den Strom einbrachten, hatte sich über lange Zeiträume hinweg ein dynamischer Gleichgewichtszustand zwischen Zu- und Abtrag herausgebildet. Als Folge des Ausbaus von Rhein und Seitengewässern, z. B. mit Leitwerken, Durchstichen, Buhnen und Staustufen, ging dieser Gleichgewichtszustand verloren; in der Regel wurde die Schleppspannung erhöht, sodass in einigen Bereichen nun deutlich mehr Material fortbewegt wird, als von oberstrom ankommt. Das bedeutet, dass dort die Stromsohle ihre quasi stabile Höhenlage verliert und sie sich im Laufe der Zeit erniedrigt. Dieser Vorgang wird Sohlenerosion genannt.

114 ó Geschiebezugabestellen am Rhein.

Alpenrhein und Hochrhein Bereits im Alpenrhein zwischen Sargans und der Illmündung bei Feldkirch hat sich die Gewässersohle nach der Regulierung zum Teil massiv ab-

gesenkt. Das aufgenommene Geschiebe lagert sich unterhalb, vor und bei seinem Eintritt in den Bodensee, ab; Luftbilder zeigen den anwachsenden Schotterkörper, der sich Jahr für Jahr

Flusssohle in Bewegung 137

rund 29 m in den See vorschiebt. Am Hochrhein mit seinen elf Stauhaltungen zwischen Schaffhausen und Birsfelden ist der Geschiebetrieb weithin unterbrochen. Auch die Aare, das größte

läuft nach Norden gleichmäßig flach aus, besitzt also im Längsschnitt die Form eines Keils.

Sankt Florian: Die bösen Folgen werden nur verlagert

Seitengewässer, ist mit Stauhaltungen ausgebaut und liefert seither keine Einträge mehr. Selbst wenn einige Flüsse aus dem schweizerischen Mit-

Als Folge der Sohlenerosion am Kanalende wäre der Wasserspiegel um etwa die Hälfte der jewei-

telland, vor allem Thur und Töss, weiterhin Geschiebe mit sich führen, ist das für den Geschie-

ligen Kolktiefe abgesunken. Hätte man diesem Erosionsgeschehen auch nur wenige Jahre taten-

betrieb im Hochrhein ohne Belang, da sich das Material wegen der herabgesetzten Strömungskraft des Rheins in den Mündungsbereichen der

los zugesehen, wäre der Kolk so tief ausgespült worden und damit der Wasserstand so weit abgesunken, dass kein Schiff mehr über den Drem-

Seitengewässer ablagert.

pel, die Schwelle der unteren Schleuseneinfahrt in den Grand Canal, hätte hinweg fahren können. Auch hätten sich die Grundwasserspiegel in den seitlichen Gebieten erniedrigt. Das hätte erhebliche Folgen für den Naturhaushalt, die Land-

Massive Sohlenerosion am Oberrhein Hatten schon die Tulla’schen Maßnahmen (Y Kap. 2.4) im südlichsten Teil der Oberrheinebene zu beträchtlichen Eintiefungen der Stromsohle geführt, so vergrößerte sich der Absenkungsbetrag des Wasserspiegels im heutigen „Rest-Rhein“ auf bis zu 7 bis 8 m, als nach der Fertigstellung der ersten Stauhaltung bei Kembs nahe Basel das Rheinwasser bis auf einen unbedeutende Menge in den entstehenden Grand Canal umgeleitet wurde (Y Kap. 3.3 und 4.4). Der Tatbestand, dass Geschiebematerial von oberstrom fehlte, traf auch für die nördlich anschließenden Teile des Grand Canal d’Alsace zu. Er ist als betonierte Wanne ausgeführt, sodass der Strom kein Material aufnehmen kann. Aber an seinem nördlichen Ende bei Breisach, dort wo das Rheinbett wieder von Kies und Sand gebildet wird, strömte der Rhein gemäß seinem Gefälle und wirkte mit seiner ent-

wirtschaft, die Trinkwassergewinnung und andere Raumnutzungen gehabt. Derart dramatische Entwicklungen, wie sie durch den Bau des Grand Canal verursacht worden waren, sollten im Weiteren vermieden werden. Die Wahl fiel auf die sogenannte Schlingenlösung (Y Kap. 2.4), eine umweltschonendere Ausbauvariante. Erosionsprobleme wie unterhalb von Kembs wurden damals nicht befürchtet, denn durch den Bau der vier Schlingen im nur Drei-Jahres-Abstand hielt sich die Sohleneintiefung unterhalb der jeweils letzten Stauanlage in Grenzen. Mit dem Einstau des nächstunteren Abschnittes wurde die Schleppspannung auch an der Stauwurzel so weit vermindert, dass die Sohlenerosion aufhörte. Fatal wurde die Situ-

sprechend hohen Schleppspannung auf den natürlichen Untergrund. Da der nach unterstrom entführte Kies nicht von oberstrom ersetzt wur-

ation allerdings im Unterwasser der nördlichsten Schlinge, deren Stauanlage nur wenig oberhalb der Einfahrt in den Hafen von Straßburg liegt: Bereits nach einem Jahr hatte sich die Stromsoh-

de, begann sich unmittelbar unterhalb des Kanals eine Eintiefung in der Stromsohle, Kolk ge-

le um 1,5 m eingetieft; der sich nach unterstrom ausdehnende Erosionskeil ließ den Niedrigwas-

nannt, zu bilden. Solch ein Kolk ist unmittelbar unterhalb der Staustufenbauten am tiefsten und

serspiegel schon im ersten Jahr um 60 cm fallen. Eilends wurde die Staustufe Gambsheim errich-

138 Der Rhein: Hydrologisches

tet, durch die das Problem im Hafen von Straßburg gelöst wurde – um den Preis, dass dieselbe bedenkliche Entwicklung nun unterhalb dieser Staustufe einsetzte. Also baute man die Staustufe Iffezheim, löste damit die Schwierigkeiten bei Gambsheim, handelte sich dafür dieselben hier erneut ein und beabsichtigte deshalb, eine dritte Staustufe bei Au-Neuburg zu errichten. Und da die Sohlenerosion dort noch längst nicht aufgehört hätte, wären weitere Staustufen unvermeidlich gewesen. Eine Kette von Staustufen mit ihren gravierenden Nachteilen z. B. für Hochwassersicherheit und Naturhaushalt wahrscheinlich bis zur Nackenheimer Schwelle bei Darmstadt stand zu befürchten.

Die neue Idee In den 1970er-Jahren wuchs die Einsicht, dass das Nur-Weiterreichen des Problems wie bisher keine Lösung mit Perspektive darstellte. Grundsätzlich andere Ansätze waren zur Lösung der Erosionsproblematik unterhalb der bis dahin letzten Staustufe Iffezheim gefragt. Es war klar, dass Alternativmaßnahmen bald ergriffen werden mussten, um die zu erwartenden beträchtlichen Wasserspiegelabsenkungen zu verhindern. In Berechnungen und Modellversuchen wurde ermittelt, dass sich der Erosionskeil von der Staustufe Au-Neuburg letztlich über mehr als 6 km

dadurch die Einfahrt in die Schleuse stets möglich und der Grundwasserspiegel oberflächennah bleiben. In Modellversuchen und Berechnungen wurde ermittelt, dass im Durchschnitt ca. 170 000 m³ Kies pro Jahr von den Korngrößen, die an dieser Stelle in der Flusssohle vorkommen, eingebracht werden müssen. Bestünde er nur aus groben Fraktionen, bliebe er liegen, und der Kolk bildete sich im Anschluss an diese Grobkiesabdeckung; wäre er feiner, würde er schnell fortgespült, und der Kolk würde sich weiter vertiefen. Nachdem sich das Verfahren der Geschiebezugabe als brauchbare Alternative zum Bau weiterer Staustufen herausgestellt hatte, wurde im Jahr 1982 zwischen Deutschland und Frankreich vereinbart, dass der Bau der Staustufe Au-Neuburg zugunsten der Geschiebezugabe zurückgestellt wird, solange sich diese als problemlos erweist.

Geschiebezugabe in der Bewährung Ein Jahr nach der Abriegelung durch den Staustufendamm bei Iffezheim im März 1977 war der Erosionskeil bis zu 50 cm tief und 2 km lang geworden. Im April 1978 wurde er zum ersten Mal aufgefüllt.

bis in den Raum nördlich von Karlsruhe erstrecken würde. Um das zu vermeiden, wurden damals mehrere theoretische Möglichkeiten diskutiert. Zu ihnen zählt neben der Sohlenpanzerung, das heißt der Abdeckung der Stromsohle mit grobem Schotter, und dem Bau von Sohlschwellen auch die Geschiebezugabe. Sie erwies sich als die praktikabelste Maßnahme: Dem Strom wird un-

115 ó Schematische Darstellung des Verklappungsvorgangs.

terhalb der Staustufe künstlich so viel Kies hinzugegeben, wie er fortträgt. Oder anders gesagt:

Talfahrt über die ausgewaschene Flussstrecke ihre Fracht, Kies in Korngrößen, wie sie die Fluss-

Der sich bildende Erosionskeil wird regelmäßig aufgefüllt, sodass der Wasserstand nicht absinkt,

sohle enthält, auf den Untergrund herabfallen. Ein Messschiff begleitete die Schute und steuer-

Dazu ließ eine Klappschute während ihrer

Flusssohle in Bewegung 139

116 ó Klappschute bei der Geschiebezugabe; im Hintergrund das Peilschiff, nach dessen Angaben die Klappschute gesteuert wird.

te den Entladevorgang, unter anderem die Fahrgeschwindigkeit der Schute. Dies Verfahren, das den präzisen Einbau des Geschiebes ermöglicht, wird bis heute praktiziert. Bei Hochwasser ist die Schleppspannung besonders hoch mit der Folge, dass große Kiesmengen fortgespült werden. Dann ist bald eine Geschiebezugabe erforderlich. Zu Zeiten von Niedrigwasser ist die Schleppspannung vergleichsweise gering, sodass bereits Material von geringer Korngröße kaum fortbewegt wird. In den ersten Jahren war man der Meinung, es sei zweckmäßig, den Kolk aufzufüllen, wenn er etwa 40 cm Tiefe erreicht hatte. Die Beobachtung des Geschehens führte jedoch dazu, dass eine so tiefe Kolkbildung nicht abgewartet wurde, sondern dass das Geschiebe in Abhängigkeit von den Abflüssen mehr oder weniger kontinuierlich eingebaut wird. Mit dem Beginn der Geschiebezugabe wurden auch die Buhnen unterhalb der Staustufe erhöht und ihr Abstand verringert, um die Abladetiefe der Schiffe zu vergrößern. Das Zu-

deren Ursache zuzuordnen und in Berechnungen nachzuvollziehen.

Zu verwendende Kiesmenge reduzieren 170 000 m³ Kies pro Jahr sind im Vergleich mit den jährlichen Fördermengen der Kiesindustrie nicht allzu groß (Y Kap. 2.6). Diese Einschätzung relativiert sich, da das Volumen für die Geschiebezugabe Jahr für Jahr und ohne Ende den Kiesvorräten des Oberrheingrabens entnommen werden muss. Dem ist wiederum entgegen zu halten, dass für den Bau einer einzigen Staustufe mit all ihren Betonteilen und vor allem ihren Dämmen in wenigen Jahren so viel Kies erforderlich ist wie für die Geschiebezugabe in ungefähr 100 Jahren. Da mindestens zwei weitere Staustufen erforderlich sind, spricht die Massenbilanz lange Zeit für die Geschiebezugabe. Aber: Auch wenn der Bau der Staustufen mit ihren schwerwiegenden Folgen vermieden werden kann, ist es unbefriedigend, dass die zwar großen, aber letztendlich doch be-

sammenwirken dieser Nachregulierung und der

grenzten Kiesvorräte des Oberrheingrabens für die Geschiebezugabe benutzt werden müssen. Insbe-

Geschiebezugabe macht es schwierig, die Veränderungen der Flusssohle der einen oder der an-

sondere bei der Bundesanstalt für Wasserbau in Karlsruhe und den wasserbaulichen Forschungs-

140 Der Rhein: Hydrologisches

einrichtungen der Universität Karlsruhe wird seit Jahrzehnten darüber nachgedacht, wie die Ge-

Bereichs kann – so das Ergebnis der einen Überlegung – die Menge der ausgleichenden Zugabe und

schiebezugabe nach Ort, Menge, Zeit, Materialzusammensetzung und Einbauweise verbessert

damit des Geschiebetriebs reduziert und auf einen erwünschten niedrigen Wert eingestellt werden.

werden kann. Inzwischen gilt als unbestritten: Der Geschiebetrieb kann dadurch verringert werden, dass die Korngröße der obersten Schicht der

Andere Vorschläge gehen dahin, bei Iffezheim gröberes Material als bisher zuzugeben und unterhalb von Karlsruhe an einer zweiten Stelle fei-

Stromsohle heraufgesetzt wird. Das bewirkt, dass die Deckschicht weniger schnell von der Schlepp-

neres einzubauen. Das wäre auch für den Flussabschnitt bei Mannheim von unmittelbarer positiver

spannung davon bewegt wird und somit die Sohlenerosion verringert ist. Es kommt sehr darauf an, welcher Korngrößenanteil erhöht wird. Wird

Wirkung, da dort die Stromsohle in den letzten Jahren absank und bisher durch erhöhte Anteile von feinem Material an der Zugabestelle Iffez-

der Anteil der sehr groben Fraktion verstärkt, wird er von der Schleppspannung nicht fortbewegt. Aber dafür besteht die Gefahr, dass die grobe Kiesabdeckung vom Schraubenstrahl der Schiffe aufgewirbelt wird und sich in hohen An-

heim ausgeglichen wurde. Neben den Überlegungen, wie die Menge des zuzuführenden Materials verringert werden kann, stehen solche zur Reduzierung der Kosten für Beschaffung und Einbau.

häufungen ablagert, die gefährliche Hindernisse für die Schiffe bilden. Das war seiner Zeit der Grund, die Sohlenpanzerung zu verwerfen. Werden Kiese im Bereich der mittleren Korngrößen zugefügt, bleiben die eventuell durch Schiffe verursachten, höheren Kiesbänke nicht lange erhalten, weil sie von der Schleppspannung bald eingeebnet werden. Je nach dem Maß und der genauen Auswahl der Korngröße innerhalb des mittleren

Kieseinbaumengen [m3]

Bisher wird das Material für die Geschiebezugabe auf dem freien Markt gekauft. Die nahe der Zugabestelle gelegenen Unternehmen des Kiesabbaus sind gegenüber den entfernter liegenden im Vorteil, weil die Transportwege kürzer sind. – Mit der Genehmigung der Hochwasserrückhaltung im sogenannten 90-m-Streifen südlich von Breisach (Y Kap. 4.4) stehen große Kiesmengen zum Abbau zur Verfügung. Das eröffnet weitreichende Perspektiven für die Beschaffung des Kieses.

Mittlere Abflüsse am Pegel Maxau[m3/s]

300 000

2000

250 000

1800

200 000

1600

150 000

1400

100 000

1200

50 000

1000

0

800 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

117 ó Jährliche Einbaumengen an Kies unterhalb der Staustufe Iffezheim und mittlerer Abfluss am Pegel Maxau-Karlsruhe.

Flusssohle in Bewegung 141

118 ó Im Bereich der Geschiebezugabe unterhalb der Staustufe Iffezheim wird die Oberfläche der Flusssohle regelmäßig mit Hilfe eines Tauchschachts kontrolliert.

Auch an der Moselmündung Das Unterwasser der Staustufe Iffezheim ist nicht der einzige Ort, an dem zur Stabilisierung der Stromsohle in den Geschiebetrieb des Rheins eingegriffen wird. Auch unterhalb von Koblenz am Mittelrhein befindet sich eine Problemstrecke: Nach ihrem Ausbau mit Staustufen „füttert“ die Mosel den Rhein nicht mehr mit Geschiebe, sodass sich der Strom um ca. 1 cm pro Jahr in seine Sohle eingräbt. Wenn dieser Betrag im Vergleich zu demjenigen bei Iffezheim auch gering er-

119 ó An Hand von Gefrierbohrkernen, die im Tauchschacht gewonnen werden, wird die Kornzusammensetzung der tieferen Flusssohle festgestellt.

se Weise wird die Stromsohle auf ihrem jetzigen Niveau gehalten. Die Ersatzmenge war zunächst auf 70 000 m³ pro Jahr veranschlagt worden, tatsächlich wurden 2006 nur 22 000 m³ und 2007 nur 35 000 m³ benötigt. Die jährlich einzubringende Menge hängt ganz wesentlich von der Wasserführung des Rheins ab und schwankt deshalb in einem weiten Bereich. Ob die Erhöhung der Fahrwassertiefe zwischen Köln und Koblenz von 2,1 m auf 2,5 m zum Anstieg der Geschiebefrachten führt und ob dies künftig die Vergrö-

scheinen mag, so würde doch im Laufe der Jahre die Einfahrt in die Mosel nicht mehr gewährleistet sein. Deshalb werden regelmäßige Sohlpeilungen in einer Kontrollstrecke von 3 km unter-

ßerung der bisherigen Ersatzzugabe-Menge notwendig macht, steht im Augenblick dahin.

halb der Moselmündung durchgeführt. Erweist es sich, dass an einzelnen Stellen Kolke neu ent-

Auch am Niederrhein, wo der Strom ein nur geringes Gefälle besitzt und seine Schleppspannung niedriger ist, besteht Handlungsbedarf. Zum ei-

standen sind, werden sie zügig verfüllt; auf die-

142 Der Rhein: Hydrologisches

Bergsenkungen am Niederrhein

nen gibt es auch hier von Natur aus Eintiefungen der Stromsohle, zum anderen bewirken Ausbau-

Bevor die Sohle mittels Geschiebezugabe stabilisiert werden kann, müssen zunächst die

und nicht überdachte Regulierungsmaßnahmen weiter stromauf ein Geschiebedefizit. Darüber

Übertiefen, die „Schlaglöcher“ in der Stromsohle, beseitigt werden. Sind sie besonders ausge-

hinaus ist der Geschiebehaushalt durch frühere, unbekümmerte Baggerungen zur Kiesgewinnung aus der Stromsohle und dem Rheinvorland

prägt, werden sie zunächst mit geeignetem, zur Verfügung stehendem Material aufgefüllt. Im Bergbaugebiet wurden hierzu auch Waschber-

gestört. Zusätzlich hat der Kohle- und Salzbergbau im Bereich zwischen Duisburg und Wesel zu

ge, das bei der Steinkohlenherstellung anfallende unbrauchbare Gestein, verwendet. Nach ihrer

Bergsenkungen geführt, die – natürlicherweise – auch das Bett des Rheins nicht verschonen. Die Strecken mit sich erniedrigender Soh-

Auffüllung werden die Kolke mit einer Schicht aus gröberem Material abgedeckt. Zwischen 1975 und 2008 wurden im Bergbaugebiet über 14 Mil-

le liegen vor allem im Bereich von Wesel und Rees, zusammengefasst „Unterer Niederrhein“ genannt, und im Bereich der „Steinernen Bänke“ bei Düsseldorf-Stockum, dem „Mittleren Niederrhein“. Auch im Bereich der Wuppermündung,

lionen t Waschbergematerial verfüllt. Zusätzlich wurden am „Unteren und am Mittlerem Niederrhein“ allein zwischen 2000 und 2010 knapp 2 Millionen t Geschiebematerial zugegeben, das an verschiedenen Stellen in einer

dem „Oberen Niederrhein“, besteht ein Geschiebedefizit, das künftig durch Zugaben ausgeglichen werden soll.

mehrere Kilometer langen Flussstrecke verklappt wurde. Die Zugabe weiterer Materialmengen bleibt erforderlich: Am „Unteren Niederrhein“

120 ó Ein Gesteinsbrocken im Bereich der Steinernen Bänke nordwestlich von Düsseldorf wird im Tauchschacht zum Abtransport aus der Fahrrinne vorbereitet.

121 ó Eng und voll Technik: der Tauchschachtzugang des Tauchschiffs „Carl Straat“.

Flusssohle in Bewegung 143

122 ó Das Tauchschiff „Carl Straat“ beim Bergen von Teilen eines im Rhein versunkenen Containers; vorne im Bild der Tauchschacht, dahinter die Röhre des Tauchschachtzugangs.

sind es wahrscheinlich 840 000 t für die kommenden sechs Jahre ab 2008, am „Mittleren Niederrhein“ 540 000 t ab 2010. Wären die Fehlstellen nicht immer wieder aufgefüllt worden, hätte sich die Stromsohle in vielen Abschnitten inzwischen um bis zu 2,5 m abgesenkt. Auch wenn der Steinkohlenabbau im Jahr 2008 ausgelaufen ist und das Steinsalz in geringeren Mengen abgebaut wird, werden in den kommenden Jahrzehnten weiterhin Bergsenkungen auftreten und Bergbauschäden zu beseitigen sein. Dies ist jedoch nur einer der Gründe, die Materialzugaben weiterhin erforderlich machen, um die Höhenlage der Stromsohle zu erhalten.

Geschiebezugabe aus einem anderen Motiv

gen, dass ein durchgängiger Geschiebetrieb wieder hergestellt wird. Zunächst hatte man daran gedacht, die Wasserspiegel in den Stauhaltungen vor Hochwassern abzusenken und die Feinablagerungen durch die dann folgende Hochwasserwelle fortspülen zu lassen. Bei dieser Gelegenheit sollte auch das in und vor den Mündungsbereichen der Seitengewässer abgelagerte Geschiebe zur Stromab-Wanderung gebracht werden. Inzwischen überwiegen Zweifel am Nutzen einer solchen Maßnahme und Bedenken aus Gründen der Hochwassersicherheit und der Energiegewinnung. Deshalb soll nun zunächst ein Versuch mit Geschiebezugabe in der freien Fließstrecke oberhalb des Staubereichs von Albbruck-Dogern durchgeführt werden. Verläuft das Experiment erfolgreich und wird es zur Dauerlösung, so wür-

Auch am Hochrhein tut sich etwas: Aus ökologischen Gründen – um z. B. dem Lachs Laichgrün-

de sich nach und nach der Staubereich auffüllen und das weitere Geschiebe in die nächste Stauhal-

de zurückzugeben – besteht Interesse daran, die Stromsohle in den dortigen Stauhaltungen von Schlammablagerungen zu befreien. Das lie-

tung übertreten. Langfristig würde die sich von Stauhaltung zu Stauhaltung vorwärts bewegende Geschiebefront auch die unterste Barriere bei Birsfelden erreichen. Und vielleicht eröffnet sich

ße sich am einfachsten dadurch bewerkstelli-

144 Der Rhein: Hydrologisches

am Ende auch die Möglichkeit, den Geschiebetrieb in die ökologisch aufgewertete Strecke des

m 0

heute „Rest-Rhein“ genannten Stromabschnittes zwischen Kembs und Breisach zu leiten. Bis es

1

dazu kommen kann, wird es allerdings gehörig lang dauern – wohl mindestens 200 Jahre.

Sonderfall Materialentnahme Sohlenerosion und Materialdefizite bestimmen maßgeblich die Diskussion um die Stabilisierung der Stromsohle. Aber es gibt – geradezu eine Kuriosität – auch das genaue Gegenteil, nämlich deutlichen Materialüberschuss: Bei Mainz-Weisenau wurde ein Geschiebefang angelegt. Das ist eine künstliche Vertiefung in der Stromsohle, die sich im Laufe der Zeit mit dem vom Wasser herantransportierten feinen Material füllt. Einmal im Jahr wird der Auffangraum geleert; jedes Mal sind das etwa 100 000 m³ Sand, die als industrieller Rohstoff verwertet werden können. Anlass für die Entnahmen sind Behinderungen der Schifffahrt in der Rheingaustrecke durch Unterwasserdünen, die sich aufgrund des sehr geringen Rheingefälles von weniger als 0,1 ‰ früher unterhalb der Entnahmestelle bildeten. Ihr Entstehen wird auf diese Weise wesentlich vermindert.

Sedimentmanagement ist unverzichtbar Die Vielzahl der Eingriffe in den Rhein und seine Seitengewässer haben bewirkt, dass der Geschiebehaushalt des Rheins durchweg durch Materialmangel gekennzeichnet ist. Beleg dafür ist

Fließrichtung

2 3 0

100 m

200 m

123 ó Echolot-Bild aus früherer Zeit: Unterwasserdünen bewegten sich zwischen Mainz und Bingen langsam stromab und gefährdeten die Schifffahrt. Im Sandfang von Mainz-Weisenau wird heute der herandriftende Sand abgebaggert, sodass sich keine Dünen mehr bilden können.

die starke Sohlenerosion in mehreren Teilstrecken längs des Stroms. Die Höhenlage der Sohle künftighin stabil zu halten, ist längst wichtiges Ziel der flussbaulichen Bemühungen. Das kann nur gelingen, wenn das dynamische Sohlengleichgewicht wiederhergestellt wird. Um dies zu erreichen, wird man kontinuierlich in das System Rhein eingreifen müssen. Es ist unbefriedigend, wenn auf die Veränderungen der Flusssohle nur nachträglich reagiert wird. Gesicherte Prognosen sind notwendig, mit denen die Dynamik der Flusssohle erkannt und ihre Entwicklung vorausschauend gestaltet werden können. Mit intensiven Beobachtungen und Berechnungen als Grundlage wird es in Zukunft auf die flexible Steuerung des Sohlenzustandes mit den jeweils zu ergreifenden Maßnahmen ankommen. Das Sedimentmanagement am Rhein ist eine unerlässliche Daueraufgabe.

Weitere Informationen: – Felkel, K.: Acht Jahre Geschiebezugabe am Oberrhein. In: Wasserwirtschaft, 4, 1987, S. 181 – 185. – Messing, S. Geschiebezugabe Unterer Niederrhein. In: Binnenschiffahrt ZfB Nr. 12. 2008, S. 67 – 70. – Gölz, E.: Zur Sohlenerosion des Niederrheins. In: Wasserwirtschaft 77. Koblenz 1987. – Stenglein, J.: Unterhaltungskonzept für den freifließenden Rhein. In: Mitteilungsblatt der Bundesanstalt für Wasserbau, Nr. 84, 2002, S. 187 – 204.

Flusssohle in Bewegung 145

3.6

Auswirkungen des Klimawandels auf den Rhein Tilo Wiedemann

D

ie Klimageschichte der Erde ist eine Geschichte der Klimaschwankungen. In erdgeschicht-

lichen Zeiträumen hat sich das Klima immer wieder stark gewandelt, haben sich Warm- und Kaltzeiten abgewechselt. Die Besonderheit der aktuellen Klimaentwicklung liegt darin, dass die Erderwärmung in den letzten Jahrzehnten erheblich schneller ablief als in den vorindustriellen Zeitaltern. Hat sich die Temperatur der Erde in der Vergangenheit maximal um 1 °C in 1000 Jahren erhöht, wurde für die letzten Jahrzehnte eine globale Erwärmung von 0,6 °C festgestellt und für das Rheingebiet eine Temperaturzunahme von 0,8 °C ermittelt. Zum Ende der letzten Eiszeit, also vor etwa 15 000 – 10 000 Jahren, gab es einen globalen Temperaturanstieg von 5 °C. Diese langsame Erwärmung erstreckte sich noch über 5000 Jahre. Jetzt halten Modellrechnungen für Europa einen vergleichbaren Anstieg in den nächsten 100 Jahren für möglich, verursacht durch den Anstieg der Treibhausgase. In Fachkreisen ist unstrittig, dass die globale Erwärmung im Allgemeinen zu einer Zunahme der Häufigkeit und Intensität extremer Wetterlagen sowie Hochwasser- und Niedrigwasserereignissen führen wird. Damit werden sich auch entlang des Rheins die klimatischen und hydrologischen Verhältnisse weiter verändern. Um den Lebens- und Wirtschaftsraum Rhein auf die veränderten Bedingungen der Zukunft vorzubereiten, müssen geeignete Maßnahmen zur Abmilderung der negativen Folgen des Klimawandels entwickelt und umgesetzt werden.

146 Der Rhein: Hydrologisches

Verlässlichkeit der Klimaszenarien In den letzten Jahren wurde bereits eine Reihe von Modellierungen des Klimas für verschiedene Teilräume des Rheineinzugsgebiets durchgeführt. Weitere sind aktuell in Bearbeitung. Um das mögliche Spektrum der künftigen Klimaänderung zu erfassen, wird zunächst ein globales Klimamodell erstellt. Die räumliche Auflösung der globalen Modelle reicht für belastbare regionale Aussagen nicht aus. Daher werden Regionalisierungsverfahren eingesetzt, um die globalen Projektionen auf kleinere Rasterelemente umzurechnen. Anschließend werden dann auf der Grundlage der meteorologischen Daten die hydrologischen Modelle berechnet. Über diese Modellkette sind zwar Aussagen über das zukünftige Verhalten mittlerer Abflüsse möglich, wohingegen Aussagen zu den Extremwerten noch mit größeren Unsicherheiten behaftet sind. Denn wer kann schon vorhersagen, wie sich der Ausstoß der Treibhausgase entwickelt, welchen Lauf die Weltwirtschaft nimmt und welches die Energieträger der Zukunft sind? Von all diesen Faktoren, und noch anderen mehr, hängt die künftige Entwicklung des Klimas ab.

Gletscherschwund und Schneeschmelze Das dauerhafte Abschmelzen der Gletscher im Alpenraum ist eines der sichtbaren Anzeichen einer Erderwärmung. Im Einzugsgebiet des Pegels Ilanz am Vorderrhein hat sich das Gletschervolumen bereits auf rund ein Viertel des Wertes von 1850 reduziert. Nach den Modellrechnungen

der Klimaforscher sollen bis Mitte des Jahrhunderts rund drei Viertel der alpinen Gletscherflä-

den jährlichen Höchstabflüssen weniger eindeutig. Eine Veränderung der Höchstabflüsse ist am

chen verschwunden sein. Trotz des dramatischen Gletscherschwunds wurde dem Rhein bei Ilanz in

gesamten Lauf vom Oberrhein bis zum Nieder-

den vergangenen 160 Jahren weniger als 1 % des Abflusses durch Gletscherwasser zugeführt. Die in den Gletschern gespeicherten Wassermassen spielen somit nur eine untergeordnete Rolle für die Wasserführung des Rheins. Von den Alpen bis in das Oberrheingebiet hinein weist der Rheinabfluss ein nivales, das heißt durch Schneefall und Schneeschmelze geprägtes, Regime auf. Im Winter werden die Niederschläge als Schnee zwischengespeichert, was zu geringen Abflusswerten führt. Die Schneeschmelze lässt dann vor allem im Frühsommer die Abflüsse anschwellen. Da im Winter der Niederschlag in der Zukunft vermehrt als Regen und weniger als Schnee fällt und insgesamt mehr Niederschläge fallen, ist von einem Anstieg der Abflüsse im Winterhalbjahr auszugehen. Die durch die Schneeschmelze verursachte Abflussspitze wird künftig früher im Jahr erwartet.

Steigende Hochwasserabflüsse im Winter Die großen Nebenflüsse des Rheins, wie Neckar, Main und Mosel, weisen durchweg ein pluviales Regime auf. Da die Niederschläge meist als Regen und im Winter fallen, erreichen die mittleren Abflüsse ihr Maximum in den Wintermonaten. Höhere Temperaturen und Niederschläge sowie die geringere Schneespeicherung im Winter haben zur Konsequenz, dass die monatlichen Abfluss-

rhein aktuell nicht feststellbar. Nach den Modellergebnissen ist auch in Zukunft im Winter mit höheren mittleren Abflüssen zu rechnen. So wird beispielsweise in Köln ein Anstieg um bis zu 14 % erwartet. Für den Pegel Lobith an der deutsch-niederländischen Grenze wird bis zum Jahr 2050 ein Anstieg des 1250-jährlichen Hochwasserereignisses um 4 bis 10 % prognostiziert. An den Zuflüssen des Rheins sollen in Baden-Württemberg die Abflüsse des 100-jährlichen Hochwasserereignisses um 15 bis 25 % zunehmen. Die Ergebnisse der Klimaforscher haben dazu geführt, dass z. B. am Neckar bei der Dimensionierung künftiger Wasserrückhaltemaßnahmen ein sogenannter Klimafaktor von 15 % hinzugerechnet wird. Für den Oberrhein liegen derzeit noch keine verlässlichen Modellierungen der Hochwasserabflüsse vor. Hier werden die Modellrechnungen durch die Berücksichtigung des alpinen-nivalen Regimes erschwert. Klar ist allerdings, dass mit einer zunehmenden Häufigkeit von langandauernden niederschlagsreichen Perioden gerechnet werden muss. Fällt der Niederschlag als Regen auf große Schneehöhen, ist nicht von einer besonderen Gefährdungslage auszugehen. Große Schneehöhen können große Regenmengen zwischenspeichern. Extreme Hochwasserabflüsse sind beispielsweise dann zu erwarten, wenn Regen bei einem Wärmeeinbruch auf eine geringe Schneedecke von ca. 20 bis 30 cm fällt und der

mittelwerte des Winterhalbjahrs im gesamten Rheineinzugsgebiet höhere Werte als früher erreichen. Verursacht wird der Anstieg durch die

Boden dazu noch gefroren ist.

für die Hochwasserentstehung wichtige Großwetterlage „Westlage zyklonal“, die im Winter nicht

Im nival geprägten Regimebereich des südlichen

nur signifikant häufiger, sondern auch signifikant länger auftritt. Dagegen ist der Trend bei

Folgen extremen Niedrigwassers Rheingebiets ist der Winter Niedrigwasserzeit. Die milderen Winter bewirken einen Anstieg der winterhalbjährlichen Niedrigwasserextreme. Da-

Auswirkungen des Klimawandels auf den Rhein 147

124 ó Aufgrund des Klimawandels werden die Zeiten mit geringen Abflüssen zunehmen.

gegen treten in den pluvial geprägten Bereichen die Niedrigwasserperioden im Sommer auf. Im gesamten Rheingebiet ist in den vergangenen 100 Jahren eine Tendenz zur Abmilderung der Niedrigwasserextreme erkennbar. Gleichzeitig gibt es eine klar erkennbare Entwicklung hin zur zeitlichen Vorverlegung der Eintrittszeitpunkte für Niedrigwasserextreme. Am Mittelrhein werden statistisch gesehen die Niedrigwasserextreme um bis zu neun Wochen früher erwartet. Für den Oberrhein wird künftig eine Zunahme der Dauer

serneubildung führen. In Baden-Württemberg werden am Oberrhein nur geringfügige Veränderungen der Grundwasserneubildung erwartet. Am Mittel- und Niederrhein kann es in den Leelagen der Mittelgebirge zu einer Abnahme der jährlichen Grundwasserneubildung kommen. Wenn auch nicht so spektakulär wie Hochwasserereignisse, so sind doch langanhaltende Niedrigwasserextreme nicht nur für die Ökologie von Bedeutung, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht von In-

von Niedrigwasserereignissen prognostiziert. Eine sommerliche Zunahme von Trockenperio-

teresse. Im „Jahrhundertsommer“ 2003 konnten von den Rheinschiffen wegen extrem niedriger Wasserstände nur 20 bis 30 % der Transportkapazi-

den muss nicht zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Grundwasserneubildung und damit zu

täten ausgeschöpft werden. Während bei Hochwasser ab einem bestimmten Wasserstand nicht mehr

einer Gefährdung der Trinkwasserversorgung führen. Steigende Niederschlagsmengen im Winterhalbjahr können zu einer verstärkten Grundwas-

gefahren werden darf, kann die Schifffahrt dem Niedrigwasser durch eine Verringerung der Ladung oder durch den Einsatz kleinerer Schiffe mit ge-

148 Der Rhein: Hydrologisches

ringerem Tiefgang begegnen. Beides ist mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Um die Schiffe an Niedrigwasserverhältnisse anzupassen, wäre eine Optimierung des Tiefgangs sowie der Antriebs- und Steuersysteme von Vorteil. Der Einsatz telematischer Informationssysteme sowie die Bereitstellung aktueller Daten zur Gewässergeometrie würden die Sicherheit der Schiffe erhöhen. Fallen Hitzeperioden und extreme Niedrigwasserphasen zusammen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Kraftwerke ihre Leistung herunterfahren müssen, um die in der Genehmigung festgelegten Einleitungsbedingungen einzuhalten. Im Sommer 2003 mussten drei Kraftwerke am Niederrhein ihre Leistung um 50 % drosseln. Das Atomkraftwerk Philippsburg am Oberrhein musste seine Leistung um 20 % zurückfahren. Ein weiteres Problem ist für die Kohlekraftwerke die Versorgung mit Kohle bei niedrigen

Pegelständen. Sind die Fahrwassertiefen vermindert, müssen die Schiffe geringer beladen werden. Da der Preis pro Fahrt konstant ist, steigt bei geringer Ladung der Preis pro Tonne an. Bei einer Niedrigwassersituation wie im Sommer 2003 wäre unter Umständen fast die doppelte Anzahl von Schiffen nötig, um die geringere Ladung pro Fahrt auszugleichen. Trotz der durch Niedrigwassersituationen bedingten wirtschaftlichen Risiken werden derzeit entlang des Rheins sieben Kraftwerke geplant oder gebaut.

Erhöhte Wassertemperatur Steigt die Lufttemperatur, erhöht sich auch die Wassertemperatur. Zusätzlich wird die Wassertemperatur durch die Kühlwassereinleitung der Kraftwerke erhöht. Bei Mainz hat die Wassertemperatur des Rheins in den vergangenen 20 Jahren bereits um 1,5 °C zugenommen. Welchen An-

125 ó Klimawandel und Abwärmeeinleitungen werden Eisgang auf dem Rhein kaum mehr auftreten lassen.

Auswirkungen des Klimawandels auf den Rhein 149

teil die Kühlwassereinleitung an der Erhöhung der Wassertemperatur hat und wie viel dem Klimawandel geschuldet ist, darüber gibt es derzeit noch unterschiedliche Auffassungen. Noch

Wochen nahe oder sogar knapp über 30 °C. Eine erhöhte Mortalität konnte in dieser Zeit allerdings nicht nachgewiesen werden. Dagegen kam

fehlen hierzu geeignete und verlässliche Berechnungen. Allerdings können durch Kühlwasserrecycling und den Einsatz von Kühltürmen zu-

es trotz der hohen Temperaturtoleranz des Aals infolge einer Bakterieninfektion zu einem Massensterben von Aalen. Begünstigt wurde die Ausbreitung der Krankheit durch die hohen Was-

sätzliche Wärmeeinleitungen minimiert werden. Gleichzeitig ergibt sich durch diese Maßnahmen

sertemperaturen des Rheins, die niedrigen Wasserstände und dem damit verbundenen verrin-

ein wirtschaftlicher Vorteil, da die Leistung der Kraftwerke in Hitzeperioden nicht im gleichen Maß reduziert werden muss.

gerten Gewässerquerschnitt. Um die natürliche Fischfauna zu sichern, sollten zusätzliche Wärmeeinleitungen in den Rhein

Nach der EU-Fischgewässerrichtlinie wird der Rhein den sogenannten Cyprinidengewässern zugeordnet. In ihnen kommen wärmeresistente Arten wie Aal, Barsch oder Hecht vor (Y Kap. 1.5

vermindert oder vermieden werden. Sie stellen in Verbindung mit dem aktuellen Klimawandel ein unkalkulierbares Risiko dar. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob die Grenzwerte für thermisch belastetes Wasser nicht gesenkt werden müssten. Der Grenzwert, ab dem die Wärmebelastung aus anthropogenen Belastungen reduziert werden muss, sollte bei einer Wassertemperatur von 25 °C liegen. Auch wenn die Folgen der Temperaturerhöhung auf die Wanderfische noch nicht abschließend prognostiziert werden können, sollte bereits heute alles getan werden, damit überlebensfähige Populationen dieser für den Rhein wichtigen Leitarten erhalten bleiben bzw. sich entwickeln können.

und 2.7). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass kälteliebende Arten, wie z. B. der Lachs, den Rhein durchwandern, bis sie ihre kühleren Laichgewässer erreichen. Zu hohe Temperaturen in den Cyprinidengewässern erschweren den Langstreckenwanderern den Aufstieg. Bei einer Wassertemperatur von 25 °C stellen die Lachse ihre Wanderung flussaufwärts ein. Hohe Temperaturen bilden somit einen Stressfaktor und verlängern die Dauer der Wanderung. Im Juli und August 2003 lagen die Wassertemperaturen über einen Zeitraum von rund sechs

Weitere Informationen: – Belz, J. U., Brahmer, G., Buiteveld, H., Engel, H., Grabher, R., Hodel, H., Krahe, P., Lammersen, R., Larina, M., Mendel, H.G., Meuser, A., Müller, G., Plonka, B., Pfister, L., van Vuuren, W.: Das Abflussregime des Rheins und seiner Nebenflüsse im 20. Jahrhundert – Analyse, Veränderungen, Trends. Schriftenreihe der KHR I – 22, Koblenz und Lelystad 2007. – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Schifffahrt und Wasserstraßen in Deutschland – Zukunft gestalten im Zeichen des Klimawandels. Bonn 2007. – IKSR: Analyse des Kenntnisstands zu den bisherigen Veränderungen des Klimas und zu den Auswirkungen der Klimaänderung auf den Wasserhaushalt im Rhein-Einzugsgebiet – Literaturauswertung. Koblenz 2009. – IKSR: Fischökologische Gesamtanalyse einschließlich der Wirksamkeit der laufenden und vorgesehenen Maßnahmen im Rheingebiet mit Blick auf die Wiedereinführung von Wanderfischen. Bericht Nr. 167. Koblenz 2009. – KLIWA: Klimaänderungen und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft. 3. Kliwa-Symposium 2007. www.kliwa.de

150 Der Rhein: Hydrologisches

Zukunft der Altarme 3.7 Günter Wendel

D

en Auen mit ihren Altrheinen, wie sie am mittleren Oberrhein zahlreich sind, kann zu-

weilen mit wenigen Mitteln neues Leben eingehaucht werden: f Am Nordheimer Altrhein (Hessen) kam es in den Sommermonaten wegen Sauerstoffmangel immer wieder zu Fischsterben. Neue Durchlässe schafften Abhilfe. f Der Leimersheimer Altrhein (Rheinland-Pfalz) drohte zu verlanden. Mit einem großzügigen Rheindurchlass veränderte sich das Gesicht des Altrheins schlagartig: Mächtige Pappeln wurden entwurzelt, Kolke und Kiesbänke entstanden. Sogar Steilufer, an denen der Eisvogel brütet, entstanden neu. Das ehemalige Stillgewässer wird selbst bei Niedrigwasser laufend durchströmt. f Das gilt auch für die „Offendorfer Rheinauen“ nördlich von Straßburg. Dort wurde im Zuge des Projektes „Lebendiger Rhein“ (www.rhinvivant.com) am sogenannten Salmenkopf ein neues Einlaufbauwerk verwirklicht. Auenrenaturierung und Hochwasserschutz lassen sich ideal kombinieren, wie das Projekt „Verbesserung der Abflussverhältnisse im Rheinvorland“ in Baden-Württemberg beweist. Das „Integrierte Rheinprogramm“ (Y Kap. 4.2) sieht

gründet. Diese Projektgruppe ist seither verantwortlich für die Festlegung, Abstimmung und Umsetzung von Maßnahmen im Rheinabschnitt zwischen Karlsruhe und Mannheim. Hier wurden ca. 100 Problempunkte erfasst und 40 bis 50 bearbeitet. Ziel war und ist es stets, durch geeignete wasserbauliche Lösungen einen Beitrag zur Verbesserung der ökologischen Verhältnisse im Rheinvorland zu leisten. Insbesondere gilt es zu gewährleisten, dass Altarme und Hochwasserrin-

Brücke

Brücke

Brücke

Furt

Durchlass

Furt

Furt

eine Aufwertung der Auengewässer im Rheinvorland vor. Beim Regierungspräsidium Karlsruhe wurde deshalb 1995 eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bund, Land und Kommunen sowie Naturschutzorganisationen ge-

Durchlass

126 ó Die baulichen Maßnahmen zu Anbindung, Durchströmung und Renaturierung der Altarme.

151

127 ó Zu hoch trassierte Straßen wirken als Barrieren für das in die Weichholzaue strömende Rheinwasser.

nen – je nach Wasserführung des Rheins – naturnah durchströmt werden können, das heißt, dass das Wasser ungehindert in die Aue einfließen und wieder zum Rhein zurückströmen kann.

Die erste Baumaßnahme begann im Herbst 1995, und bis 2009 waren 21 weitere abgeschlossen. Ein herausragendes Beispiel ist das nördlich von Mannheim liegende Naturschutzgebiet „Ballauf“. Der parallel zum Rhein verlaufende Altrhein erhielt bei Niedrigwasser so gut wie keinen Zufluss mehr. Umgekehrt kam es bei Hochwasser zu starken Auskolkungen und Erosionen. Deshalb wurde vom Rhein zum „Ballauf“ eine Mulde geschaffen, und dadurch wurde der Wasserzustrom vom Rhein in den Altrhein von 170 Tagen pro Jahr auf 275 Tage pro Jahr drastisch erhöht. Der Bau von Furten bietet sich an, wenn Hochwasserrinnen (Schluten) von Wegen durchkreuzt werden. Nordwestlich der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen (Landkreis Karlsruhe) war beispielsweise eine an einen ehemaligen

128 ó Verbesserung des Wasserzuflusses: Durch die streckenweise Absenkung des Leinpfades kann Rheinwasser bei höheren Abflüssen zeitiger und in größerer Menge in die anschließenden Altrheinzüge eintreten.

152 Der Rhein: Hydrologisches

Rheinmäander anschließende Hochwasserrinne durch die Rampe eines Waldweges unterbrochen. Deshalb wurde eine Furt mit zwei Rohrdurchlässen angelegt, wodurch die Vernetzung des ehe-

129 ó Sofern Wege unverzichtbar sind, sollten sie bei der Querung von Altrheinarmen mit Durchlässen ausgestattet werden.

maligen Rheinmäanders mit der Hochwasserrinne wiederhergestellt wurde. Dazu musste man den Waldweg auf 56 m Länge ca. 1,1 m tiefer legen. Mit Hilfe der zusätzlichen Durchlässe konnte eine Durchgängigkeit der Schlut an ca. 120 Tagen im Jahr erreicht werden. Die Furt wird statistisch an ca. 90 Tagen im Jahr überströmt.

den. Die Durchströmung wirkt sich nachweislich nicht nur positiv auf Gewässergüte und Fischfau-

Für Wegverbindungen, die auch bei höheren Wasserständen des Rheins befahrbar sein müs-

na aus, sondern beugt auch der Verlandung vor. Nach und nach sollen in Abhängigkeit von den

sen, bietet sich der Einbau von Durchlässen und Brücken an. Beispielsweise wurde nordwestlich der Gemeinde Altlußheim zur besseren Durch-

verfügbaren Finanzmitteln weitere Maßnahmen im Rheinvorland verwirklicht werden.

strömung eines Altarms unter dem Leinpfad ein sogenannter Stahlmaulprofildurchlass eingebaut. Seine maximale Leistungsfähigkeit liegt bei 12 m³ / s, und bei Mittelwasser strömen rund 6 m³ / s in den Altarm. Durch solche Maßnahmen konnten am mittleren Oberrhein ca. 20 km Altarme und Hochwasserrinnen wieder an den Rhein angebunden wer-

130 ó Naturnah ausgebildeter Anschluss eines Altrheinarms an den Rhein bei Karlsruhe.

131 ó Erstrebenswert: ungehinderter Rückfluss des Wassers der Altrheinzüge in den Rhein.

Weitere Informationen: – LUBW (Hrsg.): Lebendige Rheinauen. Natur, Kultur und LIFE am nördlichen Oberrhein. Karlsruhe 2010. (Abrufbar über http: / / dnb.ddb.de)

Zukunft der Altarme 153

154 UK

4 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

U1 155

4.1

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern Martin Stieghorst

W

ie viel Wasser im Rhein abfließt, wird an etlichen Pegeln längs des Stromes gemessen.

Deiche sind so konstruiert, dass eine große, aber doch nur begrenzte Wassermenge schadlos zwi-

Übersteigen die Abflussmengen das jeweilige mittlere Maß, ist das zunächst kaum von Bedeu-

schen ihnen abfließen kann. Die ganz großen Hochwasser können von den Deichen nicht mehr

tung: Kleine Hochwasser sind häufig, und sie laufen ohne Probleme zwischen den Deichen ab. Je höher die Hochwasser ansteigen, desto seltener treten sie zwar auf. Aber ab einer bestimmten Abflusshöhe werden sie zur Gefahr, denn die

132 ó Hochwassergefahrenkarte, hier Köln-Rodenkirchen: Wie hoch die Grundstücke bei hohem Hochwasser überflutet werden, können die Nutzer vorab feststellen – z. B. für Köln im Internet unter www.hw-karten.de / koeln.

1 km

156 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Extremwerte der Wasserstände am Pegel Maxau Zehn höchste Werte zwischen 1880 – 1977 bzw. 1880 – 1999 Wasserstand am Pegel (cm) 900 850 800 750 700 650 600 1880

1890

1900

1910 1

1920

1930

1940

1950

1960

2,3

Quelle: Dt. Gewässerkdl. Jahrbuch 1977 und 1995 1

1970

1979

1988

1997

Maxau, JB 1977

anstelle des Wertes 1918 mit 7,83 m wurde 1944 mit 8,40 m berücksichtigt 2 Wert für 1999 mit 8,52 m zusätzlich aufgenommen (noch vorläufig); daher entfällt 1955 mit 8,38 m Abschluss des Oberrheinausbaues mit Inbetriebnahme der Staustufe Iffezheim 1977

Maxau, JB 1995 HW Feb. 1999

133 ó Die zehn höchsten Wasserstände am Pegel Maxau. Stichjahr 1977: sieben der zehn Werte fallen in den Zeitraum des Rheinausbaus zwischen Breisach und Iffezheim. Stichjahr 1997: neun der zehn Werte fallen in den Zeitraum nach der Fertigstellung des Rheinausbaus (zum Stichjahr 1999 sogar alle zehn Werte). Alle Werte nach 1977 liegen deutlich höher als vorher.

gefasst werden. Wie man sich auf diese Katastrophenhochwasser einstellt – das ist die Frage.

Schlüsselgröße Eintretenswahrscheinlichkeit Die Schlüsselgröße, mit der das Überflutungsrisiko durch ein extremes Hochwasser erfasst wird, ist die Eintretenswahrscheinlichkeit. Mit dieser statistischen Größe wird beschrieben, wie hoch das Risiko einer Überflutung ist. 1 : 100 bedeutet, dass jedes Jahr im statistischen Mittel die „Chance“, realitätsgerechter: das Risiko eines Katastrophenhochwassers in Höhe dieses Wahrscheinlichkeitswertes, besteht. Das kann bedeuten, dass deutlich mehr als ein Jahrhundert vergeht, ohne dass ein Katastrophenhochwasser auftritt. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass mehrere extreme Hochwasser zeitlich dicht aufeinanderfolgen – sogar innerhalb eines

Zielwerte für Deiche in den Rheinabschnitten Für die Dammbauten am Alpenrhein wurde als Zielvorgabe festgelegt, dass sie maximal das Hochwasser schadlos ableiten, dessen Eintretenswahrscheinlichkeit 1 : 100 beträgt. Am Oberrhein soll für die Dämme der freien Stromstrecke der Wert 1 : 200 erreicht werden. Am Niederrhein oberhalb von Köln lautet das Ziel ebenfalls 1 : 200, unterhalb von Krefeld 1 : 500 und unterhalb von Lobith an der deutsch-niederländischen Grenze 1 : 1250. Das entspricht Abflüssen am Pegel Karlsruhe-Maxau von 5000 m³ / s, am Pegel Köln von 12 900 m³ / s, am Pegel Emmerich von 14 500 m³ / s und am Pegel Lobith von 16 000 m³ / s. Zum Vergleich: Die langjährigen mittleren Abflüsse betragen 1250 m³ / s, 2120 m³ / s, 2320 m³ / s und 2300 m³ / s. Die Bemessungsabflüsse bedeuten Wasserspiegelhöhen

einzigen Jahres. Daraus dann den Schluss zu ziehen, dass für die anschließende Zeit nun kein Ri-

von etwa 9,23 m, 11,9 m, 12,73 m und 18 m über dem jeweiligen Pegelnullpunkt. Wiederum zum

siko mehr besteht, ist schlichtweg falsch. Das Risiko besteht permanent.

Vergleich: Bei Mittelwasser betragen die Werte 5,05 m, 3,28 m, 2,88 m und 5,64 m.

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern 157

Pegel Maxau

Wasserspiegelhöhe Wasserspiegelhöhe bei Bemessungs- Mittlerer Abfluss Bemessungsabfluss mittlerem Abfluss (MW) Abfluss (m³ / s) (MQ) (m³ / s) (m ü. Pegel-0-Pkt.) (m ü. Pegel-0-Pkt.) 5000

1250

9,23

5,05

Köln

12 900

2120

11,90

3,28

Emmerich

14 500

2320

12,73

2,88

Lobith

16 000

2300

18,00

5,64

Gemäß den Beschlüssen und Programmen der Regierungen sollen mit den vorhandenen / auszubauenden Schutzeinrichtungen Sicherheit vor Abflüssen bis zu den aufgeführten Bemessungswerten hergestellt werden. Aber es gibt noch höhere Abflüsse. Die MQ- und MW-Werte basieren auf zum Teil unterschiedlichen Zeitreihen, sodass einige Angaben widersprüchlich erscheinen. Dies ist hier jedoch ohne Bedeutung.

Tabelle 5 ó Abfluss und Wasserspiegelhöhe an vier Pegeln.

Aus diesen Hochwasserabflüssen sind die Konstruktionsgrößen der Deiche abgeleitet. Damit ihre Schutzfunktion nicht gefährdet wird, sind die Dammkronen um einen bestimmten

Betrag gegenüber dem der Bemessung zugrunde liegenden Wasserspiegel erhöht. Am Oberrhein beträgt dieser Freibord 0,8 m, am Niederrhein 0,5 bis 1 m und in den Niederlanden 0,5 m.

134 ó Selbst solide Deiche weichen bei lang dauernden Hochwassern auf und müssen gesichert werden; hier der Deich der Waal bei Ochten im Januar 1995.

158 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

135 ó Glimpflicher Ausgang: Der Vordeich im Borsoyer Rheinbogen bei Wesel wurde überspült, brach aber nicht zusammen.

Nicht überall ist es erwünscht oder technisch möglich, Dämme anzulegen. So schützen in Köln fest eingebaute oder mobile Wände die tief liegenden Stadtteile vor dem Eindringen der Wassermassen; in Emmerich ist es eine feste Mauer

le Schutzeinrichtungen und Anpassungsmaßnahmen, die die betroffene Bevölkerung ergreift, die Risiken und Schäden mildern. Dabei muss beachtet werden, dass Gebäude, die aufgrund von Schutzmaßnahmen nicht oder nicht mehr überflutet werden, im Hochwasserfall wegen des Anstiegs des Grundwassers aufschwimmen können. Deshalb ist sorgfältig darauf zu achten, dass die Auflast, die das Gebäude im Boden hält, von ausreichender Größe ist. Das lässt sich bei Altbauten vielfach nicht gewährleisten; aber auch Neubauten in der Herstellungsphase sind gefährdet, wie der nach seinem Architekten genannte Schürmann-Bau am Rheinufer in Bonn zeigte, der mit seinem Auftriebsproblem im Jahr 1993 in die Schlagzeilen geriet.

im Bereich der Innenstadt. Bei hohen Hochwassern überragen sie den Wasserspiegel manchmal um nur wenige Zentimeter. Auch im Mittelrheintal sind eigene Deiche zum Hochwasserschutz

Die Zunahme der hohen Hochwasser am Oberrhein seit den 1950er-Jahren wird vor allem da-

Zurzeit gewährleisten die vorhandenen Hochwasserschutzeinrichtungen die genannten Zielwerte der Eintretenswahrscheinlichkeit nicht an allen Rheinstrecken. Auch ist es unrealistisch, für einige Stromstrecken, wie für einzelne tief liegende Stadtteile von Köln, das in den angrenzenden Stromstrecken geltende Schutzziel erreichen zu wollen; es ist im Fall Köln deshalb erniedrigt auf die Eintretenswahrscheinlichkeit von 1 : 100.

Sonderlösungen

aus städtebaulichen und touristischen Gründen weder erwünscht noch wegen der räumlichen Enge überhaupt möglich. Hier können nur loka-

Hochwasserkatastrophen

durch verursacht, dass 130 km² Rheinauen im Gefolge des Baus der Stauwehre oberhalb von Iffezheim vom Strom abgeschnitten wurden. Der

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern 159

136 ó Dammbruch bei der Insel Flotzgrün südlich von Speyer in den 1950erJahren.

Verlust dieser Retentionsflächen lässt die Hochwasser durchweg schneller ablaufen und insgesamt wesentlich dichter aufeinanderfolgen; auch laufen die Hochwasserwellen zumeist höher auf als vor dem Ausbau. Nur mit Glück entging das Gebiet des südlichen und mittleren Oberrheins im Mai 1999 einer Überflutungskatastrophe, als starke Regenfälle und die Schneeschmelze in der Schweiz den Rhein enorm anschwellen ließen. Er erreichte am Pegel Maxau eine Höhe von 8,83 m, obwohl die Polder Altenheim, das Kulturwehr Kehl und die Wehrmanöver in den Stauhaltungen zwischen Kembs und Straßburg zur Retention eingesetzt wurden. Hätte es in den Mittelgebirgen, dem Schwarzwald und den Vogesen zusätzlich geregnet, wären die Deiche unterhalb

chen: Im Dezember 1993 wurden die tief liegenden Teile der Altstadt überschwemmt und im Januar 1995, also gerade ein gutes Jahr später, schon wieder. Die Schäden waren enorm, nämlich 110 Millionen DM und ca. 65 Millionen DM. Dass die Schäden der zweiten Katastrophe trotz höherem Maximalwasserstand geringer ausfielen als im Jahr zuvor, lässt sich zunächst trivial damit begründen, dass wohl noch nicht alle Reparaturen zur Beseitigung der Schäden des vorherigen Hochwassers durchgeführt waren. Optimistischer und zukunftsweisender ist die Annahme, dass das Bewusstsein der Bevölkerung für das Risiko sensibilisiert war und manche Investitionen in den hochwasserbetroffenen Lagen unterblieben. Ob diese Interpretation, also eine Verhaltensän-

der Staustufe Iffezheim vermutlich gebrochen, jedenfalls mit großer Sicherheit überströmt worden, und es wäre zu großräumigen Überflutun-

derung, zutrifft und Bestand hat, wird sich beim nächsten Katastrophenhochwasser zeigen. Sobald größere Hochwasser auftreten, schnellt

gen gekommen. – Solches Glück hatte die Stadt

das Thema in der öffentlichen und politischen

Köln nicht, als nach 1983 und 1988 erneut zwei Hochwasser von fast 10 m Pegelhöhe hereinbra-

Debatte weit nach oben. Nahezu stereotyp sind dann die Forderungen nach höheren Sicherheits-

160 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

137 ó Überflutung der Schwetzinger Wiesen bei Brühl / Mannheim nach dem Überströmen des Sommerdeichs im Mai 1999.

standards und besserer Finanzausstattung des Hochwasserschutzes. Aber mit dem Fallen der Wasserstände verliert sich die Aufmerksamkeit in der Regel wieder schnell.

Sicherheit vor einem Hochwasser mit der Eintrittswahrscheinlichkeit von 1 : 100, 1 : 200, 1 : 500, 1 : 1250 – das klingt Vertrauen erweckend und scheint auf den ersten Blick wenig Anlass zur Beunruhigung zu bieten. Jedoch gibt es eben noch höhere Hochwasser, deren Eintretenswahrscheinlichkeit zwar geringer ist – bei rein statistischer Betrachtung. Ihre statistische Seltenheit ist in Wahrheit jedoch ein bestenfalls ge-

den. Vorherzusagen, wo genau diese Katastrophe eintritt, ist so gut wie unmöglich; zu vielfältig sind die ein Katastrophenhochwasser auslösenden Einflussgrößen. – Und nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser: Das übernächste kommt vielleicht bereits wenige Tage später und ist wohl möglich schon wieder so hoch – wer kann das ausschließen! Das Risiko lässt sich eben nicht beseitigen. Dass Dammüberströmungen und -brüche auf deutschem Gebiet geschehen werden, ist sogar eine offizielle Grundlage der niederländischen Hochwasserpolitik. Rein theoretisch kann im Einzugsgebiet des Rheins oberhalb der deutsch-niederländischen Grenze ein so hoher Abfluss zusammenkommen, dass künftig

ringer Trost, denn wer weiß: Vielleicht steigt bereits das nächste Hochwasser so hoch an, dass es den Deich überströmt und einreißt. Dann er-

selbst die enorme, schadlos ableitbare Wassermenge am Pegel Lobith von 16 000 m³ / s übertroffen und die niederländischen Deiche über-

gießt sich ein riesiger Wasserschwall in das Hinterland und verwüstet alles, was sich ihm ent-

strömt würden. Aber nüchtern und realitätsnah argumentieren die Niederlande: Bevor diese ex-

gegenstellt. Wirtschaftliche Verluste sind sicher; wahrscheinlich kommen auch Menschen zu Scha-

treme Hochwasserwelle das eigene Staatsgebiet erreicht, hat sie bereits oberhalb, am Oberrhein

Die statistische Illusion

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern 161

oder am Niederrhein, Deiche überspült und sich dadurch auf ein in den Niederlanden beherrsch-

Regelwerken. Aber das Risiko wurde damit nur begrenzt und nicht ausgeschlossen.

bares Maß abgesenkt.

Warum eigentlich wurde nur ein relativer, warum kein absoluter Hochwasserschutz verein-

Keine absolute Sicherheit Man muss es illusionslos sehen: Am Rhein ist der Hochwasserschutz nur bis zu einem bestimmten

bart? Um einen „absoluten“ Hochwasserschutz zu realisieren, das heißt, das Überflutungsrisiko auf null zu senken, wären nicht bezifferbare, ex-

Grad gewährleistet. Der Schutzgrad wurde zwar nicht willkürlich gewählt; seine Bestimmung

trem hohe Aufwendungen erforderlich. An manchen Strecken könnten die erforderlichen Maß-

leitet sich nicht nur aus der historischen Entwicklung her, sondern ist primär das Ergebnis politischer Diskussionen, Abwägungen und Ent-

nahmen gar nicht durchgeführt werden, weil kein Raum dafür vorhanden ist. Wenn man es denn doch bewerkstelligte, nähme der Rhein den

scheidungen, er ist eine gesellschaftliche Vereinbarung und wurde niedergelegt in Staatsverträgen, Gesetzen, Verordnungen und technischen

Charakter eines von hohen Deichen und Schutzmauern flankierten Kanals an, dessen Folgen für Landschaftshaushalt und Landschaftsbild

138 ó Schenkenschanz am Niederrhein im Hochwasser vom Januar 1995.

162 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

verheerend wären. Die Gefahr für die Unterlieger nähme weiter zu, denn die Hochwasser-Wel-

Risiko erscheint – fälschlicherweise – minimal, 1 : 100 und geringer. Das leistet der fatalen Ein-

len liefen in dem ausgebauten Querschnitt noch kompakter und erneut beschleunigt ab, weil die

schätzung Vorschub, innerhalb der Dauer eines Menschenlebens könne nichts Böses passieren. Die technischen Anlagen täuschen höchste Si-

Wassermassen nicht mehr in die noch vorhandenen natürlichen Retentionsräume einströmen und dort verweilen könnten. Es käme regelmäßig zur Überlagerung mit den Hochwassern der Nebengewässer. Die Scheitelwerte der Rheinwellen würden ansteigen und damit die Risiken für die Unterlieger nochmals zunehmen. – Ein abwegiges Szenario. Und im Übrigen: Wie wäre das „absolut“ zu definieren? Schutz vor einem Ereignis, das im statistischen Mittel alle 2000 Jahre einmal auftritt? Oder alle 5000 Jahre? Oder in noch größeren Zeitabständen? – Der „absolute“ Hochwasserschutz ist weder definitorisch letztgültig fassbar noch räumlich, technisch und finanziell realisierbar und schon gar nicht sinnvoll. Er scheidet als Zielvorgabe aus. Die Politik hat sich also auf die Eintretenswahrscheinlichkeiten 1 : 100 / 200 / 500 / 1250 festgelegt. Sie gewährleisten, dass die größte Zahl der Hochwasser schadlos abgeleitet wird. Im Prinzip hätte man auch einen anderen, einen höheren oder einen niedrigeren, Schutzgrad wählen können. – Nochmals: Um welchen es sich auch handelt, die Festlegung auf einen bestimmten Wert bedeutet, dass Hochwasser jenseits der gewählten Bemessungsgrenze die Deiche überströmen und dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit zerstören und dann die dahinter liegenden Niederungsgebiete überfluten und erheblichen Schaden verursachen.

Verdrängtes Risiko

cherheit vor. „Warum soll die Katastrophe gerade hier geschehen? Treffe sie doch andere Räume – wo der Rhein eh so lang ist!“ – Es liegt in der menschlichen Natur, Risiken als umso geringer anzusehen, je unwahrscheinlicher ihr Eintreten erscheint. Das Katastrophenbewusstsein der potentiell Betroffenen ist nicht ausgeprägt. Wie bei einer Spirale wiederholt sich Gang um Gang dieselbe Abfolge: Damit die vorhandenen Deiche den festgelegten Hochwasserschutz leisten können, müssen sie kontinuierlich gewartet und gegebenenfalls saniert werden. Sie können ihre Aufgabe nur in perfektem Zustand erfüllen. Potentiell Betroffene einer Flutkatastrophe missverstehen und deuten ihn als ebenso perfekten Schutzgrad. Das Sicherheitsempfinden steigt; unbesorgt werden Art und Umfang der Sachwerte in den risikobehafteten Gebieten erhöht. Das nächste, gerade noch glimpflich überstandene Hochwasser verdeutlicht, dass Risiken doch bestehen. Dies wiederum ist Anlass, nach höheren Schutzniveaus zu verlangen. Die Bemühungen, die Sicherheitsstandards mit weiteren flussbaulichen Maßnahmen anzuheben, lassen auch das Sicherheitsempfinden wachsen. Zusätzliche Investitionen erhöhen das Schadenspotential. – Die fatale Spirale aus Fehleinschätzung, mangelndem Risikobewusstsein und Investitionen am falschen Ort setzt sich fort, ohne dass dadurch das Gefährdungspotential herabgesetzt wurde. An der Tatsache ändert sich nichts, dass das Risiko nach

Der dort lebenden Bevölkerung ist das Risiko

wie vor besteht und dass das Katastrophenhochwasser doch hereinbrechen wird.

zurzeit kaum bewusst. Sie ist in der Regel darüber nicht oder nicht hinreichend informiert. Und die Informierten ignorieren es zumeist. Das

Wie groß – oder wie gering – der Erfolg der Bemühungen um die Vermeidung von Schäden durch extreme Hochwasser ist, verdeutlicht auch

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern 163

rung der überflutungsfreien Zeitabschnitte und bei gleichbleibender Höhe der Schäden sinkt somit die Höhe des auf ein Jahr umgerechneten Schadensbetrages – ein unbestreitbarer Erfolg. Er wird allerdings dadurch geschmälert, dass in der Regel gleichzeitig die Intensität der Nutzungen heraufgesetzt wird: Bauliche Anlagen werden neu erstellt, vorhandene ausgebaut. Durch die Wertsteigerung steigt die Schadenshöhe im Überflutungsfall. Ist der Umfang der Wertsteigerung erheblich, so kann sogar die auf ein Jahr umgerechnete Schadenshöhe gegenüber den vorherigen Beträgen ansteigen – und das, obwohl das Gebiet seltener überflutet wird. Dann steht schnell die Forderung im Raum, das Wiederkehrintervall der Überflutungen einfach erneut heraufzusetzen, ... – Die Spirale dreht sich.

139 ó Überflutetes Gelände bei Schloss Loevestein an der ehemaligen Mündung der Maas in die Waal östlich von Dordrecht; Hochwasser 1995.

folgender Gedanke: Die überflutungsgefährdeten Gebiete wurden früher durchweg nur extensiv genutzt; die dort vorhandenen materiellen Werte, die beschädigt wurden oder verloren gehen konnten, waren insgesamt gering. Allerdings wurden diese Gebiete gemäß dem natürlichen Abflussgeschehen im statistischen Mittel häufig von Hochwassern heimgesucht; die Schäden traten somit in kurzen Zeitabständen auf. – Werden Schadenshöhe und Wiederkehrintervall des Schadensereignisses miteinander verknüpft, so lässt sich der theoretische Betrag an Hochwasserschäden ausdrücken, der im statistischen Mittel pro Jahr auftritt. Um den Wert des so berechneten alljährlichen Schadensumfangs zu senken, bietet es sich an, die Wiederkehrintervalle zu verlängern. Das geschieht z. B. durch die Verstärkung der Hochwasserdämme oder die Anlage von Retentionsräumen. Mit der Verlänge-

164 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Was tun? Es ist ganz einfach und gleichzeitig schwierig: Verantwortlichen und Betroffenen muss klar werden, dass Katastrophenhochwasser am Rhein unvermeidbar sind und sie bereits in allernächster Zukunft und dicht hintereinander auftreten können. Dies gilt es, ohne Panikmache im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Jedermann, der sich in den Niederungen am Strom aufhält oder betätigt, muss von dem Risiko wissen, das dort besteht, und damit mindestens die Chance bekommen zu entscheiden, ob er mit der Gefahr leben will.

Schadensvermeidung durch Rückbau Es ist die Aufgabe nicht nur der einzelnen potentiell Betroffenen, sondern auch und vor allem der politisch Verantwortlichen zu verhindern, dass Schäden für Menschenleben und Sachwerte entstehen, mindestens jedoch die Zahl der Gefährdeten und der Umfang potentieller Schäden gering gehalten werden. Um Risiko, Gefahr und Schaden nachhaltig auszuschließen, führt kein

140 ó Köln-Rodenkirchen beim Hochwasser im Januar 1995.

Weg daran vorbei, die Intensität der Raumnutzungen in den Gebieten mit Überflutungsrisiko zu senken. Gebäude und ihre Einrichtung erleiden bei einer Überflutung besonders hohe Schäden. Deshalb ist es von hoher Dringlichkeit und von hohem Effekt, die vorhandenen Gebäude und Anlagen rückzubauen. Diese zunächst realitätsfern scheinende Strategie wird sofort einleuchtend, wenn man bedenkt, dass sonst nach jedem Katastrophenhochwasser, das heißt in unkalkulierbaren, künftig wahrscheinlich kürzer werdenden Intervallen, die hohen Investitionen zur Herstellung des vorher vorhandenen baulichen Zustandes erneut aufgebracht werden müssen. Dabei müssen auch die Schäden beseitigt werden, die durch anderenorts auslaufendes Heizöl, in der Flutwelle verdriftende Chemikalien und

andere gefährliche, vielleicht sogar gesundheitsschädliche Stoffe verursacht werden.

Schadensverhinderung durch Bauverbot Leichter zu verwirklichen ist es, vorausschauend die potentielle Schadenshöhe zu begrenzen. Dazu ist in den überflutungsgefährdeten Gebieten die Neueinrichtung hochwasserempfindlicher, hoch schadensträchtiger Nutzungen und Anlagen zu unterlassen. In erster Dringlichkeit hat die Anlage neuer Bauten oder gar ganzer Neubaugebiete zu unterbleiben. Dies ist eine Aufgabe der planerischen Vorsorge. Sie obliegt in Deutschland der Raumordnung, der Landes- und Regionalplanung und der Bauleitplanung; in den anderen Anrainerstaaten steht die räumliche Vorsorge auf anderen rechtlichen Grundlagen. Entscheidend ist

Hochwasserkatastrophen sind unvermeidbar – Schäden verhindern 165

141 ó Überflutung des im Deichvorland liegenden Friedhofs Kekerdom östlich von Nimwegen im Januar 2011.

es, dass die Vorgaben für Bau- und Nutzungsverbote nicht nur rechtswirksam ausgebildet sind, sondern auch tatsächlich und zwingend angewendet werden.

Politische Aufgabe Nur wenn diese beiden strategischen Handlungsvorgaben der Schadensvermeidung umgesetzt werden, ist es möglich, die hohen, zurzeit vorhandenen möglichen Schäden und Gefahren eines Extremhochwassers bis auf einen hinnehm-

baren, geringen Wert herabzusetzen. Zuvor sind unter anderem Rechtsfragen, z. B. über die Aufgabe bestehender Nutzungsrechte und den Schutz des Eigentums, zu klären; Finanzierungsmodelle zur Umsiedlung sind zu entwickeln; um die Akzeptanz der Betroffenen und Beteiligten zu erreichen, ist Aufwand erforderlich. Kurzum: Hier bestehen Politikfelder, die zum Nutzen sowohl der betroffenen einzelnen Bürger als auch des Staatswesens erst noch aufzuarbeiten sind.

Weitere Informationen: – Hochwasserstudienkommission für den Rhein HSK: Schlussbericht, Ergebnisse der Untersuchungen. Der Bundesminister für Verkehr. Bonn 1978. – Vieser, H. J.: Hochwasserverschärfung durch Ausbau des Oberrheins. Wasserbauliche Mitteilungen Nr. 24, Technische Hochschule Darmstadt 1985. – Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR): Grundlagen und Strategie zum Aktionsplan Hochwasser. Koblenz 1995. – Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und Umweltministerium Baden-Württemberg: Leitlinien für einen zukunftsweisenden Hochwasserschutz. Stuttgart 1995.

166 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Hochwasser und 4.2 Hochwasserretention Martin Stieghorst /Günter Wendel

H

ochwasser – das gehört zur Natur des Rheins, und seit in seiner Nähe Siedlungen angelegt

sind, versuchen sich die Bewohner vor den Hochwassern zu schützen. Das Mittel der Wahl waren früher Deiche und Leitwerke, die die Fluten von den Siedlungsplätzen fernhalten sollten. Wo nicht rheinnahe Geländestufen den Hochwassern natürliche Grenzen setzen, begleiten inzwischen in den meisten Rheinabschnitten ganze Deichsysteme beide Seiten des Stroms. Doch Deiche allein reichen inzwischen nicht mehr aus, die landseits gelegenen Siedlungen und Freiräume in den Niederungen vor Überflutungen zu bewahren. Es erweist sich als notwendig, die Spitzenabflüsse gefährlicher Hochwasser herabzusetzen. Das Risiko kann dadurch vermindert werden, dass seitlich des Stroms ehemalige Überflutungsflächen wieder bereitgestellt werden, in die Wassermassen der Maximalabflüsse einströmen und verweilen können. Hierbei unterscheidet man zwei unterschiedliche Maßnahmetypen: Polder, die auch Rückhaltung genannt werden, und Dammrückverlegungen, die auch als Ungesteuerte Rückhaltung bezeichnet werden (Y Kap. 4.3).

Alpenrhein Die Wasserführung des Alpenrheins ist vor allem von Geländegestalt und Klima seines Einzugsgebiets, den Alpen, geprägt: Die höchsten Abflüsse treten zur Zeit der Schneeschmelze in den Hochlagen, also zwischen Juni und September, auf. Dann fließen bei einem mittleren Hochwasser 1340 m³ / s in den Bodensee. Im Durchschnitt des

ganzen Jahres sind es 240 m³ / s. Die Abflussmenge eines 200-jährlichen Hochwassers ist deutlich höher: ca. 2800 m³ / s am Pegel Diepoldsau kurz oberhalb der Mündung des Rheins in den Bodensee. Dieser Wert wäre z. B. im Jahr 1987 überschritten worden, wenn nicht ca. 450 m³ / s in den Speicherseen des Einzugsgebiets zurückgehalten worden wären. Die Rückhaltungen in den größeren Speicherseen an den Nebengewässern führen zur Vergleichmäßigung der Abflussunterschiede zwischen Sommer und Winter. Andererseits verursachen – auf anderer zeitlicher Maßstabsebene – die zahlreichen Kraftwerke, die dort ihre elektrische Energie entsprechend dem gerade anfallenden Bedarf produzieren, zum Teil heftige Abfluss- und Wasserstandsänderungen Durch Retentionsmaßnahmen Abfluss aufzufangendes m3/s Abflussvolumen 5700 5000

4000

3000

Pegel Maxau

2000 1 2

3

4

Zustand 1955

5

6

7

Zustand 1977

8

9

10 Tage Zustand 1977 mit Retention

142 ó Ziel der Retentionsmaßnahmen ist es, die Scheitelwerte von Hochwasserwellen auf ein ungefährliches Maß zu senken.

