Handbuch für den Offizier zur Belehrung im Frieden und zum Gebrauch im Felde: Abteilung 2 [Reprint 2020 ed.] 9783111723518, 9783111086934


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Handbuch für den Offizier zur Belehrung im Frieden und zum Gebrauch im Felde: Abteilung 2 [Reprint 2020 ed.]
 9783111723518, 9783111086934

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Handbuch für

d e n

Offizier zur

Belehrung im Frieden und zum Gebrauch im Felde.

Herausgegeben von

R. v. L.

Apis moref

Zweite Abtheilung*

bei

Berlin, G. Reimer, 1818.

Inhalt. Vom kleinen Kriege. I. 419. 420. 421. 422.

423. 424. 425.

426.

427.

428. 429.

430. 431. 432.

Allgemeine Betrachtungen über Len kleinen Krieg. kleine Krieg wird verschieben, aber meist ungenügend desinirt. Seite i. Er wird häufig geringer geachtet als Recht ist. 3 Er ist ein wesentlicher, dem Geiste heutiger Zeit völlig ange­ messener, Bestandtheil der Kriegführung. 4 Kurze Ab.schilderung des Krieges überhaupt. Heer, Feldzug, Operation. 6 Die Kriegszwecke bedingen die Kriegesthätigkeit; militärische

Zwecke, politischer Endzweck. 8 Fortsetzung. Die Kriegeszwecke find höchst mannichfaltiger Art. 9 Im Großen wie im Kleinen muffen die Jntermediarzwecko stets den Endzwecken untergeordnet werden. 13 Verschiedene Falle: man sucht das Gefecht, man soll es vermei­ den, man soll gewisse Punkte erobern, behaupten, beschützen, man soll blos zu Gunsten anderer Kriegshaufen mitwirken, künftiges vorbereiten u. dgl. 15 Nächst dem Zwecke bedingt die Gesammtheit der Umstände die kriegerische Thätigkeit. Verschiedene Wege; widerstreitende Be­ dingungen Kunst und Handwerk des Krieges. 18. Der Krieg soll weder im Großen noch im Kleinen handwerks­ mäßig geführt werden. 20 Werth des Talentes. «Es rfl in untergeordneten Wirkungskrei­ sen oft eben so unentbehrlich als in den obern Sphären 21 Analyse der Kriegsthätigkeit. Grade der Selbstständigkeit und Abhängigkeit. 25 Bertheilung der Streitmacht zu diskreten Operationen. Nach­ theile zu großer, zu kleiner Massen. 26 Von den Operationen. Von den Pausen und der scheinbar un­ terbrochenen Thätigkeit in denselben. 30

IV 433» Don Ler such während den Pausen fortwährenden Thätigkeit, oder dem täglichen Dienste. 33 434. Don der Nothwendigkeit, dieser untergeordneten Art der Krie^ geSthätigkeit eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 35 435. Genaue Beziehung der verschiedenen Arten der Thätigkeit zu einander. Bei Allen drei Hauptrücksichten: Zweck, Terrain und Feind. Permanente Verfassung das Gefecht anzunehmen oder ihm außweichen zu können. 37 436. Nebenzwecke werden oft wider unsern Willen Ursach von Hauptereignissen und veränderter Tendenz der Operation. 38 437. Gegensatz des großen und des kleinen Kriegs. (Atmos­ phäre.) 39 438. Beide vereint bilden den Krieg überhaupt. 41. 439- Der kleine Krieg verhält sich zum großen, wie zerstreutes Ge­ fecht zum Massengefechte. 43 440. Von der Analogie des großen und kleinen Kriegs. Es ist wich­ tiger diese, als die Differenz beider deutlich zu begreifen. 45 441. Fortsetzung. Kritik der Meinungen, welche gegen diese Ansicht streiten. 49 442. Großer und kleiner Krieg gehen oft einer in den andern über. 56 443. Betrachtung der Verhältnisse welche dem kleinen Kriege zu Gun­ sten wirken. Güte der Truppen. Richtige Einsicht in die Lage der Dinge. Größere Einheit im Thun und Lassen. 58 444. Ueber den Einfluß vervielfältigter kleiner Gefechte. 65 445. Zeitgewinn und Verlust. Bleibende, veränderliche, periodisch wiederkehrende Umstände. Krisis und Lisis. Temporisiren und Erfassung des Moments. 67. 446. Raumgewinn und Devlust. Besitz, Beherrschung, Werth der Räume. Schlüsselpunkt. 74 447. Zu den Vortheilen des kleinen Krieges gehört vornämlich auch die geringere Abhängigkeit von den Anordnungen und Unter­ nehmungen des Gegners. 78 448. Ferner: die häufigere Begünstigung durch die Umstände, die vermehrte Fähigkeit sich das Vorübergehende und Einzelne zu Nutze zu machen, unangenehme Verhältnisse und Ereignisse als­ bald zu ändern u. s. w. 84 449. Taktisch und strategisch; Taktik und Strategie sind Benennungen, die oft in ganz verschiedener Bedeutung gebraucht werden. 87 450. Verschiedene Definitionen dieser Wörter. 89 451, Bemerkungen über die mitgetheilten Definitionen. 96 452. Fortsetzung. Ueber dm Gegensatz von Anordnung und Ausfüh^ rung. Skizze einer Einthellung der Kriegsszienz. 101 453t Ueber den Rangstreit zwischen den Strategen und den Laktü» kern, ui

V

4$4* Offensive und Defensive. 1x4 455, Nähere Beleuchtung der gewöhnlich gegen die Defensive gerich­ teten Anklagen, a) Die Defensive taugt moralisch nichts. — Verschiedene Arten des Muthes. it6 456. b) Die Defensive ist passiver, negativer Natur. — Strikte und aktive Defensive; strikte und sich deckende Offensive. 124 457. c) Die Defensive läßt uns einer Menge von Vortheilen verlustig gehen, die in der Offensive gegründet sind. 126 458. Resultate dieser Analyse. 136 459. Zwiefache Art des Obsiegens: durch Gewalt und durch Kunsts Direkter und indirekter Krieg. 138 460. Von der indirekten Kriegführung. Dedrohungskrieg. Derw^ 461. 462. 463. 464. 465.

IL

466. 467. 463. 469. 470.

471. 472. 473.

474. 475. 476. 477. 478. 479.

stungskrieg. 141 Don den Objekten des indirekten Kriegs. 145 Höhere Ansicht des Krieges. Höhere und nietere Kriegskunst. 148 Einige Kriegsmaximen. Xgl Fortsetzung. 15Beschluß. 157

Von der Kombination der verschiedenen Waffm unter sich und zum Terrain. Einleitung. Mischung verschiedener Waffen ist fast unter allen Umstünden vortheilhast. 163 Verbindung von Reiterei und Fußvolk. 164 Verbindung der Artillerie mir den beiden andern Waffen. 167 Verbindung der Pioniere mit ihnen, 173 Organisation der gemischten Schlachthaufen. Fundamentast Schlachtordnung; Schulmanöver. 174 Abtheilung des Heeres-Ganzen in kleinere selbstständige Körper nach analogem Gesetze 177 Aeltere Stell-, Marsch- und Lagerordnung. 179 Vergleichung der Brigadeaufstellung mit der ältern Schlachtorbe

mmg. iSZ Von den Posirionen oder der Truppenaufstellung nach deck Ter­ rain. 195 Vier Hauptreflexionen zur Beurtheilung einer jeden Position. 202 Front, Flanke und Rücken der Position. 203 Wodurch im Allgemeinen das Vortheilhaste oder Nachtheiligr einer Position bestimmt wird. 204 Fortsetzung 20? Von den Offensivrücksichten bei den Positionen. 313

VI 4So, Von ter angemessenen Verknüpfung der Truppen mit dem Ter»

481. 482. 483. 484.

485. 486. 487. 488. 498.

499.

rarn. 218 Vom Aixiren der Trüppen an gewisse TerrainpunkLe.

219

Verschiedene Arren der Durchschnittenheit des Bodens. 221 Dott der Selbstständigkeit oder Abhängigkeit einzelner Terramtheile. 223 Nekapitularion der Eigenschaften welche eine Position besitzen muß, um für durchaus brauchbar zu gelten. 226 Von dem angemessenen Aufstellungöpunkte der Reserven — Don dem Verhältniß des Unterstützten und Unterstützenden. 229 Maximen für die Postirung der Artillerie. 232 Für die Postirung ihrer Bedeckung. 237 Maximen für die Postirung der Reiterei. 240 Betrachtungen, wieweit sich Truppen, die einander unterstützen sollen, von einander entfernen dürfen. 241 Hauptfälle, welche in Beziehung aufs Terrain bei Aufstellung einer Brigade vorzukommen pflegen. 244

III. Lott den SicherheitsmaLßregeln im Zustande Ler Ruhe und Ler Bewegung. 500.

501. 502. 503. 504.

505. 506. 507. 508. 509. 510. 511. 512.

Einleitung. Jeder, auch nicht das Gefecht beabsichtigende Kriegshaufe wuß sich, der Fechtbereitschaft wegen, fortdauernd mit einer Sicherheitsatmoöphäre umgeben. 246 Won den Wachen. Feldwachen, Schildwachen, Vorvosienkette, Pikets. 247 Wie früher der Vorpostendienst betrieben warb. 249 Worin unsere jetzige Art davon abweicht. 253 Allgemeine Verhaltungsrege'.n für die Feldwachen der Infanterie und Kavallerie. Beim Abmarsch. 254 Beim Anlangen auf dem Posten. 256 Aussetzung der Schildwachen und Wahl des Otts für die Feldwache. 260 Entfernung der Feldwachen und Vedetten. 264 Stärke der Feldwache. 267 Vom Patrulliren der Feldwachen. 267 Künstliche Verstärkung des Postens. 27t Instruktion der Vedetten; und Verhalten derselben bei Lage. 2^ Fortsetzung. Examen der Personen welche die Postenkette pa'fl

fiten.

27?

VII

Liz. Verhalten -er Vedetten bet der Nacht. 280 514. Verhalten der Feldwache selbst. 284 515. Verhalten des Wachthabenden hinsichtlich der Meldungen und einpassirenden Personen. 287 516. Verhalten der Dorfwachen und der Pikets. 291 517. Verhalten einer vom Feinde angegriffenen Feldwache. 292 518. Falscher Allarm. 297 519. Zurücklassen der Vorposten beim Abmarsch. 299 620. Von den Anordnungen auf Märschen Lm Allgemei­ nen. Qekonomische und taktische Marschrücksichten5 taktische und strategische Marschanordnungen. Zoo 521. Von den ökonomischen Rücksichten. Beschaffenheit der Wege; Zeit des Aufbruchs; Disziplin während des Marsches; Gleich­ förmigkeit und mäßige Dauer der Bewegung; Eilmärsche, Ru-^ hetage; zweckmäßige Dislozirung wenn man kantonirt; Vorzüge des Biwakirens; Sorge für Bedürfnisse und Erfrischungen. 303 622. Fortsetzung. Marschdisposition und Marschordnung. Boten, Wegweiserkorps; Vor- und Nachtrab. 312 523. Von den taktischen Rücksichten. Fechtbereitschaft; Rücksicht auf den Feind; Rücksicht aufs Terrain bei der Marschordnung; Passage von Desileen. 317 524. Fortsetzung. Kreuzen der Kolonnen; Vorsichten beim Ra­ sten. 324 525. Von der Anordnung der Sicherheitsmaaßreg eln auf dem Marsche. Marschatmosphäre 326 526. Von der Avantgarde. Bestimmung derselben; Waffenar­ 527. 528. 529. 530. 531 632.

533. 534 535* 536.

537* 538539540.

ten. 329 Eintheilung der Mannschaft. Bestimmung und Führung des Vortrupps. 330 Entfernung der Avantgarde von ihrem Detaschement. 334 Süßmilch's Anordnung der Avantgarde. 336 Verhalten der Plänker und Zwischenposten 347 Verhalten wenn man auf den Feind stößt. 351 Verhalten bei Nacht, bei der Passage von Desileen, von Wäl­ dern, beim Eintreffen auf den Rast - und Biwakplätzen. 36Z Von den Seitenpatrullen oder Flankendeckungen. 358 Von der Arrieregarde. 363 Vom Verhalten auf heimlichen Märschen. 37t Summarischer Rückblick auf die den Sicherheitsmaaßregeltt zum Grunde liegenden Maximen. 378 Kordonsystem, Z84 Von den Sicherheitsmaaßregeltt itt Kantonirungen. 38? Fortsetzung. Allarmplatz und Allarmhäuser. 391 Fortsetzung. Allgemeine Hauptrücksichten, 394

**•

Vin

54i» Beschluß. ZturacherZ Anweisung, werden müsse. 400

IV. 542. 543. 544.

545. 546. 447. $48»

wie der Kbrdoq angeordne;

Vom Rekognosjiren.

Einleituns, 405 Von der Rekognoszirung des Terrains. 407 Ein yaat gelegentliche Bemerkungen über das Aufnehmen und die Terrainlehre. 411 Von der Rekognoszirung des Feindes. 414 Von den Spionen. 416 Von den Nachrichten, welche wir von Gefangenen, Ueberläufern, Reisenden und ELngebornen einziehen können. 415 Von der methodischen Rekognoszirung durch bewaffnete Trupps.

420 549. Von den Patrullen 423. 550 Allgemeine Perhaltungsregeln für daS Patrulliren. 427 §51. Schleichpatrullen, Felhwachenpatrullen; eigens abgerichtete Spä­ hertrupps. 429 552. Absuchen von Gehölzen und Wohnörtern 437 553. Größere Patrullen; heimliche, gewaltsame Rekognoszirung; ofsensivo Auftrage. 440

V. 554. 555. 556.

657, 558. 559.

560. 561»

Vom Verhalten im Gefecht.

Einleitung. Vom Zufall und über die Möglichkeit einer gegew ihn Stich haltenden Theorie 444 Arten der Gefechte. Unterscheidungsgründe. 452 Allgemeine Maximen für die Verwendung mehrerer Waffen Lm. Gefecht. 455 In wie weit das Verhalten des Feindes Bestimmungsgrund für das unsrige werden darf. 457 Wie im Gefecht kombinierter Schlachthaufen gegen einander die verschiedenen Waffen zur Thätigkeit zu kommen pflegen 459 Ueber den Gebrauch der Artillerie. Ob sie mehr das feindliche Geschütz oder mehr die feindlichen Truppen zum Zielpunkte nehmen soll. 465 Ueber den Gebrauch der Reiterei. 47a Dom Manövriern mit kombinirten SchlLchthrufen. 475

IX §62

. Von dem Einfluß der Formen, welche unsere Aufstellung im

Grundrisse annimmt. 481 563. Analyse der einzelnen Aufstellungsformen.

Einfache Maffem-

stellung 484 564. Ringsum geschlossene hohle Figuren. 486 665 Ungeschloffene Figuren. 487 566. Parallelität und abweichende Richtung der gegenseitigen Fron­ ten. 494 567. Parallelangriff ynd Angriff in schräger Linie. Diese Benen» nungen passen eigentlich nicht recht mehr auf die heutige Fecht­ art. 496 563. Wie der Gang der methodisch cingeleiteten Gefechte unserer Zeit zu seyn pflegt. 499 569 Bei Umgehungs - und Durchbruchsgefechten.

505

57o. Kritische Analyse jenes Ganges. 505 571» Mauerförmige, keilförmige, zangenförmige Anordnungen. Deleuchtung der Mauerform. 510 572. Dom keilartigen Angriffe und seiner Abwehrung. 514 573 Dom zangenförmigen Angriff und dessen Abwehrung. 52t 574* Dom Scharmutziren 525 575- Anknüpfen und Abbrechen des Gefechtes. 532 576. Herbeiführung, Vermeiden der Entscheidung. Necken; Allar­ miren. 540 577 Ueberraschungsgefechte. Ueberfall 546 578- Anordnung des Ueberfalls; allgemeine Betrachtungen. 539 579* Fortsetzung. Fingerzeige zur spezielleren Disposition. 553 580. Ausführung, Klippen, Rückzug. 556 58i. Hinterhalte oder Verstecke. 562 582 Nachträgliche Bemerkungen. 563 58Z. Renkontres. 571 584. Don den Fällen, wo gewisse Terraintheile Objekt des Kampfes werden. 573 585. Angriff und Vertheidigung von Anhöhen. 575 586. Waldgefechte. 580 587* Dorfgefechte 586 588. Angriff und Vertheidigung von Defileen. 591. 589 Nähere Entwickelung der verschiedenen dabei vorkommenden Fälle 595 590. Ueber Angriff und Vertheidigung fester Posten im Allgemeinen. 601 59i. Verschiedene Arten des Angriffs. Ueberfall. 603 592. Methodischer Angriff Aufräumen der Barrikaden, Uebergang über den Graben,, Ueberschreitung der Brustwehr. Leitererstei­ gung. 606 593* Ein paar Worte von den Sappen. 616



X



594* Derthei-rgung fester Posten 618 595, Dorbereitungsepoche. Erste und zweite Periode der Verthei­ digung. 622 596* Dritte, vierte und letzte Periode 626 597 Schutzgefechte. Beschützung unbeweglicher Gegenstände. 631 598. Beschützung beweglicher Gegenstände. Geleitung von Land- Und Wassertransporten; Wagenburg. 633 599. Beschützung von Handlungen, Fouragirungen u. s. w. 649 600. Angriff von Land- und Wassertransporten, Fouragirungen, Ma­ gazinen. 641 601 Von den Parteigängern 645 602 Verhalten der Streifpartheien. 648 603. Schlußzugabe. 655

Vom kleinen Kriege. I. Allgemeine Betrachtungen über den kleinen Krieg. 419. haben in der ersten Abtheilung dieses Hand­ buches den Krieg als ein in Zeit und Naum, und überhaupt in allen Richtungen und Verhältnissen, vervielfältigtes Ge­ fecht kennen gelernt, — wir haben unter dieser Voraus­ setzung, oder in dieser Beziehung, den Krieg ein Gefecht im Großen, und das Gefecht den Krieg im Kleinen genannt. Es frägt sich jetzt weiter: welche Vorstellung wird man sich denn nunttpm sogenannte» kleinen Kriege machen mäs­ sen? in wie fern ist der groß« von dem kleinen Kriege un­ terschieden? und giebt eS noch eine andre Ansicht des Krie­ ges, als diejenige, wo er blos als eine Vielheit von gleich­ zeitigen oder auf einander folgenden Gefechten gedacht wird, (wo also blos die Dauer des Kampfes und Lie größere Masse der im Kampfe begriffenen Fechter den Grund zur Unterscheidung desselben vom Gefechte liefern) oder nicht? — So viel ergiebt sich unmittelbar aus den von uns bis­ her gegebenen Erklärungen, daß der große wie der kleine Krieg, in wie fern beide als Arten des Krieges überhaupt zu betrachten sind, auch beide aus einem Aggregat von Meh­ rern einzelnen, durch Pausen unterbrochnen Gefechten be­ stehen mässen. Ferner: daß der Krieg überhaupt aus bei­ den Krirgsarten zusanrprengenommen, oder gemeinschafklich gebildet werde, und die im kaufe der Feldzüge vorkommen­ den Ereignisse und Unternehmungen daher theils in das Ge­ biet des kleinen, theils in das Gebiet des großen Kriegs gehören mässen. Nach welchen Grundsätzen diese Einrheilung, diese Klassifikation der Handlungen und Begebenhei­ ten vorgenommen werden mässe, ist das, was unS zu un-

grodt« Nth.

A

2

rersuckien obliegt. Ans den ganz abweichenden Defininoven, welche manche sonst acklungswerthe Schriftsteller über den kleinen Krieg geben, laßt sich schließen, daß die Sache wohl mit einigen Schwierigkeiten verknüpft seyn möge, und daß sich mehrere nicht gradehin verwerfliche Ansichten auf# stellen lassen. In Gemäßheit der Beiwörter klein und groß läßt sich zwar im Allgemeinen voraussetzen, daß der Grad der Bedeutsamkeit auf irgend eine Weise als Un­ terscheidungsgrund dienen werde, daß man im Gebiet des kleinen Kriegs auf Unternehmungen von geringerm Umfange oder Kraftaufwande stoßen, die Anordnungen für das Ganze der Streitkräfte, so wie die großen entscheidenden Schlage, aber im Gebiete des großen Kriegs zu suchen haben werde. Dennoch begreift man auch bald, daß die Masse der Strei­ ter und die Dauer des Kampfes an sich wohl nicht der ein­ zige Unterscheidungsgrund weder des Krieges vom Gefecht, noch des klein-'n vom großen Kriege seyn könne, weil dies zu einer höchst unfruchtbaren und überflüßigen Eintheilung führen würde. Uederdem kann der kleine Krieg unter man­ chen Umständen eine so große Ausdehnung gewinnen, daß mehrere Tausende, ja selbst der größere Theil der überhaupt vorhandenen oder versammelten Streitmassen dazu verwen­ det werden. — Einige haben ihn als den Inbegriff der Unternehmungen leichter Truppen geschildert, allein die leichten Truppen werden nach unserer heutigen Fechtart eben so wohl und häufig im großen Kriege gebraucht, und es ist kein Grund, warum man nicht umgekehrt auch den sogenannten schweren Truppen, wenn sie anders gehörig aüsgearbeitet sind, sollte Aufträge geben können, die man nicht füglich zum großen Kriege würde rechnen mögen. Eben so wenig darf man sich endlich unter dem kleinen Kriege ausschließlich die Summe der einzelnen gelegentli­ chen Gefechte denken, die ohne Zusammenhang unter sich, und ohne wesentlichen Einfluß auf die großen Operationen sind; denn häufig besteht der kleine Krieg zum größern Theile auS Verrichtungen und Unternehmungen, bei Lenen es gar nicht oder doch zu keinem erheblichen Gefechte kommt; oft hängt unmittelbar von ihnen die Existenz deö Heeres und die Möglichkeit des Gelingens der größern Operatio­ nen ab, und nur unter der Bedingung kann durch den klei­ nen Krieg etwas Erhebliches geleistet werden, daß die ein­ zelnen Ereignisse desselben unter sich und zu denen größern Unternehmungen in eine zweckmäßige und ausdrückliche Verbindung gesetzt worden sind.

s 420, Der Grand dieser und anderer mangelhaften schielenden oder nicht erschöpfenden Erklärungen ist theils in einem unangemessenen Sprachgebrauche zu suchen, in­ dem man zwar gewöhnt war, eine Menge von Dingen im kaufe der Feldzüge zu erleben und auSäben zu sehen, aber ohne daß es jemand eingefallen wäre, diese Dinge mit dem bestimmten Namen des kleinen Krieges zu belegen, obschon ein wenig Nachdenken darauf fährt, daß sie ihrer Natur nach unverkennbar dem Gebiete desselben zugerechnet wer­ den mässen. Theils aber und mehr noch darin, daß die Geschichte, selbst der neuesten Kriege, großentheils nur eine dürftige Anwendung und Benu^ung des kleinen Krieges liefert, und im Grunde die Praxis dieses so höchst wichti­ gen Theiles der Kunst, den Krieg zu führen, noch keinen ausnehmenden Grad der Vollkommenheit erreicht hat. Die Schuld hiervon liegt wiederum theils in der Verwickelung der politischen Begebenheiten, in dem Charakter derer, welche die Kriege im Großen dirigirten, und der daraus sich bei beiden Partheien unwillkährlich erzeugenden Fechtart. Denn wenn ein Volk nicht eine ihm von Natur ganz eigen­ thümliche, oder durch lange Erfahrung als überwiegend vortrefflich bewährte Manier der Kriegführung besitzt, so wird es sich über kurz oder lang zu der Sitte und Kriegs­ ordnung seiner Nachbarn und Gegner hinübcrneigen, nicht immer das Gute, sondern selbst die Unvollkommenheiten derselben nachahmen und in sich aufnehmen. Theils aber auch liegt die Schuld in herrschenden Vorurtheilen, in einer unklaren Ansicht vom Werthe und Nutzen des kleinen Krie­ ges, und vom Gebrauche leichter Truppen. Weil im sieben­ jährigen Kriege die Oestreicher und Russen von ihren Kroaten und Kosackennoch lange nicht den gehörigen Gebrauch zu ma­ chen wußten, und diese aus Mangel an Disziplin und ge­ schickten Anführern weniger Krieg führten als Unfug trie­ ben; weil in Kaiser Josephs Kriegen gegen die Türken eine verkehrte Anwendung des kleinen Krieges die Armee ins Verderben führte; weil Napoleons ganzes Streben darauf gerichtet war, seine Gegner möglichst schnell zu einer tut# scheidenden-Hauptschlacht zu zwingen oder zu verleiten, in­ dem er, seiner Ueberlegenheit an Masse und Genie ver­ trauend, des Sieges ziemlich sicher war, und eben deshalb weder er selbst noch seine Gegner Zeit und Gelegenheit ge­ wannen, sich viel mit dem kleinen Kriege zu befassen: weil also überhaupt in den von uns am meisten beachteten Krie­ gen wenig kleiner Krieg vorkommt: — so erzeugte sich so-

