116 20 6MB
German Pages 832 Year 2011
Besgen (Hrsg.) Handbuch Führungskräfte
Handbuch Führungskräfte Arbeits-, Gesellschafts- und Steuerrecht für Geschäftsführer, Vorstände und leitende Angestellte herausgegeben von
Dr. Nicolai Besgen bearbeitet von
Dr. Nicolai Besgen Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Dr. Stephan Dornbusch Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Dr. Stefan Drewes Rechtsanwalt, Bonn
Dr. Theo Kade Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Mario Knepper Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Dr. Christopher Liebscher, LL.M. Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin
Dr. Marc Liebscher, LL.M. Rechtsanwalt, Leipzig
Dr. Andreas Menkel Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Dr. Andreas Nadler Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Dr. Stephan Osnabrügge Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
Dr. Christian Velten Rechtsanwalt, Frankfurt
Sebastian Witt Fachanwalt für Arbeitsrecht, Bonn
2012
1
Tiefe
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek veneichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38..()1, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-42058-1
©2012 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urhebem:chtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfält.igungen, Bearbeitungen, Ühersetzungen, Mikroverfilmungen Wld die Einspeicherung Wld Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich.
Einbandgestaltung: Jan P. Lichtenford, Mettmann Satz:Scltiiper,Bonn Druck und Verarbeitung: Kösel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort
Der Begriff der Führungskräfte ist (arbeits)rechtlich nicht definiert. Gemeinhin versteht man unter Führungskräften die handelnden und leitenden Personen eines Unternehmens. Neben den rechtlichen Organvertretern (Vorstand und Geschäftsführer) werden aber auch die Leitenden Angestellten in einem Arbeitsverhältnis als Führungskräfte bezeichnet. Arbeitsrechtlich muss wiederum zwischen „echten“ und „unechten“ Leitenden Angestellten weiter differenziert werden. Organe einer Gesellschaft unterliegen hingegen originär nicht dem Arbeitnehmerschutzrecht. Die Beratung und Betreuung von Führungskräften verlangt damit besondere Sachkenntnisse aus dem Gesellschaftsrecht, dem Arbeitsrecht und auch dem Steuerrecht. Nur die genaue Kenntnis der verschiedenen Rechtsgebiete und ihrer wechselseitigen Auswirkungen ermöglichen die fehlerfreie und rechtssichere Beratung. Diesen Ansatz verfolgt das vorliegende Handbuch. Sämtliche Autoren sind ausgewiesene Experten und erfahrene Rechtsanwälte in der umfassenden Beratung von Unternehmen und Führungskräften. Zahlreiche Praxishinweise, Fallbeispiele und Formulierungsvorschläge runden die Darstellung ab. Der Stand der Rechtsprechung wurde bis September 2011 berücksichtigt. Bonn, im Oktober 2011
Nicolai Besgen
V
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Inhaltsübersicht Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XIII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLI
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLVII
Teil 1 Grundlagen und Einführung Rz.
Seite
A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
I. Begriff der Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
II. Arten von Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1
III. Allgemeine Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . .
20
8
B. „Charakterisierung“ der Führungskräfte . . . . . . . . . . . .
21
9
I. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
9
II. Vorstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
27
III. Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
42
IV. Sonstige Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
50
Teil 2 Begründung und Inhalt des Anstellungsverhältnisses A. Anbahnung des Anstellungsverhältnisses . . . . . . . . . . .
2
51
I. Wettbewerb um Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . .
4
51
II. Stellenanzeige/Stellenausschreibung . . . . . . . . . . . . . .
24
58
III. Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
61
IV. Im Besonderen: Anwendbarkeit des AGG auf Organmitglieder
62
71
V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
72
VI. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, des Sprecherausschusses und der Schwerbehindertenvertretung . . . . . . .
70
73
B. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
76
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
76
II. Organschaftliche Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106
83 VII
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Inhaltsübersicht Rz.
Seite
C. Gesetzliche Organpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
138
93
I. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
93
II. GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
107
Teil 3 Inhalt des Anstellungsvertrages und typische Vertragsklauseln A. Vergütungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
119
I. Arbeits- und Dienstrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
119
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
148
B. Dienstwagenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
173
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
173
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
185
C. Arbeitszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
192
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
192
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
196
D. Direktionsrecht und Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . .
282
199
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
199
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342
220
E. Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
230
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
230
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
439
245
F. Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
516
266
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
516
266
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
607
297
G. Verschwiegenheitspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
630
303
H. Haftung und D&O-Versicherungen . . . . . . . . . . . . . .
637
306
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
637
306
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
647
310
I. Kündigungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
653
313
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
653
313
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . .
654
313
III. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657
314
IV. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
673
319
VIII
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Inhaltsübersicht Rz.
Seite
J. Befristungsabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
679
322
K. Fiktionsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
687
325
L. Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
327
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
327
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
708
332
M. Sonstige Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
719
335
I. Freistellungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
719
335
II. Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
731
338
III. Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
746
343
IV. Urlaubsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
752
345
V. Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
350
VI. Freizeitverhaltensklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
784
355
VII. Wohnsitzklauseln und Umzugskosten . . . . . . . . . . . . .
790
358
VIII. Ausschlussklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
800
361
A. Ordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
367
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
367
II. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte . . . . . . . . .
75
385
B. Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
408
Teil 4 Beendigung des Anstellungsverhältnisses
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
408
II. Kündigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
413
III. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte . . . . . . . . .
209
423
C. Änderungskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
240
435
D. Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
438
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
438
II. Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
449
III. Besonderheiten bei Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
362
465
E. Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
382
469
I. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
383
469
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . .
388
470 IX
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Inhaltsübersicht Rz.
Seite
F. Typische Regelungsinhalte von Beendigungsvereinbarungen
421
481
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
421
481
II. Typische Regelungsinhalte von A–Z . . . . . . . . . . . . . .
426
482
G. Altersteilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
508
507
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
509
507
II. Voraussetzungen einer Altersteilzeit i.S.d. ATZG . . . . . .
510
508
III. Sonstige Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
516
510
IV. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
510
V. Rechtsfolgen der Altersteilzeit für das Arbeitsverhältnis . .
518
510
VI. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
511
Teil 5 Die Führungskraft in besonderen Unternehmenssituationen A. Krise und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
513
I. Insolvenzgründe und -antragspflicht . . . . . . . . . . . . . .
5
513
II. Haftung wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht . . .
44
524
III. Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, insbes. Auszahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
527
IV. Weitere Haftungsrisiken für die Führungskraft in der Krise .
73
531
V. Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung . . . . . . . . . .
90
534
VI. Stellung der Führungskraft in der Insolvenz . . . . . . . . . .
106
538
B. Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen . . . .
228
566
I. Gesetzlicher Schutz nur für Arbeitnehmer . . . . . . . . . .
229
566
II. Betriebsübergang: Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . .
231
566
III. Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs . . . . . . . . . . . . .
242
572
IV. Unterrichtungspflichten und Widerspruchsrecht . . . . . . .
252
576
V. Besonderheiten bei Unternehmensumwandlungen . . . . . .
262
579
VI. Kündigung und Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . .
266
581
VII. Nachteilige Vereinbarungen anlässlich Betriebsübergang . .
269
581
VIII. Sonderkündigungsschutz beim Betriebsübergang . . . . . . .
270
582
IX. Prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
582
X. Wiedereinstellungs-/Vertragsfortsetzungsansprüche . . . . .
272
583
XI. Besonderheiten bei Organ-Führungskräften . . . . . . . . . .
273
583
X
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Inhaltsübersicht
Teil 6 Compliance und Datenschutz Rz.
Seite
A. Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
587
I. Compliance – Die Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
587
II. Compliance-Anforderungen im Datenschutz . . . . . . . . .
27
593
III. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit einzelner ComplianceMaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
612
B. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
194
627
195
627
II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 130, 30 OWiG .
213
630
III. Ahndung von Verstößen gegen das BDSG – Haftung des Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
631
IV. Schadensersatzhaftung nach BDSG . . . . . . . . . . . . . . .
222
632
V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
632
A. Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
633
I. Verantwortlichkeit von Organen wegen fehlender bzw. unzureichender Compliance-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . .
Teil 7 Haftung der Führungskräfte I. Konzentration auf die Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . .
3
633
II. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
635
III. Organhaftung in den verschiedenen Unternehmensphasen .
17
638
IV. Haftungsprivilegierungen und Möglichkeiten der Haftungsfreistellung/Enthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
710
V. Sonstiges zur Durchsetzung der Innenhaftung . . . . . . . .
289
724
B. Haftung für Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
294
726
I. Haftung für betriebliche Steuern nach §§ 34, 69, 191 AO . .
296
726
II. Steueroptimierte Gestaltungen als Entscheidungen i.S.d. business judgement rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
740
I. Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
743
II. Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
751
Teil 8 Verfahrensrecht
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLI
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLVII
Teil 1 Grundlagen und Einführung A. Allgemeines Rz.
Seite
I. Begriff der Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
1
II. Arten von Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
1
1. Organwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1
. . . .
4 5 14 19
2 2 6 8
III. Allgemeine Gemeinsamkeiten und Unterschiede . . . . . . .
20
8
2. Leitende Angestellte . . . . . a) Betriebsverfassungsgesetz b) Kündigungsschutzgesetz . c) Arbeitsgerichtsgesetz . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
B. „Charakterisierung“ der Führungskräfte I. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
9
1. Eigen- und Fremdgeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . .
23
9
2. Anstellungs- und Organverhältnis . a) Bestellung und Anstellung . . . . b) Organverhältnis . . . . . . . . . . aa) Persönliche Eignung . . . . . bb) Bestellung . . . . . . . . . . . cc) Abberufung . . . . . . . . . . c) Anstellungsverhältnis (Überblick) aa) Rechtsnatur . . . . . . . . . . bb) Begründung und Beendigung . cc) Inhalt . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
24 25 27 28 29 34 38 39 40 41
10 10 11 11 12 13 15 15 15 16
3. Weisungsgebundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
16
4. Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse . . . . . . . . . . a) Aufgaben und Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . .
43 44
17 17
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
XIII
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
46 47 52
17 18 20
. . . . . . . .
58 59 61 62 63 64 65 66
22 22 23 23 23 24 24 24
6. Anwendung des Arbeitsrechts und sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . .
67 68 72
24 25 26
II. Vorstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
27
b) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik der Haftungsnormen . . . . . b) Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG . . . aa) Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . bb) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . cc) Objektive Zurechnung und Schaden dd) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . ee) Rechtsfolgen und Verjährung . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
1. Eigen- und Fremdgeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . .
76
27
2. Anstellungs- und Organverhältnis . a) Organstellung und Anstellung . . b) Organverhältnis . . . . . . . . . . aa) Persönliche Eignung . . . . . bb) Bestellung . . . . . . . . . . . cc) Abberufung . . . . . . . . . . c) Anstellungsverhältnis (Überblick)
. . . . . . .
77 78 80 81 82 85 90
28 28 29 29 29 30 32
3. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
32
. . . . .
96 97 99 100 105
34 34 35 36 37
5. Haftung (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
112
39
6. Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts . . . a) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . .
115 116 118
40 40 42
III. Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
42
1. Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts . . . a) Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung . . . . . . . . . . .
120 121 123
42 43 44
2. Ausübung von Arbeitgeberfunktionen . . . . . . . . . . . . .
124
44
3. Umfang der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prokura . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
125 127
45 46
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
4. Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse a) Aufgaben und Zuständigkeiten . . . . . b) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geschäftsführungsbefugnis . . . . . bb) Vertretungsbefugnis . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . .
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XIV
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . .
128 132 136 137
46 47 48 48
4. Haftung (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
141
49
IV. Sonstige Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
50
aa) Erteilung . . . . . bb) Umfang . . . . . cc) Widerruf . . . . . b) Handlungsvollmacht
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
. . . .
Teil 2 Begründung und Inhalt des Anstellungsverhältnisses A. Anbahnung des Anstellungsverhältnisses I. Wettbewerb um Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
51
1. Eigene Abwerbung durch den Arbeitgeber . . . . . . . . . . .
5
52
. . . .
14 15 16 19
54 55 55 56
3. Abwerbung durch Kollegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
56
4. Rechtsfolgen unzulässiger Abwerbung . . . . . . . . . . . . .
22
57
II. Stellenanzeige/Stellenausschreibung . . . . . . . . . . . . . .
24
58
1. Grenzen des AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
58
2. Headhunting . . . . . . . . . . . . a) Telefonkontakt . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . c) Kontaktaufnahme per E-Mail .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
58
3. Schwerbehinderte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
59
4. Vermutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
59
5. Diskriminierung durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
60
6. Recherchen im Internet/Soziale Netzwerke und Datenschutz
30a
60
III. Bewerbungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
61
1. Offenbarungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32 32 33
61 61 61
2. Fragerecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . a) Schwerbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . b) Schwangerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschlecht und sexuelle Orientierung . . . . d) Religionszugehörigkeit und Weltanschauung e) Vorstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Gendiagnostische Untersuchungen . . . . . .
35 38 41 42 43 45 47 51
62 63 64 65 65 66 66 67
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
XV
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. . . . . . .
53 54 55 57 58 59 60
68 68 68 69 69 70 70
IV. Im Besonderen: Anwendbarkeit des AGG auf Organmitglieder
62
71
1. Anwendbarkeit gem. § 6 Abs. 3 AGG . . . . . . . . . . . . . .
63
71
2. Reichweite der Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
72
V. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
72
VI. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, des Sprecherausschusses und der Schwerbehindertenvertretung . . . . . .
70
73
1. Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71 71 72
73 73 74
h) Drogen- und Alkoholkonsum . . . . . . . i) Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . j) Gewerkschafts- oder Parteimitgliedschaft k) Mitgliedschaft im MfS . . . . . . . . . . . l) Eignungstest . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Vermögensverhältnisse . . . . . . . . . . . n) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
2. Sprecherausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
74
3. Schwerbehindertenvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
74
B. Vertragsschluss I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
76
1. Vertragspartner/Vertretung . . a) Leitende Angestellte . . . b) AG-Vorstand . . . . . . . . c) GmbH-Geschäftsführer . . d) Sonderfall Drittanstellung
82 83 86 91 94
76 76 77 79 80
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
2. AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
80
3. Der fehlerhafte Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . .
103
82
II. Organschaftliche Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
106
83
107 107
83 83
109 113 113 114
84 85 85 85
1. GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestellung zum Gesellschaftsorgan . . . . . . . . . . . . . b) Folgen der Bestellung für ein vorhergehendes Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bestellungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Persönliche Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
d) Fehlerhafte Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 116
86 87
2. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestellung zum Gesellschaftsorgan . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit und Dauer der Amtszeit . . . . . . . . . bb) Persönliche Voraussetzungen und Vorgaben hinsichtlich der Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Beschluss des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen eines fehlerhaften Beschlusses auf die Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen des Vertragsschluss für ein vorhergehendes Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119 119 120
87 87 88
123 127
89 89
133
91
136
92
I. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
93
1. Leitung und Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
93
2. Vertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
142
94
3. Die Leitungsaufgabe des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . .
149
95
C. Gesetzliche Organpflichten
4. Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152
96
5. Treuepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliche Anmerkungen . . . . . . . . . b) Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . c) Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen d) Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
158 158 161 167 169
98 98 99 100 101
6. Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat . . . . . . . . .
173
102
7. Buchführungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
104
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
8. Pflichten gegenüber der Hauptversammlung . . . . . . . . . .
183
104
9. Pflichten in der Unternehmenskrise . . . . . . . . . . . . . .
186
105
10. Weitergehende Informations- und Offenlegungspflichten . .
194
107
II. GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
107
1. Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
108
2. Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206
110
3. Leitungsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213
112
4. Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215
113
5. Pflicht zur Ausführung von Weisungen . . . . . . . . . . . . .
222
115
6. Anmeldepflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225
116
7. Buchhaltungspflicht und Jahresabschluss . . . . . . . . . . .
226
116
8. Pflichten im Zusammenhang mit einer Krise . . . . . . . . .
230
117 XVII
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Inhaltsverzeichnis
Teil 3 Inhalt des Anstellungsvertrages und typische Vertragsklauseln A. Vergütungsfragen Rz.
Seite
I. Arbeits- und Dienstrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
119
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
119
. . . . . . . . .
5 6 11 24 24 25 45 47 56
120 120 122 126 126 126 131 132 135
3. Besonderheiten für den AG-Vorstand . . . . . . . . . . . . . . a) Angemessene Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herabsetzung in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Heraufsetzung des Gehalts bei Besserung der Lage? . . . . d) Anerkennungsprämien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Veröffentlichungspflicht in börsennotierten Gesellschaften
62 63 77 85 86 88
136 136 140 142 143 144
4. Besonderheiten für den GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . a) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Anwendung von § 87 AktG auf GmbH-Geschäftsführer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anpassung des Gehalts in der Krise . . . . . . . . . . . . . aa) Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anpassungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90 91
144 144
92 93 93 94
145 146 146 146
5. Besonderheiten für Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . .
95
147
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
148
1. Einkunftsarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgrenzung zwischen selbständiger (gewerblicher) und nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
98 98
148 148
. . .
102 102 107
149 149 150
2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb/selbständige Arbeit . . . . . .
112
152
3. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . a) Grundvergütung . . . . . . . . . . . . . . . b) Variable Gehaltsbestandteile . . . . . . . . aa) Inlandssachverhalt . . . . . . . . . . . bb) Stock Options und Abkommensrecht
120 120 134 137 147
153 153 156 156 160
2. Vergütungsbestandteile . . . . . . . . . a) Tantiemen . . . . . . . . . . . . . . b) Aktienoptionen . . . . . . . . . . . c) Zielvereinbarungen . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . bb) Arbeitnehmer-Führungskräfte . cc) Organ-Führungskräfte . . . . . d) Widerrufsvorbehalte . . . . . . . . . e) Freiwilligkeitsvorbehalt . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
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. . . . .
. . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
XVIII
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Inhaltsverzeichnis
4. Verdeckte Gewinnausschüttungen . . . . . . . . . . . . . a) Verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde nach . b) Verdeckte Gewinnausschüttungen der Höhe nach . . . c) Sonderfälle verdeckter Gewinnausschüttungen . . . . aa) Verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach bb) Verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach . . cc) Formulierungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
Rz.
Seite
. . . . . . .
154 161 170 179 181 193 197
162 163 166 168 168 171 172
B. Dienstwagenregelungen I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
173
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
173
2. Privatnutzung als zusätzliche Sachvergütung . . . . . . . . .
201
173
3. Inhalt und Umfang des Nutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . a) Inhalt des Nutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang des Nutzungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . .
204 204 208
174 174 176
4. Herausgabe und Entziehung des Wagens . . . . . . . . . . a) Kündigung des Mitarbeiters und Änderungen bei Einräumung der privaten Nutzung . . . . . . . . . . . . . b) Einschränkungen und Widerrufsvorbehalte . . . . . . . c) Nutzungsentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rückabwicklung und Prozessuales . . . . . . . . . . .
. .
217
178
. . . .
. . . .
218 223 225 227
179 180 181 182
5. Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Grundsätze . . . . . . b) Leichteste Fahrlässigkeit . . . . . c) Mittlere Fahrlässigkeit . . . . . . d) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit . e) Sonstige Regelungen . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
231 231 232 234 235 236
183 183 183 184 184 185
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
185
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
1. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
238
185
2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern . . . . .
252
189
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
192
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG . . . . . . . .
259 259 263
192 192 193
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
272
195
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
196
C. Arbeitszeit
XIX
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Inhaltsverzeichnis
D. Direktionsrecht und Auslandseinsatz I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rz.
Seite
282
199
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
282
199
2. Reichweite des allgemeinen Direktionsrechtes . . . . . . . . a) Konkretisierung der Arbeitsleistung . . . . . . . . . . . . . b) Tätigkeitsbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geringwertige Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zuordnung zu Vergütungsgruppen . . . . . . . . . . . . . . e) Versetzungsklauseln und Direktionsrechtserweiterung . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tätigkeitszuweisungen – Wertigkeit der neuen Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Änderung des Arbeitsortes . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Rahmen der Versetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Arbeitsverhältnisse im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . g) Gewissensentscheidungen, Grundrechte . . . . . . . . . . h) Direktionsrecht hinsichtlich Arbeitszeit und betrieblicher Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286 286 287 289 292 293 293
200 200 201 202 203 203 203
296 300
204 205
303 305 314
207 207 210
317
211
3. Auslandseinsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterschiedliche Vertragskonstellationen . . . . c) Internationales Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . bb) Freie Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Objektive Regelanknüpfungen . . . . . . . . dd) Abweichungen nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO ee) Zwingende staatliche Vorschriften . . . . . . ff) Eingriffsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
319 319 321 326 326 329 331 337 338 340 341
212 212 213 214 214 215 216 217 218 219 219
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
342
220
1. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343 344 354
220 220 222
2. Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) DBA-Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausland ohne DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
359 361 382
223 224 228
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
387
230
1. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388 388
230 230
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
E. Altersversorgung
XX
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Inhaltsverzeichnis
b) c) d) e)
Anwendbarkeit und Grundsätze des BetrAVG Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . Herabsetzungspflicht gem. § 87 Abs. 2 AktG . Rechtsmissbrauchseinwand . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
Rz.
Seite
392 398 400 404
231 233 233 234
2. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
406
234
3. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . b) Anpassung und Widerruf . . . . . c) Übertragung von Anwartschaften d) Abfindungsverbot, § 3 BetrAVG .
408 408 416 433 435
235 235 238 244 244
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
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. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebliche Altersversorgung nach BetrAVG a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besteuerung in der Anwartschaftsphase . . c) Leistungsphase . . . . . . . . . . . . . . . . d) Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . .
439
245
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
440 440 445 459 461
245 245 247 251 251
2. Pensionszusage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bilanzielle Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer aa) Zivilrechtliche Wirksamkeit . . . . . . . . . . . bb) Probezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Finanzierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Unverfallbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Erdienbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Höhe und Dynamisierung . . . . . . . . . . . . . gg) Rangrücktritt in der Krise/Verzicht . . . . . . . . hh) Auszahlung/Abfindung . . . . . . . . . . . . . . jj) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . kk) Formulierungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . .
465 466 472 474 478 484 486 488 493 499 510 514 515
253 253 254 255 255 257 257 257 259 260 263 264 264
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
516
266
1. Wettbewerbsverbote während des Arbeits-/Dienstverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . c) Einwilligungen/Widerrufe . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
517 518 522 523
266 266 267 268
2. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer a) Grundsätze für Arbeitnehmer-Wettbewerbsverbote . . b) Formelle Anforderungen an das Wettbewerbsverbot . . c) Inhaltliche Anforderungen an das Wettbewerbsverbot d) AGB-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
524 524 526 530 533
268 268 269 269 270
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
F. Wettbewerbsverbote
XXI
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
. .
534
271
. .
534
271
. . . . . . . .
. . . . . . . .
537 538 539 540 542 549 550 551
272 272 272 273 273 276 276 276
. . . . . . . .
. . . . . . . .
555 559 560 563 565 570 571 572
278 279 279 280 280 282 282 282
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
575 575 580 581 582 586 587 590
283 283 284 285 285 287 287 289
. . . .
. . . .
. . . .
593 594 598 601
290 291 292 293
4. Formulierungsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer . . . . . . . b) Wettbewerbsverbot mit einem Organ . . . . . . . . . . . .
605 605 606
294 294 295
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
607
297
e) Inhalte von Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . aa) Tätigkeits- und unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbeziehung sonstiger Beteiligungen und Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einbeziehung von verbundenen Unternehmen . . dd) Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . ee) Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . ff) Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Folgen bei Rechtsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Geltungserhaltende Reduktion – partielle Unverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Wegfall des Wettbewerbsverbotes . . . . . . . . . . . . aa) Einvernehmliche Aufhebung . . . . . . . . . . . . bb) Verzicht des Arbeitgebers nach § 75a HGB . . . . cc) Lossagungsmöglichkeit nach § 75 HGB . . . . . . dd) Anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ee) Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit . . . . . . h) Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . 3. Besonderheiten für Organe bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . bb) Gegenständlicher Geltungsbereich . . . . . . . . cc) Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . c) Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgen bei Rechtsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . e) Lossagungsmöglichkeiten bei berechtigter fristloser Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Verzicht des Dienstberechtigten . . . . . . . . . . . . g) Bedingte Wettbewerbsverbote . . . . . . . . . . . . . h) Wechsel in Organstellung . . . . . . . . . . . . . . .
1. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
607
297
2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführer . . . . . . a) Verstoß gegen Wettbewerbsverbot durch GesellschafterGeschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäftschance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
609
297
609 618
297 299
XXII
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
624
300
629
302
630
303
I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
637
306
1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen des Haftungs- und Schadensersatzrechts . . . b) Struktur der D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . .
637 637 638
306 306 306
2. Konkrete Ausgestaltung von Versicherungsbedingungen . . . a) Selbstbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchserhebung, Ausschlüsse . . . . . . . . . . . . . .
642 643 644
308 308 309
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
647
310
1. Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
647
310
2. D&O-Versicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
649
311
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
653
313
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
654
313
III. Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657
314
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
657
314
c) Entschädigungen bei Wettbewerbsverboten nach Beendigung des Dienstverhältnisses . . . . . . . . . . . . . d) Formulierungsvorschlag für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
G. Verschwiegenheitspflichten . . . . . . H. Haftung und D&O-Versicherungen
I. Kündigungsregelungen
2. Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts . . . . .
658
314
3. Aufzählung außerordentlicher Kündigungsgründe . . . . . .
660
315
4. Kopplungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
662
316
5. Vereinbarung der Anwendbarkeit des KSchG . . . . . . . . .
669
318
6. Change-in-Control-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
670
318
IV. Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
673
319
1. Vereinbarung der Geltung des KSchG . . . . . . . . . . . . . .
673
319
2. Festlegung von Gründen für eine außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
678
320
J. Befristungsabreden . . . . . . . .
679
322 XXIII
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Inhaltsverzeichnis
K. Fiktionsklauseln
. . . . . . . .
Rz.