167

des Rheins im Verlauf nur eines einzigen Tages (Y Kap. 5: Schwall und Sunk). Schon früh wurde begonnen, das Bett des Rheins im topfebenen Talboden durch Deiche

Der Bodensee bildet ein natürliches Retentionsbecken, das die gelegentlich hohen Zuflüs-

festzulegen. Ziel war und ist es, ein Hochwasserereignis zu beherrschen, das im statistischen Mit-

Zufluss sämtlicher Gewässer in den See kann ca. 4700 m³ / s betragen, der Abfluss bei höchstem Wasserstand dank der nur 100 m breiten Eng-

tel einmal in 100 Jahren auftritt. Dies ist durchweg erreicht. Im Abschnitt zwischen Sargans und der Illmündung bei Feldkirch hat der Rhein seine Sohle massiv abgetragen, sodass die Abflusskapazität in diesen Erosionsstrecken deutlich erhöht ist. Hingegen kommt es unterhalb zu Ablagerungen, durch die das Überflutungsrisiko erhöht ist. Aufgrund der intensiven Siedlungsentwicklung ist das Schadenspotential im mittleren und unteren Alpenrheintal enorm gewachsen; die Abflusskapazität soll deshalb auf den letzten 15 km unterhalb von Diepoldsau erhöht werden. Es wurde vorgeschlagen, den Querschnitt zwischen den Deichen dort und an einigen anderen Stellen aufzuweiten und damit nicht nur die Hochwassergefahr herabzusetzen, sondern auch das Flussbett ökologisch aufzuwerten, die weitere Sohlenerosion zu verhindern und Naherholungsgebiete zu schaffen. Spezielle Retentionsräume sind im Tal des Alpenrheins nicht geplant; jedoch gibt es Überlegungen, Notentlastungsgebiete herzurichten. In sie sollen extreme Hochwasser ausufern können, damit intensiv genutzte Areale von Überflutungen verschont bleiben.

Bodensee Bei Mittelwasser bedecken die beiden Teile des Bodensees, der Ober- und der Untersee, eine Fläche von 536 km²; eine Wasserschicht von 1 cm Höhe enthält mithin ein Volumen von nicht weniger als 5,3 Millionen m³. Die mittleren Niedrigwasserstände liegen 0,8 m unter dem mittleren Wasserstand (395,3 m ü. M.); die maximalen Wasserstände erreichen bedeutend höhere Werte über dem mittleren Niveau, z. B. 2,24 m im Mai 1999.

168 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

se, und das sind vor allem die des Alpenrheins, auffängt und nur verlangsamt abgibt. Der größte

stelle bei Konstanz erreicht lediglich 1062 m³ / s. Aus diesen beiden Zahlen wird ersichtlich, welche große Bedeutung der Bodensee für den Ausgleich der Wasserführung im weiteren Verlauf des Rheins hat.

Hochrhein Die Flusslänge zwischen Konstanz und Basel beträgt 170 km, die Differenz der Wasserspiegel knapp 150 m. Spektakulär mit seinen 25 m Fallhöhe ist der Rheinfall bei Schaffhausen. Das Gefälle beträgt oberhalb dieser Stelle durchschnittlich 0,33 ‰, unterhalb 0,6 bis 1,2 ‰. Die Aare ist der größte Nebenfluss des Rheins, der im Mittel – mit 560 m³ / s am Pegel Stilli – dem Rhein mehr Wasser zuleitet, als dieser oberhalb der Aaremündung selbst führt. Erhöht um die Zuflüsse einiger kleinerer Gewässer ergibt sich am Pegel BaselRheinhalle ein mittlerer Abfluss von 1063 m³ / s. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und in den 1960er-Jahren wurden die Abflussverhältnisse der großen schweizerischen Seen und ihrer Zuflüsse sowie der Aare im Zuge der „Juragewässerkorrektionen“ umgestaltet. Seewasserstände wurden abgesenkt, Stauwehre an den Seeausläufen gebaut, die Abflusskapazität von Gewässerteilstücken erhöht. Dadurch wurde bewirkt, dass sich die Hochwassergefahr im Flussgebiet der Aare verminderte. Allerdings sind neuerdings zum Teil sehr hohe Abflusswerte am Unterlauf festzustellen. Wesentliche Ursache dafür ist die Tatsache, dass bei der Modernisierung der Kraftwerke und der dadurch bewirkten intensiveren Ausnutzung der Wasserkraft die in-

dividuelle Steuerung der Mehrzahl der Anlagen nicht aufgegeben wurde. Eine ganzheitliche Be-

ca. 1100 m³ / s, bei seinem Austritt – am Pegel Mainz – 1600 m³ / s. Im südlichen Teil sind die

trachtung mit dem Ziel, den nutzbaren Abfluss aller Kraftwerke insgesamt zu optimieren, wurde

Abflüsse durch die sommerliche Schneeschmel-

kaum angestellt. Durch eine zentral gesteuerte und überwachte Regelung der Stauziele könnten unerwünscht hohe Abflussspitzen in der Aare gedämpft und auch die Wasserführung im unteren Teil des Hochrheins günstig beeinflusst werden. Dank der den Abfluss verzögernden Wirkung des Bodensees und den Schutzmaßnahmen, die in Zusammenhang mit den elf Wehren zwischen Schaffhausen und Basel errichtet wurden, beträgt die statistische Eintretenswahrscheinlichkeit eines nicht beherrschbaren Hochwassers längs der Hochrheinstrecke 1 : 200 pro Jahr. Das entspricht einem Abfluss bei Basel von 5080 m³ / s, dem Wert, der bei dem außergewöhnlichen Hochwasser im Mai 1999 erreicht wurde.

Oberrhein Mit ca. 380 km Fließstrecke ist der Oberrhein der längste Stromabschnitt. Seine Höhenlage erniedrigt sich von 250 m bei Basel auf 90 m über Meeresspiegel bei Mainz. Sein Gefälle nimmt von Süden – 1 ‰ – nach Norden – 0,1 ‰ – kontinuierlich ab. Im Hinblick auf den Abfluss lassen sich zwei Teilbereiche unterscheiden, nämlich der des sogenannten Vollausbaus mit Grand Canal, Schlingen und Staustufen zwischen Basel und Iffezheim (Y Kap. 2.4) und der der freien Stromstrecke unterhalb von Iffezheim. Im Urzustand bewegte sich der Strom in einem bis zu 20 km breiten Auenkorridor, der bei Hochwasser mehr oder weniger hoch überflutet und in dem der Abfluss des Wassers verzögert wurde. Durch die systematische Anlage von Deichen seit dem 19. Jahrhundert wurde die Breite des Auenkorridors auf durchweg wenige 100 m verringert. Bei seinem Eintritt in den Oberrheingraben beträgt – am Pegel Basel – der mittlere Zufluss

ze in den Alpen geprägt. Unterhalb des Neckars wird der Einfluss der Nebengewässer aus den Mittelgebirgen mit ihren Abflussspitzen im Frühjahr immer deutlicher. Im südlichen Teil der nicht ausgebauten Strecke des Oberrheins sind die Hauptdeiche so ausgebaut, dass zwischen ihnen ein Hochwasser schadlos ablaufen kann, das früher im statistischen Mittel einmal in 200 Jahren auftrat. Das entsprach einem Abfluss am Pegel Maxau von 5000 m³ / s und am Pegel Worms – bei einer 220-jährlichen Eintretenswahrscheinlichkeit – von 6000 m³ / s. Durch den Rheinausbau zwischen Kembs (bzw. Breisach) und Iffezheim wurde die Hochwassersicherheit in diesem Bereich auf eine quasi unbegrenzte Höhe angehoben. Rein theoretisch könnte man nämlich bei gefährlich hohen Abflüssen die Wehre öffnen, sodass Überflutungen entlang der Stauhaltungen abgewendet würden. Man spricht deshalb von einer „1000-jährlichen Sicherheit“. In der Realität ist das Durchleiten der Hochwasserwelle keine Lösung; denn die in der Ausbaustrecke weiter beschleunigte und aufgehöhte Hochwasserwelle würde lediglich an die Unterlieger weitergereicht; dort wäre das Überflutungsrisiko umso höher. Durch den Vollausbau zwischen Breisach und Iffezheim wurden 130 km² der noch verbliebenen Auengebiete vom Abflussgeschehen im Rhein abgeschnitten. Dies wirkt sich auf zweierlei Weise für die Unterlieger aus: f Die Hochwasserwellen des Rheins bewegen sich schneller stromab. Benötigte ein Hochwasser vor dem Ausbau für die Strecke von Basel nach Karlsruhe 65 Stunden, so sind es heute nur noch 22 Stunden. Die entsprechen-

Hochwasser und Hochwasserretention 169

den Werte für Worms betragen 98 Stunden vor und 62 Stunden nach dem Ausbau. Das bedeu-

sicherheit unterhalb der Ausbaustrecke am Oberrhein wiederherzustellen, die vor dem Ausbau

tet, dass der Scheitelpunkt des Hochwassers im Rhein unterhalb der Ausbaustrecke zeit-

bestand, mindestens vor Ereignissen, die im statistischen Mittel alle 200 Jahre einmal auftreten. Dazu wurden Maßnahmen mit einem Gesamtvo-

lich näher an diejenigen der Seitengewässer, vor allem des Neckars, heranrückt und sich im ungünstigen Fall mit diesen überlagert. Damit steigt stromab das Risiko eines nicht mehr beherrschbaren Hochwassers. Als erste große Siedlungsagglomeration sind Mannheim und Ludwigshafen, an der Neckarmündung gelegen, gefährdet. f Der Verlust der 130 km² an Rheinauen besagt, dass mehr als die Hälfte des wertvollen Raumes verloren ging, in dem sich bis 1955 Hochwasser noch ausbreiten und erst zeitlich verzögert abfließen konnten. Der Verlust des Auenpuffers zwischen 1955 und 1977 hat bewirkt, dass die Scheitelabflüsse am Pegel Maxau um 700 m³ / s auf 5700 m³ / s und am Pegel Worms um 800 m³ / s auf 6800 m³ / s anstiegen. Dieses Mehr an Abflussmenge kann zwischen den vorhandenen Deichen schadlos nur abgeleitet werden, wenn der Freibord für den Abfluss mitbenutzt wird. – Bestand vormals das Risiko, dass ein Bemessungshochwasser im statistischen Mittel einmal in 200 Jahren auftrat, erniedrigte sich das Überflutungsintervall drastisch auf einmal in ca. 60 Jahren, das heißt auf ein Viertel. Wegen des Auenverlustes treten hohe Hochwässer häufiger auf. Die zehn höchsten seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 liegen in der Zeit nach der Mitte der 1950er-Jahre, also dem Zeitpunkt, als sich der Vollausbau nördlich von Breisach auf das Abflussgeschehen auszuwirken begann.

lumen von rund 212 Millionen m³ benannt. Inzwischen hat es sich erwiesen, dass dieses Volumen nicht ausreicht, um das Ziel des 200-jährlichen Schutzes zu erreichen, sondern dass insgesamt 258 Millionen m³ zurückgehalten werden müssen. Gemäß der Vereinbarung beträgt der Beitrag Frankreichs 56 Millionen m³, wobei etwa 45 Millionen m³ durch den sogenannten Sonderbetrieb der Rheinkraftwerke und 12 Millionen m³ in zwei Poldern beigebracht werden. Das Volumen steht inzwischen einsatzbereit zur Verfügung. Baden-Württemberg als Vertragspartner mit der längsten betroffenen Flussstrecke des Oberrheins soll rund 168 Millionen m³ beisteuern. Um das in der Vereinbarung und dem darauf fußenden Integrierten Rheinprogramm (IRP) festgelegte Ziel für den Hochwasserschutz zu erreichen, kommen in der Ausbaustrecke als Rückhalteräume in erster Linie die noch zur Verfügung stehenden Flächen jener 130 km² der ehemaligen, nicht mehr an das Überflutungsgeschehen des Stroms angeschlossenen Rheinaue in Frage. Obwohl dort erhebliche Volumina gespeichert werden können, ist es erforderlich, Retentionsräume auch südlich von Breisach und nördlich von Iffezheim zu schaffen. Überwiegend handelt es sich um Areale, die noch bis vor weniger als einem Jahrhundert zum Überflutungsgebiet des Rheins gehörten, die danach nicht für intensive Nutzungen umgewandelt wurden, sondern bewaldet blieben. Von dem insgesamt beizubrin-

In der Vereinbarung von 1982 haben die Bun-

genden Retentionsvolumen sind bisher – Stand 2009 – 79 Millionen m³ hergestellt, ein Polder mit

desrepublik Deutschland und die Französische Republik gemeinsam beschlossen, bis zum Jahr 1990 mit Retentionsmaßnahmen die Hochwasser-

6 Millionen m³ ist im Bau und Planungen oder Rechtsverfahren für etwa 85 Millionen m³ sind eingeleitet.

170 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Rheinland-Pfalz

Frankreich Baden-Württemberg

Integriertes Rheinprogramm des Landes Baden-Württemberg im Betrieb im Bau Planfeststellungsbeschluss liegt vor (Kulturwehr Breisach: deutsche Seite) im Planfeststellungsverfahren Vorbereitung Planfeststellungsverfahren vorgeplant aktuelle Überflutungsfläche (einschließlich der sog. Manövergebiete südlich Straßburg) Vorschläge zu Dammrückverlegungen aus ökologischer Sicht Bauvorbereitung begonnen Teilabschnitt I in Bau, Teilabschnitte II – IV „Vorbereitung Planfeststellungsverfahren“ Räume in Rheinland-Pfalz und Frankreich

Schweiz

143 ó Vorhandene und geplante Hochwasser-Retentionsmaßnahmen zwischen Basel und Mannheim.

Hochwasser und Hochwasserretention 171

144 ó Hochwasserrückhaltungen am Oberrhein in Rheinland-Pfalz (ohne Maßstab).

Oberrhein im Bundesland Rheinland-Pfalz kann verkürzt vielleicht mit „so viel Gesteuerte Polder wie nötig; so viel Deichrückverlegungen wie möglich“ beschrieben werden. Das Bundesland Hessen beabsichtigt bisher nicht, auf seinem Gebiet Retentionsräume neu anzulegen; es verweist darauf, dass die Auenareale im Unterschied zu den übrigen Oberrheinabschnitten noch in ihrer ursprünglichen Größe erhalten sind, und dass das Land sich am Bau von Retentionsräumen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg finanziell beteiligt hat.

Der rheinlandpfälzische Anteil gemäß der Vereinbarung beläuft sich auf 30 Millionen m³. Um den Hochwasserschutz zu erhöhen – das Bundesland Rheinland-Pfalz hat auch Vorsorge für das besonders gefährdete Mittelrheintal zu treffen –, soll die Rückhaltemenge über die Vereinbarung hinaus auf etwa 62 Millionen m³ gesteigert werden. Inzwischen – Stand 2009 – sind neun Räume mit einem Rückhaltevolumen von insgesamt 32,2 Millionen m³ betriebsbereit. Eine weitere Rückhaltung mit 18,1 Millionen m³ war bei Drucklegung im Bau. Über die restlichen drei Fälle sowie zwei Reserveräume für Extremhoch-

Von den drei Partnern Frankreich, RheinlandPfalz und Baden-Württemberg sind inzwischen insgesamt rund 140 Millionen m³ Rückhaltevolumen fertiggestellt und einsatzfähig, davon von Baden-Württemberg knapp 70 Millionen m³. Mit den 140 Millionen m³ kann zurzeit für die Rheinstrecke unterhalb Iffezheim ein etwa 120-jährlicher Hochwasserschutz gewährleistet werden. Die in der Vereinbarung von 1982 genannten Maßnahmen beziehungsweise deren Fortentwicklung sind inzwischen Bestandteil des „Aktionsprogramm Rhein“ der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). Die bisher realisierten Maßnahmen bewirken, dass am Oberrhein unterhalb der Staustufe Iffezheim der Hochwasserscheitel bei einem extremen Hochwasser um 30 cm abgesenkt werden kann.

Gebirgsstrecke am Mittelrhein Im Oberen Mittelrheintal zwischen Bingen und Koblenz zwängt sich der Strom durch die Gebirgsstöcke von Hunsrück und Taunus. Auf 63 km

wasser ist noch nicht rechtsgültig entschieden. Bei der größeren Zahl dieser Maßnahmen handelt es sich um Gesteuerte Polder, bei immerhin fünf um Deichrückverlegungen. Bei zwei

Länge erniedrigt sich seine Höhenlage um 18,5 m. Die mittlere Abflussmenge beträgt – am Pegel

Maßnahmen ist ein Gesteuerter Polder mit ei-

nicht nur durch große Wassermengen, die der Oberrhein heranführt; auch der Main mit seinem 27 200 km² großen Einzugsgebiet kann beträchtli-

ner Deichrückverlegung kombiniert. – Die Gesamtstrategie für den Hochwasserschutz am

172 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Kaub – 1650 m³ / s, die des Mittleren Hochwassers 4310 m³ / s. Hochwasser am Mittelrhein entstehen

che Abflüsse – Mittleres Hochwasser: 1850 m³ / s – beisteuern. Seitliche Ausuferungsflächen gibt es

gel Kaub, werden durch Mosel, Ahr, Sieg, Erft, Ruhr, Lippe und weitere kleinere Nebenflüsse auf

im engen Mittelrheintal so gut wie nicht. Ein Beitrag zur Hochwasserdämpfung zum Nutzen der

Werte von 2280 m³ / s (Abfluss bei Mittelwasser)

Bei Hochwasser steigen die Pegel beträchtlich; z. B. beträgt die Differenz zwischen Mittel-

bzw. 6610 m³ / s (Abfluss bei Mittlerem Hochwasser) an der Grenze zu den Niederlanden gesteigert. Die Verteilung der Abflüsse über das Jahr ist durch hohe Werte im Frühjahr und niedrige

wasser und Mittlerem Hochwasser am Pegel Kaub ca. 3,5 m. Die in der beengten topografischen Si-

im Spätjahr charakterisiert. Vor allem die Mosel mit ihrem 27 100 km² gro-

tuation des Tales gelegenen Siedlungsflächen sind häufig durch Hochwasser gefährdet. Das Risiko kann nur durch Retentionsmaßnahmen der

ßen und niederschlagsreichen Einzugsgebiet führt dem Rhein viel Wasser zu – bei Mittelwasser

Unterlieger ist deshalb nicht möglich.

Oberlieger herabgesetzt werden. Eigene Vorsorge muss sich auf den Objektschutz, das heißt vor allem auf die Anpassung der Gebäude und ihrer Nutzungen, beschränken. Wie mit den Überflutungen umzugehen ist, haben die Bewohner über die Generationen hinweg gelernt. – Wollte man nunmehr hohe Hochwasser von den Siedlungsgebieten fernhalten, wären notwendigerweise umfangreiche, großtechnische Maßnahmen erforderlich – ein perspektivloses Vorhaben: Wenn es denn technisch gelänge, wären die Folgen z. B. für die Ortsbilder verheerend. Auch wäre die Gefahr heraufbeschworen, dass Gebäude wegen des ansteigenden Grundwasserspiegels aufschwimmen und auf diese Weise zu Schaden kommen.

Unterer Mittelrhein und Niederrhein

288 m³ / s. Auf 3740 m³ / s schnellt dieser Wert bei Mittlerem Hochwasser nach oben. Die Höhe des Moselzuflusses ist für die meisten Hochwasser am Niederrhein von ausschlaggebender Bedeutung. So wurden die beiden Hochwasser von 1993 und 1995 zu mehr als 40 % aus der Mosel gespeist. In Rheinland-Pfalz besteht seit 1994 unter der Marke „Aktion Blau“ ein Programm, das die Renaturierung sämtlicher Fließgewässer (sowie der Eifel-Maare) des Landes zum Ziel hat. Die Aktion arbeitet mit Bachpatenschaften und Wasserfesten, stets im Dienst eines populären Umweltschutzes. In der Tat tragen natürlichere Wasserläufe dazu bei, dass Hochwasser verzögert abfließt – ohne dass man den Beitrag jedes einzelnen Bachs beziffern könnte. Die „Aktion Blau“ stellt sich inzwischen in den Dienst der im Jahr 2000 in Kraft getretenen Wasserrahmen-

Bei Koblenz mündet die Mosel in den Rhein. Von dort sind es bis zur deutsch-niederländischen Grenze bei Lobith ca. 270 km. Im Abschnitt zwischen Koblenz und Rolandswerth wenige Kilometer südlich von Bonn rücken die flankierenden

richtlinie der EU. Wie den Oberrhein begleiten Schutzeinrichtungen, zumeist Deiche, den Niederrhein auf seiner gesamten Länge. Bis in den Raum Köln sollen sie das Überflutungsrisiko auf ein statistisches

Höhenzüge immer weiter vom Rhein ab; unterhalb von Rolandswerth beginnt mit der Kölner Bucht der Stromabschnitt des Niederrheins. Das Gefälle des Rheins beträgt anfangs 2,26 ‰ und

Wiederkehrintervall von 200 Jahren begrenzen; unterhalb, bis Krefeld, steigt der Wert auf 500 Jahre an und bleibt bis zur deutsch-nieder-

erniedrigt sich auf 0,08 ‰ nahe der niederlän-

ländischen Grenze in dieser Größenordnung bestehen. Bei einem Freibord von 0,5 bis 1 m sind

dischen Grenze. Die Abflussmengen oberhalb der Moselmündung, repräsentiert durch den Pe-

die Deichkronen im deutsch-niederländischen Grenzbereich fast gleich.

Hochwasser und Hochwasserretention 173

Die genannten Schutzniveaus sind am Niederrhein nicht überall vorhanden; sie sollen durch

promenade kombiniert ist, und zusätzlichen 1 m hohen mobilen Elementen ein 500-jährliches sta-

Dammsanierungen und andere Maßnahmen bis 2015 beigebracht werden. In einzelnen Teilstre-

tistisches Wiederkehrintervall gewährleistet werden. Auch am Niederrhein steigen Hochwasser-

cken sind diese Schutzwerte auch mit besonderem Aufwand nicht zu erreichen. Das gilt vor allem für tief liegende Siedlungsgebiete. Das Pa-

abflüsse inzwischen bis auf die Höhe der bisher gültigen Bemessungsgrenzen. Zwar wurden bis 2009 184 km Deiche grundlegend saniert, und

radebeispiel ist die Stadt Köln. Einem 200-jährlichen Hochwasser entspricht am Kölner Pegel

auf zumindest weiteren 91 km Länge soll dies bis 2015 noch geschehen. Aber die Hochwasserge-

eine Wasserstandshöhe von 11,9 m – ca. 7,5 m höher als bei Mittelwasser. In einigen gefährdeten Stadtquartieren gelingt es nur mit tech-

fahren durch Deicherhöhungen zu verringern, stößt an Grenzen. Um die Spitzenabflüsse herabzusetzen, wurden deshalb in den Hochwasser-

nisch und gestalterisch ausgefeilten Geländemodellierungen, die die Funktion von Deichen übernehmen, und zum Teil darauf aufgesetzten mobilen Schutzwänden, den Schutz vor Überflutung bis zur Pegelhöhe von 11,3 m beizubringen.

schutzkonzepten von 1996 und 2006 elf Maßnahmen zur Reduzierung der Wasserstände mit einem Gesamtvolumen von 215 Millionen m³ benannt. Davon wurden bisher in vier Abschnitten die Deiche rückverlegt und ein steuerbarer

Diese Pegelhöhe entspricht einem Abfluss von 12 000 m³ / s und einem 100-jährlichen statistischen Wiederkehrintervall. – Im Innenstadtgebiet von Emmerich kann ebenfalls nur durch eine 1,5 km lange Schutzmauer, die mit einer Rhein-

Rückhalteraum geschaffen; damit wurde ein Retentionsvolumen von 73 Millionen m³ geschaffen. Bis 2015 sollen zwei weitere Deiche rückverlegt werden und zwei zusätzliche steuerbare Rückhalteräume einsatzbereit sein, durch die weitere 77 Millionen m³ Retentionsvolumen erschlossen werden. Insgesamt soll langfristig erreicht werden, die Hochwasserstände an der deutschniederländischen Grenze um mehr als 10 cm zu senken und das Eintreffen der Wellenscheitel um mehr als zwölf Stunden zu verzögern. Die Zielsetzungen bleiben deutlich hinter dem „Aktionsplan Hochwasser“ der Rheinanliegerstaaten zurück, die 1998 höchst optimistisch beschlossen, die Hochwasserrisiken gegenüber dem Zustand von 1995 bis 2020 um 25 % zu vermindern und die Extremwasserstände um nicht we-

Kleve Bylerward

Deichrückverlegung Lohrwardt Wesel

Deichrückverlegung Bislicher Insel

Deichrückverlegung Mündelheim

Rückhalteraum Orsoy-Land

Ilvericher Bruch

Deichrückverlegung Monheimer Rheinbogen

Rückhalteraum Worringer-Bruch

Rückhalteraum Langel

Deichrückverlegung Orsoy

Fertig gestellte Maßnahme

Düsseldorf

Köln

Maßnahme im Bau

Deichrückverlegung Niederkassel

Geplante Maßnahme Flächensicherung

145 ó Vorhandene und geplante Deichrückverlegungen und Rückhalteräume am Niederrhein/NRW.

174 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

niger als bis zu 70 cm zu senken. Auch die IKSR räumt inzwischen ein, dass diese Ziele bis 2020 wohl nicht zu erreichen sind. Das grundsätzlich hohe Schadensrisiko am Niederrhein beruht nicht nur auf der Höhe der Hochwasser und den enormen Sachwerten im industriellen Siedlungsband längs des Stroms.

Auch unterhalb der Schwelle eines Katastrophenhochwassers erfordert die Fülle des heranströmenden Wassers Maßnahmen in außerordentlichen Größenordnungen, z. B. was Flächenbedarf und finanzielle Mittel anbelangt. Darüber hinaus bestehen spezielle Probleme, die durch den Steinkohle- und Salzabbau unter dem Rhein verursacht werden. Unter der rund 30 km langen Rheinstrecke zwischen Ruhr und Emscher wird seit 1931 Kohle, nördlich davon, unter der Bislicher Insel bei Xanten, Salz abgebaut. Durch den Untertageabbau hat sich die Geländeoberfläche um mehrere Meter abgesenkt. Dadurch liegen heute große Bereiche unter dem Mittelwasser des Rheins. Da die Deiche von den Senkungen nicht ausgeschlossen sind, müssen sie laufend erhöht und verstärkt werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Setzungen im Bereich des Steinkohleabbaus bald aufhören, da die Kohleförderung inzwischen eingestellt wurde. Im Bereich des Salzabbaus muss jedoch weiterhin mit Setzungen gerechnet werden, die dann entsprechende Deicherhöhungen erforderlich machen dürften. Mittlerweile gibt es in den Bergsenkungsgebieten Deiche, die sich mehr als 13 m über das Niveau des abgesunkenen Geländes erheben. Trotz der Deiche kann es nur durch ständiges Pumpen trocken gehalten werden. In diesem Rheinabschnitt liegen auf beiden Stromufern hoch verdichtete Siedlungsgebiete mit einer Häufung von wichtigen kommunalen und industriellen Anlagen und dem Großraum Duisburg als Mittelpunkt. Ein Deichversagen wäre dort katastrophal. Große Teile der Bergsenkungsflächen würden bis zu 12 m hoch überflutet. Sollten die Rheindeiche an anderen Stellen hohen Abflüssen nicht standhalten und größere Wassermengen in die seitlich gelegenen Areale eindringen, besteht darüber hinaus die Gefahr, dass sich rheinparallele Wasserzüge seitab des Stroms ausbilden. Sie können Überflutungen

auch solcher Gebiete verursachen, die gegen den Rhein durch ausreichende Deiche geschützt sind.

Deltarhein Wenige Kilometer unterhalb der deutsch-niederländischen Grenze teilt sich der Niederrhein in die beiden Arme Waal und Pannerdens Kanaal, der sich seinerseits bald in IJssel und Nederrijn / Lek aufspaltet. Die Staustufe Driel in der Lek – kurz unterhalb der Abzweigung der IJssel – ist das wichtigste Bauwerk, mit dem die Abflüsse in Waal, Nederrijn und IJssel verteilt werden. In einem ausgeklügelten Reglement ist festgelegt, welche Anteile der gesamten Abflussmenge welchen der drei Mündungsarme zugeteilt werden. Nur bei Abflüssen von mehr als dem Mittelwert, bei 2350 m³ / s und darüber, werden die Verschlüsse des Wehres Driel ganz geöffnet und dem Wasser seine Verteilung auf die drei Arme überlassen. Auch in den Niederlanden wurde im Lauf der Jahre der dem Fluss zur Verfügung stehende Raum stetig verringert. Die Deiche rückten immer näher an den Strom heran. Bei der Trockenlegung der gegen den Rhein mit Deichen geschützten Gebiete erniedrigte sich die Höhenlage der Landoberfläche; somit nimmt die Stauhöhe bei einer eventuellen Überflutung zu. Steigende Gefahren werden auch aufgrund höherer Hochwasserabflüsse, die durch die Klimaänderung ausgelöst werden, befürchtet. Käme es zu Überflutungen, würden in dem dicht besiedelten Band längs der Flussarme besonders hohe Schäden und Verluste eintreten. Um die Risiken von Überflutungen durch den Rhein herabzusetzen, setzen die Niederländer darauf, die Hochwasser in beherrschbaren Höhen zu halten und sie zügig zur Nordsee zu leiten. Weil Unterlieger, zu deren Gunsten die Spitzenabflüsse erniedrigt werden müssten, nicht vorhanden sind, wendet sich das Interesse vor allem darauf, das Wasser gefahrlos zur Nordsee durchzuleiten; die Anlage von Retentionspoldern steht nicht im Vordergrund.

Hochwasser und Hochwasserretention 175

Beseitigung eines Hindernisses Vergrößerung des Retentionsraums Bypassrinne Deichrückverlegung Sommerbettvertiefung Deichverstärkung Buhnenabsenkung Entpolderung

A

Alternative

146 ó Geplante Hochwasserschutzmaßnahmen des Programms „Raum für den Fluss“ (Niederlande).

Im Grundpaket des Programms „Ruimte voor de Rivier“ sind für einen jeden der drei Rheinarme Waal, Nederrijn / Lek und IJssel die zu ergreifenden Maßnahmen bestimmt. Sie betreffen im Wesentlichen Absenkungen von Überschwemmungsräumen, Deichrückverlegungen, Buhnenabsenkungen, Sommerbettvertiefungen, die Beseitigung von Hindernissen und den Bau von

den Hochwassers und mit ihr die dadurch verursachten Schäden. Eine Reihe von Maßnahmen kann relativ zügig verwirklicht werden, da sie nur den Strom selbst und das Gelände zwischen Rhein und Deich betreffen. Für die Realisierung anderer Maßnahmen ist längere Zeit erforderlich. Um zu verhindern, dass in der Zwischenzeit Entwicklungen stattfin-

Bypass-Rinnen. Deichverstärkungen sind nur für den Fall vorgesehen, dass sich die anderen Maßnahmen als ungeeignet oder als zu teuer erwei-

den, die die Programmziele für den Fluss behindern, wurden die entsprechenden Gebiete landseits der Dämme im Planfeststellungsbeschluss

sen; zu sehr fürchtet man nämlich den Anstieg des Wasserspiegels durch neuerlich verstärkte

des Grundpaketes reserviert. Möglicherweise sind darüber hinaus weitere Maßnahmen, zusätzliche

Deiche; bei ihrem Versagen vergrößert sich die Überflutungshöhe des ins Hinterland strömen-

Deichrückverlegungen, Bypass-Rinnen und auch Retentionsräume, erforderlich. Die dazu heran-

176 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

147 ó Nebenrinne zur Abflussverbesserung im Vreugderijkerwaard an der IJssel unterhalb von Zwolle.

148 ó Das Stauwehr Amerongen am Nederrijn. Mit dem baugleichen Wehr bei Driel wird die Abflussverteilung in Waal, Nederrijn und IJssel gesteuert.

Hochwasser und Hochwasserretention 177

149 ó Gefluteter Polder Afferdense en Deestse Waarden an der Waal etwa 20 km westlich von Nimwegen.

zuziehenden Gelände sind im Grundpaket ebenfalls vor konkurrierenden Nutzungen gesichert. Die Planungen für den Großteil der 39 Basismaßnahmen sind mittlerweile fertiggestellt, ihre Ausführung kann beginnen. Das Projekt „Hondsbroeksche Pleij“, an einem für die Abflussverteilung in die Rheinarme wichtigen Punkt gelegen, ist nahezu abgeschlossen (Y Bild 9). Im Vorfeld des Programms „Raum für den Fluss“ wurden bereits einige Projekte im Rahmen des IRMA Projektes ausgeführt. Dies waren beispielsweise die Deichrückverlegung Bakenhof in der Stadt Arnheim und der Aus- und Umbau von Eisenbahnbrücke und -damm bei Oosterbeek. Auch wurden verschiedene Naturentwicklungsprojekte realisiert, z. B. in der Klompenwaard an der Verzweigung von Waal und Nederrijn in

Die Niederlande bemessen die grenznahen Rheindeiche für ein Hochwasserereignis, bei dem am Pegel Lobith 16 000 m³ / s abfließen, und das im statistischen Mittel einmal in 1250 Jahren eintritt. Dieser Wert der Eintretenswahrscheinlichkeit ist deutlich geringer als der für die oberhalb anschließende deutsche Stromstrecke. Dies ist darin begründet, dass große Teile der Gelände im Rheindelta tiefer als der Rheinwasserspiegel liegen, Überflutungen also besonders schadensträchtig sind. Allerdings ist das Maß des Freibords der Deiche mit 0,5 m in den Niederlanden kleiner als auf deutscher Seite.

Ausblick Es sind ganz erhebliche Wassermengen, die an

der Nähe von Arnheim (Y Bild 43). Hier hat man

Oberrhein und Niederrhein zurückzuhalten sind, um die Risiken von Überflutungen auf den ange-

landwirtschaftlich genutzte Flächen teilweise abgegraben und eine Nebenrinne zur Verbesserung der natürlichen Flussdynamik angelegt.

strebten Werten zu halten oder sie auf diese Werte abzusenken. Dazu ist die Retention mit Gesteuerten Poldern unverzichtbar, denn mit ihnen

178 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

ist die größte Dämpfung des Abflusses zu bewirken. Aber auch Deichrückverlegungen leisten ihren, wenn auch geringeren Beitrag zur Hochwasserretention und darüber hinaus und vor allem zur Re-Ökologisierung des Rheins. Diese beiden Gründe machen es erforderlich, jede auch nur einigermaßen geeignete Fläche für die Retention zu reservieren. Die von der Klimaerwärmung verursachte weitere Zunahme der Hochwassergefahr wird es erzwingen, auch auf bis jetzt nicht vorgesehene Areale für die Rückhaltung zurückzugreifen. Es war schon fachlich nicht ganz leicht, geeignete Retentionsräume für die bisher in Rede stehenden Volumina herauszufinden, und es ist noch nicht gelungen, die politische Zustimmung für sämtliche dieser Vorhaben zu erreichen. Es dürfte wohl kaum leichter werden, über die bisher in Rede stehenden Maßnahmen hinaus zu einem Konsens darüber zu kommen, an welchen Orten zusätzliche Rückhaltemaßnahmen in Form von Gesteuerten Poldern oder Deichrückverlegungen herstellbar sind. – Und notwendig ist es auch, sehr große, weniger intensiv genutzte Be-

150 ó Kühe und Pferde als Landschaftspfleger halten die Vegetationsentwicklung des Vorlandes im Zaum.

reiche hinter den Deichen herzurichten, durch deren Sollbruchstellen die extremen Hochwasserspitzen einigermaßen kontrolliert einströmen können. Solche Katastrophenflutungen (Y Kap. 4.1) werden nicht ohne Einbußen für etliche Nutzer und Besitzer ablaufen. Aber nur so werden sich die ungleich höheren Schäden, die bei der Überflutung dicht besiedelter Gebiete entstünden, einigermaßen begrenzen lassen.

Weitere Informationen: – Zarn, B. et al.: Entwicklungskonzept Alpenrhein. Eine Initiative der Internationalen Regierungskommission Alpenrhein (IRKA) und der Internationalen Rheinregulierung (IRR), 2005. www.alpenrhein.net – Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg): Das Integrierte Rheinprogramm. Stuttgart 2007. – Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz: Hochwasserschutz in Rheinland-Pfalz. Hochwasserrisikomanagement nach Wasserhaushaltsgesetz und europäischen Vorgaben – Bestandsaufnahme und Ausblick. Mainz. – Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein Westfalen: Umweltbericht Nordrhein Westfalen 2009. Siegburg 2009. munlv.nrw.de – Ministerie van Verkeer en Waterstaat et al.: Planfeststellungsbeschluss Raum für den Fluss. o. O. 2006. www.ruimtevoorderivier.nl – Ministerie van Verkeer en Waterstaat (2000): A Different Approach to Water, Water Management Policy in the 21th Century. The Hague o. J. www.minvenw.nl / www.wateractuel.nl – Ministerkonferenz für Raumordnung (MKRO), 1996: Grundsätze und Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu einem grenzübergreifenden vorbeugenden Hochwasserschutz an Fließgewässern. Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 29. März 1996. – IKSR (Hrsg): Bericht Nr. 153 Nachweis der Wirksamkeit von Maßnahmen zur Minderung der Hochwasserstände im Rhein infolge Umsetzung des Aktionsplans Hochwasser bis 2005. Abschlussbericht der Expertengruppe Hval. Koblenz 2006. www. iksr.org – Nieuwenhuizen, L. van, Zeller, S., Schengenga, P.: „Ruimte voor Rivieren“- Zukunft für die großen Flüsse in den Niederlanden. In: Überleben an Strömen. Bericht der Jahrestagung des Rhein-Kollegs e. V. Rotterdam 2004.

Hochwasser und Hochwasserretention 179

4.3

Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise Martin Stieghorst

R

aubbau an der Natur – spontan denkt heute ein jeder zunächst an die Vernichtung der

wirtschaftlichen Produktion. In diesem Rahmen steht eine spezielle Art des Raubbaus im süd-

tropischen Regenwälder oder die Überfischung der Weltmeere oder andere, für die gesamte Erde

lichen Teil des Oberrheins, die im Wesentlichen nach dem Zweiten Weltkrieg begann, die bis

riskante Entwicklungen. Als das Thema vor etlichen Jahrzehnten aufkam, standen eher lokale und regionale Verheerungen der Natur im Interesse der Öffentlichkeit: Großflächige Abholzungen von Wäldern, Trockenlegung von Mooren und anschließender Torfabbau, Zersiedlung des Freiraumes, Ausräumung der Feldflur im Zuge der Mechanisierung und Industrialisierung der land-

1977 andauerte und gegen deren negative Folgen bisher kaum etwas getan wurde. Die Rede ist von der Vernichtung der Rheinauen beim Bau der Stauhaltungen zwischen Kembs und Iffezheim. Damals wurde von 220 km² natürlicher Überflutungsfläche mehr als die Hälfte, nämlich 130 km², vom Strom abgeschnitten und damit in ihrer natürlichen Charakteristik drastisch verän-

151 ó Der Geitenwaard an einem Arm der Oude Waal nördlich von Millingen ist von zwei Deichen unterschiedlicher Höhe eingefasst. Erst höhere Hochwasser überfluten den niedrigen Deich und füllen das Gelände bis zum höheren Hauptdeich.

180 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Ungesteuerter Rückhalteraum

Steuerbarer Rückhalteraum

bestehender Damm entfällt

Auslassbauwerk Rhein

Rhein

Vorland

Vorland

geplanter Damm

bestehender Damm

Einlassbauwerk

reaktivierte ÜberflutungsFläche bestehender Damm

geplanter Damm

152 ó Polder Prinzipskizze.

153 ó Dammrückverlegung Prinzipskizze.

dert. Das waren nicht nur Flächen, die Entscheidendes dazu beitrugen, dass sich der Abfluss des

wasserdeiche gelegene, möglichst große, von Ringdeichen umschlossene Areale, in die das

Rheinwassers vergleichmäßigte, sondern auch Gebiete, deren ökologischer Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann (Y Kap 1.3). Der Verlust von 130 km² Rheinaue wiegt deshalb besonders schwer.

Hochwasser einströmen und in dem es verweilen kann. Diese Anlagen werden Polder genannt.

Hochwasserschutz ist erforderlich Die deutlich gestiegene Zahl der Hochwasser längs des Rheins, vor allem die Spitzenabflüsse hoher Hochwasser, gefährden hohe Sachwerte und auch Menschenleben. Man ist sich einig: Das Risiko muss herabgesetzt werden. Das kann dauerhaft nur gelingen, wenn den Flutwellen des Stroms mehr Raum gegeben wird. Das Mittel der Wahl sind geeignete, landseits der Haupthoch-

Polder ist nicht gleich Polder Es gibt zwei Arten von Poldern, die sich technisch, hydrologisch und ökologisch unterscheiden. Das landseits von einem Ringdeich umschlossene Poldergebiet wird entweder zum Rhein hin geöffnet; das heißt, der bisherige Hauptdeich / Banndeich längs des Rheins wird ganz oder teilweise bis auf Geländeniveau abgetragen. Diese Bauart wird Ungesteuerter Polder oder auch Deichrückverlegung genannt. Oder der rheinparallele Hauptdeich bleibt bestehen und wird mit steuerbaren Ein- und Auslassbauwerken 154 ó Die Ein- und Auslaufbauwerke der Polder, hier der des Polders Flotzgrün südlich von Speyer, sind von respektabler Größe.

Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise 181

155 ó Hebeanlage zur Flutung des französischen Polders Moder nördlich von Straßburg

156 ó Strudel im aufgestauten Rhein vor dem Einlassbauwerk des Polders Söllingen-Greffern.

157 ó Heftige Strömung zu Beginn des Wassereinlasses im Polder Altenheim.

182 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

versehen. Dann wird die Anlage als Gesteuerter Polder bezeichnet. Bei den Gesteuerten Poldern bleiben die Einund Auslassbauwerke im Hochwasserfall zunächst geschlossen. Erst wenn die Abflussmenge zu riskanter Höhe angestiegen ist – das ist in der Regel kurz vor dem Scheitel eines gefährlich hohen Hochwassers –, wird der Einlass des Gesteuerten Polders geöffnet, und Rheinwasser strömt mit großer Vehemenz in den noch leeren Polder. Mit dieser Einleitung kann die gefährliche Abflussspitze im Rhein mit dem vollen Stauvo-

158 ó Mit steigender Einstauhöhe beruhigt sich die Strömung des Wassers.

lumen gezielt herabgesetzt werden. Es ist natürlich unerlässlich, die Zeitpunkte der Flutungen

he beizubringen, ist zur Kompensation der unzuträglich großen Stauhöhe eine entsprechend

zwischen den einzelnen Poldern längs des Rheins exakt aufeinander abzustimmen. Das dafür erfor-

ausgeweitete Staufläche notwendig. Insbesondere den Wiederkehrintervallen der Überflutungen ist besondere Aufmerksamkeit zu

derliche Betriebsreglement zum Einsatz der Retentionsmaßnahmen zwischen Basel und Worms wurde von einer deutsch-französischen Arbeitsgruppe aufgestellt. Es berücksichtigt neben den Daten der aktuellen Abflüsse im Rhein auch die jeweils gültigen Abflussvorhersagen der Hochwasservorhersagezentralen der Bundesländer.

Ökologische Erfordernisse Doch dies ist nicht der einzige heikle Punkt, den es bei Gesteuerten Poldern zu beachten gilt. Es ist inzwischen erwiesen, dass nach ihrer Flutung im gestaut-beruhigtem Wasser sehr bald Sauerstoffdefizite auftreten, durch die das Überleben der Pflanzen und Tiere in Frage gestellt ist. Deshalb ist es erforderlich, dass das Wasser im Polder in Bewegung bleibt. Ein ständiger Durchfluss muss also gewährleistet sein. Diese Bedingung hat jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit des Gesteuerten Polders. – Ein weiterer Punkt betrifft die Stauhöhe: Im mit Stauhaltungen aus-

widmen. Die mit dem Hochwasserschutz befassten Fachleute haben berechnet, dass unter den gegenwärtigen Umständen am Oberrhein im Mittel etwa alle 20 Jahre so hohe Hochwasser auftreten, dass der Poldereinsatz notwendig wird. Würde ein Gesteuerter Polder nach einer so langen Zeit des Nicht-Einsatzes plötzlich geflutet, so würden die inzwischen an die trockeneren Verhältnisse angepassten Pflanzen und Tiere, die dort Fuß gefasst haben, mit Sicherheit zugrunde gehen. Um eine solche Katastrophe zu vermeiden, müssen andere Pflanzen und Tiere angesiedelt sein, nämlich diejenigen, die darauf trainiert sind, Überflutungen zu überstehen. Genau das sind die Tier- und Pflanzengesellschaften der ehemaligen Rheinauen. Um deren Überleben in den Poldern zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, sie von Zeit zu Zeit üppig mit Wasser zu versorgen.

gebauten Abschnitt des südlichen Oberrheins könnten die Stauhöhen in den Poldern rein theoretisch genau so hoch sein wie im aufgestauten Rhein selbst, also bis an die 9 m Höhe. Würde dies geschehen, ergäbe sich am Polderboden ein so hoher Wasserdruck, dass ihm die Auenvegetation nicht standhalten könnte. Untersuchungen haben ergeben, dass eine Einstauhöhe von etwa 2,5 m bezogen auf die mittlere Geländehöhe der Aue für die meisten überflutungsresistenten Pflanzen noch erträglich ist. Um das gleiche Retentionsvolumen bei der erniedrigten Stauhö159 ó Mit niedrigen ökologischen Flutungen werden Flora und Fauna in den Poldern auf den Ernstfall der Hochwasserretention vorbereitet.

Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise 183

160 ó Dammrückverlegung Kirschgartshausen nördlich von Mannheim: Ein teilweise neu trassierter Deich umschließt das Überflutungsgebiet.

Das geschieht am zweckmäßigsten dadurch, dass die Polder gelegentlich mit Rheinwasser beschickt werden, also ohne dass dies aus Gründen des Hochwasserschutzes erforderlich ist. Die Flutungen dienen allein der Entwicklung und dem Fortbestand der Auenlebensgemeinschaften und werden deshalb Ökologische Flutungen genannt. Ihre Höhe und Intervalle gleicht man sinnvollerweise an den Rhythmus der Rheinabflüsse an. Aus dieser Forderung können problematische Situationen entstehen: Ist ein Gesteuerter Polder wegen einer ökologischen Flutung teilweise ge-

halt und begrenzte Einstauhöhe – gewährleistet sind, können in den Gesteuerten Poldern Lebensgemeinschaften entstehen, die denjenigen der Rheinauen entsprechen. Allerdings bleibt der biologische Austausch zwischen Strom und Polder gering – ein nicht unwesentlicher Nachteil, er wiegt schwer, weil die Auen auch die „Kinderstuben“ des Rheins sind.

Positive Wirkung

füllt, steht das Volumen dieses Wassers zu Retention nicht zur Verfügung, es sei denn, das Wasser

Bei Ungesteuerten Poldern / Deichrückverlegungen entfällt der Aufwand zu Einrichtung und Erhalt der ökologischen Standards weitgehend. Die notwendigen regelmäßigen Überflutungen sind

im Polder kann vor dem Eintreffen der abzumindernden Hochwasserwelle abgeleitet werden (Vorabsenkung). Das ist allerdings nur bei Pol-

überhaupt kein Problem. Sie geschehen automatisch in Abhängigkeit von der Wasserführung des Rheins. Sooft er über seine Ufer tritt, beliefert

dern im aufgestauten Rheinabschnitt, also oberhalb von Iffezheim, möglich.

er die Pflanzen und Tiere im Polder mit Wasser. Bei niedrigeren Hochwassern füllen sich nur die

Wenn diese Voraussetzungen – periodische Überflutungen, ausreichender Sauerstoffge-

Altrheinarme und die tief liegenden Geländeteile, bei hohen wird die gesamte Fläche überflutet.

184 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Auch die erforderliche Bewegung des Wassers und die Begrenzung der Einstauhöhe ergeben sich ganz von selbst aus dem Abflussgeschehen des Stroms. – Ungesteuerte Polder / Deichrückverlegungen sind also Rheinauen aus zweiter Hand. Seiner Bezeichnung entsprechend sind steuernde Eingriffe in Bezug auf ein Reglement für ihren Einsatz bei Hochwasser weder möglich noch erforderlich. Damit entfallen auch die Kosten für die Unterhaltung der technischen Anlagen und das Risiko der Falschsteuerung im Retentionsfall. Ein weiterer bedeutsamer Vorteil eines Ungesteuerten Polders besteht darin, dass er mit dem Rhein eine biologisch-funktionale Einheit bildet, wie sie charakteristisch für den Strom mit seiner natürlichen Aue ist. Die Austauschprozesse zwischen beiden Lebensräumen können sich zu beider Nutzen optimal entfalten; die Stromabschnitte mit Ungesteuerten Poldern werden wichtige und unverzichtbare Bausteine in der wiederherzustellenden großräumigen Biotopachse Rhein bilden. Sie tragen dazu bei, den damaligen Raubbau an der Natur rückgängig zu machen. Aus biologisch-ökologischer Sicht sind Ungesteuer-

Durchfluss (m3/s) Füllung des Retentionsraums

te Polder / Deichrückverlegungen demnach klar zu bevorzugen.

Begrenzte Retentionsleistung Diesen vielen Vorzügen steht ein Nachteil entgegen: Im Hochwasserfall ist ein Ungesteuerter Polder bereits zu einem guten Teil mit Wasser gefüllt, wenn es darum geht, die gefährliche Hochwasserspitze zu vermindern. Dafür steht dann nur das bisher noch nicht vollgelaufene Stauvolumen zur Verfügung. Somit ist einleuchtend, dass die Wirkung eines Ungesteuerten Polders auf die Retention des Spitzenabflusses geringer ist als die eines gleich großen Gesteuerten. Handelt es sich um eine Hochwasserwelle, die über mehrere Tage bis zu ihrem Scheitelwert ansteigt, ist die Retentionswirkung besonders gering; positivere Effekte stellen sich bei kurzen, steil ansteigenden Hochwasserwellen ein. Gilt die Vorgabe, dass im Abschnitt des Vollausbaus Polder nur in den ehemaligen Auen, also stromseits des früheren Haupthochwasserdamms, liegen dürfen, so ist das dort erreichbare Retentionsvolumen durch Ungesteuerte Polder bei Weitem nicht ausreichend. Die Retentionsmöglichkeiten sind auch

Durchfluss (m3/s) Füllung des Retentionsraums

Scheitelreduktion Entleerung des Retentionsraums

Zeit Hochwasserwelle ohne Maßnahmen Veränderung der Hochwasserwelle infolge der Maßnahmen

161 ó Beeinflussung der Hochwasserwelle durch Polder (schematische Darstellung).

zeitliche Verschiebung des Hochwasserscheitels

Scheitelreduktion Entleerung des Retentionsraums

Zeit Hochwasserwelle ohne Maßnahmen Veränderung der Hochwasserwelle infolge Dammrückverlegung

162 ó Beeinflussung der Hochwasserwelle durch Dammrückverlegung (schematische Darstellung).

Hochwasserrückhaltung auf zweierlei Weise 185

dadurch verringert, dass ein nicht unerheblicher Raumanteil als Standflächen der neu errichteten

In Rheinland-Pfalz verfährt man nach einer anderen Strategie. Hier werden Gesteuerte Polder

Seitendämme verloren ging. Inzwischen sind in Teilen des verbliebenen Raumes auch Nutzungen

und Deichrückverlegungen zeitlich gleichrangig, teilweise auch in räumlicher Kombination er-

etabliert, die nach den bisher geltenden Prämissen als irreversibel gelten.

stellt. Die Ausgangslage für Gesteuerte Polder ist einfacher, weil die in Frage kommenden Flächen durchweg intensiv landwirtschaftlich genutzt

Schlussfolgerung Aus all dem den Schluss zu ziehen, man solle auf Ungesteuerte Polder verzichten, wäre fatal; dafür sind ihre ökologischen Vorzüge zu groß. Ihr nur geringer Beitrag zum Rückhalt von Spitzenabflüssen kann immerhin in gewissem Umfang durch die erhebliche Ausweitung der Polderflächen kompensiert werden. Dazu sind Areale heranzuziehen, die heute landseits der Deiche liegen und die in der Regel zumindest land- oder forstwirtschaftlich, gelegentlich auch baulich genutzt werden. Im Integrierten Rheinprogramm des Landes Baden-Württemberg sind solche Flächen außerhalb der Strecke des Vollausbaus bezeichnet; ihre Realisierung ist derzeit jedoch zurückgestellt.

werden und somit die Notwendigkeit ökologischer Flutungen und die daraus entstehenden Komplikationen entfallen. Die Flächen für Ungesteuerte Polder befinden sich im Wesentlichen in öffentlichem Besitz, und wenn das Einverständnis ihrer Eigentümer vorliegt, ist ihre Realisierung ebenfalls erleichtert. Die Tatsache, dass sich die hydraulischen Aspekte gegenüber den ökologischen leichter in Maß und Zahl fassen lassen und deshalb plausibler zu sein scheinen, ist keine Begründung dafür, Ungesteuerte Polder als Einrichtungen zweiter Klasse oder gar als unnötig anzusehen. Anders gesagt: Dammrückverlegungen in großem Ausmaß sind erforderlich.

Weitere Informationen: – Oberrheinagentur (Hrsg): Rahmenkonzept des Landes Baden-Württemberg zur Umsetzung des Integrierten Rheinprogramms. Lahr 1996. – Homagk, P.: Hochwasserschutzkonzept mit gesteuerten und ungesteuerten Retentionsmaßnahmen am Oberrhein. In: Flutpolder – Hochwasserrückhaltebecken im Nebenschluss. Bericht Nr. 113 / 2007 des Lehrstuhls und der Versuchsanstalt für Wasserbau und Wasserwirtschaft. TU München 2007. – Dister, E.: Hochwasserschutzmaßnahmen am Oberrhein. – Geowissenschaften in unserer Zeit 6. 1986. – Dister, E.: Ökologische Forderungen an den Hochwasserschutz. in: Wasserwirtschaft 82, S. 7 / 8. 1992. – Dister, E.: Gefährdete Landschaften. Vom falschen und richtigen Umgang mit Flüssen und Auen. – In: Kachelmann, J. (Hrsg.): Die große Flut, S. 112 – 141. Hamburg 2002.

186 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Rückhalteraum Weil – Breisach – „Der 90-Meter-Streifen“

4.4

Urs Weber

M

it dem Bau der Staustufen am Oberrhein ist viel natürlicher Wasser-Rückhalteraum ver-

schwunden. Um eine Hochwassersicherheit, wie sie vor dem Bau der Staustufen bestand, wiederherzustellen, haben sich Frankreich und Deutschland in den 1980er-Jahren darauf verständigt, Retentionsräume für 258 Millionen m³ zu schaffen. Daraus hat sich ein breites Programm entwickelt, so wie in Baden-Württemberg das Integrierte Rheinprogramm (Y Kap. 4.2). Das Programm sieht eine Serie von Poldern vor, die sich zwischen Breisach und der hessischen Grenze hintereinander reihen werden. In anderer Form ist ein bedeutender Rückhalteraum zwischen Basel und Breisach geplant: Entlang der 43 km langen Strecke des Rheins, der neben den am Elsässer Rheinseitenkanal aufgereihten Kraftwerken nur ein kümmerlicher Fluss ist, soll das bestehende Flussbett durch Tieferlegung des

Frankreich

Vorlandes aufgeweitet werden. Dadurch soll sich der Rhein im Hochwasserfall ostwärts ausdehnen können. Dieser neue „Rückhalteraum südlich Breisach“ soll entstehen, indem das heutige rechtsufrige Vorland des Flusses abgesenkt wird. Ausgelegt wird der „Rückhalteraum südlich Breisach“ auf ein 200-jährliches Hochwasserereignis, das heißt, der Polder leistet einen Beitrag zur schadlosen Ableitung eines Hochwassers, das im statistischen Mittel einmal in 200 Jahren auftritt. Die neu geschaffene Aue muss dann mithelfen, einen Hochwasserabfluss von 4500 m³ / s „abzubremsen“. Die ersten Planungen für die Tieferlegung sahen zunächst einen 90 m breiten Landstreifen dem bestehenden Flussbett (Rest-Rhein) entlang vor – die 90 m haben dem großen Projekt den Namen gegeben. Der „90-Meter-Streifen“ wurde

Deutschland

Wasserspiegel bei 200 jährl. Hochwasser Q = 4500 m2/s Geländeabtrag

bei mittlerem Hochwasser Q = 600 m2/s Buhnenfeld

Tieferlegungsbereich

Randweg

163 ó Wenn das Hochwasser im südlichen Oberrhein anwächst, sollen sich die Wassermassen ostwärts ausdehnen können – dazu wird zwischen Weil am Rhein und Breisach ein Teil der Landschaft tiefer gelegt.

187

mittlerweile aber in 18 Teilflächen von höchst unterschiedlicher Breite aufgegliedert, was auf die heute vorhandene Landschaft mehr Rücksicht nimmt als ein durchgehender Streifen. Wo

neigen, und deshalb will man sie, solange eine neue Pflanzendecke noch nicht besteht, vor direkter Strömung schützen. Hierzu bleibt der

einst Auenwald gedieh, haben sich durch die Tiefenerosion des Rheins Trockenbiotope mit einer mediterranen Tier- und Pflanzenwelt etabliert.

Leinpfad, der schon heute dem Rhein entlang führt, vorerst als Damm erhalten, bis die auentypische Vegetation dann etwas aufgewachsen ist. Erst nach dem Aufkommen einer „strömungsre-

Ein Teil dieser Trockenareale soll von der Tieferlegung ausgespart werden. Einige der 18 Teilflä-

sistenten“ Vegetation kann auch der Leinpfad geöffnet werden

chen werden bis 300 oder gar 700 m ausgeweitet, was die Retentionsverluste kompensiert, die sich aus der Schonung der naturschutzwürdigen Tro-

Die tiefer gelegte Fläche soll nur bei starkem Hochwasser ganz überflutet werden. Hingegen sollen die neu angelegten Schluten innerhalb der

ckenstandorte ergeben werden. Um das Rückhaltevolumen von 25 Millionen m3 zu erreichen, wird man 50 Millionen t Kies abgraben. Neben dem Kies müssen auch rund 3 Millionen m3 Boden abgetragen werden. Insgesamt werden ca. 420 ha Gelände nach vorheriger Rodung „tiefer gelegt“. Die Arbeiten haben Ende 2009 begonnen; die Phase der Tieferlegung soll rund 15 Jahre dauern. Um den regionalen Kiesmarkt nicht durcheinander zu bringen, will man den Abtrag auf jährlich 3,4 Millionen t Kies limitieren. Bisher wurden in Südbaden jährlich 4,7 Millionen t Kies gewonnen. In diesen 15 Jahren kann man auch die Iffezheimer Geschiebezugabe mit Kies aus dem südbadischen Abbaugebiet alimentieren. Der Rückhalteraum wird durch Geländeabtrag bis im Durchschnitt 50 cm über dem mittleren Grundwasserstand abgetieft. Das neu hergestellte Auengelände soll nicht topfeben werden,

Tieferlegungsflächen immer dann geflutet werden, wenn im neu geschaffenen Rhein ein Abfluss von 100 m³ / s überschritten wird. Das soll an durchschnittlich 65 Tagen im Jahr der Fall sein. Die Planer gehen davon aus, dass das vollständige Rückhaltevolumen nach Abschluss der Bauphase sowie einer anschließenden Vegetationsentwicklung von weiteren zehn Jahren bereitstehen wird. Dank diesem Verbreiterungsprojekt kann sich der heutige kümmerliche „Rest-Rhein“ in einen ganz anderen Fluss verwandeln, in einen Fluss, der sowohl biologisch als auch ästhetisch interessanter werden kann. Aber wie wird er denn, der neue Rhein? Naturschutzkreise, Anglerverbände und auch die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) haben sich dafür verwendet, dass das neue Flussbett samt den neuen Inseln und diversen Rinnsalen und Armen bewusst gestaltet, so sorgfältig wie ein

sondern auch flache Rinnen, sogenannte Schluten aufweisen, zwischen niederen, in Fließrich-

Landschaftspark angelegt wird. Der biologische Zustand des gesamten Projektgebiets ist, weil es

tung verlaufenden Wällen. Das unregelmäßige Relief soll bewirken, dass angeflogene oder angeschwemmte Samen bei unterschiedlichen Wasserständen stets geeignete Keimbedingungen

seit Langem wenig bewirtschaftet wird, schon heute der Natur näher als unmittelbar nach dem Bau des Rheinseitenkanals. Nach den 15 Jahren Bauzeit wird der Abstand zwischen Geländeober-

vorfinden.

fläche und Grundwasserspiegel längs dem neuen

Die offenen Kiesflächen werden in den ersten Jahren bei Hochwasser zu rascher Erosion

Altrhein wieder gering sein. Auenähnliche Verhältnisse werden entstehen.

188 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Die Planung der neuen, tiefer liegenden Flächen mit Schluten etc. hat sich als überaus müh-

ren. Anders als die kümmerlichen 20 und 30 m³ (im Winter und im Sommer), die dem Strom

sam erwiesen, weil die Restwassermengen von der Betriebskonzession für das Kembser Kraft-

die Bezeichnung „Rest-Rhein“ eingetragen haben, liegen die neuen Werte zwischen 52 (Win-

werk definiert werden. Diese doppelte Konzession Frankreichs und der Schweiz für das oberste der Elsässer Rheinkraftwerke, das 1928

ter) und 150 (Juni–August) m³ / s. Sie variieren im Jahresverlauf stärker als bisher. Für in Frankreich gelegene Flüsse ist eine Restwassermenge

eingeweihte Kraftwerk bei Kembs, wurde von den Behörden in Frankreich und der Schweiz

von mindestens 10 % des Normalabflusses vorgeschrieben, was für den neu geschaffenen Rhein

für 75 Jahre ausgestellt, ist Ende 2007 ausgelaufen. Obwohl die Gespräche und Verhandlungen für eine neue Betriebskonzession bereits 1996

ein Minimum von 105 m³ / s bedeuten würde. Die neue Konzession unterschreitet dieses Minimum in den Monaten September bis Mai, überschreitet

aufgenommen wurden, lag die neue Konzession Ende 2007 nicht vor. Das heißt, die Restwassermengen, die gemäß neuer Konzession in den kommenden Jahren oder Jahrzehnten den neu geschaffenen Rhein bilden werden, waren wäh-

es aber in den Sommermonaten, was einer natürlichen Flussdynamik nahekommt. Für die Schweizer Konzession musste der Kanton Basel-Stadt, auf dessen Gebiet sich der Rückstau aus Kembs befindet, angehört werden. Nach

rend beinahe der ganzen Planungszeit unbekannt, und die Kraftwerksgesellschaft (seit 1946 heißt sie EDF – Electricité de France) arbeitete mit einer provisorischen, auf Ende 2010 befristeten Konzession weiter. 2009 lag endlich die französische Konzession vor, mit neu definierten Restwassermengen für den Rhein, die in einer deutsch-französischen Arbeitsgruppe ausgehandelt worden wa-

Einsprachen aus Basler Umweltkreisen, die weitere ökologische Zugeständnisse der KraftwerkInhaberin EDF zum Ziel hatten, stimmte der Große Rat (Parlament) des Kantons Basel-Stadt im Oktober 2009 der Schweizer Konzession zu. Sie ist an Neujahr 2011 in Kraft getreten. Die neue Konzession ist bis zum Jahr 2035 gültig. Eine trinationale Begleitkommission soll ihre Einhaltung überwachen.

Rückhalteraum Weil – Breisach – „Der 90-Meter-Streifen“ 189

4.5

Küstenschutz an den Rheinmündungen Martin Stieghorst

V

orteil für die Niederlande – es gibt keinen Unterlieger, der sie bedrängt, bei ihrem Tun

am Rhein auch seine Interessen zu berücksichti-

lichen Küstenschutz – die Dünen – unterhalten. Sie haben die Gebiete entwässert und nutzbar gemacht. Selbst in dem Viertel ihres Staatsgebiets,

gen. Der Vorteil relativiert sich, wenn die Risiken einbezogen werden, die zusätzlich von der Nord-

das tiefer als der Meeresspiegel liegt und das sie der Nordsee abgerungen haben, konnten und

see ausgehen. Zwar haben die Niederländer über Jahrhunderte daran gearbeitet, sich vor der Gewalt von Rhein und Nordsee zu schützen. Sie haben zum Schutz der zwei Drittel der tief liegenden und damit gefährdeten Landesfläche Deiche gebaut, gepflegt und verstärkt und den natür-

können sie sich einigermaßen sicher fühlen.

Landgewinnung Um die trotz aller Bemühungen nicht vollständig beseitigte Gefahr weiter zu vermindern und auch um Land zu gewinnen, wurde im 20. Jahrhundert

164 ó Wie hier am Ijsselmeer müssen die Seedeiche massiv ausgebildet sein.

190 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

165 ó Mit Aufspülungen wird dem Abtrag des Sandes durch die Meeresströmung entgegengewirkt.

Deltaplan

eine ganze Reihe von großtechnischen Anlagen gebaut. Als erstes – zwischen 1927 und 1933 – wurde ein 32 km langer Absperrdamm zwischen Nordsee und Zuiderzee errichtet, in die der nördliche Mündungsarm des Rheins, die IJssel, entwässert. Damit wandelten sich IJssel- und Markermeer zu Süßwasserbereichen; auch wurden 160 000 ha ehemaligen Meeresbodens trockengelegt: Noordoostpolder sowie Oostelijk und Zuidelijk Flevoland. Im Jahr 1929, also bereits vor der Fertigstellung des Abschlussdeiches, wurde der Wieringermeer Polder trockengelegt. Anfang der 1950er-Jahre begannen Planun-

Dann geschah die Katastrophe: Am 31. Januar 1953 brach eine extreme Sturmflut die Deiche binnen weniger Stunden an mehr als 100 Stellen. 200 000 ha festes Land, die Provinzen Zeeland und Süd-Holland und Teile der Provinz Brabant, wurden überflutet. 1835 Menschen ertranken oder kamen auf andere Weise ums Leben. 47 300 Gebäude wurden beschädigt, 10 000 von ihnen mussten abgerissen werden. Die Schadenssumme belief sich auf 1,5 Milliarden Gulden. Seit der verheerenden Sankt-Elisabeth-Flut im Jahr 1421 hatte es eine so schreckliche Naturkatastrophe

gen für leistungsstarke Sperranlagen entlang der zergliederten Küste weiter im Süden, in deren Meeresbuchten die Hauptarme von Rhein und

in den Niederlanden nicht mehr gegeben. Der Schock beförderte die Realisierung von Sperrwerken entlang der Küste und weiter landein-

Maas münden. Zunächst wurden zwei Sperrwerke in der Brielschen Maas, einem eher kleinen Par-

wärts ungemein. Es wurden Pläne für Anlagen in bisher nicht da gewesenen Größen und höchsten

allelgewässer nördlich des Nieuwe Waterweg, errichtet.

technischen Ansprüchen ausgearbeitet. In ihrer Gesamtheit bilden sie den „Deltaplan“. Durch die

Küstenschutz an den Rheinmündungen 191

166 ó Das Sturmflutsperrtor an der Hollandse IJssel (Baujahr 1958, Aufrüstung 1976) schützt die besonders tief liegenden und dicht besiedelten Gebiete nordöstlich von Rotterdam.

Abriegelung der Meeresarme sollte die Länge der Küstenlinie von 800 km auf 80 km herabgesetzt und damit dem Meer weniger Angriffsfläche geboten werden. Mit den Absperrungen sollte auch der Zutritt von Salzwasser in die Meeresarme von Haringvliet, Grevelingen Meer und Oosterschelde verhindert und die zunehmende Versalzung des Grundwassers verringert werden.

Im Jahr 1956 wurde mit dem Bau des Haringvliet-Sperrwerkes begonnen. Im 4,5 km langen Damm sind 17 Entwässerungsschleusen enthalten, durch die der große Teil des Rheinwassers ins Meer abfließt, der von den übrigen Mündungsgewässern nicht abgeführt wird. Im Jahr 1971 war die Anlage fertiggestellt, ein wesentliches Teilziel des Deltaplans erreicht.

Modifizierung Gegen die Abriegelung der Oosterschelde erhoben sich heftige Widerstände vor allem von Seiten der Fischerei und der Muschelgewinnung. 1974 wurde daraufhin beschlossen, ein Sperrwerk zu errichten, das lediglich bei Sturmflut

167 ó Herstellung von Faschinenmatten, die zum Kolkschutz der vorgefertigten Bauteile des HaringvlietSperrwerkes auf den Meeresgrund abgesenkt wurden; Foto von 1967.

192 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

168 ó Die Auslässe im Haringvlietdamm bestehen aus 17 beweglichen Segmenten.

169 ó Um den Kräften des Meeres standzuhalten, sind massive Stahl- und Betonkonstruktionen erforderlich; Detailaufnahme des Sperrwerks im Haringvlietdamm.

Küstenschutz an den Rheinmündungen 193

170 ó Oosterschelde-Sperrwerk bei Sturmflut.

geschlossen wird und das den freien Tidestrom in der Oosterschelde wie seither gewährleistet. Es ist seit 1986 fertiggestellt. Im Haringvliet waren mit der Vollendung des Dammes nicht nur die Tideschwankungen des Wassers unterbunden, sondern das Salzwasser des Meeres wurde auch mehr und mehr durch das Süßwasser aus Rhein und Maas ersetzt. Die vorhandenen, an Salz- und Brackwasser angepassten Ökosysteme begannen sich massiv zu ändern. Proteste – hier waren es Umweltschützer – führten 2004 zur Entscheidung der Regierung, die

Landwirtschaft und Trinkwassergewinnung entstehen, nicht wie geplant ausgeführt. Die niederländische Regierung versichert, entsprechend den geltenden EU-Richtlinien (Wasserrahmenrichtlinie) handeln zu wollen und untersucht Alternativen der Migrationsmöglichkeiten für die Wanderfische.

Sperrwerke im Haringvlietdamm mit dem Ziel umzurüsten, einige von ihnen im Regelfall offen zu halten und damit den Austausch mit dem

fall offen: Die beiden halbrunden, schwimmfähigen Tore von je 210 m Länge und 22 m Höhe – ein jedes wiegt mehr als der Eiffelturm – sind in Tro-

Meer wiederherzustellen. Nach dem Regierungswechsel im Jahr 2010 wird das Projekt wegen der

ckendocks am Rande des Nieuwe Waterwegs gelagert. Bei Sturmflutgefahr werden die Docks

hohen Kosten, die bei der Beseitigung der unerwünschten Folgen des Salzwasserzutritts für

geflutet und die beiden Tore, im Kreisbogen schwimmend, aufeinander zu gedreht. In der

194 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Absperrkoloss Der Nieuwe Waterweg kann inzwischen durch das Maeslant-Sturmflutwehr abgesperrt werden. Allein wegen des Schiffsverkehrs steht es im Regel-

171 ó Maeslant-Sturmflutwehr am Ende des Nieuwe Waterweg; im Hintergrund Rotterdam.

172 ó Maeslant-Sturmflutwehr.

Küstenschutz an den Rheinmündungen 195

Mitte bleibt ein Spalt von 1,5 m als Sicherheitsabstand gewahrt. In dieser Position werden die beiden Wehrtore abgesenkt. Das Manöver dauert 2,5 Stunden; die Verantwortlichen gehen davon aus, dass die Absperrung aus Gründen des Hochwasserschutzes einmal in fünf Jahren nötig ist. Das Maeslant-Sturmflutwehr, fertiggestellt im Jahr 1997, ist der letzte Baustein des Deltaplans. Seither besteht vorn an der Küste die Sicherheit vor einem Sturmflutereignis, das im statistischen Mittel einmal in 10 000 Jahren auftritt. Die ebenfalls gemäß dem Deltaplan errichteten Anlagen weiter rückwärts sind nicht auf eine so extreme Flut ausgelegt; sie bieten Schutz vor einem immerhin 4000-jährlichen Ereignis. Mit der Fertigstellung der Kaimauern in Harlingen in der Provinz Friesland wurde der Deltaplan am 25. August 2010 offiziell abgeschlossen.

Fatale Perspektive Mit dem technischen und finanziellen Kraftakt des Deltaplans glaubten die Niederländer, das Notwendige zur Abwehr künftiger Sturmfluten geleistet zu haben. Doch gefehlt: Im Bericht des Weltklimarates von 2007 über den Klimawandel wird ein Anstieg der Meeresspiegel von bis zu 60 cm vorhergesagt. Dem würden die vorhandenen Sperrwerke und Deiche wohl standhalten. Die von der niederländischen Regierung eingesetzte Neue Delta-Kommission befürchtet allerdings Anstiege von 1,3 m bis zum Ende dieses Jahrhunderts und von bis zu 4 m bis zum Jahr 2200. Das bedeutet, dass das gesamte System der Deiche und Schutzanlagen umkonzipiert und überarbeitet werden muss, eine weitere Herausforderung für die Niederlande in noch gar nicht abschätzbaren Dimensionen.