4 wohl in der Masse als in einzelnen guten Köpfen häufig eine gewisse Geringschätzung des kleinen Krieges. Man wollte nur große Schlage schlagen, überlegene Massen versam­ meln; man fürchtete sich seine Macht zu zersplittern, in einzelnen Gefechten vor der Zeit aufgerieben, oder in eine fruchtlose Verlängerung des Krieges verwickelt zu werden u. s. w. Wer dieser Ansicht, oder wie wir es genannt ha­ ben, diesem Vorurtheile unbedingt huldigt, zeigt dadurch, daß er nur die eine Seite der Kriegführung erkannt habe. Er fchemr zu vergessen, daß es im Ganzen ziemlich auf eins hinaus lauft, ob man einzeln nach und nach, oder völlig auf einmal vernichtet werde, daß es aber unbedingt gefähr­ lich sey, gegen einen an physischer Kraft und Talenten überlegnen Geaner geflissentlich das Spiel auf eine Karte zu setzen. Er scheint ferner zu vergessen, daß die Nachtheile, welche mit verkehrter Anwendung mangelhafter Einrich­ tung, einzelner und vorübergehender Unangemessenheit un­ ausbleiblich verbunden sind, noch nicht dazu berechtigen, eine Maxime, Anordnung oder Derfahrungsweise schlecht­ hin zu verwerfen, und daß selbst eine geringe Kraft zur rechten Zeit und am rechten Orte zur vollendeten Wirksam­ keit gebracht, Mittel zur Erreichung großer Zwecke werden ka n. Es ist eine leider zu wenig beachtete Wahrheit, daß recht vieles Einzelne an sich Unbedeutende, wenn es nur gehörig zu Rathe gehalten und in Zusammenhang gebracht wird, öfters zu bedeutsameren oder doch eben so entschei­ denden Resultaten führt, als einzelne gewaltige, und wegen ihrer plötzlichen Wirkung imponirrnde, Kraftaußerungen. Und doch lehren Geschichte und Erfahrung unaufhörlich, daß sogar die unscheinbarsten Ereignisse oft Quelle, Ver­ anlassung und Urfach der wichtigsten Begebenheiten wur­ den, und daß man namentlich im Kriege sich hüten müsse, das Kleine für unwichtig und erfolglos zu halten. 421. Was aber nachstdem ganz vorzüglich dazu bei­ getragen haben mag, daß der kleine Krieg so wenig in Auf­ nahme gekommen ist, und sich meist nur einzelne gelegent­ liche Spuren desselben vorfinden, ist der Umstand, daß er in gewissem Betracht schwerer zu führen ist, als der große, weil er ungemeine Thätigkeit und Kriegsgewohnheit er­ heischt, eine Menge unterrichteter und gewandter Offiziere, eine dieser Kriegführung angemessene Organisation der Heere, und einen vorzüglichen Grad physischer, intellektuel­ ler und moralischer Ausbildung der dazu verwendeten Trup­ pen voraussetzt. In einigen Armeen ward der Mangel an

5 dazu tauglichen und eigens gebildeten Leuten und Anführern Ursach, daß man den kleinen Kneg möglichst vermied, oder too man zu einzelnen Versuchen schritt, geringe Erfolge tvahrnahm. In andern Armeen blieben zum Nachtheil der kriegerischen Ausbildung des Heeres und der gesammten Nation die dazu gehörigen Unternehmungen und Funk­ tionen fast ausschließlich einzelnen Völkerstämmen über­ lassen, die sich ihrer heimischen Sitte und Lebensart nach schon von Natur in mancher Hinsicht mehr geeignet fan­ den, als leichte Truppen verbraucht zu werden; die man zudem wegen ihres Mangels an Disziplin und Liniendressur nicht anders füglich zu verwenden wußte, und die dem gemäß denn auch den kleinen Krieg so gut oder so schlecht zu führen pflegten, als sie es verstanden oder es ihr eigner spezieller Vortheil mit sich brachte. So lange sich der Inbegriff der Kriegskunst darauf beschränkte, die Heere aus einer Masse kriegsunlustiger, mit Gewalt zusammengeraffter, und daher großentheils aus der Klasse des untauglichsten Pöbels aufgegriffencr Menschen zusammenzusctzen, und die daraus gebildeten, schwerbeweglichrn und nothdürftig abgerichteten Haufen dahin zu bringen, daß sie sich gefähl- und gedankenlos dem Feinde entgegenfchteben und geduldig todtschießen ließen, war es aller­ dings weder rathsam noch möglich, sich mit dem kleinert Kriege zu befasse», allein man muß gestehen, daß sich bet einer solchen Lage der Dinge auch der große Krieg nur sehr handwerksmäßig führen ließ, und das Gelingen oder Mißlingen der Operationen fast gänzliä) dem Zufälle oder der Trägheit und Ungeschicklichkeit des Gegners anheim gegeben war. Jetzt aber, wo die Jugend aller Stände und Volksklassen sich im Heer versammelt findet, wo die neuere Fechtart eine Auflösung in kleine selbständige Hau­ fen, und eine Vermischung aller Truppenarten bis in die geringsten Zahlenverhältnisse hinab nicht nur gestattet, sondern selbst begünstigt, wo die Dressur des einzelnen Mannes darauf abzweckt, ihn zu einem denkenden, kör­ perlich und geistig entwickelten Vertheidiger des Vater­ landes auszubilden, wo die Masse der Offiziere nicht aus­ schließlich mit Garnison- und Lmiendienst beschäftigt, son­ dern nach allen Richtungen zu einer höher» kriegerischen Bildung veranlaßt und angeregt wird; — jetzt ist es un­ ausbleiblich , daß nicht auch der kleine Krieg wiederum zu der ihm gebührenden Würde und ausgebrriteten Anwen­ dung gelange; jetzt wäre es thöricht von so viel herrlichen

6 disponiblen Kräften nicht ununterbrochen den vielfältigsten Gebrauch zu machen, und eine ganz verkehrte Bescheidenheit sich einjubilden, man müsse durchaus in Frankreich oder am Don und Kaukasus gebohren seyn, um im kleinen Kriege mit Erfolg gebraucht zu werden. Der kleine Krieg ist al­ lerdings nicht jedermanns Sache, weil natürliche Anlage und rin gewisser Grad kriegerischer Ausbildung dazu erfor­ dert werden. In der gesammten Masse einer Nation aber, zumal einer solchen, wie die deutsche, kann es bei dem ern­ sten Willen, sich diesem Geschäfte zu widmen, nie an einer hinlänglichen Anzahl geeigneter Subjekte fehlen. Die Lo­ kalbeschaffenheit des Bodens begünstigt zwar an einem Orte und selbst in ganzen kandstrecken die Wirksamkeit des kleinen Krieges mehr als anderswo; manche Operationen, manche politischen Verhältnisse, der Charakter einzelner Kriege und dergleichen, geben freilich im Allgemeinen mehr Veranlassung, von den Begebnissen des kleinen Kriegs be­ deutenden Vortheil zu ziehen, als unter entgegengesetzten Verhältnissen möglich seyn würde. Nichts desto weniger aber fühlen wir uns zu der Behauptung berechtigt: daß der kleine Krieg keineswegs als eine hie und da nützliche Zu­ gabe zu den großen Operationen, sondern umgekehrt als eia wesentliches permanent auszuübendes, und von keinen be­ sondern Umstanden ausschließlich abhängiges Element der Kriegführung zu betrachten sey, dessen man sich nie ohne bedeutenden Nachtheil entschlagen könne, und das man Be­ dacht nehmen müsse, zu allen Zeiten., an allen Orten und Gelegenheiten zur vollendetsten Ausübung zu bringen. 422. Um uns von der Wahrheit deck Ebengesagten nä­ her zu überzeugen, und uns nächstdem über Natur und Wesen des kleinen Krieges ein wenig bestimmter zu orirntiren, wird es dienlich seyn, den Krieg überhaupt in seine« allgemeinen Zügen zu schildern, wo sich nach Absonderung dessen, was der Sphäre des großen Krieges zugerechnet werden muß, ganz einfach von selbst ergeben wird, was als dem kleinen Kriege angehörig betrachtet werden darf. Ein Herr, welches ins Feld zieht, ist als eine ansehn­ liche Menge von Streitern und Streitkräften mannigfalti­ ger Art zu betrachten, die auf eine ähnliche Weise wie die in einem einzelnen Haufen versammelte Masse zu einem or­ ganischen Ganzen vereinigt ist. Mit andern Worten: es besteht aus einer Menge von kleineren Streithausen, deren Elemente nach einem ihrer speziellen Fechtart angemessenen, im Ganzen aber analogen Gesetze, zusammengestellr, und

7 dermaßen unter einem stufenwek- verflochtenen Vr-anismus der Befehli'gung mit einander verknüpft sind, daß so­ wohl diese ganze große Gesamtheit unmittelbar nach dem Willen des einzelnen obersten Befehlshabers in Bewegung und Wirksamkeit gesetzt, alS nach Maaßgabe der Umstände auf die vielfachste Weise zertheilt und wiederum in kleinern für sich bestehenden Gesamtheiten geordnet, in dieser oder jener ersprießlichen Beziehung zu einem bestimmten Han­ deln vermögt werden kann. Daß die Masse ansehnlich sey, wird vorausgesetzt, ein bestimmtes Maaß für dieselbe aber giebt es nicht; eine etwas größere oder geringere Anzahl ist gleichgültig. Heer ist ein Gesamtnahme, der auch in ander» Beziehungen und von andern Gegenständen eine be­ deutende Menge von unbestimmter Größe bezeichnet. Daß daS Ganze aus verschiednen Waffenartea gebildet sey, ist auch nicht einmal nöthig; es könnte ganz füglich nur aus Reiterei oder aus Fußvolk zusammengesetzt seyn. Denkt man sich aber eine kleinere Masse aus allen Waffenarte« nach einem entsprechenden Verhältnisse zusammengesetzt, so ist nach den angenommenen Voraussetzungen diese kleinere Masse in nichts Wesentlichem, als in der Menge der Be­ standtheile, von dem Herre verschieben. Das was ein solches Heer beginnt in Bezug auf einen Feind, wird im Allgemeinen Krieg genannt, es sey nun wirkliches Gefecht, oder diene blos als Bereitschaft zu dem­ selben, zu seiner Vervollständigung, Einleitung, Benutzung, habe die Beschäftigung, Beobachtung des Feindes zur Ab­ sicht, oder bezwecke blos die eigne Ruhe und Sicherheit, die Herbeifchaffung der eignen Kriegs- und Lebensbedürfnisse, die Zerstörung der feindlichen Vorrathe u s. w. Nach Zeit, Ort und besondern Zwecken pflegt man die gesamte Thätig­ keit des Krieges in mancherlei Unterabtheilungen abzugränzen. Was innerhalb dem Laufe eineS Jahres vorfällt, auch wohl was von einer eignen Heeresabthrilung in einer abge­ sonderten Gegend des Kriegsschauplatzes vorgenommen wurde, wird Feldzug genannt. Die Gesamtheit der auf einzelne Kriegszwecke ausdrücklich bezognen Handlungen pflegt man Operation zu nennen, ob vom ganzen Heere oder geringeren Abtheilungen desselben vollbracht, ist wie­ derum gleichgültig. Eine Operation verhält sich demnach zur vollständigen Thätigkeit des Krieges, wie ein Theil zum Ganzen, wie eine einzelne Ursächlichkeit zu dem aus derZusammenwirkung mehrerer andern hervorgehenden Resultate. Wie der Krieg überhaupt, so. besteht auch sie theils aus ei-

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stent oder mehrere» Gefechte» (aus physischer Wechselwir­ kung der Streitkräfte, aus wirklichem Kampfe und gegenstitiger thätlicher Verletzung/ theils aus Pausen, die mit Bewe­ gung und Erholung, mit Bedrohung und Beobachtung des Feindes oder irgend andern zur Kriegführung unentbehrli­ chen Verrichtungen ausgefällt sind. 423. Jedem Kriege und jeder Operation liegt ein W 0zu und ein Warum, ein Zweck und eine Ursach jum Grunde, denen gemäß der darin ausgeübten Thätigkeit ein gewisser Charakter und eine bestimmte Richtung gege­ ben wird. Die einzelnen Operationen haben militärische Zwecke, der Krieg im Ganzen aber hat stets einen poli­ tischen Endzweck, d. h. der Krieg wird unternommen und dutchgeführt, um die von der Staatsgewalt in Gemäß­ heit der innern und äußern Nationalverhältnisse befchlosseneu politischen Zwecke wirklich zu machen. Die Operatio­ nen aber dienen blos dazu, diesen Endzweck des Krieges möglich zu machen. Das was durch die einzelnen Opera­ tionen gewonnen wird, ist nicht letzter Zweck an sich, fort# dern nur Mittel oder Annäherung (Bedingung der Möglich­ keit der Verwirklichung, der Erreichung) des Endzweckes. Führt daher das Gelingen dieser Operationen nicht zur Ver­ wirklichung des politischen Zweckes, waren sie ihm zuwi­ der, oder doch ohne fördersame Beziehung auf denselben, so sind sie als verwerflich zu achten, wie glänzend und mu­ sterhaft sie übrigens in sich vollbracht worden seyn mögen. Dem Feldherrn, oder auf wessen Veranlassung sonst immer sie 'vollbracht wurden, gereichen sie zum Tadel und zur Verantwortung, welchen Ruhm die dazu verwendeten Truppentheile und deren Anführer sich immerhin bei der Ausführung erworben haben mögen. Auf eine gleiche Weife verhält es sich mit den einzelnen Unternehmungen und Vor­ fällen, aus welchen die Operationen zusammengesetzt sind. Diese sollen ebenfalls in ihrer untergeordneten Wirksamkeit als Mittel dienen, die durch die genannte Operation beab­ sichtigten militärischen Zwecke zu realisiren. Sie verhalt'en sich also genau so zur einzelnen Operation, wie die ver­ schiedenen Operationen zum Kriege. Und über die wahre Musterhaftigkeit oder Preiswärdigkeit einer untergeordne­ ten Maaßregel oder Unternehmung wird stets nur ein be­ gründetes Urtheil gefallt werden können, in Hinsicht ihrer Zweckmäßigkeit zu einem größern Ganzen. Was unter die­ sen Verhältnissen vortrefflich war, was feiner- innern Be-

9 fchaffenheit nach das größte Lob verdient, kann dennoch un­ ter andern Verhältnissen rin durchaus verkehrtes, und dem Ganzen wesentlichen Nachtheil bringendes Beginnen seyn. 424. Einige sagen aus: der Zweck des Krieges sey derEieg. Andre behaupten, es sey der Frieden. Noch andre meinen, es bestehe in der Behauptungund Ver­ theidigung oder in der Eroberung ausgedehnter Land strecken. In gewissen Faken kann sich eine jede dieser Ansichten als richtig bewahren. Im Allgemeinen aber ist die eine so ungenügend als die andre; denn sonst müßten alle drei dasselbe aussagen. Allein der Cieg ist nicht immer nothwendige Bedingung der Eroberung und des Friedens, der Friede nicht immer nothwendige Folge des Sieges und der Eroberung Im Gegentheil wer­ den Sieg und Eroberung oft Ursach der langem Fortdauer, der Erneuerung und Vervielfältigung des Krieges, oft wird es Friede, weil keiner der streitenden Partheien den andern zu besiegen vermogte, und oft wird der Krieg nicht um des Friedens willen unternommen. Es wird nöthig und zur Verständigung des Folgenden behülflich seyn, die­ sem Mißverständnisse ein wenig näher auf den Grund zu gehen. Zuvörderst werden wir uns darüber vereinigen mäs­ sen, was unter Frieden zu verstehen ist. Es ist nicht gleich­ gültig, ob man Mit diesem Worte blos diejenige Periode in der Existenz eines Staates bezeichnet, wo er in keiner wirklich ausgebrochenen Fehde mit einem seiner Nachbaren begriffen ist, oder ob man darunter das dauernd freundliche Einverständniß der Staaten unter einander versteht. Denkt man sich unter Frieden blos den Zustand des Nichrkriegfährens, so ist allerdings Eintritt der äußern Friedensruhe und Aufhören der Kriegesthätigkeit Eins. In wie fern das Streben der Staaten wie der einzelnen Menschen im Allgemeinen auf eine Existenz gerichtet ist, welche ohne *) Jeder Krieg hat einen hervorstechenden oder Hauptzweck, der aber nicht immer — wie die Meinung Einiger verlautet — der Friede ist. Der Friede läßt sich nur als das Ende des Krieges anfthcn. Dar Hinderniß, das im Krieg» der Erreichung des Hauptzwecks ent« gegensteht, ist der Feind, und es muß aus dem Wege geräumt wer« den. Im glücklichen Falle führt dieß zwar zum Siege, aber der Sieg ist deshalb nicht der Hauptzweck des Kriegs, sondern nur eia untergeordneter im Kriege salbst. Wer Frieden schließt, ohne den Hauptzweck, nämlich das^ was durch den Krieg bezweckt werden sollte, erreicht zu haben, kann der Besiegte genannt werden, gleichviel wen» «t auch die meisten, ja selbst all« Schlachten gewonnen hat. (?t 0 gni ar).

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Beeinträchtigung fremder Gewalt, ruhigen Genuß des Befitzrhums und ungestörte Entwicklung einer gesetzmäßig freien Thätigkeit begünstigt, und in wlefern der an Opfer» und Mühseeligkeiten reiche Krieg diese behagl'che Existenz zum mindesten auf eine beschwerliche und störende Weise unterbricht, so ist es begreiflich, daß sich ein Staat in die­ ser Hinsicht nur zum Kriege entschließt, um vermittelst des­ selben ein größeres Uebel abzuwendrn, oder einen dauern­ deren und vollständiger» Feiedenszustand zu begründen. Es ist unter dieser Voraussetzung für den Staat im Kriege und durch ihn nichts zu gewinnen alö seine glorreiche Been­ digung; je schneller und je wohlfeiler dies Ziel erreichtwird, um desto wünschenswenher. Im Allgemeinen läßt sich da­ her allerdings behaupten, daß man nur Krieg führe, um des Friedens willen, nur Krieg führen soll, um daS auf rechtlichen Gründen bestehende freundliche Einverständniß zwischen den Staaten desto fester und desto gründlicher zu knüpfen. In der Erfahrung und mit den einzelnen wirkliche» Kriegen verhält eS sich aber nicht immer auf diese Weise. Es giebt nicht selten politische Zustände die wir hier nicht weiter erörtern können, zu denen sich aber in neuer und älterer Geschichte leicht Beispiele finden lassen), in wel­ chen ein im Kriege begriffener Staat eigentlich nur Frie­ den schließt um des nachstzukänftigen Krieges willen, in­ dem er den Frieden einzig als eine bequeme oder unent­ behrliche Muß' betrachtet, um sich auf die bereits beschlos­ sene Fehde desto kräftiger und vollständiger anzuschicken;^desgleichen andre Zustände oder Verhältnisse, unter wel­ chen ein Staat grade aus der Fortdauer des Krieges ir­ gendwelchen bedeutenden, oft vielleicht nur eingebildeten Gewinn zieht, daher in solchen Fällen der Krieg keineswegs um des Friedens willen geführt wird- — denn dieser wäre ein ganz unerwünschtes Ereigniß — sondern um des in und durch den Krieg im Allgemeinen zu hoffenden Gewinnes. Zu dieser Art von Kriegen lassen sich füglich diejenigen zäh­ len, die aus Leidenschaft und wegen persönlicher Rücksicht zum Vortheil einzelner Kriegs« oder Staatsbeamten, des Heeres — kurz irgend eines untergeordnete» Interesses, nicht aber der Gesamtwohlfahrk des Staates wegen geführt «erden. An das Dasein stehender Heere inmitten dem Frieden ergebner Nationen knüpft sich nicht selten der Irr­ wahn, als ob die Kriege eigentlich nur des Heeres wegen zesührt würden, da dies doch vernünftigerweise nie der

11 Fall seyn kann. Selbst in Bejkehung auf den Ruhm, kriegt man nicht für den Ruhm des Heeres, sondern für die Ehre der Nation. Der Staat (und nach der bestehenden Verfas­ sung also der Landesherr oder die Nation, mittelt aus, ob dem Ganzen Krieg oder Nichtkrieg, Fortdauer oder Aufhö­ ren des Krieges zuträglicher sey, während es für das ruhm­ begierige Heer allerdings empfindlich seyn kann, wenn der Friede nach einer Niederlage, oder nach bloßen Demonstra­ tionen und unbedeutenden Gefechten abgeschlossen wird. Eben so ergiebt es sich leicht, daß nicht unbedingt der Sieg, die Ueberwältigung und Vernichtung der feindlichen Streitmacht Zweck des Krieges seyn müsse. Der Sieg wird oft sehr theuer erkauft, oder der Ausgang des Kampfes ist ungewiß, der eigne Untergang wahrscheinlicher als die Nie­ derlage des Gegners, oder man hat Hoffnung sich diesen in einen hälfreichen Freund zu verwandeln, man hat Ursach ihn, oder auch die eigne Kraft andrer Rücksichten wegen zu schonen — kurz es sind Umstande vorhanden, unter welchen der Staat wohlfeileren oder sichrer» Kaufes zum vorlie­ genden Zwecke kommen kann; der Staat bedarf des Siegenicht, seine Zwecke werden auf andre Weise erreicht. — Der Sieg an sich ist ja nicht Zweck des Staats, sondern er wird es nur in so fern er als dirnsames Mittel, als ange­ messener Weg zum Zwecke fährt. Häufig wird der Krieg nicht um die Anfrechthaltung der Staatswohlfahrt im Allgemeinen noch wegen Abwen­ dung einer überhaupt drohenden Gefahr, sondern um eines besondern bestimmten Gegenstandes willen geführt; es soll der Besitz oder Genuß eines physischen (realen), oder eineS moralifchen (idealen) Gutes behauptet oder erworben wer­ den. Nach der Defchaffenheit des Gegenstandes oder Gu­ tes, und nach dem Verhältniß des Staates zu demselben, bestimmt sich sodann der Charakter und der Zweck des Krie­ ges. Je nachdem nämlich der Gegenstand selbst, um wel­ chen gestritten wird, durch den Krieg vernichtet werden kann oder nicht, je nachdem wir im Besitze desselben sind, und uns darin blos gegen fremde Beeinträchtigung behaup­ ten wollen, oder uns erst mit Gewalt in den Besitz zu setzen die Absicht haben, oder aber ihn selbst nicht besitzen, auch nicht besitzen wollen, sondern diesen Besitz nur dem Feinds misgönnen, oder den Gegenstand zu Gunsten andrer be­ schützen u. s. w. Existirt z. B. der Gegenstand des Krie­ ges nicht mehr, hat sich mittlerweile unsre Ansicht, unser Interesse geändert, wie dies insonderheit beim Streit um

12 ideale Gäter zu geschehen pflegt, so fehlt der Grund zum Kriege, seine Fortsetzung wird zwecklos, die erbitterte Fort« setzung bisweilen nachtheilig, und seine Operationen müssen umgekehrt nur aus dem Gefichtspunkte dirigirt werden, daß eine gütliche Abkunft mit dem Gegner möglich werde. Oder aber: wird das Gut durch den Krieg nicht erworben, nicht behauptet, nichtbeschätzt, so sind alle Siege unnütz, die Bereitschaft des Feindes mm Frieden kann uns nichts helfen; die bloße Vernichtung des Feindes ist nichts desto weniger rin verfehlter Zweck. Nachstdem aber kommt es fast bei allen Kriegen wegen des politischen Zusammenhanges, tn welchem die Gesamt­ heit der kulrivirten Staaten sich mit einander befindet, fast eben so sehr darauf an, welchen Eindruck der Gang und die Resultate des Krieges auf die öffentliche Meinung und auf das Interesse der übrigen einstweilen neutral gebliebenen Staaten machen, als auf das Verhältniß, in welches die Leiden tut Kriege begriffenen Gegner dadurch gerathen. Ein augenblicklich erworbner Vortheil, die zeitige Demüthigung des Feindes, eine noch so glanzende Eroberung ftn? für den Staat, dessen Existenz für Jahrhunderte berechnet und ge­ sichert werden muß, von geringem Werthe, wenn nicht die Aussicht da ist, diese Vortheile und Erwerbungen dauernd behaupten zu können, oder wenn dadurch die Desorgniß einer neuen größeren Gefahr begründet wird. Die Mög­ lichkeit für «ns oder für unsere Gegner, von außen her Hälfe zu erhalten, irgend eine uns günstige oder nachthei­ lige politische Conjunctur zu bewirken; die Ueberlegung, wel­ che Folgen unsre Operationen über kurz oder lang, vielleicht »ach schnell vorübergehender Friedenspause, wahrscheinli­ cher Weise bewirken dürften, haben auf den Gang der Un­ ternehmungen des Krieges und insonderheit auf die Been­ digung desselben den bedeutsamsten Einfluß. Eben diese Rücksichten auf öffentliche Meinung und den politischen Verband der Staaten,tragen zum großen Theile dazu bei, warum der rechtliche Grund zum Kriege oft von so wesentlichem Nutzen ist, warum selbst übermächtige Staa­ ten ihre Fehden wenigstens zu beschönigen suchen, und sich selbstrigen Mäßigung im Siege gebieten. — Es führt unS dies auf die Erörterung einer andern Frage. Der Krieg wird häufig definirt: als das Mittel oder die Auskunft der Staaten ihre Rechte gegeneinander mit Gewalt durchzusetzen. Billig sollte dies so seyn; nach den Grundsätzen der Moral sollte nie anders Krieg geführt werden, als um

13 tm Umgänge der Staaten die Idee des Rechtes imnier vol­ lendeter geltend zu machen. Leider aber ist es um dies Recht oft eine zweideutige, und um die Erkennung auf wes­ sen Seite es sich befindet, eine sehr schwierige Sache. Es giebt nun einmal in der Welt häufig unrechtmäßigen Besitz und unrechtmäßige Gelüste, die derjenige, welcher die Macht dazu besitzt, gern mit Gewalt durchzusetzen pfiegt. Die meisten Kriege werden weniger des Rechtes, als des Nutzens oder der Ehre weg m geführt; und obschon es sich wohl ereignen kann, daß beide Partheien gleichmäßig im Rechte oder im Unrechte sind, so ist es wenigstens in dem Fall, wo sich das Recht augenscheinlich auf einer Seite be­ findet, unausbleiblich, baß nicht der Gegner für das Un­ recht föchte. Der Krieg ist demnach die Auskunft der Staa­ ten, ihr Recht und Unrecht, mit einem Wortt: ihre politischen Zwecke, gegeneinander mit Gewalt durchzufetzen^ und die Verwirklichung dieser politischen Zwecke, nicht aber Sieg, Friede oder Eroberung, falls sie nicht zufällig der politifchen Absicht gemäß sind, ist der wahre Endzweck der Kriege. 425. In wiefern das Heer nun nur ein untergeordne­ ter Theil dee Staates, ein Organ desselben für bestimmte Beziehungen und Angelegenheiten ist, in wie fern es sich die Endzwecke des Krieges überhaupt gar nicht selber setzt, son­ dern sie ihm gegeben werden, hat es die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit, die Thorheit oder Weisheit der po­ litischen Beschlüsse nicht zu verantworten, und rigentlich hiermit gar nichts zu schaffen. Das Heer ist bloßes Organ der That, bloßer Vollstrecker des höheren Willens. Seine und seiner Führer gesamte Geistesthätigkeit soll ausschließ­ lich daraufgerichtet seyn, die einzelnen Operationen so zu ersinnen, zu kombiniren und auszuführen, daß das Gelin­ gen derselben die dem Staate drohende Gefahr abwende, oder den Erwerb der von demselben beabsichtigten politi­ schen Vortheile zu Wege bringe. In wie fern der Feldherr, einzelne Personen oder Corporationen des Heeres über po­ litische Angelegenheiten zur Berathung gezogen werden und gezogen werden können, welche Stimme sie in dieser Berathung haben, welchen Einfluß die Meinung und An­ sicht des Heerech als eines nicht unbedeutenden Theiles der männlichen Bevölkerung, auf die öffentliche Meinung und Ansicht der ganzen Nation äußern und gewinnen könne, hängt ganz von der individuellen Verfassung des kriegfüh­ renden Staates und besondern Zeitverhältnissen ab, ist aber