Seite
687
325
L. Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten I. Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
693
327
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Geldwerter Vorteil . . . . . . . . . . . . bb) Anlass für das Rückzahlungsverlangen . cc) Angemessene Bindungsdauer . . . . . .
. . . . . .
693 693 695 696 699 702
327 327 327 328 328 330
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
707
331
II. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
708
332
1. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Steuerliche Behandlung beim Arbeitgeber . . . . . . . . . b) Steuerliche Behandlung beim Arbeitnehmer . . . . . . . .
708 709 714
332 332 333
2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführer . . . . . .
718
334
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
M. Sonstige Klauseln I. Freistellungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
719
335
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
720
335
2. Besonderheiten bei Organ-Führungskräften . . . . . . . . . .
725
337
II. Vertragsstrafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
731
338
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
732
339
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
738
342
III. Abfindungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
746
343
IV. Urlaubsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
752
345
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
345
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
757
346
1. Lohnsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
761
348
3. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern . . . . .
765
349
V. Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
768
350
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
769
350
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
775
352
XXIV
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
VI. Freizeitverhaltensklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
784
355
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
785
355
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
788
356
VII. Wohnsitzklauseln und Umzugskosten . . . . . . . . . . . . .
790
358
. . . .
790 790 791 792
358 358 358 359
2. Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werbungskosten/steuerfreie Einnahmen . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern . . .
793 793 799
359 359 361
1. Arbeitsrecht . . . . . . . . a) Wohnsitzklausel . . . . b) Umzugskostenklauseln c) Organ-Führungskräfte .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
VIII. Ausschlussklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
800
361
. . . .
800 804 811 812
361 362 364 365
2. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
814
365
1
367
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte . a) Einstufige Ausschlussfrist . b) Zweistufige Ausschlussfrist c) Rechtsfolgen . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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. . . .
. . . .
Teil 4 Beendigung des Anstellungsverhältnisses A. Ordentliche Kündigung I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
367
2. Anzuwendende Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
368
3. Person des Kündigenden . . . . . a) Aktiengesellschaft . . . . . . . b) GmbH . . . . . . . . . . . . . . c) GmbH & Co. KG . . . . . . . d) Sonstige Gesellschaftsformen
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
10 17 22 26 28
369 371 372 373 374
4. Form der Kündigung . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Formbestimmungen . . . b) Gewillkürte Schriftformerfordernis . . c) Weitere gewillkürte Formerfordernisse d) Kündigung durch Abberufung . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
35 35 37 41 42
375 375 375 376 377
5. Inhalt der Kündigungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
377
6. Zeit und Ort der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
378
7. Zugang der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
378 XXV
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
8. Kündigungsfristen und Kündigungstermine . . . . . . . . . . a) Gewillkürte Fristbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Kündigungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 60 68
381 381 383
9. Folgen der Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
384
10. Abwicklungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
384
II. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte . . . . . . . . .
75
385
. . . . . . .
75 75 76 86 88 89 104
385 385 385 387 387 387 392
2. AG-Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
110
393
3. Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . b) Vertretungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Formalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kündigungsfristen/Kündigungstermine . . . . . . e) Kündigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kündigungsausschluss . . . . . . . . . . . . . . . g) Kündigungsschutzprozess . . . . . . . . . . . . . aa) Auflösungsantrag des Leitenden Angestellten bb) Auflösungsantrag des Arbeitgebers . . . . . .
. . . . . . . . . .
114 115 117 123 125 132 145 149 154 158
395 395 396 397 398 399 403 403 405 406
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
408
1. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
408
1. GmbH-Geschäftsführer . . . . . a) Entschlusszuständigkeit . . b) Vertretungsbefugnis . . . . . c) Formalia der Kündigung . . d) Kündigungsgründe . . . . . . e) Kündigungsausschluss . . . f) Rechtsfolgen der Kündigung
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Außerordentliche Kündigung
2. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165
409
3. Regelungen im Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . .
169
410
4. Tat- und Verdachtskündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
175
412
5. Kündigungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
176
412
6. Auslegung/Umdeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177
413
II. Kündigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
413
1. Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
180
413
2. Ultima Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189
416
3. Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
193
418
4. Anhörung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
420
XXVI
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Seite
5. Ausschlussfrist, § 626 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . .
200
421
III. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte . . . . . . . . .
209
423
1. GmbH-Geschäftsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kündigung durch die Gesellschaft . . . . . . . . . . . bb) Kündigung durch den Geschäftsführer . . . . . . . . . b) Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen der außerordentlichen fristlosen Kündigung
212
423
214 215 218 224 230
424 425 428 430 431
2. AG-Vorstand/Vorstand einer Genossenschaft . . . . . . . . .
233
432
C. Änderungskündigung . . . . . . .
240
435
D. Aufhebungsvertrag I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
438
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
438
2. Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Leitende Angestellte mit Arbeitnehmerstatus . . . . . . . b) Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255 256 260
439 439 440
3. Formvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
263
441
4. Hinweis- und Aufklärungspflichten . . . . . . . . . . . . . . .
267
442
5. Unwirksamkeitsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
442
6. Beseitigung des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
444
7. Gleichwohl-Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
283
446
8. Steuer- und Sozialversicherungsrecht . a) Steuerrecht . . . . . . . . . . . . . . b) Sozialversicherungsrecht . . . . . . c) Arbeitsförderungsrecht . . . . . . .
. . . .
285 285 288 289
447 447 447 447
II. Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
295
449
1. Aufhebung des Anstellungsvertrages . . . . . . . . . . . . . .
295
449
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
2. Weitere Abwicklung/Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . .
302
450
3. Tatsachenfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
312
453
4. Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
314
454
5. Turboklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
324
456
6. Dienstwagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
332
458
7. Boni/Tantieme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
336
459
8. Betriebsrentenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
341
460 XXVII
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Seite
9. Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
344
461
10. Herausgabe von Gegenständen . . . . . . . . . . . . . . . . .
352
462
11. Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
354
463
12. Erledigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
358
464
III. Besonderheiten bei Organen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
362
465
1. Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
363
465
2. Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
374
467
3. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . .
376
467
4. Sprachregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
379
468
383
469
E. Befristung I. Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Materielle Anforderungen an die Befristungsabrede . . . . . .
383
469
2. Formelle Anforderungen an die Befristungsabrede . . . . . . .
384
469
3. Regelungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
385
470
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen c) Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
388
470
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
389 389 392 393
471 471 472 472
2. Befristungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befristung mit Sachgrund . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorübergehender Bedarf (Nr. 1) . . . . . . . . . . bb) Vertretungsbefristung (Nr. 3) . . . . . . . . . . . cc) Haushaltsbefristung (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . dd) Sonstige Sachgründe in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG ee) Unbenannte Sachgründe . . . . . . . . . . . . . . b) Befristung ohne Sachgrund . . . . . . . . . . . . . . . c) Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses . . . d) Prozessuales . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Befristungen nach § 14 Abs. 2a, 3 TzBfG . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . .
396 397 398 399 403 406 410 412 415 418 420
473 473 473 474 475 475 476 477 478 479 479
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
421
481
II. Typische Regelungsinhalte von A–Z . . . . . . . . . . . . . .
426
482
1. Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
426
482
F. Typische Regelungsinhalte von Beendigungsvereinbarungen
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Seite
2. Freistellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
429
483
3. Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
436 437 439
486 486 487
4. Verschwiegenheitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
442
487
5. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wettbewerbsverbot während des Dienstverhältnisses bb) Wettbewerbsverbot nach Vertragsende . . . . . . . . . b) Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Karenzentschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berechtigtes geschäftliches Interesse und unbillige Erschwerung des Fortkommens . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
446 446 447 448 452 452 455
488 488 489 489 490 490 491
458 463 466
492 494 494
6. Zeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
472 473 480
496 496 498
7. Rückgabeklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
482
498
8. Urlaubsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
485 486 491
499 500 501
9. Klageverzichtsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmer-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organ-Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
493 494 496
502 502 503
10. Ausgleichklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besonderheiten bei Organ-Führungskräften . . . . . . . .
497 497 502
503 503 505
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
509
507
II. Voraussetzungen einer Altersteilzeit i.S.d. ATZG . . . . . . .
510
508
1. Minderung der wöchentlichen Arbeitszeit . . . . . . . . . . .
510
508
2. Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
511
508
G. Altersteilzeit
3. Sozialversicherungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
513
509
4. Rente im Anschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
514
509
5. Abweichende individuelle Vereinbarungen . . . . . . . . . .
515
509
III. Sonstige Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
516
510 XXIX
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
IV. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
517
510
V. Rechtsfolgen der Altersteilzeit für das Arbeitsverhältnis . . .
518
510
1. Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
518
510
2. Störfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
519
511
VI. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
521
511
Teil 5 Die Führungskraft in besonderen Unternehmenssituationen A. Krise und Insolvenz I. Insolvenzgründe und -antragspflicht . . . . . . . . . . . . . .
5
513
1. Insolvenzgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liquidationsbilanz; Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . bb) Strittige Verbindlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . cc) Liquide Zahlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Geringfügige Liquiditätslücke; vorübergehende Zahlungsstockung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überschuldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Positive Fortführungsprognose . . . . . . . . . . . . . bb) Überschuldungsstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bemessung der Liquidationswerte . . . . . . . . . . . dd) Passiva-Bewertung: Streitige Verbindlichkeiten . . . . c) Drohende Zahlungsunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . .
6 7 8 11 13
514 514 515 516 516
14 15 16 17 18 19 20
517 517 517 518 518 518 519
2. Antragspflichtige Gesellschaftsorgane . . . . . . . . . . . . .
21
519
3. Antragsfrist, Antragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
520
4. Instrumente zur Beseitigung von Insolvenzgründen . . . . . .
32
521
5. Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
523
II. Haftung wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht . . . .
44
524
1. Haftung gegenüber Gläubigern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Haftung gegenüber Neugläubigern . . . . . . . . . . . . . . b) Haftung gegenüber Altgläubigern . . . . . . . . . . . . . .
45 46 47
524 524 525
2. Haftung gegenüber Gläubigern aus § 826 BGB . . . . . . . . .
48
525
3. Haftung gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . .
52
526
4. Verschulden, Exkulpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
526
5. Strafrechtliche Haftung, etc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
526
XXX
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Seite
III. Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, insbes. Auszahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
527
1. Auszahlungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
527
2. Beginn des Auszahlungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . .
59
527
3. Auszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unbare Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes . . . . . . bb) Haftungsbewehrte Zahlungspflichten . . . . . . . . c) Fremdgelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. .
60 64
528 528
. . . .
67 68 69 71
529 529 530 530
4. Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . .
72
530
IV. Weitere Haftungsrisiken für die Führungskraft in der Krise .
73
531
1. Verletzung der Krisenvorsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . a) Einberufungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Risikofrüherkennungs- und -überwachungspflichten . . .
74 74 75
531 531 531
2. Haftung wegen Insolvenzverursachung . a) Verstoß gegen Sorgfaltspflichten . . . b) Zahlungen an Gesellschafter . . . . . c) Cash-Management-Systeme . . . . .
. . . .
81 82 86 89
532 532 533 534
V. Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung . . . . . . . . . .
90
534
1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
535
2. Gesellschafterstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
535
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
3. Gesellschaftergleiche Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
535
4. Sanierungs- und Kleinbeteiligtenprivileg . . . . . . . . . . . .
96
536
. . . .
98 99 102 103
536 536 537 538
6. Nutzungsüberlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
104
538
VI. Stellung der Führungskraft in der Insolvenz . . . . . . . . . .
106
538
108 110 115 124
539 539 540 542
128
543
129 133
543 544
5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . b) Gesellschafterbesichertes Drittdarlehen c) Finanzplankredite . . . . . . . . . . . . .
1. Das Insolvenzverfahren im Überblick . a) Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . b) Eröffnetes Insolvenzverfahren . . . c) ESUG-Reform . . . . . . . . . . . .
. . . .
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2. Die Führungskraft bei Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen Geschäftsleiter und leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fortgeltung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse . .
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136
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143
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146 147
546 547
151
548
154
548
4. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter a) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
156 157 159
549 549 549
5. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kündigungsbefugnis für Dienst- und Anstellungsverträge
160 161 162 163
550 550 550 550
6. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
551
7. Führungskraft und starker vorläufiger Insolvenzverwalter a) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dienst- oder Anstellungsverhältnis . . . . . . . . . . .
. . . .
169 170 172 173
551 552 552 552
8. Klagen im Insolvenzeröffnungsverfahren gegen die Kündigung von Dienst- oder Anstellungsvertrag . . . . . . . . . .
174
553
. . . .
175 177 182 184
553 553 554 555
. . . .
186 187 189 191
555 555 555 556
. . . . . . .
192 193 195 198 199 200 201
556 557 557 558 558 558 559
aa) Amtsniederlegung durch Geschäftsleiter . . . . . . . . bb) Kündigung des Dienst- bzw. Anstellungsvertrags durch die Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen der Insolvenzantragstellung auf die Organkompetenzen der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . 3. Führungskraft und vorläufiger Insolvenzverwalter: Die Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftspflicht aller Führungskräfte . . . . . . . . . . . b) Kompetenzenabgrenzung zwischen vorläufigem Insolvenzverwalter und Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Motivation des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Kündigung von Anstellungs- und Dienstverträgen . . . . . . .
. . . .
9. Die Führungskraft im eröffneten Insolvenzverfahren . . . . a) Situation des Geschäftsleiters . . . . . . . . . . . . . . . b) Handlungsempfehlung für Geschäftsleiter . . . . . . . . c) Situation der leitenden Angestellten . . . . . . . . . . . d) Sonderkündigungsrecht für Dienst- und Anstellungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kündigungsschutz, Schadensersatz . . . . . . . . . . e) Sonderfall Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Vergütungsansprüche der Führungskraft . . . . . . a) Anfechtbarkeit erfolgter Vergütungszahlungen aa) Geschäftsleiter . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . b) Vergütungsanspruch als Insolvenzforderung . . aa) Arbeits- oder Altersteilzeitverhältnis . . . . bb) Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
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. . .
202 203 207
559 559 560
.
208
560
.
210
561
.
216
562
. . . .
218 218 219 220
562 562 563 563
12. Insolvenzgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sozialrechtlicher Arbeitnehmerbegriff . . . . . . . . . . . b) Geschützte Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellung einer Führungskraft ohne Insolvenzgeldanspruch
221 223 224 225
564 564 565 565
I. Gesetzlicher Schutz nur für Arbeitnehmer . . . . . . . . . . .
229
566
II. Betriebsübergang: Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . .
231
566
1. Rechtsgeschäftlicher Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . .
231
566
2. Inhaberwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weiterführung der Geschäftstätigkeit . . . b) Gesellschafterwechsel/share deal . . . . . c) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Betrieb und Betriebsteil . . . . . . . . . . . e) Wirtschaftliche Einheit: 7-Punkte-Katalog f) Abgrenzung zur Funktionsnachfolge . . . g) Betriebsstilllegung . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . .
233 233 234 235 236 238 239 240
567 567 568 568 568 569 572 572
III. Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs . . . . . . . . . . . . .
242
572
1. Übergang der Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . .
242
572
2. Kein Übergang von Geschäftsführern und Vorständen . . . .
244
573
c) Vergütungsanspruch als Masseverbindlichkeit . . . . . . aa) Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolge: Vorwegbefriedigung . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall: Masseverbindlichkeiten bei Masseunzulänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vergütungsanspruch als Neumasse- bzw. nachrangige Masseverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aussonderungsrechte, Zurückbehaltungsrechte der Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Sonstige Ansprüche, insbesondere aus betrieblicher Altersversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Führungskraft ist nicht Unternehmer . . . . . . . . . . . b) Führungskraft ist Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
3. Zuordnung zu Betriebsteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
245
573
4. Besitzstandswahrung: Einzelfälle a) Sonderleistungen . . . . . . . b) Aktienoptionen . . . . . . . . c) Personalrabatte . . . . . . . . d) Wettbewerbsverbote . . . . . .
246 246 248 249 251
574 574 574 575 575
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
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Seite
IV. Unterrichtungspflichten und Widerspruchsrecht . . . . . . .
252
576
1. Unterrichtungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252
576
2. Fehlerhafte Unterrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
577
3. Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 5 BGB . . . . . . . . . .
257
577
4. Massenwiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
261
579
V. Besonderheiten bei Unternehmensumwandlungen . . . . . .
262
579
VI. Kündigung und Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . .
266
581
1. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
266
581
2. Kündigung „wegen“ Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . .
267
581
3. Kündigung aus anderen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . .
268
581
VII. Nachteilige Vereinbarungen anlässlich Betriebsübergang . .
269
581
VIII. Sonderkündigungsschutz beim Betriebsübergang . . . . . . .
270
582
IX. Prozessuale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
271
582
X. Wiedereinstellungs-/Vertragsfortsetzungsansprüche . . . . .
272
583
XI. Besonderheiten bei Organ-Führungskräften . . . . . . . . . .
273
583
1. Keine Anwendung § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . .
273
583
2. Vereinbarungen nach Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . .
274
584
3. Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275
584
4. Unternehmensumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
276
584
3
587
Teil 6 Compliance und Datenschutz A. Compliance I. Compliance – Die Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff „Compliance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
588
2. Verpflichtung zum Ergreifen von Compliance-Maßnahmen .
6
588
3. Grundanforderungen an die Compliance-Struktur im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
589
4. Der Compliance-Beauftragte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wann muss ein Compliance-Beauftragter bestellt werden? b) Aufgaben des Compliance-Beauftragten . . . . . . . . . . . c) Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten . . .
11 11 13 19
590 590 590 591
5. Arbeitsrechtliche Umsetzung von Compliance-Regeln . . . .
21
591
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a) Direktionsrecht des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen im Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abschluss von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . .
22 24 26
592 592 593
II. Compliance-Anforderungen im Datenschutz . . . . . . . . .
27
593
1. Datenschutzbestimmungen im Überblick . . . . . . . . . . .
28
593
2. Grundsätze des Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot mit Erlaubnisvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage . . . . . . . . c) Transparenz der Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz der Direkterhebung . . . . . . . . . . . . bb) Umfang der Informationspflichten . . . . . . . . . . cc) Verstoß gegen Informationspflichten bei Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erforderlichkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Datensparsamkeit und -vermeidung . . . . . . . . . . . . f) Zweckbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Pflicht zur Anonymisierung und Pseudonymisierung . . h) Ausblick – Erweiterung der Prinzipien des Datenschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
33 34 36 40 41 42
594 594 595 596 596 596
. . . . .
46 53 57 58 62
596 597 598 598 599
.
64
599
3. Betroffenenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Werbewiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Widerruf einer Einwilligung . . . . c) Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Recht auf Korrektur und Löschung von Daten
. . . . .
65 66 68 71 74
599 600 600 600 601
4. Einschaltung von Dienstleistern – Outsourcing . . . . . . . . a) Auftragsdatenverarbeitung oder Funktionsübertragung? . b) Auftragsdatenverarbeitung – strenge Zulässigkeitsanforderungen beachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 79
602 602
85
603
5. Anforderungen an die Datensicherheit . . . . . . . . . . . . .
89
604
6. Umgang mit Datenpannen – Meldepflichten nach BDSG . . . a) Meldepflicht nach § 42a BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meldepflicht bei Arbeitnehmerdaten . . . . . . . . . . . .
99 99 102
605 605 606
7. Umsetzung der Datenschutz-Vorgaben im Unternehmen . . a) Organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . b) Erlass von Richtlinien/Anweisungen . . . . . . . . . . . . c) Betrieblicher Datenschutzbeauftragter . . . . . . . . . . . aa) Pflicht zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anforderungen an den betrieblichen Datenschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten d) Verfahrensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Organisation von Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . .
103 103 104 110
606 606 607 607
111
608
112 116 122 126
608 609 610 611
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
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f) Vorabkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
129
611
III. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit einzelner ComplianceMaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
130
612
. . . . . . . . . .
131 133 134 136 138 141 142 143 144 145
612 613 613 613 614 614 614 615 615 615
2. Unternehmensinterne Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . a) Befragung von Mitarbeitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Arbeitsrechtliche Fragestellung: Mitwirkungspflicht der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Datenschutzrechtliche Fragestellung . . . . . . . . . . b) Auswertung von Geschäftsunterlagen . . . . . . . . . . . . c) Kontrolle von E-Mails . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbot der Privatnutzung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erlaubte Privatnutzung des E-Mail Accounts im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Mitbestimmungspflicht beachten . . . . . . . . . . . . d) Compliance durch Datenabgleiche . . . . . . . . . . . . . aa) Datenabgleiche unter Verwendung bereits erhobener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Datenabgleiche mit Fremddaten ohne Kenntnis der Betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
147 148
616 616
149 152 158 162 163
616 617 618 619 619
172 178 179
621 622 623
180
623
184
624
I. Verantwortlichkeit von Organen wegen fehlender bzw. unzureichender Compliance-Maßnahmen . . . . . . . . . . .
195
627
1. Innenhaftung von Vorstand und Geschäftsführer . . . . . . .
196
627
2. Der Pflichtenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
198
627
1. Einrichtung von internen Hinweissystemen (Whistleblowing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen . . . . . b) Arbeitsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . c) Datenschutzrechtliche Anforderungen . . . . . . . . aa) Begrenzung des Personenkreises . . . . . . . . . bb) Welche Verstöße dürfen gemeldet werden? . . . cc) Benachrichtigung des Betroffenen . . . . . . . . . dd) Auskunftsanspruch der Betroffenen . . . . . . . ee) Dauer der Aufbewahrung von Meldungen . . . . ff) Ausblick – neues Beschäftigtendatenschutzrecht
. . . . . . . . . .
. . . . . . . . . .
B. Haftungsfragen
3. Pflichtverletzung bei unzureichendem ComplianceManagement? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Privilegierung durch Business Judgement Rule . . . . . . . . a) Rechtmäßige unternehmerische Entscheidung . . . . . . . b) Zum Wohle der Gesellschaft und auf Basis ausreichender Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
202
628
203 204
628 628
206
628
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5. Nachteilige Beweislastregel für das Geschäftsführungsorgan
207
629
6. Reduzierung der Haftungsrisiken durch Delegation . . . . . .
208
629
II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 130, 30 OWiG . .
213
630
1. Adressat der Verpflichtung aus § 130 OWiG . . . . . . . . . .
214
630
2. Anforderungen aus § 130 OWiG . . . . . . . . . . . . . . . . .
216
630
3. Mögliche Strafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
630
III. Ahndung von Verstößen gegen das BDSG – Haftung des Organs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
218
631
IV. Schadensersatzhaftung nach BDSG . . . . . . . . . . . . . . .
222
632
V. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223
632
3
633
Teil 7 Haftung der Führungskräfte A. Zivilrechtliche Haftung I. Konzentration auf die Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . II. Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
635
1. Verschulden bei Vertragsverhandlungen . . . . . . . . . . . .
9
635
2. Außenhaftung nach spezialgesetzlichen Vorschriften . . . . .
11
635
3. Deliktische Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
636
4. Gläubigerzugriff auf die Innenhaftung . . . . . . . . . . . . .
16
638
III. Organhaftung in den verschiedenen Unternehmensphasen .
17
638
1. Gründungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Vorgründungsphase“: Haftung nach allgemeinen Grundsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vor-Gesellschaft: Spezielle Haftungsregelungen . . . . . . aa) Handelndenhaftung, § 11 Abs. 2 GmbHG . . . . . . . bb) Haftung wegen Falschauskunft bei Gründung . . . . . cc) Verdeckte Sacheinlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Haftung für die Nachgründung bei der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
638
18 21 22 36 37
638 640 640 645 645
2. Die Innenhaftung ab Eintragung der Gesellschaft a) Haftungsbegründender Tatbestand . . . . . . aa) Haftungssubjekt: Organ . . . . . . . . . . bb) Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . cc) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
66
654
70 71 71 82 229
655 656 656 659 708 XXXVII
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Seite
IV. Haftungsprivilegierungen und Möglichkeiten der Haftungsfreistellung/Enthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
710
1. Haftungsbeschränkungen im Voraus . . . . . . . . . . . . . .
233
710
2. Nachträgliche Haftungsfreistellung durch die Gesellschaft a) Zuständiges Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arten der nachträglichen Enthaftung . . . . . . . . . . . aa) Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruchsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Generalbereinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . .
238 239 243 245 252 253
711 712 712 713 715 715
3. Ökonomische Entlastung durch Versicherungsschutz . . . .
255
716
4. Haftungsbefreiung durch Befolgung von Weisung oder Beschlüssen: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264
718
5. Arbeitsrechtliche Haftungsprivilegien und Freistellungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
274
720
6. Ressortverteilung als Enthaftungsinstrument: . . . . . . . . .
276
721
7. Business judgement rule als „safe harbour“ . . . . . . . . . .
283
722
8. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
284
723
V. Sonstiges zur Durchsetzung der Innenhaftung . . . . . . . . .
289
724
B. Haftung für Steuern I. Haftung für betriebliche Steuern nach §§ 34, 69, 191 AO . . .
296
726
1. Mittelvorsorgepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
299
727
2. Grundsatz der anteiligen Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . .
300
727
3. Besonderheiten bei einzelnen Steuerarten . . . . . . . . . . . a) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Umsatz in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Haftungspotenziasl nach § 17 UStG . . . . . . . . . . cc) Haftung bei umsatzsteuerlicher Organschaft . . . . . b) Besonderheiten Lohnsteuer und Abzugssteuern . . . . . . aa) Einschränkung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zivilrechtliche und steuerliche Pflichtenkollision in der Krise: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . .
301 301 301 302 304 317
727 727 727 728 728 733
317
733
321 324
734 736
. . . .
326 326
737 737
. . . .
329 330
738 739
4. Verschuldensabhängigkeit und Ermessen nach §§ 34, 69, 191 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifizierter Sorgfaltsverstoß und Auswahlermessen b) Ressortverteilung als steuerliches Enthaftungs- und Ermessensmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Strenge Ressortkriterien . . . . . . . . . . . . . . . XXXVIII
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Inhaltsverzeichnis Rz.