Weitere Informationen: – de Nederlandse Delta: Een compromis tussen milieu en Techniek in de strijdd tegen het water. Uitgave: KNAW. – www.deltawerken.com – www.deltacommissie.com – Working with Water: A living land builds for its future. Findings of the Deltacommission 2008. www.deltacommissie. com / doc / deltareport_full.pdf

196 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Der Weg zur HochWasserstadt

4.6

Gerhard Björnsen

Z

urzeit besteht das politische Konzept zum Hochwasserschutz am Rhein darin, die Sied-

lungsflächen durch Deiche zu schützen, die einem 200-jährlichen Hochwasser widerstehen. Außerdem werden Rückhalteräume geschaffen, die nachteilige Auswirkungen ausgleichen können, wie sie beim Ausbau des Oberrheins in Bezug auf die Hochwasserspitzen entstanden sind. Die Gefahr, dass die Deiche überströmt werden, beträgt demnach 1 : 200 – und zwar in jedem Jahr. Weiterhin sollen die Hochwasserwellen durch Deichrückverlegungen und die Schaffung von zusätzlichem Raum für das Hochwasser gedämpft werden. Eine exemplarische Berechnung für den Pegel Kaub am Rhein zeigt, dass eine Abflussverschärfung um 10 % durch die Klimaveränderung die Hochwassersicherheit von 1 : 200 auf 1 : 70 reduziert. Um die Gefahr einer Überflutung der Gebiete hinter den Deichen wieder auf 1 : 200 abzumindern, müssten die Deiche erhöht werden. Somit erhebt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, mit immer höheren Deichen einen begrenzten Schutz vor Hochwasser zu erzielen oder ob andere Wege des Hochwasserschutzes erfolgreicher wären. Deswegen gehen neue Überlegungen in die Richtung, nicht den Schutz vor Hochwasser, sondern die Begrenzung des Risikos von Hochwasser in den Vordergrund zu stellen. Dies ist umso wichtiger, weil neue Hochwasserschutzmaßnahmen am Rhein auf ein 10-jährliches Hochwasse-

rereignis ausgelegt sind. Das Risiko einer Überströmung der Deiche ist jedes Jahr 1 : 10. Hochwasserrisiko kann definiert werden als: Hochwasserrisiko = Hochwasserereignis × Hochwasserschaden

Das Hochwasserereignis kann nicht direkt beeinflusst werden. Durch die Klimaveränderung können die Naturereignisse extremer werden. Häu-

Pegel Kaub Abfluss [m3/s] 9500 9000 8500 8000 7500 7000 6500 6000 5500 5000 0 50 75 100 120 150 bei Abflusszunahme um 10 % bei Abflusszunahme um 5 % Extremabflüsse, aktuell

250 200 Jährlichkeit [a]

173 ó Abflusskurven am Pegel Kaub.

figere und stärkere Stürme, größere Hochwasser und längere Dürreperioden sind die Folge. Somit ist der Ansatzpunkt nicht das Hochwasserereignis, sondern der Umfang von Hochwasserschäden, der beeinflusst werden kann. Eine Vermeidung von Hochwasserschäden wird dann erzielt, wenn keine Objekte im Hochwasser-

197

überschwemmungsbereich vorhanden sind oder wenn die Objekte und die Infrastruktur so gestaltet sind, dass sie durch Hochwasser keine oder nur geringe Schäden erfahren. Durch gut ausgebaute Hochwasserwarnsysteme, vorbereitete Räumungspläne und gekennzeichnete Fluchtwege kann der Verlust von Menschenleben vermieden werden. Hochwasser entstehen durch außergewöhnlich starke oder lang anhaltende Niederschläge. Bei großen Flüssen und großen Niederschlagsgebieten rufen lange anhaltende Niederschläge, die nicht sehr intensiv sein müssen, Hochwasser hervor. Durch die lange Dauer der Niederschläge wird der Boden mit Wasser gesättigt und somit

ser oder auch durch Hochwasserrückhaltebecken verwirklicht wird. Die bisherige Entwicklung hat zu einer starken anthropogenen, vom Menschen verursachten Nutzung der ursprünglichen Überschwemmungsflächen im Rheintal geführt. Große Siedlungsflächen, wie sie dort entstanden sind, werden zwar durch Deiche vor Hochwasser geschützt. Dieser Hochwasserschutz ist aber trügerisch. In jüngster Zeit waren bei Hochwasser die Rheindeiche gefährdet und Deichbrüche wurden nur durch rechtzeitige Hilfsmaßnahmen verhindert. Die laufenden Maßnahmen zur Ertüchtigung der Rheindeiche ändern nichts an der Tatsa-

versiegelt. Frost trägt ebenfalls dazu bei, den Boden zu versiegeln. Weitere Niederschläge auf den versiegelten Boden fließen ungebremst ab und bilden Hochwasser in den Flüssen. Die großen Hochwasser kündigen sich über Tage oder

che, dass die Deiche dennoch jederzeit bei einem Hochwasser, das höher steigt als das Bemessungshochwasser, überströmt werden können. Die Frage ist nur „wann“. In der Erkenntnis, dass der Bau von Hoch-

sogar Wochen an. Das Wasservolumen, das bei größeren Hochwässern des Rheins abfließt, ist so groß, dass die Hochwasserspitzen nur in sehr begrenztem Umfang durch Hochwasserrückhaltebecken, Deichrückverlegung oder Verringerung der künstlich versiegelten Flächen abgesenkt werden können. In kleinen Niederschlagsgebieten sind die Verhältnisse anders. In sehr kurzer Zeit können sehr hohe Niederschlagintensitäten auftreten. Kleine Rinnsale sind plötzlich reißende Flüsse. Eine Vorwarnung der Bevölkerung ist nicht möglich. Allerdings sind Gebiete, die von solchen Sturzfluten betroffen werden können, bekannt. Bei entsprechenden Wetterlagen können für diese Gebiete

wasserschutzdeichen keinen absoluten, sondern nur einen begrenzten Hochwasserschutz bieten kann, wird in Rheinland-Pfalz die Bemessung von neuen Hochwasserschutzdeichen nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten vorgenommen. Den Kosten für die Beseitigung der zu erwartenden Hochwasserschäden werden die Kosten für den entsprechenden Hochwasserschutz gegenübergestellt. Die Frage erhebt sich, ob Kosten und Nutzen allein genügen, um Hochwasserschutzmaßnahmen zu beurteilen. Andere Gesichtspunkte wie Gefahr für Menschen, Beeinträchtigung der Lebensqualität, Verunreinigungen durch Abwasser und Verkehrsbehinderungen sind nur schwer monetär zu bewerten. Somit kann gefolgert wer-

allgemeine Warnungen vor möglichen Hochwässern gegeben werden. Bei kleinen Niederschlagsgebieten können Hochwasserrückhaltemaßnah-

den, dass es kein wissenschaftliches oder ingenieurmäßiges Verfahren gibt, das zu einer eindeutigen Lösung der Hochwasserproblematik führt. Die Entscheidungen sind politisch auf der

men in der Fläche die Hochwasserabflüsse stark reduzieren, wie es z. B. im rheinland-pfälzischen Programm „Aktion Blau“ zur Wiederherstellung der ökologischen Funktionsfähigkeit der Gewäs-

198 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Grundlage von Entscheidungshilfen zu treffen, die von der Wissenschaft und von anderen Fachkundigen zur Verfügung gestellt werden.

Dabei ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Probleme ganzheitlich betrachtet und

den sich oft am Wasser oder mit Sichtkontakt zum Wasser.

die vorgeschlagenen Maßnahmen bis zur letzten Konsequenz überprüft werden. Dazu gehört auch

Schäden durch Hochwasser zu minimieren und die Vorteile vom Leben mit dem Hochwasser zu nutzen, muss das Ziel der HochWasser-

die Erkenntnis, dass jeder bisher gebaute Deich überströmt werden kann. Hochwasser, die Katastrophen auslösen, sind

stadt sein. Aus der Zielsetzung leiten sich folgende

zeitlich nicht vorhersehbar. Daraus folgt, dass in jedem Jahr die Gefahr besteht, dass die Rhein-

Grundprinzipien der HochWasserstadt ab:

deiche überströmt werden und zwar mit einem Risiko von 1 : 200. Etwa 750 000 Menschen leben im Schutz der

1. Die Infrastruktur muss auch bei Überschwemmungen intakt bleiben. Dies bedeutet, dass im

Rheindeiche, 270 000 davon in Rheinland-Pfalz. Diese Menschen müssen jedes Jahr damit rechnen, dass die Gebiete hinter den Rheindeichen durch Deichbrüche geflutet werden. Die Menschen, die im trügerischen Schutz der Hochwasserdeiche leben, haben in der Regel keine Vorkehrungen für diesen Fall getroffen. Die Hochwasserdeiche bieten grundsätzlich keinen Schutz gegen Überflutung. Weil damit gerechnet werden muss, dass auch die Siedlungsflächen hinter den Deichen überflutet werden können, müssen die potentiellen Überflutungsflächen hinter den Deichen in das Hochwasserrisikomanagement und den Katastrophenschutz integriert werden. Die potentiellen Überschwemmungsgebiete haben ihre eigene, vom Hochwasser diktierte Dynamik. Neue Strukturen und neue Lebensformen müssen entwickelt werden, die auf das Leben mit dem Hochwasser ausgerichtet sind. Ein Kampf gegen das Hochwasser ist von vornherein verloren. Nur mit dem Hochwasser leben kann erfolgreich sein. Der Weg führt zu Entwicklung der HochWasserstadt. Die HochWasserstadt ist vom Wasser geprägt. Wasserflächen ziehen Menschen an und sind weltweit in den meisten Parks wichtige Gestaltungselemente. Bevorzugte Wohnanlagen befin-

Bereich der Abwasserentsorgung getrennte Systeme für Schmutzwasser und Oberflächenwasser entwickelt werden. Die Schmutzwässer werden getrennt erfasst und in geschlossenen Rohrleitungen zu den Kläranlagen gepumpt (Druckwassersysteme). Die Oberflächenwasser werden grundsätzlich von offenen Entwässerungssystemen erfasst. Das Regenwasser wird durch offene Gewässerläufe zu Tiefpunkten geleitet, in Teichen und Seen, die in das Städtebild integriert sind, gesammelt und von dort aus in die Vorfluter geleitet. In Trockenzeiten wird das Wasser gereinigt und zur Belebung des Städtebildes in die offenen Gewässerläufe im Kreislauf zurückgepumpt. Die offenen Gewässerläufe können somit nicht ganz trocken fallen. Bei größeren Hochwässern wird das Stadtgebiet geflutet. Das Druckwassersystem verhindert, dass Schmutzwasser das Stadtgebiet verseucht. Das System zur Sammlung und Ableitung der Oberflächenwässer ist so zu gestalten, dass das Hochwasser kontrolliert in das Überschwemmungsgebiet eingeleitet wird und kontrolliert ablaufen kann, bis das Stadtgebiet wieder trockengelegt ist. Bei konsequenter Ausweisung von ausreichenden Flächen für das offene Oberflächenwassersystem bieten sich ungeahnte Möglichkeiten für eine attraktive Stadtentwicklung mit Wasser als Hauptelement. In Teilbereichen sind in der Hafenstadt Hamburg und in Holland Ansätze zu erkennen.

Der Weg zur HochWasserstadt 199

Die Wasserversorgungsnetze sind in der Regel unempfindlich gegen Überflutung. Kontrollschächte und Pumpstationen müssen eventuell angepasst werden. Die Stromversorgung und die Fernmeldesysteme sind in der Regel ohne großen Aufwand an die Hochwassersituation anzupassen. Hausinstallationen werden nicht mehr in den Kellerräumen, sondern auf dem Speicher oder in oberen Stockwerken angeordnet. Straßen werden bei Hochwasser überflutet. Der Aufbau des Straßenoberbaus ist hierauf anzupassen. Parkplätze und Tiefgaragen können überflutet werden. In den Bereichen, wo die Vorwarnzeit ausreicht, werden Ersatzparkplätze außerhalb des Überschwemmungsgebiets oder an höher gelegenen Stellen zur Verfügung gestellt.

Kühlräume eingerichtet werden. Elektroverteiler und Messgeräte, Heizung, Klimageräte, Telekommunikation, Tiefkühlgeräte sowie alle weiteren Installationen, die vom Wasser Schaden nehmen können, sollten oberhalb des höchsten zu erwartenden Wasserstands liegen. Altbauten und denkmalgeschützte Gebäude müssen mit geeigneten Baustoffen und angepassten Methoden so hergerichtet werden, dass sie ohne größere Schäden auch über Wochen dem Hochwasser ausgesetzt sein können. Wichtig ist, dass die auf Straßenhöhe liegenden Stockwerke attraktiv genutzt werden, um das

es jedoch den Eigentümern überlassen, Umbaumaßnahmen vorzunehmen. Auf alle Fälle sind die Eigentümer ausführlich über die Gefahren aufzuklären und über Maßnahmen zur Schadensminimierung zu beraten. Bei Neu- und Umbauten sollten die Bebauungspläne hochwasserangepasstes Bauen vorschreiben. Gebäude, die im unteren Bereich gegen Hochwasser abgedichtet werden, müssen gegen Auftrieb gesichert sein. Wird das Gebäude bei Hochwasser geflutet, so sind Baustoffe zu verwenden, die entweder vom Wasser nicht beeinträchtigt werden oder rasch austrocknen, ohne ihre Eigenschaften einzubüßen. In Räumen, die bei Hoch-

Straßenbild lebendig zu gestalten. Die mobile Ausstattung der Räume muss schnell in darüber liegende, nicht vom Hochwasser betroffene Räume transportiert werden können. Bodenbeläge, Wände, elektrische Installationen, Telekommunikation, Heizung und Lüftung müssen so gestaltet sein, dass sie durch Wasser nicht geschädigt werden. Nach dem Hochwasser müssen ein Abspritzen des Schlammes und eine kurze Trocknungszeit genügen, um die Räume wieder beziehbar zu machen. Neubauten und Gebäude, die nicht dem Denkmalschutz unterliegen, können bei Hochwasser abgedichtet werden. Schaufenster und andere Fenster müssen für den Wasserdruck ausgelegt sein und die Türen und andere Öffnungen mit drucksicheren Toren oder Abdeckungen verschlossen werden können. Die Umsetzung fordert eine sorgfältige Planung mit hohen gestalterischen Ansprüchen. Die drucksicheren Tore können in der Fassade versteckt werden oder sie

wasser geflutet werden, sollten keine Einrichtungen vorhanden sein, die vom Wasser Schaden nehmen könnten. Vorräte und Mobilien sollten

können als gestalterisches Element die Fassade beleben. Bei Gebäuden, die nicht gegen Hochwasser ab-

nicht in den tief liegenden Räumen gelagert wer-

gedichtet werden, bestehen nur eingeschränkte

den. Als Ersatz für einen kühlen Keller zur Aufbewahrung von größeren Mengen von Lebensmitteln können in höher gelegenen Räumen

Möglichkeiten, Kellerräume und Stockwerke, die geflutet werden können, zu nutzen. Bei abgedichteten Gebäuden verteuern die notwendigen

2. Die Gebäude sollten an das Hochwasser angepasst werden. Bei vorhandenen Gebäuden bleibt

200 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

Maßnahmen die Gebäude, eine kostendeckende Miete ist höher als in vergleichbaren Gebäuden

Lebensmittel und Medizin ist vorhanden. Die Ge-

außerhalb der HochWasserstadt.

Tage ohne Hilfe auskommen. Die rechtzeitige Schließung der Hochwasserschutztore und Abdeckungen ist in der Regel Sache des Hauseigentümers. Bei großen und

3. Städtebaulich ergeben sich schwierige, aber reizvolle Aufgaben, eine lebendige Stadt zu entwickeln, die häufig mit den Füßen im Wasser steht und gerade deswegen attraktiv sein soll. Die Einbindung des Rheins in das Städtebild und die Gestaltung des Übergangs vom Niedrigwasser des Rheines bis zum höchsten Hochwasser, oft über 10 m Höhenunterschied, bleibt eine städtebauliche Herausforderung. Die kontrollierte Flutung der HochWasserstadt auch bei Deichbruch sowie die kontrollierte Entleerung nach Ablauf der Hochwasserspitze ist ein wesentliches Planungselement. Hier wird die HochWasserstadt zuerst sichtbar mit ausgedehnten offenen Kanälen, Gewässern und Seen. Obwohl die Grundprobleme gleich sind, gestaltet sich die Lösung für die Siedlungsgebiete am Rhein sehr unterschiedlich. Jedes Siedlungsgebiet, das zur HochWasserstadt entwickelt werden muss, bedarf seines eigenen Zukunftsplanes. Die Verwirklichung der HochWasserstadt kann nur in Stufen erfolgen. Zunächst wird ein Idealplan erstellt, der unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten den erwünschten Endzustand beschreibt. Danach wird im Zuge der Stadterneuerung und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Mittel, stufenweise die HochWasserstadt verwirklicht.

bäude sind stabil. Die Bewohner können einige

schwierig zu schließenden Öffnungen ist die Unterstützung vorher abzustimmen. Der Katastrophenschutz käme hier in Frage. Ist die Versorgung der Bevölkerung während des Hochwassers schwierig oder unmöglich oder ist die Standsicherheit der Gebäude nicht gewährleistet, so wird eine Evakuierung notwendig. Eine planmäßige Evakuierung ist nur dann möglich, wenn ausreichender Vorwarnzeit zur Verfügung steht. Städtische Busse fahren Sonderrouten nach einem genau vorbereiteten Plan und nehmen die Bewohner an deutlich ausgewiesenen Hochwassersammelstellen auf. Die Bevölkerung wird durch die Medien und Streifenwagen der Polizei gewarnt. Das Verlassen der Wohnung, der erlaubte Umfang des Gepäcks und das allgemeine Verhalten bei der Hochwasserkatastrophe sind vorher in Merkblätter bekannt gemacht und sollten durch regelmäßige, gesetzlich vorgeschriebene Übungen (HochWasserstadt-Übung) gut bekannt sein. Plünderungen und das Fernhalten von Hochwassertouristen ist Aufgabe der Polizei, die ebenfalls mit Übungen auf die Hochwasserkatastrophe vorzubereiten ist. 5. Fluchtwege können auch über Fußgängerbrü-

4. Vorsorge während des Hochwassers. Die Versorgung der Bevölkerung muss gesichert sein. Dies gilt auch für die ärztliche Betreuung und Hilfe für Behinderte. In einigen Fällen müssen Teile der Bevölkerung evakuiert werden. Im einfachsten Falle ist bereits die Versorgung mit Trinkwasser, Strom und Gas sowie Telekommunikation hochwassersicher ausgebaut.

cken, die über dem höchsten Hochwasserstand die Gebäude miteinander verbinden, eingerichtet werden. Auf zentral gelegenen, geeigneten Gebäuden können Hubschrauberlandeplätze vorbereitet sein. Sind die überfluteten Flächen mit Booten befahrbar, so sollen an den Gebäuden höhenverstellbare Anlieger mit Zugang zu den Räumen

Der Weg zur HochWasserstadt 201

oberhalb des höchsten Wasserstandes installiert werden. Diese Einrichtung sollte so ausgelegt

laufen von Schutz- und Hilfsmaßnahmen können vor der eigentlichen Katastrophe beginnen.

werden, dass auch Krankentransporte darüber erfolgen könnten. An die Anlandung der Boote an

Am Rhein haben zahlreiche Städte den Bürgern umfangreiches Informationsmaterial über

hochwasserfreies Gelände oder an Sammelstellen in größeren Gebäuden ist auch zu denken. Geeignete Boote sollten beim Katastrophen-

Hochwasser und Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt und Organisationen gebildet, die für den Hochwasserschutz verantwortlich sind.

schutz vorgehalten werden. Die Organisation und Einsatzleitung bei Hoch-

Auch sind zahlreiche technische Maßnahmen eingeleitet und auch ausgeführt, wie der Bau

wasser liegt beim Katastrophenschutz der Stadtverwaltungen. Die Organisation soll durch regelmäßige Übungen auf eine eventuelle Hochwas-

von Hochwasserdeichen, mobiler Hochwasserschutz, Anpassung der Versorgungsnetze und Bildung von Krisenstäben, die bei Hochwasser

serkatastrophe vorbereitet werden.

zusammentreten. Dabei werden heute noch nicht die Gebiete im Schutz der Hochwasserdeiche voll mit einbezogen. Die zu befürchtende schwere Hochwasserkatastrophe tritt aber dann ein, wenn die Deiche brechen und Hunderttausende von den Flutwellen überrascht werden. Zwar werden solche Szenarien in den Krisenstäben durchgespielt, sichtbare Versuche aber, die betroffenen Bürger über die Gefahren bei Deichbruch aufzuklären und die Einleitung von Maßnahmen, die den Verlust von Menschenleben und größere Zerstörungen vermeiden, fehlen.

6. Hochwassermanagement. Bei kleineren Städten und Ortschaften, wo noch ein Gemeinschaftsgefühl vorhanden ist, können die betroffenen Bürger freiwillige Organisationen bilden, die zuverlässig Aufgaben der Katastrophenhilfe übernehmen. Bei größeren Städten überwiegt die Anonymität. Alle notwendigen Maßnahmen müssen von der Stadtverwaltung organisiert werden. Wichtig ist es auch, die Bewohner der vom Hochwasser bedrohten Gebiete zu informieren und auch durch geeignete Übungen auf die Hochwasserkatastrophe vorzubereiten. In den Schulen, in denen betroffene Schüler Unterricht haben, ist ebenfalls Aufklärungsarbeit notwendig. In den vom Erdbeben bedrohten Gebieten

Die HochWasserstadt ist notwendig. Die Deiche dürfen nicht mehr als Symbol für den sicheren Hochwasserschutz missverstanden werden. Es muss den Bewohnern klar gemacht werden, dass

in den USA werden umfangreiche Informationskampagnen mit Aufklärung und Verhaltensregeln durchgeführt. Die Bevölkerung weiß auch, dass die erste Hilfe erst 72 Stunden nach einem

die Deiche mehr oder weniger nur zur Abminderung der Hochwasserschäden dienen. Der Weg zur HochWasserstadt ist lang. Der erste Schritt muss aber heute getan werden, näm-

Erdbeben zu erwarten ist. Am Rhein besteht ein sehr gut funktionierendes Hochwasser-Vorwarnsystem, das Stunden und sogar Tage voraus vor Hochwasser warnt. Die Vorbereitung und das An-

lich Aufklärung der Bürger, die hinter den Deichen in den Rheinniederungen leben, um Wille und Motivation zur Verwirklichung der HochWasserstadt aufzubauen.

202 Der Rhein: Hochwasser und Hochwasserschutz

204 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

5 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

U1 205

Aare*

Jura-Gebirgskette nordostwärts, durchquert die Städte Biel und nach mäanderndem Lauf Solothurn, Olten, Aarau, Brugg. Bei Koblenz mündet sie in den Hochrhein (307 m ü. M., Rheinkm 102,5). Die Aare ist der längste Fluss, der von der Quelle bis zur Mündung in der Schweiz verläuft, in den Kantonen Bern, Solothurn und Aargau. Sie nimmt zahlreiche Nebenflüsse auf: Lütschine, Kander (mit der Simme), Gürbe, Saane (frz. Sarine, mit der Sense, frz. Singine), Broye, Zihl (frz. Thielle), Emme, Reuss (die Reuss ist mit 158 km

Die Aare (frz. Aar), linker Nebenfluss in der Schweiz. Gemessen an den 590 m³ / s, die sie (bei mittlerem Wasserabfluss) dem Rhein zuführt, ist die Aare der bei Weitem größte Nebenfluss des Rheins, vor der Maas – die seit 1904 nicht mehr als Rheinzufluss gelten kann – und vor der Mosel (290 m³ / s), dem Main (180 m³ / s) und dem Neckar (140 m³ / s). Die Aare ist der einzige Nebenfluss, der mehr Wasser führt als der Rhein selbst (439 m³ / s bei der Aaremündung). Die Aare ist 291 km lang, ihr Einzugsgebiet umfasst 17 620 km². Sie entsteht auf über

der längste Zufluss der Aare), Limmat. Von Thun flussabwärts neigte die Aare stets zu Hochwasser, das man der Kander zuschrieb. Die Kander entspringt in den Berner Alpen im Lötschberggebiet, durchquert Kandersteg und mündete ursprünglich unterhalb der Stadt Thun in die Aare. Um namentlich die Überschwemmungen zwischen Thun und Bern zu bändigen, grub man von 1711 bis 1714 durch den den Thunersee begleitenden Moränenhügel (Strättliger Hügel) einen Stollen, um die Kander in den See umzuleiten. Der Stollen stürzte zwar schon 1714 ein, aber der Fluss behielt diesen neuen Lauf bei, spülte im Strättliger Hügel eine Schlucht aus und schüttete im Thunersee innerhalb weniger Jahre ein Delta auf. Das Ziel der Umleitung, die Überschwemmungen im Aaretal zwischen Thun und Bern zu vermindern, wurde nicht wirklich erreicht; hingegen bewirkte die Umleitung bis ins 20. Jahrhundert Überschwemmungen in der

2000 m ü. M. im Aaregletschersystem (Finsteraar-, Lauteraar-, Unteraargletscher, Oberaarsee),

Stadt Thun. Auch unterhalb von Biel neigte die mäand-

fließt in nordwestlicher Richtung durch das Haslital und die Aareschlucht, durchquert den Brienzersee, Interlaken, den Thunersee, die Städte

rierende Aare stets zu Überschwemmungen. Im Rahmen des umfangreichen Programms, das als „1. Juragewässerkorrektion“ bekannt ist, wurde

Thun und Bern, erreicht seit dem 19. Jahrhundert den Bielersee und wendet sich am Fuß der

die Aare 1878 in den Bielersee umgeleitet. Die Aare wird seit dem Bau der Bahnlinien nur

*Autorenkürzel:

noch wenig befahren. Ausflugsschifffahrt gibt es auf der Jurafuß-Strecke zwischen Biel und So-

174 ó Solothurn an der Aare, die hier fast so breit ist wie der Hochrhein, in den sie mündet; rechts das „Landhaus“, das einstige Lagerhaus des Hafenbetriebs.

jr (Jochen Rahe), js (Jan Smit), ms (Martin Stieghorst), uw (Urs Weber), gw (Günter Wendel)

206 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

lothurn; außerdem sind die Seen, die von der Aare durchquert werden, schiffbar, namentlich der Brienzer- und Thunersee, ebenso der Bielersee und die mit ihm verbundenen Seen Neuenburgersee (frz. Lac de Neuchâtel) und Murtensee (frz. Lac de Morat). In ihrem Hochgebirgsteil (Grimsel-Gebiet) ist die Aare mehrfach zur Stromgewinnung aufgestaut, ebenso westlich von Bern (künstlicher Wohlensee) sowie mehrmals in ihrem Unterlauf zwischen Solothurn und der Mündung. Die Atomkraftwerke Mühleberg, Gösgen und Beznau verwenden Wasser aus der Aare zur Kühlung. uw

natürlich belassene Mündung. Diverse Renaturierungen sind seit 1997 in Arbeit. Auch sind Versuche im Gang, in der Ahr wieder Lachse und Meerforellen anzusiedeln. Die Ahr durchquert unter anderem Altenahr sowie den Wein- und Kurort Ahrweiler-Bad Neuenahr. Das tief eingeschnittene mittlere und das untere Ahrtal sind bekannte Rebgebiete, die dem Weinbaugebiet Ahr, einem der kleinsten Deutschlands (550 ha) und einem der nördlichsten der Welt, den Namen gegeben haben. Anders als bei den anderen rheinnahen Weinbaugebieten wird in der Ahr weit überwiegend (über 87 %) Rotwein gekeltert, fast durchwegs von der Spätburuw gunderrebe.

Adventswasser Adventswasser heißt bei den Rheinschiffern der Wasserstand im Dezember, sofern er leicht ansteigt. Wenn im Spätherbst der erste Schnee noch nicht liegen bleibt, sondern schmilzt, ergibt sich – nach dem Niedrigwasser im trockenen Herbst und vor der Niedrigwasserperiode im Januar – zur Adventszeit ein leicht erhöhter Wasserstand, der der Rheinschifffahrt willkommen ist. uw

Ahr Die Ahr ist ein 90 km langer, linker Nebenfluss des Mittelrheins, teils in Rheinland-Pfalz, teils in Nordrhein-Westfalen. Sie entspringt auf 550 m ü. M. in der Eifel (Ahrgebirge), und mündet auf 58 m ü. M. bei Sinzig (gegenüber von Remagen-Kripp) in den Mittelrhein, bei Rheinkm 629. Ihre mittlere Wasserführung beträgt in Altenahr 6,63 m3 / s. Das Einzugsgebiet der Ahr von 900 km2 verzeichnet – außer im Quellgebiet – relativ wenig Niederschläge. Die Ahr ist aber für ihre Hochwässer berüchtigt. Obwohl die Ahr im 19. Jahrhundert streckenweise ein künstlich verengtes Flussbett erhielt, hat sie als einer der wenigen Rheinzuflüsse eine

Albula Die Albula (rätorom. Alvra) ist ein rechter Nebenfluss in der Schweiz (Graubünden). Sie entspringt wenig unterhalb des Albulapasses (der das Einzugsgebiet des Hinterrheins mit dem Engadin, also mit dem Einzugsgebiet der Donau verbindet) auf über 2000 m ü. M. Bei der Ortschaft Filisur mündet von rechts das wasserreichere Landwasser aus Davos ein. Nach der Ortschaft Tiefencastel durchfließt die Albula die Schin- oder Albulaschlucht. Sie mündet nach 36 km auf 670 m ü. M. in Fürstenaubruck in den Hinterrhein. Ein Teil der Albula wird in ihrem Oberlauf gefasst und über einen Druckstollen dem Wasserkraftwerk bei Filisur zugeleitet. Auch in der Schinschlucht ist der Fluss zur Stromproduktion aufgestaut. Da diese Kraftwerke oft nur zu Verbrauchsspitzen aufgeschaltet werden, ergeben sich drastische, ökologisch problematische Schwankungen der Wasserstände (Schwall und Sunk Y Kap. 5). Dem Fluss folgt auf beinahe ganzer Länge die Albula-Strecke der Rhätischen Bahn, die unter anderem auf einem spektakulären, steiner-

Albula 207

nen Bogenviadukt das Landwassertal überquert. Die Albula-Bahnstrecke gehört seit 2008 zum

der Schweiz und Österreich (Vorarlberg). Auf den letzten Kilometern fließt der Alpenrhein in Ös-

UNESCO-Weltkulturerbe.

terreich, Grenzfluss zur Schweiz ist hier der Alte Rhein. Die Wasserführung an der Mündung liegt

uw

Alpenrhein Alpenrhein heißt die 94 km lange Strecke des Flusses zwischen der Einmündung des Hinter-

im Mittel bei 240 m³ / s, schwankend zwischen 40 m³ / s und 3100 m³ / s. Unter den Zuflüssen des Alpenrheins ist die

rheins in den Vorderrhein (Reichenau) und der Mündung in den Bodensee. Der Alpenrhein ver-

Vorarlberger Ill (mit 65 m³ / s nahe ihrer Mündung) der größte; es folgt die Landquart mit

läuft zunächst in der Schweiz (Graubünden), erst nordostwärts, dann nordwärts. Danach bildet er die Grenze zwischen der Schweiz (St. Gallen) und

24 m³ / s. Im Einzugsgebiet des Alpenrheins gibt es eine Vielzahl von Kraftwerken, die jährlich rund

dem Fürstentum Liechtenstein, dann zwischen

8000 GWh elekrischer Energie produzieren (Graubünden 4950 GWh, Vorarlberg 2670 GWh, St. Gallen 342 GWh, Liechtenstein 76 GWh). Am Alpenrhein selbst, das heißt von Reichenau bis zum Bodensee, ist lediglich ein Laufkraftwerk in Reichenau bei Domat Ems (Graubünden) in Betrieb (19 MWh installierte Leistung). Der Alpenrhein gilt gemeinhin als Grenze zwischen West- und Ostalpen. Das Rheintal wird durch den Föhn erwärmt; es ist deshalb auch Weinanbaugebiet. Die Reblagen Bündner Herrschaft, Bergland Österreich, St. Galler Rheintal sind eher klein. In allen Regionen am Alpenrhein spielt der Tourismus eine bedeutende Rolle. Am Alpenrhein liegen mehrere Klein- und Mittelstädte, in der Schweiz Chur, Landquart, Sargans, Werdenberg, in Liechtenstein Vaduz, in Österreich Feldkirch, Dornbirn, Bregenz. Die am dichtesten bewohnte Region am Alpenrhein ist der Nordteil von Vorarlberg, eingeengt zwischen dem Rhein, dem Bodensee, der deutschen Grenze und dem sogenannten Bregenzer Waldgebirge. Am Alpenrhein wird in allen drei Staaten deutsch gesprochen, außerdem mehrere alpine Arten des Alemannischen.

175 ó Via-Mala-Schlucht, der pittoreskeste Abschnitt des Hinterrheins, der sich wenige Kilometer flussabwärts mit dem Vorderrhein zum Alpenrhein vereinigt (CH).

208 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Der Alpenrhein trägt viel Geschiebe mit sich. Deshalb neigte das Ostufer des Bodensees stets

ten Pfahl ruht und sich auf 143 cm über dem NAP befindet. Der NAP wurde aufgrund des Som-

zur Verlandung. 1892 schlossen Österreich-Ungarn und die Schweiz einen Staatsvertrag zwecks

merwasserstandes der Ij-Mündung im Jahr 1648 festgelegt. Dieser Nullpunkt setzte sich in den Niederlanden durch. 1877 übernahm Preußen die-

gemeinsamen Hochwasserschutzes an der so genannten internationalen Flussstrecke – zwischen der Illmündung und dem Bodensee. Gemäß diesem Vertrag wurde 1900 bei Fußach (Vorarlberg) ein künstlicher Durchstich für den Rhein geschaffen, unter anderem mit Hilfe einer eigens angelegten Bahnstrecke für den Schottertransport. Seither ist die Verlandung des Ostufers des Bodensees zum Stillstand gekommen. Hingegen schiebt sich die künstlich geschaffene Rheinmündung rasch in den See vor. Neben der seit 1892 bestehenden „Internationalen Rheinregulierung“ zwischen Österreich

sen Pegel als Nullpunkt. Die Höhe über Meer wird in den Rheinanliegerstaaten nicht überall so definiert. Die Niederlande und Deutschland beziehen sich auf diesen Amsterdamer Nullpunkt. Die Höhenangaben in Frankreich beziehen sich auf einen Nullpunkt im Hafen von Marseille, der 49 cm tiefer liegt als der Amsterdamer Nullpunkt. In der Schweiz gilt ein Bezugspunkt im Hafen von Genf, dessen Höhe über Meer im 19. Jahrhundert aufgrund des Nullpunkts von Marseille ermittelt wurde. Dennoch liegen die Schweizer Höhenangaben, die in Genf mit einer Peilung via Jurahöhen neu berechnet

und der Schweiz gibt es als Plattform der Zusammenarbeit nun auch die „Internationale Regierungskommission Alpenrhein“ zwischen Vorarlberg, dem Fürstentum Liechtenstein, St. Gallen und Graubünden. Der Bodensee bildete sich als Folge der WürmEiszeit (115 000 bis 10 000 vor unserer Zeitrechnung) durch den Rheingletscher, freilich nicht nur in seiner heutigen Form, sondern der See erstreckte sich auch weit südwärts in das Tal zwischen Appenzeller (Säntis) und Liechtensteiner Alpen. Der Südteil dieses langgestreckten Sees wurde durch das Geschiebe in die heutige Rheinebene mit dem Alpenrhein verwandelt. Das heißt, als Flusslauf ist der Alpenrhein nur wenige Tausend Jahre alt – wobei man aber für frühere Erdzeitalter ebenfalls von einem Alpenrhein

wurden, 22 cm höher als die französischen, mithin 27 cm tiefer als die auf den Amsterdamer Pegel bezogenen Werte. Eine absolute Wahrheit gibt es nicht, da die Meeresniveaus weltweit um plusminus 1 m schwanken. Es gibt allein in Europa an die 20 Pegel, meist auf einen Nullpunkt in einem Hafen bezogen, nämlich die Nullpunkte von Newlyn, Belfast, Ostende, Genua, Cascais, Alicante, Triester Pegel in Österreich, Slowenien etc., den Kronstädter Pegel in Osteuropa (und bis 1989 auch in der DDR), den Nullpunkt im türkischen Antalya u. a. m. Die Europäische Union versucht, Umrechnungsparameter zu schaffen, mit den sogenannten CRSEU, den Coordinate Reference Systems Europe, dem European Vertical Reference System und dem

spricht, der in die Donau mündete.

ECGN (European Combined Geodetic Network). uw

uw

Amsterdamer Pegel

ARGE Rhein

Der Amsterdamer Pegel (NAP – Normaal Amster-

ARGE Rhein heißt die 1963 gegründete Arbeits-

dams Peil) bezeichnet die Höhe Null über Meer, definiert durch eine Bronzeplatte im Rathaus von Amsterdam, die auf einem 22 m tief eingeramm-

gemeinschaft von sechs deutschen Bundesländern, die sich um die Reinhaltung des Rheins bemüht ( DK Rhein Y Kap. 5 ).

ARGE Rhein 209

ARGE Rhein-Erft, ARGE Rhein-Hunsrück, ARGE Rhein-Main, ARGE Rhein-Sieg etc. sind lokale Organisationen mit sozialer Zielsetzung. Diese regionalen geographischen Bezeichnungen haben mit dem Rheinstrom nichts zu tun.

uw

Argen

des Eistobels und wird bei Wangen zur Stromgewinnung angezapft. Die Untere Argen entsteht auf 850 m ü. M. bei Missen im Allgäu (Bayern). Das Einzugsgebiet der Argen umfasst 652 km², ihre Wasserführung an der Mündung bei Langenargen beträgt im Mittel 22 m³ / s.

Die Argen ist ein nördlicher Zufluss des Bodensees, größtenteils in Baden-Württemberg. Sie

Nahe ihrer Mündung wird die Argen von einer 72 m langen Hängebrücke überspannt, der ältesuw ten Hängebrücke Deutschlands.

entsteht westlich von Wangen im Allgau auf 556 m ü. M. durch Zusammenfluss der Oberen

Baden im Rhein

und der Unteren Argen. Die Obere Argen entsteht in Bayern bei Oberstaufen (790 m ü. M.), durchfließt das enge, im Winter pittoresk vereiste Tal

Im Rhein zu baden ist ein Vergnügen, das aufgrund guter Wasserqualität noch in den 1950erJahren ohne Probleme möglich war. Ältere Menschen erzählen gerne von ihren Schwimmabenteuern im Rhein, wenn sie z. B. den Fluss trotz erheblicher Strömung queren wollten. Schleppkähne, besonders wenn mehrere Kähne mit Stahlseilen verbunden waren, konnten Ruderern wie Schwimmern gefährlich werden. Mit der zunehmenden Verschmutzung des Rheinwassers in den 1960er- und 70er-Jahren wurde das Baden im Rhein von den zuständigen Behörden vor allem aus gesundheitlichen Gründen untersagt. Der ökologisch höchst bedenkliche Grad an Wasserverschmutzung hatte aber zu umfangreichen Gegenmaßnahmen in Form von gesetzlichen Auflagen geführt, sodass die Wasserqualität sich in vielen Rheinabschnitten erheblich verbessert hat. Indikatoren der Wassergüte, die laufend von Laborschiffen auf dem Rhein geprüft wird, sind neben dem Fischbestand Kleinstlebewesen, z. B. Wasserflöhe, Algen und auch das Vorkommen bestimmter Wasserpflanzen. Heute ist das Baden im Rhein außerhalb von Badeanstalten nicht mehr verboten, aber auch nicht ausdrücklich erlaubt, denn die Strömung

176 ó Die historische Brücke über die Argen kurz vor der Mündung in den Bodensee.

210 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

des Flusses bildet gerade auch in Ufernähe an vielen Stellen und abhängig vom Wasserstand eine Gefahrenquelle. Da selbst die am Rhein le-

benden Menschen nach einem jahrzehntelangen Badeverbot keine Bade-Erfahrung mit „ihrem“ Fluss haben, wird diese Gefahr besonders von Kindern und Jugendlichen unterschätzt. Einige Städte am Rhein haben sich deshalb entschlossen, Badeanstalten an den Ufern mit Becken zu bauen, die vom Flusswasser getrennt sind und in denen das Wasser entsprechend sauber gehalten werden kann. Das wurde schon in den 1920er- und 30er-Jahren praktiziert. Aber auch Rheinstrandbäder mit direkter Verbindung zum Rheinwasser – wie z. B. das Rappenwörth-Bad bei Karlsruhe, in Rheinbadeanstalten in Basel – wurden eingerichtet. Besonders an diesen ausgebauten Stellen ist das Baden im Rhein heute wieder eine Freizeitmöglichkeit, die von vielen Menschen gerne genutzt wird. In Basel wurde das Baden im Rhein nie ganz aufgegeben. Mit der besseren Wasserqualität wurde es geradezu zu einem Volkssport, heute alljährlich am Ende der Sommerschulferien eröffnet durch ein halboffzielles Rheinschwimmen mit – im Jahr 2009 – ca. 2000 Teilnehmenden. Wer im Rhein baden will, sollte sich über den Zustand des Flusses informieren, z. B. auf der Internetseite www.rheinwasseruntersuchungsstation.de jr /uw

177 ó Das Basler „Rheinschwimmen“, jeweils an einem Montag im August, zieht stets Hunderte an.

für ein bis zwei Dutzend Passagiere Platz. Seit 1944 heißen sie „Wild Maa“, „Leu“, „Vogel Gryff“ und „Ueli“ – die Namen von Symbolfiguren eines Volksfestes, das rechtsrheinisch (im sogenannten Kleinbasel) im Januar begangen wird. Es sind Gierfähren, und zwar vom Typ der Rollfähren: Ein Stahlkabel ist über den Rhein gespannt, und damit die Schifffahrt nicht behin-

Basel – Fähren Vier Fährschiffe überqueren den Rhein in Basel. Ihre Verkehrsbedeutung ist nur touristischer Art. Aber sie genießen die Sympathie des Publikums. Um die Figur des Fährmanns – im lokalen, niederalemannischen Dialekt „dr Fäährimaa“ – ranken sich allerlei Geschichten. Die vier flachen, zur Hälfte überdachten Fährboote aus Holz bieten

178 ó Die vier kleinen Holzfähren in Basel sind bei Fußgängern sehr beliebt, sie sparen lange Wege und bieten immer ein amüsantes Erlebnis. Das Bild zeigt die Fixierung am Hochseil und die Gierstellung zur Strömung.

Basel – Fähren 211

dert wird, ist es an zwei hohen Pylonen befestigt. Auf dem Kabel sitzt eine Laufkatze, eine Reiter-

hälfte nächst dem Prallufer wurden sieben Pfeiler aus Eichenbalken in den Grund gerammt. Die

rolle, an der das Halteseil der Fähre hängt. Auf dem Fährboot ist das Halteseil an einem Schwen-

200 m lange Brücke blieb in dieser Bauart unverändert bis 1903 stehen, wobei in der hölzernen

gel befestigt, der sich je nach Fahrrichtung umlegen lässt. Durch die Stellung des Schwengels und des Steuerruders drückt die Strömung des

Hälfte zuweilen Teile erneuert werden mussten. Diese „Basler Rheinbrücke“ war jahrhundertelang vom Meer stromaufwärts die erste feste Brü-

Flusses gegen eine Seite des Bootes und schiebt das Boot querüber, ohne Motorkraft, wobei auf

cke, bis zum Bau der ersten Eisenbahnbrücke in Köln (Dombrücke 1859). Sie war im 19. Jahrhun-

dem Kabel die Reiterrolle querüber mitläuft. Die erste dieser Fußgängerfähren wurde 1854 eingerichtet, als Alternative zur damals einzigen

dert auch Ausgangspunkt der Rheinkilometrierung. Sie bildet die Grenze zwischen Hochrhein und Oberrhein, damit auch den südlichen End-

Basler Rheinbrücke. Heute sind vier Fähren in Betrieb; die letzte kam 1989 dazu. Die Boote gehören heute einer privatrechtlichen Stiftung. Die Stiftung und ein Gönnerverein decken die Defizite aus dem Fährbetrieb. uw

Zwischen Rhein-km 164,7 und Rhein-km 167,8 wird der Rhein in Basel von sechs Brücken überquert. Ihr Abstand beträgt im Durchschnitt 620 m – das ist die höchste Brückendichte am Rhein, auch wenn in anderen Rheinstädten die Gesamtzahl der Brücken größer ist (Köln, Düsseldorf). Bei km 164,7 liegen die zweigleisige (demnächst viergleisige) Eisenbahnbrücke und die „Schwarzwaldbrücke“ (zehnspurige Autobahnund Straßenbrücke) nebeneinander. Bei Rhein-km 165,95 liegt die „Wettsteinbrücke“ (errichtet 1879, erneuert 1995). Die Straßenbrücke ist nach dem Basler Politiker Johann Rudolf Wettstein benannt, der 1648 im Westfälischen Frieden die völkerrechtliche Unabhängig-

punkt der gemäß Mannheimer Akte frei zugänglichen Schifffahrtsstraße. An der Stelle der 1225 erbauten ersten Basler Rheinbrücke wurde 1903 bis 1905 eine neue Brücke gebaut, eine sechsjochige Bogenbrücke (auf fünf Pfeilern) aus Eisenbeton mit Granitverkleidung, nach einem Entwurf des Münchners Friedrich von Thiersch und dem Basler Architekten Emil Faesch. Weil es inzwischen auch andere Basler Rheinbrücken gab, nannte man sie „Mittlere Brücke“. Der Mittelpfeiler trägt eine kleine Kapelle, das sogenannte „Käppelijoch“, das schon auf der alten Brücke einen der steinernen Pfeiler geziert hatte. Der Granit für den Neubau kam damals per Bahn aus dem Tessin. Sonntags pflegten die Züge mit den schweren Steinblöcken, wenn sie im Kanton Uri vom Gotthard-Tunnel herunter die Ebene erreichten, heißgelaufene Bremsen zu haben. Ein Urner Bahnhofvorstand fand das unerklärlich, er reiste einem Stein-Zug entgegen und entdeckte, dass die Arbeiter im Tessiner Steinbruch jeweils samstags, um ihre Schuhe

keit der Schweiz erzielte. Bei Rhein-km 167,6 folgt die „Mittlere Brücke“. Die erste Brücke entstand hier im Jahr

zum Glänzen zu bringen, Bremsöl der Güterwagen verwendeten. Deshalb liefen am Sonntag die Bremsen heiß.

1225; in der Rheinbiegung wurden am seichte-

Bei Rhein-km 167,2 folgt die Johanniterbrü-

ren Gleitufer bei Niederwasser sechs steinerne Pfeiler aufgemauert, und in der tieferen Fluss-

cke; sie wurde 1882 als fünfjochige Stahlfachwerkbrücke (auf vier Pfeilern im Rhein) für Stra-

Basel – Rheinbrücken

212 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

179 ó Die Basler „Mittlere Brücke“ im Morgenlicht; sie markiert die Grenze zwischen Oberrhein und Hochrhein.

ße und Straßenbahn erbaut. 1967 wurde sie als Betonbogenbrücke neu gebaut, wobei man im Interesse der Schifffahrt zwei der vier Pfeiler entfernte. Bei Rhein-km 167,85 folgt die Dreirosenbrücke. Die Straßenbrücke wurde 1934 als Stahlkastenträger eröffnet. Von 1997 bis 2004 wurde sie als zweistöckige Stahlfachwerkbrücke für Straße, Straßenbahn und Autobahn neu erbaut (Eröffnung 2006). Zur trinationalen Agglomeration Basel gehören auch – flussaufwärts – der Übergang für Fußgänger und Zweiräder am Kraftwerk Birsfelden (Rhein-km 163,6) sowie – flussabwärts – die Dreiländerbrücke (für Fußgänger und Zweiräder) bei Rhein-km 170,2 und die Palmrain-Straßenbrü-

Kleinhüningen (beide Basel-Stadt), Muttenz und Birsfelden (beide Baselland). Zwar ist Rheinschifffahrt in Basel seit Jahrhunderten belegt, aber eine moderne Hafenstadt für größere Binnenschiffe konnte Basel erst durch den Ausbau der Schiffbarkeit südlich von Mannheim und Karlsruhe werden. Der französische Rheinseitenkanal erleichterte ab 1932 die Schifffahrt im südlichen Oberrhein. Im 20. Jahrhundert gingen Häfen, Industrieund Gewerbestandort Basel eine dynamische Verbindung ein, kenntlich an den hohen Tanksilos, Lagerhäusern, Containerstapel, Kränen und Kaimauern, die sich über insgesamt 1,3 Millionen m2 Hafengebiet verteilen. Nicht ohne Stolz

cke (Weil am Rhein / Village-Neuf) bei Rheinkm 171,35. uw

spricht man in Basel vom „Goldenen Tor“ als dem Schweizer Zugang zum Meer. Seit 2008 wird dieses Tor zentral von einer

Basel – „Schweizerische Rheinhäfen“

öffentlich-rechtlichen Anstalt, den „Schweizerischen Rheinhäfen“, verwaltet. 2008, im ersten

Die vier Rheinhäfen Basels sind erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als moderne Häfen entstanden, in der Reihenfolge St. Johann,

Geschäftsjahr dieser neuen Körperschaft, wurden 7,2 Millionen t (+ 1,5 % zum Vorjahr) umgeschlagen; der Containerverkehr, der 2007 um

Basel – „Schweizerische Rheinhäfen“ 213

20 % auf 104 000 TEU angewachsen war, nahm hingegen um 11 % auf 93 000 TEU ab. Trotz sol-

hundert entwickelten sich die Farbenchemiker

chen Schwankungen haben die Basler Häfen für die Region wie für die Schweiz insgesamt im-

Basel entstand nach mancherlei Fusionen 1996 der Pharmakonzern Novartis, mit einem Hauptquartier im rheinnahen Areal der früheren Sandoz AG. Die industrielle Produktion von Novar-

mense wirtschaftliche Bedeutung. 15 % des gesamten Außenhandels der Schweiz laufen über die Basler Häfen, ebenso 40 % ihres Mineralölimports, nämlich rund 3 Millionen t. Erst durch die günstigen Transport- und Lagermöglichkeiten der Binnenschifffahrt sind Branchen wie Stahlverarbeitung, Recycling und Mineralölaufbereitung möglich geworden. Chemie- und Agrarprodukte bzw. Nahrungsmittel haben ihre größten Schweizer Umschlagplätze in der Region Basel. Viele Hafenflächen in Stadtnähe sind mittlerweile für neue Nutzungen attraktiv geworden. Die Planer haben Wohnungen und Büros, besonders auch Kultur und Tourismus im Auge. Das wird nur langfristig möglich sein, wenn Nutzungsrechte des Hafens auslaufen. Das ist im Hafen Kleinhüningen 2029 der Fall. Die Kontakte der Hafenwirtschaft mit den benachbarten Häfen in Weil am Rhein (BadenWürttemberg) sowie Hüningen und Mülhausen (frz. Huningue und Mulhouse, Frankreich) sind zahlreich. Für ca. 2050 macht man sich selbst über einen trinationalen Hafen auf Elsässer Gebiet schon gemeinsam Gedanken. Derzeit wichtigster Faktor bei der Umnutzung ist der Pharma-Gigant Novartis. jr /uw

Basel – Rheinpark Für die chemische Herstellung von Farbstoffen braucht man Wasser. Standorte am Strom waren deshalb gesucht, als im 19. Jahrhundert die Industrie der sogenannten Anilin- oder Teerfarbstoffe auch am Rhein ihren Aufschwung nahm. In Basel nahmen nach 1850 innerhalb kurzer Zeit mehrere Firmen dieses Gewerbe auf, Kern & Sandoz, J. R. Geigy, Ciba AG etc. Im 20. Jahr-

214 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

zu Herstellern pharmazeutischer Produkte. In

tis findet inzwischen an zahlreichen Orten rings um den Globus statt, und das frühere Fabrikareal wird derzeit in einen konzerneigenen „Campus des Wissens“ für Forschung und Entwicklung umgewandelt. Gemäß einem Generalplan von Vittorio Magnago Lampugnani realisieren diverse bekannte Architekten Forschungs- und Bürobauten für bis zu 10 000 Mitarbeiter. Das frühere Sandoz-Areal grenzte an den 1905 eröffneten Rheinhafen Basel-St. Johann. Dieses Hafenareal hat Novartis vom Kanton Basel-Stadt gekauft, wodurch der Unternehmens-Campus sich Richtung Rhein ausdehnen kann. Die Silos und anderen Hafenbauten weichen einem öffentlichen Park. Der neue Uferpark von der untersten Rheinbrücke 500 m stromabwärts setzt den Park fort, der von derselben Bücke rheinaufwärts seit den 1980er-Jahren an der Stelle des städtischen uw Schlachthofes entstanden ist.

Basel – Trinationale Agglomeration Das Miteinander von Städten und Landschaften ist im Laufe des 20. Jahrhunderts durch das übermäßige Wachstum der Städte und durch Verkehr, Tourismus oder auch Industrie und Gewerbe zu einer Aufgabe des kommunalen Zusammenwirkens innerhalb von ganzen Regionen geworden. Besonders auch die dynamische Siedlungsentwicklung am Rhein bedarf der planerischen und ökologischen Regulierung und Vorausschau. Im Falle des von Frankreich, Deutschland und der Schweiz gebildeten, dicht besiedelten Dreiländerecks bei Basel kommt die Notwendigkeit und Schwierigkeit einer grenzübergreifenden

Abstimmung hinzu. Zur Erarbeitung einer längerfristigen regionalen Entwicklungsperspektive wurde 2002 die TAB – Trinationale Agglomeration Basel – gegründet. Mitglieder der TAB sind Städte und Gemeinden, Gemeindeverbände und Gebietskörperschaften. Die TAB versteht sich in diesem Rahmen als ein Forum für Informationsaustausch, Diskussion und Entwicklung von Projektideen. 2003 wurde dafür ein Planungsbüro geschaffen. Vor allem im Sinne der Förderung grenzübergreifender Maßnahmen schlägt die TAB auch Einzelprojekte vor. So wurde z. B. 2007 eine Fußgängerbrücke über den Rhein fertiggestellt, die das deutsche Weil am Rhein mit dem französischen Huningue verbindet ( Weil – Dreiländerbrücke Y Kap. 5). Auf dem Hintergrund der Arbeit der TAB entstand 2007 eine weitere Organisation, die die Gebietskörperschaften der Region umfasst, der Trinationale Eurodistrikt Basel (TEB). Die TEB verfolgt z. B. die Einrichtung einer Internationalen Bauausstellung IBA 2020 für die Dreiländerregion um Basel. Diese IBA am Rhein wird das erste Beispiel einer nationale Grenzen übergreifenden Bauaustellung sein. Grenzüberschreitende Kontakte haben in der Region Basel Tradition. Bereits seit 1963 wurden trinationale Diskussionen und kooperative Planungen begonnen, und zwar mit unterschiedlichen Perimetern. f Die in den drei beteiligten Ländern in den 1960er- und 70er-Jahren gegründeten RegioGesellschaften („Regio Basiliensis“, „Régio du Haut-Rhin“, „Freiburger Regio-Gesellschaft“) bemühen sich vor allem um den Raum Freiburg / Br.-Colmar-Basel-Liestal. f Sehr viel weiter gefasst ist der Raum, für den die sogenannte Oberrheinkonferenz eingerichtet wurde (Nordwestschweiz, Markgräflerland, Elsass, Breisgau, Karlsruhe, Südpfalz; Grenzüberschreitend Y Kap. 5).

f Im Vergleich dazu konzentrieren sich TAB und TEB auf den engeren Perimeter der trinationalen Agglomeration Basel. f Nochmals anders definiert ihren Perimeter die seit 2004 tätige Organisation „metrobasel“. Sie stützt sich auf einen Raum, der dem trinationalen Einzugsgebiet von Basel als Arbeitsort entspricht, und sie bemüht sich, die globale Ausstrahlung dieses Wirtschaftsstandorts zu unterstützen. jr /uw

Bilge / Bilgenentölung Der Hohlraum über der Kiellinie, also eine Art Wanne als tiefste Stelle des Schiffrumpfs, oft unter dem Schiffsmotor gelegen, das ist die Bilge (nl. bilge, frz. fond de cale oder sentine). Hier sammeln sich Reste aus Treibstoff und Schmierölleitungen, vermischen sich mit Leckund Schwitzwasser oder Resten von Reinigungsmitteln zu einer trüben und giftigen Brühe. Noch bis in die 1950er-Jahre war es üblich, dieses Gemisch einfach über Bord zu pumpen, zu lenzen, „in die fließende Welle“, wie es bei den Schiffern so schön heißt. Von all den Quellen der Rheinverschmutzung kam der wilden Bilgenentleerung lange Zeit ein deutlicher Anteil zu. Außerdem setzten sich schwerlösliche Metallverbindungen aus dem Bilgenöl in der Flusssohle dauerhaft fest. Selbst das aus den Uferfiltraten gewonnene Trinkwasser wurde mit diesen Schadstoffen belastet. Zum Aufbau einer geregelten Entsorgung des Ölwassergemischs aus der Bilge entstand in den 1950er-Jahren in Duisburg eine vorbildliche private Initiative. Ein ausrangierter Aalschocker wurde 1957 zur Aufnahme der schmutzigen Brühe umgebaut und mit einer Trennanlage für Öl und Wasser eingerichtet. Das Schiff hieß erst „Helena“, dann „Bibo 2“; es soll der erste spezialisierte Bilgenentöler der Welt gewesen sein.

Bilge / Bilgenentölung 215

leur SPRIS II“ aktiv. In den Niederlanden betreut die „Inzamelstation Nijmegen“ die Bilgenöl- und Abfallentsorgung, mit der Hilfe der sechs Entsorgungsschiffe „Hulhuizen“, „Hulhuizen I“, „Ozon“, „Ozon I“, „Gendt“ und „Nijmegen“. Die Schiffer können über den „Rheinfunk“ ein Schiff aus der „Gelben Flotte“ der BilgenentBilge

öler anfordern. Dabei hissen sie die gelbe Flagge mit dem schwarzen Kreis. So ist das anfordernde Schiff auf dem vielbefahrenen Rhein leichter aufzufinden. Die Wasserschutzpolizei überwacht das System mit Hilfe des vorgeschriebenen Öl-

180 ó Der Querschnitt zeigt, dass Öl, Reinigungsmittel und Schmutzwasser in der „Bilge“ eines Schiffes zusammenlaufen.

181 ó Schiffe der Bilgenentölerflotte des Rheins stehen ständig auf Abruf zur Verfügung – Aufnahme auf dem Main.

Dazu entstand 1961 die Bilgenentölung GmbH und 1965 als ihre öffentliche Trägerschaft der Bilgenentwässerungsverband, seinerseits getragen von der Arbeitsgemeinschaft der Rhein-Wasserwerke. Seit 1963 ist das Lenzen in den Rhein verboten.

kontrollbuchs. Das im deutschen Rheinabschnitt gesammelte Altöl wird in Raffinerien wieder aufbereitet und verkauft. 2004 z. B. wurden immerhin 20 Millionen l Bilgenöl auf diese Weise entsorgt. Für das deutsche Rheingebiet hat die ARGE Rhein (Arbeitsgemeinschaft von sechs deutschen Bundesländern zur Reinhaltung des Rheins) ein detailliertes Entsorgungskonzept für die Abfälle der Schifffahrt geschaffen. Das Konzept schließt die Bilgenentölung ein, betrifft aber auch Leergebinde, Putzlappen, Altfilter, Altfarben, gebrauchte Lösungsmittel etc. und alles wird umweltgerecht entsorgt. Heute ist die Bilgenentölung auf dem Rhein nicht mehr ein sichtbares Problem. Die Analysetechnik hat allerdings große Fortschritte gemacht, und es stellt sich heraus, dass die Treibstoff- und Schmierölspuren nicht verschwunden sind. Weitere Verbesserungen sind im Gang. jr /uw

Seither hat sich die flächendeckende Entsorgung im gesamten Rheineinzugsgebiet entwickelt. Die deutsche Bilgenentölungsgesell-

Binnenhäfen

schaft m. b. H. Duisburg betreibt heute sechs Schiffe von Mannheim bis zum Niederrhein

bau von Kanälen konnte sich in Deutschland ein fast flächendeckendes System der Binnenschiff-

und zwei feste Stationen. Ein Bilgenentölungsboot (MS „Bibo Regio“) gibt es seit 1978 auch in Basel. In Straßburg ist das „Bateau déshui-

fahrt entwickeln. Die Knotenpunkte sind die Binnenhäfen. Am Rhein haben sie sich, als Teil der großen Städte mit ihren Industrie- und Ge-

216 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Mit der Nutzung größerer Flüsse für den Transport von Gütern und Personen und mit dem Aus-

182 ó Gernsheim, rechtsrheinisch wenige Kilometer unterhalb von Worms, ist ein typischer kleiner Binnenhafen, Schwerpunkt Kiesverladung. Das geringere Fracht- und Lagerungsaufkommen macht auch den kleinen Häfen zu schaffen. Gernsheim hilft sich erfolgreich mit der Umstellung auf Hafennutzung für Sport- und Freizeitboote.

werbegebieten, oft zu ausgedehnten Hafenanlagen und Umschlagplätzen herausgebildet. Als Umschlagplätze für Güter aller Art und als Standorte für Industrie und Gewerbe unterliegen die Binnenhäfen stets einem Wandel, abhängig von Entwicklungen in Wirtschaft und Verkehr. Manche Industrien und gewerblichen Branchen, die noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein Standorte an Flüssen oder nahe an Häfen bevorzugten, sind heute technologisch und logistisch von solchen Lagen unabhängig. Lagerflächen etwa für Kohle, Eisenerz, Schüttgut, Holz, Getreide, Lebensmittel, Halbzeuge etc. werden nicht mehr überall so dringend gebraucht, sie unterliegen anderen Verteilungs- und Verarbeitungswegen. Manche Kommunen bzw. Hafengesellschaften haben nach neuen Nutzungen für diese Flächen gesucht, auch bei Branchen, die hafenunabhängig sind. Dabei entwickeln sich zeitgemäße Ideen wie IT-Zentren in Duisburg oder ein „Kulturkanal“ mit Wohnungen und Kultureinrichtungen, z. B. einer Pop-Akademie wie in Mannheim. Das Standortargument ist dann nicht der Hafen an sich, sondern die reizvolle Nähe zum Wasser und zur Atmosphäre der alten Hafenanlagen.

Dieser schwierige Umstrukturierungsprozess in Richtung HighTech, Kultur, Kreativität und Freizeit wird sicher noch Jahrzehnte andauern und ist Teil der Modernisierung der Binnenhafenstädte insgesamt. Der Personentransport ist in der Binnenschifffahrt fast ausschließlich Ausflugsverkehr und vom Tourismus geprägt. Er ist nicht an Häfen gebunden, sondern nutzt eine Fülle von Anlegemöglichkeiten, die in allen kleineren und größeren Rheinstädten dem Tourismus zur Verfügung stehen. jr

Birs Die Birs (frz. la Birse) ist ein linker Nebenfluss des Hochrheins. Sie entspringt auf 760 m ü. M. im Schweizer Jura, bei Tavannes (Kanton Bern), durchfließt die Kantone Bern, Jura, Solothurn, Baselland, Basel-Stadt und mündet auf 250 m ü. M. als Grenzfluss zwischen den beiden letzteren zwischen Birsfelden und Basel bei Rheinkm 164,5. Der 73 km lange Fluss durchquert mehrere Juraketten in engen Schluchten. Sein Einzugsgebiet umfasst 922 km², die Wasserführung schwankt stark, im langfristigen Mittel liegt sie an der Mündung bei 16 m³ / s.

Birs 217

Die Birs ist nirgends schiffbar, diente aber lange als Floßgewässer; sie wurde mehrfach und wird noch immer industriell genutzt, unter anderem zur Stromproduktion.

Dieser lange Abschnitt zwischen Birsig und Ill ohne linke Zuflüsse hat den Bau des linksrheiniuw schen Grand Canal d’Alsace erleichtert.

Die Birs gilt streckenweise als ertragreiches Forellengewässer. Renaturierungen sind teils vollzogen, teils geplant. Unter anderem wurde

Bislicher Insel

die Mündung in Basel-Birsfelden lachsgerecht umgestaltet, und hier wurde im Oktober 2008 –

zeichnet. Sie liegt links des Rheins, zwischen Ginderich und Xanten im Kreis Wesel, und umfasst

erstmals seit rund 50 Jahren – ein Lachsweibchen geangelt. Weil sich am Hochrhein der Biber flussabwärts

12 km², wovon 8,86 km² als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind. Die Bislicher Insel ist keine Insel, sondern ein Mäandergebiet; nach jahrhun-

Richtung Basel ausbreitet, hat die NGO „Hallo Biber – A l’eau castor“ auf seine Ausbreitung auch entlang der Birs hingearbeitet; erste Erfolge stellten sich 2009 ein. uw

dertelang wechselndem Stromverlauf ließ Friedrich der Große 1788 den Rhein durch den Bislicher Graben begradigen. Das ergab den stillen Rheinarm, der heute Bislicher Insel heißt und als Überflutungsfläche bei Hochwasser dient. 1982

Birsig

begann der Kommunalverband Ruhrgebiet einen Teil der Bislicher Insel zu erwerben, um das Gebiet zu erhalten. Als Kernstück des Naturschutzgebiets gilt der über 5 km lange Xantener Altrhein mit seinen Weichholzauenwäldern. Die

Der Birsig ist ein linker Nebenfluss des Oberrheins. Er entspringt im Sundgauer Jura (Frankreich), fließt erst durch elsässisches, dann durch schweizerisches Gebiet, dann durch die Stadt Basel, wo er seit dem 19. Jahrhundert teilweise überdeckt ist, zur Mündung bei Rhein-km 166. Der Birsig ist der südlichste linke Nebenfluss des Oberrheins. Stromabwärts folgt erst nach 140 km der nächste linke Nebenfluss, die elsässische Ill.

Als Bislicher Insel wird eine der wenigen verbliebenen Auenlandschaften am Niederrhein be-

Bislicher Insel zieht zahlreiche Vögel an. Bis zu 30 000 arktischen Wildgänsen (Grau-, Saat- und Blässgänse) überwintern hier, auch seltene und vom Aussterben bedrohte Arten finden sich hier ein. 2004 wurden auf der Bislicher Insel Biber ausgewildert; am Niederrhein war der letzte Biuw ber 1877 in Duisburg erlegt worden.

Hamburg London

Berlin

„Blaue Banane“ ist eine Bezeichnung für den wirtschaftlichen und demografischen Verdichtungsraum, der sich von Manchester über London

Wien

via Benelux, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar, Oberrhein, die Schweiz bis nach Norditalien

Leipzig Paris

Prag München Zürich

Lyon

Milan

Marseille

Rom

218 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Blaue Banane

Dresden

183 ó Die schematische Darstellung zeigt die Lage der wirtschaftlichen und urbanen Verdichtung entlang des Rheins und von London bis Rom (meist wird hier Mailand genannt).

erstreckt. Der Ausdruck „Blaue Banane“ stammt aus einer Studie, die der französische Geograph

Alpenrandseen (nach dem Genfer See und vor dem

Roger Brunet 1989 für die Datar (frz. Planungsbehörde) erstellte. Der Pariser Raum, Lyon und

Tiefe beträgt 90 m, sein Volumen 48 km³. Der See liegt in Deutschland, der Schweiz und Österreich (die Staatsgrenzen sind innerhalb des Sees nicht definiert, sogenanntes Kondominiumsgebiet)

Marseille liegen außerhalb der von Brunet definierten Banane, und Brunets Motiv war, den französischen Staat dazu zu drängen, dass diese französischen Wirtschaftsräume besser mit dem Verdichtungsraum verbunden werden sollten. Der Ausdruck „Blaue Banane“ ist auch außerhalb der französischen Planungsmotive populär geworden. Er bezeichnet heute das im 19. und 20. Jahrhundert entstandene Band von Metropolen zwischen Mittelengland und Norditalien, das unter anderem den gesamten Rheinlauf einschließt. Es handelt sich um eine Kette von Schwerpunkten, die als Metropolstädte miteinander um Ansehen und Wirtschaftskraft konkurrieren. Mehr und mehr spielen bei diesem Profilierungsstreben auch die Standorte für Wissenschaft und Forschung eine Rolle. Man spricht außerdem von der „Goldenen Banane“, die sich von Genua bis Valencia hinzieht und auch als „European sun belt“ bezeichnet wird. jr /uw

Bodensee Der Bodensee ist ein Alpenrandsee. Das Massiv der Alpen weist sowohl auf seiner West- und Nordseite als auch auf seiner Südseite seit dem Abklingen der jüngsten Eiszeit eine Reihe von Seen auf, die sich durch die Gletscher gebildet haben. Auf der West- und Nordseite der Alpen reicht die Kette der Seen von der französischen Savoie über die Schweiz, Baden-Württemberg und Bayern bis nach Oberösterreich, auf der Südseite vom Piemont über die Lombardei und Venetien bis nach Kärnten. Der Bodensee (nl. Bodenmeer, frz. Lac de Constance) auf der Nordseite der Alpen ist mit 472 km² (536 km² inklusive Untersee) der zweitgrößte aller

Gardasee). Er liegt auf 396 m ü. M., seine mittlere

bzw. in Baden-Württemberg, Bayern, den Kantonen St. Gallen und Thurgau sowie Vorarlberg. Vom vorarlbergischen Bregenz am Ostufer bis zum badischen Bodman-Ludwigshafen am Ende des sich nordwestwärts erstreckenden Überlinger Seearms ist der Bodensee 63 km lang. Die breiteste Ausdehnung von 15 km und die mit 252 m tiefste Stelle befinden sich zwischen dem badischen Friedrichshafen (die Stadt hieß bis 1811 Buchhorn) und dem thurgauischen Romanshorn. Von der Gesamtmenge an Zuflüssen zum Bodensee entfallen über 60 % auf den Alpenrhein (im Mittel 240 m³ / s bei dessen Mündung); zweitmächtigster Zufluss ist die Bregenzer Ache (12 % der Zuflussmenge bzw. 48 m³ / s). Der natürliche Abfluss des Bodensee ist der Seerhein, der in Konstanz an der Seebrücke beginnt. Der Bodensee ist nicht reguliert, das heißt, im Unterschied zu den meisten anderen Alpenrandseen gibt es am Bodensee (und Untersee) keine menschliche Steuerung der Abflussmenge. Die höchsten Wasserstände am Pegel Konstanz wurden mit 6,36 m am 7. Juli 1817, 5,91 m am 18. August 1821 und 5,65 m am 24. Mai 1999 gemessen. Jährlich durchströmen im Mittel 11,5 Milliarden m3 Wasser den Bodensee. Der Kanton Thurgau hält seit 1973 in seiner Verfassung fest, Kanton und Gemeinden hätten sich gegen Veränderungen am natürlichen Zustand von Bodensee, Untersee und Rhein zur Wehr zu setzen. Das wird als Verbot des Baus eines Rheinwehrs sowohl am Bodensee-Abfluss als auch am Untersee-Abfluss verstanden. Der Kanton Thurgau ist dafür freilich nicht allein zuständig.

Bodensee 219

Die Wasserqualität des Bodensees gilt als sehr gut. Nach 1945 wurde eine nach und nach steigende Belastung vor allem durch Phosphate beobachtet. Die Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) schrieb 1963 den Phosphateintrag den Fäkalien und phosphathaltigen Waschmitteln in kommunalen Abwässern sowie dem Dünger der Landwirtschaft zu. Um 1980 betrug die Phosphatkonzentration das Zehnfache des natürlichen Wertes. Seit den 1970er-Jahren entstanden zahlreiche Kläranlagen, und seit 1986 gibt es vollständig phosphatfreie Waschmittel: Heute ist fast wieder der natürliche Wert erreicht. Die nicht ganz so bedeutsame Nitratkonzentration liegt nach einem kontinuierlichen Anstieg bis 1985 seither konstant bei ca. 4,8 mg / l. 1972 wurde die „Internationale Bodenseekonferenz“ eingerichtet, an der Vorarlberg, BadenWürttemberg und Bayern sowie die Schweizer Kantone Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau teilnehmen. Die Konferenz fördert die grenzüberschreitende Zusammenarbeit beim Gewässerschutz, für Fischerei und Schifffahrt, und sie dient auch in Fragen der Regionalplanung dem Informationsaustausch. Mehrere Schifffahrtsunternehmen in Deutschland, der Schweiz und Österreich befördern mit insgesamt 36 Schiffen jährlich rund 4,3 Millionen Passagiere, im Fährbetrieb (Fähren Konstanz-Meersburg, Romanshorn-Friedrichshafen) und vor allem im Freizeitverkehr. Der Bodensee leitet seinen Namen von der karolingischen Kaiserpfalz „Bodman“ ab, die sich am Nordende des Überlinger Sees befand. Der See wird zuweilen auch als „Schwäbisches Meer“ bezeichnet, obwohl er nicht im schwäbischen, sondern zur Gänze im alemannischen Sprachraum liegt. Auch die Kunstgeschichte zählt den Bodensee zum schwäbischen Raum. uw

220 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Bodensee – Seegfrörni In kalten Wintern bildet sich auf dem Bodensee eine Eisdecke, und etwa alle 70 Jahre friert der See so sehr zu, dass er zu Fuß oder zu Pferd überquert werden kann. Im örtlichen Alemannischen nennt man das Seegfrörni oder -gfrörne. Der Prozess der Abkühlung beginnt bereits im Spätsommer und wird durch klare Nächte und kalte, kräftige Winde gefördert. Generell gilt, dass ein tiefer See länger braucht, um abzukühlen, als ein flacher. Allerdings spielen auch andere Faktoren wie warme Zuflüsse aus Kläranlagen oder Berge, die die Wärme reflektieren, eine Rolle. Da Wasser bei 4 °C seine größte Dichte besitzt, bleibt das kältere Wasser an der Oberfläche und der See gefriert von oben her zu. In der Tiefe bleibt die Temperatur stets bei etwa + 4 °C. Die letzte große Gfrörni fand im Winter 1962 / 63 statt, als der Bodensee, ebenso wie andere Alpenrandseen, von einer dicken, begehbaren Eisschicht überzogen waren. Die bekannten Seegfrörnen fanden in folgenden Jahren statt: 1077 (unsicher), 1326 (teilweise), 1378 (teilweise), 1435, 1465 (teilweise), 1477 (teilweise), 1491 (teilweise?), 1517 (teilweise), 1571 (teilweise), 1573, 1600 (teilweise), 1684, 1695, 1709 (teilweise), 1795, 1830, 1880 (teilweise), 1929, 1963 Literarisch überliefert ist, dass am 5. Januar 1573 der Elsässer Postvogt Andreas Egglisperger mit seinem Ross den zugefrorenen Bodensee nach Überlingen überquerte. Dieses Ereignis inspirierte den schwäbischen Dichter Gustav Schwab zu seiner Ballade „Der Reiter und der Bodensee“. Hieran erinnert der Brunnen des Künst-

184 ó Jung und Alt tummelt sich auf dem Eis des Bodensees, sobald es genügend fest ist. Dass der See überall zufriert, ist freilich selten; die letzte ganze „Seegfrörni“ ereignete sich Anfang 1963.

lers Peter Lenk „Der Reiter über den Bodensee“ in Überlingen in der Nähe der Seepromenade. Seit 1573 wird bei jeder Seegfrörni eine Büste des Heiligen Johannes in einer feierlichen Eisprozession über das Eis getragen, und zwar vom badischen Hagnau ins thurgauische Münsterlingen bzw. in der Gegenrichtung, und bei der nächsten Seegfrörni wieder zurück. Seit 1963 steht die Büste in der Pfarrkirche des ehemaligen Benediktinerklosters in Münsterlingen. uw

Baden-Württemberg bis in den Stuttgarter Raum

Die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) ist ein Zweckverband zur Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser. Der Verband wurde 1954 von 14 Gemeinden gegründet; damals zur Versorgung der wasserarmen Schwäbischen Alb und des Großraums Stuttgart. Heute versorgt die BWV mit

und ins Mittlere Neckartal. Die BWV entnimmt dem Bodensee jährlich zwischen 130 und 135 Millionen m³ Wasser. Das ist weniger als die Wasserverdunstung des Sees und ca. 1 ‰ des Gesamtdurchsatzes. Der höchste Wasserverbrauch betrug am 8. August 2003 531 000 m³. Die BWV hat ein Entnahmerecht von 670 000 m³ Rohwasser pro Tag. Das Wasser wird dem See bei Sipplingen (Überlinger See) in 60 m Tiefe entnommen (1958 zwei, seit 1978 drei Rohre) und auf den 300 m höher gelegenen Sipplinger Berg gepumpt, wo sich die Filter befinden, und von da in die Fernleitungen gegeben. In drei Aufbereitungsstufen werden mit feinsten Sieben Mikroorganismen, Schwebstoffe und Algen entfernt. Hochaktiver Sauerstoff (Ozon) vernichtet noch verbliebene Mikroorga-

Sitz in Stuttgart – als größte deutsche Fernwasserversorgung – über ein 1700 km umfassendes Leitungsnetz etwa 4 Millionen Menschen in rund 320 Städten und Gemeinden. Die BWV hat heu-

nismen. Sandschnellfilter und Zugabe von Eisensalz und Chlor bringen schließlich hygienische Sicherheit, die ständig kontrolliert wird. In allen Teilen des Systems, in den Entnahme-

te 180 Verbandsmitglieder, 146 Städte und Gemeinden sowie 34 Wasserversorgungsverbände.

leitungen, Aufbereitungsanlagen, Leitungsrohren und in den Wasserreservoiren bzw. Übergabe-

Das aus dem Bodensee gewonnene Trinkwasser versorgt über das weitverzweigte Leitungssystem

behältern, werden jährlich 30 000 Wasserproben physikalisch-chemisch und bakteriologisch kon-

Bodensee – Wasserversorgung

Bodensee – Wasserversorgung 221

trolliert. Abweichungen von den zulässigen Werten würden sofort bemerkt werden. Seit Oktober

ten neue Nutzungen für die Gebäude des ehemaligen Regierungsviertels zwischen Bonn und

2009 betreibt die Bodensee-Wasserversorgung ein modernes Laborschiff, die „Daphnia“. Ihre frühe-

Bad Godesberg gefunden werden. Dafür wurden Bundesinstitutionen, internationale Organisationen und weltweit tätige Firmen akquiriert. Für den Kernbereich von Plenarsaalgebäude (seit

ren Laborschiffe heißen „Nöck I“ und „Nöck II“. jr /uw

1992 das umgebaute Alte Wasserwerk) und Ab-

Bonn – Rhein-Sieg-Kreis /Grünes C Im Großraum zwischen Bonn und dem RheinSieg-Kreis werden links- und rechtsrheinische, sehr unterschiedliche Landschaftsräume ergänzt, gesichert und nach Möglichkeit in einer C-artigen Großform miteinander verbunden. Die jeweils landschaftsprägenden Identitätsmerkmale wie Gartenland, Ackerlagen oder Überflutungswiesen direkt am Rhein sollen besonders herausgestellt, gestaltet bzw. wieder hergestellt werden. Das Grüne C verbindet einerseits Flächen des linksrheinischen Vorgebirges im Bonner Norden (Leitbild des agrarwirtschaftlichen „Kulturraums“) und andererseits der Siegaue und des Siebengebirges (Leitbild des geschützten „Naturraums“). Der hohe Grad der Verstädterung beidseitig des Rheins macht dieses langfristige Vorhaben (2020) so schwierig wie notwendig. Auf diese Weise entsteht ein sogenannter Landschaften-Park und ein „Brückenschlag“ über den Rhein mit der Mondorfer Fähre. Das Thema „Rheinquerung“ wurde als besondere Gestaltungsaufgabe durch einen Wettbewerb geklärt. Die jeweilige Annäherung an das gegenüberliegende Ufer wird durch „Kunst in der Fläche“ zum Erlebnis gesteigert: z. B. durch bescheidene landschaftsarchitektonische Elemente wie Übergänge von Wiese und Park, stellenweise Terrassierung des Ufers oder eine zum Verweilen einladende Treppenanlage. jr

geordnetenhaus konnte die UNESCO als neuer Nutzer gewonnen werden. In den ehemaligen Plenarbereich des Bundestages ist 2008 das UNKlimasekretariat eingezogen. Das Abgeordnetenhaus, von der Bevölkerung etwas spöttisch nach dem als Bauherr verantwortlichen Bundestagspräsidenten der Bauzeitphase (1965 – 1969) Eugen Gerstenmaier als „Langer Eugen“ bezeichnet, wurde Bürositz für über 700 UN-Mitarbeiter. Vor allem das Alte Wasserwerk wird als World Conference Center Bonn genutzt – daher die Bezeichnung UN-Campus für den ganzen Bereich. Umbaumaßnahmen, Außengestaltung und Umzug der UN-Institutionen, die bislang auf mehrere Orte verstreut waren, soll bis 2011 abgeschlossen sein. Haushaltssperren werden aber voraussichtlich für Verzögerungen sorgen. Unmittelbar anschließend haben sich hier ebenfalls nahe am Rheinufer die Zentralen der Deutsche Telekom AG und der Deutsche Post AG sowie der Sender Deutsche Welle in neu errichteten, architektonisch ambitionierten Gebäuden niedergelassen. Der „Post Tower“ wurde zeitweilig wegen seiner in der Flussniederung singulären Höhenentwicklung von 162,5 m kritisiert. Insgesamt ist die Umnutzung und Erweiterung des alten Regierungsbereichs, besonders auch angesichts der anfänglichen Sorgen der Stadt Bonn, dass hier Leerstände entstehen könnten, zu einem neuen und international bekannten Topos direkt am Rhein gut gelungen. Die landschaftsar-

Bonn – UN-Campus Mit dem Wechsel der Bundeshauptstadtfunktion im Jahr 2000 von Bonn nach Berlin muss-

222 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

chitektonische Einbindung des Ensembles bietet für die Bonner Bevölkerung wie für Besucher der Stadt und des Campus schöne Spazierwege. jr

185 ó Das ehemalige Abgeordnetenhochhaus (Architekt: Egon Eiermann) beherbergt seit 2006 eine Vielzahl der im Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich tätigen UN-Organisationen (rechts). Zusammen mit dem sanierten Alten Hochhaus, der Erweiterung des ehemaligen Bundeshauses, bildet es den Kern des UN-Campus nahe am Rheinufer. Das Gebäude des Senders Deutsche Welle (Architekt: Joachim Schürmann) bildet mit der Betonung der Horizontalen einen Gegenakzent.