14 auch eine ganz andre, nicht hierher gehörige Sache. So kann ein in ganj untergeordneten Geschäftsverhältnissen lebender Mann, wenn er zufällig Günstling, Freund oder Rathgeber des Fürsten oder einer der obersten Staatsbe­ hörden ist, auf die wichtigsten politischen, in sich und mit Ler öffentlichen Wirksamkeit des Mannes oft ganz heteroge­ nen Angelegenheiten einen ganz entschiednen wohlthätigen oder nachtheiligen Einfluß äußern, ohne daß sich deshalb behaupten ließe, ein solcher Einfluß sey an das Amt dieses Mannes gebunden, oder gehöre zur Sphäre seiner offiziel­ len Verrichtungen oder Machtvollkommenheit. Wie es sich mit den Zwecken des Krieges verhält, grade so verhalt sichs auch mit den Zwecken der Operationen und der einzelnen Akte, aus welchen die Operationen zusammen­ gesetzt sind. Auch hier können durchaus verschiedene Zwecke obwalten; ein Benehmen, welches in dieser Rücksicht, zum Behuf dieser Operation, im höchsten Grade zweckmäßig ist, kann für eine andre Operation unbedingt unangemessen seyn. Sollen die großen und kleinen Operationen, welche den Inbegriff eines bestimmten Krieges bilden, zweckmäßig genannt werden, so müssen sie in Gemäßheit des Endzwekkes desselben angeordnet und durchgeführt seyn. Da es jedoch in der Praxis des Krieges nicht blos darauf an­ kommt, mit den zu Gebot stehenden Mitteln rmen todten Widerstand zu überwältigen, sondern da man es mit einem lebendigen Gegner zu thun hat, der theils unsern Unter­ nehmungen absichtlich die größten Hindernisse in den Weg legt, theils sie unwillkührlich dadurch kreuzt, daß er eben­ falls eigne Kriegszwecke^verfolgt: so werden die Aufgaben, welche durch das Herr oder einzelne Abtheilungen desselben gelöst werden sollen, oder die Zwecke, welche mittelst ein­ zelner Operationen erreicht werden sollen, bald nach unsern eignen Bestrebungen, bald nach der Rücksicht auf die Gegenthätigkrit des Feindes bestimmt werden müssen. Und in wie fern das Heer oder eine Abtheilung desselben nicht in einer einzigen unzertrennten Masse operirt, sondern sich in mehrere diskret agirende Bestandtheile auflöst, denen «in gemeinsames Ziel zu verfolgen aufgegeben ist, so wird eS im letzten Fall stets drei große Rücksichten geben, welche den Gang einer Operation bedingen, und dabei unaufhör­ lich mit gleicher Aufmerksamkeit im Auge behalten werden müssen: die Vollbringung oder Erreichung des selbstgesetzten Zweckes — die Ueberwältigung d er un sre Untern eh mungrn kreuzenden Hinde r-

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nisfe— Vie Harmonie unsrer Thätigkeit mit den Dor- oder Rückschritten unsrer Cooperan­ ten. - W«r werden dies in Folge näher entwickeln. Für setzt genügt es zu bemerken, daß, wie die Endzwecke des Krieges immerhin beschaffen, seyn mögen, bei der Ausfüh­ rung der einzelnen Unternehmungen jederzeit eine Uederlegung vorangehn soll, wir sich unsre Thätigkeit verhalten mufje, um für die Lösung der vorliegenden OprratlonSaufgabe fördersam mitzuwirken; ob es unserm dermaligen Be­ rufe gemäß sey, von den im Kriege möglichen verschiede­ nen Arlen des Thuns entweder diese, oder vielleicht die ganz entgegengesetzte zu wählen. 4.26. Es kann nämlich der Lage der Dinge nach zweck­ mäßig seyn: i) Es zur physischen Wechselwirkung unsrer Streitkraft mir der des Gegners zu bringen; weil es vornamlich darauf abgesehen ist, das Haupthinder­ niß unser Zwecke, die persönliche Streitkraft des Feindes direkt zu vernichten, oder weil nur durch dieses schnellwir­ kende gewaltsame Mittel, die uns vom Feinde zubereitete Gefahr abgewendet werden kann, oder weil sonst anbr.e Gründe vorhanden sind, die Sache grade auf diesem Wege zur Entscheidung zu bringen. 2) Es kann aber auch für den Augenblick ganz unange­ messen seyn, sich in Schlachten oder Gefechte mir dem Geg­ ner einzulassen, und es kommt umgekehrt darauf an, die physische Wechselwirkung zu vermeiden. Ent­ weder weil daraus wegen der ungleichen Kräfte und un­ günstigen Verhältnisse für uns eine zu große Gefahr ent­ stehen würde; - oder weil daraus eine bloße Vergeudung von Zeit und Kräften resultiren würde, ohne uns dem Hauptzwecke näher zu bringen; — oder weit wir dasselbe Resultat auf einem andern indirekten Wege bequemer errei­ chen können; — oder weil irgendwelche politische Konzunkturen uns ein solches Verfahren vorfchreiben; oder weil das Zusammentreffen mit dem Feinde an diesem oder jenem Orte, zu dieser oder jener Zeit nicht in dem Zusammenhang des militärischen Gesamtplanes liegt u. s. w. 3) Es kann ferner Hauptzweck der Operation seyn, g ex wisse Terrainabschnitre oder Punkte zu ero­ bern, in unsre Gewalt zu bringen, entweder weil sie Kraftund Hülfsquellen enthalten, die wir selbst benutzen, oder deren Genuß wir dem Feinde entziehen wollen; oder weil sie als Basen, Deckungs- und Stützpunkte unsers Besitz-

16 thums, unsrer Kraftquellen, oder unsrer Aufstellungen und Bewegungen betrachtet werden müssen; oder, weil sie sonst auf eine ähnliche Weise dem Feinde zu Gute kommen wür­ ben. Oder: 4) Uns in dem Besitz solcher Punkte und Terrainabschnitte fortdauernd oder auf eine bestimmte vorübergehende Zeit zu behaupten, aus gan; ähnlichen Gründen wie zuvor. Oder: 5) Gewisse örtliche der Zerstörung unter­ worfene Gegenstände, oder dergleichen beweg­ liche, insondcrheit zum Bedarf der Heere ge­ hörige, Besitzthümer, gegen die Beeinträchtigung, Beschädigung, Beraubung des Feindes zu beschützen. — Man sieht leicht ein, daß es im Allgemeinen vortheil­ haftist, den Krieg auf feindlichem Gebiete zu führen, den Schauplatz des Krieges von unferm Besitzthunr möglichst entfernt zu halten; daß jewelche Verminderung des feindli­ chen Streitvermögens das Verhältniß der gegenwärtigen Streitkräfte auf eine uns günstige Weise verändert; daß die Kriegesopfer um desto weniger drückend und vervielfäl­ tigt werden, je schneller die Entscheidung herbeigeführt wird. Trotz dem können es die besondern Operationszwccke mit sich bringen, daß die schnellere Entscheidung vermie­ den, die Sache in die Länge gezogen, die Gelegenheit dem Feinde diesen oder jenen Abbruch zu thun verschmäht, dem Gegner gewisse Landstrecken absichtlich Preis gegeben wer­ den. Mit andern Worten: Sieg und Eroberung sind im Allgemeinen wstnschenswerthe Ereignisse, das unbedingte Streben danach kann indessen nach Befinden der Umstände in einzelnen Fällen mehr Schaden als Vortheil bringen. Um sich unter günstigen Umständen schlagen zu kön­ nen, ist es bisweilen wesentlich, dieses oder jenes Lokal vor, hinter oder zwischen sich zu haben; um die Besitzergreifung »der Behauptung eines uns nützlichen oder unentbehrlichen Lokales zu bewerkstelligen, ist es bisweilen unausweichlich, Lie Abtheilungen des Feinbeö, welche dies zu verhindern bemüht sind, mit Gewalt zu vertreiben oder zu vernichten. Mit andern Worten: bisweilen führt die Eroberung zum Siege, bisweilen der Sieg zur Eroberung. Auf die übri­ gen Verhältnisse kommt es an, was Haupt-, was unter­ geordneter und Nebenzweck, was ausdrückliche Bedingung unsers Handelns oder was nur fördersames Mittel zur Ver­ wirklichung der dabei beabsichtigten Zwecke ist; was als ein-





einzige, unvermeidliche Auskunft betrachtet werden muß, oder was sich auf andern« Wege eben so füglich vollbrin­ gen und bewirken laßt. Wenn mir der Auftrag gewor­ den, irgend ein verletzliches Dmg vor Schaden zu hüten, so ist es oft nöthig mich deshalb mit dem Feinde zu schla­ gen, selbst ihn anzugreifen, ihn hie oder da zu vertreiben, und in wiefern ee unmöglich ist, das m beschützende Objekt der überwiegenden Gewalt des Feindes zu entziehen, kann es Fälle geben, wo eS gerathen ist, dann wenigstens die mir zu diesem Zwecke anvortraute Streitkraft dem Staate für andre Dienstleistungen zu erhalten. Wenn ich aber zwar die feindlichen pausen, welche meinen Schützling bedroh­ ten, in siegreichem Gefechte vernichtet, trotz dem jedoch nicht zu hindern vermögt habe, daß dieser vom Feinde zu Gru de gerichtet worden, so steht der auf der einen Seite zu Wege gebrachte Vortheil vielleicht in schlechtem Verhältnisse zu dem Schaden, den ich auf der andern Seite zugelussen; und eben so hat in dem andern Fall der muthig erduldete und theuer verkaufte Untergang der mir anvertrauten Streiter­ masse durch die Verkettung der übrigen gleichzeitigen oder später eintretenden Umstände, vielleicht unendlich wichti­ gere Folgen, als aus dem glücklichen Entkommen je erwach­ sen konnten. 6) Eine jede große und zusammengesetzte Unterneh­ mung zerfallt in mehrere einzelne und untergeordnete Hand­ lungen, welche sich untereinander verhalten wie Mittel zum Zweck, wie Hauptsache zur Nebensache, wie Bedingtes zu Bedingendem u. s. w. Dem Kraft und kagenverhaltuisse der einzelnen Bestandtheile der gesammten Streitermasse ge­ mäß werden die einzelnen Rollen vertheilt Die mit der Bestimmung und dem Fortschreiten des Ganzen harmonirende Vollbringung seiner Rolle ist sodann für jeden ein­ zelnen Bestandtheil der unmittelbar nächste Zweck. Die unter solchen Verhältnissen von diesem homogenen Bestand­ theil zu lösenden Aufgaben oder ihm übertragenen Opera­ tionen können daher ausschließlich nur einen Werth durch ihre Beziehung auf die Operationen anderer HeereShaufeu haben. Sie sollen dazu dienen, die Bewegung, Aufstellung und das Gefecht der Nachbaren zu begünstigen, ihnen in irgend einer Richtung die Flanke zu decken, oder wie man sich im breißigzährigen Kriege mit einer allgemeiner bezeichnenden Benennung auszudrücken pflegte: ihnen Spala zu machen); die Aufmerk­ samkeit des Feindes auf sich oder von irgendwo abzuziehen) Zweiik L»tb. ktz

18 ble Verbindung der Heereshaufen unter sich, oder mit ge­ wissen Terrainpunkten zu unterhalten;— durch Scheinan­ griffe und Demonstrationen mancherlei Art den Feind irre zu leiten u. s w. Oder 7) die einzelnen Operationen haben keinen Zweck an sich oder keinen fär den gegenwärtigen Augen­ blick, sie sind blos Vorbereitung oder Einleitung zur Gesammtwirkung des Ganzen, oder für die Unternehmungen der Zukunft; bestimmte Räume sollen in bestimmten Zeiten, ohne Vorwissen des Feindes, oder unter irgend andern ausdrücklich charaklcrifirten Be­ dingungen erreicht, die eignen Absichten und Bewegungen sollen der Kenntniß des Feindes entzogen, die feindlichen entschleiert werden; und was dergleichen untergeordnete Zwecke, Unternehmungen und Vorkehrungen mehr sind, die sich in der größten Mannigfaltigkeit vorfinden, sobald man den Krieg auf künstlerische Weise behandelt, ihn nicht blos au« einzelnen großen Eewaltstreichen zusammenfitzt, son­ dern diese in ein reichgegliedertes Gewebe wohlabgemessener Anordnungen und vermittelnder Schritte verflicht. 427. In allen Situationen dieser Art kann nie ein einzelner Gemeinspruch Richtschnur des Verfahrens wer­ den; es kommt für den Handelnden vor allem darauf an, Lie ihm zugetheilte Rolle gehörig begriffen zu haben, das Verhältniß und den Einfluß seines Thuns auf die Thätig­ keit des Ganzen und der mit ihm in nächster Berührung stehenden Mithandelnden vollständig zu erkennen. Daraus muß sich ergeben, ob er still stehen oder sich bewegen, ein Gefecht und einen entscheidenden Ausgang desselben julassen und herbeiführen, oder demselben auoweichen, Boden gewinnen oder Preis geben müsse u. s. w. Ob dieser oder jener Weg eingeschlagen werden müsse, darüber entscheidet in jedem einzelnen Falle entweder der bestimmt erhaltene Befehl, oder der zu erreichende Zweck, oder die Gesammtheit der besondern auf unsre Lage wesentlich insiuieenden Umstände. Ein wenig Nachdenken über das Ebengesagte führt zu einer doppelten Bemerkung: einmal, daß im Kriege un­ ser Verfahren fast nie durch den Zweck allein be­ stimmt-werde, sondern nächst ihm gleichmäßig durch die obwaltenden Umstände; und sodann: daß die Schwie­ rigkeit einer Operation Zweck und Umständen gemäß zu entwerfen und zu leiten, nicht immer in dem Maaße wachse »der abnehme, in welchem die Wichtigkeit Les Zweckes oder

19 dle zu seiner Erreichung freigegebene Streitmasse an Be» deutsamkeik zu oder abnimmt, sondern daß die Leitung im Großen und Allgemeinen oft viel weniger Aufwand von Ur­ theilskraft, aeistiger Anstrengung und Thätigkeit erfordere, als die Ausführung des untergeordneten Einzelnen; oft aber aud) umgekehrt. Ein und derselbe Zweck kann im Leben gemeinhin auf mehrer« bisweilen durchaus verschiedenen Wegen er­ reicht werden. Welcher darunter der Vortheilhafteste sey, muß sich aus den Umständen ergeben. Daher kommt es, daß ein Umweg oft schneller zum Ziele fährt, als die grade Straße; und deshalb soll man nicht gleich am glücklichen Ausgange einer Unternehmung verzweifeln, wenn zu An­ fänge derselben irgend ein widriger Umstand uns vom vor­ gesteckten Ziele abzulenken scheint. Im Laufe der Begeben­ heit fügen sich die einzelnen Ereignisse oft wunderlich. Die Aufgaben im Leben und so auch in der lebendigsten Gattung desselben, im Kriege, laufen stets darauf hinaus: gewisse Zwecke unter vorhandenen Umstanden, unser Handeln also mehrer» bisweilen ganz widerstreitenden Bedingungen gemäß, zu vollbringen. Die Um­ stände können gleichgültig sein, uns weder direkt nod) in­ direkt schaden oder nützen, oft aber können sie auch Mittel, oft beschwerliche Hemmniß unsrer Bestrebungen werden. Man kann daher im Allgemeinen die Aufgaben des Krieges so noch näher bezeichnen: es sollen Zwecke mit gewissen frei­ gegebenen Mitteln und gewissen uns in den Weg tretenden Hindernissen zum Trotz, mit dem möglich geringsten Kraft­ aufwande durchgesetzt werden. Die Art und der Grad der Wirksamkeit der Umstände, ihr Verhältniß zu den unver­ änderlichen und veränderlichen Elementen unsrer subjekti­ ven Lage zu erkennen, sie sodann den Zwecken gemäß zu gebraud)en, sie sich als diensames Mittel zu unter­ werfen; — in diesem bewußten, selbstgewählten, durd)aus angemessenen Handeln besteht die Kunst des Krie­ ges. Wo dies nicht der Fall ist, wo wir ohne Plan dem Feinde entgegengehn oder ihn kommen lassen, ihn schlagen und hier oder dorthin drängen, oder uns sd)lagen oder drängen lassen, wo wir ohne deutlid) gedachten Zweck von den Umständen getrieben werden, folglich uns ihnen unter­ werfen, und unsre Mittel verbrauchen, so oft sich eine Ge­ legenheit findet, sie in Wirksamkeit zu setzen, aber ohne er­ wogen zu haben, ob uns dies weiter bringt oder nicht: — da ist bloßes Handwerk des Krieges, sey es im Gro-

20 ßen oder im Kleinen; da regiert einzig der Zufall, da lenkt der Feind, falls er gescheut ist, die Operationen, wie es ihm zum Nutzen gereicht, und da ist kein Verdienst, wenn es gleich der Himmel dennoch so fügt, daß die Resultate unsern Wünschen am Ende noch so leidlich zusagen« 428. Den Krieg handwerksmäßig zu führen, erfor­ dert im Großen wie im Kleinen keine besondern Gaben; aber auf solche Weise kommt man auch eben nicht weit, und wenn es irgend eine Gattung der menschlichen Thätigkeit verdient, kunstmäßig betrieben zu werden, so ist es wohl der Krieg, wegen seines allverbreiteten unmittelbaren Eis­ flusses auf jegliche äußere Wohlfahrt des ganzen Verban­ des sowohl wie der einzelnen Glieder der bürgerlichen Ge­ sellschaft. Aber nicht ausschließlich in den obern Regionen, son­ dern bis auf die unterste Stufe hinab muß sich das Kunstbestreben regen, wenn etwas recht Tüchtiges herauskom­ men soll. Dann nur geht alles gleichsam van selbst, und dann erst liegt einerseits die höchste Genugthuung darin, sich am Steuer, an der Spitze des Ganzen, zu befinden, weil man sich Überzeugt halten darf, daß nicht wegen Unver­ stand und Unbeholfenheit der einzelnen untergeordneten Rä­ der, entweder die kunstreichsten Plane an sich unmöglich sind und gar nicht unternommen werden dürfen, oder doch bei der mindesten unerwarteten Wendung der Umstände die ganze Maschine ins Stocken und unwiederbringliche Ver­ wirrung gerathen werde. Andererseits aber gewinnt auch jedes kleine Ereigniß, jeder untergeordnete Wirkungskreis an Interesse und Bedeutsamkeit. Man lernt Jegliches nach seinem wahren Werthe, nach seiner Beziehung auf das Ganze, schonen, schätzen und gebrauchen. Jeder gewinnt in seiner Sphäre hinlänglichen und erfreulichen Stoff zu gegenwärtiger Thätigkeit, und eine Gelegenheit, sich an und in derselben zu dem ihm dereinst bevorstehenden höhern Wirkungskreise nützlich vorzubereiten. Nur wenn Großes und Kleines in ihrem innersten Wesen analog sind, in bei­ den sich dieselben Elemente vorfinden, beide in demselben Geiste betrieben werden, ist es möglich, sich in und durch die Praxis stufenweis zum Höchsten auszubildcn. Jeder neue Wirkungskreis ist dann im Grunde der alte, nur daß diese oder jene Verhältnisse in vergrößertem Maaßstabe sich vorfinden. Eine bloße Vervielfältigung oder erweiterte Ausdehnung der zu behandelnden Gegenstände, wenn die Behandlung derselben nach denselben Principien zu bewir-

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krn ist, kann für den, -er sich gewöhnt hat, kn Gemäßheit solcher deurlich erkannten Principien ju verfahren, keine besondre Schwierigkeit haben. Es giebt freilich Menrchen, Lie ihren Blick nicht zu erweitern vermögen, die es über­ haupt nicht im Stande sind, auf andre Menschen, und s» mircelbar durch Andre zu wirken, die unbedingt vor dem Großen und Wichtigen erschrecken, weil ihr ganzes Wesen zur Geringfügigkeit hinneigt, die überall mechanisch fortge­ stoßen werden müssen, und daher ohne Anstoß in ihrer Trägheit verharren, nach Empfang desselben aber ebenfalls nur mechanisch weiter stoßen. Solche Menschen besitzen allerdings in ihrer Individualität, in ihrer natürlichen Be­ schaffenheit ein unüberwindliches Hinderniß, erhabene Standpunkte auszufüllen, sich in bedeutenden Verhältnis­ sen würdig zu benehmen — so wie es Menschen giebt, die vom Schwindel befallen werden, wenn sie aus der Höhe in die Tiefe schauen und wie ein Rechenschäler erschrickt, wenn die Faktoren seines Multiplikationscxempels einige Ziffern mehr enthalten wie gewöhnlich, — solche Menschen sind eben ohne Kunsianlage, ohne Bildungsfahigkcik, (i'e können sich nur durch lange mühsame Angewöhnung für einzelne bestimmte Geschäfte taugsam machen, und sind deshalb ausschließlich zur handwerksmäßigen Vollbringung untergeordneter Verrichtungen Zeit ihres Lebens verdammt. Es ist ein Unglück für sie und die ihnen anvertrauten Ge­ genstände, wenn sie zufällig und unverdienterweise in eine Lage gesetzt werden, die nur um ein Weniges ihren Hori­ zont überschreitet. 429. Man pflegt zu sagen: zum Feldherrn mässe der Mensch eigens gebohren werden. Dies ist eine figürliche Redensart. Jedes Geschäft, jede Art von praktischerThätigkeit erfordert zu ihrer musterhaften Ausübung natürliche Anlagen, aber nicht blos diese, sondern auch einen gewissen Grad der Entwickelung oder Ausbildung der vorhandenen natürlichen Anlage*). Nicht blos zum Heerführer, son­ dern überhaupt zum Anführer der kleinsten Parthei im Kriege gehört natürliches Geschick (Talent); aber nicht -er Umfang dieses Talentes allein, sondern auch eine verhältnlßmäßige Erfahrung, Kriegsgewohnheit und Kennt­ niß von mancherlei Dingen muß hinzukommen, wenn der Talentvolle seinem Amte so soll vorsteheu können, wie es *) Dies ist es, worauf ein andrer Gemeinplatz hindeutet: Jedes Ding hat seine Wissenschaft.