Seite
bb) Im Einzelnen gelten folgende Kriterien . . . . . . . . .
331
739
II. Steueroptimierte Gestaltungen als Entscheidungen i.S.d. business judgement rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
335
740
I. Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
743
1. Rechtsschutzmöglichkeiten im Falle der Abberufung . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klageverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Klageart und Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . bb) Begründetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
2 2 3 5 9
743 743 744 744 745
2. Einstweiliger Rechtsschutz des Organmitglieds . . . . . . . . a) Einstweiliger Rechtsschutz vor dem Abberufungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einstweiliger Rechtsschutz nach dem Abberufungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
746
13
747
16
747
3. Vergütungsklage im Urkundenprozess . . a) Statthaftigkeit des Urkundenprozesses b) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . c) Klageverteidigung . . . . . . . . . . . . d) Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
18 20 23 26 28
748 749 749 750 751
II. Leitende Angestellte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
751
Teil 8 Verfahrensrecht
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
753
XXXIX
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Literaturverzeichnis Art. 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 1/2006 zur Anwendung der EUDatenschutzvorschriften auf interne Verfahren zur Meldung mutmaßlicher Missstände in den Bereichen Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen, Fragen der Wirtschaftsprüfung, Bekämpfung von Korruption, Banken- und Finanzkriminalität, 2006. Art. 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 1/2010 zu den Begriffen „Für die Verarbeitung Verantwortliche“ und „Auftragsverarbeiter“, 2010. Ascheid/Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, 3. Aufl. 2007 Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, 5. Aufl. 2009 Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, 2. Aufl. 2008 Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl. 2008 Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, 4. Aufl. 2011 Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, 2001 Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 34. Aufl. 2010 Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010 Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, 2. Aufl. 2010 Beck’scher Onlinekommentar zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Stand 1.12.2010 Beck’scher Onlinekommentar zum BGB, hrsg. v. Bamberger/Roth, Stand 1.3.2011 Beck’scher Onlinekommentar GmbHG, hrsg. v. Ziemons/Jaeger, Stand 1.2.2011 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2008 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2009 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Jahresbericht 2010 Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, FAQs zur Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten nach § 42a BDSG 2011 Besgen, Handbuch Betriebsverfassungsrecht, 2. Aufl. 2010 Besgen/Prinz, Handbuch Internet. Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009 Besgen, Schwerbehindertenrecht, 2009 Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, 5. Aufl. 2010 Bohnert, OWiG, 3. Aufl. 2010 Brandmüller, Der GmbH-Geschäftsführer im Gesellschafts-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht, 17. Aufl. 2005 Braun, Kommentar Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2007 Bunnemann/Zirngibl, Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Praxis, 2. Aufl. 2011 XLI
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XLV
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Abkürzungsverzeichnis a.A. ABA ABl. abl. Abs. a.E. AEntG a.F. AG AGB AGG AiB AktG a.M. Anh. Anm. AO AP ArbG ArbGG AR-Blattei ArbNErfG ArbPlSchG ArbRB ArbRGegw. ArbSchG ArbStättVO ArbuR ArbZG ARS ARST Art. ASiG ATZG AuA AÜG AUV AVR AZO
anderer Ansicht Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung e.V. Amtsblatt ablehnend Absatz am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz alte Fassung Aktiengesellschaft; Amtsgericht Allgemeinen Geschäftsbedingungen Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Aktiengesetz anderer Meinung Anhang Anmerkung Abgabenordnung Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechtsblattei Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsplatzschutzgesetz Der Arbeits-Rechts-Berater (Zeitschrift) Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeitsschutzgesetz Verordnung über Arbeitsstätten Arbeit und Recht (Zeitschrift) Arbeitszeitgesetz Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Arbeitssicherheitsgesetz Altersteilzeitgesetz Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Auslandsumzugskostenverordnung Arbeitsvertragsrichtlinien Arbeitszeitordnung
BA BaFin BAG
Bundesagentur für Arbeit Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht XLVII
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Abkürzungsverzeichnis
BAGE BAnz. BArbBl. BAT BayObLG BB BBiG Bd. BDSG BeamtVG BEEG bej. BetrAV BetrAVG BetrR BetrVG BFH BGB BGBl. BGH BGHZ BlStSozArbR BMF BNotO BPersVG BR-Drucks. BSG BStBl. BT-Drucks. BUKG BUrlG BuW BVerfG BVerfGE BVerwG BW
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger Bundesarbeitsblatt Bundesangestelltentarifvertrag Bayerisches Oberstes Landesgericht Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) Berufsbildungsgesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Beamtenversorgungsgesetz Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz bejahend Betriebliche Altersversorgung (Zeitschrift) Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung Der Betriebsrat (Zeitschrift) Betriebsverfassungsgesetz Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesnotarordnung Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Bundessteuerblatt Bundestags-Drucksache Bundesumzugskostengesetz Bundesurlaubsgesetz Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Baden-Württemberg
CIC
Change in Control
DB DBA DEVO DGB DrittelbG Drucks. DStR DVO
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Datenerfassungsverordnung Deutscher Gewerkschaftsbund Drittelbeteiligungsgesetz Drucksache Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Durchführungsverordnung
XLVIII
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Abkürzungsverzeichnis
EBRG EFZG EG EGBGB EGV Einl. EStG ESUG
Gesetz über Europäische Betriebsräte Entgeltfortzahlungsgesetz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Einkommensteuergesetz Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Insolvenzverordnung Informationsdienst europäisches Arbeits-und Sozialrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
EU EuGH EuGRZ EuInsVO Euro-AS EuZW EzA EzAÜG FA f., ff. folgende(r); FG FMStFG FMStFV Fn. FS
Fachanwalt Arbeitsrecht (Zeitschrift) fortfolgende Finanzgericht Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes Fußnote Festschrift
GBl. gem. GemSOGB GenG GewArch GewO GewStG GG GK GmbH GmbHG GS GVBl. GVG
Gesetzblatt gemäß Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gemeinschaftskommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH-Gesetz Großer Senat Gesetz-und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz
Halbs. HGB h.L. h.M. HRG
Halbsatz Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Hochschulrahmengesetz XLIX
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Abkürzungsverzeichnis
HwB-AR HzA
Handwörterbuch zum Arbeitsrecht Handbuch zum Arbeitsrecht
i.E. InsO i.S. i.S.d. i.S.v. i.V.m.
im Einzelnen Insolvenzordnung im Sinne im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit
JArbSchG JurBüro JZ
Jugendarbeitsschutzgesetz Das juristische Büro (Zeitschrift) Juristenzeitung
Kap. KAPOVAZ KG KGaA KostO KSchG
Kapitel Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kostenordnung Kündigungsschutzgesetz
LAG LAGE LG Ls. LSG LStDV LStR lt.
Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte Landgericht Leitsatz Landessozialgericht Lohnsteuerdurchführungsverordnung Lohnsteuerrichtlinien laut
MDR MgVG
Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung MiArbG Mindestarbeitsbedingungengesetz MitbestErgG Mitbestimmungsergänzungsgesetz MitbestG Mitbestimmungsgesetz MontanMitbestG Montan-Mitbestimmungsgesetz MTV Manteltarifvertrag MünchArbR Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht MuSchG Mutterschutzgesetz MV Mecklenburg-Vorpommern m.w.N. mit weiteren Nachweisen
NachwG NdsRpfl n.F. NJW NJW-RR
Nachweisgesetz Niedersächsische Rechtspflege (Zeitschrift) neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift)
L
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Abkürzungsverzeichnis
n. rkr. NRW n.v. NZA NZA-RR NZS
nicht rechtskräftig Nordrhein-Westfalen nicht veröffentlicht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht NZA-Rechtsprechungsreport (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Sozialrecht
OECD-MA
OVG OWiG
OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung Oberfinanzdirektion Offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
PflegeZG PSVaG
Pflegezeitgesetz Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit
RdA RdErl. Rdschr. RDV RG Rh.-Pf. RIW rkr. RL Rpfleger RpflG Rspr. Rz. RzK
Recht der Arbeit (Zeitschrift) Runderlass Rundschreiben Recht der Datenverarbeitung (Zeitschrift) Reichsgericht Rheinland-Pfalz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) rechtskräftig Richtlinie Der Deutsche Rechtspfleger (Zeitschrift) Rechtspflegergesetz Rechtsprechung Randziffer Rechtsprechung zum Kündigungsrecht
S. s.a. Sa.-Anh. SAE SARs SCE SCEAG
Seite siehe auch Sachsen-Anhalt Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) stock appreciation rights Europäische Genossenschaft Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Genossenschaft Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) Schleswig-Holstein Europäische Aktiengesellschaft
OFD OHG OLG OLGZ
SCE-VO Schl.-Holst. SE
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Abkürzungsverzeichnis
SEAG
SG SGB SGb SGG SigG SigV SozVers SprAuG SR StGB
Gesetz zur Ausführung der Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer Europäischen Gesellschaft See-Berufsgenossenschaft Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft Sozialgericht Sozialgesetzbuch Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) Sozialgerichtsgesetz Signaturgesetz Signaturverordnung Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Sprecherausschussgesetz (BAT) Sonderregelungen Bundesangestelltentarifvertrag Strafgesetzbuch
TVG TV-L TVöD
Tarifvertragsgesetz Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Tarifvertrag öffentlicher Dienst
u.a. uam. UmwG UrhG Urt. UVV
und andere; unter anderem und andere mehr Umwandlungsgesetz Urheberrechtsgesetz Urteil Unfallverhütungsvorschriften
VermBG VersR VO VOBl. VVG
Gesetz zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer Versicherungsrecht (Zeitschrift) Verordnung Verordnungsblatt Versicherungsvertragsgesetz
WM
Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift)
ZfA ZfS
Zeitschrift für Arbeitsrecht Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe und Versorgung (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Tarifrecht zustimmend
SEBG SEEBG SE-VO
ZIP ZPO ZTR zust.
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Teil 1 Grundlagen und Einführung A. Allgemeines I. Begriff der Führungskraft Der Begriff der Führungskraft ist kein Rechtsbegriff, sondern entstammt ursprünglich der Organisationstheorie. Eine Führungskraft bezeichnet dort eine Person, die Führungsaufgaben in einer Organisation (etwa einem Unternehmen) wahrnimmt, wobei es sich bei der Führung um eine von mehreren Aufgaben wie zum Beispiel Planung, Organisation und Kontrolle handelt1. Für den Rechtsanwender zeichnet diese Aufgabenbeschreibung die rechtlichen Kategorien vor, in denen es zu denken gilt. Führungskräfte sind Personen, die leitende Aufgaben innehaben.
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II. Arten von Führungskräften Es kann sich bei den so definierten Führungskräften um Organwalter (zum Beispiel Geschäftsführer, Vorstände) handeln, aber auch um leitende Angestellte, die zwar leitende Funktionen übernehmen, dabei aber Arbeitnehmer sind. Sowohl die Organwalter als auch die leitenden Angestellten lassen sich in weitere Untergruppen teilen.
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1. Organwalter Die erste Gruppe von Führungskräften umfasst die sog. Organwalter, also Personen, die das Amt eines Organs einer juristischen Person (etwa AG, KGaA oder GmbH) oder Gesamthandsgemeinschaft (etwa OHG, KG) innehaben. Der Fokus der folgenden Ausführungen liegt bei den juristischen Personen und hier insbesondere bei den GmbH-Geschäftsführern als für die Praxis wichtigste Personengruppe2 unter den Organwaltern. Neben den Geschäftsführern einer GmbH zählen zu der Gruppe der Organwalter ferner die Vorstände einer AG bzw. KGaA sowie die Mitglieder des obligatorischen Aufsichtsrates dieser Gesellschaften. Besitzt eine GmbH kraft der gesetzlichen Mitbestimmung (z.B. § 1 DrittelbG, § 6 MitbestG) oder aufgrund satzungsmäßiger Gestaltung (§ 52 GmbHG) einen Aufsichtsrat, sind auch dessen Mitglieder Organwalter. Besonderheiten gelten für die Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea, 1 Vgl. zu dieser Definition Staehle, Management, 7. Aufl. 1994, S. 1 ff.; Ulrich/Fluri, Management, 7. Aufl. 1995, S. 1 ff. Aus rechtlicher Sicht Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, 2006, § 1 Rz. 4 ff. 2 Während es in Deutschland nur rund 17 000 AG/KGaA/SE gibt, vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2010, R-283 f., liegt die Zahl der GmbH bei etwa einer Million, vgl. Wicke, GmbHG, 2008, Einl. Rz. 1.
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Teil 1 Rz. 4
Einführung
SE). Diese kann nach Wahl des Satzungsgebers (Art. 38 Buchst. b SE-VO1) entweder über eine dualistische Strukturverfassung bestehend aus Leitungsorgan und Aufsichtorgan wie eine deutsche AG oder über eine monistische Strukturverfassung bestehend aus einem Verwaltungsrat wie in der britischen Ltd. verfügen. Den Mitgliedern des Vorstands entsprechen in einer dualistisch verfassten SE funktional die Mitglieder des Leitungsorgans und den Aufsichtsratsmitgliedern funktional die Mitglieder des Aufsichtsorgans. In der monistisch verfassten SE entsprechen die geschäftsführenden Direktoren (vgl. § 40 SEAG) funktional den Mitgliedern des Vorstandes und die nicht geschäftsführenden Direktoren funktional den Mitgliedern des Aufsichtsrats.
2. Leitende Angestellte 4
Nicht das Amt eines Organs einer juristischen Person bekleiden die leitenden Angestellten. Diese sind vielmehr Arbeitnehmer, denen teilweise Arbeitgeberfunktionen übertragen sind. Leitende Angestellte können, müssen aber nicht zugleich außertarifliche Angestellte („AT-Angestellte“) sein2. Für leitende Angestellte sieht der Gesetzgeber teilweise Sondervorschriften im Vergleich zu den „normalen“ Arbeitnehmern vor. Einen allgemeingültigen Gesetzesbegriff des leitenden Angestellten gibt es nicht3. Die leitenden Angestellten entziehen sich daher einer abschließenden, trennscharfen Definition. Ein leitender Angestellter muss auch nicht zwingend eine Führungskraft sein. Die Entscheidung darüber, ob ein leitender Angestellter eine Führungskraft ist oder nicht, liegt bei dem Arbeitgeber bzw. der Unternehmensleitung.
a) Betriebsverfassungsgesetz 5
Sondervorschriften für leitende Angestellte finden sich etwa im BetrVG. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG findet dieses keine Anwendung auf leitende Angestellte. Diese besitzen betriebliche Mitwirkungsrechte dafür nach Maßgabe des SprAuG. § 5 Abs. 3 und 4 BetrVG gelten über die Verweisungen in § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 1 Abs. 1 SprAuG und § 3 Abs. 3 MitbestG auch für die Anwendungsbereiche dieser Gesetze.
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Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (Nr. 1) oder Generalvollmacht oder Prokura (vgl. §§ 48 ff. HGB sowie unten Rz. 125 f.) hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist (Nr. 2) oder regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst (Nr. 3). 1 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. Nr. L-294 v. 10.11.2001, S. 1 ff. 2 Vgl. Richardi in: MünchHdbArbR, 3. Aufl. 2009, § 19 Rz. 71. 3 Richardi in: MünchHdbArbR, 3. Aufl. 2009, § 19 Rz. 5.
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Rz. 9 Teil 1
Allgemeines
§ 5 Abs. 4 BetrVG bestimmt, dass leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG1 im Zweifel2 ist, wer aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung3 den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist (Nr. 1), einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind (Nr. 2), ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist (Nr. 3), oder, falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV4 überschreitet (Nr. 4)5.
7
Leitende Angestellte werden vom Anwendungsbereich des BetrVG ausgenommen, weil sie teilweise Arbeitgeberfunktionen ausüben und deshalb dem Einfluss des Betriebsrates entzogen werden sollen6. Wenn ein Angestellter mehreren Betrieben eines Unternehmens angehört, kann sein Status bei der Wahrnehmung unternehmerischer Aufgaben nur einheitlich beurteilt werden7. Die Abgrenzung ist für das BetrVG zwingend und kann weder durch Einzelarbeitsnoch durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung geändert werden8. Die Nrn. 1 bis 3 enthalten unterschiedliche Arbeitgeberfunktionen, deren zugrunde liegende unternehmerische Aufgaben gleichwertig sind9. Während die Nrn. 1 und 2 an bestimmte Formen und Arten der Bevollmächtigung anknüpfen, stellt Nr. 3 als Auffangtatbestand auf die konkrete Funktion des Angestellten ab. Dieser muss die Funktion faktisch ausüben und sie muss ihm willentlich übertragen sein, um ihn der Nr. 3 subsumieren zu können10.
8
Für die Anwendung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG muss die Berechtigung zur selbständigen Einstellung und Entlassung nicht nur im Außen-, sondern
9
1 Die Vermutung gilt also nicht für Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2. 2 Zur dogmatischen Einordnung der Zweifelsregelung Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 5 Rz. 377 ff.; Richardi in: Richardi, BetrVG, 12. Aufl. 2009, § 5 Rz. 227 f.; Hromadka, BB 1990, 57, 62; Martens, RdA 1989, 73, 83; Müller, DB 1988, 1697, 1699 ff. 3 Die Entscheidung erfolgt durch Beschluss im Statusverfahren, vgl. §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 80 ff. ArbGG. 4 § 18 Abs. 1 SGB IV lautet: „Bezugsgröße i.S.d. Vorschriften für die Sozialversicherung ist, soweit in den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag.“ Bestimmt wird die Bezugsgröße nach § 17 Abs. 2 SGB IV durch Rechtsverordnung des BMAS, s. für 2011 „Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2010 (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2011)“ v. 3.12.2010, BGBl. I, S. 1761 (2011: jährlich 30 660 Euro). 5 Zum Ganzen Richardi in: Richardi, BetrVG, 12. Aufl. 2009, § 5 Rz. 185 ff.; monographisch Leese, Die Abgrenzung der leitenden Angestellten, 1999 passim. 6 BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57. Dieser „Gegnerbezug“ ist aber nur Auslegungshilfe, BAG v. 23.1.1986 – 6 ABR 51/81, BAGE 51, 1 = NZA 1986, 484, 485. 7 BAG v. 25.10.1989 – 7 ABR 60/88, BAGE 63, 200 = NZA 1990, 820. 8 BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57. 9 BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57. 10 BAG v. 11.3.1982 – 6 AZR 136/79, DB 1982, 1990 = BB 1982, 1729, 1730 und BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57.
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Teil 1 Rz. 10
Einführung
auch im Innenverhältnis zum Arbeitgeber vorliegen1. Der leitende Angestellte muss dem Arbeitgeber gegenüber im Wesentlichen frei von Weisungen über Einstellung und – anders als bei § 14 KSchG (unten Rz. 15) kumulativ – Entlassung entscheiden können2. Es schadet jedoch nicht, wenn der Angestellte Richtlinien und Budgets zu beachten hat oder Zweitunterschriften einholen muss, die lediglich der Richtigkeitskontrolle dienen und seine Entscheidungsbefugnis nicht einschränken3. Bezieht sich die Befugnis zu Einstellungen und Entlassungen auf eine vergleichsweise geringe Zahl von Arbeitnehmern, muss sie sich jedenfalls auf eine abgeschlossene Gruppe von Arbeitnehmern erstrecken, deren Tätigkeit ein für das Unternehmen bedeutsames Aufgabengebiet zugrunde liegt4. 10
§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG knüpft demgegenüber an besondere Arten der Vollmacht an, nämlich die Prokura (§§ 48 ff. HGB) und die Generalvollmacht (dazu unten Rz. 125 f.). Deshalb kann die alleinige Erteilung einer Handlungsvollmacht die Tatbestandsmerkmale der Nr. 2 nicht erfüllen5. Leitender Angestellter ist darüber hinaus nur, wer im Verhältnis zum Arbeitgeber von den mit der Generalvollmacht oder der Prokura begründeten Befugnissen in jedenfalls nicht unbedeutendem Umfang Gebrauch machen darf. Deshalb ist leitender Angestellter nicht, wer im Innenverhältnis gehalten ist, von der Prokura keinen (selbständigen) Gebrauch zu machen (Titularprokurist)6. Prokuristen, die ausschließlich Stabsfunktionen wahrnehmen, sind keine leitenden Angestellten nach Nr. 27.
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§ 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG enthält einen Auffangtatbestand und stellt auf die konkrete Funktion des Arbeitnehmers ab. Leitende Angestellte i.S.d. Nr. 3 müssen nach der Art ihrer Tätigkeit und der Bedeutung ihrer Funktion der Unternehmensleitung nahe stehen8. Diese Aufgaben müssen mit den in Nr. 1 und 2 genannten gleichwertig sein9. Die Wahrnehmung der Aufgaben i.S.v. Nr. 3 muss der Tätigkeit des Arbeitnehmers ihr Gepräge geben10. Werden dem Angestellten uneingeschränkt Leitungsaufgaben übertragen, kann er schon während der Probezeit leitend sein11.
12
Bejaht hat die Rechtsprechung den Status eines leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG für einen Wirtschaftsprüfer, der in einer Wirtschaftsprü1 2 3 4 5
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BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57. BAG v. 11.3.1982 – 6 AZR 136/79, DB 1982, 1990 = BB 1982, 1729, 1730. BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57. BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, DB 2008, 590. BAG v. 10.4.1991 – 4 AZR 479/90, NZA 1991, 857 = DB 1991, 2447; Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 5 Rz. 351 m.w.N. LAG Mainz v. 20.1.1981 – 3 TaBV 15/80, DB 1981, 899; Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 5 Rz. 350. BAG v. 11.1.1995 – 7 ABR 33/94, BAGE 79, 80 = NZA 1995, 747. BAG v. 29.1.1980 – 1 ABR 45/79, BAGE 32, 381 = BB 1980, 1374. BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = NZA 2003, 56, 57; s. auch BTDrucks. 11/2503 S. 30. BAG v. 25.10.1989 – 7 ABR 60/88, BAGE 63, 200 = BB 1990, 1700; s. auch BAG v. 23.1.1986 – 6 ABR 22/82, BAGE 51, 19 = NZA 1986, 487. BAG v. 25.3.1976 – 1 AZR 192/75, DB 1976, 1064 = BB 1976, 743.
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Rz. 13 Teil 1
Allgemeines
fungsgesellschaft als Prüfungsleiter und Berichtskritiker angestellt ist1, einen Angestellten einer Luftfahrtgesellschaft, der für die Flugsicherheit verantwortlich ist2, einen Grubenfahrsteiger im Bergbau3, einen Hauptabteilungsleiter mit erheblichem Entscheidungsspielraum bei Verkaufsverhandlungen4, einen Leiter der Abteilung Unternehmensplanung5, einen Leiter einer wissenschaftlichen Forschungsabteilung in einem Unternehmen6, einen Chefarzt (vgl. auch § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG)7, einen Leiter der Revisionsabteilung mit Entscheidungsbefugnissen, an denen die Unternehmensleitung nicht vorbeigehen kann8, einen Bereichsleiter für das Automatenspiel einer Spielbank, sofern er Personalkompetenzen besitzt, die auch für das Gesamtunternehmen von Bedeutung sind9, die Ressortleiter einer Tageszeitung10, einen Leiter des Ausbildungswesens11, einen Chefpiloten mit Personalverantwortung für 250 Angestellte12, einen Abteilungsleiter des TÜV13. Verneint wurde der Status des leitenden Angestellten durch die Rechtsprechung bei einem Hauptabteilungsleiter eines von zwanzig Büros eines Unternehmens, sofern diesem nur eine Weisungen mittelnde Funktion zukommt14, einem Abteilungsleiter der mechanischen Fertigung sowie des Rechnungswesens eines Maschinenbauunternehmens15, einem Supermarktleiter, dem die Angebotspreise von der Handelskette vorgeschrieben werden16, einem Betriebsarzt17, einem Chefarzt, der nur eine untergeordnete Personalkompetenz besitzt18, einem Zentraleinkäufer eines Warenhausunternehmens mit beschränktem Warensortiment19, einem Produktionsleiter in der Kraftfahrzeugindustrie20, einen Verkaufs-
1 BAG v. 28.1.1975 – 1 ABR 52/73, BAGE 27, 13 = DB 1975, 1034; s. auch § 45 Satz 2 WPO. 2 BAG v. 8.2.1977 – 1 ABR 22/76, DB 1977, 1146 = WM 1977, 1066. 3 BAG v. 19.11.1974 – 1 ABR 50/73, BAGE 26, 358 = BB 1975, 326; a.A. BAG v. 23.1.1986 – 6 ABR 22/82, BAGE 51, 19 = NZA 1986, 487. 4 BAG v. 1.6.1976 – 1 ABR 118/74, DB 1976, 1819. 5 BAG v. 17.12.1974 – 1 ABR 105/73, BB 1975, 787 = DB 1975, 1032. 6 BAG v. 10.2.1976 – 1 ABR 61/74, BB 1976, 839. 7 LAG v. Köln 20.11.1990 – 9 Sa 452/90, n.v., dazu Dahm/Lück, MedR 1992, 1; a.A. BAG v. 5.5.2010 – 7 ABR 97/08; BAG 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, DB 2008, 590 = GesR 2008, 210; LAG Hamm v. 10.10.2008 – 10 TaBV 24/08, AuA 2009, 114; LAG Hessen v. 31.7.2008 – 9 TaBV 267/07. 8 BAG v. 25.3.2009 – 7 ABR 2/08, DB 2009, 1825 = NJW 2010, 313. 9 BAG v. 16.4.2002 – 1 ABR 23/01, BAGE 101, 53 = DB 2002, 2113. 10 BAG v. 22.2.1994 – 7 ABR 32/93. 11 BAG v. 8.2.1977 – 1 ABR 22/76, DB 1977, 1146 = WM 1977, 1066. 12 BAG v. 25.10.1989 – 7 ABR 60/88, BAGE 63, 200 = BB 1990, 1700. 13 BAG v. 25.10.1989 – 7 ABR 60/88, BAGE 63, 200 = BB 1990, 1700. 14 BAG v. 19.11.1974 – 1 ABR 20/73, BAGE 26, 345 = BB 1975, 279. 15 BAG v. 17.12.1974 – 1 ABR 131/73, BAGE 26, 403 = BB 1975, 604; BAG v. 17.12.1974 – 1 ABR 113/73, BB 1975, 606 = DB 1975, 889. 16 BAG v. 19.8.1975 – 1 AZR 613/74, BAGE 27, 230 = DB 1975, 2138. 17 LAG Baden-Württemberg v. 31.3.1977 – 7 TaBV 11/76, DB 1978, 497 = BB 1978, 499. 18 BAG v. 5.5.2010 – 7 ABR 97/08; BAG v. 10.10.2007 – 7 ABR 61/06, DB 2008, 590 = GesR 2008, 210. 19 BAG v. 25.10.2001 – 2 AZR 358/00, DB 2002, 746. 20 BAG v. 15.3.1977 – 1 ABR 86/76, juris.