Bonner Bogen Als Standorte für Wohnen und Arbeiten sind städtische und verkehrlich gut erschlossene Lagen direkt am Rhein immer attraktiver geworden. Viele Städte entdecken die oft vernachlässigten oder brachliegenden Industriegebäude oder Hafenanlagen direkt am Rhein und bauen sie mit Hilfe von Investoren und Bauträgern für moderne Nutzungen um. Für eine solche Um- und Neunutzung ist der sogenannte Bonner Bogen am rechten Rheinufer gegenüber dem Rheinauenpark ein gutes Beispiel. Ausgangspunkt ist die schon Mitte des 19. Jahrhunderts dort errichtete Portland Zementfabrik mit einer Vielzahl von Gebäuden im Umfang einer Kleinstadt. Nach Stilllegung der Produktion Ende der 1980er-Jahre blieben die Direktoren-

villa, ein Wasserturm und die Rohmühle erhalten. Sie wurden saniert, mit moderner Architektur ergänzt und zum Teil aufgestockt. Die „neue“ Fabrikantenvilla dient heute der Agfa Health Care als Sitz. Die Rohmühle wurde Bürohaus für verschiedene Nutzer. Im Erdgeschoss entstand ein Restaurant mit großer Rheinterrasse. Weitere Bürogebäude, ein Parkhaus und eine Kindertagesstätte sind geplant. Ein Pendelboot soll die Wasserverbindung unter anderem zum Kongresszentrum und zur Bonner Kernstadt auf der gegenüberliegenden Rheinseite herstellen. Dafür ist ein neuer Schiffsanleger eigens für den Bonner Bogen geplant. Initiator und Bauherr des gesamten Projektes ist die BonnVisio Immobilien GmbH & Co. KG. jr

Bonner Bogen 223

Börtschifffahrt „Beurten“ hießen schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in den Niederlanden Gesellschaften von Schiffern und Reedern, die fahrplanmäßig auf Flüssen und Kanälen, unter anderem auch auf dem Rhein, Personen und Güter (bis zu ca. 250 t) beförderten. „In der Beurte“ hieß so viel wie „in der Reihe“. Gemeint sind die in einer bestimmten Reihenfolge am Kai liegenden Schiffe. Der sogenannte Bug-Lieder, das vorn liegende Schiff, unternahm die jeweils nächste Fahrt. Die Börtschifffahrt wurde deshalb auch als Rang- oder Reihenschifffahrt bezeichnet. Die Schiffer mussten den Fahrplan einhalten, auch wenn sie keine volle Ladung hatten. Die Schiffslinien waren weiträumig angelegt, z. B. gingen von Köln aus Fahrten nach Straßburg, von Amsterdam aus sogar bis Heilbronn. Schiffbare Nebenflüsse waren also einbezogen. Die Börtschifffahrt ist in ihrer Planmäßigkeit ein Vorläufer der modernen Binnenschifffahrt. jr

Bregenzer Ache Die Bregenzer Ache (oder Ach) ist der zweitmächtigste Zufluss zum Bodensee, nach dem Alpenrhein. Sie entspringt auf 2400 m ü. M. an

der Mohnenfluh im Lechquellengebirge (Vorarlberg), nur wenig von der Tiroler Grenze entfernt, fließt in gewundenem Lauf westnordwestwärts und mündet nach 76 km bei Bregenz in den See (395 m ü. M.). Ihr Einzugsgebiet erstreckt sich auf den westlichen Teil der Allgäuer Alpen und auf den Bregenzer Wald. Der Fluss ist mehrfach zur Stromgewinung aufgestaut; dennoch ist der Fluss vor allem da, wo er in tief eingeschnittenen Waldtälern verläuft, bei Wildwasserfahrern und anderen Naturfreunden beliebt. uw

Brücken – Lichte Weite und lichte Höhe Die Schifffahrt verlangt von allen Rheinbrücken eine ausreichende lichte Weite und eine Durchfahrtshöhe von 9,1 m über dem höchsten schiffbaren Wasserstand (HWS). Die tatsächlich vorhandenen lichten Weiten betragen meist weit über Hundert Meter, bei den Hängebrücken oft über 200 oder gar 300 m, bei den Stahlbalken- oder Gitterbrücken der Eisenbahn zwischen 80 und 100 m. Das gilt von Rotterdam bis hinauf nach Breisach. Hier verengt sich die Weite auf 72 m. Die lichte Höhe von mindestens 9,1 m weisen alle Brücken von Rotterdam stromaufwärts auf,

186 ó Rheinbrücke Emmerich – die längste Hängebrücke Deutschlands.

224 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

bis vor Straßburg. Die Brücken von Straßburg bis Basel haben eine lichte Höhe von noch mindesten 6,75 m. In Basel weist die von 1902 bis 1905 erbaute Mittlere Brücke nur noch 4,8 m lichter Höhe auf. Unter der sechsjochigen Brücke verengt sich in den der Schifffahrt zugewiesenen Jochen auch die Breite auf nur noch 26 m. Diese geringe Höhe erlaubt immer noch ungehinderte Durchfahrt für Tanker und Schüttgut-Frachter bis hinauf nach Rheinfelden, wo für die Großschifffahrt die Wasserstraße endet. Containerschiffe hingegen können die geringe lichte Höhe in Basel nur noch mit zwei Lagen von Behältern passieren, was wenig wirtschaftlich ist. uw

187 ó Rheinbrücke Wesel.

Brücken, römische Julius Cäsar ließ im Jahr 55 v. Chr. am Mittelrhein von seinen Soldaten in nur zehn Tagen eine 400 m lange Brücke über den Fluss zum heutigen Neuwied schlagen, als Drohgebärde gegen rechtsrheinische germanische Stämme. Eichenpfähle, die in die Sohle des bis 6 m tiefen Rheins getrieben wurden, bildeten 50 Joche in ungleichen Abständen; die größte Spannweite betrug 20 m. Auf 2 oder 3 m Höhe über dem Wasser lag auf Längsbalken eine fast 9 m breite Brückenoberfläche aus Reisig und Erde. Über diese Brücke zogen über 26 000 Mann und 6000 Last- und

12 m breite Fahrbahn. Die Pfeiler wurden aus

Reittiere zur rechten, germanischen Rheinseite. Sie kehrten alle nach kürzester Zeit wieder zurück, und nach nur 18 Tagen wurde die Brücke wieder abgebrochen. Denselben Imponier-Kraftakt wiederholte Cä-

großen Steinquadern zusammengesetzt und steckten in „eisernen Pfahlschuhen“. Diese wiederum saßen auf in den Flussgrund gerammten Eichenpfählen. Auch in Koblenz (lat. Confluentes) wurde zu

sar wenige Jahre später, erneut als antigermanische Drohaktion, etwas weiter stromaufwärts. Etwa im Jahr 27 n. Chr. entstand in Mainz (lat.

römischer Zeit eine Rheinbrücke gebaut, außerdem eine Brücke über die Mosel. Dasselbe gilt für „Augusta Raurica“, die im

Mogontiacum) eine feste Rheinbrücke, nachdem ein Brückenkopf auf der rechten Rheinseite er-

1. Jahrhundert v. Chr. entstandene römische Stadt am Hochrhein (heute Augst, östlich von Basel).

richtet worden war. Auf 21 Steinpfeilern, die einen Grundriss von 18 × 7 m aufwiesen, lag eine

Von der Unterstadt in der Rheinebene führte eine Brücke über den Rhein. Der Standort ist be-

188 ó Rheinbrücke bei Germersheim.

Brücken, römische 225

kannt, die Baudaten und die Bautechnik sind es nicht. Sie bestand sicher bis ins 3. Jahrhundert, kaum länger. Eine bleibende Rheinbrücke ließ Kaiser Konstantin im Jahr 310 in der römischen Provinz Niedergermanien von der Stadt „Colonia Claudia Ara Agrippinensis“, also von Köln aus, über den Rheinstrom bauen und durch das Kastell im heutigen Deutz sichern. Sie war 400 m lang und ruhte auf 19 Jochen. Die Fahrbahn war 10 bis 12 m breit und lief auf beiden Ufern in Rampen aus. Mit dem Abzug der römischen Besatzung begann sie zu zerfallen; sie war im 5. Jahrhundert nicht mehr für Fuhrwerke, aber noch für Fußgänger benutzbar, und erst in karolingischer Zeit verschwand sie ganz. uw

Brücken – Standorte Quer über den 1230 km langen Rhein legen sich rund 230 Brücken. Davon entfallen 112 auf den Alpen-, den Vorder- und den Hinterrhein. Dabei handelt es sich um höchst ungleiche Brücken, von einfachen Überwegen für Bergbauern oder -Wanderer am schmalen Medelser Rhein bis zu hohen Autobahnviadukten über der Via Mala. Den kilometrierten Rhein zwischen Konstanz und der Nordsee überqueren – gemäß einer Zählung im Jahr 2007 – 118 Brücken. Die meisten sind jungen Datums, denn alle Rheinbrücken unterhalb von Basel bis zur Nordsee wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Auf dem rund 1000 km langen Rhein zwischen Konstanz und der Nordsee trifft man im Durchschnitt alle 8,47 km auf ein Brücke. Die Abstände sind aber höchst ungleich. 36 Brücken überqueren den Hochrhein zwischen Konstanz (Rhein-km 0) und Basel (Rhein-

in Bingen – überqueren 34 Brücken, was einen mittleren Abstand von 10,6 km ergibt. Über den Mittelrhein – von Bingen bis zur Mündung der Sieg – führen neun Brücken. Von Wiesbaden bis in die Nähe von Koblenz ist der Rhein auf über 80 km nirgendwo überbrückt. Es ergibt sich deshalb für den 113 km langen Mittelrhein ein mittlerer Brückenabstand von 12,5 km. Den 215 km langen Niederrhein, der sich von der Siegmündung bis zur deutsch-niederländischen Grenze erstreckt, überspannen 24 Brücken, was einen durchschnittlichen Brückenabstand von knapp 9 km bedeutet. Der für die Schifffahrt wichtigste unter den niederländischen Rheinarmen, die Waal, die in Rotterdam Nieuwe Maas und Nieuwe Waterweg heißt, wird von 15 Brücken überspannt, und ein weiteres Dutzend Brücken überqueren die Lek, den anderen großen Rheinarm. Die oberste Brücke am kilometrierten Rhein ist die Seebrücke in Konstanz, die unterste ist die Erasmus-Brücke in Rotterdam. uw

Buhnen Buhnen (nl. krib, frz. épi), am Niederrhein auch Kribben genannt, sind Stein-Dämme, die quer zur Strömung vom Ufer aus in Richtung Flussmitte gebaut werden. Ziel der Buhnen ist eine Erhöhung der Fahrwassertiefe, was bei niedrigen Wasserständen die Schifffahrt möglichst lange gewährleistet. Zur Flussmitte hin wird die Strömung schneller, da die Buhnen sich wie eine Verengung des Flussprofils auswirken. Es muss gewährleistet sein, dass durch die Buhnen der Hochwasser-Abflussquerschnitt nicht verkleinert wird. Nach Tullas Rheinkorrektion ergab sich bei

km 167). Damit ergibt sich ein durchschnittli-

längerer Trockenheit regelmäßig Niedrigwasser. Im 19. und 20. Jahrhundert hat der Bau von Buh-

cher Brückenabstand von 4,6 km. Den 363 km langen Oberrhein – zwischen der Mittleren Brücke in Basel und der Nahebrücke

nen die moderne Schifffahrt bis zum südlichen Oberrhein überhaupt erst ermöglicht. Ihr Bau erfolgte nach Plänen des badischen Wasserbauinge-

226 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

nieurs und Professors Max Honsell (1843 – 1910) in der Zeit von 1907 bis 1956. Diese Rhein-Buhnen werden auch heute noch von der Wasserund Schifffahrtsverwaltung unterhalten. Die Buhnen sind nach dem Oberrheinausbau erst in der frei fließenden Rheinstrecke unterhalb der Staustufe Iffezheim erforderlich. Außer am nördlichen Oberrhein sind sie auch am Niederrhein und in den Niederlanden anzutreffen. jr /gw

der Regierungen zur Harmonisierung europäischer Verkehrsangelegenheiten. Die Konferenz hat eine Fülle von Normen für Transportfragen definiert, unter anderem die Abmessungen der Binnenschiffe. Bei ihrer Tagung in Dublin im Mai 2006 haben die Verkehrsminister beschlossen, das International Transport Forum (ITF) ins Leben zu

Bündner Herrschaft

rufen, um auch Ländern jenseits des geographischen Europas einen Beitritt zu ermöglichen. Die Gründungsmitglieder des ITF sind alle Mitglieds-

Wer vom Rheinwein spricht, meint in der Regel die Anbaugebiete am Oberrhein und am Mittel-

staaten der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) sowie einige Länder

rhein. Tatsächlich aber gibt es im nördlichen Teil des Schweizer Kantons Graubünden, genauer am Alpenrhein rechtsrheinisch zwischen Landquart und Bad Ragaz, ein kleines Anbaugebiet um die Weinorte Malans, Jenins, Maienfeld und Fläsch mit insgesamt 5800 Einwohnern. Ein Anbauschwerpunkt sind die Traubensorten Chardonnay, Merlot, Pinot Noir. Dieses Gebiet wird noch heute mit Bündner Herrschaft bezeichnet. Die Bezeichnung entstand in der Zeit, als die Gerichte Malans und Maienfeld Untertanengebiet dreier Bünde waren, Oberer oder Grauer Bund, Gotteshausbund und Zehngerichtebund. Diese drei Bünde, die jeweils mehrere Hochgerichte umfassten, bildeten im Gebiet des heutigen Kantons Graubünden vom Mittelalter bis zum Ende der alten Eidgenossenschaft 1798 eine Art Freistaat. Er folgte dem Prinzip einer kommunalen Nutzungsgenossenschaft, die im damaligen Europa einzigartig war. jr

aus Zentral- und Osteuropa. Das ITF ist eine der OECD angegliederte Organisation, die nicht mehr nur einen europäischen, sondern einen globalen

CEMT – ITF

gung stand. Im schmalen Mittelrheintal und in den Städten war das kaum möglich. Da behalf man sich mit Mauern.

Die CEMT, die Europäische Verkehrsministerkonferenz (nl. Europese Conferentje van Ministers van Verkeer, frz. Conférence Européenne des Ministres des Transports, engl. European Conference of Ministers of Transport, ECMT), war ein 1953 gegründetes, institutionalisiertes Forum

Anspruch hat.

uw

Datteln – Kanal-Knotenpunkt Der Rhein ist über den Rhein-Herne-Kanal mit dem Kanal-Knotenpunkt Datteln (NordrheinWestfalen) verbunden. Datteln, eine Stadt mit 37 000 Einwohnern im nördlichen Ruhrgebiet (Kreis Recklinghausen), liegt an vier Kanälen und gilt als größter Kanal-Knotenpunkt der Welt. Die vier sind der Rhein-Herne-Kanal, der Datteln-Hamm-Kanal, der Wesel-Datteln-Kanal und der Dortmund-Ems-Kanal. uw

Deich, Damm Mit der Begradigung des Rheinverlaufs (Rektifikation) im 19. und auch noch im 20. Jahrhundert wurden an den Flussufern Deiche gegen Hochwasser gebaut, wo dafür genug Fläche zur Verfü-

Der Rhein ist heute auf einer Länge von ca. 1000 km eingedeicht. Der Deich (süddt. Damm, nl. dijk, frz. digue) wird nach Möglichkeit etwa 200 m vom Flussufer entfernt (abschnittsweise

Deich, Damm 227

Stützkörper (Sand-Kies-Schüttung)

Kronenweg Dammkern (Feinboden)

Sickerlinie

Rhein

Bermenweg Dichtungsplombe Dichtwand

Seitengraben

189 ó Querprofil Rheinseitendamm (Staustufen am Oberrhein).

noch weiter entfernt) gebaut. Das Vorland dient als Überflutungsfläche bei Hochwasser. Oft aber

Der neue Deich – in der Regel 2 bis 4 m hoch und in der Krone mindestens 3 m breit – wird mit

sind die Deiche viel näher am Flussufer gelegen, weil die notwendigen Flächen von der Landwirtschaft oder von Bebauung belegt sind. Flussdeiche wurden früher aus dem örtlich anstehenden Material (Erde, Sand, Kies und Lehm) geschüttet. Heute werden die Deiche nach DINNormen systematisch aufgebaut, mit einer zum Fluss hin (Wasserseite) bindigen Schicht aus Lehm oder Ton und auf der Landseite mit kiesigem Material. Dadurch wird gewährleistet, dass bei Hochwasser die sogenannte Sickerlinie, das ist die Linie zwischen dem Wasserspiegel des Gewässers vor und des Grundwassers hinter dem Deich, vom Material des Deiches überdeckt wird und sich keine Quelltrichter hinter dem Deich bilden.

einer Grasnarbe bepflanzt, die sich in wenigen Jahren zu einer „Haut“ verdichtet, und die zweimal im Jahr gemäht werden muss. Eine Bepflanzung mit Büschen oder Bäumen ist nicht zulässig. Höhlen und Gänge von vielerlei Tieren müssen zugeschüttet werden, damit das Hochwasser kein Material ausspülen kann. Bei Rheinhochwasser können sich hinter dem Deich durch Druckwasser kleine Erd- und Sandkrater bilden, eine sogenannte „rückschreitende Erosion“. Das schwächt den Deich bei Hochwasser und kann schlimmstenfalls zum Deichbruch mit Überschwemmung der Rheinniederung führen. Diese Krater werden deshalb durch die Deichpfleger zugeschüttet. Auf der Deichkrone oder auf der Berme (waagrechter Böschungsabsatz, bei Deichhöhen über 3 m in der Regel unerlässlich) wird oft ein Schotterweg für die Kontrolltrupps der Deichpflege angelegt. Heute gehören die Deiche wie selbstverständlich zum Landschaftsbild des Rheins; sie sind bei Spaziergängern und Radfahreren beliebte Strecken am Fluss. Die Rektifikation des Rheins hat den Fluss auf ein ziemlich geradliniges Flussbett im Sinn einer 190 ó Die Grasnarbe eines Deiches muss ständig kurz und dicht gehalten werden – hier mit Hilfe eines Traktors mit weit ausholendem Mäherarm.

228 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

schiffbaren Wasserstraße festgelegt. Insbesondere in der ausgebauten Oberrheinstrecke zwischen Kembs und Iffezheim erscheint die Kanalisierung des Rheins wie eine Autobahn, weil in der Nähe der Stauwehre die Rheinseitendämme die Höhe des Aufstaus erreichen. Im Gegensatz dazu war der Oberrhein früher durch die Verzweigungen des Flußbetts (Furkation), die zahlreichen Flussschleifen (Mäander), die Inseln, Auen und Sümpfe charakterisiert. Der Rhein hat durch die Anordnung der Deiche in Flussnähe oder gar durch deren Vorverlegung sein Überschwemmungsgebiet weitge-

Schutzstreifen 4,0 m

191 ó Geschlossene Dammscharte bei Hochwasser.

Dammkrone 3,5 m

Schutzstreifen 4,0 m

Freibord 0,8 m Bemessungshochwasser HQ 5000

1

1 : 2,

5·3

2,5 : 2· Sickerlinie bestehender Damm Auelehmschicht

,5

Dammerhöhung 0,7 m Flächenfilter am landseitigen Dammfuß

Sand-Kies-Körper 192 ó Querprofil eines Hochwasserdamms am Oberrhein.

hend verloren. So paradox es klingt: Je perfekter das Deichsystem, desto höher steigen die Hochwasser und damit die Gefahren für die Unterlieger am Rhein. Nur die Rückverlegung der Deiche könnte – zusammen mit dem Ausbau der Polder als Überschwemmungsflächen – den Kreislauf von Deicherhöhung und steigenden Hochwassern durchbrechen. jr /gw

Delta oder Ästuar Das Delta ist die Flussmündung, die sich unter beständiger Ablagerung der vom Fluss mitge-

führten Feststoffe in das Mündungsbecken vorschiebt. Das Delta wird oft von mehreren, verzweigten Flussarmen durchströmt. Deltas bilden sich vor allem in Meeresbecken mit geringem Tidenhub: Rhone, Po und Nil im Mittelmeer, Mississippi im Golf von Mexiko etc. oder auch in Seen, wie dem Bodensee. Bei großem Tidenhub tragen Ebbe und Flut mehr Material ab, als der Fluss mitführt, und es bildet sich kein Delta, sondern eine Trichtermündung, auch Ästuar genannt: in der Nordsee z. B. Themse, Seine, Weser und Elbe.

Delta oder Ästuar 229

Der Rhein, die Maas und die Schelde haben ein gemeinsames Mündungsgebiet ausgebildet, das mehrere, verzweigte Arme aufweist. Man spricht vom gemeinsamen Delta der drei Ströme. Aber ob es sich um ein eigentliches, also durch Aufschüttung gebildetes Delta handelt oder um ein durch Abtragung von Material entstandenes Ästuar-System, ist umstritten.

uw

Deutsches Eck „Deutsches Eck“ heißt die Landzunge, die von Rhein und Mosel an deren Mündung in Koblenz (Rheinland-Pfalz) gebildet wird. Weil hier 1897 ein monumentales Reiterstandbild Kaiser Wilhelms I. errichtet wurde, wird die Bezeichnung irrtümlich der nationalen Verkörperung Deutschlands durch dieses Standbild des HohenzollernKaisers zugedacht. Der Ursprung ist aber ein anderer: 1216 berief Erzbischof Theoderich von Wied die Ritter des Deutschen Ordens nach Koblenz und schenkte ihnen einen Teil des Geländes der Kastorkirche mitsamt dem St.-Nikolaus-Krankenhaus, im Interesse einer besseren Kranken-

pflege. An der Einmündung der Mosel in den Rhein errichtete der Orden das Deutschherrenhaus, das zum Sitz der Verwaltung (Ballei) der Ordensprovinz Koblenz wurde. Deshalb hieß der Mündungsbereich fortan Deutscher Ordt, später Deutsches Eck. Im 19. Jahrhundert legte man eine Mole bis zu einer vorgelagerten Sandbank, um einen Nothafen an der Moselmündung zu schaffen. Mole und Sandbank hießen im Koblenzer Volksmund „Honsschwanz“ (Hundsschwanz), weil sie geographisch den letzten Ausläufer des Hunsrücks bildeten. Nach dem Tod Kaiser Wilhelms I. 1888 entstand die Idee, dem preußischen Fürsten für die in drei Kriegen (1864, 1866, 1871) erzielte Einigung Deutschlands ein Denkmal zu errichten. Als Standort wählte 1891 der junge Kaiser Wilhelm II. Koblenz, wo er Militärgouverneur gewesen war. 1897 wurde das umfangreiche Denkmal eingeweiht, das in einem kupfernen Reiterstandbild gipfelte. Im März 1945 wurde das Reiterstandbild durch eine amerikanische Artilleriegranate schwer beschädigt. Kurz darauf verschwand, was aus dem 193 ó „Deutsches Eck“ heißt die Landzunge in Koblenz zwischen dem Rhein und der von links zuströmenden Mosel. Der Name leitet sich nicht vom Kaiser-WilhelmDenkmal ab, sondern vom ehemals hier befindlichen Hospital der Deutschritter.

230 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

damals kostbaren Kupfer bestand, und nur der Kopf blieb erhalten. Das verbliebene Denkmal,

terium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-

Sockel und Umfassung, wurde 1953 von Bundespräsident Theodor Heuss zum Mahnmal der deut-

und Arbeit, das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft.

schen Einheit umfunktioniert. Man brachte die Wappen der deutschen Länder an, auch jene von Schlesien und Ostpreußen, und ließ stets deren Fahnen wehen. 1957 wurde auch das Wappen des Saarlandes beigefügt. Nach dem Fall der Berliner Mauer wurden neben dem Denkmal Betonelemente der Mauer aufgestellt. 1990 ergänzte man die Wappenreihe durch die Namen der neuen Bundesländer; ein Mahnmal für die deutsche Einheit war nun nicht mehr nötig. Das Koblenzer Verlegerehepaar Theisen bot an, für eine Rekonstruktion des wilhelminischen Reiterstandbildes die Kosten zu übernehmen. Das Vorhaben wurde kontrovers diskutiert. Die Entscheidung lag erst beim Land Rheinland-Pfalz als dem Eigentümer des Areals. Aber die Landesregierung übertrug ihre Rechte auf die Stadt Koblenz, und der Stadtrat nahm die Theisen-Schenkung an. Mit der Nachbildung der Skulpturengruppe wurde der Düsseldorfer Bildhauer Raimund Kittl beauftragt. Das neue Monument wurde 1993 auf den Sockel gehoben und eingeweiht. Das „Deutsche Eck“ ist als Ort für Pop-Konzerte und Ähnliches beliebt. Es ist auch Zielpunkt des Mittelrhein Marathons, der von Boppard nach Koblenz führt. uw

cherheit, das Bundesministerium für Wirtschaft

In der DK-Rhein stimmen die Länder und die Bundesministerien eine gemeinsame Verhandlungsposition ab, die dann von der deutschen Delegation in der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) vertreten wird. Der Gründung dieser Kommission ging am 1. Januar 1963 die erstmals zusammengetretene Arbeitsgemeinschaft derselben sechs deutschen Bundesländer zur Reinhaltung des Rheins (ARGE Rhein) voraus. Mit dem Ziel, die Verschmutzung des Rheins zu bekämpfen, nahm sich die aus den betroffenen Bundesländern beschickte ARGE Rhein unter anderem vor, „aufeinander abgestimmte Reinhalteordnungen für den Rhein und die wichtigsten Nebenflüsse“ zu erarbeiten. Inzwischen gibt es für die einzelnen am Rhein bestehenden Gewässerbelastungen ein zwischen den Bundesländern abgestimmtes Untersuchungsprogramm, das 14 Messstellen umfasst und für 151 Kenngrößen Zahlentafeln erarbeitet. Weitere Aufgabenbereiche sind hinzugekommen, namentlich Hochwasserschutz, Trinkwasserfragen (wo jeweils auch die ARW – Arbeitsgemeinschaft Rhein-Wasserwerke mitwirkt), die Entsorgung der Rheinschifffahrt (Abfälle und Bilgenöl), diverse ökologische Fragen etc. uw

DK Rhein – ARGE Rhein Die „Deutsche Kommission zur Reinhaltung des Rheins“ (DK Rhein) wurde am 19. November 1963 gegründet. Ihre Mitglieder sind die Bun-

Dreiländereck

desländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saar-

drei Stellen treffen am Rhein drei Länder zu einem sogenannten Dreiländereck zusammen.

land sowie die für die Gewässerschutzpolitik am Rhein zuständigen deutschen Bundesministerien, also das Auswärtige Amt, das Bundesminis-

Das erste befindet sich an der Nordgrenze des Fürstentums Liechtenstein, wo das Fürstentum an Österreich und an die Schweiz grenzt.

Der Rhein durchfließt mehrere Staaten, und auf einem Teil seines Laufs ist er auch Grenzfluss. An

Dreiländereck 231

Das zweite Dreiländereck befindet sich im Bodensee, wo Österreich, die Schweiz und Deutschland

ne, grenzüberschreitende Region mit Dörfern und Kleinstädten und einem traditionellen Ge-

zusammenstoßen. Im „Kondominiumsgebiet“ des Sees ist der Dreiländer-Eckpunkt nicht genau lo-

flecht von familiären, sozialen, kulturellen und

kalisiert. Das dritte Dreiländereck befindet sich am kilometrierten Oberrhein. Der Rhein bildet in Basel, von km 168,5 bis km 170, die Staatsgrenze zwischen Frankreich und der Schweiz, ab km 170 die Grenze zwischen Frankreich und Deutschland, das heißt, bei km 170 berühren sich die drei Staaten. Diesem Dreiländereck ist nahebei, auf dem Schweizer Ufer – an der Einfahrt zum Hafenbecken Basel-Kleinhüningen I – seit Oktober 1957 ein Monument gewidmet. Das 18,7 m hohe Objekt wurde vom Bildhauer Wilhelm Münger entworfen: Aus einem metallenen, senkrecht

wirtschaftlichen Beziehungen. Straßen und sogar eine Straßenbahn verbanden den niederländischen und den deutschen Teil von Beek nach Kleve. Besonders Beek war mit seinen Hotels, Restaurants und Pensionen ein Ausflugs- und Ferienziel von Leuten, die die eigenwillige, bäuerlich ruhige Flusslandschaft liebten. Erst Krieg und Nachkriegszeit haben die Düffel in zwei Teile getrennt. Die Grenze zwischen den Menschen, also zwischen den Niederländern und den Deutschen

himmelwärts strebenden Pylon wachsen von der Spitze herab drei Flügel spiralig heraus. uw

dieser Gegend, scheint sich allmählich zugunsten entspannter Beziehungen aufzulösen, nachdem in der EU ohnehin nur noch eine nationale Grenze ohne Grenzstationen besteht. Die gemeinsame geschichtliche und landschaftliche Verbun-

Düffel

denheit, wie sie sich z. B. auch in einem lebhaften Heimatverein zeigt, setzt sich durch. jr

Die Düffel / De Duffelt ist ein niederländischdeutscher, landwirtschaftlich geprägter Landschaftsabschnitt am Unterrhein zwischen Nimwegen und Kleve. Vor dem Zweiten Weltkrieg empfanden sich die Einwohner als eine klei-

Duisburg Hafen Rhein-Ruhr Der Rhein-Ruhr-Hafen, heute auch duisport genannt, ist der größte Binnenhafen in Europa. Tatsächlich waren die Bedingungen für die Ent-

194 ó Ooij ist ein typisches, schmuckes wie bescheidenes Dorf der Düffel (NL).

232 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

wicklung dieses Binnenhafens immer hervorragend, und man hat sie genutzt.

Schwarze Meer. Dank der günstigen Entfernung von 250 km nach Rotterdam sind ca. 100 Häfen

Da ist die Lage zwischen Ruhrort und Duisburg beiderseits der Ruhrmündung, die den Hafen in

in aller Welt mit Schiffsladegut auf dem Wasser von Duisburg aus erreichbar.

eine Mittelpunktlage für die Beförderung von Eisenerz und Kohle, vor allem im 19. und noch im 20. Jahrhundert, gebracht hat. Der Rhein selber

Gleichermaßen ist Duisburg ein Mittelpunkt für den kombinierten Verkehr in ganz Europa, also für den Umschlag von Schiff auf Schiene

ist die bedeutendste europäische Wasserstraße mit zahlreichen Anschlüssen an wichtige euro-

und Straße, was heute vor allem über den Containerverkehr abgewickelt wird. Das Hafengebiet

päische Kanäle, in die Niederlande, nach Belgien und Frankreich, über Berlin nach Polen und Russland und über Nürnberg und Wien bis ans

ist unmittelbar mit dem Autobahnnetz des Ruhrgebiets verbunden und damit auch an das europäische System angebunden.

195 ó Lageplan von duisport.

Duisburg Hafen Rhein-Ruhr 233

196 ó Blick auf Ruhrort und die Hafengruppe Ruhrort mit dem typischen Fächer der Hafenbecken (von links nach rechts): Nordhafen, Südhafen und Becken A, B und C. Die drei parallel laufenden Hafeneinfahrten vom Rhein her sind Hafenmund, Hafenkanal und die Mündung der Ruhr. Südlich davon, linksrheinisch, befindet sich das Logport Logistic Center Duisburg – hier nicht im Bild.

Die neueste Entwicklung geht bereits weit über das eigentliche Hafengebiet hinaus, nämlich der Aufbau von Logport II auf der gegenüberliegenden Rheinseite, Logport Ruhr genannt. Gemeint ist ein weitverzweigtes Logistiknetz, mit dem viele günstig an Kanal, Schiene und Stra-

Dabei wurden die traditionellen Massengüter der Binnenschifffahrt wie Kohle, Eisenerz, Schüttgut, Sand und Baumaterialien im Laufe der modernen Entwicklung weitgehend von höherwertigen Gütern wie Chemieprodukten, Düngemitteln, Kunststoffen oder Nahrungsrohstoffen abgelöst. Die Entwicklung des duisports nicht nur zu einem Umschlagplatz für Güter, sondern auch zu einem großen Dienstleistungs- und Logistikzentrum ist Aufgabe der Duisburg-Ruhrorter Häfen AG, die für den Hafenausbau mit Lagerflächen, Schienennetz, Freihafenentwicklung, Verkehrsanschlüssen, z. B. Roll-on / Roll-off-Anlage mit Containerhafen (Logport I) etc. verantwortlich ist und dies als Rahmen für private Investitionen und Aktivitäten der Wirtschaft anbietet. Diese strikte Trennung von Hafenentwickler und Hafennutzer hat sich gut bewährt, weil alle Nutzer neutral und gleichberechtigt berücksichtigt werden konnten.

234 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

ße gelegene Standorte im gesamten Ruhrgebiet vernetzt werden. Das ist für spezialisierte Logistikunternehmen wie für die Eigenlogistik von Industrie und Handelsunternehmen attraktiv – wie auch für duisport selber, das natürlich an das eigene Netz mit Güterbahn und Hafen angeschlossen sein wird. Dabei geht es nicht nur um Warentransport und -verteilung, sondern auch um „wertschöpfende Logistik“. Damit ist die Übernahme von Etikettierungen, Verpackung, Endmontage oder z. B. auch die Reparatur von Gebrauchtwagen oder Sonderausstattung von Neuwagen durch das Logistikunternehmen gemeint. Hafen heißt hier in Zukunft also nicht nur Hafenbecken und Lagerhallen, sondern der Hafen bildet mehr und mehr auch ein Logistikuniversum für die produzierende und handelnde Wirtschaft. jr

Duisburg-Ruhrort – Museum der Deutschen Binnenschifffahrt Natürlich kann man vom Rheinufer aus – vielleicht beim Spaziergang auf einem Deich oder beim sonntäglichen Picknick – die großen und kleinen Schiffe für den Gütertransport gemächlich an sich vorbeiziehen lassen. Von Schiffen mit Kohle, Eisenerz oder Schrott über Container-

schiffe bis zu High-Tech-Transportern für Mineralöl oder gefährliche Chemikalien wird man an

Ebenfalls in Originalgröße wird im Innenhof der Bilgenentöler „Bibo2“ als Zeugnis früher Be-

einem einzigen Tag eine erstaunliche Vielfalt von Schiffstypen sehen können.

mühungen um den Umweltschutz auf dem Rhein gezeigt. Auf der Emporenbrüstung lädt ein origi-

Einen systematischen, lehrreichen und unterhaltsamen Einblick in die historische Entwicklung der Binnenschifffahrt für Personen und

naler Fahrstand eines Schubschiffes ein, sich in den schwierigen Beruf des Steuermanns einzufühlen. jr

Güter auf dem Rhein und in die heutigen Probleme einer der dichtesten Wasserstraßen der Welt wird man aber am besten durch einen Besuch im Duisburger Deutschen Museum der Binnenschifffahrt bekommen. Dazu gehören nicht nur die Schiffe selber, sondern auch deren Besatzungen oder die Hafenarbeiter, die Werften, die Verwaltungen, die Richtlinien und Vorschriften, die Wasserschutzpolizei, Wetterdienst und Warnsystem bei drohenden Gefahren, natürlich auch die Hafenanlagen zum Löschen und Beladen der Schiffe und zum Lagern der Güter. Mehr und mehr gehört auch das logistische System für deren Weitertransport durch Lastkraftwagen oder durch die Bahn dazu. 1974 wurde das Museum unter der Bezeichnung Duisburg-Ruhrorter Schifffahrtsmuseum an Bord der „Oscar Huber“ gegründet. Dieser alte Schleppraddampfer und der Eimerkettendampfbagger „Minden“ liegen heute unweit des Museums als Außenstelle in einem Hafenbecken. Das Museum selber ist seit 1998 großzügig auf 2500 m² im gut erhaltenen, umgenutzten Jugendstil-Hallenbad am Hafen untergebracht. Neben der bunten, aber in einem spannenden Rundgang geordneten Fülle an originalen Exponaten, Schrifttafeln, Grafiken, Schiffsmodellen, Schiffseinrichtungen, Schiffsmotoren und -technik, Fotografien, historischen Dokumenten, Fahnen und Wimpeln in den Gängen und auf der Galerie hat das Hallenbad den Vorteil, dass ein ganzes Schiff mit 16 m Länge „unter vollen Segeln“ in Originalgröße gezeigt werden kann, der Frachtensegler „Goede Verwachting“ von 1913.

197 ó Ein Prachtstück der umfangreichen Schau-Sammlung ist die holländische Tjalk, ein Frachtensegler. Das Schiff wird im (trockengelegten) Herrenschwimmbecken des Jugendstil-Gebäudes ausgestellt, das 1998 von einem öffentlichen Schwimmbad zum Museum umgenutzt wurde.

Duisburg-Ruhrort – Museum der Deutschen Binnenschifffahrt 235

Düsseldorf – Rheinbrücken

Form wurde sie 1984 bis 1987 erbaut, als 250 m

Sieben Brücken überqueren den Rhein in und um Düsseldorf. Fünf davon sind Schrägseilbrücken,

lange Stahlfachwerk-Bogenbrücke über dem Strom, mit Stahlkastenträgern auf dem Vorland,

man spricht von der „Düsseldorfer Brückenfamilie“.

bei 814 m Gesamtlänge. Rheinkniebrücke heißt die zweihüftige Schrägseilbrücke bei Rhein-km 743,6, deren zwei Pylo-

Die Düsseldorfer Reihe beginnt, wenn man ihr rheinabwärts folgt, bei Rhein-km 732,5 mit der 1979 eröffneten Fleher Autobahnbrücke. Sie weist eine Länge von insgesamt 1166 m und eine Spannweite über dem Strom von 368 m auf. Der 146 m hohe Pylon der einhüftigen Schrägseilbrücke hat die Form eines Y, das auf dem Kopf steht und sich quer über die Brücke spreizt. Die Tragkabel wurden zwischen 2006 und 2009 überholt und teilweise ersetzt. Bei Rhein-km 737 folgt die 1951 dem Verkehr übergebene „Südbrücke“, jetzt Josef-KardinalFrings-Brücke genannt. Ähnlich wie ihre 1929 eröffnete Vorgängerin wurde sie als Stahlbalkenbrücke konstruiert. Sie ist insgesamt 780 m lang, hat über dem Strom eine lichte Weite von 206 m. Als Straßenbrücke dient sie auch der Straßenbahn. Bei Rhein-km 738,2 folgt die Eisenbahnbrücke Hamm-Neuss. Ihre Vorgängerin wurde 1870 erbaut, 1911 erweitert, 1945 gesprengt, dann durch ein Provisorium ersetzt. In der heutigen

ne 114 m hoch sind. Die 564 m lange Straßenbrücke wurde von 1965 bis 1969 erstellt; ihre Gesamtlänge mit den Auffahrten – rechtsrheinisch vor dem nordrhein-westfälischen Landtag – beträgt 1519 m. Der stützenfreie Mittelteil über dem Rhein misst 320 m. Der Straße und der Stadtbahn dient die Oberkasseler Brücke bei Rhein-km 744,8, eine 615 m lange Schrägseilbrücke mit einem einzigen, 104 m hohen Pylon. Ihr erster Vorgängerbau war seit 1898 eine Bahn- und Straßenbrücke mit zwei je 181 m langen Eisenfachwerkbögen und steinernen Tortürmen. 1925 wurde diese erste Brücke zwecks Erweiterung umgebaut. 1945 wurde die Brücke gesprengt, aber noch im selben Jahr richtete man hier eine Pontonbrücke ein; 1947 zerstörte sie der Eisgang. 1948 entstand provisorisch erneut eine Brücke. Ab 1969 wurde dann die heutige Brücke erbaut, die als fertiger Bau an ihre heutige Stelle eingeschoben und 1976 eröffnet wurde. Bereits 1957 wurde bei Rhein-km 746,7 die „Nordbrücke“ dem Straßenverkehr übergeben, als erste Schrägseilbrücke der Bundesrepublik mit vier 44 m hohen Pylonen (zwei Zwillingspylone). Die Brücke heißt heute Theodor-Heuss-Brücke, sie ist über dem Rhein 260 m und insgesamt 1271 m lang. Bei Rhein-km 752,5 und damit außerhalb des bebauten Stadtgebiets folgt die jüngste der Düsseldorfer Brücken, die über dem Rhein 288 m und 198 ó Die Theodor-Heuss-Brücke in Düsseldorf ist die älteste der Schrägseilbrücken der „Düsseldorfer Brückenfamilie“.

236 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

insgesamt 1287 m lange Flughafenbrücke. Die beiden Pylone der zweihüftigen Schrägseilbrü-

zes Meer) und im Osten die Ems und die Weser (Nordsee). Die Grenzlinien zur Rhone, zum Po

cke sind auf der Spitze stehende Dreiecke in der Brückenachse, die mit Rücksicht auf den Luft-

und zur Donau sind mit der sogenannten Europäischen Hauptwasserscheide identisch, also mit den Wasserscheiden zwischen Nordsee, Mittel-

verkehr nur 34 m hoch sind. Die Autobahnbrücke wurde von 1998 bis 2002 erbaut.

meer und Schwarzem Meer.

uw

Der durchschnittliche Abstand zwischen den sieben Düsseldorfer Rheinbrücken liegt bei

Eisenbahn-Pioniere

3,34 km. Zwischen den Brücken im engeren Stadtgebiet, also ohne die beiden Autobahnbrücken,

Die ersten Bahnen auf Schienen waren Bergwerksbahnen, zumeist auf kurzer Strecke. Auch

beträgt der Abstand durchschnittlich 2,8 km. uw

am Rhein sind solche Gruben- oder Kohlebahnen früh entstanden; eine der ersten mit metal-

Einzugsgebiet des Rheins

lenen Schienen brachte seit 1787 Kohle, die man auf der Ruhr nach Bochum schiffte, vom Kohlenhafen Rauendahl nach Sundern. Was in der Geschichte der Eisenbahn das Rheintal auszeichnet, sind aber nicht diese Grubenbahnen, sondern die Bahnen mit langen Fahrstrecken. Im Rheintal führten die ersten öffentlichen Eisenbahnstrecken seit 1836 von der oberelsäs-

Für das Einzugsgebiet des Rheins (nl. stroomgebied, drainagebekken, frz. bassin versant) mit all seinen Nebenflüssen werden seltsamerweise je nach Quelle verschiedene Werte angegeben, von 188 000 bis 220 000 km². Etwas zahlreicher als die anderen scheinen die Quellen zu sein, die 198 735 km² angeben. Davon liegen – in der Reihenfolge des Flusslaufs – rund 28 000 km² in der Schweiz, 70 km² in Italien, 200 km² im Fürstentum Liechtenstein, 2400 km² in Österreich, 106 000 km² in Deutschland, 24 000 km² in Frankreich, 2500 km² in Luxemburg, 800 km² in Belgien (Wallonien) und 34 000 km² in den Niederlanden. Im Einzugsgebiet des Rheins wohnen 59 Millionen Menschen. 15 % des Rheineinzugsgebiets liegen im alpinen Raum; dieser trägt 34 % zum mittleren Abfluss des Rheins bei. Der alpine Anteil des Wasserabflusses ist beim Po (53 %) und bei der Rhone (41 %) noch höher, aber deutlich tiefer bei der Donau (26 %). Das Einzugsgebiet des Rheins grenzt an die Einzugsgebiete folgender anderer Meereszuflüsse: im Westen die Maas und die Seine (die wie der Rhein in die Nordsee entwässern), im Süden die Rhone (westliches Mittelmeer) und der Po (Adria), im Südosten die Donau (Schwar-

sischen Kleinstadt Thann am Fuß der Vogesen zur nahen Textilmetropole Mülhausen und seit 1840 von Mannheim nach Heidelberg. Nachdem der Badische Landtag bereits 1839 den Bau einer Langstreckenbahn von Mannheim bis Basel beschlossen hatte, suchte der Initiant des konkurrierenden Projekts im Elsass, der Industrielle Nicolas Koechlin, in Paris sogleich um eine Konzession für die 140 km messende Strecke von Straßburg via Mülhausen bis Basel. Sowohl der badische als auch der elsässische Vorgang sind eisenbahntypisch: Eine Bahnstrecke kann man nur bauen, wenn einem der Staat hilft, sich bei den Landbesitzern durchzusetzen. Das heißt, die Eisenbahnkonzession ist so alt wie die Eisenbahn selbst. Staatliche Konzessionen gelten aber nur bis zur Staatsgrenze – grenzüberschreitende Strecken brauchen also zwei Konzessionen. Europas erste Bahnlinien, die Staatsgrenzen überschritten, lagen im Rheintal:

Eisenbahn-Pioniere 237

f 1843 verlängerte die „Rheinische Eisenbahngesellschaft“ ihre Linie von Köln nach Aachen

(TEN – transeuropäische Verkehrsnetze) prioritär eingestuft.

über den Grenzbahnhof Herbesthal – damals war er preußisch, heute liegt er in Belgien –

2007 machte das Land Nordrhein-Westfalen den Vorschlag, den Eisernen Rhein aus wirtschaftlichen Gründen nicht allein auf der histo-

nach Lüttich und Brüssel. f 1844 konnte die elsässische Bahngesellschaft ihre Linie, die seit 1841 von Straßburg bis zur südlichen Grenzstadt Saint-Louis führte, nach uw Basel verlängern.

Eiserner Rhein Da im 19. Jahrhundert zwar Rotterdam und die niederländischen Häfen, nicht aber das belgische Antwerpen einen Wasserstraßenanschluß über den Rhein zum Ruhrgebiet hatten, entstand der Plan, eine Bahnlinie für den Güterverkehr von Antwerpen nach Duisburg zu schaffen. Daher der Name Eiserner Rhein. Die belgisch-niederländisch-deutsche Linie Antwerpen, Mol, Lommel, Roermond, Wegberg, Mönchengladbach, Krefeld und Duisburg wurde 1875 eröffnet. Im Ersten Weltkrieg ließen die auf ihre Neutralität bedachten Niederländer den Güterzugverkehr auf der niederländischen Strecke seit 1917 nicht mehr zu. Der Gütertransport auf der Schiene musste auf einen 50-km-Umweg mit Steigungen über das belgische Montzen ausweichen. Der Eiserne Rhein wurde schließlich unwirtschaftlich und bedeutungslos. Erst Ende der 1990er-Jahre entstand Interesse an der Wiederaufnahme des Eisernen Rheins, vor allem wegen des kräftig zunehmenden Transports von Massengütern, besonders Eisenerz, aus dem Antwerpener Hafen zum Ruhrgebiet. Die Verkehrsminister der drei Länder einigten sich 2001 auf die Neueröffnung des Eisernen Rheins für das Jahr 2009. Planung und Ausbau kamen aber nicht voran. Neben der Betuwe-Route ist der Eiserne Rhein auf Vorschlag der EU-Kommission als Bestandteil der Eisenbahnverbindung zwischen Genua, Basel, Duisburg und Rotterdam

238 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

rischen Trasse, sondern im Abschnitt Roermond und Mönchengladbach neu parallel zur Autobahn A 52 zu führen. Dieser Weg erfordert zahlreiche Bauarbeiten in den Niederlanden, unter anderem den Bau eines Tunnels bei Weert und einen Einschnitt durch das Naturschutzgebiet „De Meinweg“. Bürgerinitiativen in den betroffenen Städten wehren sich gegen den zu erwartenden Lärm, gegen Sicherheitsrisiken und Gefährdung nahe an der Bahnlinie stehender Häuser durch Erschütterung des Bodens. Alternativ wurde von ihnen eine Streckenführung entlang der Autojr bahn A 40 vorgeschlagen.

Eisgang, Treib- oder Drifteis In kalten Wintern bilden sich auch in großen Flüssen wie dem Rhein Eisschollen, zunächst in stilleren Gewässerteilen wie Uferränder, Ausbuchtungen, Häfen oder auch auf der Flusssohle (Grundeis). Die Eisschollen lösen sich durch die Strömung und können sich zu einer mehr oder weniger zusammenhängenden Eisdecke über die gesamte Wasseroberfläche zusammenschieben. Die abtreibenden Eisstücke und -schollen nennt man Eisgang, Treib- oder Drifteis. Für die Rheinschifffahrt ist Eisgang nicht nur hinderlich, sondern auch gefährlich, wenn es zu Zusammenstößen mit großen Eisschollen kommt oder der Druck des geballten Eises auf die Schiffsrümpfe zu stark wird. Eisbrecher versuchen zwar, die Fahrrinne offen zu halten. Aber ab einer bestimmten, von der Schifffahrtsverwaltung zu bestimmenden Eisverdichtung muss die Schifffahrt ruhen. Katastrophen können aus der Gleichzeitigkeit von Hochwasser und Eisgang entstehen. Da

199 ó Eisgang am Rhein ist im Zuge des Klimawandels ein unwahrscheinliches Ereignis geworden. Hier versucht der Eisbrecher Duitsland 1962 die Fahrrinne auf dem niederländischen Rhein (Höhe Millingen) freizuhalten.

treibt das Eis auf das überflutete Land und in die Städte und Dörfer hinein. Nach dem Rückgang des Hochwassers bleiben vereiste, schmutzig graue, verschlammte und verwüstete Städte, Dörfer und Felder zurück. Historisch gesehen ist Eisgang kein seltenes Phänomen. Zuweilen hatte sich eine feste Eisdecke von Ufer zu Ufer gebildet. Die Menschen nutzten das Eis als Brücke für den Übergang über den Rhein und sogar für Vergnügungen. So wird in Köln aus dem Winter 1434 / 35 von Jahrmärkten auf dem Eis berichtet. In den Wintern der letzten Jahrzehnte hat es, vor allem bedingt durch die allgemeine Klimaerwärmung, noch gelegentlich Eisgang, aber keine rheinüberdeckende Vereisung mehr gegeben. jr

km 253,5. Ihr mittlerer Abfluss bei der Mündung beträgt 21,5 m³ / s.

Elz

Emscher

Die Elz ist ein rechter Nebenfluss des südlichen Oberrheins aus dem Schwarzwald. Sie entspringt

Die Emscher, rechter Nebenfluss in NordrheinWestfalen, war lange einer der schmutzigsten

auf 1038 m ü. M. bei Furtwangen (Baden-Württemberg) in nächster Nähe zur Bregquelle, die als

Flüsse im Rheineinzugsgebiet und ist auch heute noch stärker belastet als die meisten ande-

eine der beiden Donauquellen gilt, und sie mündet nach 90 km bei Schwanau, in der Nähe des Europa-Parks Rust, auf 154 m ü. M., bei Rhein-

ren Rhein-Zuflüsse. Sie entspringt am Haarstrang auf 147 m ü. M., bei Holzwickede im Kreis Unna, südöstlich von Dortmund, und sie mündet nach

Die Elz verläuft erst nordwärts, biegt dann nach Südwesten in das sogenannte Prechtal oder Elztal ab, erreicht südwestlich von Waldkirch die Breisgauer Bucht, fließt nun westwärts, erreicht zwischen Emmendingen und Riegel die Rheinebene und verläuft als schnurgerader Leopoldskanal nordwestwärts bis zum Rhein. Der Leopoldskanal nimmt nebst der Elz auch die Dreisam (aus Freiburg) und die Glotter auf. Er wurde von Johann Gottfried Tulla zum Schutz vor Hochwasser entworfen und von 1837 bis 1841 angelegt. Er erhielt seinen Namen nach dem badischen Großherzog Leopold (1790 – 1852, Großuw herzog 1830 – 1852).

Emscher 239

83 km auf 21 m ü. M. bei Dinslaken in den Rhein, bei Rhein-km 814. Das Einzugsgebiet des Flusses

liegt heute teilweise über der Umgebung, und Zuflüsse werden in die Emscher hochgepumpt.

umfasst mit einem System von verzweigten Nebenläufen 775 km², ihre mittlere Wasserführung

Der Bergbau hat sich aus der Emscher-Region

an der Mündung beträgt heute 16 m³ / s. In ihrem Oberlauf durchfließt die Emscher – durch den Höhenzug von Haarstrang bzw. Ardeygebirge vom Ruhrtal getrennt – den Südosten von Dortmund und wendet sich dann nach Nordwesten. Im nördlichen Castrop-Rauxel wird sie vom Rhein-Herne-Kanal überquert. Danach fließt sie weitgehend parallel zu diesem Kanal in westlicher Richtung bis Oberhausen, biegt dann nach Nordwesten ab bis zur heutigen Mündung. Die Emscher fließt durch Dortmund, Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herten, Herne, Gelsenkirchen, Essen, Bottrop, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs mit der Industrialisierung im Ruhrgebiet auch die Bevölkerung. Trinkwasser lieferten Ruhr und Lippe, hingegen wurden Abwasser und Grubenwasser der Bergwerke in die Emscher entlassen, und sie wurde zur Kloake. Das geringe Gefälle, der mäandernde Flusslauf (ehemals war die Emscher über 100 km lang) und vom Bergbau hervorgerufene Absenkungen des Bodens verursachten Ende des 19. Jahrhunderts Überschwemmungen, was wegen der Schmutzfracht Seuchengefahr bedeutete. 1899 wurde die „Emscher-Genossenschaft“ der Kommunen und Großbetriebe gegründet; sie betreut noch heute Abwasserreinigung, Sicherung des Abflusses, Hochwasserschutz (Hochwasser unter anderem im Juli 2008) etc. Unter ihrer Ägide wurde die Emscher tiefer gelegt, befestigt, begradigt und mehrfach reguliert. Die Mündung wurde im 20. Jahrhundert zweimal verlegt, 1910 von Duisburg-Alsum nach Walsum und 1949 nach Dinslaken. Die durch den Bergbau hervorgerufenen Bergsenkungen wurden durch immer höhere Deiche ausgeglichen, das heißt, die Emscher

240 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

nach und nach zurückgezogen. Die bisher offenen Abwässer sollen dereinst durch einen 51 km langen, unterirdischen Emscherkanal, der 2017 von Dortmund bis Dinslaken führen wird, zu den Kläranlagen geleitet werden. Danach wird man die Emscher in weiteren Bereichen naturnah umgestalten können. Landschaft als Natur und Lebensraum zurückzugewinnen, war schon eines der Ziele der „IBA Emscherpark“, der Internationalen Bauausstellung Emscherpark 1989 – 1999. uw

Erft Die Erft ist ein 107 km langer, linker Nebenfluss des Niederrheins. Sie entspringt auf 422 m ü. M. am Himberg im Ahrgebirge (nördliche Eifel), und sie mündet in kanalisierter Form bei Neuss auf 36 m ü. M., bei Rhein-km 740. Sie durchquert unter anderem Euskirchen, die 1969 entstandene Gemeinde Erftstadt, Bergheim, den Naturpark Rheinland (westlich des Höhenzugs der Ville), Grevenbroich und Neuss. Das Flussbett wurde wegen des Braunkohleabbaus mehrfach verlegt. Durch Sümpfungswasser aus dem Bergbau nahm der Wasserabfluss der Erft von 5 m³ / s im Jahr 1955 innerhalb von 20 Jahren auf 26 m³ / s zu. Weil sich der Braunkohleabbau verlagert, erhält sie nun kein Sümpfungswasser mehr, und es wird erwartet, dass sie sich auf einen Abfluss von 3 m³ / s verringern wird. Die Erft dürfte der einzige Nebenfluss des Rheins sein, der auf seiner gesamten Länge von einem Radweg begleitet wird. uw

Fähren Schaut man sich die modernen, eleganten, täglich von Tausenden von Fahrzeugen genutzten Brückenkonstruktionen am Rhein, etwa in Köln

oder Düsseldorf, an, ist man versucht, die klobigen Rheinfähren mit ihren wenigen Auto-Stellplätzen für überholt, bestenfalls für romantische Reste am großen Strom zu halten. Das ist aber eine völlig verfehlte Vorstellung. Der Rhein ist überwiegend ein sehr breiter Fluss, mit Vorland sind es oft Hunderte von Metern, die zu überbrücken sind. Besonders im Mittelrheintal bilden die steilen Ufer schwierige und kostenträchtige Barrieren für den Brückenbau und -unterhalt. Der Flächenverbrauch großer Brückenköpfe mit ihren ausladenden Straßenabgängen sind in den Städten wie auch in der Landschaft schwerwiegende bauliche, ökologische wie ästhetische Lasten. So erklärt es sich, dass es auf die Länge des Flusses bezogen insgesamt relativ wenige Rheinbrücken gibt. Ebenso wird deutlich, dass der Fährverkehr bei den weiten Brückenabständen gerade für die kleinen anliegenden Ortschaften und ihr Hinterland nach wie vor eine unverzichtbare Rolle spielt. Heute gibt es von Konstanz bis zum niederländischen Millingen / Doornenburg insgesamt 49 Rheinfähren, die in der Regel täglich ihren Dienst versehen und Autofahrern lange Umwege ersparen, von Fußgängern, Rad- und Mopedfahrern ganz abgesehen. Fähren sind nicht nur nützlich, sie sind auch ein althergebrachter Teil des Rheins und seiner Identität als großer Strom. Die kurze Überfahrt mit Be- und Entladen, Kettenrasseln beim Abund Anlegen, verlässlichem Motorengeräusch und gelegentlich leichter Schaukelei ist immer auch ein Erlebnis, für Kinder natürlich im beson-

200 ó Besonders für längere Rheinabschnitte ohne Brü-

deren Maße. Sie bietet den unmittelbaren Kontakt mit Ufer und Wasser. Die jeweiligen Fährbetriebe sind überwiegend Privat- und Familienunternehmen. Nur we-

In Lorch am Beginn des Mittelrheintals beispielsweise geht der tägliche Fährbetrieb von 6.00 bis 20.00 Uhr, auch am Wochenende, das heißt, das Personal muss sich in Schichten orga-

nige Fähren, wie etwa in Remagen, sind kommunale Einrichtungen. Obwohl die Fährbetriebe

nisieren. Der Betrieb war 2010 seit 100 Jahren in Familienhand und ist damit wohl die älteste Fäh-

eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen, erhalten

re am Rhein.

cken sind die Autofähren, wie hier die Gernsheimer Fähre, immer noch ein wahrer Segen. Die Fähren am Rhein sind meist private Betriebe, die oft am Rande der Wirtschaftlichkeit ohne öffentliche Zuschüsse auskommen müssen, aber regelmäßig eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen.

sie keinen staatlichen Zuschuss. In der Konkurrenz zu Brückenbauten ist die Wirtschaftlichkeit selbst bei guter Auslastung oft nur schwer zu erreichen. Der Fährführer, wie der „Kapitän“ genannt wird, hat eine zweijährige Ausbildung an Bord. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion nimmt dann eine praktische und theoretische Prüfung ab und verleiht die Fahrerlaubnis. Der Fährführer braucht eine Mannschaft von zwei bis drei Personen.

jr

Fähren 241

Feuchtgebiete Als Feuchtgebiete gelten Fluss-, Seen-, Moor-, Bruch- oder Sumpflandschaften sowie meerna-

Weltweit haben die Feuchtgebiete wegen der Ausdehnung der Landwirtschaft und der Zivilisation drastisch abgenommen. Seit der Mitte des

he Landschaften, wo Flora und Fauna an einen ständigen oder häufigen Überschuss von Was-

20. Jahrhunderts entstanden deshalb zahlreiche Gruppierungen und Organisationen, die sich für

ser angepasst sind. Feuchtgebiete haben große ökologische Bedeutung für die Biodiversität, als Standorte von Wasser- und Watvögeln,

den Schutz der Feuchtgebiete einsetzen. In nationalen Rechtsordnungen und in internationalen Verträgen wurden diverse Schutzformen festge-

als Grundwasserfilter und für den Überschwemmungsschutz. Feuchtgebiete bedecken rund 6 %

schrieben (IUCN, Ramsar-Konvention, Wetlands International).

der Erdoberfläche, erbringen aber 24 % der sogenannten Primärproduktion, der Umwandlung anorganischen Materials durch Fotosynthese in

Am Rhein wurden mehrere Feuchtgebiete als solche deklariert und unter Schutz gestellt ( Ramsar Y Kap. 5 ). uw

Biomasse. Die Feuchtgebiete sind Lebensraum für 40 % aller auf der Erde lebenden Arten. Feuchtgebiete sind bedeutende Kohlendioxidspeicher und beeinflussen deshalb das Klima. Trockenfallende Feuchtgebiete entlassen neben Kohlendioxid auch Methan in die Umwelt.

Fliegende Brücken, Gierfähren Fliegende Brücken oder Gierfähren (nl. veerpont, frz. bac à traille) sind Fähren, die ohne eigene Motorkraft von Ufer zu Ufer fahren können, indem sie die Strömungsenergie nutzen. Das Schiff

201 ó Die moderne Gierfähre auf dem Pannerdens Kanaal, einem gegrabenen Abschnitt des Nederrijns, funktioniert wie auch schon historische Vorgänger. Hier ist sie mit einer Reihe zusammenhängender Schwimmkörper verbunden. Der oberste Schwimmkörper ist verankert. So kann die fixierte Fähre quer zur Strömung über den Fluss treiben. Für den Notfall hat die Fähre allerdings einen Motor.

242 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

hängt an einem Halteseil, welches seinerseits an einem weit flussaufwärts befestigten Anker oder an einem quer und hoch über den Fluss gespannten Seil hängt. Die Technik der Gierfähre soll der Niederländer Hendrik Heuck aus Nimwegen im Jahr 1657 erfunden haben, um den Verkehr über die breite Waal zu erleichtern. Das Boot wird schräg zur Strömung gehalten (gieren, Drehbewegung um die Hochachse des Boots). Der Druck der Strömung gegen die gierende Fähre treibt das Boot, das dank dem Halteseil nicht abtreiben kann, in dieser Lage quer zur Strömungsrichtung an das andere Ufer. Wenn das Halteseil an einer Laufkatze hängt, welche auf dem über den Fluss gespannten Seil mitrollt, spricht man von Rollfähren. Wenn das Halteseil an einem Anker befestigt und sehr lang ist, wird die Fähre für die anderen Schiffe zum Verkehrshindernis. Gierfähren sind generell nicht sehr manovrierfähig, und auf vielbefahrenen Rheinabschnitten wären sie heute zu gefährlich. Deshalb wurden die meisten ausgemustert. Zwischen Köln und Deutz war z. B. eine Gierponte eingesetzt. Diese fliegende Brücke bestand sogar aus zwei Schiffskörpern, die mit einer großen Platte, dem Deck, miteinander verbunden waren. Ein hölzernes Geländer, die Reling, sollte verhindern, dass Fahrgäste oder Transportgut über Bord gingen. Auf dieser Fähre ließen sich alle möglichen Waren und Geräte, auch Tiere, Pferd und Wagen, Weinfässer, Obst und Gemüse usw. übersetzen. Auch zwischen Bonn und Vilich verkehrte lange Zeit eine Fähre, ebenso zwischen Mannheim und Altrip; letztere wurde erst 1958 eingestellt. Derzeit gibt es am Rhein noch fünf Gierfähren. Eine dient dem allgemeinen Straßenverkehr zwischen dem elsässischen Seltz und dem badischen Plittersdorf (bei Rastatt). Vier Fähren verkehren in Basel; sie befördern nur Fußgänger. jr

Flößerei In der Geschichte der Flößerei ragt ein Typus von Rheinflößen weit heraus, wegen der Niederlande. Die Niederlande sind seit Jahrhunderten wenig bewaldet, und sie bezogen stets Holz auf dem Wasserweg, meist aus den baltischen und den skandinavischen Ländern. Seit dem 17. Jahrhundert, als die Niederlande sich zur führenden Seefahrernation entwickelten, importierten sie viel Holz über den Rhein; wichtigster Holzimport-Hafen über die Rheinroute war Dordrecht. Eichenstämme, aber auch sehr lange Nadelholz-Stämme waren kostbar, zur Verwendung als Bauholz, im Schiffbau, als Pfahlfundamente im Marschland etc. In Häfen am nördlichen Oberrhein und vor allem am Mittelrhein wurden spezielle Flöße für die Niederlande gebaut, das heißt, es wurden mehrere Flöße zu Riesenflößen verbunden. Sie bildeten 20 bis 40 m breite, bis 400 m lange und mehrere Stammlagen dicke Flöße aus Tausenden von Stämmen. Meist bildete ein mittleres, starres Rechteck mit einem Vorfloß und einem Nachfloß einen Verbund, der ansatzweise beweglich war. Ein schwimmender Körper ist nur steuerbar, wenn er sich im Wasser bewegt. Ein mit der Strömung treibendes Floß ist nur steuerbar, indem man es mit langen Stangen vom Ufer fernhält, oder indem man es gegenüber dem Strom abbremst. Auf dem breiten Rhein musste man mit Muskelkraft der Strömung Widerstand leisten, und das geschah auf den riesigen Flößen mit ganzen Batterien langer Ruder sowohl am Bug als auch am Heck, den sogenannten Streichen, aber auch mit Ankern, die in den Windungen des Rheins seitab in den Flussgrund getrieben wurden, mit Hilfe einer ganzen Reihe von am Heck befestigten Ankernachen. Für die Steuerung der riesigen Flöße mit Streichen und Ankernachen waren große Besatzungen nötig – vier bis acht Mann an jedem Ruder, insgesamt Hunderte von Flößerknechten, die ein Steuermann vom erhöhten Steuerstuhl

Flößerei 243

Holländer Floß 1780 Längsschnitt des hinteren Kopfes Steuerstuhl

Herrenhütte Ankerseil

Lappenbrücke Streichen

Joch

Bietung

Zusammenbau Pitsche

Seilbrücke

Streiche

Zengel Pitsche

Pitsche Zengel

Knechtshütte

Forge

Pirmen

Pitsche Eiche

Eiche Tragtanne Eiche

Joch Streichen

Tragtanne

Lappenbrücke Seilbrücke

Eiche

Stelzenblock

1000 Fuß lang, 130 breit Hundanker

Kopfständer

Seil

Streichen I. Knie

II. Knie

III. Knie

IV. Knie

Hütten

Ankernachen Nachen

Bietung Steuerstühle

Hundanker

Kopfständer

Joch

Reihebäume

Joch Lappenbrücke

202 ó Aufriss und Querschnitt eines Floßes um 1780: Flöße konnten bis zu 500 m lang sein. Die Mannschaft lebte für die Dauer der Fahrt auf dem Floß in Hütten.

aus kommandierte. Da die Flößerknechte auf dem Floß Unterkunft brauchten, waren die Riesenflöße geradezu schwimmende Dörfer, mit Hütten,

die Gerätschaften („Floßhaken“), für die Kommandos („Frankreich“ für links, „Hessenland“ für rechts) etc.

Küche, Vorratskammern, Viehpferch, Schlachthaus, Wäscherei etc. Um die Flößerei entwickelte sich eine eigene Sprache, für den Bau des

Jede Reise dieser riesigen Holländerflöße war eine teure, Monate dauernde Unternehmung, auch wenn die Fahrt selbst – im Glücksfall – nur

Floßes („Gestör“ für Floßabschnitt), für das Verhalten der Stämme (ein Fichtenstamm hat ein

acht bis zehn Tage dauerte. Der Preis des Holzes war am Ende der Fahrt gegen 40 % höher als bei

spezifisches Gewicht unter 1, ist also „flott“, ein schwerer Eichenstamm verhält sich „senk“), für

ihrem Antritt, das heißt, von dem in den Niederlanden erzielten Preis gingen 25 bis 30 % für die

244 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Rheinfahrt ab. Der Zusammenbau, die Ausstattung, die Rekrutierung der Besatzung, die Fahrt, dann die Demontage am Ziel und der Verkauf des Holzes wurden von einem Floßmeister geleitet und abgerechnet, meist in der Verantwortung eigentlicher Handelshäuser. Der unstillbare niederländische Holzbedarf führte zum Kahlschlag weiter Regionen des Nordschwarzwaldes; namentlich die Eichen wurden äußerst selten.

Flusswasserkraftwerk Auf der Suche nach innovativer Erzeugung regenerativer Energie wurde eine im Fluss versenkbare, lautlos arbeitende, 7 m lange Flussturbine entwickelt, die bei St. Goar (Mittelrheintal) 2010 erstmalig in Betrieb genommen wurde. Die zwischen vier Metallpfeilern fixierte Turbine nutzt die Strömungsenergie des Rheins und liefert mit 6 kW Strom für ca. zehn Haushalte. Das ist

Auf den riesigen Flößen war neben den Besatzungen auch Platz für weitere Fracht („Oblast“). Die Oblast war oft Schnittholz (für Zimmereioder Tischlerbedarf), aber es gab auch andere Handelswaren. Auch Passagiere wurden zuweilen mitgeführt, aber fahrplanmäßigen Floßverkehr wie das „Ordinari“, das von München noch im 19. Jahrhundert wöchentlich und zu festem Tarif isar- und donauabwärts nach Wien fuhr, scheint es auf dem Rhein nie gegeben zu haben. Nebst der Oblast reiste in den Hohlräumen zwischen den Stämmen oft auch Schmuggelgut mit. Am Rhein hatte jahrhundertelang eine Vielzahl von Staaten Anteil, und alle erhoben Zölle, wobei es aber den Zöllnern meist unmöglich war, die Hohlräume des Floßes zu kennen. Als Schmuggelgut scheint Wein besonders beliebt gewesen zu sein. Das Flößen vertrug sich im 19. Jahrhundert schlecht mit dem Bau der Eisenbahnbrücken, schlecht mit der Schifffahrt, die die kostbaren, allabendlich aufgesuchten Floß-Landeplätze in Häfen verwandelte, und noch schlechter mit der aufkommenden Schleppschifffahrt, obwohl auch die Flößerei Schleppverbände bildete. Die kostspieligen Hundertschaften von Flößerknechten erleichterten es der Eisenbahn, der Flößerei Konkurrenz zu machen. Ab 1860 wurden kleine Dampfschlepper zur Kurshaltung der Flöße eingesetzt, und so verringerte sich die Besatzung auf ca. 25 Personen. Das letzte gewerbliche Floß auf dem Rhein fuhr 1968.

uw

203 ó Eine große Anzahl solcher Turbinen könnte zu einem beachtlichen Beitrag ökologisch verantwortbarer Energiegewinnung werden.

noch sehr bescheiden. Aber es handelt sich um eine Testanlage. Verbesserte Versionen an vielen Standorten, möglichst auch bei höherer Fließgeschwindigkeit des Wassers, könnten eines Tages einen wertvollen Beitrag zum Grundlaststrom leisten. Die Nutzung der Strömungsenergie erinnert an den Betrieb mittelalterlicher Schiffsmühlen, die im Strom verankert wurden. jr

Flusskraftwerk 245

Freycinet Freycinet ist ein Binnenschiffs-Typ. Charles Louis de Saulces de Freycinet war ein französischer Po-

Gärten in diesem Sinne. Auf ganze Landschaften übertragen schrieb das Rheinkolleg 1996 in der Resolution „Entwurf einer Rheinlandschaft“:

litiker (1828 – 1923). Unter anderem war er 1877 bis 1879 Minister für öffentliche Arbeiten und da-

„In erweitertem Sinne sehen wir die vielfältigen Landschaften und Grünräume entlang des

mit für die Binnenschifffahrt zuständig. Mit der „Péniche Freycinet“ schuf er 1879 eine Norm für die Lastkähne. Die Schiffsabmessungen betragen

Rheins, die zusammen mit Architektur und Städtebau die in aller Welt berühmte Flusslandschaft bilden, als Gärten des Rheins“.

höchstens 38,5 × 5,05 m; bei einem Tiefgang von 1,80 m ergibt sich eine Ladekapazität von etwa

Als „Rheinlandschaft“ versteht das Rheinkolleg also die Folge solcher „Gärten“, nicht nur als Gestaltung der historischen und kulturellen

300 t. Diese Schiffsklasse wurde zur Norm für die Ende des 19. Jahrhunderts in Frankreich erbauten Kanäle erhoben. Die entsprechenden Schleu-

landschaftlichen Höhepunkte. Auch die jeweiligen durch Industrie, Gewerbe, Verkehr, Hochwas-

senabmessungen liegen bei 39 × 5,20 m, und dank der kastenförmigen Bauart der „Péniche Freycinet“ wird der Schleusenraum optimal genutzt.

serschutzanlagen und Retentionsräume geprägten Flächen könnten in ihrem Eigencharakter als „Gärten“ in die alltägliche Lebenswelt einbezo-

Die Penichen, niederländisch Spits genannt, wurden in so großer Zahl gebaut, dass sie auch heute noch zahlreich registriert sind. Gemäß Statistik der Rheinzentralkommission gab es im Jahr 2008 in Frankreich 914, in den Niederlanden 359, in Belgien 354, in Deutschland 122, in Luxemburg zwei Freycinet-Schiffe und in der Schweiz eins. Die Freycinet-Kanäle haben heute für den Güterverkehr nur geringe Bedeutung; hingegen sind sie bei der Freitzeitschifffahrt sehr beliebt. Wegen ihrer geringen wirtschaftlichen Bedeutung werden die Kanäle nicht regelmässig gepflegt, und wo das Kanalbett verschlammt, erhöhen die Kanal-Behörden, um den FreycinetTiefgang von 1,8 m zu garantieren, den Wasserstand. Das aber beeinträchtigt dann zuweilen die lichte Höhe unter Brücken. uw

gen und für Wert gehalten werden. Mangel an Gestaltung und einseitige Vernutzung von Landschaftsteilen haben jedoch den Sinn in der Öffentlichkeit für Wahrhaftigkeit und ästhetisches jr Potential aller Landschaften eingeschränkt.