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der Ernst des Dienstes erheischt. Ohne diese Futhat kavk im einzelnen bestimmten Falle der Talentlose vielleicht viel besser seinen Platz ausfüllen. Für die Praxis im Allge­ meinen hat das, wozu der Mensch die Fähigkeit besitzt, waS er möglicherweise zu leisten vermag, gemeinhin einen grö­ ßern Werth, als das was er augenblicklich zu leisten wirk­ lich im Stande ist; im konkreten Falle aber, wo es darauf ankommt, gegebne Zwecke zu erreichen, ist das größte Ta­ lent ohne Werth, wenn es keine sichtbaren Früchte bringt, wenn es nicht zur Stelle seine Kraft bewahrt. Wo es auf die effektive Gewißheit ankommt, ist die höchste Wahrschein­ lichkeit nicht mehr werth als die geringste, eben weil beide ungewiß sind. Je größer, je gediegener und vielseitiger ein Talent ist, um desto schneller orientirt sich allerdings der damit begabte Mensch auch in ganz ungewohnten Lagen, um desto weniger bedarf er einer durch alle Stufen regelmäßig fort­ schreitenden Ausbildung, er vermag ganze Absätze mit Be­ hendigkeit zu überspringen. Daher sehen wir öfters junge Prinzen, oder wie zur Zeit der französischen Revolution, Advokaten und andre Geschäftsmänner, mit ausgezeichne­ tem Erfolge fast unmittelbar an die Spitze der Armeen tre­ ten. Abgerechnet, daß solche Erscheinungen bisweilen ohne alle^ Konsequenz und eine bloße vorübergehende Laune des Glücks sind, berechtigen sie übrigens noch gar nicht, jeder­ zeit das Dasein eines ganz ausnehmenden Talentes voraus­ zusetzen. Es giebt Falle, wo die großen Verhältnisse des Kriegs so schwierig und verwickelt werden, daß die höchjke Fülle von Talent und Charakter erfordert wird, um ihnen gewachsen zu seyn, wo nur das Genie oder der Günstling des Glücks den rechten Ausweg sindet, und eine vollendet gereifte militärische Bildung nöthig ist, um den Conflikt der Verhältnisse in seinem Zusammenhänge und seinen Grundursachen zu durchschauen. So schwierige Aufgaben kommen indessen auch nur selten vor. Im gewöhnlichen Laufe der Begebenheiten und wenn der Organismus des Heers und der verschiednen Dienstzweige gehörig geordnet und im Gange sind, pflegt die Leitung der großen Heeres.abtheilungen mit keiner größeren geistigen Kraftanstrengung verknüpft zu seyn, als die dadurch veranlaßte Thä­ tigkeit der untern Befehlshaber. So soll es aber auch seyn, und wo es nicht so ist, liegt die Schuld davon an der Organisation der Maschine, oder an der Unfähigkeit dessen, der an der Spitze steht, den Geschäftsgang zu organisiren,

und den Organismus in lebendigem Gange zu erhatten» Es ist jederzeit rin untrügliches Zeichen einer angemessenen innern Anordnung, wenn dir eigentliche Arbeit und äußere Thätigkeit oder Beschwer um desto geringer, die regelmä­ ßige Verrichtung um desto einfacher wird, je ausgebreite­ ter die Wirkungskreise, je mannigfaltiger und lebendiger die vom Mittelpunkt ausgehende Wirksamkeit ist. Ein Zahn des Hauptrades muß durch sein gelassenes Fortrücken un­ zählige untergeordnete Räder und Getriebe in beschleunig­ tem Umschwung setzen können. Der Schäfer, dessen Hunde nicht so abgerichtet und in Athem sind, daß er sorgenfrei im Schatten ruhen darf, dessen Heerde wird von den Wöl­ fen gefressen. Jedes Ding und jeder Mensch hat nur einen beschränkten Grad unmittelbarer Wirksamkeit. Soll sich seine Kraft in einer größern Mannigfaltigkeit und Ausdeh­ nung wirksam bewähren, so muß dies auf mittelbare Weise gescdehen, indem nämlich eine Menge andrer Kräfte zu ihm in solche Beziehung gesetzt werden, daß jede von ihm vor­ genommene Kraftäußerung Sporn und Nöthigung wird, daß alle übrigen Kräfte eine analoge Wirksamkeit äußern. Ein Wort, eine Andeutung des Feldherrn muß hinreichen, die ganze Verzweigung des unter ihm befehlenden Personale's von oben bis unten hinab in eine seinen Absichten an­ gemessene Bewegung zu setzen und zu Anordnungen zu ver­ anlassen, welche jener Andeutung gemäß sind. Das Ge­ heimniß liegt blos darin, die Gesammtlast nicht allein zu tragen, sondern sie aufmehrern Schultern zweckmä­ ßig zu vertheilen, einem Jeden der Träger seine be­ stimmte Thätigkeit und Verantwortlichkeit anzuweisen, die zur Bewegung des Ganzen erforderliche mannigfaltige Betriebsamkeit in analoge durch gemeinschaftliche Hebel bewegte Gruppen zu sondern, und so das Ganze in mög­ lichst wenige 21 eile zusammenzufassen, die zuletzt in den ei­ nen Hauptstamn eng und unauflöslich versammelt werde» können. — In gewöhnlichen mechanischen Maschinen pflegt es unter ähnlichen Umständen wohl zu geschehen, baß trotz der kunstreichen Organisation derselben ihr gesamter Wi­ derstand gegen den Punkt zurückwkrkt, von dem die wir­ kende Kraft ausgeht; bei einer solchen Maschine aber, die wie das Heer aus lauter lebendigen Elementen besteht, welche (gleichsam wie das Pulver durch den zündenden Fun­ ken) durch dit Allgewa't des von ob^N her ausgesprochenen Wertes in Bewegung gesetzt werden, wo also jedes Mittel­ glied eint felbstchätige mit eignem Urtheil versehene Kraft-

24 quelle ist, wird ein großer Theil des vorfindlichen Wider­ standes unmittelbar durch die End- und MitirlgUedk« absordirt, so daß nicht selten blos die historische Anjeige deS dereitS beseitigten Faktums an den Oberbefehlshaber gr-langt. Oder wenn dies nicht der Fall seyn sollte, so wird derselbe doch nur selten vom Detail der Ereignisse berührt, die Wahrnehmungen treffen gleichzeitig von vrrschiednen Richtungen ein, so daß sie sich gegenseitig aufklaren, oder bereits unter einem allgemeinen Gesichtspunkt zusammenge­ flossen sind; für manche Noth kommt als Begleiter gleich der gute Rath, so daß es nur einer Entscheidung bedarf, oder die nähere Ermittlung dessen, was zu thun ist, nur an irgend einer Behörde gewiesen werden darf, in deren regelmäßigen Geschäftsbereich der in Rede stehende Gegen­ stand ordnungsmäßig einscdlagt u. s w. An Untergebne, die mit ihrer Ehre und ganzen Existenz für die gewissen­ hafte, Zweck und Umständen angemessene, Ausführung der erhaltenen Auftrage, verpflichtet sind, Befehle zu ertheilen, in welchen sich blos eine allgemeine Richtung oder gewisse Gränzen des Verhaltens angedeutet finden und ausgespro­ chen werden dürfen, ist wohl nur selten ein so schwieriges Werk, als mittelst der That jene Befehle mit den Umstän­ den in Einklang zu bringen. Vorzüglich auch deshalb, weil es sich so häufig ereignet, daß die gesammle Thätigkeit und Kraftanstrengung des Feindes gegen einzelne Punkte kons zentrirt wird, und das Schicksal des Ganzen dann von dem Entschlusse und den augenblicklich ergriffenen Maaßregeln Ler dort zur Stelle befindlichen Unterbefehlshaber abhän­ gig wird. Der Oberbefehlshaber muß freilich das Ganze in allen seinen Richtungen überschauen,. während der Untergeord­ nete nur in einer von diesen Richtungen sein Wesen treibt. Allein Beider Lage ist im Grunde so verschieden nicht. Der Untergeordnete hat trotz seiner beschränkteren Wir­ kungssphäre nichts best» weniger alle Hände voll zu thun, wenn er seinen Beruf im strengsten Sinne gewissenhaft er­ füllen will. Auch Er muß oftmals nach mehrer» Seiten zugleich Front machen; er befindet sich eben wie sein Obe­ rer im Mittelpunkte einer Sphäre, aus deren Peripherie sich eine Menge mannigfaltiger Strahlen gegen ihn konzentriren. Ob man zehn Schildwachen instruiren muß oder zehn Generale, die Mfjhung von drei Patrouillen kombiniren soll, oder die Meldung aus drei Hauptquartieren; tausend Mann in einem verwickelten Terrain gegen einen überlege-

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nett und aufgeweckten Feind zu dirigiren hat, oder hundert­ tausend: kommt am Ende doch im Wesentlichen auf Eins heraus, wenn man nur überhaupt in seiner respckriven Be­ rufssphäre zu Hause ist. Je höher hinauf, desto mehr Hülfe, desto weniger unmittelbare Berührung, desto grö­ ßere Freiheit im Thun und Lassen; je tiefer hinunter, desto mehr ist man auf die eigne Kraft verwiesen, desto unmit­ telbarer wird man in den Tumult der Ereignisse verflochten, desto beschrankter ist -er Gesichtskreis, desto beengender find die Schranken, in denen man sich zu bewegen gezwun­ gen ist. Manche Schlacht ist leichter zu liefern, als ei« einzelnes Gefecht unter ungünstigen Umständen, und in der Praxis eines entsendeten Subalternoffizierü könrlen Ver­ hältnisse rintreteN, die so verwickelt sind, so viel Scharf­ sinn richtige Beurtheilung und Gegenwart -es Geistes er­ fordern, als sie sich kaum in der Geschickte mancher große« Operationen auffinden lassen. Die speziellen Data der ein­ zelnen Begebenheiten sind nur gemeinhin zu wenig bekannt, oder das Verfahren der beiden streitenden Haufen zu roh, zu handwerksmäßig, zu wenig musterhaft in seiner Art, sonst müßte wahrlich die Geschichte des sogenannten klei­ nen Krieges viel reichhaltiger an interessanten und beleh­ renden Vorfällen seyn, als die zur Zeit fast noch einzig beachtete Geschichte der großen Operationen. 430. Gehen wir jetzt zur weitern Analyse des Begin­ nens der ins Feld gezogenen Truppenmasse über. Die gesammteHeeresmacht bleibt entweder unter eine« einzigen Oberbefehlshaber in unzertrennter Masse beisam­ men, oder sie wird irgendwie in mehrere selbständig agirende Körper unter mehrere Feldherrn vertheilt. I« letzter« Falle werden diese einem obersten Feldherrn gemein­ schaftlich subordinirt oder sie finden ihren Vereinigungs­ punkt (die ihre Anordnungen verknüpfende höhere Idee- i« der Person des Staatsoberhauptes und den von dortauS vrhaitenen Instruktionen. Dabei können die Kriegsschau­ plätze, auf welchen die einzelnen abgesonderten Armeekörs per aufzutreten bestimmt sind, in solcher Entfernung von einander liegen, daß ihre Operationen völlig eine von der andern unabhängig ihren Weg gehen, oder sie gränzen der­ gestalt aneinander, daß sie sich gegenseitig influenziren, unk» dieserhalb in steter Uebrreinkunft und Mittheilung dessen, was bei jedem von ihnen vorfällt oder vorgenommen wer­ den soll, bleiben müssen, um sich nicht zufällig Abbruch zu thun, »der «ine Grlegrnhrit wechselseitiger Hülföleisiung

26 zu verabsäume». Dies letztere Verhältniß abgerechnet, ist das Verfahren eines solchen einzelnen Armeekörpers von dem dergesammten vereinten Heeresmacht in nichts Wesent­ lichem unterschieden; und dies ist auch dann noch der Fall, wenn nach Befinden der Umstände, einer oder mehrerer dieser Armeekörper wiederum in kleinere für sich agirendea Massen aufgelöst werden. In Hinsicht auf das persönliche Verhältniß der Anführer solcher Massen kann dabei einer der folgenden vier Falle statt finden: i) er steht völlig selb­ ständig und in seinen Unternehmungen blos durch die erhal­ tene Instruktion gebunden für sich allein da, oder er ist 2) an die unmittelbaren Befehle eines höheren Befehlshabers gewiesen, oder er ist 3) zwar nicht untergeordnet, aber beauftragt, im Einklänge mit andern Befehlshabern zuoperiren, die mit einem gleichen Grade der Selbständigkeit und Machtvollkommenheit ausgestattet sind, oder er steht 4) zu gleicher Zeit in koordinirtem und fubordinirtem Ver­ hältnisse, also in einer zwiefachen Art von Abhängigkeit, wie dies bei geringeren Heeresabtheilungen fast jederzeit der Fall zu seyn pflegt. 431. Ob man die ganze Heeresmacht beisammen hal­ ten, oder sie in mehrere Körper auseinander senden mässe, hangt wie alles klebrige von Zweck und Umständen ab. Die Erfahrung hat gelehrt, daß das Wirkungsvermögen oder Lie Operationsfähigkeit eines Heers bei gleicher Güte der Elemente nicht unbedingt im graben Verhältnisse der An­ zahl seiner Streiter stehe, sondern daß es eine gewisse Gränze giebt, über welche hinaus die Vergrößerung im Allgemeinen eher nachtheilig als vortheilbringend ist. Zu große Massen werden unbehälflich, und geben da­ durch einem an Zahl geringeren aber eben deshalb bewegli­ cheren Gegner Gelegenheit sie zu übervortheilen. Sind sie zum Gefecht entwickelt, so ist ihre räumliche Ausdehnung so groß, daß der Feldherr das Ganze nicht mehr übersehen und von einem Zentralpunkte aus dirigiren kann, weil zu viel Zeit erfordert wird, ehe die in Gemäßheit der einge­ henden Berichte verfügten Anordnungen zur Kenntniß der auS den bedrohten Punkten stationirten Befehlshaber ge­ bracht werden können, oder ehe der eine Flügel dem andern zu Hülfe eilen kann. Ist die Masse aber vollends in einem unentwickelten Zustande,'so bedarf sie wiederum zu viel Zeit, um ihren E, baß er die Aaordaüi'gen beS Augreifers nicht hinlänglich tu übersehen vermag, oder wenn er Nicht die gehörigen Maaß egeln getroffen hat, um zeitig genug von der Annäherung, Art und Richtung deS Angriffs unter­ richtet werden zu können. Viel größer ist umgekehrt die Desorgniß für den Angreifer, daß ihn fein Gegner in Hinterhalte locken, oder ihn durch unvorherzusehende, seine AngriffSdispoKtion ganz unzweckmäßig machende Verän­ derungen der Aufstellung, in Drrl genheit setzen, oder ihn gar durch plötzliche Offensivmaaßregeln überraschen und aus dem Angriff, unter den ungünstigsten Umständen in die Defensive werfen werde. Eine Haupksaäw bei aller Kriegführung, vorzüglich aber am Tage d«S Gefechtes ist eö, die Verhältnisse. Absichten, Anordnungen des FeindeS zu kennen, zu errathen, und dagegen ihm die unsrigen zn verbergen. Dec Defensivzuständ bietet hierzu bei weitem mehr Mittel an die Hand als der Offensivzustand. Im trstern hat Man gemeinhin mehr Muße, die Eigenthüm­ lichkeiten der Lokalität, in welcher mast sich zu schlagen gedenkt, speziell in ihrem gegenwärtigen Zustande kennen zu lernen, sich klar zu machen, welche Beschassenhelte« des­ selben gar keine, scheinbare oder wirkliche Vortheile füll uns und für den Gegner darbieten, und hier oder da Kor­ rektionen anzubringen, Dinge hinweg zu nehmen oder hin­ zu zu fügen, welche der Feind unmöglich ahnen kann, und die ihn um desto heftiger überraschen, je mehr ihm eine vielleicht früher erlangte Kenntniß der Gegend etwas ganz anderes erwarten ließ. Diese mehr oder minder genaue Kenntniß der Lokalität, setzt den Defensivagirenden in den Stand, theils nach Gründen der Zweckmäßigkeit zu erra­ then, in welcher Art der Angriff wahrscheinlich erfolgen werde; eine Disposition zu entwerfen, mittelst welcher man auf die wichtigsten Modifikationen des Angriffs gleich seht gefaßt ist; zu beurtheilen, ob der Feind die gegensei­ tigen Verhältnisse durchschaut uud ihnen gemäß, das Rechte

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erwählt habe ober nicht: — theils aber auch, sich unter dem Schutz der Terraingegenstände so aufzustellrn, daß man die entscheidenden Terrainabschnitte genugsam übersehen und den gefährlichsten Punkten zur rechten Zeit mit Uebermacht zu Hülfe eilen kann, es dem Feinde aber unmög­ lich gemacht wird, entweder die wirklich vorhandenen Defensivmaaßregeln in ihrem ganzen Umfange zu erkennen, oder auS dem was er sieht auf das, was' ihm verborgen bleibt, und was der Stehende unter diesen oder jenen Um­ standen wohl vernünftigerweise im Schilde führen könnte, einen konsequenten Schluß zu machen. Wenn alles ist wie es seyn soll, muß der Angreifende überall im Finstern tap­ pen und sich zu Fehlschlüssen und Fehlgriffen verleitet füh­ len, während es für seinen Gegner nichts wesentlich Ueberraschendes geben darf. Man denke hier wiederum nur an den Belagerungckrieg, und man wird bald begreifen lernen, wie der Defensivagirende auch im freien Felde verfahren müsse und verfahren könne, um «Ile, in seiner Lage gegründeten Vortheile geltend zu machen, ober den damit verknüpften Nachtheilen auf eine geschickte Weise aus dem Wege zu gehen. Es giebt Fälle, wo man nichts Besseres thun kann, als dem Feinde die Offensive aufzunöthigen oder anzukomplimentiren; vornämlich dann, wenn man sich überzeugt halten darf, daß die Talente des An­ führers, die Dressur und der moralische Werth der Trup­ pen der Verwickelung und Ueberraschung nicht gewachsen seyn werden, in welche sie beim Angriff aller Wahrschein­ lichkeit nach gerathen müssen. Man wird hiergegen vielleicht einwenden, die Defen­ sive sey, wenn sie günstige Erfolge versprechen solle, ein sehr künstliches zusammengesetztes Wesen, das ein beson­ deres Zusammentreffen günstiger Umstände, großes Ge­ schick von Seiten der Truppen und Anführer und eine langwierige Vorbereitung rrfordre. Die Offensive erscheine bei alledem empfrhlenswerther, weil sie einfacher, weniger auf die Kunst als auf die kunstlose Tapferkeit der Truppen die man stets zur Hand habe basirt sey. Wenn man im­ mer frisch auf den Feind losgehe und ihm keine Zeit lasse, sich sorgsam vorzubereiten, so stehe die Defensive in hülfloser Nacktheit da, und am Ende sey doch auch das Re­ sultat fast aller Belagerungen, daß die festen Platze, als» die aufs sorgfältigste durch die Kunst ausgestatreten Defenstvpunkte, einem gehörig geleiteten Angriff nicht zu wi­ derstehen vermögten. — Wir antworten darauf: eS liegt

i3i zwar in dem Wesen der Defensive, daß sie von allen Hälfsleistungen der Kunst und insonderheit der Befestigungskunst, einen sehr ausgedehnten Gebrauch machen kann, aber es ist gar nicht nöthig, daß diese Hülfe der Kunst durchaus und in besonderm Umfange für sie, in Anspruch genommen werden muß. Die bioße richtige Benutzung der natür­ lichen und fast überall in einem brauchbaren Zustande vorfindlichen Beschassenheiten des Bodens, verbunden mit der Fertigkeit, von den augenblicklich eintretenden Umstanden ungesäumt Vortdeil zu ziehen, bietet dem, der den Angriff errsartet, tausendfältige Auskünften dar, dem Gefecht eine günstige Wendung zu geben. Diesen Grad der Kunst müs­ sen wir billig bei jedem voraussetzen, der mit Erfolg Krieg führen will, und wer es bis dahin nicht gebracht hat, der soll sich auch keine große Rechnung darauf machen, durch das bloße rückstchtslose Darauflosgchen wichtige Refullate zu erreichen, so wenig als den Russen uu siebenjährigen Kriege der Versuch hat gelingen wollen, Festungen ohne eröffnete kaufgräben im offenen Angriffe wegzunehmen. Daß Angriffe mißlingen können, davor» liefert die Ge­ schichte aller Kriege unzählige Beispiele, und mit dem ersten Mißlingen hat sodann auch gewöhnlich das weitere rastlose Vordringen ein Ende, was sonst allerdings zu den wirksamsten Offensivmaximen gehört. Daß Festungen dem gehörig geleiteten und ausdauernd fortgesetzten Angriffe nicht zu widerstehen pflegen, liegt darin, daß ihre Besat­ zungen gewöhnlich sich keineswegs in dem möglichst vorthrilhaften Defensivzustande befinden. Theils ist die Pra­ xis der Kunst feste Plätze zu überwältigen, zu einem weit höhern Grade der Ausbildung gediehen, als die Kunst feste Plätze zu bauen und zu vertheidigen; theils stehen die Kräfte, die Streit- Subsistenz- und Ergänzungsmittel der Besatzung in der Regel in einem höchst ungünstigen Zahlverhältniffe zu den Kräften und Mitteln deS Belage­ rers; theils ist darin ein Hauptäbelstand gegeben, daß die Besatzung nicht genügsame Freiheit zu offensiven Gegenschritt'N besitzt, an einen einzelnen bestimmten Punkt festgrbannt ist, und im übelsten Fall den ungleichen Kampf nicht abbrechen kann. Ueberhaupt ist die Ursach, daß Defensiv-Operationen und Gefechte so häufig scheitern, zum großen Theile darin zu suchen, daß sie unter ungünstigen Umstanden statt ge­ funden haben. So lange man starker ist oder sich kräf­ tiger fühlt als der Gegner, pflegt jeder dies im Angriff

1Z2 und durch bas Ergreifen offensiver Operationen geltend zu machen. Jur Defensive wird gewöhnlich erst geschritten, wenn der Feind aus irgendwelchen Ursachen, bereits eme wirkliche Präpotenz über uns gewonnen hat, so daß es uns an Vertrauen, Muth und Kräften fehlt, zuerst aus­ zuschlagen; ober über, es werden politische Mißverhält­ nisse , Unentschlossenheit und Talentlosigkeit der Anführer Veranlassung, daß man den Kampf moralisch zu vermei­ den sucht, dadurch den Gegner stark und kühn macht, selbst aber halbe Maaßregeln trifft, und so wiederum den Kür­ zern zieht, nicht weil man dem Gegner die Offensive über­ lassen hatte, sondern weil es uns an den zum Kampfe und Siege überhaupt wesentlich nöthigen moralischen und gei­ stigen Bedingungen gebricht. Es wird uns übrigens wohl niemand so arg mißver­ stehen, als ob wir durch das Bisherige beweisen oder be­ haupten wollten, man müsse niemals die Initiative offen­ siv ergreifen, oder die Defensive sey unter allen Umstanden rathsamer als der Angriff. Vor allem muß der vorlie­ gende Kriegsjweck entscheiden, ob das eine oder das andere angemessener sey. Wenn wir uns in den Besitz gewisser kandstrecken oder Terrainpunkte setzen wollen und sollen, welche der Feind inne hat, so müssen wir ihn natürlich engreifen und daraus verjagen. Wenn die übrigen Ver­ hältnisse des Krieges es nöthig oder wänschenswerrh ma­ chen, mit dem Feinde zu schlagen, und er vielleicht grade deshalb seine Gründe hat, das Gefecht zu vermeiden, so müssen wir ihn durch den Angriff zum Gefechte zwingen. Wenn unsre Fechtkunst, der Charakter und die Stimmung unsrer Truppen vorzugsweise mit der Angriffsform harmoniren: ober aus ähnlichen Gründen für den Feind be­ sondre Vortheile daraus erwachsen könnten, falls wir ihm Angriff und Initiative des Gefechts überließen: oder wenn Lie gegenseitigen Anführer unentschlossener schwerfälliger Natur sind, wir Ursache haben zu glauben, daß wir den Feind überfallen, seine augenblicklichen Plane unangenehm durchkreuzen, ober ihn irgendwo unvorbereitet antreffen werden: wenn das Terrain wenig Hindernisse des Zugangs barbieret, der Feind auS Unkunde der Lokalität ober aus Unfertigkeit von ihr die wahren Vortheile zu ziehen, sich ungeschickt ausgestellt, gefährliche Zugänge unbeachtet ge­ lassen, sich selbst in der allseitigen Anwendung feiner Gesammtkraft, ober einzelner Waffenarten, die Hände gebun­ den hat: w^nn nach der Beschaffenheit des Lokals, der

155 Fechtakt und Kriegsmanier des Feindes oder sonst andern Gründen von einem mißlungen Angriffe keine groß« Gefahr und Einbuße zu befürchten steht, das Verschieben des Ge­ fechtes unangenehluere Verhältnisse,hervorbringen kann, oder das Gelingen ausnehmenden Gewinn ver speicht — und unter einer Menge von ähnlichen Verhältnissen, wo ein gegründeter Anreiz zur Offensive da ist, d. h. wo an­ derweitige Gründe Motiv unsres Entschlusses wer­ den; — in allen solchen Fallen wäre es thöricht und straf­ fällig, die davon zu erwartenden Vortheile llch muthwillig entgehen zu lassen. Die Maxime, so oft die Offensive zu ergreifen, als es irgend thunlich ist, muß an sich im höchsten Grade gebilligt werden, vorzüglich wenn unter dem Thunlichen, das den Umständen Angemessene gemeint wird. Es giebt Verhältnisse, unter denen man ohne^Be­ sinnen die Offensive ergreifen, ja sich fast unbedingt für sie entscheiden muß; solche nämlich, wo die Zeit Flügel hat, wo Sieg oder Untergang am Augenblicke hängen. Unter solchen Umständen ist frisch gewagt aud) halb gewonnen. Wer einmal geschlagen ist, schlagt std), in der Regel, zum zweite imal schlechter, und so immer fort, wenn man ihm keine Zeit läßt fid) zu besinnen. Dem Siegenden wird alles leid>t, dem Geschlagenen alles sd)wer *). Daraus folgt für den Sieger, daß er unaufhaltsam den Angriff erneuern, für den Geschlagenen, daß er, wenn es irgend möglid) ist, dem Sieger im nächsten Angriffe zuvorkommeu müsse. Wo unsre ganze Existenz und alles was wir thun, gewissermaßen in Wagstück ist, muß man sid, auch groß zeigen im Wagen, sid) der Kühnheit und Genialität rück­ sichtslos hingeben, und den Himmel für das Weitere sor­ gen lassen. Wo nur die Wahl ist zwischen Sieg oder Tod, Mi»ß man den Tod wählen, damit man am sidwrsten den Sieg davon trage. Wer ein solcher Günstling des Glücks ist, daß er im Voraus empfindet und instinktmäßig dem *) Folgen sich die Angriffe auf einen geschlagenen Feind schnell, dann ist der dritte ein Streit von Mannern gegen Knaben, der sechste nur ein Gang auf den Fcchtbodcn. Laß also die Pedan­ ten dem Feinde goldne Brücken bauen und verfolge deinen Sieg mit Adlersschnelle; nichts kann dir seine Früchte entreissen. 9iuc mußt du von Anfang gründlich geschlagen haben, nicht oberfläch­ lich, wie im Spielkrieg, der hat freilich, gleich einem Kommerz­ spiel ganz andre Regeln, wie das Pharo des ächten Krieges. (Kankrin.) ■*.pres une defaite l’anuee entierc est une pärtic foible, l’altaquer, c’cst marcher a un triomphc parfaite. (Jomini.)