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Teil 1 Rz. 14
Einführung
leiter in der Niederlassung eines Automobilherstellers1, bei Piloten und Kopiloten2.
b) Kündigungsschutzgesetz 14
Auch § 14 KSchG verwendet den Begriff des leitenden Angestellten. Nach § 14 Abs. 1 KSchG gelten die Vorschriften des 1. Abschnitts des Gesetzes nicht für Organwalter (s. unten Rz. 68)3. Auf Geschäftsführer, Betriebsleiter und ähnliche leitende Angestellte, soweit diese zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind, finden die Vorschriften des 1. Abschnitts mit Ausnahme des § 3 KSchG (Kündigungseinspruch beim Betriebsrat) nach § 14 Abs. 2 KSchG Anwendung. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG (gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung auf Antrag des Arbeitgebers) findet hier mit der Maßgabe Anwendung, dass der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung bedarf.
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Aus § 14 Abs. 2 KSchG folgt, dass es sich auch bei den leitenden Angestellten i.S. dieser Vorschrift um Arbeitnehmer handelt. „Geschäftsführer“ (nicht im technischen Sinne der §§ 6, 35 GmbHG – der GmbH-Geschäftsführer wird von § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG erfasst)4 und Betriebsleiter5 werden exemplarisch genannt6. Der Begriff des leitenden Angestellten i.S.d. KSchG ist nicht identisch mit dem nach dem BetrVG. Anders als § 5 Abs. 3 BetrVG (oben Rz. 9) lässt § 14 Abs. 2 KSchG alternativ die Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis genügen7. Andererseits muss es sich bei den leitenden Angestellten des KSchG um Geschäftsleiter, Betriebsleiter oder ähnliche Angestellte handeln. Insofern ist § 14 Abs. 2 KSchG tendenziell enger gefasst als § 5 Abs. 3 BetrVG. Es kann daher der Fall auftreten, dass ein Arbeitnehmer leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG, nicht aber i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG ist. Bei der Statusbestimmung sollte im ersten Schritt von dem weiteren Begriff des BetrVG ausgegangen werden, um in einem zweiten Schritt die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG zu prüfen. Erforderlich für die Qualifikation als leitender Angestellter i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG ist jedenfalls, dass die Tätigkeit faktisch ausgeübt wird. Ein über längere Zeit freigestellter Arbeitnehmer kann nicht leitend i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG sein8.
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Der leitende Angestellte i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG muss – nicht kumulativ – maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, or1 BAG v. 15.3.1977 – 1 ABR 86/76, juris. 2 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 447/92, DB 1994, 2504. 3 Für GmbH-Geschäftsführer kann die Anwendung des KSchG vertraglich vereinbart werden, BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, DB 2010, 1518 = ZIP 2010, 1288. 4 Rost in: KR-KSchG, 9. Aufl. 2009, § 14 Rz. 27. 5 Dazu BAG v. 28.9.1961 – 2 AZR 428/60, BAGE 11, 278 = DB 1961, 1651; BAG v. 25.11.1993 – 2 AZR 517/93, BAGE 75, 153 = NZA 1994, 837. 6 ErfK/Kiel, 11. Aufl. 2011, § 14 KSchG Rz. 9; Rost in: KR-KSchG, 9. Aufl. 2009, § 14 Rz. 27. 7 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, BAGE 96, 95 = DB 2001, 652. 8 ArbG München v. 26.8.2004 – 28 Ca 12794/03, NZA-RR 2005, 194; ErfK/Kiel, 11. Aufl. 2011, § 14 KSchG Rz. 9.
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Rz. 17 Teil 1
Allgemeines
ganisatorische, personelle oder wirtschaftliche Führung des Unternehmens oder eines Betriebs ausüben1. Auf bestimmte Einkommensgrenzen oder darauf, auf welcher Leitungsebene im Unternehmen die Tätigkeit ausgeübt wird, kommt es nicht an2. Alle leitenden Angestellten i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG müssen darüber hinaus alternativ entweder zur selbständigen Einstellung oder zur Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sein3. Die Befugnis muss im Innenund im Außenverhältnis bestehen. Dass der leitende Angestellte eine Zweitunterschrift zu Kontrollzwecken einholen muss, steht nicht entgegen4. An einer selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG fehlt es, wenn diese dem Angestellten nur im Innenverhältnis, nicht aber im Außenverhältnis zusteht5, zum Beispiel weil die Zustimmung der Geschäftsführung erforderlich ist6. Umgekehrt genügt die Außenvollmacht nicht, wenn im Innenverhältnis die Vertretungsbefugnis fehlt7. Es genügt für die Anwendung des § 14 Abs. 2 KSchG, wenn der unternehmerische Aufgaben wahrnehmende Angestellte in einer Betriebsabteilung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist8. Die Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen9. Es kann aber die Personalverantwortung für eine vergleichsweise kleine Gruppe von Personen genügen, wenn diese Personen ihrerseits zu Einstellungen oder Entlassungen berechtigt sind10. Bejaht hat die Rechtsprechung den Status eines leitenden Angestellten für den Leiter der Planungsabteilung und Vertreter des Inhabers eines Architekturbüros11, den Leiter des zentralen Marketings eines Unternehmens mit wenigstens 2 000 Mitarbeitern und Personalkompetenz gegenüber qualitativ bedeutenden Mitarbeitern12.
1 BAG v. 25.11.1993 – 2 AZR 517/93, BAGE 75, 153 = NZA 1994, 837; Rost in: KRKSchG, 9. Aufl. 2009, § 14 Rz. 27. 2 BAG v. 23.1.1986 – 6 ABR 51/81, BAGE 51, 1 = DB 1986, 1131. 3 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, BAGE 96, 95 = DB 2001, 652; BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, DB 2002, 1163 = NZA 2002, 1277; kritisch Hromadka in: Festschrift 50 Jahre BAG 2004, 2004, S. 395, 402. 4 BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, DB 2002, 1163 = NZA 2002, 1277; LAG Köln v. 14.10.2005 – 11 Sa 362/05, AE 2007, 157; v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 14. Aufl. 2007, § 14 Rz. 28. 5 BAG v. 18.11.1999 – 2 AZR 903/98, DB 2000, 830 = NZA 2000, 427; ebenso LAG Niedersachsen v. 8.1.2004 – 7 Sa 219/03, NZA-RR 2004, 524. 6 Vgl. auch LAG Mainz v. 17.12.2009 – 11 Sa 263/09. 7 BAG v. 11.3.1982 – 6 AZR 136/79, DB 1982, 1990 = BB 1982, 1729. 8 BAG v. 28.9.1961 – 2 AZR 428/60, BAGE 11, 278 = DB 1961, 1651; Rost in: KRKSchG, 9. Aufl. 2009, § 14 Rz. 29. 9 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, BAGE 96, 95 = DB 2001, 652; BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 598/01, DB 2003, 506. 10 BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, DB 2002, 1163 = NZA 2002, 1277. 11 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 598/01, DB 2003, 506, im konkreten Fall wurde die Leitungsfunktion aber nicht mehr ausgeübt. 12 BAG v. 27.9.2001 – 2 AZR 176/00, DB 2002, 1163 = NZA 2002, 1277.
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Teil 1 Rz. 18 18
Einführung
Verneint wurde der Status des leitenden Angestellten etwa für einen ehemaligen Vorstandsassistenten und späteren Organisationsleiter ohne Personalkompetenz1.
c) Arbeitsgerichtsgesetz 19
Eine eigenständige Definition des leitenden Angestellten enthält schließlich § 22 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG. Danach können zu ehrenamtlichen Richtern aus Kreisen der Arbeitgeber auch berufen werden Geschäftsführer, Betriebsleiter oder Personalleiter, soweit sie zur Einstellung von Arbeitnehmern in den Betrieb berechtigt sind, oder Personen, denen Prokura oder Generalvollmacht erteilt ist.
III. Allgemeine Gemeinsamkeiten und Unterschiede 20
Ohne den folgenden Ausführungen vorgreifen zu wollen, lassen sich manche Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Arten von Führungskräften ausmachen: Sie alle üben zumindest partiell Arbeitgeberfunktionen aus und verfügen über eine eigenverantwortliche Entscheidungsgewalt. Sie stehen auf einer höherrangigen Leitungsebene und sind im Innen- wie auch im Außenverhältnis zur Vertretung des Geschäftsherrn berechtigt. Gleichzeitig bestehen aber auch gravierende Unterschiede: So sind die leitenden Angestellten Arbeitnehmer, während die Organwalter in aller Regel aufgrund eines Dienstvertrages und ihrer Organstellung tätig werden. Leitende Angestellte (§ 106 GewO) und Geschäftsführer (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG) sind an Weisungen ihres Arbeitgebers bzw. Dienstherrn gebunden, während der Vorstand weisungsunabhängig agiert (§ 76 Abs. 1 AktG). Wesentliche Unterschiede bestehen auch im Bereich der Haftung: Wo der leitende Angestellte nach den §§ 280 ff. BGB und ggf. den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs haftet, bestehen für Geschäftsführer (§§ 43, 64 GmbHG) und Vorstände (§ 93 AktG) Sondervorschriften. Bedeutsame Unterschiede bestehen schließlich bei der Anwendung des Arbeitsrechts und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften.
1 BAG v. 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, BAGE 96, 95 = DB 2001, 652.
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B. „Charakterisierung“ der Führungskräfte Diese Gemeinsamkeiten und Unterschiede sollen im folgenden Abschnitt genauer herausgearbeitet und erläutert werden.
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I. Geschäftsführer Zu beginnen ist dabei mit dem GmbH-Geschäftsführer, der der Gruppe der Organwalter zuzuschlagen ist. Angesprochen werden in diesem Abschnitt der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdgeschäftsführung, sowie zwischen Anstellungs- und Organverhältnis, die Frage der Weisungsgebundenheit, die Zuständigkeiten und Befugnisse des Geschäftsführers, die Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts sowie Fragen der Haftung.
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1. Eigen- und Fremdgeschäftsführung Ein strukturprägendes Element aller Kapitalgesellschaften ist die Möglichkeit der Fremdgeschäftsführung oder Fremdorganschaft. So wird die Geschäftsführung durch eine Person bezeichnet, die nicht zugleich Gesellschafter ist1. Während alle Gesamthandsgemeinschaften zwingend eine Eigengeschäftsführung – also die Geschäftsführung durch einen Gesellschafter – vorsehen (§ 709 Abs. 1 BGB, §§ 114 Abs. 1, 161 Abs. 2, 164 HGB), ist in der GmbH sowohl die Geschäftsführung durch einen Außenstehenden als auch durch einen Gesellschafter zulässig (§ 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). In jedem Fall muss der Geschäftsführer aber eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein (§ 6 Abs. 2 GmbHG). Die Eigengeschäftsführung bietet sich vor allem in der Einpersonengesellschaft an (vgl. § 35 Abs. 3 GmbHG), kann aber auch in Familienbetrieben oder sonstigen „personalistisch“ verfassten Gesellschaften von Vorteil sein. Die Fremdgeschäftsführung bietet demgegenüber vor allem die Möglichkeit, externe Expertise anzuwerben. In der Regel die einzig zulässige Form der Geschäftsführung bildet sie daneben auch in Konzernstrukturen, bei denen die Konzernspitze als nicht natürliche Person als Geschäftsführerin der Konzerngesellschaften wegen § 6 Abs. 2 GmbHG ausscheidet. Das Gesetz behandelt in der GmbH den Eigen- und den Fremdgeschäftsführer grundsätzlich gleich. Eine Ausnahme bildet nur § 35 Abs. 3 GmbHG für den Eigengeschäftsführer der Einpersonengesellschaft. Dieser unterliegt den Beschränkungen des § 181 BGB, soweit ihm nichts anderes gestattet ist (unten Rz. 55) und muss zwischen ihm und der Gesellschaft getätigte Geschäfte unverzüglich protokollieren. Die Vorschrift soll Vermögensverschiebungen zu Lasten der Gläubiger der Gesellschaft entgegenwirken, nimmt ihren Ursprung aber nicht in der Eigengeschäftsführung als solcher, sondern in dem Umstand, dass sich alle Geschäftsanteile in der Hand eines Gesellschafters befinden.
1 Vgl. Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 6 Rz. 2.
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Teil 1 Rz. 24
Einführung
2. Anstellungs- und Organverhältnis 24
Wichtiger als die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdgeschäftsführung ist die Unterscheidung zwischen der Organstellung des Geschäftsführers und seiner persönlichen Position, die durch den Anstellungsvertrag geregelt wird.
a) Bestellung und Anstellung 25
Nach heute ganz h.M. begründen die Bestellung des Geschäftsführers und seine Anstellung zwei getrennte Rechtsverhältnisse (Trennungstheorie)1. Hierfür spricht insbesondere die Regelung in § 38 Abs. 1 GmbHG, wonach die Bestellung der Geschäftsführer zu jeder Zeit widerruflich ist, unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen. Durch die Bestellung des Geschäftsführers wird er zum Organwalter, es entsteht das Organverhältnis. Unmittelbar aus dem Bestellungsakt ergeben sich gesetzlich definierte Rechtsfolgen. Demgegenüber wird das Anstellungsverhältnis durch einen Vertrag zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer begründet. Dieser Anstellungsvertrag regelt die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers in Bezug auf seine persönliche Stellung.
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Trotz der vorherrschenden Trennungstheorie stehen Organstellung und Anstellungsvertrag nicht unverbunden nebeneinander. Nicht nur orientiert sich der Inhalt des Anstellungsvertrages an der Organstellung des Geschäftsführers. Vielmehr soll die Kündigung des Anstellungsvertrages nach h.L. im Zweifel auch den Widerruf der Bestellung umfassen2. Umgekehrt soll nach h.L. ein Widerruf der Bestellung jedenfalls dann zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses berechtigen, wenn die Abberufung aus wichtigem Grund erfolgte3. Liegt ein solcher wichtiger Grund nicht vor, hat die Abberufung auf den Fortbestand des Anstellungsverhältnisses jedoch grundsätzlich keinen Einfluss (§ 38 Abs. 1 Halbs. 2 GmbHG)4. Der Geschäftsführer kann aber gehalten sein, bis zum Ablauf seines Anstellungsvertrages eine andere leitende Stellung im Unternehmen zu übernehmen5. Im Anstellungsvertrag kann auch festgelegt werden, dass die Abberufung als ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages gilt (Koppelungsklausel)6.
1 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289; BGH 28.5.1990 – II ZR 245/89, NJW-RR 1990, 1123, 1124; BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/98, NJW 1999, 3263; BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, 6. Aufl. 2009, § 6 Rz. 38; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, Anh. § 6 Rz. 1. 2 Wicke, GmbHG, 2008, § 38 Rz. 13; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 38 Rz. 7; zurückhaltend BGH v. 21.9.1981 – II ZR 104/80, BGHZ 81, 311 = NJW 1982, 383. 3 Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 38 Rz. 13; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 38 Rz. 5. 4 Vgl. auch BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, DB 2002, 2705 = NJW 2003, 351. 5 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, DB 2002, 2273 = GmbHR 2003, 109. 6 OLG Hamm v. 20.11.2006 – 8 U 217/05, GmbHR 2007, 442; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 38 Rz. 13.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 28 Teil 1
b) Organverhältnis Das Organverhältnis besteht kraft Gesetzes und beschreibt die Rechte und Pflichten des Geschäftsführers, die ihm kraft Amtes zukommen. Die GmbH muss nach § 6 Abs. 1 GmbHG einen oder mehrere Geschäftsführer haben (notwendiges Organ). Die Zahl kann beliebig bestimmt werden, sofern sich nicht aus § 33 MitbestG, § 13 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG die Notwendigkeit ergibt, einen Arbeitsdirektor zu bestellen1. Der Geschäftsführer ist – anders als die GmbH selbst (§ 6 Abs. 2 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG) – kraft seiner Organstellung weder Kaufmann i.S.d. § 1 HGB2 noch Unternehmer i.S.d. § 14 BGB3.
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aa) Persönliche Eignung Geschäftsführer kann nach § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige (§§ 104 ff. BGB) Person sein. Geschäftsführer kann nach § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG nicht sein, wer als Betreuter bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) unterliegt (Nr. 1), aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben darf, sofern der Unternehmensgegenstand ganz oder teilweise mit dem Gegenstand des Verbots übereinstimmt (Nr. 2), sowie für die Dauer von fünf Jahren ab Rechtskraft (§§ 314, 341 StPO) des Urteils, wer wegen einer oder mehrerer der in Nr. 3 genannten Katalogstraftaten verurteilt worden ist, sofern diese vorsätzlich begangen wurden. Dabei wird die Zeit nicht mit eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Dies gilt nach § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit den in Satz 2 Nr. 3 genannten Taten vergleichbar ist4. Ob die Bestellung eines Ausländers zulässig ist, wenn er keine jederzeitige Einreiseerlaubnis besitzt, wird in der Rechtsprechung noch unterschiedlich beurteilt5. Der Gesellschaftsvertrag kann weitere persönliche Anforderungen an den Geschäftsführer stellen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs. 2 GmbHG hat die Nichtigkeit der Bestellung des Geschäftsführers zur Folge6. 1 2 3 4 5
Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 6 Rz. 2. BGH v. 29.2.1996 – IX ZR 153/95, BGHZ 132, 119 = NJW 1996, 1467, 1468. BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431. S. dazu Gehrlein, Der Konzern 2007, 771, 793. Bejahend OLG Frankfurt v. 12.11.2010 – 20 W 370/10, juris; OLG München v. 17.12.2009 – 31 Wx 142/09, GmbHR 2010, 210; OLG Düsseldorf v. 16.4.2009 – I-3 Wx 85/09, 3 Wx 85/09, GmbHR 2009, 776 , jeweils unter Verweis auf das MoMiG; zuvor schon OLG Dresden v. 5.11.2002 – 2 U 1433/02, GmbHR 2003, 537 = NZG 2003, 628 unter Verweis auf moderne Telekommunikationsmittel, verneinend OLG Celle v. 2.5.2007 – 9 W 26/07, NZG 2007, 634 = NJW-RR 2007, 1679; OLG Hamm v. 9.8.1999 – 15 W 181/99, NZG 1999, 1004 = NJW-RR 2000, 37; OLG Köln v. 26.10.1998 – 2 Wx 29/98, NZG 1999, 269= NJW-RR 1999, 1637, weil dieser dann seinen gesetzlichen Pflichten nicht nachkommen kann. 6 OLG Naumburg v. 10.11.1999 – 7 Wx 7/99, 7 Wx 07/99, OLGR Naumburg 2000, 129 = ZIP 2000, 622; OLG Frankfurt v. 4.3.1994 – 20 W 49/94, OLGR Frankfurt 1994, 219 = DB 1994, 2282 Die Eintragung im Handelsregister ist von Amts wegen zu löschen, OLG Zweibrücken v. 13.3.2001 – 3 W 15/01, OLGR Zweibrücken 2001, 345 = NZG 2001, 857; BayObLG v. 23.3.1989 – BReg 3 Z 148/88, BB 1989, 1009 = NJW-RR 1989, 934.
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Teil 1 Rz. 29
Einführung
Bei einem nachträglichen Eignungsmangel endet das Amt mit Wirkung ex nunc von selbst1.
bb) Bestellung 29
Die Organstellung wird erlangt durch die Bestellung. Die Bestellung bedarf der Entgegennahme (nicht: Annahme i.S.d. § 147 BGB) des Geschäftsführers, die zumindest konkludent gegenüber dem amtierenden Geschäftsführer oder bei dessen Fehlen den Gesellschaftern gegenüber erklärt werden muss2. Die Bestellung des Geschäftsführers kann nach § 6 Abs. 3 Satz 2 GmbHG entweder im Gesellschaftsvertrag erfolgen oder nach Maßgabe des 3. Abschnitts des GmbHG. In der Regel wird der erste Geschäftsführer der Gesellschaft im Gesellschaftsvertrag bestellt. Dies ist auch vor Eintragung der GmbH mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen möglich3. Ist im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass sämtliche Gesellschafter zur Geschäftsführung berechtigt sein sollen, so gelten nur die der Gesellschaft bei Festsetzung dieser Bestimmung angehörenden Personen als die bestellten Geschäftsführer, § 6 Abs. 4 GmbHG. Entsprechend § 29 BGB ist die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers zulässig4.
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Die Bestellung nach Maßgabe des 3. Abschnitts des GmbHG erfolgt in der nicht mitbestimmten GmbH gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG durch Beschluss der Gesellschafterversammlung. Dieser muss dem abwesenden Geschäftsführer zugehen (§ 130 BGB)5. Die Gesellschafterversammlung beschließt gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist, § 45 Abs. 1 GmbHG. Die Bestellung bedarf auch hier der Entgegennahme (nicht: Annahme i.S.d. § 147 BGB) durch den Geschäftsführer. In der paritätisch mitbestimmten GmbH beschließt über die Bestellung der Aufsichtsrat, § 31 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG. In der nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbH beschließt die Gesellschafterversammlung. Der Gesellschaftsvertrag kann vorsehen, dass das Bestellungsrecht einem fakultativen Aufsichtsrat, einem Beirat oder einem sonstigen Gremium übertragen wird oder nur mit dessen Zustimmung oder auf dessen Vorschlag erfolgen kann6.
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Die Bestellung eines Geschäftsführers kann grundsätzlich unbefristet erfolgen. Die fünfjährige Höchstfrist des § 84 AktG findet in der mitbestimmten GmbH allerdings über § 31 Abs. 1 MitbestG, § 12 MontanMitbestG, § 13 MitbestErgG Anwendung. Eine befristete (§ 163 BGB) oder auflösend bedingte (§ 158 Abs. 2 BGB) Bestellung ist aber auch in der nicht mitbestimmten GmbH auf 1 BGH v. 1.7.1991 – II ZR 292/90, BGHZ 115, 78 = NJW 1991, 2566; OLG Düsseldorf v. 2.6.1993 – 11 W 37/93, GmbHR 1994, 114. 2 Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 6 Rz. 10. 3 BGH v. 23.3.1981 – II ZR 27/80, BGHZ 80, 212 = NJW 1981, 2125. 4 Ausführlich Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 6 Rz. 43 ff.; Helmschrott, ZIP 2001, 636. 5 Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 46 Rz. 19 ff.; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 46 Rz. 15. 6 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 7 m.w.N.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 34 Teil 1
freiwilliger Basis möglich. Höchstrichterlich als zulässig anerkannt ist etwa die auflösende Bedingung, dass das Amt endet, wenn der Geschäftsführer ab einem bestimmten Zeitpunkt der GmbH nicht seine volle Arbeitskraft zur Verfügung stellt1. Fehler, die zur Unwirksamkeit der Bestellung führen, sind für die Wirksamkeit der Handlungen des Geschäftsführers, die bis zur Geltendmachung der Unwirksamkeit stattfinden, grundsätzlich unschädlich. Entsprechend der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft und der Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis gibt es eine Lehre vom fehlerhaft bestellten Organ. Nach h.M. hat der fehlerhaft bestellte Geschäftsführer alle Rechte und Pflichten inne, die ein ordnungemäß bestellter Geschäftsführer inne hätte2.
32
Von dem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer ist der faktische „Geschäftsführer“ zu unterscheiden, der ohne Bestellungsakt wie ein Organwalter für die Gesellschaft handelt3. Diese Voraussetzung liegt nicht schon vor, wenn der faktische „Geschäftsführer“ Zugriff auf ein Konto der Gesellschaft hat4. Liegen die Voraussetzungen der faktischen Geschäftsführung vor, soll die Gesellschaft sich sein Handeln nach den Grundsätzen der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zurechnen lassen müssen. Im Einzelnen ist hier vieles streitig. Die Rechtsprechung hat etwa entschieden, dass ein faktischer Geschäftsführer einen Anspruch auf Entlohnung im unteren Bereich der üblichen Entlohnung hat, bei hierüber liegenden Summen aber eine nach den §§ 30 f. GmbHG unzulässige Einlagenrückgewähr vorliegt5. Andererseits trifft ihn die Insolvenzantragspflicht, bei deren Verletzung er nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG a.F./§ 15a InsO haftet6.
33
cc) Abberufung Das Organverhältnis endet durch den Widerruf der Bestellung, § 38 Abs. 1 GmbHG. Diese Abberufung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafterversammlung (§ 46 Nr. 5 GmbHG) bzw. nach § 31 MitbestG durch den obligatorischen Aufsichtsrat einer paritätisch mitbestimmten GmbH. Der Gesellschaftsvertrag kann das Recht zur Abberufung auf einen fakultativen Aufsichtsrat, einen Beirat oder ein anderes Organ übertragen7. Nach dem Actus-ContrariusGedanken spricht eine Vermutung dafür, dass dem für die Bestellung zuständi1 BGH v. 24.10.2005 – II ZR 55/04, NZG 2006, 62 = DB 2006, 41. 2 Vgl. OLG Köln v. 11.3.1999 – 14 U 28/98, NZG 1999, 773; OLG Naumburg v. 29.7.2008 – 9 U 5/08; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 8. 3 BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61 = NJW 2002, 1803; BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 48 = NJW 1988, 1789; BayObLG v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, GmbHR 1997, 453 = NJW 1997, 1936; OLG Oldenburg v. 2.12.2009 – 1 U 74/08, GWR 2010, 170; OLG Brandenburg v. 29.6.2010 – 6 U 169/98. 4 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, DB 2008, 1202 = NZG 2008, 468. 5 OLG Stuttgart v. 7.7.1999 – 20 U 73/97, GmbHR 1999, 1039. 6 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 48 = NJW 1988, 1789; OLG Oldenburg v. 2.12.2009 – 1 U 74/08, GWR 2010, 170. 7 Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 46 Rz. 19; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 38 Rz. 4.