Gärten des Rheins Unter Gärten versteht man vom Menschen intensiv gestaltete, eingehegte und verdichtete Ausschnitte aus der uns umgebenden Natur. Selbst als Nutzgärten haben sie diesen Charakter des Besonderen und Gepflegten. In größerem Maßstab sind auch Parks und Grünzüge der Städte

246 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Gold im Rhein Gold gibt es überall am und im Rhein. Nur: an den unteren Stromabschnitten sind die Teilchengrößen so gering, dass aufwendige chemische Analysen erforderlich sind, um das Mineral überhaupt nachzuweisen. Erst am Oberrhein erreichen die Goldflitter eine mit bloßem Auge wahrnehmbare Größe. Sie sind im Raum Karlsruhe mit 0,2 bis 0,5 mm immer noch winzig; 200 000 von ihnen ergeben gerade mal ein Gramm. Weiter stromauf, z. B. bei Istein, zwischen Freiburg und Basel, beträgt die Flittergröße bereits 2 bis 4 mm. Und nahe der Rheinquelle bei Disentis enthält das Geschiebe sogar veritable Nuggets: Da wurden vor einem Dutzend Jahren Goldklumpen von 48,7 g und 123,1 g geschürft – das waren allerdings Sensationsfunde. Das Gold in den Kiesen und Sanden des Rheins stammt zum allergrößten Teil aus den Al-

pen, wurde von dort mit dem abfließenden Wasser und den Eiszeitgletschern nach Norden transportiert und auf seinem Weg zu immer kleiner werdenden Teilchen zerrieben. Schon Römer und Kelten haben im Rhein nach Gold geschürft. Im Mittelalter und vor allem im 18. und 19. Jahrhundert intensivierte sich die Suche am Oberrhein. In Baden wurden zwischen 1748 und 1874 bei offiziellen Sammelstellen 366 kg Rheingold abgegeben; auf dem Schwarzmarkt landete wahrscheinlich die dreifache Menge. Das Gold wurde zu Münzen, Kultgegenständen und Schmuck verarbeitet, z. B. auch zum berühmten Toilettenservice der Großherzogin Stefanie von Baden, das die gesamte Fördermenge zweier Jahre erforderte. Die „Münze“ (Prägeanstalt) des Staates Ba-

Schweiz abgeschlossene Vertrag zur Zähmung der Hochwasser am unteren Alpenrhein (Rheindelta / Bodensee). Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg unterbrachen zahlreiche Beziehungen über die Staatsgrenzen, aber ab 1945 bahnten sich die Kontakte wieder an. Bereits 1946 kam im südlichen Elsass der binationale Flughafen BaselMulhouse (bzw. Mühlhausen) zustande, der seit 1987 „Basel-Mulhouse-Freiburg“ heißt. Auf niederländische Initative wurde 1950 in Basel die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins ( IKSR) vor Verunreinigungen gegründet. 1965 rief eine trinationale Tagung in Basel zur gemeinsamen Planung für den gesamten

den ließ Golddukaten mit der Aufschrift „ex auro Rhenano“ prägen. Dafür stand in guten Zeiten, z. B. in den Jahren von 1804 bis 1859, Rheingold mit einem Gesamtgewicht von immerhin 282,395 kg zur Verfügung; zwischen 1832 und 1852 wurden jährlich rund 2000 Golddukaten hergestellt. Ebensolche Golddukaten der Pfalz tragen die Aufschrift „ex sabulis Rheni“. Nach großen Goldfunden in den USA fielen die Goldpreise, und das Goldschürfen, das am Rhein immer nur eine zusätzliche Einkommensquelle gewesen war, kam zum Erliegen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn das Goldwaschen als Hobby von einigen Unermüdlichen und als touristische Attraktion von vielen Urlaubern weiter betrieben wird. ms

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit Grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat am Rhein einen hohen Stellenwert, und da und dort hat sie lange Tradition. Einer der ältesten noch immer geltenden Staatsverträge, die die lokale Zusammenarbeit über die Staatsgrenze regeln, ist der 1892 zwischen Österreich-Ungarn und der

204 ó Rheingold gibt dem 45-teiligen Prunk-Toilettenservice seinen Glanz. Es ist ein Geschenk von Großherzog Karl Friedrich von Baden aus dem Jahr 1811 an die Frau seines Enkels Karl, Stephanie.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit 247

Oberrhein auf, vom Basler bis zum Frankfurter Raum.

und werden Hunderte von Einzelprojekten (allein am Hochrhein deren 130) unterstützt, vom

1971 wurde die „Arbeitsgemeinschaft europäischer Grenzregionen“ (Sekretariat in Gro-

gemeinsamen Reiseführer über Radwege und gemeinsame Bildungs- oder Krankenhausprogramme bis zu grenzüberschreitenden wirtschaftli-

nau / Enschede im deutsch-niederländischen Grenzraum) gegründet, und auch dazu kam der Anstoß vom Rhein, von der trinationalen Region um Basel und der damaligen CIMAB (Communauté d’Intérêt de Moyenne Alsace et du Breisgau, heute Oberrhein Mitte). Am Bodensee wurde aus der 1959 gegründeten Internationalen Gewässerschutzkommision 1972 die Bodenseekonferenz mit einer Vielzahl von Arbeitsgruppen, die ein dichtes Beziehungsnetz pflegen. Für den trinationalen Raum um Hoch- und Oberrhein wurde 1975 mit dem Bonner Abkommen die deutsch-französisch-schweizerische Regierungskommission ins Leben gerufen, unter deren Aufsicht die Oberrheinkonferenz – ebenfalls mit zahlreichen Arbeitsgruppen – ihr Beziehungsnetz betreut. Zu diesem Netz gehören unter anderem die Infobest-Büros (Informations- und Beratungsstellen für grenzüberschreitende Fragen) in Village-Neuf, Vogelgrün, Breisach, Kehl / Straßburg und Lauterburg, ebenso wie der periodisch tagende, parlamentsähnliche Oberrheinrat. Großen Aufschwung nahm die grenzüberschreitende Zusammenarbeit dank der Europäischen Union, die 1990 unter der Bezeichnung „Interreg“ ein offenes Programm für die Kohäsion entlang der Staatsgrenzen auflegte. Das Programm forderte die Regionen längs der Staatsgrenzen auf, konkrete Projekte für die Grenzräume gemeinsam zu finanzieren, wobei Brüssel diese Projekte auf liberale Weise unterstützen würde. Die Formel wurde zum Großerfolg. Die Unterstützungsbeträge der EU sind für isolierte und arme Grenzregionen eher höher als für die zentral gelegenen, eher reichen Regionen am Rhein, aber auch dem Rhein entlang wurden

248 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

chen Impulsprogrammen. Von 1991 bis 1993 lief das Programm Interreg I, von 1994 bis 1999 Interreg II, von 2000 bis 2006 die Tranche Interreg III; das Programm Interreg IV läuft von 2007 bis 2015. Seit Interreg III werden nicht nur in den eigentlichen Grenzregionen, sondern auch in weiteren Kooperationsräumen Projekte unterstützt. Um den Brüsseler Anforderungen zu genügen, mussten sich die Grenzregionen zu definierten Räumen konstituieren, mit je einem grenzüberschreitend zusammengesetzten Gremium, das die eingehenden Projekte zu prüfen hatte. Dem Rhein entlang gibt es mehrere solcher Grenzregionen. Für Interreg III A haben sich in der gesamten EU 36 Grenzregionen konstituiert, und davon liegen acht am Rhein: AlpenrheinBodensee-Hochrhein, Oberrhein Mitte-Süd, Pamina (Palatinat – Mittelbaden – Nord-Alsace), Saar-Lothringen-Westpfalz, Deutschland-Luxemburg-deutschsprachiges Belgien, Wallonie-Lothringen-Luxemburg, Euregio Maas-Rhein und die Grenzregion Flandern-Niederlande. Die Interreg-Förderungsmöglichkeit besteht auch mit Drittstaaten, am Rhein also auch mit Liechtenstein und der Schweiz, wobei jeweils darauf geachtet wird, dass der Drittstaat auch die Summe aufbringt, die der EU-Staat aus Brüsseler Mitteln erhält. Ein Hindernis der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist das außenpolitische Monopol der Staaten, das es grenznahen lokalen Behörden normalerweise verbietet, selbständig öffentlichrechtliche Verträge über die Grenze abzuschließen; lediglich die Grenzkantone der Schweiz haben seit 1848 eine solche in der Verfassung garantierte Befugnis. Das Bonner Abkommen

205 ó So etwa kann man sich eine der historischen Hirsebreifahrten zwischen 1456 und 1576 vorstellen.

von 1975 hat auch deutschen und französischen Grenzland-Behörden eine gewisse selbständige uw Handlungsfähigkeit verschafft.

Hirsebreifahrt Zürich – Straßburg Bei einem Feldschießen in Straßburg im Jahr 1456, an dem auch Züricher teilnahmen, wurde der Wert der lange bestehenden Allianz zwischen Straßburg und Zürich in Zweifel gezogen. Die Züricher sagten, sie könnten innerhalb von 24 Stunden in Straßburg sein, wenn man ihre Hilfe brauche. Sie boten auch gleich die Wette an, dass sie mit ihren Schiffen einen heißen Topf Hirsebrei von Zürich nach Straßburg rudern könnten, ohne dass der Brei kalt würde. Die Wet-

neut eine Straßburg-Fahrt mit Hirsebrei an Bord durch, und die Schweizer Ruderer wurden damals im kriegsversehrten Elsass besonders herzlich empfangen. Daraus entstand der Wunsch, die Fahrt periodisch zu wiederholen, und seit 1977 wird sie nun alle zehn Jahre vom Limmat-Club wiederholt, in historischen Kostümen. Sie dauert heute allerdings länger, nämlich drei Tage, denn es sind 23 Wasserkraftwerke zu passieren. Die Straßburger bedanken sich mit einem volksfestartigen Empfang. Die nächste Fahrt mit jr dem heißen Hirsebrei findet 2014 statt.

Hochrhein Der 166 km lange Abschnitt des Rheins vom

te galt und wurde gewonnen. Der mit Lehm und Stroh geschützte Topf kam nach 22 Stunden Rudern auf den Flüssen Limmat, Aare, Rhein und Ill in Straßburg an. Der Brei war noch so heiß, dass

Ende des Bodensees westwärts bis Basel heißt Hochrhein. Diese Bezeichnung hat sich erst im 19. Jahrhundert eingebürgert. Vor allem die Geologen waren bestrebt, den Hochrhein sprachlich

sich die Straßburger Prüfer „das Maul verbrannten“, wie die Legende sagt.

vom Oberrhein abzugrenzen. Davor sprach man

Der „Limmat-Club“, ein 1869 gegründeter Züricher Wasserfahrverein, führte im Jahr 1946 er-

allenfalls vom „Badisch-Schweizerischen Rhein“. Der Hochrhein fällt von 395 m auf 252 m ü. M. Das hohe Gefälle und eiszeitliche Laufveränderun-

Hochrhein 249

gen haben an mehreren Stellen Stromschnellen entstehen lassen. Bei Neuhausen (westlich von

onale Commissie ter Bescherming van de Rijn, frz. Commission Internationale pour la Protec-

Schaffhausen) fällt der Strom als Rheinfall in eine vormals verschüttete Stromrinne ab. Ober-

tion du Rhin) im sogenannten Berner Abkommen und gaben sich damit eine völkerrechtliche

halb der Wutachmündung bildet er im Muschelkalk den „Koblenzer Laufen“. Bei Laufenburg traf der sich nacheiszeitlich eintiefende Rhein

Vertragsgrundlage für ihre Zusammenarbeit. Der Kommission trat im Jahr 1976 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – und in deren Fortent-

auf einen Ausläufer des Schwarzwälder Kristallins. Darin schnitt er die enge Laufenburger

wicklung: die Europäische Union (EU) – bei. Die Mitglieder der IKSR kooperieren inzwischen auch

Stromschnelle ein, den (oder das) Kleine Laufen. Der Charakter der Flusslandschaft wurde durch den Bau von Wasserkraftwerken auf wei-

mit Österreich, Liechtenstein und der belgischen Region Wallonie sowie Italien.

ten Strecken verändert, die Stromschnellen bei Laufenburg wurden gesprengt und überstaut. Von rechts (also von Norden) fließen dem Hochrhein aus dem Schwarzwald die Wutach (mit Nebenflüssen Schlücht und Steina), die Alb und die Wehra zu. Die Zuflüsse von links sind im Kanton Zürich die Thur, die Töss und die Glatt, im Kanton Aargau die Aare (mit im Mittel 557 m³ / s der mächtigste aller Rheinzuflüsse) und die kleine Sissle, im Kanton Baselland die Ergolz und die Birs. Die mittlere Wasserführung des Hochrheins beträgt am Rheinfall 373 m³ / s, vor der Aare-Mündung 439 m³ / s. Durch die Aare steigt sie mächtig an und beträgt in Basel 1030 m³ / s. uw

IKSR – Internationale Kommission zum Schutz des Rheins 206 ó Logo der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR), eine der erfolgreichsten Institutionen der Rheinanliegerstaaten.

Aufbauend auf einem Forum im Jahr 1950 unterzeichneten die Rhein-Anliegerstaaten Schweiz, Frankreich, Deutschland und Niederlande im Jahr 1963 die Vereinbarung über die „Internationale Kommission zum Schutz des Rheins gegen Verunreinigungen“ (IKSR, nl. Internati-

250 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Ziel der IKSR ist es, die vielfältigen, teilweise konkurrierenden Nutzungsinteressen und den Schutz des Ökosystems Rhein in Einklang zu bringen. Dazu wurde eine Reihe von Übereinkommen und Programmen beschlossen, so das Chloridabkommen (1976), das Aktionsprogramm Rhein (1987), der Aktionsplan Hochwasser (1998), das Programm zur nachhaltigen Entwicklung des Rheins – Rhein 2020 – (2001), das Übereinkommen zum Schutz des Rheins (2003). Die Vorgaben der EU, wie die Wasserrahmenrichtlinie (2000), die Grundwasserrichtlinie (2006) und die Hochwasserrichtlinie (2007), flankieren und ergänzen die Ziele der IKSR. Dringenden Handlungsbedarf sieht die IKSR vor allem bei der Hochwasservorsorge und der Verbesserung des Ökosystems sowie der Reduzierung von Schadstoffen und Stickstoffverbindungen, insbesondere aus diffusen Quellen. Die zuständigen Minister der beteiligten Staaten treffen sich regelmäßig zu Plenarsitzungen, um die Leitlinien der IKSR festzulegen und entsprechende Beschlüsse zu fassen. Diese Beschlüsse sind für die Regierungen bindend. Eine Strategiegruppe, die sich in Fachfragen beraten lässt, bereitet die Plenarsitzungen vor. Die IKSR unterhält ein Sekretariat, das die Beteiligten inhaltlich, organisatorisch und auch sprachlich – deutsch, französisch und niederländisch – unterstützt und das für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Für Experten und Interessierte ist

es als Ansprechpartner von großer Bedeutung. – Eine Fülle von Dokumenten steht im Internet unter www.iksr.org zur Verfügung. Die 2000 in Kraft getretene Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union hat es nötig gemacht, ein „Koordinierungskomitee Rhein“ der Rheinanliegerstaaten einzusetzen. Eine eigene Geschäfts- und Finanzordnung regelt die Zusammenarbeit der IKSR mit diesem Komitee. ms

Ill im Elsass Die Ill ist ein 208 km langer, linker Nebenfluss in Frankreich. Die Quelle liegt auf 560 m ü. M. im

Ill in Vorarlberg Die Ill ist ein rechter Nebenfluss in Vorarlberg (Österreich). Sie entspringt am Silvrettahorn im Ochsentaler Gletscher (Illursprung), fließt mit viel Gefälle durch das Montafon und den Walgau nordwestwärts, durch Bludenz an der Arlbergbahn, und mündet nach 72 km am Illspitz in Meiningen, nördlich von Feldkirch, auf 430 m ü. M. in den Alpenrhein, mit einer mittleren Wasserführung von 67 m³ / s. Der Fluss ist zur Stromgewinnung (Spitzenstrom) mehrfach aufgestaut, unter anderem schon auf 2032 m im Silvretta-Stausee. Der Fluss

Sundgauer Jura (Dépt. Haut-Rhin). Ab Altkirch fließt die Ill in nordnordöstlicher Richtung den Fuß der Vogesen entlang (nl. Vogezen, frz. Vosges) und weitgehend parallel zum Rhein, bis über Straßburg hinaus. Ihre Mündung in den Rhein liegt auf 127 m ü. M. bei Offendorf (Dépt. Bas-Rhin), unmittelbar unterhalb des Kraftwerks Gambsheim, bei Rhein-km 335. Das Einzugsgebiet der Ill umfasst 760 km², ihre mittlere Wasserführung in Straßburg (nahe der Mündung) beträgt 58 m³/s. Die Zuflüsse der Ill münden fast durchwegs von links, also aus den Vogesen, die Doller, die Thur, die Lauch, die Fecht, der Giessen, die Scheer, die Andlau, die Ehn und die Breusch (frz. la Bruche). Die meisten elsässischen Städte liegen nicht am Rhein, sondern an der Ill, die den Elsässern den Namen gegeben hat, die Ill-Sassen. Weil die Vogesenflüsse die elsässische Ebene nicht durchqueren, sondern in die Ill münden, hat der Rhein von Basel bis zur Illmündung keine linken Nebenflüsse ( Birsig Y Kap. 5).

verläuft ganz in Vorarlberg; sein linker Zufluss

Das hat den Bau des linksrheinischen Grand Canal d’Alsace erleichtert.

Flussmitte und die Dynamik der Hochwasser, die Inselteile fortschwemmten, abmildern. So hat man heute ein eigenartiges und da-

Bei Illfurth oberhalb von Mülhausen (frz. Mulhouse) kreuzt die Ill den Canal du Rhône au Rhin (Rhein-Rhone-Kanal); in Straßburg kreuzt sie den Canal de la Marne au Rhin (Rhein-MarneKanal). uw

Samina entwässert einen Teil von Liechtenstein. Der Name Ill bezeichnet mehrere Flüsse. Der Name ist keltischen oder eventell vorkeltischen Ursprungs und soll das eilige Wasser bezeichnen. uw

Inselrhein Dem Rheingau gegenüber liegt zwischen Ingelheim und Bingen eine über 17 km lang gezogene und 475 ha umfassende Inselgruppe, Inselrhein genannt. Der Fluss strömt hier bei geringem Bodengefälle (deutlich unter 1 % Neigung) seit jeher relativ ruhig und flach über einen Untergrund harter Felsrippen. So konnten sich außerhalb der Hauptströmung kleine, schmale Inseln aus Schlick, Sand, Geröll und Pflanzen bilden und im Lauf der Zeit festigen. Zwischen den Inseln steht ein seichtes, fast stilles Gewässer. Mit lang gezogenen Steinmauern, den Leitwerken, konnte man die normale Strömung der

bei schönes Landschaftsbild am Rhein mit Inseln aus Wiesen, Schilf, Röhricht und Anteilen von Auenwald gesichert. Obstanbau darf hier – zurückhaltend – betrieben werden. Mit der viel-

Inselrhein 251

207 ó Blick vom Bingener Rochusberg Richtung Ingelheim auf die ökologisch und ästhetisch wertvolle, linksrheinische Landschaft des Inselrheins.

fältigen Vegetation hat sich besonders auch ein „Vogelparadies“ mit seltenen und zu schützenden Arten gebildet. Zugvögeln aus dem nordeuropäischen Raum bietet sich hier ein Rastplatz oder sogar ein Überwinterungsquartier bei milden Temperaturen. Störche finden in dem feuchten Grund reichlich Nahrung. Selbst Fischadler oder Schwarze Milane wurden schon beobachtet. Der Inselrhein steht unter Naturschutz. Das Gebiet ist als Europa-Reservat ausgewiesen (Ramsar Y Kap. 5 ). Dennoch sind auf einigen ausgewiesenen Wegen Wanderer zugelassen. Eine Naturschutzgruppe bietet Führungen an. Störend sind

leider immer wieder Wassersportler mit Motorbooten oder Angler, die zu nah an das Gebiet herankommen. jr

Juragewässerkorrektion Der Ausdruck bezeichnet ein umfangreiches Paket von Wasserbaumaßnahmen, die im Schweizer Einzugsgebiet des Rheins teils im späten 19., teils im 20. Jahrhundert an der Aare, am Bielersee (frz. Lac de Bienne), am Neuenburgersee (frz. Lac de Neuchâtel) und am Murtensee (frz. Lac de Morat) vorgenommen wurden. Sie sollten der Verminderung der Hochwasserereignisse die-

Heidenfahrt Königsklinger Aue 510

Ingelheim Nord

MW-Trennleitwerk

MWLeitwerk

Altrhein

MW-Leitwerk mit Buhnengruppe

MWHafen Leitwerk Ingelheim

520

Abbruch

515

MWLeitwerk

Große Gieß

MWLeitwerk

Fahrrinne 120 m

Eltville

Erbach

208 ó Lageplan Rheingau (Abschnitt).

252 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Mariannen- MWLeitwerk aue

Kleine Gieß

Hattenheim

Fahrrinne 120 m

Oestrich Mittelheim 0

500

1000 1500 1500 m

nen. Der Ausdruck ist insofern missverständlich, als diese Gewässer nicht im Jura-Massiv liegen,

Kaiserstuhl als Quellgebiet des Rheins, der über

sondern im sogenannten Schweizer Mittelland am Fuß der Jura-Bergkette.

Oberrheins nach Bingen und zum Niederrheinischen Graben floss. Kaiserstuhl heißt auch ein Dorf am Hochrhein (Schweiz, Kanton Aargau). uw

Der Bielersee hatte vor der Korrektion seinen natürlichen Auslauf in der Zihl (frz. Thielle), die den See in Biel verlässt und nach kurzer Strecke in die Aare mündete. Mit der „1. Juragewässerkorrektion“, von 1874 bis 1878, wurde die Aare in den Bielersee abgeleitet, die Zihl ausgeweitet und kanalisiert. Zugleich wurde der Bielersee abgesenkt, wodurch die Petersinsel (frz. Île St.Pierre) zur Halbinsel wurde. 1939 wurde an der Stelle, wo die Zihl bzw. die umgeleitete Aare auf deren altes Flussbett trifft, das „Regulierwehr Port“ gebaut. Mit der „2. Juragewässerkorrektion“, von 1962 bis 1973, wurden die Aare und die Zihl reguliert und auch die drei Seen (Bieler-, Neuenburger-, Murtensee) zu einem durch schiffbare Kanäle verbundenen, regulierten System vereinigt. uw

Kaiserstuhl Der Kaiserstuhl ist ein Gebirgsstock, der sich nordwestlich von Freiburg / Br. etwa 300 m hoch aus der oberrheinischen Ebene erhebt und im „Totenkopf“ auf 557 m ü. M. gipfelt. Der Name leitet sich von einem Reichsgericht Ottos III. ab, das im Jahr 994 in einer Geländemulde bei Sasbach stattfand. Das Gebirge ist teils eine Scholle, die beim Einbrechen des Oberrheingrabens sozusagen stehen blieb, teils vulkanischen Ursprungs. Im stetigen Südwestwind des südlichen Oberrheins haben sich auf der Leeseite, also am Nordostabhang, während der vegetationslosen letzten Eiszeit mächtige Lössschichten abgelagert. Ihre tiefen Hohlwege charakterisieren die Landschaft des Kaiserstuhls, und ihre Böden kommen dem Weinbau zugute. Für die Zeit, als weder die Aare noch der Alpenrhein zum Rheinsysten gehörten, gilt der

Worms und Rheinhessen westlich des heutigen

Kempenaar Ein Kempenaar ist ein seit 1920 gebräuchliches Frachtschiff, das für die Fahrt auf den Kanälen im Landstrich „de Kempen“ gebaut wurde. So heißt das Grenzgebiet zwischen der niederländischen Provinz Noord-Brabant und den belgischen Provinzen Antwerpen und Limburg. Ein Kempenaar hat eine Länge von 50 m und eine Breite von 6,6 m; das Schiff kann 400 bis 600 t Fracht transportieren, und der maximale Tiefgang beträgt 2,5 m. Bei den originalen Kempenaar-Schiffen war der Bug rund, die Brücke nicht überdacht, das Heck überstehend. Dieser Schiffstyp wurde ab 1920 für die Fahrt in den Kanälen mit Schleusen von 55 × 7,5 m gebaut. Der Kempenaar war am Anfang ein Schleppschiff. Als das Schiff von Pferden gezogen wurde, passte es in die Schleusenkammern. Als man den Kempenaar mit einem Schleppboot zog, mussten Schlepper und Kempenaar beim Schleusen getrennt werden. Viele solcher Schiffe wurden in den 1950er-Jahren dank der Finanzhilfe des belgischen Staates motorisiert. Die heutigen Motorkempenaar-Schiffe von etwa 550 t haben mit dem ursprünglichen Schleppschiff nur noch die Größe gemein. js

Kettenschifffahrt, Seilschifffahrt Bevor Schaufelraddampfer und Schraubendampfer technologisch ausgereift waren, wurde auf Elbe, Main und Neckar Kettenschifffahrt betrieben, bei der eine in der Fahrrinne verlegte Kette maschinell über und durch das Schiff gezogen wurde.

Kettenschifffahrt, Seilschifffahrt 253

209 ó An der im Fluss verlegten Kette (rechts) hangelte sich der Schlepper flussaufwärts.

Von 1873 bis 1904 wurden am Niederrhein und am Mittelrhein, von Emmerich bis Duisburg,

Die KHR wurde 1970 anläßich der UNESCOEmpfehlung zur Förderung einer engeren Zu-

von Duisburg nach Oberkassel, von Oberkassel bis Bingen, Seilschlepper eingesetzt, auch „Tauer“ genannt. Diese zogen sich an einem 43-mmstarken Seil, welches in der Fahrrinne verankert war, zu Berg. Bei gleicher Schleppleistung war ein Viertel weniger Kraft erforderlich als bei einem Dampfschlepper, und die Besatzug reduzierte sich von 16 auf zehn Mann. 1873 benötigte die „Tauer I“ mit sieben Lastkähnen und 2700 t Ladung von Emmerich nach

sammenarbeit in internationalen Flussgebieten gegründet. Die Mitgliedstaaten der KHR sind: Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Österreich und die Schweiz. Das Sekretariat der KHR befindet sich in Lelystad (NL). Seit 1975 stellen sich die Arbeiten der KHR in den Rahmen des Internationalen Hydrologischen Programms (IHP) der UNESCO und des Operationellen Hydrologischen Programms (OHP) der WMO (Weltorganisation der Meteorologie).

Duisburg 16 Stunden. Da in den folgenden Jahrzehnten die Schifffahrt immer mehr zunahm, und die Seilschiffe nicht ausweichen konnten, wurde diese Transportart auf dem Rhein 1904 eingestellt. Auf dem Main wurde sie in den

Die KHR hat zwei Berichtsreihen. In Reihe I werden die Ergebnisse der offiziellen KHR-Arbeitsgruppen und Rapporteure publiziert. In Reihe II werden Berichte veröffentlicht, die im Rahmen der KHR-Arbeiten interessant sind, für

1920er-Jahren eingestellt. Auf dem Neckar gab jr /uw es Kettenschifffahrt von 1878 bis 1935.

die die KHR aber lediglich die Schirmherrschaft uw übernommen hat.

KHR

Kinzig

Die Internationale Kommission für die Hydrolo-

Die Kinzig ist ein rechter Nebenfluss des südli-

gie des Rheingebiets (KHR) ist eine Organisation, in der wissenschaftliche Institutionen der Rheinanliegerstaaten gemeinsam hydrologische Grundlagen für die nachhaltige Entwicklung im Rhein-

chen Oberrheins. Sie entspringt bei Lossburg im Landkreis Freudenstadt (Baden-Württemberg) auf rund 600 m ü. M. und sie mündet nach 95 km bei Kehl in den Rhein, auf 139 m ü. M., bei Rhein-

gebiet erarbeiten. Die Aufgaben der KHR sind die

km 298,2. Ihr mittlerer Abfluss an der Mündung

Erweiterung der Kenntnisse über die Hydrologie des Rheingebiets und die Erarbeitung von Beiträgen zur Lösung von grenzüberschreitenden Problemen.

beträgt 23 m³ / s. Die Kinzig verläuft im Bereich der Schwarzwaldhöhen erst südwärts, biegt nach kurzem Lauf

254 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

(im Landkreis Rottweil) nach Westen ab, bis zur Mündung im Landkreis Ortenau. Sie durchquert

den. Bis in vorhistorische Zeit zeigt die Abteilung „Frühe Menschen am Rhein“ Spuren früher

unter anderem die Orte Alpirsbach, Schenkenzell, Wolfach, Gutach, das badische Biberach, Gengen-

Herkunft und Besiedlung, während die Abtei-

bach, erreicht in Offenburg die Rheinebene und fließt über Willstätt zur Mündung bei Kehl. Das Kinzigtal ist eines der größeren Schwarzwaldtäler. Es dient seit dem römischen Kaiser Vespasian (1. Jahrhundert n. Chr.) dem Transitverkehr vom Oberrhein hinüber ins Donaubecken. Die Kinzig diente bis 1896 (Eröffnung der Schwarzwaldbahn) auch der Flößerei, für die in Wolfach und Schiltach sogenannte Schifferschaften bestanden. Mit Erfolg werden in der Kinzig seit 2002 wieder Lachse angesiedelt. Kinzig ist auch der Name von zwei Flüssen in Hessen. Das Wort Kinzig soll keltischen Ursprungs sein und Schlucht oder Hohlweg bedeuten. uw

Koblenz – Rhein-Museum Das Museum zur Geschichte bis hin zur gegenwärtigen Lage des Rheins steht in Koblenz, auf Höhe des Deutschen Ecks, aber rechtsrheinisch unterhalb der Festung Ehrenbreitstein. Alles Wissenswerte über den Rhein wird hier anschaulich in Originalexponaten, wie auch in Bildern, Fotografien und Modellen dargestellt. Wer es noch genauer wissen bzw. ein Thema wissenschaftlich bearbeiten will, dem steht – nach Anmeldung – eine umfangreiche Bibliothek mit mehreren Tausend einschlägigen Büchern und über 8000 Bildern zur Verfügung. Dazu gehört auch ein Archiv für Artikel aus Zeitungen und Zeitschriften. Die Sammlung ist in acht Sachgebiete unterteilt und erleichtert sowohl den Überblick als auch den Zugang zu speziellen Themen, die der Besucher erkunden möchte. Die Abteilung „Hydrologie“ zeigt Messinstrumente aus früherer Zeit, mit denen Strömung, Pegelstände und Wasserqualität gemessen wur-

lung „Leben am Rhein“ neuzeitliche Flussfähren, Kräne, Mühlenschiffe oder auch die mühselige Geschichte der Flößerei bietet. Das weist bereits in die nächste Abteilung „Fische und Fischfang“, mit der früher rheintypischen Vielfalt an Fischarten, die sich dank besserer Wasserqualität allmählich wieder hergestellt hat. Drei Abteilungen widmen sich der Schifffahrt unter den Aspekten Wasserstraße, Schiffstypen und -entwicklungen sowie dem berühmten Schiffsfund von Ehrenbreitstein aus dem 17. Jahrhundert. Ohne „Ritter, Burgen und Ruinen“ kann sich ein Rhein-Museum nicht sehen lassen. So bekommt der Besucher mit Burgmodellen, bedeutenden Bildern und Archivalien nicht nur Einblick in die mittelalterliche Zeit, die später so romantisch verklärt wurde, sondern auch Antwort auf die Fragen, warum es am Rhein überhaupt so viele Burgen gibt, wer und wie man in ihnen gelebt hat. Immer wieder werden auch Sonderausstellungen zu rheinischen Themen geboten. Das Museum wurde – ein beeindruckendes Beispiel früher europäischer Zusammenarbeit am Rhein – 1912 von allen Rheinanliegerstaaten gegründet. Heute befindet es sich in privater Trägerschaft des Vereins Rhein-Museum e. V. jr

Kölner Bucht Die Kölner Bucht, auch Niederrheinische Bucht genannt, bildet den südlichen Abschluss des Niederrheinischen Tieflandes und erstreckt sich von der Eifel und dem Hohem Venn im Süden zum Bergischen Land im Osten und im Südosten bis an das Siebengebirge am Rand des Rheinischen Schiefergebirges. Die Grenze im Nordwesten ist unscharf, liegt etwa auf der Linie Aachen-Düs-

Kölner Bucht 255

210 ó Die sogenannten Kranhäuser (Architekt Hadi Teherani, Bauzeit 2006 – 2008) bilden nicht nur im Verhältnis zum historischen Rheinauhafen einen gewaltigen Maßstabssprung, sondern auch zu anderen neuen Bauten in dieser begehrten Wohn- und Bürolage am Rhein. Nicht weit vom Dom entfernt ist ein neues Wahrzeichen der Stadt Köln entstanden.

seldorf / Neuss, sodass sich mit diesen Städten und Bonn im Südosten ein Dreieck bildet. Auf etwas mehr als 100 km durchfließt der Rhein die Kölner Bucht, die vor allem durch eine hohe Einwohnerzahl, etwa 4,3 Millionen Bewohner, große Industriekomplexe, Braunkohletagebau und intensive Landwirtschaft mit Obstplantagen und ms Gemüsefeldern geprägt ist.

Köln – Rheinauhafen Als Hafenstadt am Rhein spielt Köln, ganz im Gegensatz zur Zeit der Römer oder des Mittelalters und noch weit bis in die Neuzeit hinein, heute keine wesentliche Rolle mehr für die Binnenschifffahrt. Auch die Zeit des Wahrenumschlags im Kölner Rheinauhafen südlich der Alt-

Auf der nördlichen Spitze der Halbinsel entstand 1993 das Schokoladenmuseum. Gleich daneben wurde das Deutsche Sport- und Olympia-Museum in der Zollhalle 1 eingerichtet. Mit 50 Ateliers wurde das Kunsthaus Rhenania Künstlern zur Verfügung gestellt. So ging es mit Umnutzungen von Hafenbauten wie mit Neubauten südlich, also rheinaufwärts, immer weiter, mit architektonisch besonders qualifizierten, teilweise auch luxuriösen Gebäuden für Büros und Wohnungen. Gebäudenamen wie Kranhaus, Rheinkontor oder Silo 23 erinnern an die Hafenvergangenheit. Das Hafenbecken zwischen Halbinsel und festem Rheinufer wurde als Yachthafen ausgebaut. Die Lage wurde zur prominenten und begehrten

stadt – erst gegen Ende 19. Jahrhunderts mit beachtlichen Speicherkapazitäten angelegt – ist längst vorbei. Die Nähe zur Innenstadt aber mit der vorgelagerten Halbinsel hat die Stadtplaner

Adresse. Bauherr ist die Stadt Köln zusammen mit der Häfen- und Güterverkehr Köln AG. jr

angeregt, hier für Wohnungen, Büros, Touristen und Ausstellungsbesucher eine dichte, von den

Sieben Brücken überqueren den Rhein in Köln.

Hafenbauten geprägte urbane, kulturelle und kreative Zone direkt am Rhein zu entwickeln.

256 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Köln – Rheinbrücken In römischer Zeit – unter Kaiser Konstantin – entstand die erste feste Rheinbrücke der Colonia Claudia Ara Agrippinensis ( Brücken, römi-

sche Y Kap. 5). Nach ihrem Einsturz gab es in der größten Stadt des römisch-deutschen Reiches

Der Bahnverkehr entwickelte sich, und diese erste Kölner Rheinbrücke wurde zu eng.

zwar Schiffsbrücken und Fähren, aber keine feste Brücke, bis 1851.

Von 1907 bis 1911 entstand an derselben Stelle (Rhein-km 688,5) eine 409 m lange Dreifach-

Im 19. Jahrhundert trat die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft auf. Deren neue Kölner Eisen-

brücke aus drei mal drei Stahlfachwerkbögen, für zwei Bahndoppelspuren und eine Straße. Hohenzollernbrücke hieß der nun mit Tortürmen und

bahn- und Straßenbrücke müsse in die Achse des Domes zu liegen kommen, befand der preußische Herrscher Wilhelm I. Was offiziell Dombrücke hieß, wurde, weil die Brücke aus genietetem Eisenfachwerk bestand – das aussah wie Gitterkäfige – meist „Muusfall“ genannt. Es war die erste feste Rheinbrücke zwischen Basel und den Niederlanden.

Standbildern geschmückte Bau. Mit allen anderen deutschen Rheinbrücken stürzte am Ende des Zweiten Weltkriegs auch die Hohenzollernbrücke ein, durch Sprengung. Der Bahnverkehr machte rasch einen Wiederaufbau nötig. Die Brücke entstand neu in der-

211 ó Hohenzollernbrücke.

Köln – Rheinbrücken 257

212 ó Die Deutzer Brücke wurde nach 1945 als erste der Kölner Brücken definitiv neu gebaut. Alle Stahlteile der Rheinbrücke in Köln tragen „Kölner Grün“ wie auch die Severinsbrücke.

Betonkonstruktion. Deren leere Betonhohlkästen werden zuweilen für Kunstaktionen benützt. Südbrücke nennt sich die zweite Kölner Eisenbahnbrücke, die zwischen 1906 und 1910 bei Rhein-km 685,7 errichtet wurde. Die Stahlfachwerkbrücke in drei Bögen ist insgesamt 368 m lang, und sie überquert den Rhein mit Spann-

selben Form von Stahlfachwerkbögen, aber ohne Schmucktürme. Die Brücke lag nach wie vor in der Domachse, bis man 1986 das südliche Drittel der Dreifachbrücke durch einen nordseitig angefügten Neubau ersetzte. Die drei Stahlbrücken sehen identisch aus; die jüngste ist freilich nicht mehr genietet, sondern geschweißt. Die sechsspurige Bahnbrücke gilt heute als die meistbefahrene Europas. An der Stelle der verschwundenen römischen Rheinbrücke im Kölner Stadtzentrum (Rheinkm 687,9) wurde von 1913 bis 1915 die Deutzer Brücke errichtet, als Ketten-Hängebrücke. 1939 / 40 wurde sie erweitert, aber Anfang 1945 stürzte sie ein – nicht durch Sprengung, sondern wohl nach Überlastung durch Militärfahrzeuge. 1947 / 48 entstand die neue Deutzer Brücke, ein Werk des Stuttgarter Ingenieurs Fritz Leonhardt, als erste Hohlkastenträgerbrücke der Welt. Sie ist 437 m lang und weist Spannweiten von 132, 184 und 121 m auf. Der Untergurt der Längsträger, also der Hohlkästen, ist flach gewölbt, und die Fahrbahn liegt nur 3,3 m über dem Scheitel der Wölbung. Von 1976 bis 1980 wurde die Brücke auf die doppelte Breite gebracht; der angefügte Neubau ist aber keine Stahl-, sondern eine

258 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

weiten von 101, 165 und 101 m. Im Januar 1945 wurde sie durch Bomben zerstört und von 1946 bis 1950 unverändert wieder aufgebaut; auch die wilhelminischen Tortürme stehen immer noch. 1914 wurde der Bau der Mülheimer Brücke bei Rhein-km 691,9 vereinbart, an Stelle der Schiffbrücke. Als Zügelgurtbrücke (unechte Hängebrücke, deren Tragkabel an der Brücke selbst verankert sind) entstand sie 1927. Sie wurde 1944 das Opfer eines Luftangriffs. Von 1949 bis 1951 entstand sie neu, jetzt als echte Hängebrücke, für den Straßen- und Stadtbahnverkehr. Nach dem Wiederaufbau der bei Kriegsende zerstörten Brücken wurde nahe beim Stadtzentum, bei Rhein-km 687,3, eine weitere Straßenbrücke nötig. Die einhüftige Schrägseilbrücke wurde 1959 nach kurzer Bauzeit dem Verkehr übergeben. Nahe beim rechten Rheinufer spreizt ihr einziger, 77 m hoher Pylon seine zwei Beine quer über die Fahrbahn. Sie ist 690 m lang, und ihre größte Stützweite über dem Strom beträgt 302 m. Kurz nach dem Bau der Severinsbrücke, von 1962 bis 1966, wurde auch bei Rhein-km 690,2 eine Brücke für den Straßenverkehr errichtet. Sie hieß erst Nordbrücke, wurde dann nach einem Leserwettbewerb einer Zeitung Zoobrücke genannt, und sie weist den weltweit weitestgespannten Hohlkastenträger auf. Er misst 259 m, bei einer gesamten Brückenlänge von 597 m.

Die Rheinbrücke in Köln-Rodenkirchen, heute Teil des Autobahnrings um Köln, wurde in ih-

Von den sieben Kölner Rheinbrücken sind fünf im selben hellen Grün bemalt, für das man sich

rer ersten Form von 1938 bis 1941 erbaut, als einzige Rheinbrücke der Reichsautobahnen. Das

schon 1929 bei der Mülheimer Brücke entschied, und das seither von der Bayer AG als Kölner Grün

Ingenieurprojekt stammte von Fritz Leonhardt; am Entwurf war auch der Architekt Paul Bonatz beteiligt. Leonhardt, 1909 in Stuttgart gebo-

angeboten wird. Beim Bau der Zoobrücke schlug ein beteiligter Ingenieur namens Rot blau vor,

ren, war ab 1934 Mitarbeiter der 1933 gegründeten Gesellschaft Reichsautobahnen. Er machte sich bereits 1938 selbständig und erhielt als 29Jähriger den Auftrag, die damals längste Hängebrücke Europas zu bauen – mit 378 m Spannweite. Im Januar 1945 wurde die Brücke zerstört, nicht von der Wehrmacht wie die meisten anderen Rheinbrücken, sondern durch einen alliierten Bombenangriff. 1952 wurde die Brücke in derselben Form neu aufgebaut, wieder unter der Leitung des Ingenieurs Fritz Leonhardt. Der Straßenverkehr nahm stetig zu, und 1990 bis 1993 wurde die Rodenkirchener Brücke auf ihre heutige Breite verdoppelt.

aber die Stadt entschied sich erneut für grün. uw

Köln – Rheinenergie Rheinenergie ist der größte kommunale Energieversorger in Köln, ein selbstbewusstes Unternehmen. Rheinenergie sieht die großen Stadtwerke wie den MVV Mannheim, die Mainnova Frankfurt oder eben sich selbst nicht nur als fünfte Kraft neben den Energiegiganten RWE, Eon, EnBW und Vattenfall, sondern verhält sich auch noch expansiv. So plant das Unternehmen zusätzlich am Standort Köln ein Kohlekraftwerk mit ca. 800 MW, obwohl es selber nur ein Drittel der Kapazität nutzen will. Für die anderen zwei Drittel werden Partner gesucht. jr

213 ó Köln Severinsbrücke, rechts das Schokoladenmuseum.

Köln – Rheinenergie 259

Köln – Rheinseilbahn In Köln wird der Rhein von einer Seilschwebebahn überquert. Die Seilbahn wurde für die Bundesgartenschau des Jahres 1957 aufgebaut. Sie verband den linksrheinisch gelegenen Kölner Zoo und den botanischen Garten „Flora“ mit dem rechtsrheinisch gelegenen Ausstellungsgelände Rheinpark. 1963 wurde an derselben Stelle die Zoobrücke über den Rhein geschlagen, und man legte die Seilbahn still, um sie umzubauen: Beidseits des Rheins wurde eine Stütze leicht verschoben, außerdem wurde die Rheinpark-Station weiter vom Fluss weg neu gebaut, was den Bau einer dritten Stütze nötig machte. 1966 ging die Seilbahn wieder in Betrieb. Sie überquert seither wieder den Rhein und in spitzem Winkel auch die Zoobrücke. Für die Bundesgartenschau in Koblenz im Jahr 2011 wurde ebenfalls eine Seilschwebebahn gebaut, die den Rhein überquert, vom Deutschen Eck zum Glacis der Festung Ehrenbreitstein.

welle von 10 bis zu 15 m Höhe nachweislich etwa bis Köln, vermutlich aber noch weiter bis in holländisches Gebiet hinein. Damals, gegen Ende der letzten Eiszeit, war das Land weitgehend unbesiedelt. Jedenfalls hat man trotz des umfangreichen Bimsabbaus in dieser Gegend keine menschlichen Skelette aus dieser Zeit gefunden. Die Eruption war eine Naturkatastrophe von einer Größenordnung, wie sie es in den zurückliegenden 100 000 Jahren in Europa nicht gegeben hat. Da der Eifelvulkanismus bis heute nicht zur Ruhe gekommen ist und solche Eruptionen einem gewissen langgezogenen zeitlichen Muster folgen könnten, schließen Experten nicht aus, dass sich eine Eruption am Laacher See irgendwann wieder ereignen könnte. So wird dringend empfohlen, die Prozesse im Erdinneren mit den heutigen seismischen Messmöglichkeiten kontinuierlich zu verfolgen. Die im Seewasser aufsteigenden Blasen deuten immerhin die anhaltende Entgasung von Kohlendioxid an und damit Aktivität im Erdinnern. jr

uw

Laborschiff Laacher See Der Laacher See ist der mit Wasser gefüllte Krater eines Eifelvulkans, der sich vor 12 900 Jahren in einer gewaltigen Eruption entlud und diesen Teil Europas mit einer mehrere Zentimeter dicken Ascheschicht und einer Mischung aus Bimsstein, Schiefer und Sandsteinfragmenten (Lapilli) bedeckte. Gleichzeitig ergossen sich pyroklastische Ströme aus heißen Gasen und Gesteinspartikeln hangabwärts, vor allem durch das Brohltal, in Richtung Rhein. In Höhe von Brohl bildeten diese Massen einen 27 m hohen Damm, der das Flusswasser zunächst im Neuwieder Becken und dann 150 km rheinaufwärts bis Mannheim zu einem riesigen See staute. Der Damm aber hatte keine Festigkeit, sondern brach nach wenigen Wochen oder Monaten ein und entließ eine Flut-

260 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Die Überwachung des Gütezustandes des Rheins und der größeren Nebengewässer ist allein durch das Netz der vorhandenen landseitigen Messstationen nicht durchführbar. Deshalb setzen die deutschen Bundesländer Laborschiffe auf den schiffbaren Gewässern ein. Die Laborschiffe übernehmen als „schwimmende Klassenzimmer“ auch pädagogische Aufgaben. Um genauere Aussagen über die Veränderungen der Wasserqualität des Rheins machen zu können, muss man auch im Rhein selbst messen. Solche Messungen werden z. B. im Rahmen des Deutschen Untersuchungsprogramms Rhein beim koordinierten Einsatz von Laborschiffen durchgeführt. In der Praxis entnehmen die Schiffe Wasser- und Schwebstoffproben vor allem dort, wo ständig oder aktuell Verdacht auf Wasserverun-

reinigung besteht. Oft handelt es sich um schadhafte Zuleitungen aus Kläranlagen oder Indust-

fang. 1999 wurde sie durch ein neues Schiff mit identischer Namensgebung und Aufgabenstel-

riebetrieben. Wilde Schadstoffeinträge von Land aus oder von Schiffen sind eher selten geworden.

lung ersetzt. Laborseitig verfügt das neue Schiff über Probenahmegeräte für Wasser, Schweb-

Strafen für die Verunreinigung und Kosten für die Reinigung werden, wenn möglich, den Verursachern angelastet. Bei Gefahr wird die Wasser-

stoff und Sediment. Eine moderne Messstrecke mit Sensoren zur kontinuierlichen Bestimmung verschiedener Messgrößen befindet sich ebenso

schutzpolizei eingeschaltet. Auch Planktonbildung (Algen) durch Phos-

an Bord wie ein Fotometer zur Bestimmung von Nährstoffen und ein Gaschromatograf zur Be-

phat- oder Stickstoffeinträge gehört zum Kontrollprogramm. Übermäßiges Planktonvorkommen verbraucht Sauerstoff im Wasser und schädigt da-

stimmung leicht flüchtiger Kohlenwasserstoffe. Ferner verfügt die „Max Prüss“ für biologische Untersuchungen über ein Mikroskop mit Video-

mit den Bestand an Fischen und Kleingetier. Ein einfacher Indikator, der laufend genutzt wird, ist das Verhalten von Wasserflöhen, die sich bei Belastung mit giftigen Stoffen deutlich langsamer bewegen oder sogar absterben. Diese Bewegun-

kamera und einen Leuchtbakterientest zur ersten Abschätzung eventuell vorhandener toxischer Wasserinhaltsstoffe.

gen werden am Bildschirm überwacht. Auf Höhe der Kernkraftwerke Biblis und Philippsburg wird auch auf mögliche Radioaktivität im Wasser geachtet. Hierbei wird auch die Wassertemperatur des Rheins wegen der Kühlwassereinleitung von Industrie und Kraftwerken sowie – bei einigen Schiffen möglich – Abflussmessungen durchgeführt. Zur Überwachung der Gewässergüte des Rheins werden auch Flusssedimente und Bioindikatoren untersucht. Besonders zu erwähnen ist die Messfahrt der „Max Prüss“ (Landesanstalt für Umweltschutz Nordrhein-Westfalen) von Rotterdam bis Basel 1995 im Auftrag der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). Die damalige „Max Prüss“ war im Durchschnitt an 220 Tagen jährlich im Einsatz und hat in ihren 34 Dienst-

Baden-Württemberg betreibt auf dem Rhein die „Max Honsell“ – das 20 m lange Schiff, Baujahr 1979, ist nach dem Gründer des „Zentralbureaus für Meteorologie“ im Großherzogtum Baden benannt. Dem staatlichen Institut für Seenforschung in Langenargen am Bodensee steht das Laborschiff „Kormoran“ zur Verfügung. Die MS „Daphnia“ ist das eigene Laborschiff der Bodensee-Wasserversorgung. Auch die Universität Konstanz betreibt auf dem Bodensee ein Laborschiff (MS „Solgenia“). Über ein eigenes Laborschiff verfügt auch Rheinland-Pfalz mit der „MS Burgund“.

jahren von 1964 bis 1999 über 550 000 km zurückgelegt, das entspricht 14-mal dem Erdum214 ó Der Ausdruck Laborschiff ist wörtlich zu nehmen: Die „Burgund“ kann wie alle Laborschiffe auf dem Rhein Wasserqualität und Verschmutzungsursachen vor Ort untersuchen und die Daten an die Wassergütestationen weitergeben.

Laborschiff 261

Das Land Hessen verschenkte 2003 sein Laborschiff „Argus“ an Serbien und verzichtet seither

Sieg-Quelle). Zunächst fließt sie in nordöstlicher

auf ein eigenes Messschiff mit der Begründung, der Einsatz für wasserwirtschaftliche Aufgaben

Osten, wendet sich im Westhessischen Bergland südwärts und passiert das Marburg-Gießener Lahntal, wo ihr mit der Ohm von links ihr längster Nebenfluss zufließt. Der Fluss durchbricht

sei nicht mehr wie im früheren Umfang erforderlich, da inzwischen ein Netz von festen Messstationen existiert und die Eigenkontrolle der Abwasseranlagen verstärkt wurde. Ein privates Laborschiff der „Aktion Rettet den Rhein“ sorgte 1980 für bundesweite Schlagzeilen. Damals charterten Jugendliche aus Nordbaden den Segler „Avontour“. Er wurde mit einem Labor ausgestattet und eine erste Suche nach den Verschmutzern am Rhein durchgeführt. Von Basel aus ging es bis nach Rotterdam. Proben wurden gezogen und analysiert, die aktuellen Ergebnisse veröffentlicht, der Dialog mit der

Richtung durch das Rothaargebirge, dann nach

eine Buntsandstein-Tafel, die ihr Tal bei Marburg begrenzt. In Gießen ändert die Lahn nach dem Zufließen der Wieseck von links ihre Richtung nach Westen. Von den 1960er-Jahren bis in die 1980er-Jahre fand hier umfangreicher Kiesabbau statt; es sollte ein olympiataugliches Wassersportzent-

Die Lahn ist ein 242 km langer, rechter Nebenfluss des Mittelrheins, der zum größten Teil in Hessen verläuft. Sie entspringt im Rothaargebirge auf 600 m ü. M. und mündet auf 61 m ü. M. bei Koblenz in den Rhein, bei Rhein-km 585,7.

rum mit Ruderregattastrecke entstehen. Zum Teil wurde dies realisiert (Heuchelheimer Seen, Dutenhofener See). Die Naturschutzverbände haben die weitere Auskiesung verhindert, und das Gebiet ist heute eines der größten Naturschutzgebiete in Hessen. In Wetzlar fließt von rechts die Dill zu. Hier trennen die Täler von Lahn und Dill drei Teile des Rheinischen Schiefergebirges voneinander: Taunus (Süd), Westerwald (Nordwest) und das Gladenbacher Bergland. Hinter Wetzlar verengt sich das Tal der Lahn allmählich. Die Stadt Weilburg liegt in einer Flussschleife, wobei ein in Deutschland einmaliger Schiffstunnel den Schlingenhals durchsticht. Nun wendet sich der Fluss südwärts, dann wieder nach Westen ins Limburger Becken. Hier tritt sogenannter Lahn-Marmor als Fels hervor; auf einem solchen Felsen steht der Limburger Dom. Nach Talweitungen ist der Fluss im

Ihr Einzugsgebiet umfasst 5925 km². Die Lahn ist mit 100 m³ / s mittlerer Wasserführung an der Mündung der fünftgrößte Nebenfluss des Rheins, nach Aare, Mosel, Main und Neckar (der sechst-

Unteren Lahntal bis über 200 m in das Schiefergebirge eingeschnitten. Er durchquert Nassau und Bad Ems und mündet bei Lahnstein (Rheinland-Pfalz), 5 km südlich von Koblenz in den

größte unter Einrechnung der Maas).

Rhein.

Die Lahn entspringt im südöstlichen Nordrhein-Westfalen im Rheinischen Schiefergebirge, südwestlich des Lahnkopfs (in der Nähe der

Die Lahn ist vom Dutenhofener See bis hinab zur Mündung eine 67 km lange Bundeswasserstraße, die mit zwölf Schleusen staugeregelt ist.

Öffentlichkeit, den Politikern und mit den Verschmutzern gesucht. Die Zahl der festgestellten Missstände überraschte die Aktiven. So entschied man sich, diese Fahrten regelmäßig durchzuführen. Die Idee des ersten von Umweltschützern finanzierten Laborschiffes auf dem Rhein war geboren. 1981 wurde ein Passagierschiff gekauft, mit einem Labor ausgestattet und „Reinwasser“ getauft. jr /uw

Lahn

262 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Die Schifffahrtsstraße ist wie der Rhein (aber anders als Mosel, Main und Neckar) flussabwärts kilometriert, von Lahn-km 70 am Dutenhofener See bis zu Lahn-km 137 an der Mündung (Hafen Lahnstein). Auch die flussaufwärts anschließende Strecke bis Gießen wurde zeitweise befahren, unter anderem ab 1851, nachdem Hessen, Nassau und Preußen 1844 den Ausbau der Schifffahrtswegs bis Gießen vereinbart hatten, aber bereits 1863 wurde die Schifffahrt durch die neue Lahntalbahn unwirtschaftlich. In den 1920er-Jahren setzte die Lahnschifffahrt nochmals für wenige Jahre ein. 1953 erschien ein Gutachten, das eine Kanaliserung empfahl, aber es bleib beim Gutachten. Oberhalb von Limburg gibt es nur Freizeitschifffahrt, bis zu Lahn-Kilometer Null bei Gießen (Mündung des Kleebachs) und noch weiter aufwärts (dort mit wieder zunehmenden Kilometerzahlen). Sowohl an ihrem Mittel- als auch am Unterlauf der Lahn finden sich bekannte Mineralqueluw len (Selters, Ems).

Landquart Die Landquart ist ein 38 km langer, rechter Nebenfluss des Alpenrheins im Kanton Graubünden. Sie entspringt am Silvrettamassiv, das sich auf Graubünden, Vorarlberg und Tirol erstreckt, auf 1340 m ü. M., und sie mündet beim Städtchen Landquart (Gemeinde Igis) auf 512 m ü. M. in den Rhein, mit einer mittleren Wasserführung (in Landquart-Felsenbach) von 20,2 m³ / s. Die Landquart entwässert ein Einzugsgebiet von 616 km². Sie durchfließt unter anderem die vom Touris-

Laufenburg – Brücken In der Doppelstadt Laufenburg am Hochrhein – eine Hälfte liegt im Schweizer Kanton Aargau, die andere in Baden-Württemberg – überqueren zwei Brücken den Rhein. 1207 wird erstmals eine Rheinbrücke in Laufenburg am Hochrhein erwähnt. Hier floss der Rhein in einer tiefen, engen Schlucht, die für ihre Fischgründe bekannt war, und wo der Strom bei Hochwasser um über 17 m ansteigen konnte. Eine hölzerne Brücke führte über die Schlucht; sie wurde mal von Hochwassern weggerissen, mal vom Feuer vernichtet, mal von genialen Militärs zerstört, aber sie entstand immer wieder neu. Als in den Jahren von 1904 bis 1914 unterhalb von Laufenburg unter Wegsprengen von 300 000 m3 Fels das damals größte Wasserkraftwerk Europas angelegt wurde, erbaute der Schweizer Ingenieur Robert Maillart 1911 eine neue Brücke in Beton, am alten Brückenstandort, aber nun nur wenige Meter über dem neuen, drastisch erhöhten Wasserspiegel des aufgestauten Rheins. Eine zweite Rheinbrücke wurde am 17. Dezember 2004 dem Verkehr übergeben, eine Straßenbrücke oberhalb der historischen Stadtkerne.

mus geprägte Ortschaft Klosters und das Prättigau. Sie ist mehrfach zur Stromgewinnung aufgestaut. uw

215 ó Die neue Laufenburger Rheinbrücke von 2004: Bei ihrem binationalen Bau wurden die deutsche und die schweizerische Höhe über Meer verwechselt – was für reichlich Spott sorgte.

Laufenburg – Brücken 263

Kurz nach Baubeginn entdeckte man, dass die von Schweizer Seite her zur Rheinmitte heranwachsende Brücke und die Anbindung am deutschen Ufer in der Höhe voneinander abweichen würden: Um 54 cm geriet der Schweizer Brückenteil tiefer. Europa schien über einen halben Meter höher zu liegen als Helvetien. Deutschland bezieht sich bei Höhe Null auf den Amsterdamer Pegel. Die Schweiz hat ihr Messnetz auf einen Punkt im Genfer See abgestellt. Zwischen dem deutschen und dem schweizerischen System besteht eine Abweichung von 27 cm. An der neuen Laufenburger Brücke stellte man aber eine Differenz von 54 cm fest. Des Rätsels Lösung: Die unterschiedlichen Höhenkoten für den Brückenbau wurden im beauftragten Schweizer Ingenieurbüro zwar durchaus berücksichtigt, aber sie wurden nicht addiert, sondern subtrahiert. Das ergab die Differenz von zweimal 27 cm, also von 54 cm. Auf deutscher Seite waren die Bauarbeiten, als man die Differenz entdeckte, noch weniger weit gediehen als am Südufer, und man kam überein, den badischen Bauplatz um 54 cm tiefer zu legen. Die fertige Brücke ist 225 m lang, gut 11 m breit und überquert den Rhein mit drei Spannweiten von 65, 95 und 65 m. uw

Leverkusen – Neuland-Park Mit der Landesgartenschau 2005 gelang es in Leverkusen, den durch Industriebauten und Deponien vom Rhein getrennten Neuland-Park direkt mit dem Fluss zu verbinden. Voraussetzung waren die Sicherung gegen Altlasten im Boden durch Abdichtung des ehemaligen Deponiegeländes und der Abbruch einiger Wohnzeilen in Rheinnähe. Dafür hat Leverkusen ein frei zugängliches und viel genutztes Naherholungsgebiet mit verschiedenen Veranstaltungsorten und Spielstationen unter freiem Himmel erhalten. Der flussnahe Teil wurde besonders naturnah mit großzügigen Wiesenflächen gestaltet. Außerdem wurde eine

264 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Uferpromenade gebaut und der ehemalige Treidelpfad bis zur Wuppermündung rekonstruiert. Die Wiedergewinnung des Rheins als wesentlicher Teil der Stadtstruktur Leverkusens ist als ein epochaler Gewinn für Stadt und Region zu bewerten.

jr

Liechtensteiner Binnenkanal In Liechtenstein fasste man zwischen 1931 und 1943 zwölf Zuflüsse zum Alpenrhein zu einem Kanal zusammen und leitete diesen sogenannten Binnenkanal bei Ruggell in den Rhein. Der Höhenunterschied zwischen Binnenkanal und Alpenrhein betrug – nach viel Kiesabbau in den 1950er-Jahren – mehr als 4 m, was den Aufstieg der Wanderfische weitgehend verhinderte, trotz einer 1981 eingerichteten Fischtreppe. Anfang der 1990er-Jahre wurde der Kanal renaturiert: Auf einer Strecke von rund 500 m wurde die Höhendifferenz auf mehrere kleine Rampen verteilt, die Ufer umgestaltet, auch Windungen angelegt. Bei Ruggell wurde ein bestehender Auenwald wieder ins Gewässersystem integriert. Schon nach einem Jahr wurden elf Fischarten gezählt. Seither finden auch Eisvogel, Flussregenpfeifer, Wasseramsel und Gebirgsstelze wieder Nahrung und Brutplätze. Das Gebiet wird nicht befischt. Die Kanalufer werden als Erholungsraum intensiv genutzt. uw

Lippe Die Lippe ist ein 220 km langer, rechter Nebenfluss des Niederrheins in Nordrhein-Westfalen mit einem Einzugsgebiet von 4888,7 km². Die Lippe entspringt am Eggegebirge auf 134 m ü. M., bei Bad Lippspringe. Sie fließt zunächst in südwestlicher Richtung nach Paderborn, wo die Pader etwa die dreifache Wassermenge einbringt, dann westwärts durch den südlichen Teil der Westfälischen Bucht. Kurz hinter Lippstadt mündet von Norden die Glenne ein. In Hamm wird

die Ahse durch einen Düker unter dem DattelnHamm-Kanal hindurch der Lippe zugeleitet. Im weiteren Verlauf passiert die Lippe Werne, Bergkamen, Lünen, Datteln, Marl. Sie mündet bei Wesel, auf 18 m ü. M., bei Rhein-km 814,5. Am Pegel Schermbeck nahe der Mündung beträgt der mittlere Abfluss der Lippe 46 m³ / s. Die Geschichte der Lippeschifffahrt reicht zwar bis in die Römerzeit zurück, aber in der Neuzeit konnte sie sich nicht recht entwickeln, wegen zahlreicher Mühlen, Sandbänke und Zollschranken. Mit dem Anschluss Westfalens an Preußen (1815) wurde die Lippe auf ihrer gesamten Länge preußisch, und der Fluss wurde durch Schleusen und Umgehungskanäle ab 1826 durchgängig bis Lippstadt schiffbar. Im 20. Jahrhundert wurde der Schiffsverkehr neu aufgenommen, nicht auf der Lippe selbst, sondern auf Kanälen südseits. 1914 wurde der Datteln-Hamm-Kanal eröffnet, 1930 vom Rhein aus der Wesel-Datteln-Kanal. Bei Hamm dient die Lippe der Wasserregulierung der Kanäle. Das Wasser der Lippe wird von Kraftwerken zur Kühlung genutzt, was die Wassertemperatur stark erhöht. In heißen Sommern werden deshalb – zur Schonung der Fische – einzelne Kraftwerksblöcke abgeschaltet. Das Wasser der Lippe kann nicht als Trinkwasser aufbereitet werden, weil es – sowohl natürlicherweise als auch durch Grubenwasser aus dem Steinkohlebergbau – einen zu hohen Chloridgehalt aufweist. uw

Loreley

Das Wort Loreley leitet sich von „ley“, einer regional gebräuchlichen Bezeichnung für Felsen, insbesondere Schieferfelsen, und vom mittelhochdeutschen „lure“, locken, anlocken, ab, was mit der Schwierigkeit der Rheinschiffer, vom gefährlichen Felsen wegzubleiben, erklärbar ist. Der Felsen ist von allerlei Sagen umrankt, unter anderem galt eine Höhle am Fuß des Felsens immer wieder als Aufbewahrungsort des Nibelungenschatzes. Die Figur der Loreley ist – anders als die Bezeichnung für den Felsen – keine historische, sondern eine relativ junge, romantische Erfindung. Es war Clemens von Brentano (1778 – 1842), romantischer Dichter, der dem Felsen „zu Bacharach am Rheine“ eine Frauenfigur zudachte. In seiner 1800 erschienenen Ballade „Lore Lay“ verfallen alle Männer, wenn sie die schöne Zauberin Lore Lay sehen, in Liebe zu ihr, während sie selbst sich nach einem entschwundenen Liebsten sehnt. Der Bischof lädt sie vor Gericht, wo sie um einen christlichen Tod bittet. Der Bischof verfällt ihr ebenfalls, kann darum ihren Tod nicht wollen und verfügt, sie habe ins Kloster zu gehen; drei Ritter sollen sie dahin begleiten. Unterwegs bittet sie, sie wolle ein letztes Mal auf den Felsen steigen, um nach ihrem Liebsten zu schauen. Von da stürzt sie sich in den Rhein, die drei Ritter stürzen mit, und im Echo um den Felsen ist seitdem die Mär zu hören. 1823 erschien das Gedicht „Das Loreleylied“ von Heinrich Heine (1797 – 1856). Hier sitzt die schöne Zauberin in der Abendsonne auf dem Fel-

Am Mittelrhein bei St. Goarshausen erhebt sich bei Rhein-km 554 als rechte Talflanke der Lore-

sen, kämmt ihr goldenes Haar und singt dazu eine Melodie, die so verführerisch ist, dass die Rheinschiffer Strudel und Strömung vergessen

leyfelsen, ein aus dem Rhein 132 m hoch aufragender Schiefer- und Sandsteinfelsen. Der Rhein

und am Felsen zerschellen. Es ist diese Heine’sche Version, die überaus populär wurde. Das Loreley-

fließt hier mit schneller Strömung, und am Fuß des Felsens befindet sich die mit 27 m weitherum tiefste Stelle.

lied in der Vertonung von Philipp Friedrich Silcher (1789 – 1860) wurde vor allem bei Männerchören beliebt. uw

Loreley 265

Ludwigshafen – Filmfestival

Maas

Das Internationale Mannheim-Heidelberg Filmfestival gibt es seit über 50 Jahren. 2005 wurde

Die Maas (lat. Mosa, nl. Maas, frz. Meuse, letzeburgisch Meuse, wallonisch Moûze, limbur-

die dritte große Stadt der Metropolregion RheinNeckar, Ludwigshafen, mit einem eigenen „Fes-

gisch Maos) ist ein Strom, der Frankreich, Belgien und die Niederlande durchfließt. Die Maas

tival des deutschen Films“ einbezogen – auf der Parkinsel im Rhein, die direkt vor Ludwigshafen gelegen ist.

entspringt auf 409 m ü. M. auf dem Plateau de Langres (Dépt. Haute-Marne), und sie mündete bis 1904 in die Waal, die man als zweitgrößten

Auf der 2 km langen und etwa 150 m schmalen Parkinsel eröffnete 1921 ein Rheinstrand-

Mündungsarm des Rheins bezeichnen kann. Mit einer mittleren Abflussmenge von 400 m³ / s war

bad auf der vorgelagerten Sandbank. An Sonntagen kamen bis zu 15 000 Menschen hierher.

die Maas der zweitmächtigste (nach der Aare) und mit 925 km der bei Weitem längste Nebenfluss des Rheins. Das Einzugsgebiet der Maas be-

Mitte der 1980er-Jahre wurde die Parkinsel mit bequemen Spazierwegen, Wiesen und Hervorheben des wunderbaren alten Baumbestands zu einem öffentlichen Park ausgebaut und gestaltet. Als schöne, vom vorbeifließenden Rhein geprägte Landschaft war sie schließlich „als Treffpunkt der Branche wie als Publikumsfestival“ eine überraschende und sofort erfolgreiche Wiederentdeckung. Es war auch überregional ein Zeichen, wie man mit kultureller Fantasie selbst in einer so belasteten Industrieregion kostbare Orte finden und nutzen kann. Die Filme werden in weitgespannten Zelten gezeigt, am Ufer finden Sommerakademie und improvisierte Gespräche statt. Es werden Preise vergeben und gefeiert. Der Filmnachwuchs – Schauspieler wie Regisseure wie Produzenten – steht im Mittelpunkt dieser arbeitsamen und doch entspannt wirkenden Festivaltage jedes Jahr im sommerlichen Juni. Hauptsponsor der neuen kulturellen Institution ist die Ludwigshafener BASF SE. Die traditionsreiche, rheintypische Industrie der „Badischen Anilin- und Sodafabrik BASF“ ist heute eines der größten Chemie-Unternehmen der Welt; 2008 ist auch die ebenfalls rheintypische Ciba („Chemische Industrie Basel“) von BASF geschluckt worden. jr

266 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

trägt 34 548 km². Seit 1904 mündet der wasserreichste Arm der Maas in das „Hollands Diep“. Dieses Gewässer ist ebenso ein Teil des Rhein-Maas-Schelde-Deltas wie die Waal, wird aber nicht als Mündungsarm des Rheins betrachtet. Mithin kann die Maas seit 1904 nicht mehr als Nebenfluss des Rheins gelten. Die Maas durchfließt in Frankreich und Belgien in gewundenem Lauf die Ardennen. Sie durchquert in Frankreich die Städte Verdun und Sedan, in Belgien die Städte Dinant (Ardennen-Durchbruch), Namur (nl. Namen) und Lüttich (nl. Luik, frz. Liège, letzeburgisch Léck, limburgisch Luuk), in den Niederlanden die Städte Maastricht, Roermond und Venlo. Nach langem Süd-Nord-Verlauf biegt die Maas kurz vor Nijmegen (dt. Nimwegen) westwärts ab, wird bei ’s-Hertogenbosch (dt. Herzogenbusch) südwärts und dann erneut westwärts geleitet, bevor sie sich aufteilt: Die Bergse Maas fließt westwärts zum Hollands Diep, die Afgedamde Maas nordwestwärts zur Waal. In Frankreich ist die Maas für Freycinet-Schiffe befahrbar; von Troussey (Dépt. Meuse, Abzweigung zum Rhein-Marne-Kanal) flussabwärts bis Sedan (Dépt. Ardennes) verläuft die Wasserstraße im Canal de la Meuse, danach im Fluss selbst. In Belgien ist die Maas ab der französisch-belgischen

Grenze bis Lüttich auf 114 km Großschifffahrtsstraße (flussabwärts kilometriert). Bei Lüttich ist der Fluss seit 1939 durch den 130 km langen Albert-Kanal (Großschifffahrtsstraße) mit Antwerpen (frz. Anvers) verbunden; die Stadt Antwerpen bezieht ihr Trinkwasser über diesen Kanal aus der Maas. Von Maastricht flussabwärts bis zum Ort Maasbracht bildet der Fluss die Grenze zwischen Belgien und den Niederlanden; hier dient seit 1935 der Julianakanal, der der Maas auf niederländischem Gebiet folgt, als Schifffahrtsweg. Unter den Nebenflüssen der Maas ist die in Namur von links zufließende Sambre ebenfalls schiffbar, als Großschifffahrtsstraße von Namur bis Charleroi, wo der Charleroi-Brüssel-Kanal (ebenfalls Großschifffahrt) nordwärts abzweigt. Oberhalb von Charleroi ist die Sambre sowohl auf dem belgischen als auch dem französischen Abschnitt nur mit Freycinet-Schiffen befahrbar. In Etreux (Frankreich, Dépt. Aisne) schließt sie an den Canal de la Sambre à l’Oise (Freycinet) an. Die Maas war seit ottonischer Zeit die Westgrenze des Römischen Reiches (Deutscher Nation). Im Westfälischen Frieden (1648) wurde die uw Grenze ostwärts verlegt.

Main Der Main ist mit einem mittleren Abfluss von 225 m³/s an der Mündung nach der Aare (590 m³/s) und der Mosel (290 m³ / s) der drittwasserreichste Nebenfluss (unter Einrechnung der Maas der vierte) des Rheins. Er ist mit 524 km der längste rechte Nebenfluss des Rheins und der längste Fluss, der über die gesamte Länge innerhalb Deutschlands verläuft (Weser und ihr Zufluss Werra sind zusammengenommen länger als der Main). Der 41 km lange Weiße Main ist der rechte, nördliche Quellfluss des Mains; er entspringt nordöstlich von Bayreuth im Fichtelgebirge auf 887 m, nur wenig von der Quelle der Fichtelnaab entfernt, die zur Donau fließt. Der 73 km lange Rote Main ist der linke, südliche Quellfluss; er entspringt in der Fränkischen Alb auf 580 m. Die beiden vereinigen sich in Kulmbach zum Main. Die Mündung des Mains in den Oberrhein liegt gegenüber Mainz, auf 82 m ü. M., bei Rheinkm 497. Das Einzugsgebiet des Mains und seiner Nebenflüsse umfasst 27 292 km² und erstreckt sich über den größten Teil Frankens (Bayern), den nordöstlichsten Teil Badens (Baden-Württemberg)

216 ó Die Mündung des Mains in den Rhein heißt wegen des markanten Winkels die Mainspitz. Die Eisenbahnbrücke mit ihrer eindrucksvoll funktionalistischen Konstruktion – im Gegensatz zum historistisch türmchenbewehrten Mainzer Brückenkopf – stammt von 1862 (wieder erbaut 1948 / 49). Um 2007 wurde ein Weg für Fußgänger und Radfahrer in der Brücke untergebracht. Seitdem gehört sie zu den beliebtesten Wanderstrecken der Region.

Main 267

und Südhessens. Am Oberlauf des Mains grenzt das Einzugsgebiet im Süden an das Einzugsgebiet der Donau; die Grenze zwischen beiden ist Teil der Europäischen Hauptwasserscheide. Der Main verläuft alles in allem von Osten nach Westen, aber mit großen Ausschlägen nach Süden und wieder nach Norden, vor allem mit dem sogenannten Maindreieck (Schweinfurt, Würzburg) und – flussabwärts – dem Mainviereck, mit dem der Fluss dem südlichen Teil des Spessarts ausweicht. Der Main durchquert zahlreiche Städte: Bayreuth (Roter Main), Kulmbach, Bamberg, Schweinfurt, Würzburg, Aschaffenburg, Hanau und Frankfurt am Main. Von Miltenberg (Südspitze des Maindreiecks bis hinunter nach Großkrotzenburg, östlich von Hanau) aus ist der Main mit dem Verlauf des römischen Limes identisch. Während der Fluss vor allem im unterfränkischen Abschnitt durch siedlungsarmes Gebiet verläuft, ist die Untermainebene von Aschaffenburg bis zur Mündung durch die Siedlungen und Verkehrswege der Rhein-Main-Region geprägt. Der Main hat im Lauf der Jahrhunderte oft seine Ufer übertreten, und er ufert auch heute noch alle paar Jahre aus. Bis zum Ende des

19. Jahrhunderts richteten Überschwemmungen vor allem dann große Schäden an, wenn sie mit Eisgang verbunden waren. Wegen der vielen, meist erwärmten Abwässer aus Klärwerken (die erste Kläranlage in Frankfurt entstand 1882) und aus der Industrie ist Eisgang im Main heute kaum mehr denkbar. Schifffahrt auf dem Main gibt es schon seit römischer Zeit. Nach einer gewissen Blüte in der frühen Neuzeit ging sie im 19. Jahrhundert wegen der Eisenbahnkonkurrenz zurück. 1868 wurde im Fluss eine Kette von der Mündung bis Aschaffenburg verlegt, an der sich ein Dampfschlepper, „Mainkuh“ geheißen, flussaufwärts entlanghangeln und dabei bis zu zehn Kähne schleppen konnte. Die Kette wurde 1893 bis Miltenberg, 1903 bis Kitzingen und 1908 bis Bamberg verlängert. In den 1920er-Jahren wurde die Kettenschifffahrt eingestellt, wobei die Kette bis 1940 in der Flussmitte liegenblieb. Heute ist der Main auf 396 km (von der Mündung bis nach Bamberg) Großschifffahrtstraße mit 34 Stauwehren, und seit 1992 ist der Main über den MainDonau-Kanal mit der Donau verbunden. Anders als der Rhein ist der Main flussaufwärts kilome-

217 ó Die verkehrsreiche Kostheimer Doppelkammerschleuse ist vom Rhein her kommend die erste der 34 Schleusen des Mains, der als Großschifffahrtsstraße nach rund 380 km vom Main-Donau-Kanal weitergeführt wird.