134 zustrekt,. woran das Gelingen gebunden Ist,, dem sollen sein Gefühl und seine innere Stimme mehr gelten, als alle Bedenklichkeiten der zweifelsüchtigen und mir der Gold­ wage prüfenden Vorsicht; ein Solcher mag, wie fern er die gute Sache verficht, seinem Glücke und dem Finger­ zeige seines Genius vertrauen und blind sich mitten in den Strudel der Gefahr stürzen; sein Stern wird ihn nicht sinken lassen,. Es giebt Menschen, deren Muth zunimmt mit der Größe der Gefahr; diese find geboren für den Krieg, denn große, Noth , erfordert große Kraft, unge­ wöhnliches Verhältniß ungewöhnliche Mittel; alle gewal­ tigen Ereignisse spotten kleinlicher Rücksicht, und es scheint daß man nur Herr über sie werden sann, wenn man ih­ rer wiederum spottet, sie gering achtet, und sich wenig­ stens in der Idee, im Geiste und im Willen zu ihrem Gebieter erhebt. Hilft diese Auskunfr nichts, so war sicherlich ohnedem auch alles verloren. Manche Menschen besitzen mehr strategischen, manche mehr taktischen Muth, d. h. manche Menschen sind kühn im Gefecht und verzagt im Operiren, und umgekehrt, je# nachdem ihre Kühnheit mehr Resultat des Temperaments, des Affektes, oder der Reflexion und des Charakters ist. Daher sieht man manche ihre Reputation verlieren, je höher sie hinaufsteigen, je mehr Siege sie in früheren Verhält­ nissen erfochten hatten, je größer die Masse von Erfah­ rung und theoretischen Kenntnissen ist, welche sie einge-sammelt haben. Umgekehrt bemerkte man an Türenne, der in seiner Jugend furchtsam und unentschlossen war, daß er in seinem Alter kühn und unternehmend wurdr, wo die Meisten aufhören es zu seyn. Wenn man sich auf seine Truppen einigermaßen verlassen sann, sollte man im Operiren unaufhörlich kühn seyn, unaufhörlich offensiv verfahren. Die Operation selbst führt noch nicht unmit­ telbar zum Untergange, man kann sich durch geschickte und entschlossene Bewegungen, wenn man nur nicht die gewöhnlichsten Vorsichtsmaaßregeln verabsäumt, auf mehr als eine Weise aus der Schlinge ziehen, und im schlimm­ sten Fall nöthigen die Bajonette unsrer Truppen den Feind und die Kritiker zum Eingeständniß, daß wir Recht ge­ habt. Alles richtet sich freilich nach der richtigen Beur­ theilung dessen, waS man dem Feinde ungestraft bie­ ten darf; diese richtige Beurtheilung hat Napoleon groß gemacht, die unrichtige verführte ihn zum Uebermuth, und dies ist in der Regel der erste Schritt zum Unter-

155 Lange. Im Operkren giebt es freilich noch eine zweite Art der Offensive, die beim Gefecht weniger in Anwen, düng gebracht werden kann, weil sich fast keine Gelegen­ heit dazu darbietet, die aber die Leichtigkeit und Gefahr­ losigkeit der Angriffstendenj fehr vermehrt: die indirekte nämlich; wo man nicht die feindliche Streitkraft selbst, sondern die wehrlosen, leichtverletzlichen Kraftquellen anfällt, wodurch der Gegner meist gezwungen wrrd, von seintn eignen Offensivplanen abzustehen, und worin für den Geschlagenen eine Auskunft liegt, gegen den zögern» den Feind angriffsweise zu verfahren, ohne sich der Ge­ fahr einer unmittelbar folgenden zwtiten Niederlage aus­ zusetzen. Auch kann man, wenn man der Beweglichere ist, fast unaufhörlich offensiv agiren, ohne sich in einen entschiedenen Kampf einzulassen, wenn man den Feind unaufhörlich neckt, und sobald sich dieser zur ernsten Ge­ genwehr anschickt, wieder absteht, verschwindet und das Spiel an ganz entgegengesetzten Orten wieder erneuert. Man muß sich nur, wie die Mücken wenn sie den Löwen plagen, aufs Fliegen verstehen und die empfindlichsten Stellen kennen. Die indirekte Offensive findet mehr im großen, die neckende begreiflich mehr im kleinen, Kriege ihre zweckmäßige Anwendung. Hannibal, Mithridat und Scipio gingen von der Maxime aus, man mässe den Krieg in das Herz des feind­ lichen Landes tragen. Der Erfolg spricht für die Richtiakeit derselben. Doch muß man wohl die Zeiten und politischen Verhältnisse unterscheiden. Die neuesten Er­ eignisse zeigen, daß Operationen dieser Art eben so gut gelinge« als mißglücken können. Wenn man den Krieg in das feindliche Gebiet hinüberspielt, hat man den Vor­ theil, den Kriegsschauplatz von der eignen Heimath zu entfernen und dadurch die Unkosten des Krieges fast gänz­ lich seinem Gegner aufzuhalsen. Man hat ferner den Vor­ theil, die eignen Kraftquellen indirekte außer Gefahr zu setzen, die des Feindes unmittelbar zu bedrohen und viel­ leicht auf eine nachdrückliche Weise zu verletzen. Endlich noch den zufälligen Vortheil, den Gegner zu überraschen, ehe er feine Streitkräfte gehörig versammelt, seinen Kriegeöplan vollständig entwickelt hat; oder sich in den Besitz gewisser Landesstrecken und Lokalpunkte zu setzen, welche für die weitere Kriegführung Vortheile versprechen, die das eigne Gebiet in gleichem Grade, nicht darbietet; oder da­ durch irgendwie zu unsern Gunsten auf die öffentliche Mei-

136 «ring zu wirken, und den Feind außer Fassung zu fetzen. Auf der andern Seite aber giebt es auch eine Menge sehr entscheidender Umstande, »velche zu Gunsten dessen wir­ ken, der den Krieg auf heimischem Gebiete führt. Die geringere Entfernung von seinen Kraftquellen, die Mög­ lichkeit eine größere Masse von Streitkräften aller^Art, als der von fernher anlangende Feind mit sich zu führen vermag, iq Bewegung zu setzen und auf den bedrohten Punkten zu konzentriren; das Steigern der nationalen Energie, welche durch die Nahe der Gefahr und den un­ mittelbaren Druck des Krieges, zur höchsten Spannkraft und Erbitterung angefeuert wird; die Nähe lange vorher dereiteter Zufluchten, im Fall ungünstige Ereignisse oner Verhältnisse es einstweilen nicht gestatten, fleh gegen den eingedrungenen Feind in offenem Felde zu behaupten; und die größere Gefahr für diesen, wenn leine Vorscl-ritte nicht die gewünschten Resultate herbriführen, — sind Rücksichten, welche gewichtig genug sind, um den unbesonnen trage# drungenen Feind plötzlich zu gemessenern Schritten zu ver­ mögen, oder ihn bald seine voreilige Kühnheit bereuen zn lassen. — 458. Kurz, man mag die Sache von einer Seite be­ trachten von welcher man will, so ergiebt sich fürö Ge­ fecht, wie für die Kriegführung überhaupt, am Ende im­ mer das gleiche Resultat: Offensive und Defensive sind beides gleich natürlich-, gleich unvermeidliche, gleich vor­ theilhafte, gleich gefahrbringende Zustände des Krieges. Sind die Kräfte, die Fähigkeiten, die Verletzlichkeit bei­ der kriegführenden Parrheien ungefähr gleich, so wrrd sich zwischen ihnen ein Kampf entspinnen, der nach Maaß­ gabe der lokalen und temporären veränderlichen Umstände, Ler individuellen Pläne, Ansichten und Absichten, der im Laufe der Operationen sich ergebenden Ereignisse u. s. w. bald die eine bald die andre Parthei in die Defensive wirft. Ob sie Recht hat diese Form zu wählen oder sich ausdringen zu lassen, oder ob sie umgekehrt mit Gewalt und Aufopferung sich h der andern behaupten müsse, läßt sich im Allgemeinen, und ohne alle wesentlichen Influen­ zen gegen einander abgewogen zu haben, durchaus nickt bestimmen Ls kann je&e Form zur rechten Zeit und aus guten Gründen, und jede zur unrechten Zeit und ohne zu­ reichenden Grund ergriffen werden. Dies gilt sowohl für jeden möglichen Moment während dem Laufe des Krieges, als färben Anfangsmoment oder tzit soAknannts

157 Initiative. (Es kommt übrigens nicht sowohl darauf an, wer zuerst ausschlagt, als darauf, wer zuletzt schlägt.) Man soll in beiden Formen gleich bewandert und gelenk seyn; mit gleicher Freiheit über beide gebieten, für beide eine gleiche (d. h. den Verhältnissen angemessene) Vor­ liebe besitzen, damit uns weder Vorurtheil noch Unvermö­ gen hiiidre, jeden Aug-nblick zu thun, wns an der Zeit ist, und dem Feinde die Form aufzudringen, die ihm am wenigsten zusagt. Man soll sich erinnern, daß nur der rohe Naturalist in einer Form ausschließlich begriffen ist, wahrend der Kriegskünsiler (wissend, daß man inmitten des Angriffs selbst angegriffen werden kann, und daß man sich oft am sichersten vertheidigt mittelst des reziproken Anfalls) sich fast unausgesetzt in beiden Formen zugleich bewegt, und aus einer in die andere übergehend, in bei­ den das moralische Uebergewicht zu bewirken versteht *), indem er Kleichmaßig thätig danach strebt, den Feind zu beeinträchtigen und sich selbst außer Gefahr zu setzen. Ec befindet sich nie in der Abwehr des feindlichen Streichs ohne die Absicht und den nöthigen Vorrath von Spann­ kraft, im nachstgünstigen Augenblicke dem Gegner den Streich zurückzugeben, er fällt den Feind nie an, als mit gesammelter, im Gleichgewicht gehaltener Kraft, um durch eine schnelle Wendung jeder plötzlichen Maaßregel begeg­ nen zu können, die ihn empfindlicher verletzen möchte, alS fein Anfall den Feind, Er stellt sich nie so auf, daß ec auf angemessene Bewegungen Verzicht thun müßte; er bewegt sich nie so, baß er nicht, wo es nöthig oder nütz­ lich wird, in gedecktem, zur Abwehr geordnetem Zustande augenblicklich Halt machen könnte. Die Defensivanordnungen richten sich stets nach der eignen Verletzlichkeit und dem VerletzungSvermvgen des Feindes; die Offensivanordnunaen nach der Verletzbarkeit des Gegners, und unserer Fähigkeit von ihr Gewinn zu'ziehen. Eine De-

*) Dies wird eben so oft durch Entschlossenheit, als durchl Vorsicht gewonnen; man muß nur jene nicht mit Unbeson-> nenh eit verwechseln, welche stets wehrlos ist, sobald der An-schlag nicht gelingt, und diese nicht mit Zaghaftigkeit, die ihrer Sache nie gewiß ist, und unter den besten Auspizien am Gelingen verzweifelt. Einen unbesonnenen Feind muß man stets zum Angrlff verleiten, einen unvorsichtigen, nachlässigen, zag­ haften, stets selbst angreifen. Der Entschlossenheit muß man Vorsicht, der Vorsicht Entschlossenheit entgegensetzen. Zwei gleich Entschlossene richten sich gegenseitig zu Grunde, zwei Gegner diß sich in der Vorsicht überbieten, hringen cs beide zu nichts.



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ftnsivstellung muß, wenn sie etwas taugen soll, so beschaf­ fen seyn, daß der Feind sie nicht angreiftn kann, ohne erhebliche Blößen zu geben; — eine Offensivstellung so, daß der Feind bei unserer Berührung gleich zu passiver Abwehr genöthigt wird. — Im Gefecht befindet sich jede Parthei fortdauernd: im Offensivzustaude, durch ihre Waf­ fen, und im Defensivzustande wegen ihrer verletzlichen Theile. Regel für die Offensive ist: „gebrauche selbst hin­ länglich gedeckt deine Waffen;" für die Defensive: „decke dich so, daß dir Gelegenheit wird, mittelst deiner Waffen den Feind zu verletzen." — 459. Wir kommen jetzt zur Erläuterung des Gegen­ satzes zwischen direktem und indirektem Kriege. Es liegt am Tage, daß es zwei Hauptwege giebt, km Kriege seinen Zweck zu erreichen: obsiegen durch Ge­ walt, und obsiegen durch Kunst. In beiden Fällen fin­ det ein Verwenden der gegenseitig vorhandenen Streit­ kraft, oder des disponiblen Streitvermögens statt; die Art aber, wie dies gegenseitige Vermögen mit einander in Wechselwirkung gesetzt wird, ist bei beiden wesentlich verschieden. Auf dem gewaltsamen Wege findet nichts an­ ders als ein rohes Messen oder abwägen der gegenseiti­ gen Zerstöhrungskräfte statt. Es giebt hierbei nur drei verschiedene Fälle, die Gewalt steht einer ihr gleichen Ge­ walt gegenüber, oder der Uebermacht, oder der Ohnmacht. Wer dem, der ein größeres Maaß von Zerstöhrungskräften beisammen hat und sie energisch wirken laßt, nichts e.ntgegen zu stellen vermag, als die eben nicht ausreichende Gegenwirkung seiner, im entgegengesetzten Sinne sich äu­ ßernden Zerstöhrungskraft, dessen Schaale muß bei der Abwägung ohne Rettung und Widerkehr steigen. Wo Kraft und Widerstand dagegen ursprünglich gleich sind, das Streben sie wirken zu lassen ebenfalls gleich ist, kann das Resultat ihrer Wirksamkeit nur Null seyn, d. h. es dringt keinem von beiden einen größeren Vortheil, oder einen größern Nachtheil; sie richten beide nichts aus, oder richtea sich beide zu Grunde. Die rohe Gewalt ergreift im Gefühl ihres UebergewichtS oder int Unbewußtseyn ihrer Schwäche, instinktmäßig die Offensive; wo sie sich selbst einer andern Gewalt gegenüber ohnmächtig fühlt, streicht sie gutwillig die Segel und ordnet sich unter, Falls nicht irgendwelche Affekte, sittliche Motive oder leiben# schäften das Gemüth stärker beherrschen als die natür­ lichen Triebe der Selbsterhaltung. Wo wir aus der gemalt-

159 samen Wechselwirkung ursprünglich gleicher Kräfte eia anderes Reiultat hervorgehen sehen, aiö Null, muß noth­ wendig noch irgend eine andere von den wirkenden Sub­ jekten (Partheien- abhängige oder unabhängige Kraft mit hinzugetreten seyn, die auf die eine oder die andere Seite den Ausschlag gegeben hat. Wo dies auf unbewußte Weise, ohne ausdrückliches Wollen, Wissen und Dazu­ thun der im Kampf begriffenen Subjekte geschieht, da wirkt der Zufall, da haben fremde Mächte Einfluß, und der Krieg erscheint im Wesentlichen als ein Glücksspiel; d. h. die Partheien setzen gegenseitig ein waS ihnen an Kräften zu Gebot steht, lassen sie wirken nach bestem Kön­ nen, und nehmen den Erfolg hin als ein Gottosurtheil» Oie Größe des Vermögens entscheidet bekanntlich nicht über die Größe der Wirkung, weil das Mögliche nicht immer wirklich wird. Es kommt darauf an, in wie weit das Vermögen zur Kraft umgesialtet wird, in wie weit die Fähigkeit zu wirken Gelegenheit findet, durch die Be­ ziehung auf irgend einen Gegenstand lebendig zu werden. Eine Kraft weiche, wie die Chemiker rS nennen, sich im gebundenen Zustande befindet, ist einstweilen keine Kraft, sie lvermag stch als solche nicht zu äußern ehe sie nicht frei wird. Aber auch die freie Kraft beglaubigt nicht eher ihr Daseyn durch eine aus ihr hervorgegangene, durch fit veranlaßte Erscheinung, als bis sie auf ein Objekt stößt, das eine Gegenkraft besitzt, die ihr Widerstand lei­ stet, oder das seiner Natur nach die Eigenschaft besitzt, jener Kraft irgend einen Einfluß zu gestatten. Wasser z» B. besitzt eine chemische, eine auflösende Kraft, Ealzkrystalle schmelzen darin, Kieselkrystalle bleiben unangetastet; es besitzt, in Bewegung gesetzt, eine mechanische Kraft, es reißt Damme ein und stürzt Häufer zu Boden, aber nur in wiefern diese seinem kaufe Gewalt anthun, das Schiff wird unversehrt von seinen Wogen fortgetragen; im gefrornen Zustande ist es todt und bewegungslos, es löset nichts auf und schwemmt nichts fort; in Dampfe aufgelöset, erscheint es bald der Willkühr des Windhauches widerstandslos hingegeben, bald als ein ungemessenes, heftig wirkendes Element. — Bis auf einen gewissen Grad verhält es sich ähnlich mit allen Kräften, mithin auch diejenigen nicht ausgenommen, die im Kriege zur Thä­ tigkeit kommen. Die Größe und Art der Wirkung einer Kraft, hängt ferner nicht ab von der ursprünglichen respektiven Größe



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-erftlbcu, nicht vsn der Vielheit der Kraftclemente, son­ dern von der Art und Weise, wie Kraft und Gegenkraft mit einander in Beziehung gesetzt werden. Ob z. B. vier Grade Kraft eine doppelt so große Last in Bewegung setzen, oder einen und denselben Geaenstand doppelt so heftig affiziren werden, wie zwei Grade derselben Kraft, hängt durchaus davon ab, in welcher Richtung in welcher Ent­ fernung, kurz unter welchen Umstanden ihre Wirksamkeit erfolgt. Eine und dieselbe Wirkung kann gemeinhin auf mehr als eine Weife hervorgebracht werden, mit einem mehr oder minder großen Aufwande von Kraft, auf diesem und auf jenem Wege, mit diesen und mit jenen Mitteln, jeuachdem man Kraft und Gegenkraft oder ihre Einwirkung auf einander anders modifizirt. In der richtigen Beurtheilung der gegenseitigen Kräfte, in der Verwendung der unsriaen auf angemessenen Punk­ ten und in angemessenen Richtungen, in dem Vermridek der wirksamsten Direktionslinie der feindlichen Kraft, und jn der Auemittelung des bequemsten einfachsten und kür­ zesten Weges zu dem uns vorgesteckten Ziele, — besteht dem Wesentlichen nach, die Kunst des Krieges: Viel leisten mit Wenigem, ist ihre Aufgabe. Die Gewalt ist reich an Mitteln den Sieg davon zu kragen; die Kunst reich an Auskünften den Sieg streitig zu machen, die eigne Kraft zu potenziren, die feindliche zu neutralisiren. Die mit Beobachtung und Nachdenken verknüpfte öf­ tere Ausübung der Gewalt, führt nothwendig pnp unaus­ bleiblich die Kunst herbei, und wenn zuvor blos Kürperund Gemüthskrafte sich auf dem Kampfplatz thätig bezeig­ ten, so gesellt sich nun die intestektuelle Kraft hinzu. Sie wird die Leiter:« der rohen Wirksamkeit, und zunächst Vormund Und Rathgeber des Schwachen und Bedräng­ ten, denn die Uebermacht bedarf ihrer nicht, oder achtet es unter ihrer Würde, die geheimen und krummen Pfade ber Kunst zu verfolgen. — Zunächst an die auf Einsicht in das gesetzliche Verhältniß zwischen Urfach und Wir­ kung gegründete Verwendung der Kraft, knüpft sich die Erfindung und der Gebrauch von Schirmen und Schutzwehren. So lange sich die gegenseitigen Unternehmun­ gen in dirftm Kreise bewegen, ist nur von direktem Kriege die Rrde. Jeder geht darauf aus, seine Kraft unter den günstigsten Verhältnissen zur offenbaren und vnNiittelbareu Ueberwältignng und Abwehr der gegen ihn

— «4* ~ aufgetrttenen Gegenkraft in Thätigkeit zu setzen» Im Ge­ folge der Intelligenz aber erscheint alsbald die List. Diese betrügt die Gewalt um ihren Erfolg, indem sie ihr Schlin­ gen legt und Blendwerke Vormacht, ||'o daß sie über ihre eignen Füße stürzen muß, mit den Winden sicht oder gar im eignen Eingeweide wüthet. Insonderheit wo die Kunst gegen die Kunst in die Schranken tritt, entsteht ein eige­ ner Wettstreit der Intelligenzen, sich zu überbieten tit zweckmäßiger Auskunft, sich zu überraschen durch die Neu­ heit und das Unbekannte, oder durch die Plötzlichkeit und das Unerwartete der Maaßregeln; und sich zu hinterge­ hen durch Scheinbewegungen, Fallstricke und Ausflüchte mannichfacher Art. Hier ist der Uebergang zum indi­ rekten Kriege schon gefunden. Unsre Streitkraft tritt Nicht mehr auf in offener Fehde gegen die Streitkraft deS Feindes um diese zu überwältigen mittelst ihrer durch die Kunst vervielfachten Wirksamkeit; sondern wir suchen die Entscheidung herbeiruführen ohne Kampf, durch die Ein­ mischung fremder Kräfte, durch die Fehlgriffe und Ver­ säumnisse unseres Gegners, und dadurch, daß wir ihm dze Gelegenheit rauben, seine Kraft in angemessene Wirk­ samkeit zu setzen. 46u. Der eigentlich indirekte Krieg findet dann statt, wenn wir den Feind zu Grunde richten und unsre Kriegs­ zwecke erreichen, ohne daß eö zur physischen Wechselwir­ kung der gegenseitigen Streitkräfte kommt, oder so, dass diese doch nicht im Wesentlichen auf den Ausgang der Ope­ rationen influirt. Diese Art des Krieges ist mehr auf den Grad der gegenseitigen Verletzlichkeit als auf den Grad der gegenseitigen Kraft berechnet. Sie gründet sich dar­ auf, daß es außer dem feindlichen Heere noch etwas An­ deres giebt, an dem wir unsern Muth kühlen, unsre Zerstöhrungskraft dermaaßen geltend machen können, daß dem feindlichen Heere mittelbar, dem feindlichen Staate un­ mittelbar, ein empfindlicher Eintrag geschieht. Sie grün­ det sich ferner darauf, daß die im Heere versammelte Streitkraft nichts absolut in sich selbst gegründetes, nichts durchaus von sich abhängiges, sondern ein Etwas ist, des­ sen Daseyn, Vermögen und Freiheit des Wirkens basirt ist auf die ungestörte Existenz gewisser andrer Dinge, auf eine ununterbrochene Gemeinschaft mit ihnen, und auf einen fremden höheren Willen, durch welchen der Thätig­ keit des Heeres Ziel und Gränze vorgeschrieben wird. Sie setzt nächstdem noch voraus, daß die Summe des

Verletzlichen so groß, oder daß dieses so jerstreut sey, daß die Masse der kriegerischen Schutzmittel und die denselben mitjutheilende Beweglichkeit nicht' ausreiche, um das Ver« letzliche gegen die Beeinträchtigung des Feindes ein für allemal sicher ju stellen, oder ihm zu Hülfe zu eilen, so­ bald aus den Operationen des Femdes eine Gefahr für dasselbe hervorgeht. Der indirekte Krieg wird hiernach einerseits in dem Bemühen bestehen: dem Feinde irgendwelche Verluste wirk­ lich zu verursachen, die ihn mittelbar berühren, sich selbst aber gegen eine ähnliche Beeinträchtigung sicher zu stellen. Andrrnseits wird man sich dieser Kriegsmanier mit Erfolg bedienen können, um den Feind zu Bewegungen und Maaß­ regeln zu zwingen oder zu verlocken, die entweder unmit­ telbar gegen sein wahres Interesse sind, oder die ihn hin­ dern irgend etwas anderes zu unternehmen, das die von uns beschlossenen Operationen unangenehm kreuzen oder uns unmittelbar in eine bedenkliche Lage setzen könnte. Wird der indirekte Krieg in jener Beziehung häufig die Natur eines Verwüstuugskrieges annehmen, so wird er in dieser Beziehung dagegen großentheils auf die Form des Bedrohungskrieges zurückgrführt werden, er wird darauf hinauslaufen, dem Feinde Besorgnisse für seine eigne Wohlfahrt zu erregen, die ihn unentschlossen zu of­ fensiven Unternehmungen machen, die von ihm bereits be­ gonnenen Operationen vereiteln und rückgängig werden lassen, und ihn ganz eigentlich in die Defensive werfen, d. h. ihn Zeit und Kräfte in dem Bestreben vergeude» machen, eine Gefahr abzuwenden die noch nicht wirk­ lich und gegenwärtig ist, sondern nur im kaufe der Zu­ kunft sich möglicherweise ereignen könnte. Es ist begreif­ lich, daß diese zweite Art des indirekten Krieges nur da­ durch möglich wird, daß wir sowohl als unser Gegner, nicht die vorhandenen Streitkräfte instinktmäßig und unwillkührlich bewegen und wirken lassen, sondern in Folge einer gewissen doppelten Ueberleguug: „wird die von unS beschlossene Ueberlegung gelingen, wird das Gelingen der­ selben zum Zweck führen?" „Was kann der Feind dagege» thun um sie mißlingen zu machen, was kann er während dessen Anderes beginnen, das uns noch größern Schaden thut, als wir ihmzufägen? Welche Blöße geben wirbel dieser Unternehmung, welches Bessere und Nöthigere ver­ absäumen wir vielleicht, indem wir ihr nachstreben? u. s. Man sieht leicht in welches Labyrinth von Berech-



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nungen und Verrechnungen man auf diesem Wege gera^ thrn, und wie man unvermerkt zu dem Punkte gelangen kann, daß man aus lauter Beeiferung das Vortheilhaf­ teste mit dem Mindestgefahrlichen auf die vollkommenste Weise zu vereinigen, am Ende gar nichts thut, und dem Feinde ein völlig freies Spiel läßt, zu wagen und zu versuchen was ihm gut dünkt. Dieselbe Intelligenz, welche unö die weisesten Rathschläge an die Hand giebt, wie wie die Kräfte zweckmäßig verbrauchen sollen, kann daher auch Ursach werden, daß wir, von falschen Vorausset­ zungen, von betr»glichen Maximen, von dem Wahne aus­ gehend, als ob wir im Rechten und Vernunftgemäßen begriffen seyen, ganz wie mir Blindheit geschlagen wer­ den, in Folge der tiefsinnigsten Spekulationen Fehler be­ gehen, und sie wohl gar gegen die strafende Kritik als Meisterstreiche zu rechtfertigen suchen, obschon der ein­ fachste unbefangene Verstand sie sogleich in ihrer ganzen Nacktheit durchschaut. Es ist dies eine d-r vornehmsten und der am schwersten zu vermeidenden Klippen der Kunst, welche nur das Genie mir klarem Bewußtseyn vermeidet, oder der vom Glücke Begünstigte mit benerdenswerther Bewußtlosigkeit umgeht. Es frägt sich: „ws ist die Gränze, bis zu welcher man die Spekulationen und Künsteleien der indirekten Krieg­ führung ohne Gefahr und mit Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Erfolges treiben darf; wie hat man es anzu­ fangen, wenn uns der Feind mit indirekten Operationen umspinnt, um ihm die richtige Gegenlektion zu geben, we­ der in Fahrlässigkeit noch in zu großer Besorglimkeit un­ terzugehen?" — Diese Frage ist um ein ganzes Theil leichter ausgesprochen, als genügend beantwortet. In ihrer ausführlichen Beantwortung wäre die gesammte Theorie der höhern Kriegskunst mitgegeben. Hier, wo es nur darauf abgesehen seyn kann, die Idee in leichten Um­ rissen zu charakterisiren, werden wir uns mit allgemeinen und zerstreuten Andeutungen genügen lassen müssen. Man könnte daher jene Frage mit der Antwort abfertigen: „Man muß nach denselben Maximen verfahren, die man Leim Zweikampf mit blanker Waffe befolgt, wenn man den Gegner durch ein zusammengesetztes Gewebe von Finten und künstlichen Blößen in die Enge zu treiben sucht, oder von ihm auf ähnliche Weise angefallen wird." Es ist hier der Punkt, wo eineötheils die Wahrheit der Behaup­ tung anschaulich wird: daß der Krieg nicht ausschließlich