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Teil 1 Rz. 35
Einführung
gen Organ auch die Befugnis zur Abberufung übertragen ist1. Wurde der Geschäftsführer in der Satzung bestellt, bedarf es zu seiner Abberufung aber nicht einer Satzungsänderung2. Ist das für die Abberufung zuständige sonstige Organ funktionsunfähig, steht die Befugnis zur Abberufung weiterhin der Gesellschafterversammlung zu3. Der Eigengeschäftsführer hat bei der Abstimmung über seine Abberufung nach § 47 Abs. 4 GmbHG kein Stimmrecht4. Um Wirksamkeit zu erlangen, muss die Abberufung dem Geschäftsführer gegenüber erklärt werden (§ 130 BGB)5, bedarf aber nicht seiner Zustimmung. 35
Infolge der Abberufung erlöschen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers6. Die Abberufung wirkt – anders als der Widerruf nach §§ 355, 357 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB – ab dem Zeitpunkt des Widerrufs (ex nunc). Durch die Abberufung bleibt das daneben bestehende Anstellungsverhältnis gemäß § 38 Abs. 1 Halbs. 2 GmbHG grundsätzlich unberührt (s. aber oben Rz. 26).
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Die Abberufung ist jederzeit ohne Vorliegen von Gründen möglich (Grundsatz der freien Abberufbarkeit), § 38 Abs. 1 Halbs. 1 GmbHG. Hiervon gibt es geschriebene und ungeschriebene Ausnahmen. Eine geschriebene Ausnahme enthält § 38 Abs. 2 GmbHG. Danach kann die Zulässigkeit des Widerrufs im Gesellschaftsvertrag auf den Fall beschränkt werden, dass wichtige Gründe diesen notwendig machen. Exemplarisch nennt das Gesetz als wichtige Gründe grobe Pflichtverletzungen oder die Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung. Der wichtige Grund setzt kein Verschulden des Geschäftsführers voraus. Vielmehr genügt es, wenn der weitere Verbleib des Geschäftsführers in seinem Amt der Gesellschaft und den Gesellschaftern bei Würdigung der Gesamtumstände nicht mehr zugemutet werden kann7. So kann genügen, dass aufgrund eines Zerwürfnisses mit einem Mitgesellschafter eine weitere dem Interesse der Gesellschaft dienende Zusammenarbeit nicht erwartet werden kann8. Ein wichtiger Grund ist auch die Bezahlung privater Schulden aus Gesellschaftsvermögen9.
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Eine ungeschriebene Ausnahme vom Grundsatz der freien Abberufbarkeit nimmt die Rechtsprechung für Eigengeschäftsführer an. So kann die Abberu-
1 OLG Düsseldorf v. 8.6.1989 – 6 U 223/88, NJW 1990, 1122 = WM 1990, 265, 267. 2 BGH v. 29.9.1955 – II ZR 225/54, BGHZ 18, 205 = NJW 1955, 1716. 3 BGH v. 24.2.1954 – II ZR 88/53, BGHZ 12, 337 = NJW 1954, 799; BGH v. 1.12.1969 – II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251. 4 BGH v. 20.12.1982 – II ZR 110/82, BGHZ 86, 177, 178 = BB 1983, 210; BGH v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, DB 1992, 983 = ZIP 1992, 760; OLG Düsseldorf v. 24.2.2000 – 6 U 77/99, DB 2000, 1956 = GmbHR 2000, 1050; OLG Brandenburg v. 17.1.1996 – 7 U 106/95, GmbHR 1996, 539. 5 Vgl. BGH v. 5.5.2003 – II ZR 50/01, DB 2003, 1619 = DNotZ 2003, 949. 6 OLG Karlsruhe v. 25.8.1995 – 15 U 286/94, GmbHR 1996, 208. 7 OLG Zweibrücken v. 8.6.1999 – 8 U 138/98, NZG 1999, 1011; OLG Stuttgart v. 30.3.1994 – 3 U 154/93, NJW-RR 1995, 295. 8 BGH v. 24.2.1992 – II ZR 79/91, DB 1992, 983 = NJW-RR 1992, 993. 9 BGH v. 24.10.1994 – II ZR 91/94, DStR 1994, 1746.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 40 Teil 1
fung eines Eigengeschäftsführers ohne sachlichen Grund treuwidrig sein1, insbesondere, wenn hierdurch der Gesellschafter aus der Gesellschaft gedrängt werden soll. Die Abberufung des Eigengeschäftsführers einer Einpersonengesellschaft ist rechtsmissbräuchlich, wenn der Gesellschafter nicht sogleich einen neuen Geschäftsführer bestellt oder ein wichtiger Grund für die Abberufung vorliegt2. In diesem Fall bleibt die Gesellschaft nämlich ohne gesetzlichen Vertreter zurück (Führungslosigkeit, vgl. § 35 Abs. 1 GmbHG).
c) Anstellungsverhältnis (Überblick) Das Anstellungsverhältnis wird ausführlich in Teil 2 und Teil 3 behandelt. Um dem nicht vorzugreifen, beschränken sich folgende Ausführungen auf die Grundzüge.
38
aa) Rechtsnatur Der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist ein auf die Geschäftsbesorgung durch Ausübung des Geschäftsführeramtes gerichteter freier Dienstvertrag (§ 611 BGB)3. Dieser regelt nachrangig4 zum gesellschaftsrechtlichen Organverhältnis diejenigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, welche nicht bereits durch die organschaftliche Stellung des Geschäftsführers vorgegeben sind5. Wird der Geschäftsführer unentgeltlich tätig, handelt es sich um einen Auftrag (§§ 662 ff. BGB)6. Die Entgeltlichkeit ist jedoch wegen § 612 BGB zu vermuten7.
39
bb) Begründung und Beendigung Der Anstellungsvertrag kommt als schuldrechtlicher Vertrag durch Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) zustande. Die Befugnis zum Abschluss des Vertrages liegt in der nicht paritätisch mitbestimmten GmbH auf Seiten der Gesellschaft bei der Gesellschafterversammlung. Das folgt aus einer Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG8. In der paritätisch mitbestimmten GmbH hat der obligatorische Aufsichtsrat die Befugnis zum Abschluss des Anstellungsvertrages kraft einer Annexkompetenz zu § 31 MitbestG9. Die Befugnis zum Abschluss des Anstellungsvertrages kann durch den Gesellschaftsvertrag ei1 BGH v. 29.11.1993 – II ZR 61/93, DStR 1994, 214; OLG Zweibrücken v. 5.6.2003 – 4 U 117/02, NZG 2003, 931 = GmbHR 2003, 1206; OLG Koblenz v. 21.6.2007 – 6 W 298/07; kritisch OLG Naumburg v. 13.1.2000 – 7 U (Hs) 24/99, NZG 2000, 608. 2 OLG Zweibrücken v. 15.2.2006 – 3 W 209/05, DB 2006, 662 = DNotZ 2006, 709. 3 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289; BGH v. 10.1.2000 – II ZR 251/98, ZIP 2000, 508, 509. 4 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289; zur AG BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1191. 5 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289. 6 OLG Hamburg v. 18.1.2000 – 4 U 114/92, NZG 2000, 698. 7 OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213. 8 BGH v. 26.11.2007 – II ZR 161/06, NJW-RR 2008, 484 = DB 2008, 50, 51; zur Annexkompetenz s. Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449 ff. 9 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48 = NJW 1984, 733.
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Teil 1 Rz. 41
Einführung
nem anderen Organ übertragen werden. Die Beendigung des Anstellungsvertrages erfolgt durch ordentliche (§ 621 BGB) oder außerordentliche Kündigung (§ 626 BGB), auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) oder Befristung (§ 620 Abs. 1 BGB). Zum Zusammenspiel von Organstellung und Anstellungsvertrag s. oben Rz. 25 f.
cc) Inhalt 41
Der Anstellungsvertrag enthält üblicherweise Regelungen insbesondere zu Vergütungsfragen, Wettbewerbsverboten, Verschwiegenheitspflichten, dem Direktionsrecht, Auslandseinsätzen, zur Haftung, über die Altersversorgung, Dienstwagen sowie Kündigungs- und Befristungsregelungen. Zu Einzelheiten s. Teil 3.
3. Weisungsgebundenheit 42
Eine Besonderheit des GmbH-Geschäftsführers besteht darin, dass er an Weisungen der Gesellschafterversammlung gebunden ist (§ 37 Abs. 1 GmbHG). Darin unterscheidet er sich von dem Vorstand einer Aktiengesellschaft, der nach § 76 Abs. 1 AktG grundsätzlich weisungsfrei agieren kann (dazu unten Rz. 92). In der paritätisch mitbestimmten GmbH steht dem obligatorischen Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG kein Weisungsrecht zu. Er kann nur nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG einen Zustimmungsvorbehalt anordnen. Die Weisungsbefugnis kann durch Gesellschaftsvertrag anderen Organen übertragen werden. Die Gesellschafter haben gegenüber den Geschäftsführern nach §§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG ein umfassendes Weisungsrecht. Sie können Generalweisungen erteilen, die weit gefasste Richtlinien zur Geschäftsführung bilden (etwa nur in einem bestimmten Markt die Produkte des Unternehmens zu vertreiben), aber auch Spezialweisungen hinsichtlich einzelner Geschäfte. Nach überwiegender Ansicht ist es zulässig, den Geschäftsführer so zu einem reinen Exekutivorgan herabzustufen1. Eine Grenze zieht der Weisungsgebundenheit das gesetzliche Pflichtenheft des Geschäftsführers, insbesondere die Pflicht zur Einhaltung von Satzung und Gesetz (Legalitätspflicht, vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG und unten Rz. 50) sowie die allgemeine Sorgfaltspflicht. Der Geschäftsführer darf deshalb rechtswidrige Weisungen nicht befolgen, vor allem solche nicht, deren Ausführung zu einem Verstoß gegen zwingende Gläubigerschutzvorschriften oder öffentlich-rechtliche Pflichten führen würde (etwa Kapitalerhaltungsvorschriften, Insolvenzantragspflicht)2. 1 OLG Nürnberg v. 9.6.1999 – 12 U 4408/98, NZG 2000, 154, 155 = NZA-RR 2000, 637; OLG Brandenburg v. 12.6.1996 – 7 U 156/95, GmbHR 1997, 168; Altmeppen in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 37 Rz. 4; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 37 Rz. 4; a.A. Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 37 Rz. 18a. 2 BGH v. 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 = NJW 1960, 285; BGH v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088 = BB 1974, 855; BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, DB 2008, 1428 = NZG 2008, 508; OLG Frankfurt v. 7.2.1997 – 24 U 88/95, NJW-RR 1997, 736 = GmbHR 1997, 346; OLG Naumburg v. 10.2.1999 – 6 U 1566/97, DB 1999, 1893 = ZIP 1999, 1363; s. auch Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 37 Rz. 5.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 46 Teil 1
4. Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse Die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des GmbH-Geschäftsführers stehen diesem kraft seiner Organstellung zu und ergeben sich im Wesentlichen aus dem Gesetz sowie aus dem Gesellschaftsvertrag. Der Anstellungsvertrag kann von den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich nicht abweichen (s. oben Rz. 25 f.)1.
43
a) Aufgaben und Zuständigkeiten Dem Geschäftsführer obliegt nach § 35 Abs. 1 GmbHG die Führung der Geschäfte der GmbH. Das Gesetz spricht dies zwar nicht ausdrücklich aus, jedoch folgt die Aufgabe und Zuständigkeit zur Geschäftsführung erstens aus der gesetzlichen Bezeichnung des Geschäftsführers sowie zweitens aus der Überschrift des 3. Abschnitts des GmbHG („Vertretung und Geschäftsführung“)2. Unter Geschäftsführung ist das Treffen aller zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Maßnahmen und Entscheidungen rechtlicher und tatsächlicher Natur zu verstehen3. Daraus, dass dem Geschäftsführer die Geschäftsführung zur Aufgabe gemacht wird, folgt, dass er verpflichtet ist, die Geschäfte zu führen4.
44
Daneben werden die Geschäftsführer darüber hinaus ausdrücklich beauftragt und für zuständig erklärt, die Gesellschaft gegenüber Dritten zu vertreten (§ 35 Abs. 1 GmbHG), dem Handelsregister stets eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen (§ 40 GmbHG)5, für die ordnungsmäßige Buchführung der Gesellschaft zu sorgen (§ 41 GmbHG), den Jahresabschluss und den Lagebericht unverzüglich nach der Aufstellung den Gesellschaftern zum Zwecke der Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen (§ 42a GmbHG), die Gesellschafterversammlung einzuberufen (§ 49 GmbHG) und jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und die Einsicht der Bücher und Schriften zu gestatten (§ 51a GmbHG) sowie ggf. Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO).
45
b) Befugnisse Damit die Geschäftsführer im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die Aufgabe erfüllen können, die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen (vgl. § 43 Abs. 1 GmbHG), erhalten sie weit reichende Befugnisse. Dabei ist bei rechtlichen Maßnahmen zu differenzieren zwischen Befugnissen im Innenverhältnis und Befugnissen im Außenverhältnis, also gegenüber Dritten. Befugnisse im Außenverhältnis beruhen ausschließlich auf der den Geschäftsführern eingeräumten Vertretungsmacht und 1 Vgl. BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289. 2 Vgl. auch Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 29. 3 Wisskirchen/Kuhn in: BeckOK-GmbHG, 7. Ed. (1.5.2011), § 35 Rz. 1; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 2. 4 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 33 m.w.N. 5 Die Liste ist insbesondere bedeutsam für den gutgläubigen Erwerb von Geschäftsanteilen nach § 16 Abs. 3 GmbHG.
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Teil 1 Rz. 47
Einführung
können damit als Vertretungsbefugnisse bezeichnet werden. Die Vertretung der GmbH bildet dabei aber nur einen Ausschnitt aus der umfassenderen Geschäftsführungsbefugnis, welche damit sowohl nach innen als auch nach außen wirkt. Gleichwohl hat es sich eingebürgert, für Befugnisse im Innenverhältnis den Terminus Geschäftsführungsbefugnis zu verwenden. In der GmbH wird üblicherweise nicht weiter zwischen Geschäftsführung und Leitung unterschieden1, wie es in der AG (§§ 76, 77 AktG) der Fall ist (unten Rz. 97 f.). Tatsächliches Handeln des Geschäftsführers in Ausübung seiner organschaftlichen Stellung wird der GmbH analog § 31 BGB zugerechnet2.
aa) Geschäftsführungsbefugnis 47
Die Geschäftsführungsbefugnis ist denkbar weit gefasst. Sie umfasst alle Befugnisse im Innenverhältnis, derer es bedarf, um in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Die Geschäftsführungsbefugnis umfasst insbesondere den Einsatz und die Koordinierung von Unternehmensressourcen, die Ausübung des Direktionsrechts (vgl. § 106 GewO) etc3. Daneben sind die Geschäftsführer befugt, alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um die ihnen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ausdrücklich (oben Rz. 45) übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Eine Grenze findet die Geschäftsführungsbefugnis in den zwingenden Gesetzen, dem Gesellschaftsvertrag sowie den Weisungen der Gesellschafter, § 37 Abs. 1 GmbHG.
48
Daraus folgt, dass die Geschäftsführer insbesondere nicht befugt sind, unter Verletzung von Kapitalerhaltungsvorschriften (§§ 30 ff. GmbHG) Geschäfte zu führen (vgl. auch § 43 Abs. 3 GmbHG), den im Gesellschaftsvertrag festgelegten Unternehmensgegenstand (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) zu überschreiten oder Gesellschafterrechte wahrzunehmen bzw. sogenannte Grundlagengeschäfte (z.B. Änderung des Gesellschaftsvertrages) zu tätigen, die den Gesellschaftern nach § 46 GmbHG zugewiesen sind4. Auch befinden allein die Gesellschafter über die Grundsätze der Unternehmenspolitik5 und Geschäftsführer müssen für außergewöhnliche Geschäfte die Zustimmung der Gesellschafter einholen6. Zu Letzteren zählt etwa die Veräußerung wesentlicher Unternehmensteile7. Stets unzulässig ist ein Handeln gegen den (auch mutmaßlichen) Willen der Gesellschafterversammlung8. 1 S. aber Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 29. 2 BGH v. 13.1.1987 – VI ZR 303/85, BGHZ 99, 298 = WM 1987, 286; RG v. 19.2.1904 – III 343/03, RGZ 57, 93, 94 f.; RG v. 18.10.1917 – VI 143/17, RGZ 91, 72, 75; RG v. 17.1.1940 – II 82/39, RGZ 163, 21. 3 Vgl. Lutter/Hommelhoff in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 37 Rz. 3. 4 Vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 29 f.; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 37 Rz. 3. 5 BGH v. 25.2.1991 – II ZR 76/90, DB 1991, 904 = NJW 1991, 1681. 6 BGH v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1461, 1462; OLG Karlsruhe v. 4.5.1999 – 8 U 153/97, NZG 2000, 264, 267. 7 BGH v. 30.5.2005 – II ZR 236/03, DStR 2005, 1066; BGH v. 9.12.1996 – II ZR 240/95, DB 1997, 321 = NJW 1997, 741. 8 OLG Frankfurt v. 19.1.1988 – 5 U 3/86, NJW-RR 1989, 544.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 51 Teil 1
Allgemein unterliegen die Geschäftsführer im Innenverhältnis einem bipolaren Pflichtenheft, das sich zum einen aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht, zum anderen aus der organschaftlichen Treuepflicht speist.
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(1) Sorgfaltspflicht Die allgemeine Sorgfaltspflicht lässt sich weiter unterteilen in eine Pflicht zur Einhaltung von Gesetz, Gesellschaftsvertrag und Gesellschafterweisung (Legalitätspflicht), eine Pflicht zur Überwachung der nachgeordneten Unternehmensangehörigen (vertikale Überwachungspflicht) sowie der anderen Geschäftsführer (horizontale Überwachungspflicht), sowie eine Pflicht, existenzbedrohende Risiken von der Gesellschaft abzuwenden (Sorgfaltspflicht i.e.S.)1. Die in jüngster Zeit intensiv geführte Compliance-Debatte2 behandelt im Kern die Frage, wie weit insbesondere die Überwachungspflicht reicht und welche Maßnahmen konkret zu ergreifen sind, damit der Geschäftsführer hier seinen Pflichten nachkommt. Rechtliche Konflikte drohen dabei vor allem mit dem Datenschutz der Beschäftigten des Unternehmens3, vgl. hierzu Teil 6.
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(2) Treuepflicht Die organschaftliche Treuepflicht ist das Korrelat der weitreichenden Befugnisse, des Informationsvorsprungs und der faktischen Einwirkungsmöglichkeiten des Geschäftsführers4. Aus der Treuepflicht ergeben sich vor allem Schutz- und Rücksichtspflichten5. Der Geschäftsführer hat im Rahmen der Geschäftsführung alles zu tun, was der Gesellschaft nützt und alles zu unterlassen, was ihr schadet. Gesetzliche Ausprägungen der Treuepflicht sind das Wettbewerbsverbot6 und die Verschwiegenheitspflicht des § 85 GmbHG. Die Treuepflicht verbietet Geschäftsführern die Nutzung der Gesellschaftsressourcen in privatem Interesse7 sowie das Erstreben persönlicher Vorteile aus der geschäftlichen Tätigkeit, etwa durch Entgegennahme von Provisionen oder Schmiergeldern8. Auch ist es dem Geschäftsführer untersagt, Geschäftschancen der Gesellschaft für eigene Zwecke zu nutzen (Geschäftschancenlehre)9. Die Treuepflicht kann über die Beendigung der Organstellung hinaus fortbestehen10. 1 Vgl. zum Vorstand der AG Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §§ 7 bis 10. 2 Dazu Hauschka in: Hauschka, Corporate Compliance, 2. Aufl. 2010, § 1 Rz. 1 ff. S. auch BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44 = ZIP 2009, 1867. 3 S. hierzu ausführlich Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance, 2010, passim. 4 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 39. 5 OLG Hamm v. 18.11.1996 – 31 U 42/96, NJW-RR 1997, 737 = GmbHR 1997, 999. 6 Dazu OLG Oldenburg v. 17.2.2000 – 1 U 155/99, NZG 2000, 1038; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 41 ff. Verbreitet wird das Wettbewerbsverbot aus dem Rechtsgedanken des § 88 AktG abgeleitet. 7 BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 210/84, DB 1986, 163 = NJW 1986, 586; OLG Naumburg v. 30.11.1998 – 11 U 22/98, NZG 1999, 353; Fleischer, WM 2003, 1045, 1049. 8 OLG Düsseldorf v. 25.11.1999 – 6 U 146/98, GmbHR 2000, 666 = NZG 2000, 933. 9 Dazu Fleischer, NZG 2003, 985. 10 OLG Hamm v. 7.11.1984 – 8 U 8/84, GmbHR 1985, 157.
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Teil 1 Rz. 52
Einführung
bb) Vertretungsbefugnis 52
Die Wirksamkeit von rechtlichen Maßnahmen der Geschäftsführer im Außenverhältnis bestimmt sich nach ihrer Vertretungsbefugnis. Diese organschaftliche Vertretung findet ihre Grundlagen in §§ 35 Abs. 1, 37 Abs. 2 GmbHG. Die Gesellschaft wird nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch die Geschäftsführer gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Dabei sind sie nach § 37 Abs. 1 GmbHG an die ihnen auferlegten internen Schranken gebunden. Überschreiten sie diese, hat dies auf die Wirksamkeit der Vertretung der Gesellschaft jedoch grundsätzlich keinen Einfluss. Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 GmbHG insbesondere für den Fall, dass die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder dass die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist (Grundsatz der unbeschränkten und unbeschränkbaren Vertretungsmacht). Die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer erstreckt sich sowohl auf die Abgabe (Aktivvertretung) als auch auf die Entgegennahme (Passivvertretung) von Willenserklärungen.
(1) Aktivvertretung 53
Im Rahmen der Aktivvertretung gilt der Grundsatz der Gesamtvertretung. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, sind sie alle nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt, § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Der Gesellschaftsvertrag kann Abweichendes bestimmen. Die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers besteht auch bei Geschäften mit anderen Geschäftsführern, Gesellschaftern oder sonstigen Organmitgliedern (Drittgeschäften). Von der Vertretungsbefugnis umfasst sind grundsätzlich alle Geschäfte, die keine Grundlagengeschäfte sind, insbesondere auch der Beteiligungserwerb. Grundlagengeschäfte sind hingegen Satzungsänderungen, der Abschluss von Unternehmensverträgen sowie die Umwandlung der Gesellschaft. Diese sind von der Vertretungsbefugnis nicht umfasst und von den Gesellschaftern vorzunehmen1.
54
Grundsätzlich verboten sind dem Geschäftsführer Insich- bzw. Mehrgeschäfte (§ 181 BGB), also Geschäfte des Geschäftsführers oder eines von diesem vertretenen Dritten mit der von ihm vertretenen Gesellschaft. Folge des Verbotes ist die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, § 177 BGB. Die Genehmigung kann dem Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung oder einen anderen, nicht von § 181 BGB erfassten Geschäftsführer2 erteilt werden. In der paritätisch mitbestimmten GmbH ist nach § 112 AktG der obligatorische Aufsichtsrat zur Genehmigung befugt. Das Verbot des Insich- oder Mehrgeschäfts gilt nach § 181 BGB nicht, wenn das betreffende Geschäft in der Er1 Vgl. Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 35 Rz. 7 m.w.N. 2 BGH v. 29.11.1993 – II ZR 107/92, BB 1994, 164, 165 = NJW-RR 1994, 291; BGH v. 13.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334 = BB 1984, 1316.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 57 Teil 1
füllung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit besteht. Auch gilt das Verbot nicht, wenn das Rechtsgeschäft für die Gesellschaft lediglich rechtlich vorteilhaft ist1. Die Gestattung der Vornahme des Rechtsgeschäfts im Voraus bedarf einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag2. Wegen der großen Missbrauchsgefahr enthält § 35 Abs. 3 Satz 1 GmbHG eine Sonderregelung über das Insich- bzw. Mehrgeschäft in der Einpersonengesellschaft. § 35 Abs. 3 Satz 1 GmbHG bestimmt, dass das Verbot des § 181 BGB auch in dieser Gesellschaft gilt. Eine Befreiung hiervon ist im Gesellschaftsvertrag möglich3. Wird die Gesellschaft erst später in eine Einpersonengesellschaft umgestaltet, bleibt eine bestehende Gestattung im Gesellschaftsvertrag wirksam4. Rechtsgeschäfte zwischen dem Eigengeschäftsführer der Einpersonengesellschaft und der von ihm vertretenen Gesellschaft sind, auch wenn er nicht alleiniger Geschäftsführer ist, unverzüglich nach ihrer Vornahme in eine Niederschrift aufzunehmen. Ein Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, kann aber Schadensersatzansprüche auslösen5.