268 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

triert (km Null an der Mündung). Vor allem im Ballungsraum Rhein-Main um Frankfurt befinden sich mehrere große Binnenhäfen. Der Main bildet streckenweise die Sprachgrenze zwischen oberdeutschen und mitteldeutschen Dialekten; als mitteldeutsch gelten die Dialekte zwischen der Mainlinie im Süden und der Benrather Linie im Norden (die Benrather Linie verläuft von Frankfurt an der Oder über Berlin, Magdeburg, Kassel bis zum belgischen Eupen und kreuzt den Rhein in Benrath bei Düsseldorf). Der Main gilt auch als Grenze zwischen Nordund Süddeutschland und trägt unter anderem den Spitznamen „Weißwurstäquator“, weil die Weißwurst, eine Brühwurst aus Kalbfleisch, ehemals eine bayerische, also süddeutsche Spezialität ist. uw

Mainz – Museum für antike Schifffahrt Das Museum für Antike Schifffahrt gibt es bereits seit 1994 am südlichen Rand der Mainzer Altstadt. Ganz in der Nähe wird jetzt ein römisches Amphitheater freigelegt. Es wird in voller Größe zu besichtigen sein. Bis 2012 wird direkt am Museum für Antike Schifffahrt ein neues Gebäude für das Römisch-Germanische Zentralmuseum RGZM gebaut, das sich seit seiner Gründung 1852 im Mainzer Schloss befindet. Damit entsteht – von der Frühzeit bis ins Mittelalter – ein hochrangiges archäologisches Zentrum mit weltweiter Bedeutung für die Forschung wie für den Tourismus. Neben einer modernen Ausstellungsfläche wird das RGMZ mit seinen 100 Mitarbeitern Räume für

218 ó Einen überwältigenden Eindruck vermittelt das aus Grabungsfunden und Planungsunterlagen in „Lebensgröße“ nachgebaute römische Kriegsschiff. Es zeugt auch vom hohen Niveau der römischen Schiffsbauingenieure.

schen Rheinhäfen, verbunden mit einer Werft. Bei Bauarbeiten stieß man auf ein Becken des antiken Hafens und fand im Sohlenschlamm gut erhaltene Rümpfe von Schiffen, die zur germanischen Flotte des Römischen Reichs gehörten. Sie bilden den Kern des Antiken Schifffahrtsmuseums. jr

Restaurierung, Laboratorien und für seine international geschätzte Spezialbibliothek erhalten. Mainz (lat. Mogontiacum), als Militärlager

Mainz – Rheinbrücken

44 n. Chr. gegründet, war Hauptstadt der um 300 neugebildeten römischen Provinz Germania Pri-

und zwei Autobahnbrücken und von einer städtischen Straßenbrücke.

ma, bis zum Abzug des römischen Besatzungsheeres im Laufe des 4. Jahrhunderts n. Chr. Hier war auch der Standort eines der wichtigsten römi-

Die funktionalen Öffnungen der Eisenbahnbrücke Mainz-Süd wurden schon 1860 / 62 gebaut, entworfen vom Kreisbaumeister Ignaz

In der Agglomeration Mainz wird der Rhein von fünf Brücken überquert, von zwei Eisenbahn-

Mainz – Rheinbrücken 269

Opfermann. Sie überspannt (in heutigen geographischen Begriffen) den Rhein vom hessischen

Brücke zwischen Mainz und Wiesbaden in ganz besonderem Maße. Unter zivilen wie militärischen

Ufer auf die rheinland-pfälzische Seite, direkt in die Stadt Mainz hinein. Bis auf den westli-

Gesichtspunkten war ein Rheinübergang hier am Mainzer Rheinknie und in der Nähe der Mainmün-

chen Brückenkopf, der im historistischen Zeitgeist erbaut wie ein mittelalterlicher Wehrturm anmutet, wurde die Brücke im Zweiten Weltkrieg

dung in den Rhein immer schon besonders wichtig, schon während der Zeit der römischen Kolonisierung Germaniens. Die Römer hatten hier

zerstört. Die stählerne Fachwerkbrücke mit vier Kastenträgern von viermal 105,6 m Spannweite

auf Steinpfeilern aufruhend eine Holzbrücke gebaut, die in der Spätzeit der Besetzung parado-

wurde wieder aufgebaut, der charakteristische „Wehrturm“ blieb als Besonderheit erhalten. Als sogenannte Vorlandbrücke verläuft sie –

xerweise auch den germanischen Übergriffen von Ost nach West diente. Bei Niedrigwasser kann man Reste der Steinpfeiler sehen. Danach gab

vor Hochwasser sicher – auch ein gutes Stück über die Mainspitz, einem Stück urtümlicher, bei den Mainzern sehr beliebter Flusslandschaft dort, wo der Main in den Rhein mündet. An sonnigen Wochenenden queren Tausende von Fußgängern,

es bis 1880 nur Schiffsbrücken, die eigentliche Brückenspur ruhte auf Schiffskörpern auf, was für die Durchfahrt von Schiffen besonders lästig und zeitaufwändig war. Dann wurde von 1883 bis 1885 die neue Brücke gebaut. Auf Steinpfeilern

Joggern und Radlern auf einem schmalen Seitenweg die Brücke auf die Mainspitz. Manchmal wird es richtig eng auf der Brücke. Im Zuge einer fälligen Renovierung wurde dieser Seitenweg auf Initiative der Stadt Mainz und umliegender Gemeinden komfortabel ausgebaut. So entsteht aus einer Eisenbahnbrücke zugleich eine vielgenutzte Brücke für Freizeit und Erholung am Rhein. Brücken sind oft auch eindrucksvolle Geschichtszeugnisse. Das gilt für die Theodor-Heuss-

ruhten fünf mächtige Stahlbögen mit Spannweiten von 88, 99, 103, 99 und 88 m, unter denen der Schiffsverkehr passieren konnte. Der Entwurf stammte von Friedrich von Thiersch, Professor für Architektur in München, der auch in Wiesbaden das Kurhaus entworfen und in Basel an der Mittleren Brücke (1902) mitgearbeitet hat. 1933 wurde die Mainzer Brücke von 13,8 auf 18,8 m verbreitert. 1945, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde sie vom deutschen Militär gesprengt, was den Vorstoß der Alliierten über den Rhein, in diesem Fall der Amerikaner und Franzosen, behindern sollte. In den 1950er-Jahren wurde die Brücke für Straßen- und Fußgängerverkehr und für die Straßenbahn wieder aufgebaut, mit denselben fünf Bögen, aber in einer reichlich nüchternen und breiteren Ausführung. Die Brückenkopfhäuschen und die dekorativen seitlichen Kandelaber der Straßenbeleuchtung, 219 ó Die Theodor-Heuss-Brücke verbindet Mainz mit Wiesbaden und Mainz-Kastel. Der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Brücke ist eine leicht modernisierte Form der Vorgängerbrücke von 1880 (Bild vom Mainzer Ufer aus aufgenommen).

270 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

wichtige historische Elemente des Stadtbildes, wurden nicht erneuert. Die Brücke wurde nun nach dem ersten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, benannt. Von 1992 bis 1995 wurde die Brücke renoviert; unter anderem wurde die schwere Betonfahrbahn durch eine leichtere Fahrbahn ersetzt, in Form einer sogenannten orthotropen Platte (Stahlblech mit Längs- und Querrippen versteift). Die Schiersteiner Autobahnbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden ist eine von vielen Autobahnbrücken über den Rhein, die in den 1950erund 60er-Jahren nach damaligem Stand der Technik und Einschätzung des Verkehrsaufkommens gebaut wurden. Die fast 1300 m lange vierspurige Schiersteiner Brücke war für 10 000 Fahrzeuge pro Tag ausgelegt, heute muss sie das Achtfache bewältigen. Sie ist also täglich überstrapaziert, von der normalen Alterung und Ermüdung der Stahl- und Spannbetonkonstruktion einmal abgesehen. Bis 2015 hat eine Prüfkommission die Haltbarkeit bescheinigt, und kein Jahr länger. Nach rund 50 Jahren steht jetzt keine Sanierung, sondern eine Erneuerung als sechsspurige Brücke an – ein 200 Millionen Euro teures Projekt vor allem zu Lasten des Bundes, denn der ist für Autobahnbau und damit auch für die entsprechenden Rheinbrücken zuständig. Dazu wurde 2007 ein Wettbewerb ausgelobt. Eine kostensparende, robuste, dabei formal durchaus qualifizierte Version wurde prämiiert – in Konkurrenz zu einer Lösung mit zwei eindrucksvollen, elegant in den Himmel ragenden und tragenden Pylonen. Sie erhielt den zweiten Preis. Der Mainzer Oberbürger-

Malaria Malaria (nl. malaria, frz. paludisme) gilt als Tropenkrankheit. Die Krankheit existiert aber auch außerhalb der Tropen, unter anderem am Rhein. Der Name der Krankheit stammt aus Neapel, wo im 17. Jahrhundert das erste Krankenhaus für die an „schlechter Luft“, an der „mala aria“, in Sümpfen Erkrankten eingerichtet wurde. Erst im 19. Jahrhunde wurde entdeckt, dass die fiebrige, zuweilen tödliche Krankheit zwar sehr wohl von den Sümpfen kommt, aber nicht von deren Luft. Vielmehr ist es ein Einzeller, der sich im Blut des Menschen vermehrt, Leber und Nieren befällt. Der Einzeller heißt Plasmodium: Er kommt nicht spontan vor, sondern wird von einem Zwischenwirt, von weiblichen Stechmücken der Gattung Anopheles, welche in Sümpfen besonders gut gedeihen, in die menschliche Blutbahn eingebracht. An Sümpfen hat es jahrhundertelang am Rhein nicht gefehlt, namentlich am Oberrhein. Friedrich Schiller soll auf einer Rheinreise mit Malaria infiziert worden sein. Tulla, der mit seiner Rheinkanalisierung die Hochwasser bekämpfen wollte, ist an Malaria gestorben. Tullas Wirken legte einen großen Teil der mückenreichen Auenwälder trocken, reduzierte also zweifellos das Malaria-Risiko. Neben den Aedes-Arten, die vor allem am nördlichen Oberrhein noch heute lästig sind und vereinzelt auch Krankheiten übertragen (Leishmaniose, Dengue-Fieber, Encephalitis), gab es stets auch Anopheles-Mücken, die mit Malaria anstecken können, sofern an ihrem Standort auch Plasmodien präsent sind. Die Anopheles-Mücken überleben freilich nur, wenn sommerliche Tempe-

meister hätte gern die Pylonenbrücke als signifikantes Zeichen für den Eingang ins Rheintal und als eine Art Stadttor zwischen Mainz und Wiesbaden gewählt. Es ist interessant, dass heute

raturen über mehrere Tage und Nächte anhalten, aber diese Voraussetzung ist am Oberrhein seit jeher häufig erfüllt. Deshalb kam Malaria bis ins

selbst solche technischen Bauwerke nicht mehr rein sachlich-funktional, sondern auch gestalte-

1939 entdeckte Paul Hermann Müller, Chemiker bei J. R. Geigy AG in Basel, dass eine im 19. Jahrhundert in Wien erfundene Chlorverbin-

risch und semiotisch diskutiert werden.

jr /uw

frühe 20. Jahrhundert immer wieder vor.

Malaria 271

dung namens Dichlordiphenyltrichlorethan eine insektizide Wirkung hat. Sie wurde als DDT im

am großen Strom. Mit zunehmendem Ausbau der Dampfschifffahrt und der Entwicklung von Eisen-

Zweiten Weltkrieg oft zur Insektenbekämpfung eingesetzt, ab 1940 in Deutschland, ab 1942 auch

schiffen, auch für die Schleppschifffahrt, wurden Ausbau und Modernisierung der Hafenanlagen zur Daueraufgabe. Die Wassertiefe in den Hafen-

in den USA. 1948 erhielt Müller für seine Entdeckung den Nobelpreis für Medizin, denn DDT erwies sich zur Bekämpfung der Malaria weltweit als sehr wirksam. DDT ist freilich nicht nur für Insekten giftig, sondern es wandert durch die Nahrungskette, von den Insekten zu den Vögeln etc. bis zur Muttermilch. In vielen Ländern ist DDT heute verboten. Aber im Kampf gegen Malaria wird DDT noch immer verwendet. DDT und andere Insektenvertilgungsmittel haben die Stechmücken, also auch die Anopheles-Arten, im 20. Jahrhundert massiv zurückgedrängt. Seit den 1990er-Jahren taucht die Krankheit nun am Rhein wieder auf, nicht nur am Oberrhein, sondern auch in Nordrhein-Westfalen und in den Niederlanden, wo fast alljährlich genug Sommerwärme für das Gedeihen der Anopheles-Mücke herrscht. Zahlreich sind deshalb die Warnungen, die Malaria sei drauf und dran, sich auszubreiten. Die Zahl der Erkrankungen durch Infektion in Rheinnähe ist aber bei Weitem geringer als die Zahl der auf Reisen in tropischen Ländern Erkrankten, und auch geringer als die Zahl der Malaria-Fälle durch Infektion in Flughafennähe. In Frankreich, dem Land mit den meisten MalariaFällen Europas (ca. 7000 pro Jahr), gibt es immer wieder Kranke, die sich nachweislich in Flughafennähe infiziert haben, aber nur Vereinzelte, die die Krankheit von lokal vorkommenden Anopheles-Arten erhalten.

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Mannheim – Rhein-Neckar-Hafen

becken musste an die neuen Schiffstypen angepasst werden. Kohle, Petroleum und Getreide, damals die wichtigsten Transportgüter, brauchten jeweils eigene Lager- und Umschlaganlagen. Der Fortschritt forderte Opfer – die für Spaziergänge beliebte idyllische Mühlauinsel wurde schon in den 1870er-Jahren zum großen Hafengebiet mit Gelände für Kohlenhalden, Stallungen für Pferde und Fuhrwerke, Tanks, Lagerhäuser, Getreidespeicher, Dampfkräne und Förderbänder ausgebaut. Von dem neuen Zentralgüterbahnhof aus – in direkter Nachbarschaft des Hafens – wurden ganz Süddeutschland und Teile der Schweiz und Österreichs beliefert. Wegen der Wassertiefe von Fahrrinne und Hafenbecken war Mannheim noch bis Ende des 19. Jahrhunderts Endpunkt für die Großschifffahrt auf dem Rhein. Mannheim entwickelte sich durch die Zentralität des Hafens zur führenden süddeutschen Handelsstadt. Die Stadt wollte aber vorausschauend mit Industrieansiedlungen eine zweite Säule wirtschaftlichen Wachstums errichten. Dafür wurde seit 1896 nordöstlich vom alten Handelshafen der Industriehafen gebaut. Später konnten im stromaufwärts gelegenen Rheinauer Hafengelände umfangreiche Flächen mit direkter Verbindung von Bahn- und Wasseranschluss geschaffen werden. Das Hafengelände wurde der Industrie zu sehr günstigen Preisen angeboten. Das gigantische Projekt dieser frühen Ansiedlungsförderung entwickelte sich erfolgreich. Heute ist der

Mit der Industrialisierung wurde der Mannheimer

Altrheinhafen mit Ölhafen und Waldhofbecken der vierte Hafenbereich.

Hafen im 19. Jahrhundert wegen seiner zentralen Lage am Rhein und zugleich an der Mündung des Neckars gelegen zum wichtigsten Binnenhafen

Wegen der guten Anbindung an den Schiffsverkehr und der gewaltigen Speicherkapazität im Handelshafen für Getreide entstand durch Über-

272 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

220 ó Lageplan der sich weit an den Rheinschleifen hinziehenden vier Mannheimer Häfen.

siedlung von erfolgreichen südwestdeutschen Mühlenbetrieben nach Mannheim dort das wich-

fen für Kohlelagerung und -umschlag, ab 1903 unter der Regie der Rheinischen Kohlehandels-

tigste Mühlenzentrum in Deutschland. Eine ähnlich erfolgreiche Ansiedlungspolitik bezog sich

und Reederei-GmbH mit Sitz in Mannheim und einiger Nachfolgesyndikate bis 1973. Der größ-

auf Branchen wie Kraftfuttermittel, Speiseöle, Chemie, Papierherstellung und Glasverarbeitung. Zugleich entstand ein bedeutender Spezialha-

te Verbraucher von Kohle hatte seinen Standort gleich im Hafengebiet, das damals technisch fortschrittliche Großkraftwerk Mannheim.

Mannheim – Rhein-Neckar-Hafen 273

ben werden. Der Rhein wurde Staatsgrenze und damit Zollgrenze zu Frankreich. Mannheim war vom linksrheinischen Gebiet abgeschnitten. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Handelshafen durch Luftangriffe zerstört, das Industriehafengebiet blieb allerdings weitgehend verschont. Mit der Entwicklung des Autobahnnetzes im 20. Jahrhundert wurde die verkehrsgünstige Lage Mannheims weiter gestärkt. Das führte zur Bil-

221 ó Die alten Speicher am „Rheinkai“ sind inzwischen saniert. Hier lagern Logistikunternehmen vor allem Schwergüter. Die Gleise davor werden von der Deutschen Bahn zur Andienung oder als Abstellgleise genutzt. Der Kran „Goliath“ dient nur noch der Erinnerung. Das Umladen des Schwerguts wird mit beweglichen Kränen bewerkstelligt. Am Rheinkai legen nach wie vor Frachtschiffe und auch Passagierschiffe an.

Die beiden Weltkriege allerdings brachten katastrophale Rückschläge für die Hafenentwicklung. 0,5 Millionen t Schiffsraum mussten aufgrund des Versailler Vertrags nach dem Ersten Weltkrieg an Frankreich und Belgien abgege-

dung eines großen Eisen- und Stahlhandelszentrums. Rund 20 Jahre nach Wiederaufbau des Mannheimer Hafens wurden 1976 – 150 Jahre nach der Hafengründung – 122 Firmen in Gewerbe, Industrie und Handel und 42 Betriebe in der Schifffahrts-, Speditions-, Umschlags- und Lagereibranche im Hafengebiet gezählt. Zusätzlich wurden Anfang der 1960er-Jahre eine Erdölraffinerie und ein moderner Ölhafen gebaut. 1968 wurde ein Containerterminal mit Ro-Ro-Anlage für die Verschiffung in Betrieb genommen. Die Hafenverwaltung reagierte damit frühzeitig auf sich abzeichnende technische und logistische Entwicklungen im Transportwesen und Güterumschlag. 222 ó Dem Rheinkai des Mannheimer Hafens direkt gegenüber, auf der Ludwigshafener Rheinseite, wurde 2010 ein großes Einkaufszentrum mit populärem Unterhaltungsprogramm eröffnet – die Rheingalerie. Das großflächige Zentrum verkörpert auch den Rückgang von Hafenfunktionen wie Containerterminal und Lagerhallen, die hier standen. Weiter nördlich Richtung BASF werden allerdings am Nordhafen noch 6 Millionen t Güter jährlich umgeschlagen.

274 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Heute allerdings fallen einige Hafengebiete durch Abwanderung von Unternehmen brach, die nicht mehr auf Hafennähe und Schiffstransport angewiesen sind. So zwingt der technologische und strukturelle Wandel in der Wirtschaft zur Entwicklung neuer Nutzungen. Es entstand beispielsweise am sogenannten Verbindungskanal zwischen Neckar und Rhein ein Mix an Bürobauten und der Musikpark Mannheim – ein Existenzgründerzentrum für die Musikwirtschaft. Auch die mittlerweile berühmte Popakademie Baden-Württemberg erhielt dort ihren besonderen Standort. jr

Maulbeeraue Die absolutistischen Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts erkannten im Zuge der Aufklärung, der aufkommenden Wissenschaften und Technik, der kameralistischen professionellen Haushaltsführung ihre landesherrliche Aufgabe auch in der Förderung der Wirtschaft. Dabei bevorzugten sie die ihnen bekannten handwerklichen Branchen und Manufakturen, die ihre Produkte wie Möbel, Textilien oder Porzellan besonders auch für den Hof fertigten. Eine Innovation aber war die von vielen Fürsten ganz begierig aufgenommene Idee einer heimischen, also importunabhängigen Seidenproduktion. Dafür müssen die Larven des Seidenspinners, einer tropischen Schmetterlingsart, mit Maulbeer-Blättern gefüttert werden, bevor sie sich zu Kokons verpuppen. Die in Fäden versponnenen Kokons liefern das Rohmaterial. Maulbeerbäume bedürfen eines milden Klimas, das am Oberrhein besonders günstig zu sein schien. Eine Million Maulbeerbäume gebe es in Gärten, Parks, Alleen und Plantagen im Deutschen Reich, meldete 1755 das Fachblatt „Schrebens Sammlungen“, viele davon in der Kurpfalz, in Baden oder in Hessen-Darmstadt. Die kalte Klimaphase zwischen Mittelalter und Neuzeit und die Importe aus traditionellen Seidenländern wie China brachten für diesen neuen Wirtschaftszweig ein rasches Ende.

223 ó Die „Popakademie“ am Verbindungskanal (zwischen Rhein und Neckar) ist zum Mittelpunkt eines Gebiets musikwirtschaftlicher Unternehmen geworden, ein erfolgreiches Projekt für neues Leben auf brachliegenden Hafenflächen.

An wenigen Stellen am Rhein sieht man heute noch die ursprünglich aus Asien eingeführten Maulbeerbäume, die zur Erinnerung an diese Episode gehalten werden, so eine ganze Allee am Rüdesheimer Hafen, ein paar Bäume in einer Heidelberger Grünanlage oder einige Exemplare in der 400 ha großen Maulbeeraue auf der rechtsrheinischen Seite gegenüber Worms und Oppenheim. Hier waren Klöster und Gutsbesitzer in der Seidenproduktion engagiert. Heute ist die Aue als FFHSchutzgebiet ausgewiesen, nach der Flora-Faunajr Habitat-Richtlinie der Europäischen Union.

Mittelrhein Der Rhein heißt Mittelrhein von der Mündung der Nahe (linksrheinisch, bei Bingen in Rheinland-Pfalz, Rhein-km 529,1) bis zur Mündung der Sieg (rechtsrheinisch, bei Niederkassel-Mondorf in Nordrhein-Westfalen, Rhein-km 639,35). Das Mittelrheintal ist das enge Durchbruchstal des Rheins durch das Mittelrheinische Schiefergebirge, zwischen dem Rheingau im Süden und Bonn im Norden, wobei das Neuwieder Becken den

Mittelrhein 275

oberen vom unteren Mittelrhein trennt. Größere Zuflüsse sind links Nahe, Mosel und Ahr, rechts

erfolgte am 27. Juni 2002 in Budapest der Eintrag der „Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal“

Lahn, Wied und Sieg. An die Schifffahrt stellt die kurvenreiche Mit-

in die Welterbeliste. Die Urkunden wurden 2003 in Oberwesel übergeben.

telrheinstrecke hohe nautische Anforderungen. Der Schifffahrtsweg wurde streckenweise mit viel Aufwand ausgebaut; am Binger Loch wurden

Die Sonderbriefmarke von 2006 erinnert an die erfolgreiche Bewerbung und wirbt gleichzei-

Felsen gesprengt, es gibt Signalstellen und Einbahnstrecken, und es herrschen spezielle Nachtfahrvorschriften. Beidseits des Mittelrheins verläuft eine Eisenbahn-Doppelspur. Die vier Gleise haben kaum Gefälle und werden vom kontinentalen GüterTransitverkehr rege benützt. Der 24-stündige Bahnlärm entwertet die Landschaft für Bewohner und Besucher uw

Mittelrhein – UNESCO-Weltkulturerbe 1977 kam erstmals der Vorschlag auf, das Mittelrheintal als Teil des kulturellen Erbes der Welt zu bezeichnen. 1976 hatte die Bundesrepublik eine „Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt“ unterzeichnet, und 1984 schlug man den Mittelrhein für diese Konvention vor. Der Vorschlag verschwand wieder, figurierte aber 1992 auf der ersten gesamtdeutschen Liste. 1997 beschloss eine vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz einberufene Rheintal-Konferenz eine Rheintal-Charta. Die Kultusminister der deutschen Bundesländer setzten das Obere Mittelrheintal 1998 auf Platz 6 einer neuen Vorschlagsliste, und 2000 beantrag-

tig für die denkmalpflegerische, touristische wie wirtschaftlich gesunde Zukunft dieser weltweit beliebten Landschaft, die seit 200 Jahren als Romantischer Rhein gerne mit dem Rhein insgesamt identifiziert wird. Die Gestaltung solcher Briefmarken geht jeweils aus einem Wettbewerbsverfahren der Deutschen Post hervor. In diesem Fall war der Grafikdesigner – wie zu erwarten – mit einem historischen Motiv erfolgreich. Es ist ein romantisches, fast südlich anmutendes Motiv, ein Stahlstich, der St. Goarshausen mit der Burg Katz zeigt. Die randlose Briefmarke führt die Landschaft mit dem ruhigen, breit gelagerten Fluss, mit Burg und darunter liegendem Städtchen, mit Angler-, Ruder- und Segelschiff und mit den steilen Berg- und Weinhängen des Schiefergebirges im Hintergrund wie ein Panorama vor. jr

Mittelrheinbrücke

ten Hessen und Rheinland-Pfalz, die „Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal“ von Bingen / Rüdes-

Mittelrheinbrücke hieß die seit Jahrzehnten geplante Rheinüberquerung zwischen St. Goar und St. Goarshausen. Zwischen Wiesbaden und Koblenz ist der Rhein auf 80 km nirgendwo überbrückt – der längste brückenlose Abschnitt am gesamten Rhein. Da der Brückenbau im UNESCOWelterbe Oberes Mittelrheintal nahe der Loreley vorgesehen war, war das Vorhaben stets um-

heim bis Koblenz in die UNESCO-Welterbeliste aufzunehmen. Das gesamte Obere Mittelrheintal mit ca. 67 Flusskilometern vorzuschlagen, stell-

stritten. Natur- und Denkmalschützer wandten sich dagegen, die örtliche Wirtschaft war für den Brückenbau. Im Oktober 2008 wurde ein euro-

te wegen der Größe und Komplexität dieser Flussund Stadtlandschaft einen ganz ungewöhnlichen

paweiter Wettbewerb ausgeschrieben. Gewonnen hat das Architektenbüro Heneghan Peng Ar-

Anspruch an die Jury der UNESCO. Nach Erstellung eines Gutachtens für das Welterbe-Komitee

chitects aus Dublin. In dem Siegerentwurf hat die Rheinbrücke einen leicht S-förmigen Grund-

276 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

riss. Die „Welterbe-Verträglichkeit“ sei mit dem ausgewählten Projekt möglich, besagte ein UNESCO-Beschluss im Sommer 2010. Nach der Landtagswahl 2011 wurde das Projekt in den Ko-

Bei Weitem größter Nebenfluss der Mosel ist die 246 km lange Saar (frz. la Sarre), die am Donon in den Vogesen entspringt und bei Konz von rechts in die Mosel einmündet (bei Mosel-

alititonsgesprächen zwischen SPD und Die Grünen gestrichen. uw

km 200,8). Die Saar ist seit 1999 von Konz flussaufwärts auf 92 km bis kurz vor Saarbrücken als Großschifffahrtsstraße (Fahrinnentiefe 3 m)

Mosel

nutzbar. Sie ist wie die Mosel (aber anders als der Rhein) flussaufwärts kilometriert, das heißt, die

Die 544 km lange Mosel (frz. la Moselle, letzeburgisch Musel) ist der längste Nebenfluss des 3

Rheins und mit 290 km / s an der Mündung der zweitmächtigste nach der Aare.

Saarmündung in Konz liegt bei Saar-km 0, Saarbrücken bei Saar-km 92. Die Mosel, die Saar und deren Nebenfluss Ru-

Die Mosel entspringt am Col de Bussang in den südlichen Vogesen (nl. Vogezen, frz. Vosges) auf 715 m ü. M., und sie mündet in Koblenz (Rheinland-Pfalz) auf 59 m ü. M. von links in den Mittelrhein (Rhein-km 592). Ihr Einzugsgebiet umfasst 28 286 km², wovon etwas mehr als die Hälfte in Frankeich liegt. Der von Mäandern geprägte Unterlauf liegt zwischen Eifel (nordwestlich) und Hunsrück (südöstlich). Die Mosel durchfließt in Frankeich die Städ-

wer bezeichneten von 1909 bis 2006 ein deutsches Weinbaugebiet. Es heißt seit 2007 nur noch „Mosel“, umfasst rund 9000 ha in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. 58 % der hier produzierten Weine entstehen aus Riesling-Trauben. Berühmt sind unter anderem die Steillagen an den Mäandern der unteren Mosel, wo Weinbau seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. bezeugt ist. Die Stadt Neumagen, zu römischer Zeit Noviomagus Nemetum, gilt als ältester Weinort Deutschlands.

te Remiremont, Epinal, Toul, Pont-à-Mousson, Thionville, auf luxemburgischem Gebiet unter anderem den Ort Schengen, in Deutschland die Städte Perl, Konz, Trier, Bernkastel-Kues, Cochem und Koblenz.

Gegen großen Durst nehmen erfahrene Winzer uw „ä läischts Moosele“ zur Brust.

Die Mosel ist Großschifffahrtsstraße von der Mündung (Mosel-km 0) flussaufwärts über 16 Schleusen (wovon 15 in Frankreich liegen) bis zum lothringischen Stahlwerk von Neuves-Maisons (Mosel-km 392,5) bei Toul auf 220 m ü. M. Die Wasserstraße setzt sich als Moselseitenkanal mit Freycinet-Abmessungen und zahlreichen Schleusen südwärts fort und stellt unter der Bezeichnung Canal des Vosges (dt. Vogesenkanal) eine Verbindung zur Saône her. Lothringische Wirtschaftskreise treten dafür ein, statt einer Modernisierung des Rhein-Rhone-Kanals sei eher diese Verbindung Mosel-Saône zur Großschifffahrtsstraße auszubauen

Murg Die Bezeichnung „Murg“ steht für: f erstens den Namen eines rechten Nebenflusses des Oberrheins im Schwarzwald, in den Landkreisen Freudenstadt und Rastatt (Baden-Württemberg), siehe unten; f zweitens den Namen eines kleinen, rechten Nebenflusses des Hochrheins in Baden-Württemberg im Landkreis Waldshut; f drittens den Namen eines kurzen, rechten Nebenflusses der Aare (Schweiz, Kantone Bern und Aargau) und f viertens den Namen eines kleinen linken Nebenflusses der Thur (Schweiz, Kanton Thurgau). Die Bezeichnung „Murg“ für Flüsse ist häufig; das Wort scheint sich von einem gallischen Be-

Murg 277

griff für Grenzfluss – auch morgia, morges – herzuleiten. Die Schwarzwälder Murg entsteht durch die Vereinigung der Flüsse Rechtmurg und Rotmurg, die beide am Schliffkopf, bei Baiersbronn, auf 875 m ü. M. entspringen. Das Einzugsgebiet der Murg umfasst 617 km², und sie mündet nach 79,267 km bei Rastatt in den Oberrhein, bei Rhein-km 344,5. Ihr mittlerer Abfluss bei der

ern den Rhein. Die Mündung wurde durch die Tulla’sche Korrektion um 1,5 km nach Nordwesten verlegt. Der schluchtartige Charakter des mittleren Murgtals stellte für die Entwicklung der Verkehrswege lange ein Hindernis dar. Eine durchgehende Straße entstand erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Bau der Murgtalbahn wur-

Während das obere Murgtal ein typisches

de 1868 als Stichstrecken von Rastatt und Freudenstadt aus begonnen, aber erst 1928, 60 Jahre nach Baubeginn, eine durchgehende Bahnver-

Schwarzwaldtal mit breiten Wiesen ist, weist das mittlere Murgtal – eine von Granitklippen durch-

bindung hergestellt. Zwischen Baiersbronn und Forbach verläuft

setzte Waldschlucht – mit bis zu 3,3 % ein hochgebirghaftes Gefälle auf. Der ehemals als Wildwasser bekannte Fluss ist seit 1918 durch ein Pumpspeicherkraftwerk gezähmt. Die untere Murg wird von Gewerbekanälen begleitet und ist ab Gernsbach-Nord (Industrie in Gernsbach und Gaggenau) fast vollständig kanalisiert. Bei Kuppenheim tritt sie in die Rheinebe-

die ehemalige Landesgrenze von Württemberg und Baden. Im oberen, ehemals württembergischen Talabschnitt (heute Landkreis Freudenstadt) wird ein schwäbischer Dialekt gesprochen; im unteren Teil (heute Landkreis Rastatt), der vom 12. bis 17. Jahrhundert zum Ebersteiner Herrschaftsbereich gehörte und dann badisch wurde, spricht man sogenanntes Oberrhein-Ale-

ne und erreicht da Rastatt. Der alte Marktflecken Rastatt brannte 1689 fast völlig nieder. Von 1697 bis 1707 ließ Markgraf Ludwig Wilhelm („Türkenlouis“) die Stadt vom Baumeister Domenico Egidio Rossi neu an-

mannisch bzw. Niederalemannisch. Seit dem Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert wurde auf der Murg viel Holz-Flößerei betrieben. Die Holzhändler und Sägewerksbesitzer im ebersteinischen (später badischen) Talab-

legen und ein Schloss dazu errichten. Damit verlegte er seine Residenz von Baden-Baden nach Rastatt. Ab 1840 wurde Rastatt zur Reichsfestung ausgebaut: Die Murg floss durch die Festung hindurch, Ein- und Ausfluss waren durch befestigte Brückenbauwerke mit zahlreichen Pfeilern gesichert. In das Vorfeld von Teilen der

schnitt schlossen sich zur Handelsgesellschaft Murgschifferschaft zusammen, deren erste Satzung von 1488 stammt. Im mittleren Murgtal war das Flößen von langen Stämmen besonders schwierig, und in Rastatt wurde die Flößerei durch die Festung erheblich behindert. In Steinmauern wurden die Stämme zu größeren Flößen

Festung konnte man mittels Flutgräben Murgwasser einleiten, wodurch das Gelände weiträumig bis zu den heutigen Altrheinen versumpfte. Erst 1865 war die Festung fertig, aber wegen der

verbunden.

Mündung beträgt 15,5 m3 / s.

uw

Nahe

Fortschritte der Artillerie war sie jetzt militärisch

Die Nahe ist ein 116 km langer, linker Nebenfluss des Rheins. Sie entspringt am Diegelsberg

wertlos. 1890 wurde die Festung geschleift. Westlich von Rastatt durchstößt die Murg die Rastatter Rheinauen und erreicht bei Steinmau-

im Saarland auf 459 m ü. M. und sie mündet am Rheinknie von Bingen, bei Rhein-km 529, auf 79 m ü. M. Ihr Einzugsgebiet umfasst 4067 km2.

278 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Die Mündung der Nahe markiert die Grenze zwischen Oberrhein und Mittelrhein.

95 m ü. M. in Mannheim, bei Rhein-km 428. Der

Die Nahe durchquert unter anderem IdarOberstein; hier wurde der Fluss von 1980 bis

Unterlauf bildet er auf einem kurzen Abschnitt die Landesgrenze mit Hessen. Der Neckar ist zunächst ein Bach auf der Hochebene der Baar, und erst mit dem Zufluss der

1986 auf 1875 m Länge und mit einer Breite von 22 bis 25 m durchgehend überdeckelt. Die Trasse befreit die Stadt vom Durchgangsverkehr (B 41), der sich vorher über Einbahnstraßen zwängte (lange waren da auch amerikanische Militärfahrzeuge dabei) und oft eine volle Stunde Durchfahrtszeit benötigte. Der Flusstunnel hat bisher alle Hochwasser geschluckt – bei etwas Rückstau in die Kanalisationen. Nach Bad Sobernheim fließt von rechts der Glan zu (mit dessen Nebenfluss Lauter aus Kaiserslautern). Nach der pittoresken Engstelle des Rheingrafensteins erreicht die Nahe Bad Kreuznach und Bingen. Der Fluss trennt das Nordpfälzer Bergland (rechts) vom Hunsrück (links). Die Nahe reagiert auf Niederschläge sehr rasch mit Hochwasser, und an ihrem Unterlauf hat man – bei einem extrem hohen Abfluss von 1300 m³ / s – ein Verhältnis von Niederwasser zu Hochwasser von 1 : 700 errechnet. Hochwasserschutzmassnahmen sind deshalb wichtig. Die Nahe hat einem der 13 deutschen Weinbaugebiete (seit 1971) ihren Namen gegeben. Es umfasst rund 4100 ha und ist zu drei Vierteln mit Weißweinreben bestockt. Seine wichtigste Sorte ist der Riesling. uw /ms

Fluss verläuft in Baden-Württemberg; in seinem

erheblich stärker wasserführenden Eschach kurz vor Rottweil wird er zum Fluss. Zugleich tritt er für die nächsten 80 km in ein enges, waldreiches Tal ein, er bahnt sich hier, zwischen den Höhenzügen des Schwarzwalds und der Schwäbischen Alb, einen Weg nach Norden. Bei Horb weicht er vor der Gäuplatte nach Nordosten aus und fließt parallel zum Albtrauf. Bei Rottenburg tritt er in die Tübinger Talweitung ein, und unterhalb von Tübingen verengt sich das Tal wieder. Bei Plochingen macht der Neckar – an der Mündung der rechts von der Alb herkommenden Fils – einen scharfen Knick nach Nordwesten („Neckarknie“). Hinter Stuttgart dreht der Fluss nach Norden und durchmisst einen kurven-

Der Neckar ist ein 367 km langer, rechter Ne-

reichen und engen Talabschnitt, bevor er im Unterland um Heilbronn wieder in einer offenen Landschaft verläuft. Zwischen Bad Wimpfen und Mosbach tritt er in den Odenwald ein, nun wieder zwischen hohen, bewaldeten Hängen. Bei Heidelberg verlässt er den Odenwald und erreicht die Rheinebene. Der „nic-ar“ (keltisch für heimtückisches Wasser) floss bis vor rund 2000 Jahren am Fuß des Odenwalds nordwärts und erreichte bei Trebur (Hessen) den Rhein. Danach nahm er einen westlicheren Weg, der sich durch Hochwässer

benfluss des Oberrheins. Der mittlere Abfluss an der Mündung beträgt 145 m³ / s, womit der Neckar nach Aare, Mosel und Main der viertgrößte (unter Einrechnung der Maas der fünftgröß-

mehrmals verschob; 1275 ergab sich die heutige Mündung. Der Neckar ist mit 16 °C Durchschnittstemperatur der wärmste (oder nach der Saar zweit-

te) Nebenfluss des Rheins ist. Sein Einzugsgebiet

wärmste) Fluss in Deutschland. Dazu tragen auch

umfasst 14 000 km². Er entspringt im Naturschutzgebiet Schwenninger Moos bei VillingenSchwenningen auf 706 m ü. M. und mündet auf

Kraftwerke (unter anderem bei Heilbronn) bei, denen der Fluss das Kühlwasser liefert. Im oberen und mittleren Neckareinzugsgebiet hat das

Neckar

Neckar 279

224 ó Der Neckar ist von Mannheim flussaufwärts auf 200 km schiffbar. An den seit 1920 gebauten Schleusen zwischen Stuttgart und Heidelberg hat der Architekt Paul Bonatz mitgewirkt, wie hier in Cannstatt.

Trinkwasser nicht örtliche Herkunft, sondern es wird aus dem Bodensee herbeigepumpt; das heißt, Wasser vom Hochrhein fließt – als Abwasser – über den Neckar in den Oberrhein. Zwischen Plochingen und der Mündung, also auf 203 km, ist der Neckar schiffbar (von Mannheim flussaufwärts kilometriert). Bis 1802 war der Neckar für größere Schiffe bis Heilbronn schiffbar. Als die Stadt dem Königreich Württemberg einverleibt worden war, wurde in Heilbronn der Wilhelmskanal angelegt und 1821 eröffnet. Das ermöglichte die Fahrt bis Cannstatt.

neuen Kanalhafen in Heilbronn vollendet; damit endete die Ketten-Schleppschifffahrt. Der Abschnitt bis Stuttgart wurde 1952, der Hafen Stuttgart 1958 in Betrieb genommen. 1968 wurde mit der Stufe Deizisau der Fluss von Mannheim bis Plochingen schiffbar, dank insgesamt 27 Staustufen. uw /ms

Niederländische Rheinarme

Weiter flussaufwärts wurde meist mit Pferden getreidelt. 1878 begann die Neckar-Kettenschlepperei: Zwischen Mannheim und Heilbronn konnten sich Dampfschiffe mit angehängten Kähnen an einer

6 km stromabwärts von Emmerich (Rheinkm 858) wird der Rhein bei den Ortschaften Spyck auf deutscher und Spijk auf niederländischer Seite auf 7 km Länge zum Grenzfluss zwischen Deutschland und den Niederlanden. Dann biegt die Grenze zwischen der deutschen Ortschaft Bimmen und dem niederländischen Millingen in südliche Richtung ab. Der Rhein bleibt

115 km langen, im Fluss verlegten Kette flussaufwärts ziehen (im Volksmund „Neckaresel“ genannt). 1890 wurde die Kette bis Lauffen ver-

ungeteilt auf niederländischem Territorium, aber nur noch auf 3 km. Danach, am so genannten „Pannerdense Kop“ (Rhein-km 868), teilt sich

längert. 1921 begann der Ausbau zur Großschifffahrts-

der Rhein in Nederrijn und Waal auf. Etwa zwei Drittel des Rheinwassers fließen in die Waal, ein

straße mittels Staustufen. 1935 waren die ersten elf Staustufen zwischen Mannheim und dem

Drittel in den Nederrijn, der hier auf 5 km Länge „Pannerdens Kanaal“ heißt. Die Rhein-km zäh-

280 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

len in den einzelnen Rheinarmen weiter. Am IJsselkop (Rhein-km 879) teilt sich der Fluss in

Hügeln der Veluwe auf der Nord- und der Flussregion Betuwe auf der Südseite. Bei Wijk bij Duur-

Nederrijn und IJssel. Die IJssel fließt mit einem Neuntel des gesamten Rheinwassers in nördli-

stede ändert der Fluss seinen Namen in „Lek“ (ausgesprochen „Leck“). Bis zum Jahr 1122 floss

che Richtung. Nach 123 Strom-km entlang der Hügelregion Veluwe, der Stadt Zutphen und den Hansestädten Deventer und Hattem mündet sie,

der Nederrijn in nordwestlicher Richtung weiter; dann wurde er hier abgedämmt: Der Nebenfluss Lek wurde zum Hauptfluss dieses Arms –

westlich der alten Hansestadt Kampen, in das IJsselmeer (Rhein-km 1002).

das ist bis heute so geblieben. Er läuft weiter in westlicher Richtung in das Tiefland. Ab dem Dorf

Der Nederrijn – mit zwei Neunteln des gesamten Rheinwassers – fließt ab dem IJsselkop in westlicher Richtung entlang der Städte Arn-

Ameide, bei Rhein-km 962, liegt das Umland der Lopikerwaard und Alblasserwaard unter dem Niveau des Meeresspiegels.

heim, Wageningen und Rhenen bis zu der Kleinstadt Wijk bij Duurstede (Rhein-km 928). Er bildet auf dieser Strecke die Grenze zwischen den

Bei Kinderdijk (Rhein-km 989) trifft sich dieser Rheinstrom wieder mit dem Hauptstrom (der an dieser Stelle Rhein-km 985 hat) und setzt die

225 ó Schema des Rhein- und Maasverzweigungssystems in den Niederlanden. IJsselMeer

3 MarkerMeer Nordsee

Amsterdam Noordzeekanaal Gelderse IJssel AmsterdamRijn kanaal

3

Nederrijn Nieuwe Waterweg

2

2

Europoort Brielse Meer 1

Haringvliet

Noord Boven

Nieuwe Maas Oude Maas aas 1

Spui

Westerschelde

Pannerd. Kanaal

Lek Merwede

Niuwe Merwede

1

Hollands Diep Bergse Maas

Grevelingen Oosterschelde

2

2

Hollandse IJssel

Rotterdam

1

2

Oude Rijn 1

Waal

Afgedamde Maas Maas

Beneden Merwede

Zoommeer

ScheldeRijn kanaal

Niederländische Rheinarme 281

Nummerierung vom Lek fort. Der vereinte Rheinstrom trägt von hier ab den Namen „Nieuwe

Die Beneden Merwede endet bei Rhein-km 976 bei der Stadt Dordrecht; hier verzweigt sie sich

Maas“, obwohl in ihm kein Tropfen Maaswasser fließt. Die Nieuwe Maas durchquert das Stadt-

in die beiden Ströme mit den Namen Noord in nördliche und Oude Maas in westliche Richtung.

gebiet von Rotterdam. Nachdem sich die Oude Maas beim Ölhafengebiet westlich des Ortes Pernis (Rhein-km 1013) mit unserem Rheinstrom

Der Noord fließt durch ein Gebiet voller Hafenindustrien auf 9 km bis zum Anfang der „Nieuwe Maas“ (siehe oben). Die Oude Maas führt südlich

vereint hat, heißt der Fluss „Nieuwe Waterweg“ bis zur Mündung beim Küstenort Hoek van Hol-

von Rotterdam vorbei und mündet in die „Nieuwe Maas“, die ab hier „Nieuwe Waterweg“ heißt.

land (Rhein-km 1032). Unterhalb des Sturmstauwehrs mit Namen Maeslantkering bei Maassluis endet der Strom schließlich in der Nordsee.

Auch diese Oude Maas führt kein Maaswasser mehr, durchfließt ein stark urbanes Gebiet, zuletzt von Ölindustrien geprägt, insgesamt über

An der Mündung wird der Strom noch von einem 3 km langen Streckdamm im Norden („Noorderdam“) und von dem neuen Hafengebiet Maasvlakte im Süden bis zu Rhein-km 1035 in die Nordsee weitergeführt.

eine Länge von 30 km. Die Nieuwe Merwede wurde im 19. Jahrhundert quer durch das Naturschutzgebiet Biesbosch gegraben. Sie wird ab Rhein-km 979 zusammen mit dem Mündungsfluss der Maas mit dem Na-

Zurück zur ersten Rheingabelung im Osten der Niederlande beim Pannerdense Kop (Rheinkm 868): Der Hauptstrom mit Namen Waal führt an den Städten Nimwegen und Tiel vorbei, an der Nordseite von der Betuwe begrenzt; auf ihm fahren die meisten Schiffe von und nach Rotterdam. Doch auch der Name Waal bleibt nicht bis zur Mündung erhalten. Ab Schloss Loevestein, an der Stelle, wo bis 1904 die Maas mündete (Rhein-km 952), heißt der Strom Boven Merwede. Hier wird die Gezeitenwirkung der Nordsee bereits spürbar. Diese Boven Merwede reicht jedoch nur bis kurz unterhalb von Gorinchem, das heißt bis Rhein-km 961. Dort verzweigt sie sich in Beneden Merwede und Nieuwe Merwede: Die Beneden Merwede ist der eigentliche Rheinstrom, die Nieu-

men Amer zum Meerbusen „Hollands Diep“ geführt, verteilt sich in mehrere Mündungsflüsse wie Haringvliet und Grevelingen und endet – vorbei an Mündungsdämmen (Haringvlietdam, Grevelingendam) – in der Nordsee. js

we Merwede wurde von 1861 bis 1874 gegraben, um bei Hochwasser die Wassermassen zügiger in die Nordsee führen zu können. An der Beneden Merwede macht sich schon bald die Randstad be-

mündung stark besiedelt und industrialisiert. Der Niederrhein durchfließt die Agglomerationen Köln und Düsseldorf und danach das Ruhrgebiet, den größten Ballungsraum Deutschlands; wich-

merkbar, zuerst mit der Stadt Sliedrecht, an der Südseite das Naturschutzgebiet Biesbosch, eine

tigste Hafenstadt ist Duisburg. Stromabwärts von Duisburg ist die Region eher agrarisch geprägt.

ehemalige Tidelandschaft.

Bei Wesel (Rhein-km 813,2) zweigt rechtsrhei-

282 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Niederrhein Ab der Mündung der Sieg (Rhein-km 659,35, 50 m ü. M.) bis zum Pannerdense Kop (Rheinkm 868, 12 m ü. M.) heißt der Rhein Niederrhein. Auf seinem 200 km langen Lauf durchfließt er im Bundesland Nordrhein-Westfalen das Norddeutsche Tiefland. Die größten Zuflüsse sind die Sieg, die Ruhr, die Emscher, die Lippe von rechts, die Erft von links. Dem mäandrierenden Niederrhein wurde wasserbaulich ein festes Bett geschaffen. Die Ufer des Niederrheins sind ab der Sieg-

nisch mit dem Wesel-Datteln-Kanal eine kontinentale West-Ost-Schifffahrtsverbindung ab. In

alles, was von Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Nordfrankreich, Großbritannien, den

Emmerich spannt sich die längste Hängebrücke Deutschlands über den hier mehr als 400 m brei-

schottischen Inseln, Südnorwegen und dem dä-

ten Strom.

uw

Niederrheinische Bucht „Niederrheinische Bucht“ ist ein Begriff der Geologie. Er bezeichnet das Gebiet einer geologischen Senkung, die sich gleichzeitig mit der Hebung des Rheinischen Schiefergebirges auf dessen Nordwestseite ergeben hat und sich noch immer eintieft, also seit rund 30 Millionen Jahren. Die Niederrheinische Bucht ist Teil des europäischen Grabensystems, das sich über den gesamten Kontinent zieht, von der Meerenge zwischen Korsika und den Seealpen über den Rhone-Saône-Graben, den Oberrheingraben, die Niederrheinische Bucht etc. bis zum Oslofjord. uw

Nordsee Der Rhein mündet in die Nordsee (nl. de Noordzee, frz. la mer du Nord). Zur Nordsee zählt man

nischen Jütland begrenzt ist. Auch das (der) Skagerrak (zwischen Norwegen und Jütland) zählt zur Nordsee. Hingegen gilt das Kattegat (zwischen Jütland, Schweden und dem dänischen Seeland) nach skandinavischer Auffassung nicht als Nordsee. Was zwischen den schottischen und den Färöer-Inseln und westlich von Norwegen liegt, zählt nicht zur Nordsee, sondern zum Europäischen Nordmeer (nl. Noorse Zee, frz. mer Norvégienne). Das Europäische Nordmeer wird nicht überall gleich definiert. Die im Mittel 94 m tiefe Nordsee ist ein Schelfmeer, das heißt, sie liegt (mit Ausnahme eines schmalen Gebiets vor der norwegischen Küste) auf dem europäischen Kontinentalsockel. Die heutige Nordsee hatte nicht immer die heutige Ausdehnung; unter anderem lag der untiefe Ärmelkanal in prähistorischer Zeit trocken. Die Themse und der Rhein hatten eine gemeinsame Mündung.

226 ó Am Ende des Nieuwe Waterweg verlässt ein Frachtschiff das Rotterdamer Hafengebiet in Richtung Nordsee. Der Rotterdamer Hafen bildet die Schnittstelle von Binnenschiffsverkehr und Seeverkehr.

Nordsee 283

Der am dichtesten befahrene Teil der Nordsee liegt an ihrem südwestlichen Ende, die Straße von Dover (Teil des Ärmelkanals), wo im Mittel 1000 Schiffe pro Tag gezählt werden, sowie

Firth of Tay (203 m³/s), der schottische Moray Firth (aus diversen Flüssen inklusive Spey, 168 m³ / s), die Schelde (Belgien / Niederlande, 126 m³ / s), Humber (England, 125 m³ / s), Forth (Schottland,

vor der Rheinmündung. Die südwestliche Nordsee gilt als das am dichtesten von Schiffen befahrene Meer der Welt; dieser Rekord lässt sich freilich

112 m³/s), Ems (Niedersachs., 88 m³/s), Tweed (Eng-

nicht überprüfen, weil Vergleiche fehlen, etwa zu südostasiatischen Schifffahrtszahlen. uw

Oberrhein

Nordseezuflüsse

Norden und fließt als Oberrhein durch die rund 300 km lange Oberrheinische Tiefebene. Bei Mainz

In die Nordsee fließen zahlreiche große und kleine Flüsse. Sie bringen 300 bis 350 km3 Wasser pro Jahr ein. Das ist mehr Wasser, als in der Nordsee verdunstet, im Unterschied etwa zum Mittelmeer, wo mehr Wasser verdunstet, als die Flüsse einbringen. Zu diesem Wasserüberschuss aus den Nordseezuflüssen kommen die Ostseezuflüsse hinzu. Sie belaufen sich auf 470 km3 pro Jahr, also auf wesentlich mehr als die direkten Nordseezuflüsse. Das kontinentale Einzugsgebiet der Ostsee – von Lübeck über Polen zum Baltikum, Russland, Finnland und Schweden – ist bei Weitem größer als dasjenige der Nordsee. Der Wasserüberschuss der Nordsee fließt in erster Linie durch die norwegische Rinne in den Nordostatlantik (Europäisches Nordmeer) ab. Der Rhein ist mit einem mittleren Abfluss von 2330 m³ / s der bei Weitem größte Nordseezufluss; zusammen mit der Maas bringt er durchschnittlich 2525 m³ / s in die Nordsee ein, und zwar in die besonders untiefe, südwestliche Nordsee (frz. Baie Flamande, engl. Southern Bight), wo deshalb die marine Salinität nur bei 15 bis 25 ‰ liegt; die normale Salinität liegt bei 35 ‰. Nächst dem Rhein bringen die Elbe 856 m³ / s und die norwegische Glomma 603 m³ / s in die

land, 85 m³ / s) und Themse (England, 76 m³ / s). uw

Mit dem „Rheinknie“ in Basel (Rhein-km 166,64) endet der Hochrhein. Hier biegt der Strom nach

erreicht er den Rheingau und wendet sich westwärts. Der Oberrhein endet in Bingen an der Mündung der Nahe (Rhein-km 529,1). Der Oberrhein ist etwas kürzer als die 362,46 km der Rheinkilometrierung, was sich aus den unterschiedlichen Messungen der Rheinanliegerstaaten im 19. Jahrhundert erklärt. Die wichtigsten Zuflüsse sind von links die elsässische Ill, von rechts die Schwarzwaldflüsse, der Neckar und der Main. In Basel liegt der Wasserspiegel auf 252 m ü. M., in Bingen auf 76 m ü. M. Erhebliches Gefälle weist die oberrrheinische Ebene vor allem in ihrem südlichen Teil auf. Davon profitiert die Kette von zehn Wasserkraftwerken, von Kembs (bei Basel) bis Iffezheim (bei Baden-Baden). Vier dieser Kraftwerke liegen nicht am Rhein, sondern am französischen Rheinseitenkanal (Grand Canal d’Alsace), der seit 1923 gegraben wurde. Die oberrheinische Ebene ist nicht ein vom Fluss erodiertes Tal, sondern ein tektonischer Graben zwischen Vogesen und Pfälzerwald im Westen und Schwarzwald und Odenwald im Osten. In seinem südlichen Teil ist der Oberrhein Grenzfluss zwischen Deutschland und Frankreich,

Nordsee ein. An vierter Stelle folgt mit 555 m³ / s

im nördlichen Teil zwischen den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz (linksrheinisch), Ba-

das IJsselmeer, das teilweise ebenfalls vom Rhein gespeist wird. Es folgen die Weser mit 358 m³ / s, der dänische Skjern Å (206 m³/s), der schottische

den-Württemberg und Hessen (rechtsrheinisch). Der Oberrhein ist ein wichtiger kontinentaler Verkehrsweg. Die Besiedlung nimmt von Süden

284 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

nach Norden zu und umfasst mehrere Großstädte und Ballungsräume: Basel, Mülhausen, Freiburg / Br., Straßburg-Kehl, Karlsruhe, HeidelbergMannnheim-Ludwigshafen, Mainz-Wiesbaden und damit den Rhein-Main-Ballungsraum.

uw

OSPAR OSPAR (oder OSPARCOM) ist der Name des internationalen Abkommens zum Schutz der marinen Ökologie im nordöstlichen Atlantik. Der Name leitet sich von zwei Vorläufer-Konventionen ab, die 1972 in Oslo („Oscom“) und 1974 in Paris („Pariscom“) abgeschlossen wurden. Das OSPARAbkommen wurde 1992 auch in Paris abgeschlossen. Vertragsparteien sind Belgien, Deutschland, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Luxemburg, Norwegen, die Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz sowie die Europäische Union. Das Abkommen hat ein Sekretariat in London und wird von einer Exekutiv-Kommission betreut. Die Aufgabe der OSPAR ist der Schutz des nordöstlichen Atlantiks, von der Ostküste Grönlands bis zum Weißen Meer und vom Nordpol bis Gibraltar. Dazu gehört die Nordsee (inklusive Dänemark, aber ohne die Ostsee). Die OSPAR ist zuständig für alles, was in den Nordostatlantik, also auch in die Nordsee eingeleitet, versenkt oder sonst wie eingebracht wird. Sie begutachtet auch das Einrichten von Windrädern oder Bohrinseln. Die OSPAR überwacht ihr weites Zuständigkeitsgebiet unter anderem mit zahlreichen Messungen der Wasserqualitäten. So überwacht sie auch die Einträge durch den Rhein. uw

Pamina Rheinpark /Parc Rhénan „Eine Region als Museum“, so stellt sich das Projekt Pamina Rheinpark vor, das in den 1990er-Jahren mit Mitteln der EU – aus deren sogenannter Interreg-Kasse für interregionale Koordinationsprojekte – sieben Museen, ein Naturschutzzent-

rum und rund 40 informative Radwegstationen förderte und koordinierte. Schwerpunkt des Projektes ist die Darstellung der Ökologie des Oberrheins, besonders der Auenlandschaften in der deutsch-französischen Region zwischen Iffezheim und Lauterburg. So entstand auf badischer Seite z. B. das Ottersdorfer Riedmuseum, ein Flößerei-Museum in Steinmauern und das Heimatmuseum in Elchesheim-Illingen; auf französischer Seite wurde das Naturschutzzentrum in Munchhausen eingerichtet. Das Wort Pamina, eine Abkürzung für Palatinat – Mittlerer Oberrhein – Nord-Alsace, bezeichnet die Institution, die aus EU-Mitteln kofinanzierte, kulturelle und andere Projekte am Mittleren Oberrhein entwickelt, fördert, begleitet und auch darüber informiert. Im Falle des Pamina Rheinparks fordert sie Städte und Gemeinden der Region zur Beteiligung auf. So wird auch sehr viel ehrenamtliches Engagement geweckt. Die Pamina-Zentrale ist in der ehemaligen Grenzwache im elsässischen Lauterburg (frz. Lauterbourg) untergebracht, eine so sinnvolle wie wahrhaft symbolische Maßnahme deutschfranzösischer Beziehungen. jr

PCB PCB ist die gängige Abkürzung für polychlorierte Biphenyle (nl. Polychloorbifenyl, frz. polychlorobiphényles oder biphényles polychlorés), eine Gruppe von Substanzen, die als vielseitige und billige Bauchemikalie breit eingesetzt wird – häufig in elektrischen Kondensatoren. PCB zählt zu den giftigsten Substanzen, die im Rhein jahrzehntelang gefunden wurden. Auch heute noch findet sich PCB in den Flusssedimenten. Auch in Rheinfischen stellt man zuweilen Spuren fest. Durch die Stockholmer Konvention von 2001 ist es heute weltweit verboten. Im menschlichen Organismus wird PCB über den Magen-Darm-Trakt, aber auch über die Haut

PCB 285

und die Lungen resorbiert, verteilt sich im Körper und reichert sich im Fettgewebe an. Die Aufnahme von größeren Mengen führt zu akuten Beschwerden der Haut (z. B. Chlorakne, Hautpigmentierungen), verursacht Leber-, Milz- und Nierenschäden und schwächt das Immunsystem. In Japan gelangten 1968 große Mengen von PCB in Reisöl, das von der Bevölkerung über Monate eingenommen wurde. Es kam zu den erwähnten Krankheiten, außerdem zu neuronalen Störungen und einer Häufung von Fehlgeburten. Eine krebsfördernde Wirkung von PCB wurde bei Tieren nachgewiesen, nicht aber beim Menschen.

uw

Polder Der Polder (nl. de polder, frz. le polder,) ist nach lexikalischer Definition eingedeichtes Marschland an der Meeresküste, das sich zum anbaubaren Feld verfestigt, nachdem das Wasser versickert oder weggepumpt wurde (trockenes Land). Am Rhein hat sich eine völlig andere, sozusagen umgekehrte Bedeutung des Wortes Polder eingebürgert: Rheinnahe Flächen werden eingedeicht, damit man sie im Hochwasserfall überfluten und für die Hochwasser-Rückhaltungn nutzen kann (überflutetes Land). uw /gw

Quellen des Rheins Ein Dutzend Gewässer im alpinen Quellgebiet des Rheins tragen den Namen Rhein. Im Bereich des Vorderrheins sind das: f Rein da Tuma, Toma-Rhein, f Rein da Medel / Reno di Medel / Medelser Rhein, f Rein da Curnera, f Rein da Maighels, f Rein da Cristallina, f Rein da Nalp, f Rein da Plattas, f Valser Rhein. Im Gebiet des Hinterrheins tragen fünf Quellflüsse einen Rhein-Namen:

286 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

f Hinterrhein, f Reno di Lei, f Madrischer Rhein, f Averser Rhein, f Jufer Rhein. Die wasserreichste der Rheinquellen ist der Tomasee (rätorom. Lai da Tuma) auf 2343 m ü. M. in der Gemeinde Tujetsch (Sedrun). Aus dem kleinen See fließt der Rein da Tuma, der sich kurz darauf mit dem Rein da Maighels vereinigt und von da an Vorderrhein heißt. Die Rheinquellen liegen in Graubünden, mit einer Ausnahme: Die von der Rheinmündung am weitesten entfernte Rheinquelle ist die Quelle des Medelser Rheins (Zufluss zum Vorderrhein). Sie liegt in der Tessiner Gemeinde Quinto. uw

Ramsar-Konvention Die Ramsar-Konvention ist ein internationales Übereinkommen zum Schutz der „Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung“. Die Bezeichnung „Ramsar“ rührt von der iranischen Stadt Ramsar am Kaspischen Meer her, wo die Verhandlungen stattfanden. Eine zentrale Bestimmung des völkerrechtlichen Vertrags, der von der UNESCO angestoßen und am 2. Februar 1971 beschlossen wurde, lautet: „Jede Vertragspartei fördert die Erhaltung von Feuchtgebieten sowie von Wat- und Wasservögeln dadurch, dass Feuchtgebiete (…) zu Schutzgebieten erklärt werden und in angemessenem Umfang für ihre Aufsicht gesorgt wird.“ Die Konvention verlangt nicht, dass Schutzgebiete jeder Nutzung entzogen werden, sondern der Vertragstext empfiehlt für das Schutzgebiet einen vernünftigen Umgang („wise use“). Die Konvention trat 1975 in Kraft, und bis 2009 sind ihr 159 Staaten beigetreten. Die Konvention hat ein permanentes Sekretariat beim Büro der International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN, Weltnaturschutzunion) in Gland (Kanton Waadt,

Schweiz). Das Sekretariat betreut die Mitgliedschaften und den Konferenzbetrieb. Hingegen wird die umfangreiche Dokumentierung der über 1800 registrierten Feuchtgebiete vom Sekretariat von „Wetlands International“ (Wageningen, Niederlande) betreut. Alle Rheinanliegerstaaten sind der Konvention beigetreten, die Schweiz und Deutschland 1976, Italien 1977, die Niederlande 1980, Österreich 1983, Frankreich und Belgien 1986, Liechtenstein 1991. Die gemäß Ramsar-Konvention geschützen Feuchtgebiete am Rhein sind, dem Rheinlauf folgend: f Ruggeller Ried, Liechtenstein, 100 ha, seit 1991, f Rheindelta im Bodensee, Vorarlberg, 2000 ha, seit 1982, f Wollmatinger Ried am Untersee (mit Mindelsee), Baden-Württemberg, 1300 ha, seit 1976, f Klingnauer Stausee bei der Aaremündung, Kanton Aargau, 350 ha, seit 1990, f Oberrhein zwischen Weil am Rhein bzw. Village-Neuf und Karlsruhe, Elsass und BadenWürttemberg, 47 500 ha, davon 22 400 ha auf elsässischer und 25 100 ha auf badischer Seite, seit 2008, f Rheinauen Eltville-Bingen, Hessen und Rheinland-Pfalz, 570 ha, seit 1976, f Unterer Niederrhein, Nordrhein-Westfalen, 25 000 ha, seit 1983, f De Biesbosch (Süd), Prov. Noord-Brabant, 1700 ha, seit 1970 / 1993, f Grevelingen, Zuid-Holland, 13 900 ha, seit 1971, f Haringvliet, Zud-Holland, 10 800 ha, f Voornes Duin, Zuid-Holland, 1500 ha, f Hollands Diep, Zuid-Holland, 4050 ha, f Krammer-Volkerak, Zeeland / Noord-Brabant, 6450 ha, f Voordelta, Zeeland, 90 000 ha.

uw /js

Randstad Die Randstad ist das Ballungsgebiet im Westen der Niederlande, das die urbanen Gebiete um Amsterdam, Leiden, Den Haag, Delft, Rotterdam, Dordrecht, Gouda, Hilversum und Almere umfasst. Die Randstad umfasst 20 % der Fläche aber 40 % der Bevölkerung der Niederlande. Die Stadtgebiete bilden eine Art Ring um das Groene Hart (grüne Herz) im Zentrum der Randstad, das Naherholungs- und Naturschutzfunktionen hat. Mit einem Bruttoregionalprodukt von ca. 215 Milliarden Euro liegt die Region im europäischen Verleich hinter London, Paris, Rhein-Ruhr und Mailand auf dem fünften Platz. Der Begriff Randstad (dt. Saumstadt) wurde in den 1950er-Jahren von einem Manager der Fluggesellschaft KLM geprägt, der die Region aus der Luft sah. uw

Regionalpark RheinMain Fast jede etwas größere Stadt des 20. Jahrhunderts bietet ihren Bürgern einen Stadtpark für Erholung, Spiel und Freizeit an. Stadtparks sind gleichzeitig ein gut geschütztes und gepflegtes Reservoir an Grünflächen, die für das Stadtklima unentbehrlich sind. Regionalparks sind die konsequente Fortführung dieses sozialen und ökologischen Gedankens, nachdem sich die bebauten Flächen der Städte in den letzten Jahrzehnten weit in die Region hinein entwickelt haben, bzw. sich auch mit Außenbezirken der Nachbarstädte verzahnen. So sind Regionalparks der – meist späte – Versuch, noch unbebaute Flächen der Region zu erhalten, miteinander zu einem grünen Netzwerk zu verbinden und, wo es noch möglich ist, auch mit innerstädtischen Flächen zu einem Grünsystem zu entwickeln, das Stadt und Region dauerhaft strukturiert und ein gesundes Verhältnis von Bebauung und Grün garantiert. In diesem Sinne wurde 1995 die „Regionale Rhein-Main GmbH“ in Frankfurt gegründet.

Regionalpark RheinMain 287

227 ó Gebiet des Regionalparks RheinMain, das im Westen vom Rhein begrenzt wird.

Gesellschafter waren vor allem der Umlandverband Frankfurt, zunächst drei Stadtgemeinden am Main und der Main-Taunus-Kreis. Das Gebiet reichte vom Westen Frankfurts bis an die Berghöhen von Wiesbaden und an den Rhein. Von dort aus kam schon der Mainzer Dom in den Blick. Aufgabe der Gesellschaft war die – pilothafte – Gründung und Realisierung eines Regionalparks in diesem höchst verstädterten und von Verkehrstraßen und Hochspannungsleitungen etc. zerstückelten Gebiet. Die restlichen Grünflächen, unter anderem auch bereits geschützte re-

landschaft“ war das Leitbild, das heißt es konnte nicht romantisch idealisiert um die Elemente einer ungestörten Landschaft gehen, sondern um ein „Bild“ von Landschaft in den Vorgaben einer Fluss- und Mittelgebirgsregion. Auch verträgliche Abstimmung von Landschaft und Natur mit der heutigen Verstädterung und Technisierung des Landes war den Planern ein wichtiges Ziel. Landschaftstypische Merkmale wie Streuobstwiesen oder Weinbaukultur wurden ebenso integrierte Elemente wie rein landwirtschaftlich genutzte oder auch brachliegende Teile.

gionale Grünzüge und der Frankfurter Grüngürtel, sollten nicht nur in ihrem Bestand gesichert, sie sollten auch im Zusammenhang als Land-

Rückgrat des Regionalparks wurde ein etwa 18 km langer Regionalparkweg, der die Besucher erlebnishaft durch das Gebiet führt, dabei mit

schaftsbild des Rhein-Main-Gebiets vornehmlich an den Taunushängen bis hinunter in die Fluss-

besonderen Elementen wie Rosengarten, Ginkgo-Hain oder Kunstwerken als Landmarken be-

niederungen für Touristen und Bewohner dieses Gebiets erlebbar werden. Der Typus einer „Stadt-

sondere Stationen bot, genauso aber den Zusammenhang des Gebiets vor Augen führte.

288 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

So mühsam es war, z. B. durch eine Art Handel von Ausgleichsflächen, kontinuierliche Grünzüge

aus weit älterer Zeit, aus der fernen indoeuropä-

oder gar Biotopvernetzung herzustellen, so erfolgreich war letztlich das Bemühen um ein heu-

„hreih“ (für rinnen, fließen) hat in zahlreichen Sprachen Bezeichnungen für die Bewegung des Wassers hinterlassen, etwa im englischen „to run“, altkeltisch „roain“, im lateinischen „rivus“

te sehr prominentes Regionalprojekt, das wesentlich zur Identität von Rhein-Main beiträgt. jr

ischen Sprache. Der indoeuropäische Wortstamm

(Bach), im altslawischen und russischen „reka“,

Remagen – Rheinbrücke Beim linksrheinischen Ort Remagen (Rheinkm 633) am Mittelrhein wurde nach dem Ersten Weltkrieg auf Betreiben der Militärs (sogenannter Schlieffen-Plan) die Ludendorff-Brücke gebaut. Die Eisenbahnbrücke war eine Stahlfachwerk-Bogenbrücke auf zwei im Rhein stehenden Pfeilern, auf beiden Ufern geschmückt mit steinernen Doppeltürmen. 1945 bemühte sich die deutsche Wehrmacht, bei ihrem Rückzug über den Rhein alle Brücken zu sprengen – diejenige in Remagen stürzte dabei als einzige nicht ein, aber sie war geschwächt. Amerikanische Truppen konnten darüber vorrücken, aber am 17. März 1945 stürzte die Brücke doch ein. Der linksrheinische, doppeltürmige Brückenkopfbau wurde als Gedenkstätte für den dramatischen Kampf um diese so wichtige Brücke eingerichtet. Die Brücke selbst wurde nicht mehr aufgebaut. uw

Rhein (etymologisch) Rhein ist der deutsche Name des Stroms, mit dem sich dieses Buch beschäftigt – nl. „het Rijn“, frz. „le Rhin“, engl. „the river Rhine“, ital. „il Reno“, span. „el Rin“, althochdt. „Rîn“, mittelhochdt. „Rein“, alemannisch „Rhii“, letzeburgisch „Rhäin“ und ripuarisch „Rhing“. Julius Cäsar gab als erster römischer Autor in seinem „Gallischen Krieg“ Kunde von dem großen Fluss am Rand Galliens und bezeichnete ihn mit „Rhenus“, was eine lateinische Adaptation der vorgefundenen, gallischen Bezeichnung „ren“ war. Was Cäsar zu hören bekam, war aber bereits eine gallische Adaptation eines Namens

in der deutschen „Rinne“ etc. Auch viele kleinere Flüsse in Europa tragen Namen dieses Ursprungs, etwa in Italien „il reno“ (bei Bologna), „il renanchio“ bei Ivrea sowie in Frankreich „Rhoin“ (Côte d’Or) und „Rhins“ (Loire). uw

Rheinbund Rheinbund (frz. Confédération du Rhin) nannte sich der Bund von 16 deutschen Landesherren, die am 1. August 1806 erklärten, sie gehörten fortan dem Reich nicht mehr an – das war das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Bis 1811 traten weitere 20 deutsche Territorien bei. Die Mitglieder, Frankreich inbegriffen, sollten sich militärisch beistehen. Zu diesem Zweck sollte Bayern 30 000 Mann, Württemberg 12 000, Baden 8000, Berg 5000, Hessen-Darmstadt 4000 und die übrigen Bundesfürsten zusammen 4000 Mann, Frankreich 200 000 Mann stellen. Der Bündnisfall trat mehrfach ein. Der bei Weitem wichtigste war Napoleons Russlandfeldzug von Juni bis Oktober 1812, den die „Grande Armée“ bestritt. Sie bestand zu rund einem Drittel aus Deutschen. Der Rheinbund wurde am 31. Oktober 1813 aufgelöst. Rheinbund (frz. Alliance du Rhin) heißt auch ein 1658 in Frankfurt am Main abgeschlossener Staatsvertrag zwischen Frankreich (Ludwig XIV.) und den deutschen Fürsten von Mainz, Trier, Köln, Pfalz-Neuburg, Münster, Hessen-Kassel, Braunschweig-Lüneburg, Brandenburg etc. und dem schwedischen König (als Herzog von Bremen und Verden); aufgelöst wurde er 1668. uw

Rheinbund 289

228 ó Im Luftbild kann man das Ausmaß der vom Alpenrhein in den Bodensee mitgeführten Gesteins- und Sedimentsfracht besonders gut erkennen.

Rheindelta im Bodensee Der Alpenrhein mündet in den Bodensee. Er trägt fortwährend Feststoffe in den See ein und bildet ein Delta, gemeinsam mit den östlich anschließenden Deltas von Dornbirner Ache und Bregenzer Ache. Dieses Deltagebiet erstreckt sich über den gesamten Talbereich von Staad im Westen (Schweiz, Kanton St. Gallen) bis Bregenz im Osten (Österreich, Vorarlberg). Im Norden bildet das derzeitige Bodenseeufer die Begrenzung, aber

Anfang des 20. Jahrhunderts schlossen Österreich-Ungarn und die Schweiz einen Staatsvertrag zwecks Zähmung der Hochwasser am unteren Alpenrhein (zwischen Illmündung und Bodensee). Aufgrund des Vertrags wurde ein Rheindurchstich bei Fussach geschaffen. Er ist kein ursprünglicher Deltaarm, aber seither verläuft die Hauptdeltabildung an der Mündung dieses Rheindurchstichs und nicht mehr an der

unter der Seeoberfäche setzt sich das Delta fort. Durchschnittlich schwemmt der Fluss, seit

früheren Hauptmündung des nunmehrigen Alten Rheins, der die Staatsgrenze bildet. Der Sedimentkegel des Rheins im Bodensee weist in-

Jahrtausenden, an die 3 Millionen m³ Feststoffe pro Jahr in den Bodensee. Das transportierte

zwischen eine Fläche von 2,2 km² auf, durch die Auflandung verschiebt sich die Flussmündung

Material wird zur Gänze im Bodensee abgelagert. Der Rhein verlässt den See bei Konstanz ohne Geschiebefracht.

nach und nach weiter in den See hinaus. Seit den 1970er-Jahren werden auch die Rheindämme seewärts vorgestreckt, um die Sedimentmassen

290 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

in tiefere Seebereiche zu leiten und die Verlandung im Uferbereich zu stoppen. Durch die Auflandung, die der Alpenrhein selbst produziert, und die Dammverlängerungen wird das Flussbett des Rheins jährlich um 22 m verlängert. Was für die Wasserbauer ein Problem ist, ist für den Naturschutz eine Chance. Das Rheindelta in Vorarlberg ist das größte Feuchtgebiet am Bodensee und ein bedeutendes Brut- und Rastgebiet für Vögel. Bis heute wurden 330 Vogelarten beobachtet. Rund 2000 ha Flachwasser, Schilfröhrichte, Feuchtwiesen und Auwälder sind geschützt, seit 1982 auch unter dem Schutz der Ramsar-Konvention. uw

Rheinfall bei Schaffhausen Am Ende der letzten Eiszeit gingen vor ca. 6000 Jahren auch die ausgedehnten Gletscher der Alpen zurück und gaben unter Eis liegende Flüsse und Seen frei. Durch die Gletscherdynamik war das Gelände neu überformt. So war eine mächtige Felsbarriere entstanden, die das alte Flussbett des Rheins unterbrach. Auf der Höhe von Schaffhausen brach diese Auffüllung jäh ab. Das Flusswasser hatte sich bis hier vom Bodensee kommend ein neues Flussbett geschaffen. Über den Felsabriss stürzte es dann 20 m in die Tiefe und konnte sein altes Flussbett von hier aus wieder aufnehmen. So entstand der Rheinfall von

229 ó Mehr in Form einer Kaskade denn als Wasserfall stürzt das Rheinwasser vom oberen Niveau, das durch gewaltige Gletscherkräfte entstanden ist, in sein erdgeschichtlich frühes Flussbett und fließt dann bei leichtem Gefälle in Richtung Basel.