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als eine Kunst, sondern stets als ein Gemisch von Kunst und Glücksspiel zu betrachten ist, daß er diese letztere Ei­ genthümlichkeit nie ganz verlaugnen ^könne, und daß eS ein gefährlicher Irrthum sey, sich einzubilden, man könne ihn ganz in das Gebiet der Spekulation hinüber ziehen, und im Reiche des Wissens eine genügende Auskunft fin­ den, um aus ihm alles Zufällige und Unzuberechnende zu entfernen und ihn in systematische Fesseln zu schlagen» Die Kunst zäbmt die rohe Gewalt, stumpft .sie ab und spitzt sie zu, je nachdem diese ihr gegenüber oder ihr zur Seite ficht; sie wird Herr über die rohe Gewalt, weil diese blind ist gegen die wirkliche Gefahr. Die verbildete Kunst aber artet aus, einerseits in Künstelei, in gebrech­ liche Spitzfindigkeit und krankhaftes Grübeln, andernftitS verliert sie den unbefangenen Sinn für den einfachen na­ türlichen Zusammenhang der Dinge. Sie hat kein Huge für die Gefahr, in welche ihr Gegner durch die überra­ schende Kühnheit seiner Unternehmungen selbst geräth, weil sie ihre eigene Gefahr, von übertriebener Besorgniß gepeinigt, unaufhörlich durch das Vergrößerungsglas be­ trachtet. Sie kann sich nicht überzeugen, daß das was sie richtig sieht, sich wirklich so verhalte wie sie eS sieht; sie wittert verborgene Gefahr, wo alles sicher ist, sucht hinter der Plumpheit deS Gegners eine geheime kunstreiche List, verschmäht den einfachen kürzesten Weg, weil sie Ver­ dacht schöpft aus seiner Einfachheit, weil sie aus des C kille des Wassers seine tückische Tiefe präfumirt, oder weil sie nicht Veranlassung genug findet, ihren Reichthum an Scharfsinn und Erfindungsgeist zur Schau zu kragen» Trifft sie auf einen Gegner, der von gleicher Thorheit be­ fangen, ihr willig das Ohr leiht, dem es weniger um den Sieg, als um die Bewundrung der Kunstrichter zu thun ist, so entwickelt sich gegenseitig ein arachneisches Gewebe der interessantesten Situationen, der frapantesien Manöver und Meisierzuze, worüber Heer und Staat zu Grunde gehen, ohne-daß einer seinem Ziele wesentlich nä^ her gerückt wäre; oder es ereignet sich dasselbe, was int Kampfe der rohesten Gewalt erfolgt; — geringfügige Zu­ fälle entscheiden auf eine den Künstlern unbewußte Weift; und die Laune des Verhängnisses spendet willkührlich hier­ hin oder dahin den unverdienten Steg. sstichtS ist solcher in sich selbst befangenen Kunst gefährlicher, als die begeisterte Gewalt, die im Vertrauen auf ihre gute Cache, unaufhaltsam vorwärts bringt, die taub ist siegest

145 gegen jede Zauberformel der Beforgniß, die voller Erge­ bung in das ihr von der Vorsehung jugedachle Geschick, und weil sie ja die Gefahr selbst nicht fürchtet, jeder Be­ drohung spottet, die erst Gefahr werden soll, und zu je­ dem Opfer bereit ist, das sie der Entscheidung näher bringt. Andrenseits ist wiederum nicht zu läugnen, daß in Ler indirekten Kriegführung eine Masse unverkennbarer Vortheile für den begründet sind, der sie nach Zweck und Umstanden, mit weiser Mäßigung zu verbrauä-en weiß. Oft zeigt sie für die schwierigsten Aufgaben den leichtesten Ausweg. Oft wird der Sieg auf dem blutigen Wege theurer erkauft, als er werth ist, und oft ist die anseh -lichste Macht nur auf dem indirekten Wege ein sicheres Schutzmittel gegen empfindliche Verletzung, indem die viel­ leicht ungegründete beforgniß, selbst den größern Scha­ den zu erleiden, den ungefähr gleich starken Gegner ab­ hält, etwas in dem Augenblicke zu unternehmen, in dem es allein möglich war, diese Unternehmung gegen uns durchzusetzen. Der Dinge, die sich zu Objekten des indirekten Krieges eignen, giebt es gar viele. Direktes Operationsobjekt bleibt jederzeit das feindstche Heer. Indirek­ tes Objekt ist alles was auf irgend eine Weife dazu die­ nen kann, die Streitkraft und Sicherheit des feindlichen Heeres zu erhöhen, zu nähren, zu ergänzen. Es kann eben so gut realer als idealer Natur seyn. Je unmit­ telbarer eS dem Feinde als Kraftquelle dient, je unent­ behrlicher es dem Heere ist, oder je empfindlicher sein Verlust den befeindeten Staat betrifft, und je vollstän­ diger es der Vernichtung unterworfen ist, um desto ge­ wichtiger sind die Gründe für das feindliche Heer, ihm zu Hälfe zu eilen, und um so zuverlässiger dürfen wir von der Bedrohung desselben einen Einfluß auf den Gang der Operationen erwarten. Im weitesten Sinne gehört zu den indirekten realen Objekten überhaupt alles feind­ liche Besitzthum, als Masse desjenigen um das und für das gemeinhin gestritten wird, im engern Sinne aber dasjenige, woraus das Herr zunächst seinen Bedarf an Lebens- und Kriegsbedürfnissen zieht, insonderheit daher Magazine, Transporte, Kassen und Kriegswerkstätlen, und folglich auch die Festungen, wenn man diese letzte­ ren als unmittelbare Streitkräfte, nicht lieber zu den di­ rekten Objekten rechnest will» Man kann aber auch das Iirkitr

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146 Heer selbst zum indirekten Objekte der Operationen mache«;, wenn man entscheidende Gefechte vermeidend darauf aus­ geht, entweder durch Gewaltmärsche, Hunger, Etrapa» zen, Wltterungseinfluß, und ungesunde Nahrungsmittel Lie Gesundheit der feindlichen Streiter zu zerrätten und ihre phynsche Kraft zu zerstöhren, oder aber seinen An­ griff gegen das physische Element des Heeres wendend, bemüht ist, die Kampflust, die Begeisterung, die DiSzizipltn, das Vertrauen zum Feldherrn irgendwie zu unter­ graben, den Feldherrn und seine Umgebungen in unser Interesse zu ziehen oder ihn durch Blendwerke, Vorspie­ gelungen und falsche Nachrichten irre zu führen. Man führt ferner den Krieg indirekt, wenn man dem Feinde die freie Kommunikation mit seinen Kraft und Subsistenz.qurllen mit seinem Haupt- und NedenkorpS, entweder ganz abschneidet oder doch beschwerlich macht. Endlich auch dann, wenn man durch die Kraft der Ueberrcdung (auf diplomatische Weise) durch Parlamemiren, Proklamiren u. s. w. oder durch Anwendung von Zwangsmit­ teln und Demonstrationen irgend welcher Art, die öfftntliche Meinung, die Stimmung des Volks, oder den Wil­ len derer, in deren Händen die Staatsgewalt ist, derge­ stalt zu leiten weiß, daß das Motiv zum Kriege erschüt­ tert wird, dem Feldherrn die Hände gebunden werden, und der Kriegszustand sich am Ende in Waffenstillstand und Friedensunterhandlung auflöset. Alle Formen und Verhältnisse, welch- im direkter» Kriege vorkommen, wiederholen sich auch im indirekten. Das Verhältniß der Gegensätzigkeit zwischen Freund und Feind: daß nämlich Mittel und Umstä de stets dem die­ nen, der sie sich gehörig unterwirft, daß kein Stoß erdacht werden kann, gegen den sich nicht eine wirksame Parade erdenken ließe, daß der Werth einzeln erworbener Vor­ theile sich stets erst aus ihrer Beziehung zum Ganzen ergiebt, und wie das gegenseitige Kraft- und Lagenverhältniß der streitenden Partheien dadurch in letzter In­ stanz modifizier wird u s. w., oder mit andern Worten, daß Freund und Feind und was sie thun, besetzen oder erleiden, sich zu einander verhält wie + und —; ist über­ all das vorwaltende Gesetz. Die Maximen, nach denen man zu verfahren hat, sind daher auch für beide Kriegsformen im Wesentlichen dieselben. Wo man verwüstet, muß man zuvor wohl überlegen, ob der dadurch erzeugte Ausfall an zur Kriegführung dienlichen Dmgen, nicht jetzt

147 Lder künftig vacbthrilig auf uns zurückwirken werde, in­ dem wir selbst dadurch in Mangel und Noth gerathen, oder den Geist der Bewohner dadurch ju gefährlicher Er­ bitterung reizen. Wenn wir gegen die Kraftquellen u»rd Kommunikaticnslinien des Feindes operiren, müssen wir erwägen, ob wir dem Feinde dadurch nicht gleichzeitig die Flanke bieten, den Rücken Preis geben, unsere eignen Kraftquellen bkosstellen, unsere eigne Kommunikation ver­ lieren. Wenn wir durch Demonstrationen und BedrohungsManöver auf den Feind wirken wollen, so müssen wir stets eingedenk seyn, daß Blendwerke und Bedrohungen nur ei­ nen idealen Werth besitzen. Sie sind nur dem gefährlich der ihnen Glauben schenkt, der sich durch sie tauschen od r schrecken läßt; ihre ganze Wirksamkeit geht an dem ver­ loren, der sie nicht gewahr wird, der sie nicht versteht, oder aber der sie begreift, der das Maaß ihrer Nichtig­ keit oder ihrer realen Unzulänglichkeit gehörig zu würdi­ gen weiß. Derselbe Grundsatz muß uns leiten, wenn wir die Maaßregeln richtig beurtheilen wollen, die der Feind gegen uns in Anwendung bringt. Den gefährlichste» Alliirten unsres Gegners haben wir nicht selten in unserer eignen Brust, in unserm eignen Kopfe zu bekämpfen, und so verhält es sich beim Feinde ebenfalls. Die Dinge gel­ ten in dieser Welt häufiger was sie scheinen, als was sie sind ; der Grad der Gewalt den ste ausüben, ist zum gro­ ßen Theile ein Resultat der Gewalt die wir ihnen gut­ willig einraumen; der Verführende ist zum großen Theile ein Verführter, der Bezwungene ein sich Unterwerfender und so fort. Darum ist die Kenntniß des menschlichen Gemüths überhaupt, und die des Gegners insonderheit, im Kriege von so überschwenglichem Nutzen; darum wird ein Gegner, mit dem wir oft oder lange zu thun haben, entweder viel weniger gefährlich als er beim ersten Iusammentreffen war, oder er ermannt sich, wenn wir ihm Zeit gönnen, aus der anfänglichen untergeordneten kage und entwindet uns den Lorbeer wieder, dm wir zu rasch auf unfer Haupt gefetzt. Darum soll man zu Rathge­ bern weniger solche Männer wählen, die eines Sinnes, gleicher Ansicht und Gemüthsart mit uns sind, als solche, in deren Kopfe sich die Welt ganz anders mahlt die un­ ser Wesen gielchsam ergänzen, an deren Widersprüche wir die Dinge, und uns selbst, in ihrem wahren Lichte erken­ nen mögen. Der Vorsichtige leiht dem Entschlossenen, der Voreilige dem Zauderer, der Theoretiker dem Naturalisten,



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der Listige dem Unbefangenen sein Ohr; — versteht sich, in wie fern der Nathverlangende Beurtheilungskraft und Scharfsinn genug besitzt, aus zwei entgegengesetzten An­ sichten, wie durch eine Regula Falsi, das rechte Resul­ tat zu finden; Eelbstverlaugnung genug sich einer frem­ den bessern Ansicht mit Freiheit zu unterwerfen; und sich so viel Starke des Charakters bewußt ist, um sich eine eigne Ansicht zu schaffen, und seinen eignen Willen zu be­ halten, wenn die Mehrzahl der Gründe auf seiner Seite ist, oder wenn das Resultat der Berathung zur Indiffe­ renz fährt, und zu vermehrter Unentschiedenheit. Die indirekte Kriegsform ist diejenige, durch welche sich der kleine Krieg infonderheik geltend machen kann. Da er häufig gegen wehrlose oder schwach beschirmte Ge­ genstände geführt wird, da feine Operationen großentheils auf Ueberraschung und falsch ausgesprengle Gerächte be­ stehen, reichen kleine Trupps gewöhnlich hin um die wich­ tigsten Zwecke zu erreichen. Die Erfindung, die Gewandheit, Schnelligkeit und Umsicht in der Ausführung sind wichtiger fürs ^Gelingen, als die effektiv in Bewegung gesetzte Streitkraft. Eben so wichtig wie für verwüstende Unternehmungen ist der kleine Krieg gegen die Demonstrations- und Bedrohungsmanöver, nicht nur weil zu Neckereien und Allarmirungen aller Art ebenfalls nur kleine und weithin zerstreute Trupps zweckmäßig zu verwenden sind, sondern auch we.il es, um sich gegen sie zu schätzen, fast kein andres Mittel giebt, als einen von unsern grö­ ßern Streitmassen recht lebendig geführten kleinen Krieg.— Nicht minder findet sich aus denselben Gründen bei und gegen Unternehmungen dieser Art die beste Gelegenheit, von landsturmartiger Volksbewaffnung die von gutem Geiste beseelt, und durch Anführer und kleine kriegge«shnte Haufen verstärkt worden sind, eine ausgezeichnete und oft sehr entscheidende Anwendung zu machen. 462. Wir haben zu Anfang dieses Abschnitts die Frage aufgeworfen: „giebt es noch eine andere Ansicht des Krieges, als diejenige, wo er blos alS eine Vielheit von glerchzeitigen und auf einander folgenden Gefechten ge­ dacht wird, wo also blos die Dauer des Kampfes und die größere Masse der im Kampfe begriffenen Fechter den Grund der Unterscheidung desselben von einzelnen Gefech­ ten liefern?" Aus dem was wir seitdem über den Krieg ausgesagt, beantwortet sich diese Frage gewissermaaße« von selbst. Eine höhere, der wirklichen Beschaffenheit

149 -es Krieges angemessenere Ansicht desselben ist es unstrei­ tig, wenn man ihn nicht als ein bloßes Aggregat von Gefechten und aufs Gefecht ausschließlich bezognen Zwi­ schensätzen, sondern als eine Funktion, als ein in sich orga­ nisch verknüpftes und auf einen gemeinsamen stetigen Zweck bezogenes Ganzes von mannichfaltigen Zuständen, Kraft­ äußerungen und Begebenheiten betrachtet; wenn man, ohne dem natürlichen praktischen Werthe, der im und durchs Gefecht sich äußernden Thätigkeit zu nahe zu treten, diese dennoch nur nach der Größe des Einflusses abschatzt, den sie auf den Gang der Operationen bewährt; wenn man die Gefechte nicht als in sich abgeschlossene Handlungen, nicht als Zwecke für sich, sondern als Mittel, als Voc­ oder Rückschritte zu einem anderweitig gegebenen End­ zwecke zu begreifen weiß. Man könnte demgemäß auch eine höhere und eine niedere Kriegskunst unterscheiden, jenachdem sie sich vorsetzt, entweder bloß die Elemente der Kriegführung, der Stellungs-, Vewegungs-, Gefechts-, Veobachtungs- und Verpflegungslehrc darzulegen, blos eine Unterweisung zu geben, wie die im Kriege vorkommenden einzelnen Akte und Aufgaben vorschriftsmäßig und Len speziell gegebenen Bedingungen entsprechend ausge­ führt, (wie die bereits geordneten Gleichungen aufgelöset) weiden mögen; — oder aber in wiefern sie sich vorfetzt, es zu entwickeln, wie jene Elemente zur Vollbringung politischer Absichten zweckmäßig kombinirt, ihrer Zwecklichkeit und Ursachlichkeit nach begriffen und verknüpft, wie die einzelnen Zustände und Erscheinungen einer ge­ meinsam leitenden Idee gesetzlich untergeordnet, das Ge­ genwärtige und Vergangene dem Zukünftigen angepaßt werden mag, — (wie man es anzufangen habe, die zur Bestimmung der unbekannten Größe erforderlichen Sätze aufzufinden und daraus eine brauchbare Gleichung zu bilden)." Die niedere Kriegskunst kann es allenfalls unterneh­ men Regeln aufzusiellen, die höhere muß sich stets mit Maximen begnügen. Mit den Maximen ist es indessen ein wunderliches Ding. Es ist nicht hinlänglich, sie ver­ standen zu haben, man muß sie begreifen, sonst wird man es immer noch nicht verstehen sie anzuwenden. Daher sind sie für den einen ein todtes Wort, uud für den an­ dern ein goldner Spruch; und meist sind uns nur die et­ was werth, die wir uns selber erfanden, weil wir nur dirfe vollständig empfunden haben. Es ist nicht genug zu

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wissen, warm eine Maxime wahr und anwenblrch'ist, son­ dern nian muß sich mir gleicher Deutlreirkeit bewußt seyn, wann sie unwahr und anwendungslos wird. Daher mögte man hinter jeder Maxime die man aufstellt, eine andere folgen lassen, die das Gegentheil ausspricht. Wenn man jemand zugerufen hat: sey kühn! so mögte man schnell hinterher rufen: aber sey vorsichtig! DieS ist in der Na­ tur der Dinge gegründet, und es ist dem nicht abzuhels fen, daher es auch nie unterbleiben wird, daß bei dem Streit über das was zu thun ist, oder was hatte gethan werden sollen, ganz entgegengesetzte Ansichten mit gleichem Glücke verfochten werden können, sobald die Streitenden ihre Zuflucht zu Gemeinplätzen nehmen. Oder: daß ganz richtige Maximen von Andern verkehrt und verderblich gescholten werden, und wiederum nicht mit Unrecht, weil der Eine die Regel im Auge hat, der Andere die Aus­ nahme. Man sollte glauben: daß sich ein Ausweg finden ließe und man z. B. besser führe, wenn man den vorhin als Beispiel gewählten Satz so ausdrückte: „sey vorsich­ tig in der Kühnheit und kühn in der Vorsicht." Aber man kommt auch hierbei nicht besser weg; denn warum soll man nicht ganz seyn dürfen, was man zu seyn aus Gründen beschlossen hat, warum nicht ganz kühn in der Kühnheit, warum nicht durchaus vorsichtig wo es die Vorsicht gilt? — Man thut daher, um nicht mißverstan­ den zu werden, gewöhnlich am klügsten, jeder Maxime Lie man aufstellt, ein Beispiel beizuqeseüen, aus dem der Andere abnehmen mag, wie sie gemeint, und wo die Gränze des Zuviel und Zuwenig zu suchen ist. Als eine Zugabe zu dem gegenwärtigen Abschnitt, den wir hiemit schließen, wollen wir noch einige Kriegsmaxi­ men folgen lassen, die wir in andern Schriften aufgefunden haben, und die jeder überschlagen mag, dem sie un­ verständlich sind; oder dem sie überflüssig bedünken, weil eins und das andere was sie enthalten, auch anderswo mit anderen Worten eingeschaltet ist. Wir glauben in­ dessen bemerkt zu haben, daß von der Art, wie manche Gedanken in Worte gekleidet worden, das Verständniß derselben oft mehr abhangt, als man gewöhnliä) meint, Und daß eine Bemerkung, die dem Einen ganz unfrucht­ bar oder mangelhaft eingekleidet erscheint, in dem Andern eine Eedankenreihe, eine Assoziation der Ideen «nzuregen vermag, die ihm über zehn andere Sätze ein helleres, lange vergebens gesuchtes Licht verbreitet.



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46z, Maskire deine Vorhaben, selbst die kleinsten; denn ein unbedeutendes Unternehmen ist oft das erste Glied, an daS sich eine Kette von wichtigeren reiht. Es ist zwar möglich, daß der Gegner deine Maske errathe, allein es ist doch wahrscheinlich, daß er dich nicht ganznicht zur rechten Zeit durchschaue. — Sey grheimnißvoll, verschlossen wie das Grab. Das ist besser wie viele an­ dere Weisheit. Ohne einige Vertraute ist zwar schwer Krieg führen, und wer überall Mißtrauen zeigt, muß auf Vertraute Verzicht thun. Allein der kluge Mann weiß sich zu helfen; er flößt selbst dann Vertrauen ein, wenn er schweigt, und dadurch daß er schweigt. — Sei kühn, setze bei einem Hauprschlage alles aufs Spiels doch mit Klugheit, unter Ergreifung aller denkba­ ren HülfSmaaßregetn, gehörten sie auch zum Theil in die Klasse der gehäuften und überflüssigen. Diese Kühnheit verwirrt den Feind; die Mittel, die er zur vollen Gegen­ wirkung ergreifen sollte, müßten eben so exzentrisch, eben so kühn und außerordentlich seyn. Nicht immer aber ist der Feind in einer gleich heroischen Stimmung, denn un­ ter diesen Umstanden könnte das Aneinandertreffen leicht Beider gänzlichen Untergang herbeifähren. Es lassen sich tausend Gründe voraussctzen, warum dem Gegner ein so gewagtes Spiel nicht behagen wird. Er wird überlegen, was zu gewinnen zu verlieren ist, er ergreift lieber halbe Maaßregeln, ehe er sich in die Gefahr begiebt, ganz zu verderben. Schon an sich sind die kühnen Charaktere sel­ ten; wer abhängig ist von Andrer Befehl, wagt noch sel­ tener etwas Verzweifeltes; er zieht sich lieber bei Zeiten aus dem Handel, weil er im Fall einet Unglücks sicher ist, da wo der Schlendrian herrscht, hier immer, dort nie entschuldigt zu werden. Dies paßt besonders aufs Ab­ schneiden, Ueberflägeln, Durchbrechen. Hier wirkt zu­ gleich mit der Furcht das Vorurtheil. Wir sind abge­ schnitten, wir sind getrennt, fährt bei dem mittelmäßigen Soldaten schon auf die Idee des unmöglichen Widerstan­ des und ist oie Quelle eines: Rette sich wer kann! — Ohne Kühnheit helfen die gehäuften Maaßregeln selten zu etwas. Sie harnischen nur ein, schaffen nur Aengstlichfeit, Verwirruna und Kollisionen, ohne zu etwa- Entscheidcnoem zu führen. — Suche alles auf um dem Feinde zu imponiren, ihn zu schrecken, uns das Selbstvertrauen der Deinigen ent­ weder bis zur Schwärmerei, oder zu einem kalten uner-

152 schotterten Selbstvertrauen zu erheben. Dies verstanden Mahomed, Dschingis, Wallenstein, Gustav Adolph, Frie­ drich. — Um es zu können, kenne den Geist eetner Na­ tion und des Zeitalters. Bet emiaen Völkern wirkt man durch den Verstand, bei andern mehr ourch das Gemüth und die Phantasie. Jedes Zeitalter hat oa;u verschiedene und eiaenthämliche Motive. Bald ist es religiöser, bald politischer Enthusiasmus; bald Ehre, Ruhm, Vaterland, Unaohangt;,keir; bald Beute, Eroberun »ssucht oder Na­ tionalhaß. — Versäume zu diesem Zweck auch aeringschelnende Mittel nicht. Was der Masse imponiren soll, braucht selbst nicht immer ganz gründlich zu seyn, der große Haufe nlauöt, was man mit kühner Sicherheit be­ hauptet: nur muß man auch nicht einmal zum offenbaren Lü mer werden. Eine Lüne bestraft sich dis ins vierte und fän te Glied; der Lügner verliert nicht nur das Vertrauen, er macht sich verächtlich. — Besorge nicht gleich, daß der Schrecke« zur Verzweiflung im Widerstände treiben werde. Dies ist gar selten der Fall; im Geaentheil bringt der Schrecken gewöhnlich ein verzweifelndes Hingrben, eine allgemeine Lähmung hervor. Alle männlichen Tugenden sinken vor ihm, so baß man zuweilen für die Folge von Eekaufung und Verrätherei halten mag, was nur die Frucht panischen Schreckens war. — Mit regsamen Völ­ kern muß man in der Ferne und oszillirend kämpfen; mif trägeren Aug' an Aug' und anhaltend streiten. — Ein großes Gluck, wenn sich deine Soldaten und der Feind von der Untrüglichkeit eines deiner Schlagmirtel überredet haben. Ein günstiges Vorurtheil geht deinen Schritten voran und ebnet den Pmd. Was dir zufällig gelingt wird auf Rechnung deines Arkanums geschrieben. Geht «S ein paarmal gut, so wird es Wunder thun. In der Schlacht selbst erleidet der Feind die Niederlage in den meisten Fallen blos durch die Meinung; erst durch die Folge der Schlacht wird er wirklich geschlagen. Unver­ folgte Siege sind daher von geringer Bedeutung, weil die Meinung Muße, Freiheit und Gründe gewinnt, sich zu korrigiren. 464. Studiere des Feindes Schwäche und kenne deine Starke; brauche diese gegen jene. Brauche über­ haupt die Mittel, die dem Geist deines Heeres ange­ messen sind. — Weiche zuweilen von den strengen Regeln der Kunst ab, dann täuschest du den Feind, besonders den pedantischen. Gieb zuweilen voraus zu verstehen, was