55
Nach der Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft in zwei Fällen wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht trotz § 37 Abs. 2 GmbHG unwirksam: Erstens, wenn der andere Teil und der Geschäftsführer bewusst zum Nachteil der Gesellschaft zusammenwirken (Kollusion)6. Zweitens, wenn dem anderen Teil beim Abschluss des Geschäfts der Missbrauch der Vertretungsmacht bekannt war oder sich objektiv aufdrängen musste7. Im zweiten Fall kommt es nicht darauf an, dass das Rechtsgeschäft in der Absicht geführt wurde, zu einem Nachteil für die Gesellschaft zu führen8. Diese Rechtsprechung ist mit den Vorgaben der Publizitätsrichtlinie vereinbar9.
56
(2) Passivvertretung Abweichende Bestimmungen gelten bei der Passivvertretung. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ist grundsätzlich jeder Geschäftsführer allein zur Entgegennahme von Willenserklärungen für die Gesellschaft berechtigt (Einzelvertretung). Ein Schriftstück geht der GmbH auch
1 BGH v. 27.9.1972 – IV ZR 225/69, BGHZ 59, 236, 240 f. = NJW 1972, 2262. 2 KG Berlin v. 21.3.2006 – 1 W 252/05, DB 2006, 1261 = NZG 2006, 718; BayObLG v. 21.9.1989 – BReg 3 Z 5/89, NJW-RR 1990, 420 = DB 1989, 2529; OLG Köln v. 2.10.1992 – 2 Wx 33/92, NJW 1993, 1018. 3 BGH v. 8.3.2004 – II ZR 316/01, NZG 2004, 667; OLG Hamm v. 27.4.1998 – 15 W 79/98, GmbHR 1998, 682; OLG Düsseldorf v. 12.11.12001 – 3 Wx 157/00, 3 Wx 239/00, NZG 2002, 33 = DB 2002, 576. 4 BGH v. 8.4.1991 – II ZB 3/91, BGHZ 114, 167 = DB 1991, 1111. 5 OLG Celle v. 20.6.2007 – 9 U 125/06, GmbHR 2007, 1036. 6 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139 m.w.N. 7 BGH v. 29.6.1999 – XI ZR 277/98, NJW 1999, 2883; OLG Schleswig v. 27.1.2005 – 5 U 72/04, MDR 2005, 1062; LG München v. 23.9.2004 – 32 O 6269/04, BKR 2006, 28. 8 BGH v. 10.4.2006 – II ZR 337/05, NJW 2006, 2776 = DStR 2006, 1515; OLG Hamm v. 22.8.2005 – 5 U 69/05, NZG 2006, 827. 9 Vgl. EuGH v. 16.12.1997 – C-104/96, Slg 1997, I-7211 – Rabobank zum niederländischen Recht.
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Teil 1 Rz. 58
Einführung
dann zu, wenn es in das private Postfach des Geschäftsführers gelegt wird1. Darüber hinaus wird die Gesellschaft aber auch durch jeden Gesellschafter passiv vertreten, wenn sie keinen Geschäftsführer hat (Führungslosigkeit). An diese Vertreter der Gesellschaft können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden, § 35 Abs. 2 Satz 3 GmbHG. Unabhängig hiervon können die Abgabe und die Zustellung auch unter der eingetragenen Anschrift der empfangsberechtigten Person nach § 10 Abs. 2 Satz 2 GmbHG2 erfolgen. Nicht passiv vertretungsbefugt sind die Mitglieder eines – obligatorischen oder fakultativen – Aufsichtsrats3.
5. Haftung (Überblick) 58
Bei der Frage der Haftung ist zu differenzieren zwischen der Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft (Binnenhaftung) sowie der Haftung gegenüber Dritten (Außenhaftung). Das kann hier nur angerissen werden, zu Einzelheiten s. ausführlich Teil 7.
a) Systematik der Haftungsnormen 59
Die Binnenhaftung der Geschäftsführer ist in § 43 Abs. 2 GmbHG spezialgesetzlich geregelt. Eine daneben gegenüber der Gesellschaft potentiell bestehende Haftung nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag oder § 687 Abs. 2 BGB wird von diesen Anspruchsgrundlagen verdrängt bzw. überlagert4. Die Haftung nach § 64 GmbHG tritt in Anspruchskonkurrenz neben diejenige nach § 43 Abs. 2 GmbHG. Entsprechendes gilt für die deliktische Haftung nach den §§ 823 ff. BGB5. Die Haftung nach den §§ 9a Abs. 1, 3, 57 Abs. 4 GmbHG verdrängt dagegen diejenige nach § 43 Abs. 2 GmbHG6.
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Von dieser Binnenhaftung strikt zu trennen ist die Haftung gegenüber Dritten. Diese kann sich aus schuldrechtlichen Abreden (z.B. Bürgschaft) des Geschäftsführers mit dem Dritten, ggf. i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB ergeben7, aber auch aus
1 BGH v. 31.7.2003 – III ZR 353/02, NJW 2003, 3270. 2 Die Norm lautet: „Wenn eine Person, die für Willenserklärungen und Zustellungen an die Gesellschaft empfangsberechtigt ist, mit einer inländischen Anschrift zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird, sind auch diese Angaben einzutragen …“. 3 BT-Drucks. 16/9737 S. 98; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 35 Rz. 27. 4 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, DB 1989, 1762 = NJW 1989, 2697; BGH v. 9.12.1996, DB 1997, 321 = NJW 1997, 741. 5 BGH v. 12.6.1989 – II ZR 334/87, DB 1989, 1762 = NJW 1989, 2697; BGH v. 10.2.1992 – II ZR 23/91, NJW-RR 1992, 800 = DB 1992, 830. 6 OLG Celle v. 15.3.2000 – 9 U 209/99, NZG 2000, 1178, 1179; OLG Rostock v. 2.2.1995 – 1 U 191/94, GmbHR 1995, 658. 7 BGH v. 28.1.2003 – XI ZR 243/02, BGHZ 153, 337 = NJW 2003, 1250; BGH v. 18.6.2001 – II ZR 248/99, BB 2001, 1806; BGH v. 4.4.2000 – XI ZR 152/99, NJW 2000, 2984; vgl. auch BGH v. 8.11.2005 – XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43 = NJW 2006, 431.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 63 Teil 1
den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB1, § 823 Abs. 1 BGB2, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetzen3 oder § 826 BGB4. Im Grunde gelten hier die allgemeinen Regeln.
b) Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG Den zentralen Haftungstatbestand bildet § 43 Abs. 2 GmbHG. Nur auf diesen ist hier näher einzugehen. Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG solidarisch für den entstandenen Schaden.
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aa) Geschäftsführer Die Haftung trifft Geschäftsführer, stellvertretende Geschäftsführer (§ 44 GmbHG) und Notgeschäftsführer5. Die Haftung beginnt mit der Bestellung und endet mit der Abberufung. Der Zeitpunkt der Eintragung in das Handelsregister ist nicht entscheidend6. Fehlt es an der Bestellung, tritt eine Person jedoch faktisch wie ein Geschäftsführer auf, haftet sie nach der Rechtsprechung, wenn sie nach dem Gesamterscheinungsbild ihres Auftretens die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat7.
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bb) Pflichtverletzung § 43 Abs. 2 GmbHG spricht von einer Obliegenheitsverletzung. Tatsächlich haften Geschäftsführer für die Verletzung der ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten und damit für eine Pflichtverletzung. Das Gesetz besagt nicht ausdrücklich, welche Pflichten der Geschäftsführer verletzt haben muss. Dies ergibt sich jedoch mittelbar aus § 43 Abs. 1 GmbHG, der sowohl das verletzte Rechtsgut als auch einen Verschuldensmaßstab beinhaltet. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG haben die Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. § 43 1 BGH v. 13.6.2002 – VII ZR 30/01, DStR 2002, 1275; BAG v. 24.11.2005 – 8 AZR 1/05, NZG 2006, 597; einschränkend BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 = NJW 1994, 2220. 2 BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 90/95, NJW 1996, 153; für Haftung auch bei Überwachungsverschulden BGH v. 5.12.1989 – VI ZR 335/88, BGHZ 109, 297 = NJW 1990, 976; einschränkend BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366 = NJW 1994, 1801, str. 3 BGH v. 21.2.2005 – II ZR 112/03, DStR 2005, 659 (§ 266 StGB). 4 BGH v. 16.3.1992 – II ZR 152/91, DNotZ 1993, 185. 5 Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 43 Rz. 3. 6 BGH v. 21.4.1994 – II ZR 65/93, NJW 1994, 2027; BGH v. 17.2.2003 – II ZR 340/01, NZG 2003, 394; BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, BGHZ 47, 343 = DB 1967, 1032. 7 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, DB 2008, 1202; BGH v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, NZG 2005, 816; BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, NZG 2005, 755; OLG Schleswig v. 4.5.2007 – 5 U 100/06; OLG Jena v. 26.4.2007 – 1 U 900/03; OLG Nürnberg v. 25.10.2006 – 4 U 875/06.
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Teil 1 Rz. 64
Einführung
Abs. 1 GmbHG enthält eine Spezialregelung gegenüber dem allgemeinen Sorgfaltsstandard des § 276 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die besonderen Anforderungen der Position des Geschäftsführers und geht auch über den Standard des § 347 HGB noch hinaus1. Die Pflicht zur sorgfältigen Geschäftsführung wurde oben Rz. 50 aufgefächert in die Legalitätspflicht, die Überwachungspflicht sowie die Pflicht, existenzbedrohende Risiken von der Gesellschaft abzuwenden (Sorgfaltspflicht i.e.S.). Daneben tritt die Treuepflicht des Geschäftsführers als zweiter Pflichtenstrang.
cc) Objektive Zurechnung und Schaden 64
Wie bei allen zivilrechtlichen Haftungstatbeständen muss für die Haftung nach § 43 Abs. 1 GmbHG ein Schaden i.S.d. Differenzhypothese (wie bei §§ 249 ff. BGB) entstanden sein2. Der Schaden muss adäquat kausal auf die Pflichtverletzung zurückzuführen sein3. Voraussetzung der Haftung des Geschäftsführers bei einem Schadenseintritt infolge von Unterlassen ist, dass dessen pflichtgemäßes Eingreifen den Schaden verhindert hätte und dieses Eingreifen dem Geschäftsführer auch möglich gewesen wäre4.
dd) Verschulden 65
Der Geschäftsführer muss die Pflichtverletzung zu vertreten haben. § 43 Abs. 1 GmbHG enthält mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns einen eigenen Maßstab dessen, was der Geschäftsführer zu vertreten hat. Somit erfüllt § 43 Abs. 1 GmbHG eine Doppelfunktion einmal auf der Ebene der Pflichtverletzung und einmal auf der Ebene des Vertretenmüssens. In aller Regel indiziert die Pflichtverletzung damit das Vertretenmüssen. Eine Ausnahme ist deshalb praktisch nur denkbar bei Schuldunfähigkeit des Geschäftsführers5.
ee) Rechtsfolgen und Verjährung 66
Auf der Rechtsfolgenseite richtet sich die Haftung nach den §§ 249 ff. BGB. Nach § 43 Abs. 4 GmbHG verjährt der Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG in fünf Jahren.
6. Anwendung des Arbeitsrechts und sozialversicherungsrechtliche Stellung 67
Besonderheiten ergeben sich bei der Anwendung arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften auf Geschäftsführer. 1 Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rz. 3; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 43 Rz. 4. 2 Vgl. BGH v. 21.3.1994 – II ZR 260/92, NJW-RR 1994, 806; OLG Naumburg v. 19.5.1998 – 11 U 2058/97, GmbHR 1998, 1180. 3 Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 43 Rz. 97 ff.; Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 43 Rz. 8. 4 OLG Rostock v. 21.4.2004 – 6 U 171/02, OLG-NL 2006, 250; OLG Celle v. 21.12.2005 – 9 U 100/05, NJOZ 2006, 1563. 5 Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 43 Rz. 8 m.w.N.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 70 Teil 1
a) Arbeitsrecht Nicht abschließend geklärt ist, ob arbeitsrechtliche Vorschriften auf Geschäftsführer anzuwenden sind. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, soweit das arbeitsrechtliche Gesetz selbst die Geschäftsführer aus seinem Anwendungsbereich ausnimmt, wie etwa § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, oder den eigenen Anwendungsbereich beschränkt, wie etwa § 6 Abs. 3 AGG. Allerdings kann nach zutreffender Ansicht des BGH die Geltung des KSchG für den Geschäftsführer im Anstellungsvertrag vereinbart werden1. Schließt ein Arbeitnehmer mit der Gesellschaft einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, so wird bei Schriftlichkeit (§ 623 BGB) dieser Vereinbarung vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis aufgehoben ist2.
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Soweit keine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert, stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer Arbeitnehmer ist. Arbeitnehmer ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist3. Problematisch ist vor allem, ob der Geschäftsführer weisungsgebunden agiert und ob er seine Dienste in persönlicher Abhängigkeit erbringt. Eine – auch von BGH und Teilen des BAG vertretene – Ansicht argumentiert, der Geschäftsführer sei trotz seiner Bindung an Weisungen der Gesellschafterversammlung (oben Rz. 42) nicht einem Direktionsrecht nach § 106 GewO unterworfen und deshalb nicht weisungsgebunden. Auch fehle es an der persönlichen Abhängigkeit. Schließlich nehme er Arbeitgeberfunktionen wahr. Deshalb sei der Geschäftsführer grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer anzusehen4. Demgegenüber argumentiert die auch von Teilen des BAG vertretene Gegenauffassung, dass es nach h.M. zulässig sei, den Geschäftsführer zu einem reinen Exekutivorgan herabzustufen (oben Rz. 42), dass er meist seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung stelle, so dass er auch persönlich abhängig von dieser sei und dass der Geschäftsführer häufig ebenso sozial schutzbedürftig wie ein „normaler“ Arbeitnehmer sei. Er könne deshalb grundsätzlich Arbeitnehmer sein5.
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Richtigerweise verbieten sich schematische Lösungen, maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Zutreffend ist zwar, dass nach dem gesetzgeberischen Ideal der Geschäftsführer grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer anzuse-
70
1 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288. 2 BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, BAGE 123, 294 = NJW 2007, 3228. 3 Etwa BAG v. 16.2.2000 – 5 AZB 71/99, BAGE 93, 310, 314 f. = NJW 2000, 1438; BAG v. 9.7.2003 – 5 AZR 595/02, NZA-RR 2004, 9. 4 BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187; BGH v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, NJW 2000, 1638; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, ZIP 2001, 1957; BGH v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, ZIP 2003, 485; in der Regel ein Dienstverhältnis annehmend BAG v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NJW 1999, 3069; BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NJW 1999, 3731; gegen Arbeitsverhältnis ferner Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 6 Rz. 70 f.; Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 35 Rz. 172, jeweils m.w.N. 5 BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 664/98, NJW 1999, 3731; Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 35 Rz. 175 ff.; Miller, BB 1977, 726, jeweils m.w.N.
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Teil 1 Rz. 71
Einführung
hen ist, wie § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG belegen. Das gilt auch in der Vor-GmbH1, für den Fremdgeschäftsführer einer GmbH & Co. KG, der bei der KG angestellt ist2 oder bei einer Drittanstellung im Konzern, soweit das Geschäftsführerverhältnis betroffen ist3. 71
Das schließt es aber nicht aus, dass der Geschäftsführer in der Gesetzeswirklichkeit im Einzelfall einem Arbeitnehmer vergleichbar ist, was es erforderlich machen kann, ihm einen den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften vergleichbaren Schutz zukommen zu lassen. Der richtige Weg hierzu ist eine Regelung im Anstellungsvertrag. Fehlt diese, hat der Geschäftsführer Anspruch auf Urlaub auch ohne ausdrückliche Vereinbarung4. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz kann anwendbar sein5. Demgegenüber ist die Anwendung der Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung mit §§ 43, 64 GmbHG unvereinbar und ausgeschlossen. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhält der Geschäftsführer über § 616 BGB. In den Anwendungsbereich des BetrAVG sind Geschäftsführer durch dessen § 17 Abs. 1 Satz 2 einbezogen, soweit sie nicht wegen der Höhe ihrer Beteiligung als Unternehmer anzusehen sind6. Nicht anwendbar sind § 613a BGB7, das MuSchG8 und das SGB IX9. Anwendbar sind nach der Rechtsprechung hingegen die Kündigungsfristen des § 622 BGB10.
b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung 72
Geschäftsführer können sozialversicherungspflichtig sein. Nach § 2 Abs. 1 SGB IV umfasst die Sozialversicherung Personen, die kraft Gesetzes oder Satzung (Versicherungspflicht) oder auf Grund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung der Versicherung (Versicherungsberechtigung) versichert sind. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV sind in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige Personen versichert, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhalts1 2 3 4 5 6
7 8 9 10
26
BAG v. 13.5.1996 – 5 AZB 27/95, NZA 1996, 952. BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, BAGE 107, 165 = NJW 2003, 3290. BAG v. 20.10.1995 – 5 AZB 5/95, ZIP 1996, 514. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 177, Haase, GmbHR 2005, 265 ff. 338 ff. m.w.N. BAG v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, NJW-RR 1990, 1313. BGH v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, BGHZ 77, 96 = DB 1980, 1434; BGH v. 9.6.1980 – II ZR 255/78, BGHZ 77, 233, 236 f. = NJW 1980, 2257; BGH v. 2.6.1997 – II ZR 181/96, GmbHR 1997, 843; dazu auch OLG Köln v. 22.9.1988 – 14 U 12/87, GmbHR 1989, 81 = ZIP 1989, 182. BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, BAGE 104, 358 = NJW 2003, 2473. OLG Düsseldorf v. 23.12.1999 – 6 U 119/99, NJW-RR 2000, 768. BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 120/83, BGHZ 91, 217 = NJW 1984, 2528; BGH v. 29.1.1981 – II ZR 92/80, BGHZ 79, 291 = NJW 1981, 1270; BGH v. 9.3.1987 – II ZR 132/86, NJW 1987, 2073.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 76 Teil 1
punkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Aus der Formulierung „insbesondere“ folgt, dass nicht nur Arbeitnehmer nichtselbständig beschäftigt sein können. Nach Ansicht des BSG ist deshalb im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung bei einem Fremdgeschäftsführer sowie bei solchen Eigengeschäftsführern auszugehen, die weder über die Mehrheit der Geschäftsanteile noch über eine Sperrminorität verfügen1.
II. Vorstände Vorstände von Aktiengesellschaften bilden die zweite große Gruppe von Führungskräften. Obwohl es rund 50 Mal so viele GmbH wie AG, KGaA und SE gibt2, ist die wirtschaftliche Bedeutung der AG doch ähnlich groß wie die der GmbH. Das liegt daran, dass die größten Unternehmen in der Rechtsform der AG verfasst sind, insbesondere die börsennotierten Unternehmen.
73
Für den Vorstand einer KGaA gelten die Vorschriften über die AG gemäß § 278 Abs. 3 AktG entsprechend. In der dualistisch verfassten SE finden diese Vorschriften über Art. 9 Abs. 1 Buchst. c ii) SE-VO bzw. Art. 10 SE-VO Anwendung, soweit nicht die Artt. 39 ff. SE-VO abschließende Sonderregeln enthalten. In der monistisch verfassten SE gelten vorrangig die Artt. 43 ff. SE-VO sowie das SEAG.
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Obwohl der Gesetzgeber die GmbH als „kleine Schwester“ der AG konzipiert hat, ergeben sich gerade für die Stellung der Vorstände erhebliche Unterschiede gegenüber dem Geschäftsführer. Das liegt zum einen an dem obligatorischen Aufsichtsrat (§§ 95 ff. AktG), zum anderen an dem in der AG geltenden Grundsatz der Satzungsstrenge (§ 23 Abs. 5 AktG). Darüber hinaus stehen Vorstände häufig im Fokus der Öffentlichkeit, die Versuchung des Gesetzgebers zur Symbolgesetzgebung gerade infolge von Wirtschaftskrisen ist deshalb groß. Meistens betreffen diese Regelungen die Frage der Vergütung, das Gesetz zur Offenlegung der Vorstandsvergütung (VorstOG)3 und das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG)4 legen beredtes Zeugnis hiervon ab.
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1. Eigen- und Fremdgeschäftsführung Die Ausführungen zum Eigen- und Fremdgeschäftsführung in der GmbH (oben Rz. 23) gelten auch für den Vorstand einer AG. Das folgt zwar nicht unmittel1 BSG v. 4.7.2007 – B 11a AL 5/06 R, GmbHR 2007, 1324; BSG 6.3.2003 – B 11 AL 25/02 R, GmbHR 2004, 494, 496; BSG v. 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R, GmbHR 2002, 324, st. Rspr.; s. zu Ausnahmen aber auch BSG v. 30.6.1999 – B 2 U 35/98 R, NZS 2000, 147 = NZA 2000, 312; zu Einzelheiten Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 10. Aufl. 2010, § 35 GmbHG Rz. 181 m.w.N. 2 Während es in Deutschland nur rund 17 000 AG/KGaA/SE gibt, vgl. Bayer/Hoffmann, AG-Report 2010, R-283 f., liegt die Zahl der GmbH bei etwa einer Million, vgl. Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, Einl. Rz. 1. 3 BGBl. 2005-I, 2267 ff.; dazu Baums, ZHR 169 (2005), 299 ff.; Spindler, NZG 2005, 689 ff.; Thüsing, ZIP 2005, 1389 ff. 4 BGBl. 2009-I, 2509; dazu Fleischer, NZG 2009, 802 ff.; Seibert, WM 2009, 1489 ff.; Thüsing, AG 2009, 517 ff.
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Teil 1 Rz. 77
Einführung
bar aus § 76 AktG, ergibt sich aber z.B. daraus, dass nach § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG den Mitgliedern der Geschäftsführung Bezugsrechte gewährt werden können, so dass sie also Aktionäre der Gesellschaft sein dürfen (Eigengeschäftsführung), aber nicht müssen (Fremdgeschäftsführung). Der praktische Regelfall ist in der AG die Fremdgeschäftsführung, mag es auch nicht wenige „personalistisch“ verfasste AG geben, etwa Familiengesellschaften. Zu Konflikten mit § 181 BGB in Bezug auf Insichgeschäfte des Vorstandsmitglieds führt die Eigengeschäftsführung selbst in der Einpersonengesellschaft (§§ 2, 42 AktG) regelmäßig nicht, weil dann der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern vertritt (§ 112 AktG) und zwischen dem Vorstandsmandat und dem Aufsichtsratsmandat eine Inkompabilität besteht (§ 105 AktG). Von dieser gesetzlichen Grundkonzeption darf auch die Einmann-AG nicht abweichen (§ 23 Abs. 5 AktG). Allenfalls kann in der Person des Vorstandsmitglieds oder auch des Aufsichtsratsmitglieds eine Mehrvertretung vorliegen1.
2. Anstellungs- und Organverhältnis 77
Im Grundsatz ähnlich, im Detail jedoch teilweise erheblich abweichend von der Situation in der GmbH (oben Rz. 24 ff.) gestalten sich die Organstellung und die persönliche Stellung der Mitglieder des Vorstands.
a) Organstellung und Anstellung 78
Auch in der Aktiengesellschaft gilt das Trennungsprinzip (dazu oben Rz. 25). Das ergibt sich deutlicher noch als in der GmbH aus § 37 GmbHG für die Aktiengesellschaft aus § 85 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 AktG. Während § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG die Bestellung der Vorstandsmitglieder in die Hände des Aufsichtsrats legt, bestimmt Satz 5, dass der Absatz 1 entsprechend für den Anstellungsvertrag gilt. Das Gesetz differenziert also klar zwischen Bestellung und Anstellung. Eine rechtliche Verknüpfung nimmt es nur hinsichtlich der zulässigen Höchstdauer vor. Im Übrigen sind Organstellung und Anstellungsvertrag auch in der AG rechtlich strikt voneinander getrennt2. Das folgt aus § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG, der anordnet, dass im Falle des Widerrufs der Bestellung für den Anstellungsvertrag die allgemeinen Vorschriften gelten.
79
Daraus folgt, dass Fehler der Bestellung und Fehler bei der Anstellung auf das jeweils andere Rechtsverhältnis grundsätzlich ohne Einfluss bleiben. Wie in der GmbH (oben Rz. 26) soll allerdings nach h.L. der Widerruf der Bestellung aus wichtigem Grund zugleich die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages umfassen3. Zulässig ist es auch hier, eine Koppelungsklausel in den Anstel-
1 Ausführlich Bachmann, NZG 2001, 961, 965 f. 2 BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38 = DB 1981, 308; BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 52 = NJW 1984, 733; BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205. 3 Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 148; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 5 Rz. 51.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 82 Teil 1
lungsvertrag aufzunehmen1. In diesem Fall dürfen allerdings nicht die nach Ansicht des BGH anzuwendenden Kündigungsfristen des § 622 BGB umgangen werden2. Wird der Anstellungsvertrag über einen längeren Zeitraum als die Fünfjahresfrist nach § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG geschlossen, gilt er als auf fünf Jahre befristet. Es ist möglich, die Fortsetzung des Anstellungsvertrages über diese Frist hinaus als Arbeitsverhältnis zu vereinbaren. Soll das Vorstandsmitglied als „Arbeitnehmer“ im gleichen Umfang für die Gesellschaft weiter tätig sein, kann hierin aber eine Umgehung des § 84 AktG mit der Folge des § 134 BGB liegen3.
b) Organverhältnis Auch in der AG entsteht das Organverhältnis durch die Bestellung. Die AG kann ein oder mehrere Vorstandsmitglieder haben, § 76 Abs. 2 Satz 1 AktG. Bei Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er aus mindestens zwei Personen zu bestehen, es sei denn, die Satzung bestimmt, dass er aus einer Person besteht. Bei mitbestimmten Gesellschaften gilt das zur GmbH Gesagte entsprechend (Rz. 27). Der Vorstand ist notwendiges Gesellschaftsorgan (§§ 23 Abs. 5, 39, 76 AktG). Die Mitglieder des Vorstands sind nicht kraft ihrer Organstellung Kaufmann (§ 1 HGB)4 oder Unternehmer (§ 14 BGB). Dies ist nur die Gesellschaft selbst (§ 6 Abs. 2 HGB i.V.m. § 3 Abs. 1 AktG).