Rheinfall bei Schaffhausen 291

230 ó Blick über den hier sehr breiten Fluss bei Rheinkm 519 auf die Rheingau-Landschaft mit Schloss Johannisberg im Hintergrund.

231 ó Eine der schönsten Uferpartien im Rheingau ist die Platanenpromenade von Eltville mit Weintrinkhalle und Bistro nahe dem Anleger der „Köln-Düsseldorfer“. An einem schönen Sommertag wird der Platz schnell zur Bühne eines improvisierten Weinfests.

Schaffhausen, der heute Jahr für Jahr Tausende von Touristen anlockt und fasziniert. Mitten im Wasserfall, bekrönt mit der Schweizer Nationalflagge, stehen zwei hohe steile Felsen, die das stürzende Wasser nicht abtragen konnte. An ihnen kann man erkennen, dass der

Westen, aber auch das ostwärts Richtung Frankfurt am Main anschließende Rebgebiet (Hochheim) sowie westwärts die am nahen Mittelrhein gelegenenen Orte Assmannshausen und Lorch zählen zum Rheingau. Der Rheingau ist mit 3100 ha Rebfläche eines der kleineren Wein-

Fluss nicht senkrecht, sondern in Stufen abfällt. Die dadurch erzeugte Gischt macht den Anblick umso eindrucksvoller. jr

anbaugebiete in Deutschland, aber die hier gedeihenden Weine, 2,5 % der gesamten deutschen Weinernte, gelten als die besten. Die Rebberge

Rheingau

liegen an den nach Süden geneigten Taunus-Abhängen.

Rheingau heißt das Weinanbaugebiet nördlich des ostwestlich fließenden Teils des Oberrheins, zwischen Wiesbaden im Osten und Rüdesheim im

Im Rheingau werden 80 % Riesling, 12,5 % Spätburgunder, 2,5 % Müller-Thurgau sowie diverse weitere Rebsorten angebaut. uw

292 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Rheingau-Bund gegen Bahnlärm

Trasse etwa durch den Taunus entwickelt und im

Der Rheingau-Bund gegen Bahnlärm ist eine interkommunale Initiative zur Reduzierung der Lärmbelastung, die durch den Güterverkehr auf

Bundesverkehrswegeplan verankert werden. Um die Belastungen möglichst bald zu vermin-

der Rheingauer Bahnstrecke entsteht. Die Kommunen und Bürger im Rheingau sind nicht nur dem gesundheitsschädlichen Lärm von täglich ca. 500 Güterzügen ausgesetzt. Sie fürchten auch eine deutliche Zunahme der Zugfrequenz und entsprechend noch mehr Belastungen durch Lärm und Bodenerschütterung, wenn der europäische Güterverkehrskorridor Zeebrugge-Antwerpen / Rotterdam-Duisburg-Basel bzw. Mailand-Genua als Teil des EU-Streckennetzes wie geplant weiter ausgebaut und optimiert wird. Zuwächse von ca. 50 % werden befürchtet. Die heute benutzten Gleisanlagen seien zum Teil schon 100 Jahre alt und für solche Nutzungen völlig ungeeignet. Im September 2009 wurde dazu ein „Positionspapier“ erarbeitet und in den betroffenen Gemeindevertretungen und Stadtverordnetenversammlungen diskutiert. Übereinstimmend ist die erste Forderung an die Verantwortlichen, Politiker und Fachleute der Ministerien in Bund und Bundesländern, endlich die Planung für eine alternative Bahnstrecke abseits der direkten Rheinstrecken zu beginnen. Dafür müsse eine

dern, soll ein Sofortprogramm eingerichtet und alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, unter anderem von einer Gebührenstaffelung für Züge mit schwächerer bzw. stärkerer Lärmentwicklung, der Sanierung des Gleisbetts mit dem Masse-Feder-System, dem regelmäßigen Schleifen von Auflageflächen der Wagenräder und Schienenoberflächen bis zum Aufbau weiterer Niedrigschallschutzwände und zur Einführung fahrzeugbezogener Lärmgrenzwerte. Für die Kontrolle solle ein Monitoring „Lärm und Erschütterungen“ mit stationären Messstationen eingerichtet werden. Entsprechende Initiativen gibt es im Bereich des Mittelrheintals. Die Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz wurden aufgefordert, sich an der Projektgruppe „Leiser Rhein“ zu beteiligen. jr

Rheingold-Express „Zum Rhein – gehört der Rheingold!“ – mit diesem Slogan warb die Deutsche Bundesbahn seit 1962 in einer Anzeige für ihren „Star im Netz der internationalen Trans-Europ-Express-Züge (TEE)“. Der Zug dieses Namens wurde 1928 zum ersten Mal eingesetzt, benannt nach dem Schatz der Nibelungen, der mythischen burgundischen Königsfamilie. Nachdem er Siegfried getötet und den reichhaltigen Schatz an sich genommen hatte, soll Hagen von Tronje ihn vor Feinden schützend im Rhein bei Worms versenkt haben. Tatsächlich durchfuhr der Luxus-Express von Hoek van Holland / Rotterdam und Amsterdam bis Basel die Strecke direkt am Rheinufer und ließ für den Reisenden 2000 Jahre rheinische und europäische Geschichte aufscheinen. Die fahrplanmäßig verkehrenden TEE-Züge existierten von 1957 bis 1987, mit unterschied-

232 ó Im Abstand von wenigen Metern fahren täglich ca. 500 Züge durch die Ortschaften an den Häusern vorbei.

lichem Rollmaterial. Die TEE-Züge trugen eine einheitliche Farbgebung, dunkelrot und elfen-

Rheingold-Express 293

bein, und in diesem Kleid bietet die Deutsche Bahn heute noch Fahrten mit dem „Rheingold“

zutreffende Bezeichnung, denn darum ging es: um die Bewahrung des Landfriedens im mittelal-

an, freilich nur als Charterfahrten. Seit dem Bau der Schnellfahrstrecke zwischen Frankfurt am

terlichen Heiligen Römischen Reich. Er war vom König bzw. Kaiser zu schützen. In der führungslosen Zeit des sogenannten Interregnums nach dem Tod des letzten staufischen Königs Kon-

Main und Köln, die nicht mehr am Rhein entlang führt, fahren auf der früheren „Rheingold“-Strecke auch keine anderen Expresszüge mehr, dafür umso mehr Güterzüge, zum Ärger der lärmgeplagten Anwohner. Die säuberliche Trennung von Ufer und Landschaft durch Straße und Schiene wurde in der Werbung der Deutschen Bundesbahn in aller Unschuld der Nachkriegsjahre als ein Bild des Fortschritts eingesetzt. jr

Rheingrafen Rheingrafen hieß im Mittelalter ein Adelsgeschlecht aus dem Rheingau, von der Burg Rheinberg bei Lorch. 1350 bzw. 1409 beerbten die Rheingrafen die beiden Linien der Wildgrafen, und fortan nannten sie sich Wild- und Rheingrafen. 1459 fiel ihnen durch Heirat die Hälfte des Besitzes der Grafen von (Ober-)Salm in den Vogesen zu, sie übernahmen daraufhin deren Namen und nannten sich Grafen (Fürsten) zu Salm. uw

Rheingrafenhose Es muss eine eindrucksvolle Hose gewesen sein. In dem von Eitelkeiten und Äußerlichkeiten überschäumenden Paris der Barockzeit trug der niederländische Gesandte (1651 – 1685), Karl Rhingrave von Salm, eine knielange Hose, die an den Beinen rockartig weit geschnitten und mit

rad IV. gründeten die Städte Mainz und Worms 1254 den Städtebund, um sich selber, Handwerk, Handel und städtischen Wohlstand zu schützen. Denn es war eine chaotische Zeit der Fehden, Belagerungen und Raubzüge. Der Bund unterhielt zum Schutz der Schifffahrt eine eigene Kriegsflotte auf dem Rhein. Es gab gemeinsame Bemühungen, die zahlreichen Zölle entlang des Rheins abzuschaffen. In kurzer Zeit wurden nicht nur 70 weitere Städte zwischen Rhein und Donau, sondern auch Grafen, Bischöfe und andere regionale Machthaber Mitglieder des Bundes. Nach anfänglichen Erfolgen gegenseitiger Hilfe wurden die überregionale Größe und gegensätzliche Interessen zur Schwäche des Städtebunds. Er spaltete sich nach der doppelten Kaiserwahl, Richard von Cornwall und Alfons X. von Kastilien, und zerfiel. Rheinische Städte bildeten später (ab 1379) neue örtliche Bünde zur gegenseitigen Hilfe, aber auch zur politischen Einflussnahme im Reich. Nach einer Niederlage durch den Pfalzgraf Ruprecht I. bei Worms 1388 mussten sie sich auf rein lokale Interessen beschränken. Städtebünde im Sinne des Selbstschutzes gibt es heute in der Zeit des staatlichen Gewaltmonopols durch Polizei, nationale Heere und in-

Bandschluppen verziert war. Der Gesandte machte damit so nachhaltig Herrenmode, dass der Ausdruck „Rhingrave“ für dieses Kleidungsstück noch heute bekannt ist. jr

ternationale militärische Bündnisse nicht mehr. Dennoch gibt es vor allem am Oberrhein und am Mittelrhein immer wieder ein Zusammenwir-

Rheinische Städtebünde

turellen Leitbildern, von Stadtentwicklung und Raumordnung. So tagt etwa alle zwei Jahre ein Dreiländer-Kongress am Oberrhein. Am Mittel-

Der bedeutendste der Städtebünde am Rhein hieß Rheinischer Landfriedensbund. Das war eine sehr

294 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

ken von Städten und Regionen zur Entwicklung und Abstimmung von wirtschaftlichen oder kul-

rhein kooperieren die Städte und Gemeinden vor dem gemeinsamen Hintergrund des Weltkulturerbes Oberer Mittelrhein. Aus Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg hat sich eine „Metro-

1976 befand sich das Archiv im Kölner Stadtmuseum. Um eine zentrale Dokumentationsstelle zur Kunst für die Kölner Museen und die Öffent-

polregion Rhein-Neckar“ genannte Förder- und Marketinginstitution gebildet.

lichkeit zu schaffen, wurde das RBA 1974 an die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln angeschlossen.

Eine weitgehende Initiative war „Der Oberrhein – eine ‚andere Metropole‘“. Unter dieser Be-

Die Dokumentationsarbeit wird seit über 80 Jahren geleistet. Das Archiv umfasst über

zeichnung präsentierte einer Arbeitsgruppe von Planern und Wissenschaftlern 1988 während der

750 000 Negative. Die Bilder sind öffentlich zugänglich, auch via Internet. uw

XVII. Triennale di Milano die Vision einer großen Stadtlandschaft mit kultureller, wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Zusammenarbeit, mit Aufga-

Rheinkilometer

benteilung, mit gemeinsamem Umweltschutz, integriertem Verkehrssystem und qualifiziertem jr Städtebau. Doch es blieb bei dieser Vision.

Rheinisches Bildarchiv Das Rheinische Bildarchiv, eine zentrale Einrichtung der Kölner Museen, ist die fotografische Dokumentation der Kunstwerke der Kölner Museen, weiterer Kunstwerke und Kulturdenkmäler. Auch Kölner Ausstellungen werden fotografisch dokumentiert. Das Archiv hat eigene Fotografen und Ateliers etc., betreut aber auch ältere Negativbestände aus Kölner Museen und Archiven sowie aus privaten Sammlungen. Das Archiv dokumentiert außerdem die Architekturgeschichte Kölns und des Rheinlandes. Dazu besitzt es eine umfangreiche Sammlung historischer Aufnahmen, zum Teil als Übernahmen aus anderen Bildarchiven. Das Rheinische Bildarchiv (RBA) wurde 1926 als Abteilung des Rheinischen Museums, spä-

Der Rhein ist von den Quellen in Graubünden bis zu den Mündungen im niederländischen RheinMaas-Delta rund 1235 km lang, gemäß den „Beiträgen zur Rheinkunde“ des Koblenzer Rheinmuseums 1237,6 km. Kilometriert ist der Strom nicht auf seinem gesamten Lauf, sondern vom Ausfluss aus dem Bodensee bis zu den Mündungen: Die Strecke von der Konstanzer Rheinbrücke, wo der Rhein den Bodensee verlässt, bis zur Mündung des Nieuwe Waterwegs in die Nordsee bei Hoek van Holland gilt der Rhein gemäß der heutigen Kilometrierung als 1032,8 km lang. Durchgehend schiffbar ist der Rhein auf 884 km, von Rheinfelden bis zur Mündung in die Nordsee.

ter „Haus der Rheinischen Heimat“ gegründet. Den Grundstock des Rheinischen Bildarchivs bildeten die rund 7000 Aufnahmen, die 1925 für und während der „Jahrtausend-Ausstellung der Rheinlande“ angefertigt wurden. Von 1955 bis 233 ó Rhein-km 1001 im Rotterdamer Hafen.

Rheinkilometer 295

triert sind. Man maß rechtwinklig zur Flussachse, was verlängerte Kilometer auf dem Prallhang und kürzere am Gleithang ergab. Die Messung erfolgte in Kilometern, eine Maßeinheit, die in Frankreich schon seit 1800 eingeführt war, die aber in Deutschland erst 1872 überall galt. Die Messung berücksichtigte diverse Durchstiche von Mäandern, insbesondere auch Tullas Verkürzung des Oberrheins um 72 km. Baden maß ab der schweizerisch-badischen Grenze in Basel, Bayern ab der elsässisch-bayeri-

234 ó Einer der verbliebenen Myriametersteine (einst alle 10 km). Die erste Rheinkilometrierung maß zunächst ab Basel, heute befindet sich der Nullpunkt in Konstanz.

Die ältesten Angaben über die Länge des Rheins finden sich beim römischen Geographen Claudius Ptolemäus (2. Jahrhundert n. Chr.); seine Angaben wurden zwischen 550 km und 1100 km interpretiert. Bis ins 19. Jahrhundert nahm niemand eine zusammenhängende Messung vor, sondern in den Rheinanliegerstaaten galten unterschiedliche Wegstunden-Maße. 1816 publizierte Johann Fr. Ockhardt in „Der Rhein nach der Länge seines Laufs“ eine Zusammenstellung dieser unterschiedlichen Wegstunden. Er rechnete um und kam auf 303 badische Stunden, was 1346 km ergibt. Eine badische Stunde war mit der königlich-französischen „lieue“ identisch: 4,444 km. 1817 vereinbarten die Anrainerstaaten auf Betreiben der Schifffahrt und der Zollverwaltungen, deren Tarife auf Transportstrecken beruhten, eine Vermessung des schiffbaren Rheins. Die auf dem Wiener Kongress (1815) beschlossene „Central-Commission für die Rheinschifffahrt“ wurde 1831 erstmals einberufen. Diese Kommission legte gemeinsame Regeln für die geplante Messung fest: Man maß rheinabwärts, während andere Flüsse von der Mündung aufwärts kilome-

296 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

schen Grenze, Hessen ab der Basler Rheinbrücke (heute „Mittlere Brücke“), Preußen maß ab der hessisch-preußischen Grenze etc. Die Messungen waren 1839 fertig, wobei jeder Staat auf seinem Territorium Kilometersteine setzte und ab seiner Landesgrenze neu ab Null nummerierte. 1863 / 67 setzte die Rheinzentralkommission dann eine durchgehende Kilometernummerierung durch. Das geschah ohne neue Messung, das heißt, man hängte die diversen Messungen aneinander. Die Kilometermarken geben die Distanzen bis Basel und bis Rotterdam sowie zur nächsten Staatsgrenze an, außerdem die Höhe über Meer nach Amsterdamer Pegel. Nebst den Kilometermarken wurden alle 10 km sogenannte Myriametersteine gesetzt, von denen nur noch wenige erhalten sind (vom griech. Zahlwort Myrioi = 10 000). 1939 wurde die heutige Rheinkilometrierung neu eingeführt, nun nicht mehr ab Basel, sondern ab der Konstanzer Rheinbrücke, weil die Schiffbarkeit des Hochrheins damals bevorzustehen schien. Trotz neuer Nummerierung wurden die Standorte der Markierungen beibehalten. Wegen der unterschiedlichen Nullpunkte von 1839 messen auch heute noch Rhein-km 436 an der ehemals badisch-hessischen Grenze (Petersauergrund bei Mannheim) und Rhein-km 530 an der damaligen hessisch-preußischen Grenze (bei Bingerbrück an der Nahemündung) je nur wenige Hundert Meter. Die Kilometrierung von 1939

ist deshalb ca 1,2 km länger als die tatsächliche Rheinstrecke. Alle schiffbaren Rheinarme sind erfasst, und unterhalb von Emmerich wird zur Kilometerzahl jeweils auch der Mündungsarm angegeben. Die schiffbaren Nebenflüsse Mosel, Main und Neckar sind ab ihrer Mündung in den Rhein flussaufwärts kilometriert, die Lahn hingegen flussabwärts (Lahn-km 130 an deren Mündung). Einige Beispiele, teils gerundet: 0 Konstanz 48 100 150 166,6

Rheinfall bei Schaffhausen Aaremündung Rheinfelden, Endpunkt der Großschifffahrtsstraße Basel, Mittlere Brücke

290 335

Straßburg unterstes Kraftwerk: Iffezheim 360 Karlsruhe 400 Speyer 415 / 430 Mannheim / Ludwigshafen 496,6 Mainmündung 500 Wiesbaden 530 Binger Loch 592 Moselmündung 650 Bonn 688,5 Kölner Dom 745 Düsseldorf 770 / 795 Duisburg 860 deutsch-niederländische Grenze 885 Nimwegen 994 / 1006 Rotterdam (Nieuwe Maas) 1022

Hoek van Holland (Nieuwe Waterweg)

235 ó Veröffentlichungen des Rheinkollegs erfolgen meist in der Folge von Tagungen. „Das Wasser bedenken“ dokumentiert den 3. Internationalen Rheinland-Pfalz-Preis des Rheinkollegs 2008. Dessen 59 Einsendungen zeigen viele kreative Lösungen zum vorsorgenden Hochwasser-schutz an Gebäuden und für Städte und Gemeinden (zubeziehen bei Rheinkolleg, Maximilianstr. 100, 67346 Speyer, info@ rheinkolleg.de).

kungen zu erkennen, sie öffentlich bekannt und bewusst zu machen, darüber kritisch zu diskutieren und nach Möglichkeit auch Perspektiven für Problemlösungen zu empfehlen – diese Auf-

uw

gaben hat sich das 1988 gegründete Rheinkolleg gestellt. Die Gründung war eine Initiative des Deut-

Rheinkolleg e. V.

schen Werkbunds von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Im Deutschen Werkbund

Die aktuellen Probleme in der Entwicklung der großen europäischen Flusslandschaft des Rheins und seiner Nebenflüsse nach Ursachen und Wir-

(gegründet 1907) sind Stadt- und Landschaftsplaner, Architekten, Künstler, Gestalter, Journalisten, Sozialwissenschaftler und andere als

Rheinkolleg e.V. 297

Mitglieder versammelt; ihr Ziel ist die ständige Verbesserung der Umweltqualität und -ästhetik unter den Bedingungen der modernen Industrialisierung, des weiträumigen Wachstums der Städte und Ortschaften, des massenhaften Tourismus und der allgegenwärtigen Mobilität. Entsprechend dominiert in den Projekten des Rheinkollegs der Geist interdisziplinärer, ökologisch-ganzheitlicher Betrachtungsweise komplexer Probleme wie Hochwasserschutz, Verlust der Auenlandschaften, Wasserqualität, Auswirkungen des Klimawandels, Energiegewinnung am Rhein, Lärmprobleme durch flussbegleitende Straßen und Schienenwege ebenso wie die Erhaltung und Entwicklung harmonischer, ortstypischer Landschafts- und Städtebilder, bis hin zu technisch geprägten Anlagen wie Polder und Deiche, Kraftwerke und Stauwehre, Brückenbauwerke und Binnenhäfen. Seine Arbeit und Empfehlungen vermittelt das Rheinkolleg in jährlichen Tagungen und deren Dokumentationen; eine Besonderheit ist die Ausschreibung des „Rheinland-Pfalz-Preises des Rheinkollegs“ mit Unterstützung des Landes Rheinland-Pfalz für vorbildliche Leistungen in der Architektur, in Städtebau und der Landschaftsgestaltung, beim Umgang mit der Hochwasserbedrohung wie auch der Kommunikation von Problemen des Rheins in der Öffentlichkeit. Das Rheinkolleg hat ca. 200 Mitglieder aus allen Rheinanliegerstaaten, persönliche Mitglieder wie auch Institutionen, Gemeinden oder Unternehmen. Es ist mit wissenschaftlichen Einrichtungen, Instituten wie Fachbereichen an Hochschulen kooperativ verbunden. Als Nichtstaatliche Organisation (NGO) hat es einen Beobachterstatus bei der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR). Die Arbeit ist ehrenamtlich. Das Rheinkolleg ist ein eingetragener Verein nach deutschem Recht. Sein Sitz ist seit seiner Gründung Speyer.

298 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

jr

Rheinland Mit Rheinland bezeichnet man Gebiete am Mittel- und Niederrhein. Der Begriff ist nicht genau definiert, und er ist auch nicht sehr alt, denn von einem Rheinland spricht man erst seit der napoleonischen Eroberung der linksrheinischen Gebiete. Sie kamen nach dem Wiener Kongress von 1815 wiederum an deutsche Staaten. Bayern nannte sein linksrheinisches Gebiet zunächst Rheinkreis, später Rheinpfalz. Preußen schuf 1824 die Bezeichnung Rheinprovinz; sie bezeichnete das linksrheinische Gebiet Preußens, rechtsrheinisch ergänzt durch das Gebiet des Großherzogtums Berg. Die preußische Rheinprovinz bestand aus den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Köln, Koblenz und Trier. Speziell für diese Provinz bürgerte sich der Name Rheinland ein, auch in einer latinisierten Form Rhenania. Der Begriff Rheinland erhielt eine neue Bedeutung, als nach dem Ersten Weltkrieg „das Rheinland“ von den Alliierten besetzt wurde. Wenn vom besetzten Rheinland gesprochen wurde, meinte man damit nicht nur das gesamte linksrheinische Deutschland von der elsässischen bis zur luxemburgischen und belgischen Grenze, sondern auch die mitbetroffenen rechtsrheinischen Brückenköpfe um Köln, Koblenz und Mainz. Heute versteht man unter Rheinland oft nur den linksrheinischen und in Rheinnähe gelegenen Teil des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, das heißt, im niederrheinischen Sprachgebrauch umfasst „das Rheinland“ bzw. der Landschaftsverband Rheinland nur den Bereich Nordrhein (12 655 km2) des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (34 084 km2), ungeachtet der Tatsache, dass das südliche Nachbar-Bundesland RheinlandPfalz heißt. Die größte Stadt des Rheinlands ist Köln mit 966 000 Einwohnern. Es folgen Essen (588 000), Düsseldorf (571 000) und Duisburg (506 000).

Für die Evangelische Kirche im Rheinland hat sich über alle geschichtlichen Umwälzun-

mit 185 m Länge und über 3300 t Tragfähigkeit geschleust werden können.

gen hinweg die Ausdehnung der Kirchenprovinz erhalten, die dem Gebiet der preußischen

Der Plan einer Verbindung zwischen Rhein

Rheinprovinz entspricht. Im Übrigen ist aber das Rheinland eher katholisch geprägt. uw /ms

bzw. Main und Donau geht auf das Jahr 793 zurück, als Karl der Große den Bau eines Kanals zwischen Schwäbischer Rezat und Altmühl in der

Rheinländer

Nähe des heutigen Orts Treuchtlingen anordnete, der Fossa Carolina oder des Karlsgrabens. Die Fos-

Rheinländer, Rheinländerin ist, wer im Rheinland wohnt oder aus dem Rheinland stammt. Rheinländer ist auch eine um 1840 Mode gewordene Bezeichnung für eine Polka-ähnliche oder schottisch anmutende Tanzmusik im 2/4-Takt sowie für den entsprechenden Tanz. Rheinländer heißt auch eine Bleisatz-Schrift von Elf-Punkt. Im Bleisatz werden Schriften in sogenannten Didot-Punkten gemessen. Die ElfPunkt-Schrift „Rheinländer“ ist 4,136 mm hoch. uw

Rhein-Main-Donau-Kanal Die durchgehende Großschifffahrtsstraße zwischen Rhein und Donau wurde 1992 eröffnet, nach jahrzehntelanger Entstehungszeit. Die Donau wurde seit 1922 mit Staustufen bis hinauf nach Kelheim für die Schifffahrt erschlossen. Der Main wurde ab 1926 oberhalb von Aschaffenburg bis Bamberg für die Schifffahrt ausgebaut, mit 27 Staustufen. 1960 begann der Bau des 161 km langen Kanals zwischen Bamberg und Kelheim an der Donau. 1972 eröffnete man die 72 km lange Strecke von Bamberg bis Nürnberg (entlang der Regnitz, dann der Zenn und der Rednitz, die beide mit je einer Kanalbrücke überquert werden). Die Strecke über die Wasserscheide, die bei Hilpoltstein auf 406 m ü. M. liegt, wurde 1992 fertig. Alle Schifffahrtsschleusen sind 12 m breit, ihre Nutzlänge beträgt 190 m, sodass zwei Gütermotorschiffe von 90 m Länge und 1500 t Tragfähigkeit oder ein zweigliedriger Schubverband

sa ging nie in Betrieb. Zwischen 1836 und 1846 wurde der Ludwigskanal zwischen Bamberg und Kelheim errichtet. Er war überaus schleusenreich, und nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde er 1950 aufgegeben. uw

Rhein-Main-Flughafen Der Rhein-Main-Flughafen ist der bei Weitem größte Flughafen in Deutschland und der zweitoder drittgrößte Europas (je nach Zählweise). Er nahm nach 1945 seinen Aufschwung mit Hilfe der amerikanischen Streitkräfte. Obwohl die neu gegründete Deutsche Lufthansa ihren Sitz in Köln hatte, obwohl die Unterhaltsbasis der Lufthansa in Hamburg angesiedelt wurde, obwohl die deutsche Hauptstadt in Bonn war und obwohl die größte Industrieballung sowie die größte Bewohnerdichte der Bundesrepublik im Ruhrgebiet lagen, hat sich der größte deutsche Flughafen bei Frankfurt entwickelt. In Griesheim bei Darmstadt wurde 1907 der erste Flughafen Deutschlands als „Rhein-MainFlughafen“ errichtet. Als bei Frankfurt der neue Flughafen Rhein-Main genannt wurde, änderte man den Namen in Darmstadt auf August-EulerFlughafen ab. Die offizielle Eröffnung des neuen Flug- und Luftschiffhafens Rhein-Main bei Frankfurt fand am 8. Juli 1936 statt. Als erstes Flugzeug landete eine Ju 52; am 14. Juli landete mit LZ 127 Graf Zeppelin erstmals ein Luftschiff. Am 25. März 1945 wurde der Flughafen von US-amerikanischen Truppen erobert. Unter Mit-

Rhein-Main-Flughafen 299

236 ó Höhenunterschiede am Rhein-Marne-Kanal müssen mit Hilfe eines Schiffshebewerks überwunden werden.

arbeit deutscher Kriegsgefangener wurde sodann eine provisorische Start- und Landebahn von 1800 m Länge und 45 m Breite gebaut. Das erste nichtmilitärische Flugzeug der American Overseas Airlines landete am 18. Mai 1946. Am 10. Mai 1952 wurden auf dem Flughafen erstmals ein Instrumentenlandesystem (ILS) sowie ein Drehfunkfeuer (VOR) installiert. Nach der Gründung der Bundesanstalt für Flugsicherung am 23. März 1953 nahm am 1. Juli erstmals eine deutsche Flugsicherungsleitstelle ihren Dienst auf. Am 1. März 1955 landete erstmals wieder eine Maschine der Deutschen Lufthansa auf dem Flughafen. Seither haben die Expansion des Luftverkehrs und die Neu- und Ausbauten nicht aufgehört. In den 1980er-Jahren wurde zu den beiden in ostwestlicher Richtung verlaufenden Pisten die nordsüdlich verlaufende sogenannte Startbahn West nach heftigen Protesten gebaut. 2005 wurde die Rhein Main Airbase der USStreitkräfte, die sich seit 1945 mit dem zivilen Flughafen das Gelände und den Betrieb teilte, aufgehoben.

Rhein-Marne-Kanal Der Rhein-Marne-Kanal (frz. Canal de la Marne au Rhin) ist eine 1858 eröffnete Schifffahrtsstraße, die die Marne, also den Pariser Raum, mit dem Rhein verbindet. Die Schifffahrtsstraße ist 314 km lang und umfasst heute 156 Schleusen sowie seit 1967 ein Schiffshebewerk, das weitere 17 Schleusen ersetzt hat. Die Verbindung beginnt (oder endet) in Vitryle-François, wo sie sowohl an den Canal latéral à la Marne (Marneseitenkanal) als auch an den Canal de la Marne à la Saône (Marne-Saône-Kanal) anschließt, und endet (oder beginnt) in Straßburg. Die 1858 geschaffene Bezeichnung Rhein-Marne wird auf der ganzen Länge der Schifffahrtsstraße verwendet. Seitdem die Mosel aber zur modernen Großschifffahrtsstraße ausgebaut ist, könnte man heute auch von einem östlichen Teil des Kanals (zwischen Straßburg und Nancy) und einem westlichen Teil (zwischen Nancy und der Marne) sprechen. Beide Abschnitte des Rhein-Marne-Kanals haben Freycinet-Abmessungen und dienen heute vor allem der Freizeitschifffahrt.

uw

2009 wurde mit dem Bau einer weiteren Landebahn begonnen. Bis 2011 wird der Rhein-

Rhein-Neckar-Region

Main-Airport um die Landebahn Nordwest und um einen dritten Terminal erweitert. uw

Die Rhein-Neckar-Region an der Nahtstelle von Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Hessen

300 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

ist keine gewachsene Region, sondern ein modernes Konstrukt der Regionalentwicklung. Seit

in die großen Häuser wie in die Reiss-EngelhornMuseen (Kunst und Geschichte) und in das Lan-

Jahrhunderten gab es immer wieder neue Verteilungen des Gebiets zwischen Kurpfalz, Bayern,

desmuseum für Technik und Arbeit (Industrialisierung) in Mannheim, in das Kurpfälzische

Baden, Hessen und auch dem Mainzer Erzbistum.

Museum der Stadt Heidelberg (Archäologie, Geschichte und Kunst) und in das Historische Museum der Pfalz in Speyer (Kulturgeschichte bis

Die Region Rhein-Neckar oder Metropolregion Rhein-Neckar (bisher auch das Rhein-Neckar-Dreieck, jedoch mit anderer Abgrenzung) ist ein Verdichtungsraum und zugleich eine Planungsregion rund um das Dreiländereck BadenWürttemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Der mit 2,4 Millionen Einwohnern siebtgrößte Wirtschaftsraum Deutschlands zählt seit 28. April 2005 zu den europäischen Metropolregionen. Ein eigenständiges Museum zur geschichtlichen Entwicklung des Rhein-Neckar-Dreiecks gibt es nicht, obwohl sich das Gebiet zwischen Pfälzer Wald und Odenwald und von Speyer bis Bensheim erstreckt. Sucht man unter den rund 130 großen und vor allem kleinen Museen dennoch Sammlungen und Präsentationen mit direktem Bezug zum Rhein und Neckar, wird man auf Entdeckungsfahrt gehen müssen – zunächst

in die Gegenwart und Domschatzkammer). Aber auch in den unzähligen kleineren Museen findet man direkt oder indirekt Besonderes und Spezielles zur Rhein-Neckar-Region, so z. B. das Museumsschiff am Neckarufer in Mannheim, den Museumspavillon Frankenthaler Kanal in Frankenthal, die Grenzsteinsammlung Bürstadt, das Haus der Badisch-Pfälzischen Fastnacht in Speyer oder das Museum der Stadt Worms (Steinzeit, Römer, Mittelalter, Geschichte der Nibelungen). jr

Rheinorange „Rheinorange“ ist der Name einer Plastik, die seit 1992 in Duisburg-Neuenkamp die Mündung der Ruhr in den Rhein markiert. Das Werk des Kölner Bildhauers Lutz Fritsch ist ein 25 m hoher,

237 ó An der Mündung der Ruhr steht die minimalistische und doch in der Größe so beeindruckende Stahlskulptur „Rheinorange“ als Landmarke. In ihr verbinden sich symbolisch wichtige Aspekte des Standorts Duisburg: Stahlindustrie, Technologieunternehmen und das berühmte Lehmbruck-Museum – eine Symbiose von Wirtschaft und Kultur.

Rheinorange 301

7 m breiter und 1 m dicker orangeroter Stahlquader. Die Plastik „Rheinorange“ wurde von Mit-

Niedrigwasser-Problem bewirkt hatte. Er ersparte der Schifffahrt auch die Felsenschwelle von

gliedsfirmen der IHK Niederrhein gestiftet. Sie ist Bestandteil der „Route der Industriekultur

Istein. Seine Bedeutung sank mit dem Bau des

im Ruhrgebiet“, einer touristischen Themenstraße, die zu Dutzenden von Industriedenkmälern führt. Der Name Rheinorange ist ein Wortspiel: Ihre Farbe ist das sogenannte „Reinorange“ Nummer 2004, gemäß der Terminologie der sogenannten

modernen „Grand Canal d’Alsace“, des Rheinseitenkanals. Heute ist der alte rheinparallele Kanal stillgelegt, ebenso der Kanal zwischen Île Napoléon und Hüningen; in Hüningen wurde im letzten Kanalabschnitt eine Wildwasser-Ruderstrecke eingerichtet.

RAL-Farben. (Die RAL-Normierung besteht seit 1927; das Wort bedeutet „Reichsausschuss für Lie-

Hingegen besteht nach wie vor die Bergstrecke des Rhein-Rhone-Kanals. Sie beginnt an der Île Napoléon, führt durch die Stadt Mülhausen,

ferbedingungen“. Der RAL-Farbencode wird heute auch außerhalb Deutschlands verwendet.) uw

ersteigt über 40 Schleusen in der Burgundischen Pforte bei Montreux-Vieux (dt. Alt-Münsterol,

Rhein-Rhone-Kanal Der Rhein-Rhone-Kanal (frz. Canal du Rhône au Rhin) ist die 1833 eröffnete Schifffahrtsstraße zwischen dem Elsass und dem Rhoneeinzugsgebiet. Er führt von Mülhausen (frz. Mulhouse) 85 km südwestwärts durch den Sundgau nach L’Isle-sur-leDoubs, verläuft über 124 km im Fluss Doubs (mit einem Tunnel unter der Zitadelle von Besançon), quert die Saône-Ebene nordwestwärts und erreicht bei St.-Symphorien die schiffbare Saône. Der 1784 in Angriff genommene Kanal maß entsprechend dem damaligem Projekt insgesamt 320 km (mit 164 Schleusen). Er schloß in Straßburg an die schiffbare Ill an, erstreckte sich parallel zum Rhein bis zu einer Abzweigung von drei Kanälen in der Nähe von Mülhausen. Die Abzweigung sollte als Insel mit einer Statue Napoleons gestaltet werden, und der Ort der Verzweigung heißt deshalb „Île Napoléon“, obwohl die

elsäss. Alt-Menschtral) auf 340 m ü. M. ihren höchsten Punkt und erreicht nach weiteren 70 Schleusen den Doubs und damit die Saône. 1961 wurde von der Île Napoléon bis zur Gemeinde Niffer am Rheinseitenkanal (also an der Großschifffahrtsstraße) ein neuer, größerer Kanal angelegt, wozu Le Corbusier beitrug. 1992 wurde diese kurze Kanalstrecke auf Europaschiff-Maß erweitert (bis 1350 t). Eine Erweiterung auf Europaschiff-Maß war jahrzehntelang auch für die Bergstrecke zwischen Île Napoléon und der Saône vorgesehen. Diese Pläne riefen viel Kritik hervor, unter anderem wegen der sensiblen Landschaft am schlingenreichen Doubs. 1997 wurde das Vorhaben durch die Regierung unter Lionel Jospin begraben, vor allem auf Druck der Umweltministerin Dominique Voynet, die aus dieser Gegend stammt. Die Kanalabschnitte mit Freycinet-Dimensionen dienen heute meist der Freizeitschifffahrt. In seiner heutigen Form misst der Rhein-Rhone-

Insel nie angelegt wurde. Die Verzweigung sollte nordwärts nach Straßburg, westwärts nach Mülhausen und südostwärts Richtung Basel führen.

Kanal zwischen Niffer am Rheinseitenkanal und St.-Symphorien 273 km. uw

Der rheinparallele Kanal zwischen Straßburg und Île Napoléon diente der Oberrhein-Schiff-

Rhein-Ruhr-Express

fahrt als willkommene Alternative, nachdem die Tulla’sche Begradigung im Rhein ein alljährliches

302 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Rhein-Ruhr-Express ist ein zukunftsweisendes Planungsprojekt für ein System beschleunigter Regionalzüge (bis zu 160 km / h) in der größten

Stadtagglomeration am Rhein, dem Ruhrgebiet. 2006 grundsätzlich in einer Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Bahn beschlossen, ist der Realisierungszeitraum noch offen. Heute geht man eher von einer Inbetriebnahme im Jahr 2023 als wie ursprünglich angenommen von 2015 aus. Der Rhein-Ruhr-Express soll bei bequemer Ausstattung der Wagen (Premiumangebot) im 15-Minuten-Takt die Großstädte Dortmund, Duisburg, Düsseldorf und Köln in einer Art Kreisverkehr verbinden. Vor allem der Fahrgastverband Pro Bahn NRW und der Verkehrsclub Deutschland Landesverband NRW fordern die Planung vieler Haltestationen zur Berücksichtigung der Fahrgastwünsche in der Fläche und die Verlängerung der Strecken über Dortmund und Köln hinaus in die Region. Endpunkte der Linien könnten dann Münster, Minden, Aachen sowie der Flughafen Köln / Bonn sein. Für die Einrichtung des Rhein-Ruhr-Express, der in Zukunft die Regionen Rheinland und Ruhrgebiet optimal verbinden wird, sollen keine neuen, sondern vorhandene Strecken ausgebaut und erweitert werden. jr

Rheinsalinen Eine Saline (nl. saline, zoutziederij, frz. saline, marais salants) ist eine Anlage zur Gewinnung von Kochsalz aus wässrigen Salzlösungen durch Verdunstung. Rheinsalinen heißen die Anlagen am Hochrhein östlich von Basel, die aus salzhaltigen geologischen Schichten unter dem Rheinbett Salz fördern. Sie sind heute im Besitz der Vereinigten Schweizerischen Rheinsalinen AG. Deren Aktionäre sind 25 der 26 Schweizer Kan-

Salinen gab es auch anderswo am Rhein und seinen Nebenflüssen. Die Kochsalz-Gewinnung wurde überall eingestellt; lediglich für den Bedarf von Solbädern wird weiterhin Sole gewonnen. Im heutigen Bad Nauheim soll schon zu keltischer Zeit (späte Eisenzeit) eine Saline bestanden haben; andere existierten seit römischer, fränkischer und spätmittelalterlicher Zeit, wie etwa in Bad Dürkheim in der Pfalz, in Bad Kreuznach an der Nahe, in Bad Rappenau am Neckar und in Bad Ems an der Lahn. uw

Rheinschlucht Als Rheinschlucht oder Ruinaulta (rätorom.) wird ein Abschnitt des Vorderrheintals (Schweiz, Graubünden) bezeichnet. Von Ilanz talwärts erreicht der westöstlich verlaufende Fluss eine Engstelle des Tals, wo die Ufer neben bewaldeten Steilhängen auch Felswände und -klippen aufweisen, bis zu einer Höhe von 600 m (Bild S. 12). Die Schlucht ist das Resultat des sogenannten Flimser Bergsturzes. Kurz nach der Schlucht vereinigt sich der Vorderrhein mit dem von Süden (von rechts) zuströmenden Hinterrhein. Das Vorderrheintal erhielt in der Würm-Eiszeit durch den Vorderrheingletscher, der seine größte Mächtigkeit vor rund 30 000 Jahren erreichte, seine Trogform. Der Gletscher bewirkte mehrere Hundert Meter tiefen Permafrost. Mit dem Abklingen der Eiszeit taute der Permafrost auf. Das führte damals – also vor vielleicht 20 000 Jahren – zu Bergstürzen, die Taminser Bergstürze und der Flimser Bergsturz, stets von der linken, nördlichen Talseite. Der Flimser Bergsturz gilt als der größte der Alpen und als der zweitgrößte der Welt: 12 bis

tone (die Ausnahme ist der Kanton Waadt, der in

15 km3 Gestein glitten und stürzten auf den zuvor rund 1500 m breiten Talboden und füllten

Bex über ein Salzbergwerk verfügt), das Fürstentum Liechtenstein sowie – seit 2004 – die Südsalz GmbH Heilbronn.

das Tal etwa 500 m hoch auf. Dahinter bildete sich der (prähistorische) Ilanzer See, dessen Spiegel sich während etwa eines Jahrtausends

Rheinschlucht 303

auf 840 m ü. M. befunden haben muss, und der offenbar einen unterirdischen Abfluss durch das

steine. Der Name rührt von Wacke her, einer Bezeichnung für verwitterte Steine, namentlich

Bergsturzmaterial hatte. Dieser Abfluss erweiterte sich über einen Zeitraum, der auf mehre-

für Basalt. Die Geologie kennt hierfür auch den Ausdruck Grauwacken. Wackersteine werden in

re Tausend Jahre geschätzt wird, zur heutigen, 15 km langen Schlucht. Deren Eintiefung hält wohl noch immer an.

Grimms Märchen in den bösen Wolf eingenäht, sodass er, als er das nächste mal Wasser trinken

Durch die Rheinschlucht führt keine durchgehende Straße, aber die Trasse der Rhätischen Bahn. Der Fluss wird von Wildwasserfahrern geschätzt, und das enge, pittoreske Tal („the Swiss Grand Canyon“) wird auch von Wanderern aufgesucht.

uw

Rheinsteig Zu den deutschen Fernwanderwegen gehört der 320 km lange „Rheinsteig“ von Wiesbaden nach Bonn. Der sportlich anspruchsvolle Wanderweg führt oft durch Waldlandschaft. An vielen Stellen hat man den Rheinsteig – in der Folge des neu erworbenen Status UNESCO-Weltkulturerbe – auch als Höhenweg mit wunderbaren Ausblicken über das Rheintal angelegt. jr

Rheinwacken Große Kieselsteine, die sich im Geröll der Flüsse finden, bezeichnet man zuweilen als Wacker-

will, durch sein Übergewicht in den Brunnen fällt. Am alemannischen Rhein spricht man von Rheinwacken. Große Kieselsteine, die als Baumaterial, vor allem für städtische Straßenbeläge, verwendet werden, hat man einst aus dem Rheinbett gefördert. In Waldshut am Hochrhein, in Basel, in Freiburg und anderswo spricht man von Rheinwackenpflaster: Der Stein wird in zwei Hälften geschlagen und mit der glatten Schnittfläche noch oben in den vorbereiteten, sandigen Grund verlegt. In Freiburg wird eine Sonderform besonders gepflegt, das Rheinkieselpflaster: Hier werden Kieselsteine, die nur wenige Zentimeter groß sind, halbiert und mit der Schnittfläche nach oben verlegt. Der Kies wird im nahen Rheinvorland gefördert. Während gebrochener Stein – aus dem Steinbruch – in der Regel farblich homogen ist, weisen die Wacker- und Kieselsteine eine Vielzahl von Farbtönungen auf, denn sie sind aus den diversen Gebirgen in die Nebenflüsse und in den Rhein gelangt – sind also unterschiedlicher Herkunft. uw

Rotterdam – Erasmus-Brücke Mit einer beispiellosen Einladung wurde im September 1996 die unterste Brücke am kilometrierten Rhein dem Verkehr übergeben – wobei hier die Wasserstraße nicht Rhein genannt wird, sondern Nieuwe Maas oder Nieuwe Waterweg: Delegierte

238 ó Erasmus-Brücke – ein besserer Name für dieses Portal zum Rotterdamer Hafen ist kaum denkbar. Der große europäische Humanist und Philosoph Erasmus von Rotterdam (1469 – 1536) wirkte am Beginn der Neuzeit für die Freiheit des Geistes.

304 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

aus allen größeren Städten am Rhein waren zum Fest geladen, als die Königin der Niederlande die Erasmus-Brücke (nl. Erasmusbrug) einweihte. Sie befindet sich bei Rhein-km 1000,9, also mitten in der Stadt Rotterdam, deren urbanes Zentrum sie südwestwärts zum Kop van Zuid erweitert. Sie ist das Werk der Amsterdamer Architekten Van Berkel & Bos (Ben van Berkel und Caroline Bos). Der auffälligste Teil der Brücke ist eine Schrägseilbrücke von 280 m lichter Weite, die an einem 139 m hohen, weißen, angewinkelten Stahlpylon hängt. Der Pylon hat der Brücke den Spitznamen „de zwaan“ (der Schwan) eingetragen. Die Brückenauffahrt im Süden ist aufklappbar und ermöglicht höheren Schiffen die Durchfahrt. Diese 50 m lange Zugbrücke gilt als die größte und schwerste Klappbrücke Westeuropas. 1998 erhielt die Brücke den „Nationalen Stahlbaupreis“. uw

Rotterdam – Hafen Der Rotterdamer Hafen, im Mündungsdelta des Rheins in die Nordsee, gelegen, ist einer der größten Häfen der Welt und der größte in Europa. Für den Überseeverkehr, das sind heute überwiegend Containerschiffe, ist er ohne zeitraubende Ein- und Ausfahrten dem Hamburger Hafen und dessen langer vorgelagerter Elbpassage überlegen. Die Zukunftsinvestitionen in den Hafenausbau fließen vor allem in neue Hafenanlagen von Maasvlakte 1 und 2 in der Küstenzone um Hoek van Holland, rund 40 km vor dem traditionellen Stadthafen. Die globale Vielfalt von Transport- und Han-

Ein besonderer Schwerpunkt sind auch Obst, Gemüse und Fruchtsäfte. Der weitläufige, mit dem Stadtgebiet noch verbundene Hafen versteht sich heute vor al-

delsgütern kommt in diesem Hafenuniversum vor und findet hier auch ihre besonderen Spezialhäfen. Der Rotterdamer Hafen ist mit sei-

lem als „maritimes Zentrum“ mit einer Unzahl von hafenbezogenen Betrieben aus Industrie und Gewerbe, vor allem Dienstleistern, Schiffszulie-

nen Lager- und Vertriebsmöglichkeiten auch der größte europäische Handelsstandort für Erdöl.

ferern, Bunkerbetriebe bis hin zu den nach wie vor unentbehrlichen Schleppern, Lotsen, Eich-

Hier entstehen also auch die Preise, die der Verbraucher z. B. an seiner Tankstelle ertragen muss.

meistern und anderen Hafenberufen. Die 1996 gebaute markante „Erasmusbrug“, eine elegante

239 ó Alt und Neu wachsen am begehrten Standort des alten Rotterdamer Hafens zusammen. Modernste Bürogebäude nehmen das alte Emigrantenhotel (Holland Amerika Lijn) in die Zange, heute Hotel New York.

Rotterdam – Hafen 305

Schrägseil-Hängebrücke über die Hauptfahrrinne des Hafens, ist heute Wahrzeichen für Hafen

den Transport von Saarkohle in den Frankfurter Raum. Dieses sogenannte Trajekt Bingen-Rüdes-

und Stadt gleichzeitig, während das vorgelagerte riesige Gebiet von Maasvlakte mit seinen rund

heim blieb bis 1890 für Güterwagen in Betrieb, für Personen bis 1932. Auf Betreiben des deutschen Militärs wurden

20 000 ha. fast anonym bleibt und praktisch nur für den professionellen Verkehr zugänglich ist. Auf Hafenrundfahrten in diesem Gebiet wenden sich die Teilnehmer oft interessanteren Dingen zu wie der Bestellung von Kaffee und Kuchen. 320 000 Menschen arbeiten im oder für den Rotterdamer Hafen, 60 000 davon direkt im Hafengebiet. Sie erwirtschaften 7 % des Bruttoinlandsprodukts der Niederlande. Der Rhein durchfließt den Rotterdamer Hafen mit dem Namen Nieuwe Maas. Die Hafentiefe der Fahrrinne beträgt hier bis zu 24 m, ausreichend auch für die größten Schiffe der Welt. Neben der guten Zugänglichkeit ist der zweite, praktisch unschlagbare Vorteil für den Hafenstandort Rotterdam der Anschluss an das gesamte europäische Hinterland durch den Rhein und mit ihm an ein weitläufiges Netz von Nebenflüssen und Kanälen. Damit bildet Rotterdam die Schnittfläche zwischen Binnen- und Seehafen schlechthin. Hier findet der Umschlag der Transportgüter von den Hochseeschiffen auf die Binnenschiffe statt, und umgekehrt. Konkurrenz entsteht der Binnenschifffahrt durch die Vielzahl der Speditions- und Logistikbetriebe, die auch Straße und Schiene nutzen. 2007 ist eine neue direkte Schienenverbindung zwischen Rotterdam und dem Ruhrgebiet entstanden. Auch der Rohrleitungsverkehr konkurriert mit der Binnenschifffahrt: Zwischen Rotterdam und Ludwigshafen wurde eine Pipeline gebaut.

im Rahmen des sogenannten Schlieffenplans drei Rheinbrücken speziell für militärische Transportbedürfnisse gebaut, in Rüdesheim, in Urmitz bei Koblenz und in Remagen. In Rüdesheim entstand an der Stelle des Trajekts von 1913 bis 1915 die Hindenburgbrücke, eine doppelspurige Eisenbahnbrücke. Die Brücke überquerte den hier 900 m breiten Rhein auf einer Gesamtlänge von 1175 m; sie bestand im Vorland aus Gewölbereihen sowie im Strombereich aus einer 741 m langen Stahlfachwerkbrücke aus zwei Bogen und fünf Parallel-Fachwerkträgern. Die Bogen wiesen mit je 169,4 m eine ungewöhnlich große Spannweite auf. Die Fachwerkträger hatten Spannweiten von einmal 94,2 m und viermal 77 m. Auf dieser riesigen Brücke war der Bahnverkehr gering. Die Reichsbahn legte deshalb eine (mautpflichtige) Fahrbahn zwischen die Gleise, die nur für die seltenen Passagen von Zügen gesperrt werden musste. Die Rüdesheimer Brücke wurde 1945 von der deutschen Wehrmacht gesprengt. Sie wurde nicht mehr aufgebaut. uw

Ruhr Die Ruhr ist ein rechter Nebenfluss des Niederrheins in Nordrhein-Westfalen. Sie ist mit einem mittleren Abfluss von 79 m³ / s nahe der Mündung der sechstgrößte Nebenfluss, nach Aare,

jr

Mosel, Main, Neckar und Lahn (siebter unter Einrechnung der Maas). Die Ruhr entspringt im Sauerland am Nordab-

Zwischen der linksrheinischen und der rechts-

hang des Rothaargebirges (696 m ü. M.), und sie mündet nach einem ostwestlichen Lauf von

Rüdesheim – Hindenburgbrücke rheinischen Bahngesellschaft wurde bei Rüdesheim 1862 eine Eisenbahnfähre für Güterwagen in Betrieb genommen, unter anderem für

306 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

219 km in Duisburg auf 20,2 m ü. M., bei Rheinkm 780. Ihr Einzugsgebiet umfasst 4485 km2.

Die Ruhr hat dem Ruhrgebiet den Namen gegeben: Beidseits der Ruhr nahm im ausgehenden

Gebiet von rund 10 000 km2 mit rund zehn Millionen Einwohnern umfasst. Der Wirtschaftsraum

18. Jahrhundert der Abbau der dicht unter der Oberfläche liegenden Kohle seinen Anfang.

Rhein-Ruhr erstreckt sich weit über das Tal der Ruhr hinaus, südlich zur Wupper, westlich über

Seit Beginn des Bergbaus und der Schwerindustrie wurde die Ruhr als Reinwasserreserve angezapft, für das Trinkwasser der rasch zahlrei-

den Rhein hinweg und nördlich bis zur Lippe. Geologisch wird das Ruhrgebiet über das Vorkommen von kohleführenden Schichten defi-

cher werdenden Bevölkerung und vor allem für das industrielle Brauchwasser. Das reduzierte im

niert, mehr oder weniger unabhängig von deren Tiefenlage. Die Kohlenflöze streifen entlang der

späten 19. Jahrhundert die Wasserführung der Ruhr, bis zum sommerlichen Trockenfall. Deshalb wurden ab 1894 erste Staubecken an Ruhrzuflüs-

Ruhr die Oberfläche, senken sich nach Norden ab und liegen bei der Lippe in einer Tiefe von 600 bis 800 m. Der Kohleabbau ist seit den Anfän-

sen gebaut. Dazu entstand 1898 ein umfassender Ruhr-Generalplan. 1899 wurde der Ruhrtalsperrenverein (RTV) gegründet; der RTV finanzierte fortan die Talsperren. Der größte Stausee des Ruhr-Systems entstand hinter der von 1908 bis

gen, als man nahe der Oberfläche Kohle förderte, nordwärts gewandert. Zu einem als Einheit verstandenen Raum wurde das Ruhrgebiet vor allem durch den 1920 gegründeten Siedlungsverband „Ruhrkohlenbe-

1913 erbauten Möhnetalsperre. Die Ruhr wird nach wie vor als Wasserreservoir und Energielieferantin intensiv genutzt. Das Tal der Ruhr ist heute – auch dank den diversen Stauseen – ein wichtiges Erholungsgebiet für die dichtbevölkerte Region Rhein-Ruhr. Die Ruhr wurde im 19. Jahrhundert intensiv befahren; heute findet die Güterschifffahrt nur noch auf den untersten 12 km zwischen der Mündung und Mülheim / Ruhr statt. uw

zirk“, der dem heutigen „Regionalverband Ruhr RVR“ entspricht. Er umfasst reihenweise Großstädte, nämlich Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr, Oberhausen, außerdem die Kreise Recklinghausen, Unna, Wesel und Ennepe-Ruhr. Das heißt, das Ruhrgebiet ist ein polyzentrischer Ballungsraum, und die Bevölkerungsdichte von 2100 Personen je km² ist verglichen mit Großstädten, die aus nur einem Kern entstanden sind, eher gering.

Ruhrgebiet

Seit etwa 1960 hat sich im Ruhrgebiet die sogenannte Kohlenkrise abgespielt, das heißt, der Kohleabbau verlor an Konkurrenzfähigkeit. Das Ruhrgebiet macht deshalb seit 50 Jahren einen wirtschaftlichen Strukturwandel durch, der noch

Als Ruhrgebiet bezeichnet man das Ballungsgebiet, das dank Bergbau und Schwerindustrie im 19. Jahrhundert am Niederrhein und entlang der Ruhr entstanden ist. Der Ballungsraum Ruhrgebiet ist der größte in Deutschland, einer der größten in Europa und Bestandteil der sogenannten Blauen Banane. Der Ausdruck Ruhrgebiet bezeichnet keinen Verwaltungsbezirk, aber man kann das Ruhrgebiet auf etwa 4450 km² Fläche und rund 5,3 Millionen Einwohner beziffern, im Unterschied zur sogenannten „Metropolregion Rhein-Ruhr“, die ein

anhält – bei relativ hoher Arbeitslosigkeit. Der Wandel ist mit Umnutzungen gleichbedeutend: Aus Fabriken wurden Einkaufszentren, aus Industriearealen wurden Grünflächen etc. Mit dem Wandel sind nicht nur zahlreiche höhere Bildungsanstalten entstanden, sondern unter anderem auch eine bedeutende Zahl an kulturellen Einrichtungen, was unter anderem die „Kulturhauptstadt

Ruhrgebiet 307

Ruhr 2010“ möglich gemacht hat. Ein Schwerpunkt wurde Essen mit der spektakulären Umnut-

in Deutschland (Bayern, Baden-Württemberg) und teils in der Schweiz (St. Gallen, Thurgau)

zung der Zeche Zollverein in ein Kulturzentrum. Die „Route der Industriekultur“ dokumentiert die 150-jährige industrielle Vergangenheit

liegt. Am Alpenrhein oberhalb des Bodensees gibt es zwar Stauwehre, aber der Bodensee ist nicht staureguliert.

des Ballungsraums Ruhrgebiet. Die Route besteht teils aus einzelnen Industriebauten, teils

Der Walensee und der Zürichsee (Kantone St. Gallen, Glarus, Schwyz, Zürich) entwässern in

aus sogenannten Ankerpunkten, von denen aus 25 weitere Routen, sogenannte Themenrouten, durch das Ruhrgebiet führen. uw /jr

die Limmat, die ihrerseits in die Aare mündet. Der Vierwaldstättersee (Uri, Schwyz, Nidwalden, Luzern) wird von der Reuss (größter Nebenfluss

Schwall und Sunk

der Aare) durchflossen. Die Aare durchfließt den Brienzersee und den Thunersee (oberhalb und unterhalb Interlaken), ebenso den Bielersee am

Schwall und Sunk sind Begleiterscheinungen der Wasserkraftwerke. Manche Wasserkraftwerke, vor allem in gebirgigen Regionen, produzieren nur Spitzenenergie, das heißt, sie produzieren nur dann Strom, wenn er zu hohen Preisen für Verbrauchsspitzen verkauft werden kann. Zu diesen Spitzenverbrauchszeiten fällt unterhalb der Turbine sehr viel Wasser an. Das führt zu großen Wasserstandsänderungen innerhalb kürzester Zeit – zu Schwall, wenn das Wasser rasch zunimmt, zu Sunk, wenn es rasch abnimmt. Im Alpenrhein machen diese Wasserstandschwankungen bis zu 1,5 m aus. Bei Schwall werden Lebewesen, die nicht sehr starke Schwimmer sind, weggespült (Jungfische, Insektenlarven usw.). Dies passiert im Gegensatz zu natürlichen Hochwassern täglich und macht es vielen Arten unmöglich, ihre Population zu erhalten. Bei Sunk fallen durch das schnelle Absinken des Wassers Jung- und Kleintiere, die sich in den Flachwasserbereichen aufhalten, trocken, wenn sie dem rasch zurückweichenden Wasser nicht folgen können; sie verenden.

Jurafuß (Kanton Bern). An allen Seen mit Ausnahme des Bodensees ist der Abfluss durch Wehre regulierbar. Am Abfluss des Thunersees in Thun befindet sich das 1714 eingerichtete, älteste Regulierwehr der Schweizer Seen. Dank den Wehren könnte man die Schweizer Seen als Rückhaltebecken bewirtschaften, wenn am Rhein Hochwasser droht. Diese Möglichkeit wurde bisher nicht ausgeschöpft. uw

Schweizerhalle Sandoz AG Im Industrieort Schweizerhalle bei Basel kam es am 1. November 1986 zu einem katastrophalen Brand direkt am Rhein in einer Lagerhalle des damaligen Chemie-Unternehmens Sandoz AG. Das Löschwasser der Feuerwehr spülte große Mengen giftiger Insektizide, Herbizide, Fungizide und auch Quecksilberverbindungen in den Fluss. Es war die größte Umweltkatastrophe, die es am Rhein gab, ausgerechnet am obersten Teil

uw

des Oberrheins, sodass die gesamte Rheinlänge unterhalb bis in die Niederlande betroffen war. Die Schäden für Flora und Fauna des Rheins, für

Eine ganze Reihe von Seen in der Schweiz gehö-

die Uferpartien und für die Wasserqualität waren unermesslich. Der Fischbestand war bis an den

Schweizer Seen ren zum Gewässersystem des Rheins. Vom Rhein selbst durchflossen wird der Bodensee, der teils in Österreich (Vorarlberg), teils

308 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Mittelrhein zerstört und bis nach Rotterdam geschädigt. Das aus Uferfiltraten gewonnene Trink-

wasser musste für 18 Tage gesperrt werden. Es dauerte rund ein Jahrzehnt, bis die Schäden ei-

Gefahren vertrauen, noch reicht offenbar die Fähigkeit aus, bei tatsächlichen Katastrophen an-

nigermaßen behoben werden konnten bzw. bis sich die natürlichen Grundlagen des Rheins re-

gemessen zu reagieren. Gleichzeitig wurde aber auch die Erfahrung gemacht, dass selbst Kata-

generiert hatten. Den Schaden schätzte man auf ca. 100 Millionen Euro, ohne die Verluste und Sanierungskosten bei Sandoz selber.

strophen dieses Umfangs nicht zu endgültigen Schädigungen führen müssen, sondern Gegenmaßnahmen möglich sind, und dass die Rege-

Die von Sandoz finanzierten Entschädigungsleistungen haben zu verschiedenen Projekten und

nerationskraft des Flusssystems nicht zu unterschätzen ist.

Maßnahmen am Rhein geführt. Es wurden Pläne für Risiko- und Notfallmanagement ausgearbeitet und verbindlich aufgestellt. Die Lagerung

Die Sandoz AG gibt es nicht mehr. Ihre Chemiewerke, zu denen das verhängnisvolle Lagerhaus

von Phosgen in Flussnähe wurde grundsätzlich verboten – das in der Nähe der in Brand geratenen Halle gelagerte Phosgen war der Hauptgrund, warum die Feuerwehren so viel Löschwasser verwendeten. Manche Industriebetriebe, unter anderem diejenigen in und um Basel, richteten Rückhaltebecken für gefährliche Flüssigkeiten (wie Löschwasser bei Chemiebränden) ein. Ein „Rheinalarm“ mit acht Alarmstationen wurde eingerichtet. Auch der Bau der Rheingütestation in Worms gehört zu diesen Maßnahmen. Oft lösen erst Katastrophen längst überfällige Entwicklungen aus. In der Folge verbesserte sich die öffentliche kritische Wahrnehmung der Probleme am Rhein wie auch die Zusammenarbeit der Rheinanliegerstaaten. Das Sekretariat der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) in Koblenz wurde personell verdoppelt, und die Kommission setzte große langfristige Projekte wie das „Aktionsprogramm Rhein“, „Lachs 2000“ und andere in Gang. Sandoz richtete einen mit zehn Millionen Schweizer Franken ausgestatteten Rheinfonds ein, mit dem Forschungen zum Ökosystem Rhein, zur Erfassung des Fischbestandes, Plankton-Forschung und andere finanziert wurden. Mit diesem Unfall hat sich nicht nur ein neues Bewusstsein in der Öffentlichkeit gebildet – weder kann man auf ausreichende Vorsorge vor

in Schweizerhalle gehört hatte, wurden zur Firma Clariant AG, und ihre Pharma-Abteilungen gingen durch Fusion mit der damaligen Ciba AG im Pharmariesen Novartis auf. Der Name Sandoz bezeichnet heute eine Medikamentenreihe von Novartis. Schweizerhalle ist noch immer ein Industrieort am Hochrhein (Kanton Baselland). Der Name „Schweizer Halle“ wurde im frühen 19. Jahrhundert vom „Salinisten“ Carl Christian Friedrich Glenck geprägt, als er den östlich von Basel entdeckten Salzlagern eine industrielle Zukunft, ein „Schweizer Halle“ voraussagte. jr /uw

Seerhein / Untersee Seerhein heißt der 4 km lange Abschnitt des Rheins zwischen Bodensee und dem rund 30 cm tiefer liegenden Untersee. Der Seerhein ist der erste, oberste Teil des kilometrierten Rheins, der in Konstanz (Baden-Württemberg) an der Seebrücke beginnt (Rhein-km 0). Er ist teilweise Grenzfluss zwischen Deutschland und der Schweiz. Westlich von Konstanz geht der Seerhein in das Wollmatinger Ried über. Das Wollmatinger und das gegenüber am Südufer gelegene Ried (Schweiz, Kanton Thurgau) bilden einen der weithin wichtigsten Standorte von Wasservögeln. In den Untersee mündet nebst dem Seerhein auch die Radolfzeller Aach (im Mittel 10 m³ / s). Der Rhein (Hochrhein) verlässt den Untersee beim Städtchen Stein am Rhein (Rhein-km 23,5).

Seerhein / Untersee 309

Im Untersee liegt die Klosterinsel Reichenau (Baden-Württemberg), die seit 2000 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. Im 63 km² großen Untersee ist die Staatsgrenze definiert, im Un-

dorf am Unterlauf und streift Schwarzrheindorf bei der Mündung. Auf einem großen Teil ihres Laufs durchfließt die Sieg malerische grüne Landschaften. Von ei-

terschied zu den Staatsgrenzen im Bodensee. uw

nem 1956 industriell verursachten Fischsterben hat sich der Fluss längst erholt, und er zählt heu-

Sieg

te zu den fischreichsten in Deutschland. Beim internationalen Bemühen, den Lachs im Rhein wieder heimisch werden zu lassen, stellten sich in der

Die Sieg ist ein 155 km langer, rechter Nebenfluss des Rheins in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Sie entspringt am Rothaargebirge auf 603 m ü. M. (kaum 3 km von der Lahnquelle entfernt) und sie mündet in Bonn-Geislar in den Rhein, bei Rhein-km 659, auf 50 m ü. M. Das Einzugsgebiet der Sieg umfasst 2832 km², und der mittlere Abfluss beträgt am Pegel Menden (Rheinebene nahe der Mündung) 52 m³ / s. Die Mündung der Sieg markiert die Grenze zwischen Mittelrhein und Niederrhein. Der Fluss fließt von Ost nach West, beschreibt dabei zahlreiche Mäander und trennt den Westerwald im Süden vom Bergischen Land im Norden. Er durchquert unter anderem die Städte Siegen am Oberlauf, Hennef, Siegburg und Trois-

Sieg als einem der ersten Nebenflüsse Erfolge ein. Das Wort Sieg ist keltischen Ursprungs. Es hat nichts mit Siegen zu tun, sondern es leitet sich von einer der zahlreichen keltischen Bezeichnungen für Gewässer ab. Die Flussnamen Seine und Shannon haben möglicherweise denselben uw Ursprung.

Slufter Während die Wassergüte des Rheins in den letzten Jahrzehnten ständig verbessert werden konnte, ist ein anderes ökologisches Problem in den Vordergrund getreten, die mit Schadstoffen belastete Sedimentfracht des Rheins. Sedi240 ó In der riesigen Deponie am Ende des Nieuwe Waterweg zur Nordsee wird Baggergut aus dem Rotterdamer Hafengebiet durch Sedimentation im Slufter vom Wasser getrennt.

310 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

mente sind die schwemmbaren Stoffe, die sich im gesamten Rheineinzugsgebiet aus Sand und Geröll, Staub und Niederschlägen, Steingeschiebe, Kiesabbau und vielerlei Materialien bilden. Deren Kontamination entsteht aus schädlichen Reststoffen von Kläranlagen, belastetem Regenund Oberflächenwasser, früheren Industrieeinleitungen, ausgeschwemmten Düngemitteln der Landwirtschaft und anderen. Zu den vielfältigen Quellen der Kontamination besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. Klar ist aber, dass trotz vertraglicher und tatsächlicher Reduzierung der Industrieeinleitungen der Belastungsgrad der Sedimente insgesamt bis heute gestiegen ist. Klar ist auch, dass die Sedimentsfracht die Unterlieger mehr belastet als die Oberlieger, obwohl auch hier z. B. an den Staustufen und Kraftwerken riesige Sedimentsablagerungen anfallen. Den letzten aber beißen die Hunde, wie es heißt, das ist in diesem Fall der Hafen von Rotterdam, in dem gewaltige Sedimentslasten die Hafentiefen und Schifffahrtsrinnen bedrohen, von den chemischen Belastungen und Gefahren ganz abgesehen. 15 bis 20 Millionen t Schwebstoffe, die sich zu Sedimenten absenken, strömen mit dem Rhein jährlich Richtung Niederlande. Ein Teil davon bleibt im Rotterdamer Hafen und im Mündungsgebiet als belastete Sedimente hängen. Da die Sedimentqualität den strengen EUNormen zur Verklappung in die Nordsee nicht entspricht, blieb der Hafenverwaltung in Rotterdam kein anderer Ausweg als den Bau einer durch hohe Deiche eingehegten 260 ha großen Schlammdeponie. Sie heißt „slufter“ und liegt zwischen Hafengebiet und Nordseeküste. Wieweit die hier gelagerten Schlammmassen jemals gereinigt und z. B. für Landgewinnung oder Baumaterialien genutzt werden können, ist eine offene und bedrängende Frage. Bedrängend, weil das hier vorgehaltene Volumen der Deponie auch einmal ausgeschöpft sein wird.

jr

Sprachen am Rhein Die offiziellen Sprachen in den Staaten am Rhein sind, in der Reihenfolge der Häufigkeit ihrer Nutzung, Deutsch, Niederländisch, Französisch, Moselfränkisch, Rätoromanisch und Italienisch. Anders als die Luftfahrt verwendet die Schifffahrt keine einheitliche Sprache. Auf der Wasserstraße Rhein sind sowohl Niederländisch, Deutsch als auch Französisch gebräuchlich. Die am Rhein tatsächlich gesprochenen Sprachen sind neben den offiziellen Sprachen auch eine unüberblickbar große Zahl von deutschen, niederländischen, rätoromanischen und auch von zwei italienischen Dialekten. Am Vorderrhein ist es neben dem Bündner (Graubündner) Alemannischen das rätoromanische Surselvisch, am Hinterrhein streckenweise das rätoromanische Sutselvisch. Dem Hinterrhein fließt unter anderem der Reno di Lei zu; in seinem Einzugsgebiet, das auf italienischem Boden liegt, wird, soweit das Tal bewohnt ist, italienisch (oder ostlombardischer Dialekt) gesprochen. Die Quelle des Medelser Rheins liegt in der Tessiner Gemeinde Quinto, und soweit die Alp bewohnt ist, wird auch da italienisch bzw. ein Dialekt (hier westlombardisch, sogenanntes lumbaart) gesprochen. Den Alpenrhein, den Bodensee, den Hochrhein und den südlichen Oberrhein säumt das Alemannische, als Höchstalemannisch, Hochalemannisch und Niederalemannisch, jeweils in zahlreichen Spielarten, die die regionale oder sogar örtliche, teils auch die soziale Identifikation ihrer Sprecher erlauben. An einigen rechten Nebenflüssen des Hochrheins und des Oberrheins, und vor allem am Neckar, auch an der oberen Murg, spricht man schwäbisch, ebenfalls in Varianten. Das Alemannische und Schwäbische gehören zum Oberdeutschen; das gilt auch für das Südfränkische, das im nördlichsten Teil des Elsass

Sprachen am Rhein 311

gesprochen wurde. Es wird um Karlsruhe und am nördlichen Neckar noch immer gesprochen.