*55 tu thun willst; man wird glauben, daß du gerade das am wenigsten im Schilde führest, und nun thue es doch: tu findest Unvorbereitete. — Sei nicht so ängstlich in der Wahl deiner Mittel. Mancherlei Wege können zu einem Ziel führen, und der zu Anfang am weitesten abzuschweifen scheint, umgeht vielleicht nur ein dir verborgenes Hinderniß, und wendet sich sodann desto gradrr und unaufhaltsamer zum Ziele. Jeder Weg hak sein Gutes und sein Schlechtes; es kommt darauf an, wie du das Gute zu benutzen verstehst, der -Felnd das Schlechte zu beobachten versäumt. Ja, es kommt bei weitem nicht so sehr darauf an, die besten Mittel zu wählen, als die einmas bestimmten mit Nach­ druck, Umsicht und Blitzesschnelle auszuführen. Es lUgt selbst im Ganzen nicht so viel an der Güte eines Kriegs­ planes, als an der Intelligenz und Schnelligkeit, mit der er burchgeführt und ;edesmal nach den Umstanden verän­ dert wird, kur; mit der wir die schwachen Seiten unse­ res Planes jedesmal zu decken wissen. Freilich muß man nichts radikal Schlechtes unternehmen; allein im Kriege geht, manches so schnell, man kennt oft tausend Umstände so wenig, daß man unmöglich immer das Beste gleich tref­ fen kann. Die Zeit, die über die sorgfältigere Prüfung und Ueberlegung verloren geht, ist oft mehr werth, als was durch diese gewonnen werden kann. Denn auch dem Feinde geht in der Eil die Fähigkeit, verloren, die besten Gegenmittel auszuwählen. Eben deshalb läßt sich über KliegSunternehmungen ex post lesi» so schön räsonniren, und so leicht aber auch so ungewaschen kritisiren. — Im Ganzen können Fehler der Strategie durch die Taktik er­ setzt werden. Der Muth der Truppen und die Virtuosi­ tät der Anführer auf dem Schlachtfelde stehen höher im Werth, als alle Kombinationen. Wo guter Rath wohl­ feil ist, steigt zumal die That im Preise; Friedrich der Große und Napoleon gaben daher wenig auf gute Rath­ geber, sie fanden des Rathes in sich selbst genug, die Eisenfresser galten ihnen mehr, als die das Eisen schmie­ deten. Taktische Fehler sind gewöhnlich nur durch takti­ sche Anstrengungen wieder gut zu machen, weil sie auf der Stelle reparirt werden müssen. Nur ein träger Feind, nur das Schlendrianssystem unsrer Väter machten es mög­ lich, daß man sich nach verlorenen Schlachten aus der Klemme herausstrategisirte imanövrirte). Das wollen

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aber die Strategen nicht gern zugeben, und es giebt allerdings aud) Falle, wo sich das Umgekehrte zuträgt. Denke deinen Feind nicht besser und nicht sd)lechter als er ist. Mand)ec Feldherr hat nach allen Regeln der Kunst, gegen einen Feind nichts gethan, den er mit ra» scher Entschlossenheit, ohne Kunst, hätte werfen können. Mancher andre ist zum Erstaunen der Weit geschlagen worden, weil er seinen Feind schlecht glaubte. Es «stein schlechter Trost und eine unfruchtbare Entschuldigung, wenn man nachweiftt, daß man geschlagen worden, weil man den Regel«« der Kunst gehuldigt habe. Man fllhrt nid)t Krieg, um eine, vielleicht aberwitzige Theorie zu realisiren, und kunstgered)te Experimente zur Sd)au zu stellen, sondern um daß man seinen Zweck erreiche, gleid)-» viel mit oder ohne Kunst. Wer das Kunstwerk tvirklich hinstellt, der ist der Künstler; wie er es angefange» habe, dazu zu gelangen, gilt der Welt gleich, «st aud) häufig nicht anjngeben; es kann bisweilen auch nichts nützen, wenn man es wüßte, denn ein Kunstverfahren dieser Art ist nnnachahmbar, und große Künstler sind immer ori­ ginell. Verlaß dick) nie rücksichtslos auf ein Mittel bas wahrfd)ctnlid), aber doch nicht gewiß ist, sondern denke immer, daß es ein falscher Freund sey, und mache dich gefaßt darauf, daß du noch anderer Auskünften bedürfen wirst. Wenigstens muß man in solchen Fallen, wo man sich auf mürbes Eis begiebt, immer nod) Mittel im Hintergründe haben, die uns über Wasser erhalten wenn es durchbricht. Es ist ein Zeid)en des großen Feldherrn, daß er allevorher bedenkt, und (td) bei jedem Unternehmen nicht mit einen« Mittel begnügt, sondern nrehrere zugleich anwendet und konzentrisch wirken laßt; und ein eben so sicheres Zeiche,« des tlernlichen Heerführers, wenn er alle denk­ baren Mittel ergreift, und dabei doch für Unentschlossen­ heit nid)t zum Handeln kommt. Wer es an der Ergrei­ fung der gehörigen Mittel endlich ganz fehlen läßt, oder offenbar zu schiefen seine Zuflucht nimmt, dem wissen wir gar keinen Namen zu geben. Wir haben in den letzten Dezennien, welche fast so viel Kriegsersahrung liefern, als alle Kriegsgeschichten vor ihnen, gesehen, daß große Feld­ herrn auf die entferntesten Falle im Voraus Maaßregeln ergriffen, im Laufe der Siege Festungen im Rücken be­ festigt und Truppen herbeigerufen haben, die kaum schie­ nen ankommen zu können. Wir haben aber auch gesehen,

155 baß man über der Ergreifung zu vieler Mittel, die näch­ sten und Hauptmirtel nicht gehörig zu verstärken verwogte, daß man vor lauter Vorbereitung nicht zum Ausfähren kommen konnte, ja, daß man die gemeinsten Mittel der­ gestalt vernachlässigte, daß jeder auf dem Kriegsschauplätze wohnende gescheute Mann, wenn er auch im Kriegswesen ganz unbewandert roary die Anführer hätte belehren können. —

Studiere die militärische Arithmetik. Ist deine Lage angreifend, dann verliere, was doch verloren werden muß, lieber schnell als langsam. Verliert man im ersten Fall etwas mehr, so gewinnt man doch Erfolge und spart vie­ len Jammer. Dringen dir die Umstände ein kunktatorisches System auf, so gehe gerade im entgegengesetzten Sinne zu Werke. — Berechne überhaupt die Gewinne und Ver­ luste. Fährst du im Herbst und Winteo Krieg, dann be­ kommst du viele Kranke und Wehe den Verwundeten; aber die Vorräthe dieser Jahreszeiten leiten dich in der Kürze zu Erfolgen, die man in Sommerfeldzägen so leicht nicht erreichen wird. Kannst du den Feind mit dem erstenmal total schlagen, dann bedarfst du ebenfalls nachher keiner großen Heeresmacht mehr. Sollten während der Verfol­ gung alle Pferde zu Grunde gehen, du brauchst, wenn die Reste des Gegners gefangen sind, keine Reiterei mehr, oder remontirst sie durch den Feind. Fehlte es dir an Unterhalt, so lebst du nun von den Magazinen des Fein­ des, oder von dem Vorrath der Unterthanen. In einem mäßig bevölkerten Lande, kann es selbst bei schlEen Erndtejahren einer großen Armee nie an Subsistenz fehlen, wenn man die Mittel recht wählt und durchsetzt, nur geht die Herbeischaffung im Sommer zu langsam, weil die Vorräthe nicht gehäuft, sondern sparsam zerstreut sind. Wie es den Einwohnern bei diesem System ergeht, ist nicht des Soldaten Sache, sondern ihre eigne und die ihrer Regierungen. Leider kommen gutes Herz und Menschenschonung beim Kriegshandwerk nur selten in Betracht, oder es muß wenigstens ein höherer Maaßstab bei der Beurtheilung angelegt werden. Der Krieg ist ein gewalt­ samer Zustand; wo es die Erfolge fordern, muß er auch ganz seinem Wesen nach und feinen Zwecken gemäß ge­ führt werden, wenn man nicht will der Geschlagene seyn. Die Erfahrung lehrt leider, daß das Mitleid und das Be­ streben Menschen und ihr Besitzthum zu schonen, wo diese

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als unvermeidliches Opfer fallen mußten, in den mehrsten Fällen zu größerem Elend, zu größeren, wenn auch lang# Ärmeren, Würgeszenen führt. Warum dirs so sey, dar­ über müßte man mit Ler Natur und dem Verhangniß hadern, die den Krieg zu einem Anhängsel der bürger­ lichen Existenz gemacht haben. Ihr Maaßstab ist nicht unsre Pygmaenftale; das Schrecklichste ist aus höherem Gesichtspunkte oft das Wohlthätigste. — Wo es indessen nur irgend ohne Nachtheil der Erfolge geschehen kann, ist es nicht blos edel und lööliä), sondern wahrhaft nützlich und unentbehrlich des Landes zu schonen, besonders wenn uns ein langer Aufenthalt an demselben Orte bevorstehk. Dem Nachzüglerwesen, das von der heutigen exzentrischen KriegSmanier beinahe unzertrennlich ist, muß man mit allem Ernste steuern, das eigenmächtige Plündern nie dul­ den, dem Sengen und Mißhandeln vorbeugen, das unbe­ zahlte Wegnehmen im Kleinen verbannen. Je mehr das Land, wo wir Krieg führen, in einem friedensähnlichen Zustande erhalten werden kann, je vollständiger alle Ge­ werbe ihren gewohnten Gang gehen, desto mehr ist der Unterhalt der Truppen gesichert, desto leichter lassen sich alle Bedürfnisse derselben durch bloße Requisition der Be­ hörden, ohne gewaltsame Eelbsthülfe herbeischaffen. Nichts hilft mehr zur Versorgung eines Lagers, als eine strenge Lagerpolizei. — Ueberhaupt die Erwartung des schnellen Vorübergehens der Krtegsäbel, die Hoffnung, daß die meisten nur in Eeldopfern bestehen, ohne unmittelbar per­ sönliches Ungemach, ist der Hauptgrund, daß das Unglück Lie geschlagenen Nationen selten zu verzweifeltem Wider­ stand reizte. Wer in der Friedensbetriebsamkeit, in den Fesseln des häuslichen Familienlebens begraben liegt, muß sehr hart angefaßt werden, ehe er das Leben und den gewohnten Lebensgang aus eignem Antriebe daran setzt, und sich zu gewaltsamer Gegenwehr entschließt. — Uebrigens irrt man freilich, wenn man glaubt, daß alle Ex­ zesse in einem gründlichen Kriege vermeidlich wären. Wo Holz gehauen wird, da fallen Späne; man hat zu vielmit dem Großen und Nothwendigsten zu thun, um jedes Einzelne und Kleine gehörig zu beobachten. Auch muß man von der andern Seite billig seyn; der Krieg ist auch für den Soldaten kein Arkadien; er will nach der Blut­ arbeit auch einigen Genuß haben. Es wäre wahrlich hart, wenn er alles Ungemach seiner herben Bestimmung aus­ schließlich tragen sollte. —

157 465. Sey neu in deinen Unternehmungen, in dem Entwürfe wie in der Ausführung. Selbst das mittel­ mäßige Neue ist im Kriege erfolgreicher, als das alte Vortreffliche. Der Gegner weiß sich nicht sogleich darin zu finden, ist verloren, ehe er das rechte Gegenmittel trifft. Ganz Neues giebt es freilich nicht unter dem Monde! Die Erfahrung lehrt jedoch, daß noch jedehalbneue, nur in Vergessenheit gerathene alte, nur nicht ganz schlechte System im Anfang siegte, am Ende aber durch ein neueres System, oder durch sich selbst besiegt wurde. Dies kommt mit daher, daß vom Systeme nur rin kleiner Schritt bis zum Schlendrian ist. Wenn die Entwickelung des Systems vollendet ist, entweicht daS Prinzip des Lebens aus ihm, und ein gedankenloses Wie­ derkauen des mechanisch Eingeübten ist der Vorbote seines Todes. — Das Herkömmliche auf eine ungewöhnliche Weise angewendet, ist auch etwas Neues. — Setze im Vertrauen, daß du sclilagen wirst, nicht alle strategischen Rücksichten aus den Augen. Wer gar mit schlechteren Wassen und Intelligenzen, die Mittel des Rückzugs vernachlässigt, ist ein Thor oder ein Verbrecher. Weiß der Soldat, daß ihm im Nothfall der Rücken frei ist, dann kämpft er mit freier Brust und anhaltend. Seit der Einführung der Feuerwaffen schleicht sich zwischen Sieund Tod häufig ein fatales Mittelding dazwischen, mit Namen: Gefangenschaft, welches Vielen süß dünkt, oder so süß gemacht wird, daß sie es dem bittern Tode vorzuziehen verleitet werden. Daher ist es so übel nicht, wenn die Alternative nicht so entschieden vor Augen steht, und in der Perspektive noch ein vierter möglicher Aus­ gang gezeigt werden kann. — Sieht übrigens der Soldat, daß man den Rückzug mit zu viel Aengstlichkeit zu sichern sucht, dann verlieren die Truppen die Lust zur Anstren­ gung, das Vertrauen, die Hoffnung zu siegen. Ueberall taugt zu große Besvrglichkeit nichts; Kühnheit kann ver­ lieren aber auch gewinnen, Aengstlichkeit verliert jederzeit so oft was Großes auf dem Spiele steht. — Wisse mit mäßig geübten Truppen zu operiren unL richte dein System, deine Plane danach ein. — Wer nur mit äußerst paradefirmen Truppen schlagen will, wird auf die Lange auf große Erfolge Verzicht thun müssen, denn nach einem heißen Feldzug sind die Truppen ganz anders, als wie sie auszogen, schon deshalb, weil die fortwährend eingestellte Ergänzungsmannschaft meist nur nothdürftig

158 Mlbt j« seyn pflegt. Und nun geht es ihm wie dem Chinesen an einer reichen Tafel, der halb verhungert, weil er keine elfenbeinernen Stäbchen findet. Was den Trup­ pen an der Politur abgeht, kann und muß durch den Geist ersetzt werden, den man ihnen einzuflößen weiß. Kriegsgewohnheit ist noch mehr werth als feine Dressur, und doch muß man schlagen ehe sie die Truppen besitzen, weil sie sie erst durch häufiges Schlagen gewinnen können. Eine überfeine Politur erzeugt ohnehin nicht die besten Truppen; sie kann sogar schädlich werden, wenn der Geist wegen ihr vernachlässigt worden. Solche Truppen werden daher im Ganzen erst gut, nach dem Maaße wie sie vom Feldrost anlaufen. Es ist eine alte Erfahrung, daß die besten Truppen, wenn sie nach langem Frieden gegen mit­ telmäßige auftreten, welche schon eine zeitlang kriegen, gewöhnlich zu Anfang den Kürzern ziehen. Mit kriegs­ ungewohnten Truppen thut man daher wohl, gegen ge­ übte den Krieg vszillirend zu beginnen, damit man nicht gleich vom Hause aus eine zu bittere Erfahrung macke. Umgekehrt versteht sich der Gegner auf seinen Vortheil schlecht, wenn er uns dies gestattet, und die entscheiden­ den Schläge so lange verschiebt, bis wir ihm gleich ge­ worden an Kriegsgewohnheit. Der erste glückliche Anfang eines Gefechts oder einer Operation thut etwas, entschei­ det aber wenig, weil der Hauptschlag noch dahinten ist. Wer aber die erste Schlacht gründlich gewinnt, hat un­ gemein viel für sich; wenn er den gewonnenen Vortheil nicht selbst muthwillig wieder aus den Händen giebt, muß der Gegner gar nicht wieder zu Athem kommen. In dem Durchsetzen der Schlacht liegt daher eben so viel Gewinn, als in dem Abbrechen derselben zur rechten Zeit. Das Schwierige ist, daß der, welcher den rechten Anlauf nimmt, um sie gründlich durchzusetzen, eben dadurch die Fähigkeit verliert einruhalten, wenn seine Sckaale trotzdem zu stei­ gen beginnt; und daß der, welcher den Muth zu diesem Anläufe nicht hat, gewöhnlich zu kurz springt, und eben deshalb seinem Gegner unterliegt. Das Beste aber ist wiederum, daß es dem Gegner auch nicht besser geht, und daß er oft gefällig genug ist, wieder gut zu macken durch Derfäumniß oder Unbesonnenheit, was wir bereits an unsrer Lage verschoben hatten. Die berühmtesten Feld­ herrn haben ihre glänzendsten Lorbeeren auf diese Weise erfochten; denn die Welt mißt ihr Urrheil selten nach dem positiven Verdienste ab. —> Es ist überhaupt etwas Deson-



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bered mit dem Glück. Selten laßt sich ein befriedigender Grund davon angeben. Es ist schon ein Glück, wenn hohe Talente an die Spitze der Armee kommen; es wird dop­ pelt, wenn sich ihnen nur Mittelmäßigkeit entgegenstellt, oder wenn dem gegenüberstehenden Genie Fesseln angelegt sind. Es giebt ein Glück für einzelne Fälle, das minder wichtige; es giebt ein Glück für die ganze Verbindung dec Umstände, welches alles besiegt. DaS anfängliche Schaf­ fen dieser Umstände hängt von keiner Intelligenz ab, selbst von der größten nicht; wohl aber ihre Benutzung und Durchführung, ja so zu sagen, ein gezwungenes Perenniren deS Glücks, durch die Macht der Intelligenz, der Charakterstärke und des Semeingeistes. — Für eine gründlich geschlagene Truppe giebt es kaum eine, andere Rettung als das Auseinaaderstieben. Aber viel wird auch da nicht gerettet. Hierbei kann die Intel­ ligenz der Anführer so gut als gar nichts thun. A'ies hängt hierbei ab von dem Geiste der Nation und der Truppe. Hat diese letztere den ernsten Willen sich zu neuem Kampfe zusammeuzufinden, wird sie in ihrer Be­ mühung durch bre Einwohner gehörig unterstützt, so mag eS dem Fe>nde nur unter besonders günstigen Umstanden und bei sehr treffenden Maaßregeln gelingen, zu hindern, daß sich nicht in Tropfen sammelt und aus unzähligen Quellen zu Strömen gerinnt, was sich in unscheinbaren Dunst zerstoben hatte. Ohne diesen Geist aber ist selbst mit dem künstlich und gewaltsam wieder zusammengerafften, mukh , Waffen- und zuchtlos zusammen gekommenen Haufen wenig anzufangen. Viel kann dadurch hinzugethan werden, so wenig heroenmaßig es scheint, daß man die Soldaten, insonderheit die zerstreuten Fechter früh an ein planmäßiges Fliehen und Wiederkommen gewöhnt. Die wirklich abgenöthigte Flucht wirkt dann weniger aufs Gemüth, die Besonnenheit geht nicht ganz verloren, ans der Erinnerung werden Kautelen, Auskünften und Mo­ tive des Handelns herausgefunden; es ist nicht der eine Gedanke der Flucht, der Rettungslosigkeit, der Unmög­ lichkeit und Nutzlosigkeit ferneren Widerstandes, der alle andern übermeistert und im Keim erstickt. — Der Zufall ist nur im Schlendrianskrieg von großer» Folgen, und der ausschließliche Gesetzgeber; im Jntelligenzkriege weiß man seine Macht zu brechen. Aber leider werden die gewöhnlichen Kriege, besonders die Gefechte, nichts weniger als ganz überdacht und besonnen durchge»

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führt- Beinahe jedermann ist außer Fassung; man kämpfe hauptsächlich aufs Gerathewohl und in Betäubung; der ursprüngliche Plan geht verloren; der Feldherr verliert die Uebersicht und volle Direktion des Ganzen; die Unterfeldherrn verlieren den Kopf, oder können nfcht mehr frei wirken, und am Ende macht irgend ein Zufall, eine fal­ sche Idee, ein ungefährer Schrecken, eine unvorhergese­ hene Erscheinung den Einen retiriren, wahrend der Andre oft nicht recht weiß, daß und warum er siegt. Hinter­ her spricht man freilich von durchgefährten Planen, von unerhörter besonnener Tapferkeit, von berechneten Wen­ dungen! — Laßt sich denn dies aber nur beklagen und bekritteln als rin nothwendiges, unausbleibliches Uebel, dem niemand entgeht?— Man sollte glauben: nein. Dis auf einen gewissen Grad sind wir freilich alle arme Sün­ der, und das Derhangniß will sein Recht haben. Aber ein wenig mehr oder minder, macht hier schon einen er­ heblichen Unterschied, und oft finden wir nur nicht, weil wir nicht suchen; es gelingt uns schon aus dem einfachsien aller Gründe nicht, daß wir cs gar nicht ernstlich versuchen. Es kommt am Ende doch sehr viel darauf an, ob man die Sache beim rechten Ende angreift. — Wer im Gewühl des Handelns emsig begriffen ist, kann unmöglich mit Ruhe beobachten und überlegen; er hat genug zu thun, und thut genug, wenn er überwältigt und abwehrt, was jeder einzelne Augenblick und die ihn zunächst umge­ bende Gegenwart dicht an ihm vorüberfährt. Daß eS daher wahrend des Getümmels der Schlacht Personen gebe, welche nichts anders thun, als sehen und ergrün­ den, was sich im Allgemeinen zuträgt, als beobachten und Auskunft geben wie der Gang der Schlacht sich wendet, ist ein unentbehrliches Ersorderniß. Es bedarf hiezu we­ niger Personen; aber sie müssen in dieses Geschäft einge­ übt, auf zweckmäßige Punkte vertheilt und ausgesendet, nnd bei schwerer Verantwortlichkeit ausdrücklich und spe­ ziell damit beauftragt seyn. Dieser letzte Punkt wird ge­ wöhnlich verabsäumt; man überläßt es dem Zufall und guten Willen derjenigen, die nichts Besseres zu m die neuere preußische oder soge­ nannte Drigadeaufstellung, und in die ältere preußische, die in den übrigen europäischen Heeren größkentheils noch jetzt beibehhalten ist) näher zu zergliedern, und daran eiInige allgemeinere Bemerkungen gelegentlich anzuknüpfen. 471. Im Frieden werden die Lruppen entweder nach staarewirthschaftlichen Rücksichten in die Provinzen und Ortschaften vertheilt, d. h. sie werden so dislozirt, daß ihre Verpflegung, Unterkunft, Ausbildung und Reproduk­ tion auf eine für den Staat mindest kostspielige, für die Militärverwaltung möglichst bequeme Weise bewerkstelligt werden kann, uud sie bei der Hand sind, um die ihnen jugedachten polizeilichen Verrichtungen auszuüben; oder es liegen' der Dislozirung diplomatische Räckstchten zum Grunde: man vertheilt die Truppen dergestalt, daß die kandesgränzen und besonders bedrohte Provinzen entweder blos reichlicher oder mit besonders geeiqneten Waffr-narten belegt sind, oder so daß sie in möglichst kurzer Zeit kriegsfertiq gemacht und auf angemessenen Punkten in größern Massen versammelt werden können. Selten ist die Frietensorganisanon indessen so beschaffen, daß es, wie bet Len im Kriege nach wirklichen KrlegSräcksichten «ngeordneten Kantonirungsquartieren nur eines Winkes zum Auf­ bruch bedürfte, um daß jede Truppenabtheilung sich in »oraucbestimmter Ordnu-rg zu den übrigen gesellen, und ohne Weiteres durch die bestellten Oberbefehlshaber air den Feind grfährr werden könnte. ES würde dieS oft nicht einmal ganz zweckmäßig seyn, weil der Feind, dem eine so bestandene Anordnung schwerlich unbekannt geblie­ ben seyn dürfte, dadurch in den Stand gesetzt wird, theils gegründetere Schlüsse über die für uns zunächst wahr­ scheinlichen, möglichen und zweckmäßigen Operationen zu ziehen, theils seine eigenen Anordnungen und Entwürfe demgemäß im Voraus einzurichten. ES pflegt daher beim AuSbruch des Krieges, oder so oft im kaufe desselben der vorangegangenen Ereignisse oder der entworfenen Projekte wegen, eine wesentliche Abänderung in der Organisatio« der Streitkraft nöthig wird, eine sogenannte ordre de bataille ausgegrben oder befohlen zu werden. Dits ist eine geschriebene, zum Theil mit Zeichnungen erläuterte und anschaulich gemachte Uebersicht, wie die disponible Streitkraft in gewisse große zu selbstständigen Oxerationen 3»«itr Vbth. N



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bestimmte Massen gesondert, wie in diesen *n< den ver­ schiedenen Waffen eine Fundamentalschlachtordnung gebil­ det, und auf welche Weise durch die Vrrlheilung der Ober­ befehlshaber diese Fundamentalschlachtordnung wiederum in fich organisch gegliedert werden, und in besondere Unterabtheilungen zerfallen solle. Wie zahlreich die größeren selbstständigen Massen, Ar­ meen, Korps oder wie man sie sonst nennen mag, ausfalItn, nach welchem Zahlverhaltniß die verschiedenen Waf­ fen darin zusammengestellt werden, geht entweder auS dem hervor waS uns einstweilen zu Gebote steht, oder richtet sich nach der Bestimmung die diesen Heereshaufen zugedacht ist, oder gründet sich auf eine aus den bisheri­ gen Erfahrungen und der üblichen Fechtart abstrahirte Ueberlegung des allgemein Zweckmäßigen. Sonst glaubt« man diese HeereShaufen nicht groß genug machen zu kön­ nen, das ganze Bestreben war darauf abgesehen, recht viel Streitkräfte auf einen Punkt zusammen zu treiben. Jetzt hat man einsehen gelernt, daß zu große Massen »st vachtheilig werden können. Ihre Verpflegung ist zu schwie­ rig, und man sieht sich aus Besorgniß eines von selbst eintretenden oder durch die Maaßregeln des Feindes ver­ anlaßten Mangels bei ihnen leicht unwillkührlich veran­ laßt, auf diese oder jene zweckdienlichen Operationen ent­ weder ganz Verzicht leisten zu müssen, oder auf halbem Wege von ihnen abzustehen, andre weniger günstige Un­ ternehmungen zu wählen, oder späterhin unter unange­ nehmen Verhältnissen die versammelte Masse zu theilen und in mehrere für sich bestehende Körper wieder aufzu­ lösen, ohne zuvor aus der Vereinigung einen wesentliche« Vortheil gezogen zu haben. Sie sind ferner zu unbehülflich; ihrer Bewegung sowohl auf weitere Strecken, alS auf dem Tummelplätze des Gefechts, ihrer Entwickelung zum Gefecht, ihrer Zusammenfaltung in Marschkolonne«, stellen sich vervielfachte Schwierigkeiten entgegen; die ge­ meinsame Leitung erfordert zu viel Zeit, zu viel Hälfspersonale, der Einzelne an der Spitze vermag die Ueberftdyt nicht mehr zu erhalten, er kann den Fragen, die nothwendig an ihn gerichtet werden müssen, nicht gehörig Rede stehen u. s. w. Man hat sich demgemäß überzeugt, baß es zweckmäßiger sey, Armeen von mäßiger Größe aufzustellen, Armeen die beweglicher und lenksamer, den­ noch Kraft genug in sich besitzen, einem plötzlichen über­ legenen Anfalle zu dessen vollständiger Entwickelung im