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aa) Persönliche Eignung Für die persönliche Eignung der Vorstandsmitglieder stellt § 76 Abs. 3 AktG identische Voraussetzungen auf, wie sie für den GmbH-Geschäftsführer gelten. Es wird insoweit auf oben Rz. 28 verwiesen. Heute ganz überwiegend anerkannt ist, dass auch die Satzung weitergehende Anforderungen stellen darf, soweit diese mit zwingenden Gesetzen – insbesondere dem AGG – vereinbar sind5.
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bb) Bestellung Erhebliche Abweichungen zwischen GmbH und AG bestehen hinsichtlich der Bestellung der Vorstandsmitglieder. Anders als in der GmbH ist hierfür nicht die Versammlung der Gesellschafter (i.e. Hauptversammlung) zuständig, sondern der Aufsichtsrat als obligatorisches Organ der AG, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Er entscheidet durch Beschluss, § 108 AktG. Zudem kann die Bestellung nicht auf unbestimmte Zeit erfolgen, sondern maximal für fünf Jahre. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchs1 BGH 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrecht, 2006, § 5 Rz. 69. 2 Vgl. BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683. 3 BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205. 4 Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rz. 11 m.w.N. 5 Ausführlich Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 4 Rz. 14 ff. m.w.N. Zum AGG in diesem Zusammenhang Lutter, BB 2007, 725; Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993.
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Teil 1 Rz. 83
Einführung
tens fünf Jahre, ist zulässig, § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG. Der Aufsichtsratsbeschluss hierzu kann frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden, § 84 Abs. 1 Satz 3. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluss vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt, § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG. Abreden, die eine automatische Verlängerung der Amtszeit über fünf Jahre hinaus vorsehen, sind nach h.L. gemäß § 134 BGB nichtig1. Über die Bestellung muss der Gesamtaufsichtsrat (Plenum) beschließen; die Bestellung kann nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG nicht einem Ausschuss des Aufsichtsrats zur Beschlussfassung übertragen werden. 83
Die Bestellung bedarf zu ihrem Wirksamwerden der Kundgabe des Beschlusses an das Vorstandsmitglied (§ 130 Abs. 1 BGB) und dessen Entgegennahme (nicht: Annahme i.S.d. § 147 BGB) durch das Vorstandsmitglied, die gegenüber dem Aufsichtsrat zu erklären ist2. Der Aufsichtsrat bleibt für die Bestellung auch in der Insolvenz der Gesellschaft zuständig3. Er kann nicht konkludent beschließen4. Der Aufsichtsrat ist bei seiner Entscheidung frei. Dieses Ermessen beschränkende Abreden sind nach § 134 BGB nichtig5. Deshalb kann etwa die Satzung nicht dem Vorstand oder einem Gesellschafter ein für den Aufsichtsrat verbindliches Vorschlagsrecht einräumen. Zulässig ist es aber, dem Vorstand oder Gesellschaftern ein für den Aufsichtsrat nicht bindendes Vorschlagsrecht einzuräumen6.
84
Auch im Aktienrecht führen Mängel, die zur Unwirksamkeit der Bestellung führen, nicht dazu, dass das Handeln des Vorstandsmitgliedes als Organwalter unwirksam ist, sondern es gelten auch hier die Grundsätze des fehlerhaft bestellten Organs (ausführlicher zur GmbH oben Rz. 32 f.)7.
cc) Abberufung 85
Ein ganz deutlicher Unterschied zwischen GmbH und AG tut sich auch bei der Abberufung von Vorstandsmitgliedern auf. Während der Geschäftsführer jederzeit auch ohne wichtigen Grund abberufen werden kann (§ 38 GmbHG, dazu oben Rz. 36), kann das Vorstandsmitglied nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nur abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Vorschrift schützt die durch § 76 Abs. 1 AktG dem Vorstand anvertraute, weisungsfreie Unternehmensleitung (dazu unten Rz. 92).
1 2 3 4
BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 194 f. = NJW 1953, 1465. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84 Rz. 3. OLG Nürnberg v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89, AG 1991, 446, 447. BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 286 = NJW 1964, 1367; OLG Dresden v. 31.8.1999 – 13 U 1215/99, AG 2000, 43, 44. 5 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84 Rz. 5; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 12 f. 6 OLG Stuttgart v. 30.5.2007 – 20 U 14/06, AG 2007, 873, 876. 7 BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, BGHZ 41, 282, 287 = NJW 1964, 1367; monographisch Stein, Das faktische Organ, 1984, passim.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 89 Teil 1
Wie bei der Bestellung entscheidet über den Widerruf der Gesamtaufsichtsrat durch Beschluss (§§ 107 Abs. 3 Satz 3, 108 AktG). Der Widerruf wird erst mit dem Zugang wirksam (§ 130 Abs. 1 BGB)1. Dabei kann aber der Vorstand als Erklärungsbote tätig werden2. In der mitbestimmten Gesellschaft ist das Verfahren nach § 31 MitbestG einzuhalten.
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Als wichtige Gründe benennt § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, wie sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift („namentlich“) ergibt. Ein wichtiger Grund liegt nach der Rechtsprechung immer dann vor, wenn die Fortsetzung des Organverhältnisses bis zum Ende der Amtszeit für die Gesellschaft unzumutbar ist3. Ob dies der Fall ist, ist durch eine Abwägung der beiderseitigen Interessen im Einzelfall zu ermitteln4. Auf ein Verschulden des Vorstandsmitglieds kommt es nicht an5. Die Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt die AG6.
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Die Rechtsprechung hat einen wichtigen Grund bejaht etwa bei der Schädigung des Ansehens der AG durch anrüchige Spekulationsgeschäfte7, bei der Begehung von Straftaten im Privatbereich8, der Aneignung von Gesellschaftsvermögen9, der Entgegennahme von Schmiergeldzahlungen10, unzureichendem Risikomanagement nach § 25a KWG11, Unfähigkeit zu kollegialer Zusammenarbeit12 und bei der existenzgefährdenden Drohung der Hausbank mit der Kürzung von Kreditlinien bei Nichtabberufung13. Die Entziehung des Vertrauens durch die Hauptversammlung darf lediglich nicht willkürlich sein14. Das Vertrauen wird durch Beschluss entzogen15.
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Verneint hat die Rechtsprechung einen wichtigen Grund, wenn das Vorstandsmitglied Zweifel über die Eignung des Mehrheitsaktionärs als Vorstandsmitgliedes äußert, aber dies nicht unsachlich geschieht16 und wenn ein Vorstands-
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1 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84 Rz. 25. 2 OLG Stuttgart v. 13.3.2003 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212. 3 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, AG 2007, 125; OLG Stuttgart v. 13.3.2003 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 212. 4 KG Berlin v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745, 746 f.; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84 Rz. 26; a.A. etwa Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 117 m.w.N.: Nur Interessen der AG entscheidend. 5 BGH v. 11.7.1955 – II ZR 230/54, WM 1955, 1222. 6 BGH v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, AG 2007, 446. 7 BGH v. 2.5.1956 – V ZR 171/54, WM 1956, 865. 8 BGH v. 4.7.1956 – VI ZR 214/55, BGHZ 21, 207 = NJW 1956, 1513 und OLG Hamm v. 7.5.1984 – 8 U 22/84, GmbHR 1985, 119 (Urkundenfälschung). 9 OLG Stuttgart v. 13.3.2003 – 20 U 59/01, AG 2003, 211, 213. 10 OLG München v. 7.2.2007 – 7 U 4952/06, AG 2007, 361, 363. 11 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682, 683 f. 12 BGH v. 17.10.1983 – II ZR 31/83, WM 1984, 29. 13 BGH v. 23.10.2006 – II ZR 298/05, NJW-RR 2007, 389. 14 KG Berlin v. 3.12.2002 – 1 W 363/02, ZIP 2003, 1042, 1046 f. 15 BGH v. 7.6.1962 – II ZR 131/61, WM 1962, 811. 16 BGH v. 20.10.1954 – II ZR 280/53, BGHZ 15, 71, 78.
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Teil 1 Rz. 90
Einführung
mitglied zwar unrechtmäßig Gratisleistungen der Gesellschaft bezieht, dies aber auch andere Organwalter unbeanstandet getan haben1.
c) Anstellungsverhältnis (Überblick) 90
Für das Anstellungsverhältnis gilt im Wesentlichen das zum Geschäftsführer Gesagte. In der AG bestehen allerdings einige vor allem durch das VorstAG (oben Rz. 75) bedingte Besonderheiten: Das VorstAG fasst unter anderem die Kriterien des § 87 AktG zur Bemessung der Vergütung neu2. Eine angemessene Vergütung will der Gesetzgeber ferner durch den Plenarvorbehalt des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG, für börsennotierte Gesellschaften zudem die Karenzzeit des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AktG sowie das Hauptversammlungsvotum nach § 120 Abs. 4 AktG3 erreichen. Ausführlich behandelt wird das Anstellungsverhältnis des Vorstandsmitglieds in den Teilen 2 und 3.
3. Unabhängigkeit 91
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Vorstandsmitgliedern und Geschäftsführern zeigt sich bei der Bindung des Organwalters durch Weisungen der Gesellschafter oder anderer Organe. Während der Geschäftsführer nach § 37 Abs. 1 GmbHG in weitem Umfang an Weisungen der Gesellschafter gebunden ist und sogar zu einem reinen Exekutivorgan herabgestuft werden kann (oben Rz. 42), hat der Vorstand die AG nach § 76 Abs. 1 AktG unter eigener Verantwortung zu leiten.
92
§ 76 Abs. 1 AktG enthält zwei Aussagen: Zum einen statuiert er die Leitungsaufgabe des Vorstandes (dazu unten Rz. 98). Zum anderen sichert § 76 Abs. 1 AktG aber auch die Unabhängigkeit des Vorstandes gegenüber den anderen Gesellschaftsorganen, er ist also eine der zentralen Vorschriften für die Kompetenzabgrenzung in der Gesellschaft. Aus § 76 Abs. 1 AktG folgt, dass der Vorstand und seine Mitglieder nicht an Weisungen des Aufsichtsrats, der Hauptversammlung oder auch einzelner Aktionäre gebunden ist4. Er trifft seine Leitungsentscheidungen nach eigenem Ermessen5. Im Einzelnen umstritten ist, ob der Vorstand bei der Ermessenausübung vorrangig den Interessen der Aktionäre oder dem eher pluralistischen Gesellschaftsinteresse verpflichtet ist6. Unabhängig davon ist der Vorstand verpflichtet, die Existenz der Gesellschaft zu sichern und für eine dauerhafte Rentabilität zu sorgen7. Das schließt es nicht aus, dass der Vorstand beschließt, aus Gesellschaftsmitteln Spenden, Stipendien oder sonstige gemeinnützigen Aufwendungen zu tätigen, sofern die Existenz der AG und das Gesellschaftsinteresse hierdurch nicht bedroht wer1 BGH v. 8.12.1977 – II ZR 219/75, WM 1978, 109, 111. 2 Statt vieler s. nur Fleischer, NZG 2009, 801 ff.; Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 ff.; Seibert, WM 2009, 1489 ff.; Thüsing, AG 2009, 517 ff. 3 Dazu Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677 ff.; Deilmann/Otte, DB 2010, 545 ff. 4 S. etwa BGH v. 5.5.2008 – II ZR 108/07, DB 2008, 1370 = Der Konzern 2008, 360. 5 BGH v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 246 = NJW 1994, 1410. 6 S. nur Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rz. 12 f. m.w.N. 7 OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 94 Teil 1
den1. Eine nach § 266 StGB strafbare Untreue kann im Einzelfall zwar vorliegen, setzt aber eine Unverhältnismäßigkeit der Leistung im Hinblick auf die Vermögens- und Ertragslage der AG, ihre Verschleierung im Innenverhältnis und einer Verheimlichung nach außen voraus2. Von dem Grundsatz eigenverantwortlicher Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand gibt es Ausnahmen: Zunächst ist der Vorstand nach § 308 Abs. 1 AktG an Weisungen eines herrschenden Unternehmens gebunden, sofern ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) besteht. Entsprechendes gilt bei einer Eingliederung der Gesellschaft, § 323 Abs. 1 AktG. Weisungsbefugt ist stets der andere Vertragsteil. Der Konzernmutter steht im mehrstufigen Konzern kein unmittelbares Weisungsrecht zu, wenn der Beherrschungsvertrag zwischen der Tochter- und der Enkelgesellschaft geschlossen wurde3. Innerhalb des herrschenden Unternehmens ist das Vertretungsorgan für die Ausübung des Weisungsrechts zuständig. Eine „Delegation“ des Weisungsrechts an eine andere Gesellschaft kann nur durch eine Vertragsübernahme erfolgen4. Empfänger der Weisung ist die abhängige Gesellschaft, vertreten durch ihren Vorstand. Das Weisungsrecht besteht in demselben Umfang, wie das Leitungsrecht des Vorstandes der abhängigen Gesellschaft besteht. Unwirksam sind daher Weisungen zu Gegenständen, die in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft fallen (vgl. auch § 308 Abs. 3 AktG)5. Unwirksam sind ferner Weisungen, die gegen zwingendes Gesetzesrecht (nicht nur Aktienrecht) verstoßen6. Bestimmt der Beherrschungsvertrag nichts anderes, so können jedoch Weisungen erteilt werden, die für die abhängige Gesellschaft nachteilig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen, § 308 Abs. 1 Satz 2 AktG. Nach § 308 Abs. 2 Satz 1 AktG ist der Vorstand grundsätzlich verpflichtet, auch solchen nachteiligen Weisungen Folge zu leisten. Nur wenn die Weisung offensichtlich nicht den Belangen des herrschenden oder denen konzernverbundener Unternehmen dient, kann er die Befolgung der Weisung verweigern, § 308 Abs. 2 Satz 2 AktG. Eine Weisung dient den Belangen des herrschenden Unternehmens, wenn ihr Effekt unmittelbar oder mittelbar seiner Vermögens- oder Ertragslage zugute kommt7. Zulässig sind nach h.L. alle Maßnahmen, die nicht unverhältnismäßig sind, insbesondere der Abzug von Liquidität zu einer Zentralstelle im Konzern (cash pool)8. Existenzbedrohende oder gar -vernichtende Weisungen sind stets unzulässig9.
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Keine Ausnahme vom, aber eine Beschränkung des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Leitung beinhaltet § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Danach haben die
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187 = NJW 2002, 1585, 1586. BGH v. 14.10.2008 – 1 StR 260/08, BGHSt 53, 6 = NJW 2008, 3580. BGH v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, AG 1990, 459, 460. BGH v. 15.6.1992 – II ZR 18/91, BGHZ 119, 1, 6 f. = NJW 1992, 2760. OLG Karlsruhe v. 7.12.1990 – 15 U 256/89, AG 1991, 144, 146. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 308 Rz. 14. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 308 Rz. 17. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 308 Rz. 17 m.w.N.; Sina, AG 1991, 1, 7 f. OLG Düsseldorf v. 7.6.1990 – 19 W 13/86, AG 1990, 490, 492.
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Teil 1 Rz. 95
Einführung
Satzung oder der Aufsichtsrat zu bestimmen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats vorgenommen werden dürfen (Zustimmungsvorbehalt). Verweigert der Aufsichtsrat seine Zustimmung, so kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt. Der Beschluss, durch den die Hauptversammlung zustimmt, bedarf einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfasst. Die Satzung kann weder eine andere Mehrheit noch weitere Erfordernisse bestimmen. Eine Durchbrechung des Grundsatzes der eigenverantwortlichen Leitung liegt hierin nicht, weil dem Aufsichtsrat keine Maßnahmen der Geschäftsführung bzw. Leitung übertragen werden, § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG. Jedoch wird der Grundsatz insoweit beschränkt, als der Aufsichtsrat ein Zustimmungsvorbehaltsrecht erhält und nach pflichtgemäßem Ermessen für wesentliche Maßnahmen auch erhalten muss1. Dies dient der präventiven Überwachung des Vorstandshandelns2. Deshalb kann das Ermessen des Aufsichtsrats im Einzelfall auf Null schrumpfen, so dass er sich seine Zustimmung vorbehalten muss3. Dies darf aber andererseits nicht so weit gehen, dass jegliches Vorstandshandeln an die Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden wird (§ 76 Abs. 1 AktG). Das schließt es nicht aus, dass ausnahmsweise auch für Einzelgeschäfte die Zustimmung des Aufsichtsrats vorbehalten wird4, etwa für Unternehmensübernahmen etc. Die Einführung eines Zustimmungsvorbehalts kann nur das Aufsichtsratsplenum beschließen, § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG. Die Zustimmung erteilen kann aber auch ein Ausschuss. 95
An Beschlüsse der Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung ist der Vorstand nur gebunden, wenn er selbst den Beschluss verlangt hat, § 119 Abs. 2 AktG.
4. Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse 96
Die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse des Vorstandes stehen diesem kraft seiner Organstellung zu und ergeben sich im Wesentlichen aus dem Gesetz sowie aus der Satzung. Der Anstellungsvertrag kann von den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich nicht abweichen5.
a) Aufgaben und Zuständigkeiten 97
Für den Vorstand einer AG gilt im Grundsatz dasselbe wie für den Geschäftsführer einer GmbH: Nach den §§ 76, 77 AktG erhält der Vorstand die Aufgaben der Leitung und Führung der Geschäfte der AG und wird hierfür auch für zu1 BT-Drucks. 14/8769, S. 17; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 111 Rz. 17; Säcker/Rehm, DB 2008, 2814, 2816 f. 2 BGH v. 11.12.2006 – II ZR 243/05, NZG 2007, 187 = AG 2007, 167. 3 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = NJW 1994, 520; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, AG 2000, 136, 138. 4 BGH v. 15.11.1993 – II ZR 235/92, BGHZ 124, 111, 127 = NJW 1994, 520; OLG Stuttgart v. 27.2.1979 – 12 U 171/77, WM 1979, 1296, 1300. 5 Vgl. BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, ZIP 1989, 1190, 1191; zur GmbH BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 99 Teil 1
ständig erklärt. Der Begriff der Geschäftsführung ist in der AG identisch mit dem in der GmbH gebräuchlichen (oben Rz. 47)1. Zur Leitung siehe sogleich Rz. 98. Spezielle Aufgaben- und Zuständigkeitszuweisungen ergeben sich aus zahlreichen Vorschriften des AktG. Sie alle zu nennen, würde den hier gegebenen Rahmen sprengen. Exemplarisch hat der Vorstand die Aufgabe und ist er dafür zuständig, auf Verlangen der Hauptversammlung solche Maßnahmen, die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, vorzubereiten (§ 83 AktG), dem Aufsichtsrat zu berichten (§ 90 AktG), die Handelsbücher zu führen, Jahresabschluss und Lagebericht dem Aufsichtsrat vorzulegen (§§ 91 Abs. 1, 170 Abs. 1 AktG), ein Überwachungssystem einzuführen, das für die Gesellschaft existenzbedrohende Risiken erkennt (§ 91 Abs. 2 AktG), die Hauptversammlung bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals einzuberufen bzw. Insolvenz anzumelden (§ 92 AktG, § 15a InsO), die Einberufung des Aufsichtsrats durch dessen Vorsitzenden zu verlangen (§ 110 Abs. 1 AktG), die Hauptversammlung einzuberufen (§ 121 Abs. 2 AktG), eine Niederschrift der Hauptversammlung dem Handelsregister einzureichen (§ 130 Abs. 5 AktG) usw. Die §§ 76, 77 AktG unterscheiden zwischen der Geschäftsführung und der Leitung der Gesellschaft. Nach h.L2. handelt es sich bei der Leitung der Gesellschaft um einen herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung. Leitung bedeutet demnach die Führung der Gesellschaft, wobei die Abgrenzung zwischen Leitung und Geschäftsführung bislang nur in Umrissen gelungen ist. Je stärker das strategische, planende Element überwiegt, desto eher ist von einer Maßnahme der Leitung und nicht der Geschäftsführung auszugehen. Umgekehrt deutet ein Überhang des exekutiven Elements auf eine Maßnahme der Geschäftsführung hin. Die Abgrenzung ist insoweit von Bedeutung, als Maßnahmen der Geschäftsführung auf einzelne Mitglieder des Vorstands, nachgeordnete Unternehmensangehörige oder Dritte delegiert werden können, während die Leitung ureigenste Aufgabe des Vorstandes und damit nicht delegierbar ist3.
98
b) Befugnisse Bei den Befugnissen des Vorstandes ist wie in der GmbH zwischen Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden (oben Rz. 46). Maßnahmen im Innenverhältnis werden gestützt auf die (grundsätzlich auch das Außenverhältnis mit umfassende) Geschäftsführungsbefugnis, Maßnahmen im Außenverhältnis auf die Vertretungsbefugnis. Tatsächliches Handeln der Mitglieder des Vorstands wird der AG über § 31 BGB zugerechnet4. 1 Vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 77 Rz. 3; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 77 Rz. 6. 2 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rz. 7; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rz. 15 f.; Fleischer, ZIP 2003, 1, 3; Schwark, ZHR 142 (1978), 203, 215 f., jeweils m.w.N. 3 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 76 Rz. 15 und 19; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rz. 7. 4 S. etwa BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451 f.
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Teil 1 Rz. 100
Einführung
aa) Geschäftsführungsbefugnis 100
Die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes behandelt § 77 AktG. Der Gegenstand der Geschäftsführung ist in GmbH (oben Rz. 47) und AG im Grundsatz identisch, jedoch umfasst die Geschäftsführung in der AG auch die Leitung (§ 76 AktG) als besonders herausgehobenen Teilbereich der Geschäftsführung. Die Geschäftsführungsbefugnis ist in der AG aber noch etwas weiter gefasst als in der GmbH, weil der Vorstand nach § 76 Abs. 1 AktG grundsätzlich nicht an Weisungen der anderen Gesellschaftsorgane gebunden ist (oben Rz. 92).
101
Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands kann Abweichendes bestimmen; es kann jedoch nicht bestimmt werden, dass ein oder mehrere Vorstandsmitglieder Meinungsverschiedenheiten im Vorstand gegen die Mehrheit seiner Mitglieder entscheiden, § 77 Abs. 1 Satz 2 AktG. Der Vorstand entscheidet durch einstimmigen1, formfreien Beschluss, der auch konkludent gefasst werden kann2. Die Geschäftsordnung oder die Satzung können dagegen auch eine Beschlussfassung durch einfache Mehrheit vorsehen. Sie können dem Vorstandsvorsitzenden (§§ 84 Abs. 2, 80 Abs. 1 AktG) ein Recht zum Stichentscheid bei Stimmengleichheit gewähren3, sofern der Vorstand aus mehr als zwei Personen besteht4. Die Geschäftsordnung oder die Satzung können einzelnen Vorstandsmitgliedern grundsätzlich auch ein Vetorecht einräumen5. In einer der paritätischen Mitbestimmung unterliegenden Gesellschaft ist es nach Ansicht des BGH aber mit Rücksicht auf die Rechtsstellung des Arbeitsdirektors unzulässig, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein allgemeines Vetorecht einzuräumen6. Die Mitglieder des Vorstands unterliegen im Rahmen der Beschlussfassung nach h.L. analog § 34 BGB einem Stimmverbot bei Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten zwischen ihnen selbst und der Gesellschaft7.
102
Einzelheiten zu Erlass und Inhalt der Geschäftsordnung des Vorstandes enthält § 77 Abs. 2 AktG. Der Vorstand kann sich danach eine Geschäftsordnung geben, wenn nicht die Satzung den Erlass der Geschäftsordnung dem Aufsichtsrat übertragen hat oder der Aufsichtsrat eine Geschäftsordnung für den Vorstand erlässt. Die Satzung kann Einzelfragen der Geschäftsordnung bindend regeln. Beschlüsse des Vorstands über die Geschäftsordnung müssen einstimmig gefasst werden. Gesetzlich nicht geregelt ist die Form der Geschäftsordnung. 1 2 3 4 5
Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 77 Rz. 6; Erle, AG 1987, 7; Priester, AG 1984, 253. Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 77 Rz. 24 m.w.N. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = NJW 1984, 733. OLG Karlsruhe v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, DB 2000, 1653 = AG 2001, 93, 94. OLG Karlsruhe v. 23.5.2000 – 8 U 233/99, DB 2000, 1653 = AG 2001, 93, 94; offen gelassen in BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 58 = NJW 1984, 733. 6 BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48, 59 = NJW 1984, 733. 7 Allg. Ansicht, vgl. Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 77 Rz. 22; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 580; s. für Aufsichtsratsmitglieder OLG München v. 13.10.2005 – 23 U 1949/05, NZG 2006, 313, 314.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 106 Teil 1
Nach ganz h.L. bedarf diese der Schriftform1, wobei eine eigenhändige Unterschrift (§ 126 BGB) nicht erforderlich sein soll. Im Rahmen der Geschäftsführung hat der Vorstand die ihm durch das Gesetz, die Satzung und die Geschäftsordnung gezogenen Grenzen zu beachten (Legalitätspflicht), vgl. auch § 82 Abs. 2 AktG. Wie der Geschäftsführer treffen ihn eine Überwachungs- und eine Sorgfaltspflicht i.e.S. (vgl. insbesondere § 91 Abs. 2 AktG, zum Ganzen oben Rz. 49 ff.). Die Mitglieder des Vorstands unterliegen einer organschaftlichen Treuepflicht, deren Einzelausprägungen die Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG) und das Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG) sind2. Dem Vorstand ist es zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft insbesondere verboten, Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu leisten (§ 92 Abs. 2 AktG, § 15a InsO) und Einlagen an die Aktionäre zurückzugewähren (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AktG).