überwiegend nicht zu den Anopheles-, sondern zu den Aedes-Arten, den Waldmücken und den Wie-

Hingegen zählen die rheinpfälzische (Südpfalz) und hessische Variante des Rheinfränki-

sen- und Auenwaldmücken. Ihre Brutareale sind sumpfige Waldgebiete oder temporäre Gewässer, die sich in Überschwemmungsbereichen von Flüssen und Seen bilden. Die Aedes-Arten legen ihre

schen zum Mitteldeutschen. Zum Mitteldeutschen zählt auch das Mittelfränkische, wobei zwischen dem Moselfränkischen (an der Mosel, Amtssprache des Großherzogtums Luxemburg), dem Ripuarischen (Köln) und weiteren Varianten unterschieden wird. Zum Niederdeutschen zählen die Varianten des Niederfränkischen und Westfälischen, die nördlich der Benrather Linie, also am Niederrhein, im Ruhrgebiet und an der Lippe gesprochen werden. Zum Niederfränkischen wird auch das Niederländische gezählt. Während die Zuteilung des Limburgischen (1,6 Millionen Sprecher) zum mittel- oder niederfränkischen Sprachraum umstritten ist, gelten die anderen Dialekte des Rhein-Maas-Schelde-Raums eindeutig als niederländisch. uw

Stechmücken (Schnaken) 46 Stechmückenarten gibt es in Deutschland, davon findet man 33 Arten am Oberrhein. Sie heißen volkstümlich Schnaken, oder speziell Rheinschnaken, alemannisch Schnoogg. Wegen ihrer Allgegenwart am Rhein heißt ein elsässisches Volkslied „Hans im Schnooggeloch“. Stechmücken sind für den Menschen nicht nur die quälenden Plagegeister. Sie sind als Überträger gefährlicher Erkrankungen wie Malaria, Gelbfieber oder Hirnhautentzündung (Encepha-

ca. 200 Eier pro Ablage in der Regel in feuchten Böden ab. Das sind feuchte Wiesen, Schilfgebiete, Tümpelränder oder nach Überschwemmungen wieder trocknende Flächen. Die Anopheles-Arten hingegen legen ihre Eier auf Wasseroberflächen ab. Die etwas klebrigen Eier treiben zu kleinen netzartigen Gebilden zusammen. Die sich wahrhaft massenhaft vermehrende Aedes noxans kann pro Saison vielfach Eier ablegen. Jede einzelne „Blutmahlzeit“, wie die Biologen sagen, ist Basis für eine Eiablage. So können durch eine einzige Mücke bis zu 50 000 Eier pro m2 abgelegt werden. Aus den Eiern schlüpfen – nach Überwinterung, beim Einsetzen von Temperaturwechseln und Hochwasser im Frühling und Sommer – Mückenlarven, die sich nach wenigen Tagen verpuppen. Daraus entstehen – bei artenspezifisch unterschiedlich günstigen Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen – die Mücken. Die Aedes-Arten, und hier besonders die Wiesen- und Auenwaldmücke Aedes vexans, haben auf der Suche nach Opfern einen starken Wandertrieb von mehreren Kilometern am Tag. Sie sind äußerst aggressiv und können Arbeit wie Freizeit im Freien unerträglich machen. Dabei sind nur die weiblichen Mücken blutsaugend. Im Herbst sterben die Mücken ab, aber ihre

litis) auch gefährlich. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Deutschland, besonders auch im Oberrheingebiet, bodenständige Malaria, die allein von den Malaria- bzw. Fiebermücken (Ano-

zahlreiche Brut überlebt in Form der Eier bis zum nächsten Jahr und notfalls bis zu drei Jahren. Die Bekämpfung von Stechmücken ist aus

pheles-Arten) übertragen werden.

auch der Wirtschaft (Arbeit im Freien, Tourismus und anderes) eine unabdingbare Notwendigkeit und eine öffentliche Aufgabe. Im Gebiet des

Die blutsaugenden Stechmücken – nicht alle Mückenarten sind auch Blutsauger – gehören

312 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Gründen der Lebensqualität, der Gesundheit wie

Oberrheins sind rund 2,5 Millionen Menschen davon betroffen. Gleichwohl hat es flächendeckende Versuche erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit Petroleum, später mit DDT gegeben. Das war wenig wirksam und dabei ökologisch unverantwortlich, denn viele andere Lebewesen waren ebenfalls von der Vernichtung betroffen. Ziel musste es ein, eine Methode zu entwickeln, die selektiv, also nur auf Stechmücken bezogen, wirksam ist, den Menschen spürbar entlastet und die Umwelt schont. Das wurde erst 1976 zufriedenstellend möglich, als der israelische Professor Yoel Margalit den Bacillus thuringiensis israelensis (B. t. i.) entdeckte. Dieser Bacillus, von der Mückenlarve aufgenommen, wirkt durch einen komplizierten biologischen Mechanismus im Darm der Stechmückenlarve in weni-

241 ó Nach sehr knappem Zeitplan versprühen die Helfer von KABS e. V. im Brutgebiet das biologisch wirksame und umweltschonende Bekämpfungsmittel gegen Stechmücken im stehenden Wasser eines Auengebiets.

gen Stunden tödlich. Eine ökologisch engagierte Gruppe von Biologen der Universität Heidelberg entwickelte auf der Grundlage dieser Entdeckung immer wieder verbesserte Methoden zur Stechmückenbekämpfung. Dazu müssen die Brutstätten genau kartiert und charakterisiert werden. Die Kartierung wird ständig aktualisiert. In Form eines Granulats wird B. t. i. je nach Zugänglichkeit des Geländes über Hubschrauber oder durch Helfer vor Ort verteilt. Das muss sehr gut organisiert sein, denn es stehen zur Zeit der Larvenschlüpfung, je nach Mückenart, nur wenige Tage zur Verfügung. 1976 hat sich deshalb die „Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V.“, abgekürzt KABS, gegründet. Initiator war Dr. Paul Schädler, Rechtsanwalt aus

davon profitieren, aber nicht Mitglieder wurden und sich an der Finanzierung nicht beteiligen. Auch Bundesmittel stehen nicht zur Verfügung. Insgesamt hat sich die Initiative sehr gut bewährt und wird international geschätzt. Dieses Selbsthilfe-Modell und die B. t. i.-Methode werden heute in aller Welt, auch in tropischen und subtropischen Regionen, segensreich eingesetzt. Eine wie befürchtet langsam sich steigernde Resistenz der Stechmücken gegen B. t. i. hat sich bisher nicht gezeigt. jr

Dudenhofen und Regierungspräsident a. D. Mitglieder des Vereins sind die betroffenen Städte, Gemeinden und Landkreise. Sie sorgen für die Finanzierung, Organisation, Durchführung

Mannheim nach Straßburg verlegt wurde. Der Palais du Rhin wurde als Palast für den Kaiser des Zweiten Deutschen Reiches errichtet,

im gesamten deutschen Oberrheingebiet und für ständige wissenschaftliche Begleitung. Es ist ärgerlich, dass einige Städte und Gemeinden zwar

Straßburg – Palais du Rhin „Palais du Rhin“ heißt das Gebäude in Straßburg, das der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt als Sitz dient, seit diese Kommission – im Gefolge des Ersten Weltkriegs – im Jahr 1920 von

zu dem als Folge des Krieges von 1870 / 71 das Elsass gehörte. 1884 wurde der Bau nach Plänen des Architekten Hermann Eggert (1844 – 1920) begonnen. Er zeichnete sich durch einen pompö-

Straßburg – Palais du Rhin 313

Richtung, biegt bei Wil nach Nordosten ab, nimmt bei Bischofszell die Sitter (aus St. Gallen) auf und strebt anschließend westwärts, bis zur Mündung bei Ellikon auf 343 m ü. M., bei Rhein-km 64. In Andelfingen kurz vor der Mündung beträgt der mittlere Wasserabfluss der Thur 45,6 m³ / s; 1999 wurde hier ein Maximum von 1130 m³ / s, 1997 am selben Pegel ein Minimum von 2,24 m³/s gemessen. Das Einzugsgebiet umfasst 1750 km². Die Quellen und 68 km des Flusslaufs liegen im Kanton St. Gallen. 42 km liegen im Kanton Thurgau, dem der Fluss den Namen gegeben hat, und des242 ó Palais du Rhin, als Palast für den Kaiser des Deutschen Reichs erbaut. Heute dient er – seit 1920 – als Sitz der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (siehe auch S. 77).

sen Neo-Renaissance-Stil sowie exorbitante Kosten (drei Millionen Goldmark) aus, wurde 1889 fertiggestellt und von Wilhelm II. eingeweiht (er nannte das Haus „Elefantenstall“). Während des Ersten Weltkriegs wurde das Gebäude als Lazarett verwendet. 1940 wurde der Palast zum Sitz der Kommandantur der nationalsozialistischen Lokalverwaltung. Durch englische und US-amerikanische Bombardierung im August 1944 wurde er schwer beschädigt. Ab November 1944 richtete die französische Armee darin ihr lokales Hauptquartier ein. Nach dem Krieg wurde der Palast aufwändig restauriert. uw

Thur Die Thur ist ein 130 km langer, linker Nebenfluss des Hochrheins im Nordosten der Schweiz (sogenannte Ostschweiz). Ihre Quellbäche sind die Säntisthur, die am Säntis entspringt (2500 m ü. M.), und die Wildhauserthur, die im Churfirsten-Massiv entspringt. Sie vereinen sich bei Unterwasser (900 m ü. M.). Von hier an heißt der Fluss Thur. Er durchfließt das Toggenburg in nordnordwestlicher

314 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

sen Hauptort Frauenfeld er durchfließt. 19 km liegen im Kanton Zürich. Das Thurspitz genannte Mündungsgebiet ist seit 2009 dazu ausersehen, Naturschutzgebiet und Teil des europäischen „Smaragdnetzwerks“ zu werden. Mit „SmaragdNetzwerk“ („emerald network“) wird die Ausdehnung des Natura-2000-Programms der EU auf Nicht-EU-Staaten bezeichnet. uw

Treidelpfad, Leinpfad Vom Mittelalter bis in die Neuzeit, bis zum Einsatz der Dampfschifffahrt um 1900, mussten die Frachtkähne auf dem Rhein, wie auch an allen anderen größeren Flüssen, stromaufwärts von Land aus an starken Hanfseilen gezogen werden. Man nennt das Treideln (nl. jaagen, frz. haler). Ruder- und Segeltechnik waren als Antrieb stromaufwärts für schwere Frachten meist nicht ausreichend. Für die größten Schiffe mit ca. 2000 Zentnern Fracht benötigte man am Rhein 60 Treidelknechte oder zehn Pferde. Für die Strecke von Köln nach Mainz brauchte man bei günstigem Wetter etwa zehn Tage. Für Menschen wie für die Pferde war das Treideln eine schwere, nicht ungefährliche Arbeit. Die Schiffe wurden vom Treidelpfad aus (nl. jaagpad, frz. chemin de halage) gezogen, der direkt am Flussufer mit einer Breite von ca. 7 m

angelegt war. Die jeweiligen Landesherren unterhielten diese Wege und nahmen dafür, neben

der aufgebaut, erneut als Eisenbahnbrücke. Die drei Pfeiler im Rhein wurden wiederverwendet.

den Zöllen, eine Art Mautgebühr. Die Treidelpfade waren aber in sehr unterschiedlichem Zu-

Die heutige Brücke besteht durchwegs aus Stahl-

stand. Am günstigsten waren Kieswege, die bei Regen nicht so schnell verschlammten und den Pferden die beste Trittmöglichkeit boten. An den Einmündungen von Nebenflüssen und Bächen ergaben sich natürlich die größten Schwierigkeiten für die Treidelknechte und Zugpferde. Das Treideln gehört längst in die frühe Geschichte der Binnenschifffahrt. Heute werden einige Strecken, z. B. im Rheingau bei Eltville, erhalten und so hergerichtet, dass sie von Spaziergängern und Fahrradfahrern genutzt werden können. Auch das ist ein Aspekt der modernen Nutzung der Rheinlandschaft für Freizeit und Sport. Getreidelt wird nach wie vor an französischen Kanälen, wo der Kanal im Tunnel verläuft (z. B. Scheitelhaltung des Rhein-Marne-Kanals). Weil man verhindern muss, dass die Schiffsmotoren im Tunnel Abgase produzieren, werden die Schiffe von einer elektrischen Lokomotive, deren Gleis den Kanal begleitet, gezogen. jr

fachwerk-Kastenträgern.

uw

Via Mala Via Mala heißt ein Abschnitt des Hinterrheins im Schweizer Kanton Graubünden, wo der Fluss – von Zillis hinunter nach Thusis – in einer tiefen Schlucht verläuft. Der Weg durch die Schlucht ist ein Zugang zum San Bernardino-Pass und zum Splügenpass. Er wird schon seit der Bronzezeit begangen, wurde zu römischer Zeit verbessert, verfiel wegen der Konkurrenz des Septimer Passes und wurde seit 1473 erneut angelegt. Im 19. Jahrhundert wurde der Pfad durch eine Fahrstraße ersetzt. Die Autobahn A 13 (zwischen Chur und Bellinzona) umgeht die Via-Mala-Schlucht in einem langen Tunnel.

uw

Ville

Auf Betreiben des deutschen Generalstabs wurden vor 1914 drei Eisenbahnbrücken über den Rhein geschlagen, in Remagen, bei Urmitz (nördlich von Koblenz) und bei Rüdesheim. Die Brücke bei Urmitz wurde von 1916 bis 1918 gebaut. Ihre Spannweiten betrugen 84,6 m, 188 m, 84,6 m und 75,2 m. Für die Überbrückung der 188 m wählte man eine Bogenkonstruktion, die drei kürzeren

Die Ville ist ein linksrheinischer Höhenzug in Nordrhein-Westfalen und ein Teil des Naturparks Rheinland. Sie erstreckt sich zwischen der Eifel im Süden, der Erft im Westen, den Städten Grevenbroich und Pulheim im Norden sowie den Städten Köln, Brühl und Bonn im Osten. Der höchste Punkt der Ville ist die Glessener Höhe (204 m ü. M.). Die Ville ist durch den Braunkohleabbau, die Kraftwerke und die energieintensive Chemie im rheinischen Braunkohlerevier industriell geprägt. Die südliche Ville ist von Wäldern, die mittlere Ville von rekultivierter Landschaft mit Seen gekennzeichnet. Wie der gesamte Na-

waren aus Stahlfachwerk. Im März 1945 wurde die Brücke von der deutschen Wehrmacht gesprengt.

turpark Rheinland dient die Ville als Naherholungsgebiet für den Ballungsraum Köln / Bonn. Ein Teil ist als Naturschutzgebiet mit begrenz-

Anders als die Ludendorff-Brücke in Remagen und die Hindenburgbrücke in Rüdesheim,

tem Zugang ausgewiesen. Teile der nördlichen Braunkohlenville wurde landwirtschaftlich re-

für welche kaum ein ziviler Bedarf bestanden hatte, wurde die Brücke bei Urmitz 1954 wie-

kultiviert. Heute gibt es keinen Tagebau mehr im Bereich der Ville. uw

Urmitz – Eisenbahnbrücke

Ville 315

Weil am Rhein – Dreiländerbrücke Zwischen der Stadt Weil am Rhein, der südlichsten deutschen Stadt am Oberrhein, und der am Westufer des Rheins benachbarten französischen Stadt Huningue (dt. Hüningen) ist 2007 die Dreiländerbrücke dem Verkehr übergeben worden (Rhein-km 170,2). Architekt dieser Rad- und Fußgängerbrücke ist der in Paris tätige, aus Österreich stammende Dietmar Feichtinger. Die 230 m lange, pfeilerlose Bogenbrücke wurde als Werk der Baukunst mehrfach preisgekrönt, unter anderem 2008 mit dem Deutschen Brückenbaupreis. Der Name der Brücke nimmt Bezug auf den nur 200 m entfernten Punkt, wo Deutschland, Frankreich und die Schweiz zusammenstoßen (Rhein-km 170). uw

Weil am Rhein – Rheinüberwachungsstation Nach Beschlüssen der Rheinministerkonferenzen von 1986 und 1987 haben sich Baden-Württemberg und die Schweiz dafür entschieden, den Zustand des Rheins gemeinsam zu überwachen. Über einen speziellen Staatsvertrag wurde eine in die Messnetze beider Partner integrierte Messstation errichtet und 1993 in Betrieb genommen. Die Station in Weil am Rhein wird je zur Hälfte von Baden-Württemberg und der Schweiz getragen und von Basel-Stadt mit vier Mitarbeitern betrieben. Die Station in Weil am Rhein ist Teil einer ganzen Reihe von Überwachungsstationen. Die rheinabwärts nachfolgenden heißen: f Gewässergütemessstation Karlsruhe / Rhein, f Rheingütestation Worms,

243 ó Die 2007 eröffnete, als Bauwerk mehrfach ausgezeichnete „Dreiländerbrücke“ zwischen Weil am Rhein (D) und Huningue (F) ist 200 m von der Grenze nach Basel (CH) entfernt.

316 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

f Rheinwasseruntersuchungsstation Mainz, f Rheinwasserkontrollstation Rhein-Süd Bad

In der Schweiz entfallen von den rund 15 000 ha Rebfläche nur rund 2500 ha auf die

Honnef, f Internationale Messstation Bimmen-Lobith. Die einzelnen Messstationen haben unterschied-

am Rhein gelegenen Kantone, und man pflegt ihre Weine Ostschweizer zu nennen, obwohl die

liche Messschwerpunkte: In Karlsruhe, Worms, Honnef und Lobith werden kontinuierliche Biotests (Biomonitoring) durchgeführt. In Weil am Rhein untersucht man chemische Parameter, teils rund um die Uhr, teils periodisch oder aus aktuellem Anlass. Die Wasserproben werden dem Rhein an fünf Stellen, die über die Breite des Flusses verteilt sind, entnommen. Die vollautomatischen Messungen und Analysen in der Station selbst erfolgen für Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, elektrische Leitfähigkeit, pHWert und Trübung. Im nahen Kontrollabor des Basler Amtes für Umwelt und Energie (AUE) werden die Wasserproben auf 150 Einzelstoffe geprüft, z. B. auf Pflanzenschutzmittel wie Atrazin, Phosphorsäureester, DDT, polyzyclische aromatische Kohlenwasserstoffe, zinnorganische Verbindungen und Schwermetalle wie Quecksilber, Blei und Cadmium. Es sind inzwischen 240 Substanzen registriert. uw

Weinbau Seit den 70er- oder 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich die Weinkultur weltweit verändert, namentlich die Gär- und Kellertechnik hat Fortschritte gemacht. Der Konsum pro Kopf hat in den klassischen Weinländern Frankreich, Italien, Spanien und Portugal drastisch abgenommen; in vielen anderen Ländern Europas nimmt er eher zu. Es gibt sodann eine vormals inexistente, weltweite Wein-Diskussion, und es gibt sowohl weltweit als auch in Europa ein Überangebot, von den jüngsten klimatischen Veränderungen eher begünstigt. Das alles wirkt sich auch auf die drei Wein-Staaten am Rhein aus, auf die Schweiz, das französische Elsass und Deutschland.

Rhein-Kantone Zürich, Aargau, Baselland und Basel-Stadt nicht zur Ostschweiz zählen. Der Alpenund der Hochrhein wiesen einst überwiegend Rotweine auf, während man von Basel rheinabwärts, also am Ober- und am Mittelrhein, vor allem auf Weißweine traf. Das hat sich vor allem im 20. Jahrhundert stark geändert, die Winzer pflanzen heute eine Vielzahl verschiedener Gewächse an, zum Teil in kleinsten Mengen. Allein im Kanton Graubünden zählt man 42 Rebsorten, im Kanton Zürich deren 50, in beiden Basel 45. Am häufigsten wird die Blauburgunderrebe (Spätburgunder, Pinot Noir) angebaut, an zweiter Stelle folgt Riesling × Silvaner (Müller-Thurgau). Im Elsass beträgt die auf 119 Gemeinden verteilte Rebfläche 14 600 ha, meist am Fuß der Vogesen gelegen. Darauf gedeihen 1,2 Millionen Hektoliter, was 160 Millionen Flaschen (92 % Weiße, 8 % Rote) entspricht. Ganz anders als in der Schweiz können die rund 5500 Elsässer Winzer nicht anbauen, was sie wollen, sondern nur sieben Sorten sind zur Vermarktung zugelassen: Riesling, Sylvaner, Pinot Blanc (Weißburgunder), Muscat d’Alsace, Pinot Gris (Grauburgunder), Gewürztraminer sowie Pinot Noir (Spät- oder Blauburgunder). Die Bezeichnung Tokay für Grauburgunder wird seit 2006 nicht mehr verwendet; das hat Ungarn beim EU-Beitritt zur Bedingung gemacht. Zu den Elsässer Spezialitäten zählt sodann der Edelzwicker, eine sehr variable Mischung aus weißen Sorten. Gemäß französischem Recht kann Wein die Ursprungsbezeichnung AOC (appellation d’origine contrôlée) tragen, wenn er bestimmte Kriterien erfüllt. Im Elsass gibt es nur die drei AOC-Bezeichnungen, „Alsace“, „Alsace Grand Cru“ und „Crémant d’Alsace“. Was aus den sieben anerkannten Rebsorten auf Fla-

Weinbau 317

schen gezogen wird, darf zunächst den Namen „Alsace“ tragen (83 % der Ernte). „Alsace Grand

Nebenflüsse. Es umfassen (von Süden nach Norden) Baden (inklusive Bodensee) 16 000 ha, Pfalz

Cru“ heißen hingegen – seit 1970 – nur aus Gewürztraminer, Grauburgunder, Muskat oder Ries-

23 000 ha, Hessische Bergstraße 450 ha, Rheinhessen 26 000 ha, Rheingau 3200 ha, Mittelrhein

ling gekelterte Weine (4 % der Ernte) aus rund 50 definierten Lagen, und unter diesen Grands Crus tragen einige wenige die Bezeichnung „Vendan-

500 ha, Nahe 4500 ha, Mosel (bis 2007 MoselSaar-Ruwer) 11 000 ha, Ahr 500 ha, Württemberg 11 000 ha und Franken 6000 ha.

ges tardives“ (Spätlese) oder „Sélection de grains nobles“ (Beerenauslese). Fast 40 % der Elsässer

Ein Fünftel aller deutschen Rebflächen tragen Riesling. Diese weiße Traube ergibt einen Groß-

Weinproduktion werden exportiert, nach Belgien, Luxemburg, in die Niederlande, Deutschland, Dänemark, in die USA, nach Großbritannien. Die

teil der besten Rheinweine; an der Hessischen Bergstraße, im Rheingau, am Mittelrhein und an der Mosel sind die Hälfte bis drei Viertel aller

Produktion nimmt mengenmäßig über die Jahre leicht ab, der Verkaufserlös nimmt aber stetig zu. 13 % der Elsässer Ernte werden zu „Crémant d’Alsace“ gekeltert, einem Schaumwein, der

Weingärten mit Riesling bestockt. Er trägt regional auch andere Namen, wie etwa Klingelberger

nicht das Prestige (und den Preis) des Champagners, aber oft dessen Qualität erreicht. Er besteht wie Champagner aus mehreren Rebsorten, die im Interesse eines stabilen Geschmacks (und meist ohne Jahrgangs-Kennzeichnung) von Jahr zu Jahr neu gemischt werden, allerdings ohne den in der Champagne mitgekelterten Pinot Meunier (Müllerrebe, Schwarzriesling). Auch auf der badischen Seite des Oberrheins werden Schaumweine gekeltert, da aber nicht nach der méthode champenoise, sondern es werden sortenreine Jahrgangs-Schaumweine unter der Bezeichnung Winzersekt angeboten. Das Weingebiet Elsass mit 15 000 ha Rebfläche ist eher ein kleiner Konkurrent, und die Ostschweiz ist mit 2500 ha vollends ein Zwerg, wenn man sie mit den deutschen Rhein-Rebflächen vergleicht. Deutschland weist (seit der Weingesetzgebung von 1971) in 13 sogenannten Anbaugebieten (unterteilt in Bereiche, Großlagen und Lagen) 104 000 ha Rebfläche auf, und außer den kleinen Anbaugebieten Saale-Unstrut und Sachsen (zusammen rund 1200 ha) liegen alle im Einzugsgebiet des Rheins und seiner

318 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

in der Ortenau, oder wie das sich von Hochheim (Rheingau) herleitende „hock“ in England, der im Merkvers „a good hock keeps away the doc“ erhalten ist. Die Riesling-Rebstöcke halten Winterfröste aus, die Rebe ist nicht sehr krankheitsanfällig, und sie reift spät, in den nördlichen Rhein-Anbaugebieten erst nach dem 15. Oktober. Müller-Thurgau ist am Rhein die zweitwichtigste Rebsorte. Sie heißt nach dem aus dem Thurgau stammenden Botaniker Hermann Müller (1850 – 1927), der 1882 am Weinforschungsinstitut Geisenheim (Rheingau) mit Rebsorten-Kreuzungen experimentierte. Unter seinen Geisenheimer Stecklingen erwies sich – allerdings erst Jahre später an der Forschungsanstalt im schweizerischen Wädenswil – „Nr. 58“ als vorteilhaft. Seit den 1920er-Jahren wurde sie in den deutschen Rhein-Rebgebieten unter dem Namen Müller-Thurgau großflächig angepflanzt. Man hielt die neue Sorte stets für eine Kreuzung aus Riesling und Silvaner, weshalb sie auch Riesling-Silvaner oder Rivaner genannt wird. Sie ist aber, wie erst im Jahr 2000 geklärt wurde, eine Kreuzung von Riesling und Madeleine-Royale, was eine Gutedel-(Chasselas-)Variante ist. Müller-Thurgau ergibt auch an nur mittelguten Lagen recht gute Weine. Die Rebe reift früh, ist nicht sehr frost-

fest, außerdem eher krankheitsanfällig. Ihre Anbauflächen am Rhein nehmen seit Jahren ab. Das gilt auch für den Silvaner, eine alte, weiße Rebsorte, die je nach Region anders heißt. Silvaner-Weine entsprechen dem weltweiten Trend zu trockenen und zugleich gehaltvolleren Weinen nicht immer, aber in guten Jahren ergeben sie charaktervolle, kräftige Weine. Wachsenden Erfolg unter den Weißen verzeichnet hingegen seit einem Dutzend Jahren der Grauburgunder, auch wenn er bisher noch keine 5 % aller deutschen Rebflächen belegt. Die leicht süßen Weine aus Grauburgunder sind als Ruländer bekannt; der moderne Erfolg dieser Rebe, des „pinot gris“, beruht aber nicht auf dem Ruländer-Ausbau, sondern auf dem trockenen Ausbau, wie man ihn in Baden pflegt. Die wichtigste rote Rebsorte am Rhein ist der Spätburgunder (Blauburgunder, Pinot Noir). Sie ist seit dem 4. Jahrhundert im Burgund nachgewiesen und ist – in der Form neu gezüchteter Klone – bis in die nördlichsten Weinanbaugebiete Europas (z. B. Ahrtal) verbreitet. Denn sie ergibt auch bei wenig Sonnenwärme, sofern man sie spät ausreifen lässt (deshalb Spätburgunder), gute Weine. Seit 40 Jahren hat ihr Flächenanteil in Deutschland von 3 % auf 11 % zugenommen. In der Pfalz, aber auch in Franken und in Württemberg ist die erst vor 30 Jahren entstandene rote Rebsorte Dornfelder erfolgreich, eine Neuzüchtung von Immanuel Dornfeld in der Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg am Neckar; ihr Flächenanteil ist von 0 auf 7,5 % angestiegen. Vor allem in der Pfalz und Rheinhessen wird auch Portugieser (Blauer Portugieser) angebaut. Diese rote Sorte, die ehemals aus Portugal (Oporto) zu stammen scheint, hat sich seit dem 18. Jahrhundert in Österreich verbreitet, und von dort ist sie auch an den Rhein gelangt. Die Portugieser-Traube stellt geringe Ansprüche an den

Boden, reift früh und ist ertragreich. Wo man ihren Ertrag im Rebberg beschneidet, ergeben sich die guten Tafelweine, die die pfälzische Küche würdig begleiten. uw

Westdeutsches Kanalnetz Das sogenannte westdeutsche Kanalnetz umfasst die Wasserstraßen, die von der Bundes-Wasserund Schifffahrtsdirektion West in Münster verwaltet werden. Zu ihrem Verwaltungsbereich gehören nebst dem Rhein selbst (von der Grenze Rheinland-Pfalz / / Nordrhein-Westfalen bis zur niederländischen Grenze) folgende Kanalstrecken: f Ruhr vom Rhein bis Mülheim f Rhein-Herne-Kanal (RHK) f Wesel-Datteln-Kanal (WDK) f Datteln-Hamm-Kanal (DHK) f Dortmund-Ems-Kanal (DEK) von Dortmund bis Papenburg. Der Dortmund-Ems-Kanal stellt auch die Verbindung vom Rhein zum Mittellandkanal her, der beim sogenannten „Nassen Dreieck“ in Bergeshövede (Niedersachsen) ostwärts abzweigt. Der Mittellandkanal verbindet den Rhein mit dem Berliner Wasserstraßennetz. f Ems von Rheine bis Meppen f Küstenkanal (mit Stichkanal Dörpen) f Elisabethfehnkanal Am westdeutschen Kanalnetz werden derzeit diverse Abschnitte verbreitert, vertieft und mit neuen Schleusen ausgestattet, damit sie für 110 m lange und 11,4 m breite Schiffe und auch für 185 m lange Schubverbände benützbar werden, wobei eine Abladetiefe von 2,8 m garantiert werden soll. uw

Wiese Die Wiese ist der südlichste rechte Zufluss in den Oberrhein. Sie entspringt am Feldberg im Schwarzwald (Baden-Württemberg) auf 1200 m ü. M.,

Wiese 319

fließt in südlicher Richtung durch das Wiesental und mündet in Basel auf 244 m Höhe, bei Rhein-

mit einer Länge von insgesamt 744 m direkt über den Rhein – von Hessen nach Rheinland-Pfalz –

km 169,2, in den Rhein. Die Wiese ist mit 55 km der viertlängste Fluss im Schwarzwald (nach der

nach Worms hinein. Die Brücke wurde 1900 eingeweiht und nach dem damaligen hessischen Großherzog Ernst Ludwig benannt, nachdem es vorher nur Fährbetrieb und seit 1855 eine

Kinzig, der Elz und der Murg). Ihr Einzugsgebiet umfasst 460 km², zum größten Teil in Baden-Württemberg. Die mittlere Abflussmenge an der Mündung beträgt 11,3 m³. Die Schwankungen sind groß: Die größte je gemessene Abflussmenge betrug 342,5 m³ / s. Der Unterlauf der Wiese verläuft mäandrierend in einem breiten Tal, das der Fluss selbst im Lauf der Eiszeiten geschaffen hat. Wegen der Flussdynamik war es hier stets schwierig, die Energie zu nutzen; hingegen wurden in ehemaligen Seitenarmen Kanäle angelegt (hier Teiche genannt), die Mühlräder trieben, Wiesen bewässerten und – bei hohem Wasserstand – zum Flößen (Triften) benützt wurden. Im unteren Wiesental hat sich früh Textilindustrie niedergelassen (Zell, Schopfheim, Lörrach). Zum Schutz vor den Überschwemmungen wurde der Fluss zwischen Zell und Lörrach 1806 bis 1823 einer von Johann Gottfried Tulla entworfenen Korrektion unterworfen. In Basel folgte eine ähnliche Korrektion von 1898 bis 1910. Danach floss die Wiese in einem geraden, engen Bett. Seit den 1990er-Jahren werden nun sowohl in Basel als auch flussaufwärts in Lörrach etc. einzelne Flussabschnitte renaturiert, gemäß einem umfangreichen Plan, den man in Lörrach „Wiesionen“ nennt. Aus dem den Unterlauf der Wiese begleitenden Grundwasserstrom wird Trinkwasser gewonnen (mit dem sogenannten Basler Verfahren). Die Mündung der Wiese liegt im Rückstau des Elsässer Kraftwerks Kembs. uw

Worms – Nibelungenbrücke Die Nibelungenbrücke führt die als Nibelungenund Siegfriedstraße benannte Bundesstraße B 47

320 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Schiffsbrücke gegeben hatte. Mit der Industrialisierung entstand in Worms auch von rechtsrheinischer Seite erheblicher zusätzlicher Verkehrsbedarf. Die Ernst-Ludwig-Brücke hatte zwei Brückentürme. Der Turm der Wormser Seite diente bis Ende der 1920er-Jahre der Erhebung eines Brückenzolls. Während der Rheinlandbesetzung nach dem Versailler Vertrag wurden hier auch Grenzund Zollkontrollen durchgeführt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden auf beiden Türmen Flakgeschütze installiert. 1945 wurde die Brücke von der deutschen Wehrmacht auf dem Rückzug gesprengt. Der Verkehrsbedarf aber war nach dem Krieg erheblich. 1953 wurde die Brücke als Nibelungenbrücke wieder hergestellt, jetzt aber nur mit einem Turm, dem heute noch in seiner historistischen Form vorhandenen, mit 53 m weithin sichtbaren Nibelungenturm. Er wurde für Wohnzwecke und als Pfadfinderheim genutzt. Die nächsten Autobrücken gibt es nördlich in Mainz, südlich bei Frankenthal. Der Verkehrsbedarf für eine moderne Brücke in diesem Zwischenraum war von Jahr zu Jahr gewaltig angewachsen. Die Nibelungenbrücke war bei Weitem überlastet. Eine Sanierung wurde unausweichlich. Seit 2008 existiert eine neue Nibelungenbrücke wenige Meter neben der alten Brücke, die vom Verkehr entlastet endlich saniert werden kann. Beide Brücken werden mit jeweils zwei Spuren der Rheinquerung zur Verfügung stehen, die alte Brücke in Richtung Worms, die neue in Richtung Hessen. Auch ein Weg für Radfahrer und Fußgänger wird angeboten. Für sie

244 ó Die Rheingütestation Worms (weißes Gebäude) wurde baulich in den Brückenkopf der alten Nibelungenbrücke integriert; im Hintergrund der Wormser Dom.

wird die Nutzung bei dem zukünftigen Schnellverkehr allerdings keine besondere Freude sein. Der Nibelungenturm bleibt als Wahrzeichen von Worms und seiner Geschichte zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz erhalten. jr

Worms – Rheingütestation Mit der Rheingütestation Worms wurde 1990 eine zentrale Einrichtung für die Beobachtung und Kontrolle der Rheinwassergüte und notfalls für die Aktivierung des Alarmplans geschaffen. Die Gründung war eine direkte Folge des Großbrandes der Sandoz AG in Schweizerhalle, der 1986 zur Vergiftung des Flusses geführt hatte. Der Flussquerschnitt unter der Nibelungenbrücke – die Station wurde direkt am Brückenkopf der Wormser Seite gebaut – wird ständig und aktuell auf außergewöhnliche Belastungen hin kontrolliert. Als „Trendüberwachung“ werden laufend nach einem Untersuchungsprogramm bestimmte Daten des Wasserzustands erhoben und bewertet. In diesem Sinne werden hier auch die Daten aller rund 20 Messstellen im

deutschen Rheineinzugsbereich bis hin zum Bodensee gesammelt, dokumentiert und in zusammenfassenden Trendberichten veröffentlicht. Zu den Routineuntersuchungen gehören die Tests des Wasserflohverhaltens als Indikator für Gifte im Wasser, die Beobachtung der Algendichte (Fluoreszenz) als Indikator z. B. für Phosphateinträge aus Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln und die Suche nach organischen Spurenstoffen (Screening) mit Hilfe von Gaschromatografie und Massenspektrometrie. Das Labor der Rheingütestation ist auch für anspruchsvolle Untersuchungen gut ausgestattet. Es werden (nach Voranmeldung) Führungen für max. 15 Personen angeboten. jr

Wupper Die Wupper ist ein rechter Nebenfluss in Nordrhein-Westfalen. Sie entspringt als Wipper bei Börlinghausen im Bergischen Land und mündet in Leverkusen zwischen den Stadtteilen Wiesdorf und Rheindorf nach 116,5 km in den Niederrhein, bei Rhein-km 703. Der mittlere Abfluss am

Wupper 321

Pegel Opladen (Leverkusen) beträgt 15,4 m³ / s. Im Einzugsgebiet der Wupper von 827 km² leben rund 900 000 Menschen. Die Wupper beschreibt von der Quelle zur Mündung einen ostwestlichen Lauf, unterbrochen von einem großen Bogen nach Norden; an dessen nördlichstem Bereich liegt Wuppertal. Die Wupper wird seit Langem genutzt, in der frühen Neuzeit zum Bleichen von Tuchen in Wuppertal, dann durch die Hammerwerke, Wasserräder und Schleifkotten (Mühlen zum Schleifen zur Herstellung von Werkzeugen, Schneidwaren, Sensen und Klingen) der um Remscheid und Solingen aufkommenden Metallindustrie, seit dem 19. Jahrhundert von der chemischen Industrie. Die Wupper war in den 1970er-Jahren der nach der Emscher am stärksten verschmutzte Fluss in der Bundesrepublik. Vorher galt die Wupper als besonders artenreiches Fischgewässer, und heute machen – nach dem Bau zahlreicher Klärwerke – Fischreiher wieder den Anglern Konkurrenz. 1930 wurde der Wupperverband gegründet, eine öffentlich rechtliche Körperschaft, die die Wasserwirtschaft und eine größere Zahl von Talsperren – an der Wupper selbst und an ihren Zuflüssen – betreut. 1997 wurde als Tochtergesellschaft des Wupperverbandes die „Wupperverbandsgesellschaft für integrale Wasserwirtschaft“ gegründet, die sich um Klärwerke, Talsperren, Leitungen etc. kümmert. Auf Wuppertaler Stadtgebiet verkehrt als Nahverkehrsmittel 12 m über dem Fluss eine Schwebebahn. Bei Solingen wird die Wupper von der 1897 eröffneten Müngstener Brücke überquert, der mit 105 m höchsten Eisenbahnbrücke Deutschlands. Der Name Wupper leitet sich vielleicht aus einem indogermanischen Begriff „ipr“ für Sumpf ab, ebenso wie die belgische Iper und der spanische Ebro. uw /ms

322 Eine kleine Enzyklopädie des Rheins

Zugvögel Am Rhein gibt es mehrere international bedeutende Rast- und Überwinterungsgebiete für Zugvögel. Jährlich werden die Vogelansammlungen durch freiwillige Helfer für die internationale Wasservogelzählung erfasst. In der Provinz Zuid-Holland halten sich in den Ramsar-Gebieten Voordelta, Grevelingen (Brackwasser-See), Haringvliet, Voornes Duin und Hollands Diep stets Zugvögel auf, besonders zahlreich in Grevelingen. Zwischen Duisburg und dem niederländischdeutschen Grenzgebiet finden sich in den weiten Wiesen- und Flussuferlandschaften jährlich Zehntausende von Wildgänsen aus Skandinavien, Sibirien und arktischen Regionen ein. Der Bienener Altrhein bei Rees und die Bislicher Insel sind besonders artenreiche Standorte. Hier trifft man auf Wasservögel, wie Haubentaucher, Teichhuhn, Schnatterente, Knäkente oder Löffelente. Spektakuläre Gäste sind auch Weißstörche, Seeadler und Silberreiher. Der schnellfließende Mittelrhein ist ein bevorzugtes Überwinterungsquartier für Gänsesäger und Schellenten. In der Oberrheinebene gibt es zahlreiche Rastund Überwinterungsgebiete. Neben dem frei fließenden Rhein selbst gehören dazu die hessische Kühkopf-Knoblochsaue, die Wagbachniederung im nördlichen Landkreis Karlsruhe und der Taubergießen nördlich von Freiburg, mit 1682 ha eines der größten Schutzgebiete in Baden-Württemberg. Der Altrhein bei Munchhausen (Elsass) sowie die Wasserflächen bei Plobsheim südlich von Straßburg sind bedeutende Überwinterungsgebiete für Zwergtaucher, Rallen, Tauch- und Schwimmenten. Eine der weltweit höchsten Wasservogeldichten lässt sich jeden Winter am sogenannten Seerhein beobachten, also am Auslauf des Bodensees zum Untersee, und am Untersee bis Stein am Rhein.

245 ó Drei prachtvolle Graugänse, stellvertretend für alle Zugvögel, die die geschützten und ungeschützten Rastplätze am Rhein anfliegen.

Zugvögel kennen ihre Wanderrouten nicht durch genetische Anlage, sondern durch die sogenannnte Prägung, durch Erlernen von den Eltern oder vom Schwarm. Die Prägung ist ein neurologischer Vorgang, der sich im Hyperstriatum abspielt, einem Hirnbereich, den nur Vögel aufweisen. Die Prägung lässt sich mit geeigne-

ten Tricks auch künstlich ausüben. Darauf beruht der Erfolg mehrerer Leichtflugzeug-Piloten, denen es gelingt, ganze Zugvogelschwärme zum Aufsuchen anderer Überwinterungsgebiete als der erlernten umzulenken. Damit ist es möglich, Zugvögel in Gegenden zu lenken, wo sie sicherer sind. jr /uw

Zugvögel 323

Anhang

Biografische Notizen zu den Autoren Dr. Gerhard Björnsen Geb. 1931 in Bergen, Norwegen. Studium Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Dort auch Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Hydromechanik und Stauanlagen, Promotion. Teilhaber in einem Ingenieurbüro für Wasserwirtschaft und Wasserbau, das er seit 1971 in eigenem Namen weiterführte. Zahlreiche Projekte im Hochwasserschutz und in der Hochwasservorsorge. Beratung und Mitwirkung bei Hearings in Landtagen, DIN-Ausschüssen und in internationalen Kommissionen zum Hochwassermanagement.

Rüdiger Homberg Geb. 1951 in Pforzheim. Studium Maschinenbauwesen und Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe. Pädagogikstudium an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Freie journalistische Mitarbeit beim Südwestfunk Baden Baden. Redakteur bei „Stadtradio Karlsruhe“. Freie journalistische Mitarbeit bei den Badischen Neuesten Nachrichten in Karlsruhe, bei einer PRAgentur. Korrespondent von Schifffahrts-Fachzeitschriften und Chefredakteur der Zeitschrift „Hafen aktuell“ der Rheinhäfen Karlsruhe. Seit 1997 Redakteur beim Presse- und Informationsamt der Stadt Karlsruhe.

Dr. Martin Matter Geb. 1944 in Schönenwerd, Schweiz. Studium der Geschichte und des Staatsrechts an der Universität Zürich. 1973 Promotion zum Dr. phil. Lang-

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jährige Tätigkeit in verschiedenen Schweizer Medien. Bis 2009 Redakteur und Mitglied der Redaktionsleitung der Basler Zeitung mit Schwergewicht Regional-, Umwelt- und Energiepolitik.

Jochen Rahe Geb. 1943. Studium der Soziologie an der Universität München, Stadt- und Regionalplanung an der LSE London. Im Auftrag der Architektenkammer Hessen Aufbau des Frankfurter Forums für Stadtentwicklung e. V. und der Weiterbildung für Architekten und Planer. Lehraufträge. Freiberufliche Sozial- und Stadtplanung. Lektor für Sachbücher im Piper-Verlag, München. Bundesgeschäftsführer Deutscher Werkbund e. V. Designförderung im Auftrag des Wirtschaftssenators Bremen. Freie verlegerische und publizistische Arbeit in den Bereichen Stadt- und Regionalentwicklung, Architektur und Design.

Horst Schmidt Geb. 1940. Gärtnerische Ausbildung, Studium an der Höheren Gartenbauschule Osnabrück und der Technischen Universität Berlin. Garten und Landschaftsplanung im Büro Darius, Bonn. Abteilungsleiter Landschafts- und Grünordnungsplanung im Gartenbauamt Karlsruhe, Leitung des Gartenbauamts von 1979 bis 2005. Zeitweise Sprecher der Gartenamtsleiterkonferenz BW und Vizepräsident der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL).

Prof. Dr. Jan G. Smit Geb. 1938 in Soestdijk, Niederlande. Studium der Sozialgeographie an der Universität Utrecht. Promotion an der Katholieke Universität Nijmegen (Neubildung deutschen Bauerntums; Innere Kolonisation im Dritten Reich), dort Universitätsdozent in der Abteilung Sozialgeographie und Deutschlandstudien, bis 2000. Gastvorlesungen

beim Regionalverband Mittlerer Oberrhein in Karlsruhe. Schwerpunkte: Landschaftsplanung, Rheinausbau, Kiesabbauplanung. Lehrauftrag am Regionalwissenschaftlichen Institut der Universität Karlsruhe, Vorträge und Veröffentlichungen. Autor des Buches „Die Vogesen“.

Dr. Urs Weber

an der Universität Münster, Gastprofessur an der Universität Klagenfurt.

Geb. 1937 in Solothurn, Schweiz. Schulen und Studium (Dr. iur.) in Basel. Sprachlehrer in den

Forschungstätigkeit im Rheinland, in Österreich, Bosnien-Herzegowina und im deutsch-niederländischen Grenzraum (ländlicher Raum, Zen-

USA. 1971 bis 2002 Redakteur bei der Basler Zeitung u. a. Leiter der Beilage Dreiland-Zeitung für

trum-Peripherie-Problematik). Seit 2000 Studien der Hochwasserproblematik im niederrheinischen Grenzgebiet zu den Niederlanden. Vorstandsmitglied Hoogwaterplatform, Niederrhein-Akademie, Rheinischer Verein, Regionalverband Niederrhein; Gastprofessur Universität Klausenburg (Cluj Napoca), Rumänien; Dozent und Kuratoriumsmitglied Katholisches Bildungszentrum Wasserburg in Kleve-Rindern, Dozent an der VHS Kleve, Trainingszentrum KIT Amsterdam.

Martin Stieghorst Geb. 1939. Studium Architektur an der Universität Stuttgart, Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Landschaftsplanung der Universität Stuttgart. Landschafts- und Gemeinde-Entwicklungspläne. Sachbearbeiter für Freiraumplanung

die grenzüberschreitende Region um Basel. Freier Autor. Lebt im Wallis, Schweiz.

Günter Wendel Geb. 1941. Studium des Bauingenieurwesens an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Seit 1968 in der Wasserwirtschaftsverwaltung BW tätig, Schwerpunkte Flussbau, Erarbeitung und Umsetzung des „Integrierten Rheinprogramms“. Planung bis zum Bau der Polder bei Söllingen / Greffern und Rheinschanzinsel sowie Dammrückverlegung Kirschgartshausen.

Tilo Wiedemann Geb. 1963. Studium der Geographie in Saarbrücken und Gießen. Von 1992 bis 2001 Landschaftsplaner in Planungsbüros in Hessen. Seit 2001 Freiraumplaner beim Regionalverband Mittlerer Oberrhein in Karlsruhe. Schwerpunkte: Landschaftsrahmenplanung, regionaler Biotopverbund, Bodenschutz.

Biografische Notizen zu den Autoren 327

Register Aal

39, 107/108, 150 Aalschocker 215 Aare 21, 23, 64, 98, 103, 105, 108, 138, 168, 206 ff., 249, 250, 252/253, 262, 277, 287, 297, 308 Abbau, biologischer 113 Abfluss 80, 84, 133, 147, 151, 157, 158, 161, 167, 168, 170, 172, 173, 181 Abflussspitze, Höchstabfluss 147, 167, 169, 182 Abkommen 76, 86, 88, 91, 93, 114, 248, 250, 285 Ablagerung 121, 128, 168, 229 Abstandsgeschwindigkeit (des Grundwassers) 127 Abwärtswanderung 42 Abwasser 112, 113 Acher 86 (Grafik), 132/133 Aedes 271, 312 Agrochemikalien 37, 95, 96, 119, 121 Aktion Blau 173, 198 Aktion „Rettet den Rhein“ 262 Aktionsplan Hochwasser 91, 173 ff., 250 Aktionsprogramm Rhein 117, 120, 121,172 Alarmsystem 122, 118 Albbruck-Dogern 114 Algen 210, 221, 261 Alpenrhein 37, 98, 137, 157, 167, 168 Altlast 121 Anadrome Wanderfische 107 Anopheles-Mücken 271, 272, 312 Ansiedlungspolitik 273 Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (ARE) 248 Arbeitsgemeinschaft der Rheinwasserwerke (ARW) 95 Altrhein, Altarm 130, 151 – 153 Ärmelkanal 283 Aue, Rheinaue 33, 34, 81, 83, 112, 150 – 153, 159, 169, 170, 172, 181, 183, 185

328

Aufhöhung 136 Aufstieg (der Wanderfische) 39, 42, 61, 62, 44, 107, 150, 264 Austausch (biologischer, genetischer) 33, 34, 36, 184,185

Baldner, Leonhard 106 ff. Basel 85, 94, 106, 114, 115, 116, 169, 189, 211 – 215, 216, 217/218, 225, 238, 243, 272, 285, 303, 317, 320 Basel-Mulhouse-Freiburg (Flughafen) 247 Basel-Rheinhalle (Pegel) 168 Basler Verfahren (Trinkwassergewinnung) 93, 320 Bauschutt 101 Begradigung (von Gewässern) 82 Belastung (thermisch, chemisch, Schmutzfracht) 7, 15, 43, 114, 115, 118, 120, 220, 261 Bemessungsabfluss 157 Bemessungsgrenze 163, 174 Bergbau 28, 240, 307 Bergsenkung 143, 144, 175 Berme 228 Bermenweg 228 (Grafik) Betonbogenbrücke 213 Bewegungsenergie (des Wassers) 136 Bilge, Bilgenöl 118 Binnenschiff 68, 73, 74 (Anm.) Binnenwasserspiegel 132 Biomasse 242 Biotop 33, 35, 36, 37, 38, 185 Biotopachse 28, 35 (Bild), 36 (Bild), 185 Biotopnetzwerk 36 Biotoptyp 33, 35, 37 Birsfelden 59 (Grafik), 60, 62 (Grafik), 90 (Grafik), 138, 144, 213, 217/218 Blauburgunder 317, 319 Bodensee 37, 113, 137, 167, 168 Bodenseekonferenz 220, 248

Bonatz, Paul 259, 280 (Bild) Bonner Abkommen 248 Boven Merwede 282 Bregenz 22, 208, 219, 224, 290

Caesar, G. Julius 15, 225, 289 Chemieabkommen 114 Chloridabkommen 114 Container 38, 68, 73, 74 Containerterminal 74, 274 Crémant d’Alsace 317, 318 Damm

60, 88, 89, 181 (Grafik), 188, 192, 227, 229 (Grafik), 260 Dammrückverlegung 181 (Grafik), 184 (Bild), 185 (Grafik), 327 Dampfschlepper „Mainkuh“ 268 Deckschicht (der Flusssohle) 99, 141 Deich (s. auch Damm) 33, 82, 131, 132, 134, 156, 157, 159, 160, 161, 162, 163, 164, 167, 168, 169, 170, 173, 174, 175, 177, 178, 179, 180 – 186, 190, 196 Deichrückverlegung 172, 178, 179, 180 – 186 Deltaplan 39, 191 – 196 Deltarhein 175 – 178 Deutscher Orden 230 Doggerbank 24 Donau 237, 267, 268, 294, 299 Dordrecht 164 (Bild), 243, 282, 287 Dorfpolder 54 Dornfelder 319 Doubs 21, 22, 302 Drainagegraben 130 Dreiländereck 231/232 Dreisam 239 Drempel 138 Druckwasser 131 Duisburg 68, 72, 112 (Bild), 113 (Bild), 175, 215, 217, 232 ff., 238, 282, 298, 301, 303, 306 „duisport“ 72, 233 ff., Düne 94 (Grafik), 190 Durchfluss 183 Durchlass 153 Durchlässigkeit (des Untergrundes) 128 Durchstich 82 Düsseldorf 45, 49, 68, 72, 236/237, 282, 298, 303 Düsseldorfer Verfahren (Trinkwassergewinnung) 94

Eggert, Hermann

313 Ehrenbreitstein 48 (Bild), 255, 260 Eiermann, Egon 223 (Bild) Eifelvulkanismus 260 Eimerkettendampfer 235 Eintiefung (der Stromsohle) 136, 143 Eintretenswahrscheinlichkeit (von Hochwasser) 157, 159, 161, 163, 169, 178 Eisenbahnfähre 306 Eisensalz 221 Emscher 66 (Bild), 175, 239/240, 282, 322 Emscher-Genossenschaft 240 Emmendingen 27, 239 Emmerich 39 (Bild), 55, 68, 71, 90 (Grafik), 157, 158 (Grafik), 159, 174, 224, 254, 280, 283, 297 Entwässerung 132 Erdaushub 101 Erderwärmung 146 Ernst-Ludwig, Großherzog 320 Erosion, Sohlenerosion 80, 82, 168 Erosionskeil 88, 139 Europäische Hauptwasserscheide 11, 237, 268 Europäisches Nordmeer 283 Europaschiff 302 Eutrophierung 104 Extremhochwasser 166, 172

Faesch, Emil

212 Fahrwasserbreite 84 Fahrwassertiefe 84, 142, 149, 226 Faulschlamm 113 Feichtinger, Ditmar 316 Felsenschwelle 126, 302 Fischadler 252 Fischerei 27, 64, 102 ff., 192, 220 Fischergalgen 103 (Bild) Fischpass 39 – 42 Fischsterben 113 ff., 151, 310 Flächenrecycling 38 Flimser Bergsturz 303 Flora-, Fauna-, Habitatrichtlinie 275 Floriade 48 Freibord (der Deiche) 158, 170, 173, 178 Furkation 80, 229 Furt 151 (Grafik)

Register 329

Gefälle

168, 169, 173 Geothermie 66 ff. Geschiebe 98, 136, 137, 138, 139, 140, 144 Geschiebebewegung 90, 135 – 145 Geschiebedefizit 143 Geschiebefang 145 Geschiebehaushalt 143, 145 Geschiebetrieb 141, 142, 144 Geschiebezugabe 89, 139, 140, 141, 144 Gesteuerter Polder (Rückhaltung) 167, 172, 178 – 186 Gestör 244 Gewässerentwicklung 122 Gewässergütekarte 114, 120 Gierfähre 211, 242 ff. Gleichgewichtszustand (der Stromsohle) 136 Gletscher 22, 146, 147, 206, 209, 219, 247, 251, 291, 303 Glotter 239 Goethe, Johann W. v. 27, 38 „Goldenes Tor“ 213 Golfstrom 107/108 Grabensohle 98 Grand Canal d’Alsace (Rheinseitenkanal) 40, 42, 62/63, 76 (Grafik), 85/86, 106, 128, 138, 169, 218, 251 Grauburgunder 317 ff. Grimsel 64, 207 Gronau Bonn 49 Gronau-Enschede 248 Großschifffahrt 68 – 74, 83 Großwetterlage 147 Grundwasser 82, 85, 86, 99, 101, 120, 126 – 130, 133, 159 Grundwasserabsenkung 87, 129 Grundwasserneubildung 127, 148 Grundwasserspiegel, Grundwasserstand 83, 127, 129, 130, 138, 139, 173

Hafen

38, 39, 43, 50, 68 ff., 78, 88, 138/139, 199, 206 (Bild), 209, 213, 216 ff., 223, 230, 232 ff., 237, 238, 243, 256, 263, 272 ff., 280, 282, 304 ff. Haringvliet 39, 192 ff., 281 (Grafik), 282, 287, 322 Hessenland 244 Heuss, Theodor, Theodor-Heuss-Brücken 231, 236, 270, 271

330 Register

Hitzeperiode 149 Hochheim 292, 318 Hochrhein 42, 98, 114, 138, 144 Hochrheinschifffahrt 60 Höchster schiffbarer Wasserstand (HWS) 224 Hochwasser 34, 37, 80, 82, 128, 132, 140, 144, 146, 148, 156 – 166, 167 – 179 Hochwasserdeich 181, 199, 202 Hochwassergefahr 7, 64, 90, 156, 168, 174, 179 Hochwasserretention 167 ff. Hochwasserrisiko 179, 197 ff. Hochwasserschutz 89, 133, 134, 151, 155 ff., 196 ff., 231, 240, 246, 279, 297/298 Hochwasserschwelle 175 Hochwassersicherheit 83, 139, 144, 169/170, 187, 197 ff. Hochwassertouristen 201 Hollands Diep 266, 282, 287, 322 Honsell, Max 82 (Grafik), 83 ff., 91 (Anm.), 227, 261 „Hot-Dry-Rock“ 67 Hüningen (Huningue) 85, 102, 302, 316 Hunsrück 24, 172, 210, 230, 277, 279

IAWR

95 ff. IBA Emscherpark 240 Iffezheim 40 ff., 58, 59, 63, 68, 76, 82, 86 ff., 104, 112, 130, 133 (Bild), 139, 141 ff., 157, 159/160, 169, 170, 172, 180, 184, 188, 227, 229, 284/285, 297 Ijssel 13, 16, 25, 31, 55, 94 (Grafik), 175 ff., 191 ff., 281 IJsselkop 281 Ijsselmeer 52, 190, 191, 281, 284 IKSR 36, 91, 114, 117, 118, 172 Ilanz 146, 303 Ilanzer See 303 Île Napoléon 302 Iller 22/23 Infobest 248 Integriertes Rheinprogramm 37, 134, 151, 170, 171, 179 (Anm.), 186, 187 ff. Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet (IAWR) 95 Internationale Bauausstellung IBA 215, 240 Internationale Bodenseekonferenz 220, 248

Internationale Gewässerschutzkommission Bodensee (IGKB) 220, 248 Internationale Kommission zum Schutze des Rheins (IKSR) 36, 91, 114, 117, 118, 172 Internationale Regierungskommission Alpenrhein 179 (Anm.), 209 Internationale Rheinregulierung 76 (Grafik), 179 (Anm.), 209 International Union for Conservation of Nature and Natural Resources (IUCN) 107, 242, 286 Interreg 248, 285 Isteiner Klotz 126 Isteiner Schwelle 22 (Bild), 302

Köln 44/45, 49, 72, 94, 147, 157 – 160, 165, 173, 174, 226, 237/238, 239, 243, 255, 256 – 260, 289, 295, 298, 312 Kölner Bucht 255 Kölner Grün 258 (Bild), 259 Kondominiumsgebiet 219 Kontinentalsockel 283 Korngröße 98, 139, 141 Kraftwerk 85, 87, 88, 89, 114, 149, 150, 167 Kühlwasser 114, 149, 157 Kulturhauptstadt Ruhr 307 Kulturwehr 85, 129, 132, 160 Küstenfischerei 105

Jura

Lachs

21, 206, 209, 217, 218, 252, 253, 308 Juragewässerkorrektion 168, 206, 252 ff.

Kaiseraugst 65 Kali, Kalisalz 20, 28, 114 Kanal 68, 86 Käppelijoch 212 Karlsruhe 14 (Bild), 49, 50, 68, 72, 79, 80, 89, 100, 104, 115, 136, 139, 140, 151, 157, 211, 246, 285, 312, Karlsruhe Gewässergütemessstation 316 Katadrome Wanderfische 107 Katastrophenbewusstsein 163 Katastrophenhilfe 202 Katastrophenhochwasser 157, 160, 161, 163, 165, 175, 179, 191 Kernenergie 65/66 Kettenschifffahrt 253 ff., 268, 280 Kies 68, 68, 98 – 101, 126, 136, 138, 139, 141 Kiesabbau 99, 143 Kiesabdeckung (der Stromsohle) 141 Kiesgrube 68, 98 ff. Kinderdijk 132 (Bild), 281 Klappschute 139/140 Kläranlage 37, 93, 96, 97, 103, 108, 114 ff., 199, 220, 240, 261, 268, 311 Klimamodell 146 Knielingen 82 Koechlin, Nicolas 237 Kohlekraftwerk 66 (Bild), 149, 259 Kolk 138, 139, 140, 142, 151 Kolmation 130

38, 39 ff., 62, 64, 103, 107, 310 Lachs 2000 108 (Anm.), 309 Lachs 2020 42 (Anm.) Lagerstätte (Kies) 100 Länden (Schifffahrt) 68 Laufenburg 26, 59 (Grafik), 60 ff., 250, 263 Laufverkürzung (des Rheins) 82 Lauterburg 74, 76 (Grafik), 91 (Anm.), 248, 285 Leinpfad 133 Leitfisch 39 Lek 94 (Grafik), 175, 177, 226, 281 ff. Leonhardt, Fritz 258, 259 Leopoldskanal 239 Lockergestein 126 Lörrach 67, 320 Ludwig XIV. 27, 289 Ludwig Wilhelm, Markgraf („Türkenlouis“) 278 Ludwigskanal 299

Mäander

20, 23, 24 (Bild), 62, 80 ff., 152, 153, 206, 218, 229, 240, 277, 296, 310 Maas 11, 20, 25, 52, 53, 95, 105, 164 (Bild), 191, 194, 206, 230, 237, 248, 266 ff., 281 (Grafik), 282 Maasvlakte 282, 305, 306 Maeslant-Sturmflutwehr 194 – 196 Main-Donau-Kanal 68, 69 (Grafik), 79, 268, 299 ff. Mainz 43, 45, 68, 75, 79, 149, 225, 267 – 271, 284, 289, 294, 317 Mainz-Weisenau 145 Mannheimer Akte 75 ff., 212 Massenbilanz 136, 140

Register 331

Massengut 73 Medelser Rhein 12, 226, 286, 311 Medikamente 96 ff., 108, 309 Meerforelle 37 Meerneunauge 37 Messstelle 117 Metabolismus 96 „metrobasel“ 215 Mikrobielle Abbaubarkeit 95/96 Millingen 52 (Bild), 180 (Bild), 239 (Bild), 241, 280 Mittelgebirge 169 Mittelrhein 40, 72, 120, 126, 142, 148, 159, 172, 193 Modellrechnungen (Klima) 147 Möhnetalsperre 307 Mosel 12, 20, 23, 40, 63, 64, 68, 74, 78, 79, 103, 114, 118, 119 (Grafik), 142, 147, 173, 225, 230, 262, 267, 276, 277 ff., 279, 297, 300, 306, 312, 318 Mosel-Saone-Verbindung 277 Mülhausen (Mulhouse) 20, 237, 251, 285, 302 Müller, Hermann 318 Murgschifferschaft 278 Muscat d’Alsace 317, 318

Nackenheimer Schwelle

134 NAP – Normaal Amsterdams Peil 209 Nassbaggerung, Nassabbau 99 Naturhaushalt 159 Nederrijn 175 Niederlande 37, 114, 131, 132, 135, 158, 161, 162, 173,175, 178, 190 – 196 Niederrhein 40, 120, 131, 132, 134, 142, 148, 149, 157, 158, 162, 173, 174, 178 Niederschlag 127, 132, 147 Niederung 34, 131 – 133, 163, 164, 167 Niedrigwasser 83, 84, 88, 146, 148, 149, 151, 152 Nieuwe Maas 282, 297, 304, 306 Nieuwe Waterweg 17 (Bild), 39, 191, 194, 226, 281 ff., 295, 297, 304, 310 Nimwegen 34, 53 (Bild), 54, 55, 232, 243, 266, 282, 297 Noordoostpolder 191 Nordsee 37, 115, 120, 121, 175, 190 – 196 Novartis AG 214, 309

332 Register

Oberrhein

40, 42, 72, 120, 136, 138, 147, 148, 151, 157 – 161, 169, 170 – 173, 178, 183 Oberrheingraben 80, 84, 140,147, 169 Oberrheinkonferenz 100, 101 (Anm.), 215, 248 Oberrheinrat 248 Oberwesel 276 Objektschutz 173 Oblast 245 OECD 227 Ökologische Flutung 184 Ökosystem 26, 29, 112, 120, 121, 194, 250, 309 Ölkontrollbuch 216 Oosterschelde 192, 194, 281 (Grafik) Opfermann, Ignaz 270 Ostschweizer Wein 317 Oude Maas 281 (Grafik), 282

Pannerdense Kop

280, 282 PCB 121, 285 Pegel 86 (Grafik), 135, 141 (Grafik), 146, 147, 149, 156 ff., 160 ff., 167 – 178, 197, 209, 219, 255, 264, 265, 296, 310, 314, 322 Pegelhaus 44 Péniche Freycinet 246 Petrarca, Francesco 26 Phosphor 115, 120 Phosphorsäureester 317 Philippsburg 65, 100, 127, 128 (Bild), 133/134, 149, 261 „die Pille“ 96 Plankton 113, 115, 117, 122 (Anm.), 261, 309 Pliozän 21/22 Po 237 Polder 7, 8, 37, 131 – 135, 160, 167, 170, 175, 177 – 186, 187, 229, 286, 298 Polderdeiche 47 Portugieser 319 Ptolemäus 296 Pumpwerk 132 – 135

Qualitätsstandard 122 Qualmwasser 127 (Bild) Quecksilber 106, 116, 308, 317 Quellen, diffuse 121 Rapfen 107 „Raum für den Fluss“

177, 178

Raumnutzung 100, 131, 165 Recycling 101, 150, 214 Regen, Regenfall 127, 147, 160 Regionalverband Ruhr (RVR) 307 Reichenau (Untersee) 310 Reichenau-Tamins 58, 208 Rektifikation 81, 90, 128, 227 Renaturierung 30, 32 (Anm.), 37/38, 108, 151, 173, 207, 218 Restrhein 129, 138 Retentionsmaßnahme 170, 173, 178, 179 Retentionsraum, Rückhaltebecken 160, 163, 164, 168, 170, 172, 174, 179 „Rhein 2020“ 37, 120, 122, 125, 259 Rheinalarm 309 Rheinauen 30 ff., 50, 151, 153 (Anm.), 159, 170, 180 ff., 278, 287 Rheinebene (Alpenrhein) 209 Rheinebene (Niederrhein) 310 Rheinebene (Oberrhein) 27, 81, 99/100, 127, 130, 239, 255, 278, 279, 322 Rheinfall (bei Schaffhausen) 42, 126, 168 Rheinfelden 50, 58 – 62, 78, 85, 105, 225, 295, 297 Rheinfonds 106, 309 Rheinfunk 216 Rheinischer Verein 55 (Anm.) Rheinknie 284 Rheinkorrektion (Tulla) 83, 91 (Anm.), 226 Rheinland-Besetzung 320 Rhein-Main 100, 218, 268, 285, 287 – 289, 299/300 Rheinminister 36, 37, 120, 125, 316 Rheinniederung 80, 83 Rhein-Ruhr 218, 232 ff., 302, 303, 307 Rheinseitendamm 228/229 Rheinseitenkanal (Grand Canal d’Alsace) Rheinstör 39 Rheinstrandbad 211, 266 Rheintal-Charta 276 Rheinzentralkommission 75 ff., 246, 296, 313/314 Rhenania 256, 298 Rhone 21 ff., 229, 237, 251, 277, 283, 302 Richtlinien der EU 37, 92, 120, 123 ff., 150, 173, 194, 250, 275 Riesling 277, 279, 282, 317/318

Riesling-Silvaner (Müller-Thurgau) 317 Risiko (der Überflutung) 157, 160, 162, 163, 164, 167 – 170, 174, 178 Ro-Ro-Anlage 274 Rossi, Egidio 278 Rothaargebirge 24, 262, 306, 310 Route der Industriekultur des Ruhrgebiets 66 (Bild), 302, 308 Rückhaltevolumen, Retentionsvolumen 170, 172, 174, 183, 184 Rüdesheim 28, 45, 275, 276, 292, 306 Ruhr 13 (Grafik), 25, 64 (Grafik), 79, 119 (Grafik), 173, 232 ff., 240, 282, 301, 306 ff., 319 Ruhrgebiet 114, 115, 218, 227, 234, 238, 240, 282, 302, 306, 307 ff., 312 Ruhr-Generalplan 307 Ruhrkohle 24, 175, 237, 307 Ruhrort 234 ff. Ruhrtal 240 Ruhrtalsperren 307 „Ruimte voor de Rivier“ 177/178

Saint-Louis 238 Salinität (Salzgehalt, Salzwasser) 114, 192, 194, 284 Salz 143, 144, 175, 303, 309 Salzsee 20 Sandoz AG 106, 116, 122, 214, 308/309, 321 Sauerstoff, Sauerstoffgehalt 94, 113, 114, 115 – 120, 184, 317 Sauerstoffdefizit, -mangel, -zehrung 113, 115, 151, 183, 261 Sauerstoff (Ozon) 221 Schadenshöhe, -betrag 164, 165 Schadenspotential, -risiko 163, 174 Schadstoff 8, 99, 114, 117 – 122, 215, 250, 261, 310 Scheitelabfluss 163, 170 Scheitelpunkt (des Hochwassers) 170 Schelfmeer 283 Schifffahrt (Main, Donau) 268, 299 Schifffahrt (Mosel) 277 Schifffahrt (Neckar) 280 Schifffahrt (Rhein), Güterschifffahrt 7, 12, 15, 30, 32, 58, 64, 68 – 74, 118, 145, 213, 214, 216, 224, 226, 234 ff., 246, 254, 255, 256, 265, 268, 269 ff., 272 ff., 294, 306, 311

Register 333

Schifffahrt (Ruhr) 307 Schifffahrtsabfälle (vgl. Bilge) 216, 231 (Schifffahrt) Ausflugs-, Personenschifffahrt 68, 206, 217, 220, 246, 263, 300, 302 Schifffahrtsbedingungen, -behinderungen 62, 85, 126, 148, 207, 211, 225, 238, 245, 254, 296, 302, 311, 314 Schifffahrtsbehörden 75 – 79, 227, 238, 241, 296, 313, 319 Schifffahrtsstraße, Großschifffahrtsstraßse, Wasserstraße 68, 78, 83, 112, 225 263, 267, 268, 276, 277, 283, 297, 299, 300, 302 Schiffsabmessungen 246 Schiffshebewerk 300 Schiller, Friedrich 272 Schlamm 31 (Bild), 144, 200, 239, 246, 269, 311 Schleppkahn 210 Schleppraddampfer 235 Schleppschifffahrt 245, 272, 280 Schleppspannung 98, 136, 138, 140 – 142 Schleuse 47, 60, 63, 68 – 74, 78, 85 – 88, 106, 135, 138, 139, 192, 246, 253, 262, 265, 268, 277, 280, 299, 300, 302, 319 Schlinge 25, 41, 62, 63, 106, 169, 262 Schlingenlösung 12 (Grafik), 63, 64 (Grafik), 76 (Grafik), 86 ff., 130, 138 Schluten 152, 188, 189 Schnee 127, 146ff., 160, 167, 169, 207 Schöpfwerk 131 – 135 Schotter 128, 137, 139, 209 Schrägseilbrücke 236, 258, 305 Schubschiff, Schubschifffahrt, Schubverband 70 – 74, 235, 299, 319 Schürmann, Joachim 159, 223 Schutzgrad, Schutzniveau, Schutzziel 159, 162, 163, 174 Schwellen, Sohl-, Grundschwellen 76 (Grafik), 87, 126, 130, 138, 139 Schwermetalle 114 ff., 121, 317 Sediment 29, 121, 106, 117, 120, 121, 261, 285, 290/291, 310, 311 Sediment-Korngröße 98 Sediment-Management 145 Sedimentschicht 128 Seerücken 22 Seilschlepper 254

334 Register

Seine 11 Seitendämme 130 Seitengraben 130, 133 Seitenkanal 85 Sicherheitsempfinden 163 Sickerlinie 228 Siedlungsverband Ruhrkohlebezirk 307 Silvaner 317 Smaragdnetzwerk 314 Sohle, Flusssohle 33, 88, 128, 168 Sohleneintiefung 128 Sohlenerosion 82, 83, 88, 136 – 145 Sohlengleichgewicht 136, 145 Sohlenpanzerung 139, 141 Sohlpeilung 142 Sohlschwellen 139 Soultz-sous-Forêts 66 Spitzenabfluss 167, 181 Stahlfachwerkbrücke 212, 213, 236, 257, 258, 289, 306, 315 Statistische Illusion 161 Stauhöhe 175, 183 Staustufe, Stauanlage, Stauhaltung 40, 41, 85, 88 – 89, 90, 112, 130, 136, 138 – 140, 144, 145, 160, 169, 175, 187, 280, 299, 311 Staustufe Iffezheim 227 Staustufe Kembs 76 (Grafik), 85 Stauvolumen 185 Stechmücken 81, 272, 312/313 Steinerne Bänke 143 Steinkohle 24, 143/144, 175, 265 Steinsalz 144 Stickstoff 115, 119 – 121, 250, 261 Stör, atlantischer 39, 102 (Bild), 106/107 Störfall 118, 122 Straßburg (Strasbourg) 69 (Grafik), 86 Stromerzeugung 58 – 64, 129 Stromsohle, Flusssohle, Gewässersohle 85, 128, 136 – 145 Stückgutverkehr 73 Sümpfungswasser 240

Thann

106, 237 Theisen-Schenkung 231 Themse 24, 229, 283, 284 Thiersch, Friedrich von 212, 271 Thurgau, Kanton 103, 219, 220, 318

Tidenhub 229 Tiefenerosion 82, 89, 188 Transeuropäische Verkehrsnetze (TEN) 238 Trichtermündung 229 Trockenbaggerung, Trockenabbau 99 Tulla, Johann Gottfried 28, 62, 81 – 83, 138, 239, 272, 278, 296, 302, 320 Turbine 42, 89, 108, 245, 308

Überdüngung

120 Überflutung 34, 81, 157,160, 165, 167 – 169, 173, 175, 177 – 179, 184 Überflutungsfläche, Überflutungsgebiet 167, 170 Überflutungsrisiko 157, 162, 165, 168, 169, 173 Überprägung 27, 38 Überschwemmungsgebiet 64, 82 (Grafik), 199 ff., 229 Überwachung (der Wassergüte) 117 Uferfiltrat 115, 128, 130 Umschlag 72/73, 233, 256, 272 ff., 306 Umschlagplatz 214, 217, 234 UNESCO 222, 254, 286 Ungesteuerter Polder (Rückhaltung) 167, 181, 185 Untergrund 127, 130 Untergrundpassage 128 Unterlieger 163, 169, 173, 175, 190, 229, 311, Unterwasserdünen 145 Untiefen 83

Verhaltensänderung 160 Vernässung 130 Vernetzung 152 Versailler Vertrag 63, 76 (Grafik), 77, 85, 91 (Anm.), 273, 320 Versalzung 192 Vollausbau 169, 170, 185, 186 Vorflut 131 Vorsorge, planerische 165 Waal 135, 175, 177, 178 Wanderfisch 7, 8, 39 – 42, 61, 107, 150, 194, 264 Wärmebelastung 150 Wärmeeinleitung 149/150

Warn- und Alarmplan Rhein 118, 122 (Anm.) Waschberge 143 Wassergüte, -qualität 112 – 122 Wasserkraftwerk 58 – 65, 103, 207, 245, 249, 250, 263, 284, 308 Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) 37, 120, 122, 173 Wasserschutzpolizei 216, 235, 261 Wasserspiegel 83, 85, 127, 128, 130, 157, 158, 168 Wasserstand 87, 127, 129 – 131, 139, 148, 150, 161, 168 Wasserstraße 83 Wassertemperatur 120, 149, 150 Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) 17 (Anm.), 78, 241 Wasservogelzählung 322 Wasserwerk 92 – 97, 216, 222, 231 Weißburgunder 317 Weißwurstäquator 269 Wels 105, 107 Weltkulturerbe der UNESCO 208, 276, 295, 304, 310 Wesel 282, 307 Wesel-Datteln-Kanal 319 Wetlands International 242, 287 Wetterlagen 146/147, 198 Wettstein, Johann Rudolf 212 Wiederkehrintervall (der Hochwasserereignisse) 164, 174, 183 Wiener Kongress 75, 296, 298 Wieringermeer 191 Wiesbaden 226, 270/271, 304 Windmühle 131, 132 Winzersekt 318 Worms 20, 68, 80, 169/170, 293, 294, 301, 320/321 Worms Rheingütestation 117, 309, 316, 321 WRRL (Wasserrahmenrichtlinie) 37, 120, 122, 173 Würmeiszeit 22, 209, 303

Zentralkommission für die Rheinschifffahrt 75 ff., 85, 246, 296, 313/314 Zugvögel 252, 322/323 Zuiderzee 191 Zweiter Weltkrieg 62/63, 74 (Anm.), 226, 320

Register 335

Bildquellenverzeichnis Armbruster BAW 107, 157 Badisches Landesmuseum Karlsruhe 204 Basel Tourismus 179 BASF Pressefoto 98 Baumgartner 184 Bernhart 12, 25, 133, 159, 167 Bezirksregierung Düsseldorf 138 Björnsen 173 Borchelt 82 Brönnimann 178 Bundesanstalt für Gewässerkunde 100 Bundesanstalt für Wasserbau 32, 57, 59, 68, 71, 72, 75, 76, 80, 94, 118 Bundesgartenschau Koblenz 2011 41 Clapis 236 Claudius2/Binnenschifferforum 181 Düdder 42, 185, 210, 238 duisport AG 195 Düsseldorf Stadtarchiv 38 ECE Projektmanagement Ludwigshafen 222 Eigene Darstellung nach Internationale Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes/Ploeger 225 Eigene Darstellung nach Rheinischem Bildarchiv 202 Eigene Darstellung nach Rhin-Meuse Info 61/EDF 48 Eigene Darstellung nach Rijkswaterstaat 146 EnBW Kernkraftwerk GmbH 51 EnBW Kraftwerke AG 31, 35 Energiedienst Rheinfelden 50 Enjoylife2 – iStockphoto.com 108 Furrer 49 Gemeinde Brühl 137 Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein 111 Giacomo 1970 – Wikimedia Commons 176 Gloger 91 Gotsch 186, 198, 212, 215, 219 Hafengesellschaft Mannheim 220 Hagemann 1 Hartmann 33, 36 Hessisches Bereitschaftspolizeipräsidium 14 Hessischpedia 216 Hochwasserschutzzentrale Köln 132, 140 Internationale Kommission zum Schutz des Rheins 92, 206 Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz 8, 19, 22

336

Kastien 232 Kommunale Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. 241 Königlich niederländische Gesellschaft für Geographie 81 KSB Frankenthal 203 Kutter und Späth 11 Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg 83 Landesanstalt für Umweltschutz BadenWürttemberg 102, 103, 126 Landesanstalt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht Rheinland-Pfalz 96, 97, 99, 214, 244 Leibniz-Institut für Länderkunde 54 Lobdengau-Museum Ladenburg 209 Mahler 245 Manwolste – iStockphoto.com 61 marioArte – Fotolia.com 174 Matter Tabellen 1, 2, 3, 4 Meyer, Erich, Luftaufnahmen, 79686 Hasel 34 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen 145 Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz 144 Museum Deutsche Binnenschifffahrt, Duisburg/F. Görigk 197 Museum Rheinschauen Lustenau A 228 NABU Rheinauen 207, 208 Nijland 10, 30, 46, 148, 150, 168 Nuijten 26 Parpan05 – Wikimedia Commons 205 Picture alliance / dpa 95 Popakademie Baden Württemberg 223 Rahe 182, 200, 218, 221, 231 Regierungspräsidium Freiburg 70, 142, 143, 152, 153, 161, 162, 163 Regierungspräsidium Karlsruhe 6, 69, 104, 106, 136, 192 Regionalpark RheinMain GmbH 227 Regionalverband Hochrhein-Bodensee 5 Regionalverband Mittlerer Oberrhein 86 Rheinkolleg e. V. 235 Rijkswaterstaat 9, 43, 47, 88, 90, 131, 134, 139, 147, 149, 151, 160, 164, 165, 166, 169, 170, 171, 172, 199 Schaffhauserland Tourismus 13, 229 Schall 217, 224 Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft 177

Smit 44, 45, 87, 109, 113, 141, 194, 201 Sonderegger 4 Späth 17, 18, 20, 23 Staatskanzlei Graubünden Chur 175 Stadt Duisburg 237 Stadt Rheinfelden (CH) 89 Stadt Weil am Rhein 243 Steinmetz 28, 29, 74, 85 Stieghorst 77, 101, 105, Tabelle 5 Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Rheinland-Pfalz 193 Struktur-und Genehmigungsdirektion Süd, Rheinland-Pfalz 154 Thijs Shouten – Fotolia.com 239, 240 Tröger BAW 155 Verband Bilgenentölung Broschüre 180 Vieser 73 Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen 56, 60, 65, 123 Wasser- und Schifffahrtsamt DuisburgRhein 37, 39, 52, 62, 63, 64, 93, 116, 119, 120, 121, 122, 125, 135, 187, 196 Wasser- und Schifffahrtsamt Freiburg 55, 66, 115, 117, 189, 190 Wasser- und Schifffahrtsdirektion Südwest 3, 53, 78, 79 Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes 2, 58, 114 Wendel 7, 15, 16, 21, 40, 110, 112, 127, 128, 129, 130, 156, 158, 188, 191, 211, 213, 226, 230, 233 Wiedemann 124 Zentralkommission Rheinschifffahrt 67, 234, 242 Zimmermann 24, 27, 84 Die Kapiteleinstiegsabbildungen auf den Seiten 18/19, 56/57, 110/111, 154/155, 204/205, Luftaufnahme Seite 324/325 von schreiberVIS, Seeheim

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