179 Raume überall eine gewisse bedeutende Zeit erfordert wird, so lange Stand zu halten, bis von benachbarten Neben­ korps Hülfe eintreffen kann, oder die im günstigen Falle vermöge ihrer größeren Beweglichkeit dem stärkeren aber unbeholfeneren Feind mancherlei Vortheile abzugewinnen, im ungünstigen Falle vermöge derselben größeren Beweg­ lichkeit sich seiner Krafräußerung geschickt zu entziehen fä­ hig sind. Der Vorzug diskreter Fechrart, sich nach Be­ finden der Umstände, auf eine gewöhnliche und ordnungs­ mäßige Weise gemächlich zerstreuen oder plötzlich konzentrlfth vereinigen zu können, bewährt sich nicht nur in der Anwendung kleiner untergeordneter Fechtbaufen, sondern auf gleiche Weise und im größeren Maaßstabe auch für die Operationen der gefammten Heeresmacht. — Wenn die Unterabtheilungen in welche die großen Massen geglie­ dert werden zu klein sind, entstehen daraus ebenfalls man­ cherlei Mißverhältnisse. Diese greifen nicht mit der ge­ hörigen Schnellkraft und Präzision in einander, weil ihre -emeinsame keitung von oben her schwierig ist, und di« spezielle Anordnung sich in den Händen zu vieler einander blos koordinirten Führer befindet. Die kleinern Haufen müssm daher wieder gruppirt, und in dem Organismus der Befehligung mehrere Mittelstufen eingeschaltet werden. Dadurch bekömmt das Ganze mehr innern Halt, die Aus­ führung mehr Einheit, und einzelne ausgezeichnete Män­ ner gelangen zu einem größern, ihren Fähigkeiten mehr angemessenen Wirkungskreise. Sind diese Gruppen in sich ebenfalls auf eine der Anordnung im Großen analoge Weise gegliedert und aus den verschiedenen Wassen ge­ mischt, so kann man ohne irgend eine neue Modifikation des Organism, ganz wie es die Umstände erheischen, grö­ ßere oder kleinere Schlachthauken zu selbstständiger Ver­ wendung ans dem großen Ganzen loslösen, sie wieder in die Verbindung desselben aufnehmen, selbst ohne Verwir­ rung zu besorgen im diskreten Gefecht die einzelnen Grup­ pen beliebig durcheinander werfen, und solchergestalt mit der Fundamentalschlachtordnung alle ersinnlichen Verwech­ selungen und Inversionen vornehmen, ohne daß bas Band der gemeinsamen Verknüpfung, der wechselseitigen Unter­ stützung, der harmonischen und rhytmischen Wirkung (in gleichem Geiste und zu einem Zwecke) darüber zerrissen würde. 472. Zur Zeit des siebenjährigen Krieges war die gewöhnliche Schlachtordnung folgendermaaßen beschaffen: M »

i8o Bek der Aufstellung waren sämmtliche Wassen kn dünne Linken formirt, und diese, wenn man den Feind erwarten wollte, nach Vorschrift des Höhenlaufs in Winkel gebracht, oder in Schlangenlinien gekrümmt, um die Einsicht in die Thäler und Bergabhange, und vor der Front rin kreujendes Feuer zu gewinnen; dagegen möglichst in eine gerade fortlaufende Richtung gebracht, wenn man dem Feinde entgegenzugchen beschloß, weil man ohne diese Vorsicht den senkrecht auf die Standlinie (Basts) dirigirten Vormarsch nicht mit Ordnung und Zusammenhang zu vollbringen vermogte. Hatte man Trupven genug, so wurden sie in zwei (auch wohl in drei) Treffen, parallel und im Abstande von ein paar hundert Schritten hinter einander gestellt, damit das erste Treffen, nach verbrauchter Munition oder star­ kem Verluste, durch das dahinter folgende Tressen schnell abgeiöset werden, und dieses bis dahin wenigstens aus Lem Bereich des feindlichen Musketenfeuers gehalten wer­ den konnte. Lie Infanterie nahm in beiden Treffen ge­ wöhnlich die Mitte der Schlachtordnung ein. Zwischen jedem Bataillon ward so viel Intervalle gelassen, daß die Regimentsgeschütze eingeschaltet werden konnten. Das zweite Treffen enthielt häufig eine geringere Anzahl von Bataillonen, weshalb die Intervallen desselben größer wurden. Die verschiedenen Bataillone eines und dessel­ ben Regiments wurden nicht gleichmäßig in beide Tref­ fen hinter einander aufgestellt, sondern nach Vorschrift der Ordre de Bataille eines neben das andere. Den Grena­ dieren ward häufig der Platz auf den Flügeln der Mus­ ketiere angewiesen. — Die Kavallerie wurde in gleicher Stärke auf beide Flügel der Infanterie vertheilt, und ent­ weder ebenfalls in zwei Treffen geordnet oder insgesammt in das erste Treffen gezogen. Das schwere Geschütz stank» in Batterien versammelt, entweder mit im ersten Treffen oder vor der Infanterie dieses Treffens. Das dritte Treffen wurde, wo es vorhanden war, zur Reserve be­ stimmt und entweder eben wie die vorder» aus drei Waf­ fen zusammengesetzt, oder häufiger blos aus einer Reiter­ linie und dem Artilleriepark gebildet. Die Husaren, die Fußjäzer und was man sonst an leichter Infanterie und an berittenen Geschützen besaß, wurde, ohne ihnen einen bestimmten Platz in der Schlachtordnung anzuweisen, meist in Reserve behalten, d. h. zu gelegentlichem Gebrauch auf Vorposten, zu Seitenkorps u. s. w. verwendet. Avarrtgarden beim Angriff, R-ckeahait bei der Vertheidigung,

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wurden im Fall des GebrauÄrs aus den Kernti'Uppen bei­ der Treffen besonders kommandirt und auf eine analoge Weise wie die Haupttreffen wiederum in sich geordnet. Jedes Treffen war in zwei Flügel getheilt. Der Feld­ herr befehligte das Ganze. Unter ihm ein General der Infanterie das erste Tressen, ein General der Infanterie daS zweite Tressen. Unter diesen ksmmanbirten jüngere Generale i Generallieurenants) die vier Flügel, und unter diesen noch jüngere Generale (Generalmajors) einzelne Infanteriebrigaden, jede zu zwei bis höchstens sechs Ba­ taillonen. Ein General der Kavallerie befehligte die gefammte Reiterei deS rechten, ein andrer die des Unken Flügels, unter ihnen jüngere Generale Brigaden aus fünf bis zwanzig Schwadronen. Den Reserverruppen waren entweder ein oder mehrere Generale ausdrücklich vorge­ setzt, oder sie waren auch wohl ohne besondern Gesammtbefehl unmittelbar unter dem Befehl des Oberfeldherrn ge­ stellt. — Die Jngenieuroffiziere, die Generaladjutantur, die Mitglieder des Generalquartiermeisterstaaos und der In­ tendantur (des Verpflegungswesens der Generalgewalti­ ger u. s. w. wurden zum Hauptquartier gerechnet. Der Ponrontrain war dem Arettleriepark einverleibt; Pionrere, Sappeure u. s. w. wurden selten und in geringer Anzahl im Felde mitgeführt, dann gewöhnlich dem Hauptquar­ tiere beigegkben, meist erst im Festungskriege mit dem Belagerungstrarn herbeigeholt. Zum Behuf der Marsche wurde die Schlachtordnung Akmeinhin in mehrere < Marsch •-) Kolonnen aufgelöset, welche entweder auf verschiedenen Parallelstraßen oder aus eigens dazu gebahnten und ausgesteckten Kolonnenwegen, sich neben einander in möglichst gleicher Höhe fortbewegten. Die Marschordnung hatte häufig mit der Schlachtordnung gar nichts gemein, sondern befolgte ein von derselben ganj abweichendes Gesetz. Friedrich der Große ging indessen von dem richtigen Grundsätze aus, daß man auch auf dem Marsche stets schla'chtbereit seyn, und daher die Schlachtordnung in den Marschkolonnen möglichst beibe­ halten mässe. Demgemäß marschirte man, ohne die in­ nere Zusammenstellung der einzelnen Waffen zu ändern ent­ weder rreffenweis oder flügelweis so ab, daß jede Kolonne aus einer einzigen Waffe bestand. Die Bataillonsgeschätze blieben bei ihren Batalllonen; die übrige ArtiUtne bildere, um gehörig gedeckt zu seyn, die mittelste »der wenn ßch der Feind seitwärts befand, die von ihm



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lassen, der außer den Gränzen des von uns zum eigent­ lichen Schlachtfelde ausersehenen Lerrainabschnittes liegt. Der Femd muß durch die Wahrscheinlichkeit eines gün­ stigen Erfolges sich angereizr fühlen, den Angriff zu un­ ternehmen. Er muß fich wider Willen genöthigt sehen solche Anordnungen zum Angriff zu treffen, daß seine wahre Absicht möglichst früh und unzweideutig errathen werden kann. Er muß nur langsam und in einzelnen Richtungen Vordringen können, und überall auf Punkte stoßen, wo ihm der Zugang mit wenigen Kräften eine zeirlang streitig gemacht werden kann, und er deshalb ge­ zwungen ist, überlegene Massen ins Gefecht zu bringen um irgendwo dvrchzudringen. Er muß unserer Feuer­ wirkung unausgesetzt blos gegeben seyn ohne fle mir gleicheni Nachdruck und Erfolge erwiedern zu können. Wir müssen mancherlei Gelegenheit haben ihn irgendwie in sei­ ner Entwickelung zu stören, und wenn er in Richtungen vorschreiten will, die uns ungelegen sind, ihm solche Be­ sorgnisse erregen, solche Hindernisse in der Perspektive zeigen können, daß er freiwillig darauf Verzicht leistet, und andere Wege einzuschlagen für gerathener halt, oder daß er wenigstens unentschlossen in der Wahl seiner An­ ordnungen wird. Ist er in den Bereich unserer Position endlich einge­ treten, so muß er nicht im Stande seyn, uns aus ein­ zelnen bedeutsamen Punkten derselben durch Umgehung oder Bedrohung wrgzmnanövriren, sondern sich überall genöthigt sehen, den Stier bei den Hörnern anzugreifen. Er muß durch bloße Tiraillerie und Kanonade nichts Ent­ scheidendes ausrichtrn können, während uns der wirksame und ausgedehnte Gebrauch unbenommen bleibt. Der Ver­ lust eines einzelnen Punktes muß das Ganze unserer übri­ gen Anordnungen so wenig als möglich erschüttern; der Feind muß nicht durch einzelne an sich unbedeutende Er­ folge zu großen Resultaten gelangen können, er muß sich das Terrain Schritt vor Schritt streitig gemacht sehen, und häufig durch Terrainhindernisse in die Nothwendigkeit gerathen, die bereits entwickelten Truppenmassen wieder zusammenzufalten, die bereits konzentrirte Macht wieder aus einander zu dehnen. Wo er das leichteste Spiel zu haben vermeinte, müssen sich unerwartete Widerstande häu­ fln, wo er den Sieg durch Ueberlegenheit der Masse er­ zwingen will, muß er in ein mörderisches Feuer gerathen. Es muß uns freistehrn vyn Zeit zu Zerr in entscheidenden

228 Momenten ans unfern Hinterhalten in geschlossenen Mas­ sen offensive hervorzubrechen; wenn der Feind dis auf eine gewisse Höhe vorgedrungen ist, müssen wir, ohne Gefahr von überlegener Reiterei oder Artillerie flankirt zu werden, den Feind anfallen und zu Rückschritten vermögen können. Wir müssen es möglichst lange vermeiden können, mit un­ serm ganzen HaupttreFrn in das Handgemenge verwickelt zu werden, oder unsere Reserven früher auf den Kampf­ platz zu rufen, als wir versichert sind, daß der Feind keine frischen Kräfte weiter zu seiner Disposition habe. Sobald über das.Schicksal des Tages kein Zweifel übrig bleibt, oder in der letzten Periode des Gefechts, muß im unglücklichen Fall das Terrain »och stets so weit zu unsern Gunsten wirken, daß wir einen Ausweg behal­ ten, mit Anstand und gemessenen Schrittes den Kampf­ platz zu verlassen. Es müssen rückwärts Punkte gelegen seyn, wo wir unter Begünstigung frühek zurückgesendeter SoutienS uns sammeln oder in Marschkolonnen abfallen können. Es muß der Feind nicht zu rasch, nicht in zu­ sammenhängender und überlegener Breite, nicht ungestraft in starken Massen dicht aufdrangrn, «ns nicht seitwärts Len Vorsprung abgewinnen, Geschütz und Reiterei nicht ungehindert gegen uns einwirken lassen können. Ueberall müssen ihn Terrainhindernisse oder die Besorgniß zügeln, in dem unbekannten, schweräbersehlichen Gelände Blößen zu geben oder in Hinterhalte zu fallen. Hat umgekehrt der Feind die schwarze Kugel gezogen, so muß uns das Terrain keine Schranken anlegen, um durch den Uebergang in eine allgemeine energische Offen­ sive die Niederlage des Gegners gründlich zu vollenden. Wir müssen ihn festhalten können wenn er abbrechen will, er muß genöthigt seyn, alle-verdrießlichen Momente, die er im Vordringen überwunden hatte, noch einmal zurück zu leben, er muß sich beengt sehen in allen Bewegungen, gemißhandelt durch unser Geschütz, eingeholt von unserer Reiterei, zuvorgekommen auf Seitenwegen von Lruppenrheilen die wir also bald entsendet haben, als es wahrschein­ lich ward, daß der Angriff abgeschlagen werde, , oder von andern die sich früher mit offeufiven Aufträgen in seinen Rücken begeben hatten. Bringt uns die Beschaffenheit des Terrains nicht so viel zu Wege, daß ivir einem un­ gefähr gleich starken Feinde mit einem Theil unserer Macht widerstehen, und über den Rest unbedenklich auf eine an. Lere Weise dksponiren können, so sind die Auforderungen



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die man an elne fosenannte Position zu machen berechtigt ist, jederzeit nur zur Hälfte erfüllt. Eine Position in welcher wir ein ernstliches Gefecht nicht durchzuführen gesonnen sind, kann manche der obi­ gen Eigenschaften entbehren. Je vollständiger sie diesel­ ben indessen besitzt, um desto weniger werden wir nöthig haben, unsern Abmarsch zu übereilen, um desto eher wer­ den zufällig vielleicht Verhältnisse eintreten, die es uns möglich machen, der Sache eine glänzendere Wendung zu geben, als wir es vorauszusetzen hatten wagen dürfen. 48$. Noch ist bei der Postirung der Truppen seh gendes zu beobachten: Grundgesetz für den kombinirten Gebrauch mehrerer Haufen ist: daß sie einander nicht hindern, sondern sich unter einander zu einem gemeinsamen Zwecke behüflich werden. Daß dieser zwiefachen Anforderung ein Genüge geschehe, hangt zum großen Theile davon ab, in welches Lagenverhältniß sie zu einander im Raume gesetzt werden, einmal weil ihr gleichzeitiger Gebrauch unmittelbar dadurch bedingt wird, und zum andern, weil selbst ihre sukzessive Verwendung davon abhängig ist. Wie immer zweien Haufen ihr Platz im Raume an­ gewiesen seyn mag, laßt sich durch beide eine gerade Linie ziehen, auf deren Endpunkten sie sich befinden. Erfolgt der Angriff des Feindes auf der Verlängerung dieser Li­ nie, so kann der vordere oder zunächst am Feinde befind­ liche Haufen zwar dadurch Ursach werden, baß der hintere dem Anfalle des Feindes einstweilen entzogen bleibt, allein theils können beide gemeinschaftlich leicht durch dasselbe feindliche Geschütz verletzt werden, theils wird, wenn der Feind den vordern gerade vor sich her treibt, der hintere leicht unwillkührlich mit übergerannt. Es kann ferner der Hintere Haufen in diesem Lagenvekhaltniß dem vordern keinen Beistand leisten. Es wird daraus die Regel ab­ zuleiten seyn: zwei Haufen die sich in der Bestrebung ein­ ander beizuspringen nicht hinderlich werden sollen, müs­ sen einander zur Seite bleiben oder so postirt werden, daß die Linie welche durch die Orte ihrer Ausstellung gezogen wird, mit der Linie in welcher der Feind gegen «inen von ihnen anrückt, irgend einen Winkel bildet. Ist dieser Winkel spitz, so steht der unterstützende Haufen zur Seite vorwärts des angegriffenen, ist er stumpf, so kommt er dadurch zur Seite rückwärts zu stehen. — Sollen die beiden Haufen im Voraus so vosiirt werden, daß sie ein

230 jtt ihrer Unterstützung günstiges kagenverhältnist einneh-i men, sollen sie zu diesem Ende fixirt werden, so muß die AnzriffSrichtung des Feindes bekannt, oder durch die Lo­ kalität gegeben seym - Ist dies nicht, kann sie willkührlich statt finden, so muß der Unterstützungshaufen entweder getheilt auf zwei entgegengesetzte Punkte gestellt werden, oder einen vorläufigen Platz erhalten, von dem aus er sich, so wie der Feind naht, auf einen angemessenern begiebt. Dieser vorläufige Platz wird am zweckmäßigsten hinter dem, der unterstützt werden soll, und zwar um so näher au ihm gewählt, je größer die Unbestimmtheit der feind­ lichen Angrisssrichkung ist; damit der Unterstützende sich möglichst in mittlerer Entfernung von den Punkten be­ finde, auf die er sich wird begeben müssen. Zwei fixirte Haufen können einander nur gegenseitige Hälfe leisten, wenn das vor der Angriffsfeite des einen gelegene Terrain im wirksamen Feucrbcreich feines Nach­ barn liegt. Es ergiebt sich hieraus nicht nur ihre ange­ messene Entfernung von einander, sondern auch, daß der Angriff des Feindes nicht gegen die äußeren Flanken mässe gerichtet werden können, oder mit andern Worten: daß beide Haufen entweder eine sichere Flankenanlehnung in der Lokalität besitzen, oder die äußern Flanken durch anderweitige Haufen beschützt werden müssen; und endlich daß da wo gar keine Flankcnanlehnung statt findet, oder sie nur auf einer Seite gewonnen werden kann, bon zweien Haufen nur einer sich fixiren dürfe, dem andern aber Freiheit der Bewegung gelassen werden mässe. Ist ein dritter Haufen dazu bestimmt, zweien andern nach Bewandniß der Umstände beizuspringen; ist bei diesen die Wahrscheinlichkeit und Gefahr des Angriffs gleich groß, die Angriffsrichtung des Feindes willkührlich: so steht der Unkerstätzungshaufe am angemessensten gerade in der Mitte zwischen beiden. Er kann von dort aus seine Feuerwir­ kung nach zwei Seiten wenden oder vertheilen, und ist für je zwei möglichen Angriffen in entgegengesetzter Rich­ tung in gleich großer Bereitschaft. Bedroht der Feind beide Haufen gleichzeitig, so vertheilt sich die Gefahr, es bedarf demnach auch jeder von ihnen eine verhaltnißmaßig geringere Hälfe; ist einer von ihnen zudem noch durch die Lokalität so begünstigt, daß er einer überlegenen Macht Widerstand leisten kann, so ist er um so weniger hülfsbedürstig; er bedarf einer geringern Nahe, oder eines ge­ ringern Theiles deS Untersiützungshaufens. Hiernach laßt

851 sich ermitteln, ob und wie dieser getheilt ausgestellt wer­ den dürfe. Da sich aber fast nie mit Bestimmtheit vorauSsehen laßt, ob der Feind seine Kraft gegen einen Hau­ fen konzentriren oder gegen beide vertheilen werde; da uns der Feind über seine definitive Absicht tauschen, und der Unterstützungshaufe in solchem Fall leicht in eine Ge­ gend verlockt werden kann, aus derer unmöglich zur rech­ ten Zeit bei dem wahrhaft Bedrängten wieder anzulangru vermag; so folgt wiederum, daß es kein wünschenSwerther Umstand ist, wenn die zu unterstützenden Haufen keine Flankenanlehnung besitzen, uud daß man suchen müsse we­ nigstens auf einer Seite der Lokalität eine Flankenanleh­ nung abzugewinnen. Daß man in einer Flanke sich die Freiheit des Manövrirens refervire, ist überhaupt in den meisten Fallen, und besonders wenn Reiterei und reitende Artillerie einen bedeutenden Theil unserer Streitmasse aus­ machen, empfehlenswerth. Ist eine Flanke angelehnt, so sieht der Unterstützungshaufen natürlich am angemessensten in der Nahe der andern Flanke; sind beide angelehnt, hinter der Mitte des zwischen beiden fixirren Haufen freigelassenen Raumes. Doch ist dabei noch zu beobachten, daß man einem angegriffenen Hänfen auf dreierlei Weise Hälfe zukomnren lassen kann: indem man ihn ablöset, in­ dem man die Besatzung des angegriffenen Punktes ver­ stärkt, und indem man mit dem Unterstötzungshaufen of­ fensive gegen den Feind verfahrt. In den beiden ersten Fällen ist die Nähe der Unterstützung wesentlich; im letz­ ten Fall kann durch die anfängliche Entfernung häufig Umweg und Zeitverlust, um i» Flank oder Rücken des Feindes zu gelangen, erspart werden. Also auch hienach muß in Gemäßheit der vorhandenen Lokalität die Aufstel­ lung des Unterstätzungshaufens bestimmt werden. Es kann einer jeden Waffe abwechselnd das Loos zu Theil werden Unterstützter oder Unterstützender zu sey«. In der Regel ist es das Fußvolk, welches von den beiden andern Waffen unterstützt werden soll; auch eignen sich diese letzter« am meisten dazu, weil ihre Hülfe von der Ferne her schneller zur Wirkung gebracht werden kann. Gewöhnlich steht daher die Aufgabe so; was hat Reiterei und Geschütz zu thun, damit das Streitvermögen deFußvolks möglichst erhöht werde? — Wenn Reiterei oder Geschütz die Basis werden sollen, an die sich das Thun der andern Waffen hülfreich ansclffießen, und nach der sich dasselbe reguliren soll, so müssen sie entweder in vorherr-

schenk großer Anzahl vorhanden seyn, ober Lokalität und andere Umstande ihren Gebrauch vorzugsweise begünstige» und wichtig machew. — Fußvolk und Reiterei treten in­ sonderheit als Unterstätzungswaffe des Geschützes anf, wenn sie zur Deckung von Batterien kommandirt sind. Fußvolk und Geschütz übernehmen die Deckung der Rei­ terei, in durchschnittenem Boden überhaupt, und vornämlich, utn sie bei der Rückkehr aus der Ebene, oder nach mißlungenem Angriff hinter sich aufzunehmen. Die unterstützende und dte unterstützte Waffe müssen sich stets gegenseitig in die Hande arbeiten: denn wenn die zu unterstützende auf eine Weise zu Werke geht, welche der, die sie unterstützen soll, unter den vorhandenen Um­ standen nicht gestattet, auf eine ihrer Fechtart angemessene Art wirksam zu werden, so wird diese ihr mit dem besten Willen keinen Nutzen leisten können. In wie fern aber die unterstützte Waffe gewöhnlich fixirt ist, oder Falls sie sich bewegt, durch den Feind gehindert wird, sich beliebig zu bewegen, wird der unterstützenden Waffe größtentheils eine größere Freiheit in ihren Bewegungen vergönnt seyn, sie wird sich leichter den Umstanden anpassrn können, als jene; und man kann es daher als Maxime betrachten, daß Thun nnd Schicksal des Schützlings Regel werden müsse für Thun und Lassen des Beschützers. — Wer beschützen soll, muß nicht gleichzeitig selbst des Schutzes bedürfen. Es ist daher zweckmäßig, die Waffe welche unterstützen soll, so zu postwen, daß sie nicht gleich­ zeitig oder früher als ihr Schützling in ein eignes Gefecht mit dem Feinde verwickelt, oder durch denselben irgend­ wo paralysirt wird. 486. Betrachten wir zuerst die Artillerie, die fast nie selbstständig, sondern stets entweder als beschütztes oder als beschützendes Element deS Gefechts besteht. — In wie fern die Artillerie von allen Waffen am mei­ sten in ihrem Thun und Wirken abhängig ist vom Ter­ rain, auf keinen Schutz so sehr Anspruch macht, als auf den des Terrains, und da in der Periode des Ferngesechts die übrigen Truppen zur Vermehrung der Sicher­ heit und Wirksamkeit der Artillerie direkte nichts beitra­ gen können, so muß bei aller Postirung auf die angemes­ sene Plajirung der Artillerie zuförderst Rücksicht genom­ men, und die Aufstellung der übrigen Truppen sodann da­ nach möglichst adaptirt werden. Thut man dies nicht, wird die Artillerie blos als eine Zugabe betrachtet, di