103
Allgemein haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Eine Pflichtverletzung liegt aber nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Diese business judgement rule soll verhindern, dass der Vorstand haftet, wenn sich geschäftliche Risiken realisieren, die einzugehen vernünftig war, weil die Chancen für die Gesellschaft aus objektiver Sicht ex ante überwogen. Im Eingehen solcher auf sachlicher Entscheidungsgrundlage zum Wohle der Gesellschaft eingegangener Risiken liegt der Kern unternehmerischen Handelns. In der Ausübung seines Geschäftsleiterermessens soll der Vorstand nicht beschnitten, sondern gerade geschützt werden, indem er von der Haftung nach § 93 Abs. 2 AktG dadurch freigestellt wird, dass das Gesetz seinem Handeln den Vorwurf der Pflichtwidrigkeit nimmt3.
104
bb) Vertretungsbefugnis Die zentrale Vorschrift über die Vertretungsbefugnis des Vorstands findet sich in § 78 AktG. Bei der Vertretungsbefugnis des Vorstands ist wie in der GmbH (oben Rz. 52 f.) zwischen der Aktiv- und der Passivvertretung zu unterscheiden. Gegenüber dem Vorstand wird die AG durch den Aufsichtsrat vertreten, § 112 AktG.
105
(1) Aktivvertretung Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG vertritt der Vorstand die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Diese organschaftliche Vertretungsbefugnis entsteht mit 1 Kort in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 2009, § 77 Rz. 78; Fleischer in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 77 Rz. 68; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 77 Rz. 54. 2 Ausführlich zum Pflichtenheft des Vorstands Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, §§ 7 bis 10. 3 Vgl. zum Ganzen BGH 24.2.1997 – II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 398 = NJW 1997, 1923; Fleischer, ZIP 2004, 685 f.; Lutter, ZIP 2007, 841 ff.; Paeffgen, AG 2004, 245, 247; Paeffgen, NZG 2009, 891 f. m.w.N.
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106
Teil 1 Rz. 107
Einführung
der Bestellung1. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt, nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AktG sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt. Diese Form der Gesamtvertretung korrespondiert mit der Ausgestaltung der Gesamtgeschäftsführung in § 77 Abs. 1 AktG. Die Satzung kann nach § 78 Abs. 3 Satz 1 AktG auch bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder allein oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind (unechte Gesamtvertretung). Dasselbe kann nach § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG der Aufsichtsrat bestimmen, wenn die Satzung ihn hierzu ermächtigt hat. Zur Gesamtvertretung berechtigte Vorstandsmitglieder können nach § 78 Abs. 4 AktG einzelne von ihnen zur Vornahme eines bestimmten Rechtsgeschäfts ermächtigen. In besonderen, gesetzlich benannten Vertretungslagen kann der Vorstand nur gemeinschaftlich mit dem Aufsichtsrat die Gesellschaft vertreten2. Einen Insolvenzantrag kann hingegen jedes Vorstandsmitglied allein stellen, § 15 Abs. 1 InsO. 107
Zur Gesamtvertretung genügt es, dass ein Vorstandsmitglied die Willenserklärung abgibt und die anderen – auch nachträglich – zustimmen3. Für das Eingreifen von Willensmängeln reicht aus, dass ein Vorstandsmitglied dem Mangel unterliegt. Das gilt für tatsächliche Kenntnis4 ebenso wie für die Bösgläubigkeit nach § 892 BGB5.
108
Die Vertretungsbefugnis des Vorstands ist nach dem AktG unbeschränkt (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG) und unbeschränkbar (§ 82 Abs. 1 AktG). Den Beschränkungen des § 181 BGB unterliegt der Vorstand aber ebenso wie der Geschäftsführer6. Praktisch wird aber nur der Fall der Mehrvertretung, weil bei Insichgeschäften der Aufsichtsrat nach § 112 AktG die Gesellschaft vertritt7. Die Vertretungsbefugnis wird ferner nach allgemeinen Regeln eingeschränkt in den Fällen der Kollusion und des Missbrauchs der Vertretungsmacht (oben Rz. 56)8. Das ist mit den Vorgaben der Publizitätsrichtlinie vereinbar9.
109
Die unechte Gesamtvertretung nach § 78 Abs. 3 Satz 1 AktG setzt Gesamtvertretung voraus, sie ist also unzulässig, wenn für das betroffene Vorstandsmitglied ansonsten Einzelvertretung gilt10. Soweit eine unechte Gesamtvertretung angeordnet ist, richtet sich der Umfang der Vertretungsmacht des Prokuristen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
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BGH v. 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72, 75 = NJW 1975, 1117. Ausführlich Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 78 Rz. 8. Vgl. Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 78 Rz. 12 m.w.N. RG v. 14.2.1913 – II 378/12, RGZ 81, 325, 329. BGH v. 13.10.2000 – V ZR 349/99, NJW 2001, 359, 360 (zur Genossenschaft). BGH v. 19.4.1971 – II ZR 98/68, BGHZ 56, 97, 101 = NJW 1971, 1355; einschränkend BGH v. 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72, 75 = NJW 1975, 1117 (zweifelhaft). Ausführlich Bachmann, NZG 2001, 961, 965 f. BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 112, 114 = NJW 1968, 1379. Vgl. EuGH v. 16.12.1997 – C-104/96, Slg 1997, I-7211 – Rabobank zum niederländischen Recht. BGH v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 65 = NJW 1954, 1158; BGH v. 6.2.1958 – II ZR 210/56, BGHZ 26, 330, 333 = NJW 1958, 668.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 112 Teil 1
nicht nach den für die Prokura geltenden Vorschriften (dazu unten Rz. 127 ff.), sondern nach den Regeln des AktG über die organschaftliche Vertretung1. Wird nach § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG ein einzelnes Vorstandsmitglied zur Vornahme eines Geschäfts ermächtigt, kann dies gegenüber dem Vorstandsmitglied oder gegenüber dem Geschäftspartner erfolgen. Es handelt sich dabei um eine Erweiterung der Gesamtvertretungsmacht zur Einzelvertretungsmacht2. Die Ermächtigung bedarf keiner Form, sie ist auch konkludent möglich3. Sie kann sich nur auf einzelne Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken4. Deshalb muss die Ermächtigung hinreichend präzise gefasst sein. Unzulässig ist es nach § 78 Abs. 4 AktG etwa, alle Beziehungen der AG zu der Hausbank in die Hände eines Vorstandsmitglieds zu legen5. Die Einzelermächtigung kann entsprechend §§ 170, 171 BGB jederzeit, formfrei und ohne Grund widerrufen werden.
110
(2) Passivvertretung Sonderregeln gelten für die Passivvertretung der AG. Hat eine Gesellschaft keinen Vorstand (Führungslosigkeit), wird sie für den Fall, dass ihr gegenüber Willenserklärungen abgegeben oder Schriftstücke zugestellt werden, durch den Aufsichtsrat vertreten, § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG. Ist eine Willenserklärung gegenüber der Gesellschaft abzugeben, so gilt Einzelvertretung: Es genügt die Abgabe gegenüber einem Vorstandsmitglied oder im Fall des § 78 Abs. 1 Satz 2 AktG gegenüber einem Aufsichtsratsmitglied, § 78 Abs. 2 Satz 2 AktG. An die Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats können unter der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft abgegeben und Schriftstücke für die Gesellschaft zugestellt werden, § 78 Abs. 2 Satz 3 AktG.
111
5. Haftung (Überblick) Wie in der GmbH (oben Rz. 59 f.) ist auch in der AG zwischen der Binnenhaftung der Mitglieder des Vorstands gegenüber der AG und der Außenhaftung gegenüber Gläubigern, Aktionären oder sonstigen Dritten zu unterscheiden. Gegenüber der AG haften die Mitglieder des Vorstands nach § 93 Abs. 2 AktG (Generalklausel) sowie in den Spezialfällen des § 93 Abs. 3 AktG. Ein Verzicht auf diese Ansprüche ist nur nach Maßgabe des § 93 Abs. 4 AktG möglich. 1 BGH v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 64 = NJW 1954, 1158; BGH v. 14.2.1974 – II ZB 6/73, BGHZ 62, 166, 170 = NJW 1974, 1194; BayObLG v. 19.6.1973 – BReg 2 Z 21/73, BayObLGZ 1973, 158, 159 = NJW 1973, 2068. 2 BGH v. 6.3.1975 – II ZR 80/73, BGHZ 64, 72, 75 = NJW 1975, 1117; BGH v. 13.6.1984 – VIII ZR 125/83, BGHZ 91, 334, 336 = NJW 1985, 2085; BGH v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, AG 1986, 259 = WM 1986, 315, 316. 3 BAG v. 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, NJW 1981, 2374; OLG Köln v. 16.11.1976 – 15 U 69/76, OLGZ 1977, 343, 345. 4 BGH v. 31.3.1954 – II ZR 57/53, BGHZ 13, 61, 65 = NJW 1954, 1158; BGH v. 12.12.1960 – II ZR 255/59, BGHZ 34, 27, 30 = NJW 1961, 506; BGH v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, AG 1986, 259 = WM 1986, 315, 316. 5 BGH v. 25.11.1985 – II ZR 115/85, AG 1986, 259 = WM 1986, 315, 316.
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Teil 1 Rz. 113
Einführung
Gläubiger können diese Ansprüche nach § 93 Abs. 5 AktG geltend machen und die Verjährung beträgt nach § 93 Abs. 6 AktG fünf Jahre. 113
Gegenüber Aktionären persönlich haften die Mitglieder des Vorstands nicht nach § 93 Abs. 2 AktG. Allerdings kann der Vorstand nach allgemeinen Regeln den Aktionären haften, etwa nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB1, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB oder §§ 399, 400 AktG2. § 93 AktG selbst ist kein Schutzgesetz3. Möglich ist auch eine Haftung nach § 826 BGB4. Soweit Aktionären hiernach dem Grunde nach Ansprüche zustehen, sind diese jedoch auf der Rechtsfolgenseite in der Regel nur auf Leistung an die Gesellschaft gerichtet, nämlich dann, wenn der Schaden des Aktionärs gerade in der Entwertung seiner Aktie besteht5.
114
Dritten gegenüber (auch Gläubigern) haften die Mitglieder des Vorstandes ebenfalls nicht nach § 93 Abs. 2 AktG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften, also wiederum den §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB, §§ 823 ff. BGB. Siehe ausführlich zur Haftung des Vorstandes Teil 7.
6. Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts 115
Auch für die Mitglieder des Vorstands ergeben sich Besonderheiten in Bezug auf die Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts, wobei hier teilweise ausdrückliche gesetzliche Sonderregeln bestehen.
a) Arbeitsrecht 116
Wie der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ist auch der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds ein Dienst- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag6. Gleichwohl ist – anders als bei dem Geschäftsführer (oben Rz. 68 ff.) – für Mitglieder des Vorstands einer AG unstreitig, dass diese keine Arbeitnehmer sind7. Der BGH begründet dies regelmäßig damit, dass der Vorstand Arbeitgeberfunktio-
1 BGH v. 2.6.2008 – II ZR 210/06, BGHZ 177, 25 = AG 2008, 662, 663 ff. 2 BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; BGH v. 11.7.1988 – II ZR 243/87, BGHZ 105, 121, 124 f. = NJW 1988, 2794; OLG München v. 18.11.2003 – 5 U 2312/03, ZIP 2004, 462. 3 LG Bonn v. 15.5.2001 – 11 O 181/00, AG 2001, 484, 486; LG Düsseldorf v. 7.7.1989 – 32 O 39/89, AG 1991, 70, 71. 4 BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 151 ff. = NJW 2004, 2971; BGH v. 9.5.2005 – II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; LG Frankfurt v. 28.4.2003 – 3-7 O 47/02, 3-07 O 47/02, NJW-RR 2003, 1049 = AG 2003, 461. 5 BGH v. 22.10.1984 – II ZR 2/84, NJW 1985, 1900; BGH v. 10.11.1986 – II ZR 140/85, NJW 1987, 1077, 1079 f.; BGH v. 29.6.1987 – II ZR 173/86, NJW 1988, 413, 415; BGH v. 20.3.1995 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 165 = NJW 1995, 1739; BGH v. 21.10.2002 – II ZR 118/02, NZG 2003, 85. 6 BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 191 = NJW 1953, 1465; BGH v. 7.12.1961 – II ZR 117/60, BGHZ 36, 142, 143 = NJW 1962, 340. 7 S. nur Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 84 Rz. 11; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 50; Henssler, RdA 1992, 289, 291 f., jeweils m.w.N.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 117 Teil 1
nen ausübt und daher kein Arbeitnehmer sein könne1. Wie noch zu zeigen ist (unten Rz. 120), üben aber auch leitende Angestellte teilweise Arbeitgeberfunktionen aus, obwohl sie selber Arbeitnehmer sind. Überzeugender ist es daher, auf die durch § 76 Abs. 1 AktG garantierte Weisungsfreiheit des Vorstandes abzustellen. Gleichwohl sollen – ähnlich wie bei dem GmbH-Geschäftsführer – einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften auf den Vorstand entsprechend anzuwenden sein, wenn dieser eine arbeitnehmerähnliche Position einnimmt. Ob dies wegen § 76 Abs. 1 AktG überhaupt möglich ist, ist zweifelhaft. Bejaht wurde von der Rechtsprechung aber etwa die Anwendung der Regeln über die betriebliche Übung als Auslegungshilfe2 sowie die Geltung eines abgeschwächten Gleichbehandlungsgrundsatzes3. In der Literatur wird darüber hinaus die Rechtsprechung zum GmbH-Geschäftsführer in weitem Umfang als „verallgemeinerungsfähig“ herangezogen4. Das überzeugt nicht, denn der Vorstand ist anders als der Geschäftsführer grundsätzlich weisungsfrei und kann damit kraft Gesetzes ein maßgebliches Kriterium des Arbeitnehmerbegriffs (Weisungsgebundenheit) nicht erfüllen5. Allenfalls in engen Grenzen kann die analoge Anwendung von Vorschriften des Arbeitsrechts erwogen werden. Ausgeschlossen ist dies aber, soweit Vorstandsmitglieder ausdrücklich von dem Anwendungsbereich arbeitsrechtlicher Gesetze ausgeschlossen sind, wie in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG, § 3 Abs. 1 Satz 2 MitbestG, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG, § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Unanwendbar sind ferner das SGB IX6, die §§ 74 ff. HGB7, die Regeln über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung8. Nicht anwendbar dürfte wegen der Fünfjahresfrist des § 84 Abs. 1 Satz 1 und 5 AktG grundsätzlich auch § 625 BGB sein9. Unanwendbar ist ferner das Arbeitnehmererfindungsgesetz10. Anwendbar ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 3 AGG dessen Diskriminierungsschutz. Auch wird man die Rechtsprechung des BGH zur vereinbarten Anwendung des KSchG auf den Geschäftsführer11 für Mitglie-
1 BGH v. 11.7.1953 – II ZR 126/52, BGHZ 10, 187, 191 = NJW 1953, 1465; BGH v. 7.12.1961 – II ZR 117/60, BGHZ 36, 142, 143 = NJW 1962, 340; BGH v. 16.12.1953 – II ZR 41/53, BGHZ 12, 1, 8 = NJW 1954, 505; BGH v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30, 31 = NJW 1968, 396; BGH v. 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38, 41 = NJW 1981, 757. 2 BGH v. 19.12.1994 – II ZR 244/93, NJW-RR 1995, 796 = AG 1995, 188. 3 BGH v. 14.5.1990 – II ZR 122/89, NJW-RR 1990, 1313; BGH v. 19.12.1994 – II ZR 244/93, NJW-RR 1995, 796. 4 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 76 Rz. 17. 5 So auch Fleischer in: Spindler/Stilz, 2. Aufl. 2010, § 84 Rz. 25; Spindler in: MüKoAktG, 3. Aufl. 2008, § 84 Rz. 51; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, 2006, § 4 Rz. 54. 6 BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435 = BB 1978, 520; OLG Hamm v. 2.6.1986 – 8 U 298/85, ZIP 1987, 121 = GmbHR 1987, 307 = EWiR 1987, 271. 7 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, BGHZ 91, 1, 3 = NJW 1984, 2366 = WM 1984, 996. 8 Zur Genossenschaft BGH v. 27.2.1975 – II ZR 112/72, VersR 1975, 612. 9 So auch OLG Karlsruhe v. 13.10.1995 – 10 U 51/95, AG 1996, 224, 227; offen gelassen BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205, 1207. 10 BGH v. 24.10.1989 – X ZR 58/88, WM 1990, 350, 351. 11 BGH v. 10.52010 – II ZR 70/09, ZIP 2010, 1288, 1289.
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Teil 1 Rz. 118
Einführung
der des Vorstands entsprechend anwenden können, da § 76 Abs. 1 AktG dem nicht entgegensteht.
b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung 118
Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Stellung der Mitglieder des Vorstands ist nach den einzelnen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung zu differenzieren. § 1 Satz 4 SGB VI (Rentenversicherung) und § 27 Abs. 1 Nr. 5 SGB III (Arbeitslosenversicherung) bestimmen, dass Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, in dieser Beschäftigung versicherungsfrei sind. Konzernunternehmen i.S.d. § 18 AktG gelten als ein Unternehmen. Daraus folgt, dass Mitglieder des Vorstands einer AG in der Renten- und Arbeitslosenversicherung nur dann versicherungspflichtig sind, soweit sie neben dem Vorstandsamt eine andere Tätigkeit ausüben. Für die übrigen Bücher des SGB fehlt eine solche Regelung. Deshalb gilt hier die allgemeine Definition des § 7 SGB IV. Anders als bei dem Geschäftsführer steht in der AG wiederum § 76 Abs. 1 AktG einer Qualifikation der Vorstandstätigkeit als nichtselbständiger, weisungsgebundener Beschäftigung entgegen. In diese Richtung deutet auch die Rechtsprechung des 2. Senats des BSG1, während der 12. Senat – nicht überzeugend – auf § 111 AktG verweist und die Versicherungspflicht bejaht2. Eine einheitliche Linie hat die Rechtsprechung bislang also nicht gefunden3.
III. Leitende Angestellte 119
Ganz erhebliche Unterschiede bestehen zwischen den Organwaltern einerseits und den leitenden Angestellten andererseits. Dies gilt namentlich für die Anwendung des Arbeits- und Sozialrechts, aber auch für Fragen wie Vertretung und Haftung.
1. Anwendung des Arbeits- und Sozialversicherungsrechts 120
Sowohl die leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG als auch diejenigen i.S.d. § 14 Abs. 2 KSchG verpflichten sich auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Mit anderen Worten sind sie Arbeitnehmer, anders als Geschäftsführer (oben Rz. 68 ff.) und Mitglieder des Vorstands (oben Rz. 116 f.). Gleichzeitig unterscheiden sie sich damit auch vom Handelsvertreter i.S.d. § 84 HGB, der als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig in diesem Sinne ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Obwohl leitende Angestellte nicht selten über ein hohes Maß an 1 BSG v. 14.12.1999 – B 2 U 38/98 R, AG 2000, 361. 2 BSG v. 19.6.2001 – B 12 KR 44/00 R, NZS 2002, 199. 3 S. aus der neueren Literatur deshalb etwa Grambow, AG 2010, 477 ff.; Diller, AG 2009, 817 ff.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 122 Teil 1
Selbstbestimmung verfügen, sind sie doch dergestalt in das Unternehmen des Arbeitgebers eingebunden, dass ihre Tätigkeit nicht als im Wesentlichen frei bezeichnet werden kann. Das gilt sowohl für Umfang und Lage der Arbeitszeit als auch für den Inhalt ihrer Tätigkeit. Meist wird diese Tätigkeit durch die Unternehmensleitung unter Ausübung ihres Direktionsrechts (§ 106 GewO) konkretisiert, ist also fremdbestimmt. Die eingangs zitierten Beispiele leitender Angestellter belegen dies recht anschaulich (oben Rz. 12 und Rz. 17). Nicht zu verkennen ist aber auch, dass leitende Angestellte teilweise Arbeitgeberfunktionen ausüben und ihre Tätigkeit – wie die Personalplanung, Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern oder die Entwicklung von Arbeitsabläufen – derjenigen von Geschäftsführern nicht unähnlich ist1. Das führt dazu, dass arbeitsrechtliche Vorschriften zumindest nicht uneingeschränkt Anwendung finden können.
a) Arbeitsrecht Da leitende Angestellte Arbeitnehmer sind, gelten für sie auch grundsätzlich die arbeitsrechtlichen Regeln. Das gilt namentlich für den Sonderkündigungsschutz in § 9 MuSchG, § 18 BEEG, §§ 85 ff. SGB IX2. Teilweise enthalten arbeitsrechtliche Vorschriften aber gesetzliche Ausnahmen für die leitenden Angestellten. Das gilt für § 5 Abs. 3 BetrVG (dazu oben Rz. 6) und § 14 Abs. 2 KSchG (dazu oben Rz. 15), aber auch für § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG, § 3 Abs. 1 MitbestG. Leitende Angestellte fallen ferner nach § 17 Abs. 5 Nr. 3 KSchG nicht unter die Massenentlassungsanzeigepflicht. Gleichzeitig obliegen ihnen gesteigerte Leistungstreue- und Rücksichtnahmepflichten. Angestellte in leitenden Positionen mit bedeutsamen Entscheidungsbefugnissen sind verpflichtet, vor Entscheidungen im Rahmen ihres Verantwortungsbereiches den Arbeitgeber über mögliche Konflikte zwischen eigenen und Arbeitgeberinteressen (z.B. verwandtschaftliche Beziehungen zum Geschäftspartner) zu unterrichten. Ein Verstoß dagegen ist geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen3.
121
Bei der Anwendung der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich gilt es zu differenzieren: Der BGH hat die Anwendung dieser Grundsätze bzw. der Grundsätze zur gefahrgeneigten Arbeit auf den Geschäftsführer einer Innungskrankenkasse4, den Justitiar eines Unternehmens5 und den Leiter der Kreditabteilung einer Bank6 verneint. Das BAG hat die Haftungsbeschränkung jedenfalls bejaht, wenn der leitende Angestellte den Schaden nicht bei einer für seine Position charakteristischen Tätigkeit verursacht hat7. Folgerichtig hat es den Sonderschutz verneint, wenn ein leitender Angestellter seine Schutzpflich-
122
1 2 3 4 5 6
Vgl. zum Ganzen auch ErfK/Preis, 11. Aufl. 2011, § 611 BGB Rz. 105. So auch Richardi in: MünchHdbArbR, 3. Aufl. 2009, § 19 Rz. 66. LAG Nürnberg v. 5.9.1990 – 3 Sa 346/89, DB 1990, 2330. BGH v. 14.2.1985 – IX ZR 145/83, BGHZ 94, 18 = VersR 1985, 693, 695 f. BGH v. 7.10.1969 – VI ZR 223/67, BB 1969, 1435 = NJW 1970, 34. BGH v. 25.2.1969 – VI ZR 225/67, VersR 1969, 474, 477; a.A. LAG NI v. 7.7.2003 – 5 Sa 188/02, NZA-RR 2004, 142. 7 BAG v. 11.11.1976 – 3 AZR 266/75, BB 1977, 245.
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Teil 1 Rz. 123
Einführung
ten gegenüber ihm nachgeordneten Arbeitnehmern bei der Ausübung seines Weisungsrechts verletzt1. Der BGH nähert sich dem BAG mittlerweile an. So hält er die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs bei betrieblich veranlasster Tätigkeit inzwischen für einen Prokuristen zumindest im Grundsatz für anwendbar2. Auch in der Literatur wird überwiegend für die Anwendung der Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung plädiert3.
b) Sozialversicherungsrechtliche Stellung 123
Für die sozialversicherungsrechtliche Stellung leitender Angestellter kommt es maßgeblich darauf an, ob sie abhängig Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV sind oder nicht. Da leitende Angestellte als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, ist dies in der Regel zu bejahen. Die Rechtsprechung zieht dabei die zum Geschäftsführer angestellten Erwägungen entsprechend heran4. So wurden von der Rechtsprechung als Beschäftigte i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV angesehen etwa der Prokurist einer KG, der zugleich Kommanditist bei dieser ist5, die Ehefrau des Geschäftsführers einer KG, deren Angestellte die Ehefrau ist, auch bei Bestehen einer Ehegatten-Innengesellschaft6, der Ehemann als Angestellter seiner Frau, die ein Unternehmen als Einzelkauffrau betreibt7 oder der Minderheitsgesellschafter einer GmbH, der zugleich deren Angestellter ist8 und der stille Gesellschafter einer Steuerberatungs-GmbH, der zugleich bei dieser angestellt ist9.
2. Ausübung von Arbeitgeberfunktionen 124
Entsprechend der eingangs beschriebenen Eigenschaften der leitenden Angestellten (Rz. 120) üben diese teilweise Arbeitgeberfunktionen aus. Das gilt namentlich für das Direktionsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO). Kraft des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dieses Direktionsrecht kann er zur Ausübung auf einen Dritten übertragen10. Obwohl leitende Angestellte selber dem Direktionsrecht der Unternehmensleitung unterworfen sind, üben sie ihrerseits das Direktionsrecht gegenüber den ihnen nachgeordneten Unternehmensangehörigen aus, soweit es der Arbeitgeber an sie delegiert hat. Darüber hinaus können sie auch zu Einstellun1 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 593/06, BAGE 124, 295 = NZA 2008, 223. 2 BGH v. 25.6.2001 – II ZR 38/99, BGHZ 148, 167, 172 = DB 2001, 1770. 3 ErfK/Preis, 11. Aufl. 2011, § 619a BGB Rz. 19; Henssler in: MüKoBGB, 5. Aufl. 2009, § 619a Rz. 15; Waltermann, NZA 2005, 98, 100, jeweils m.w.N. 4 LSG Celle v. 21.4.2010 – L 2 R 646/09 m.w.N. 5 LSG Celle v. 21.4.2010 – L 2 R 646/09. 6 LSG Stuttgart v. 23.2.2010 – L 11 KR 2460/09. 7 LSG Potsdam v. 8.1.2010 – L 1 KR 30/09. 8 LSG Nordrhein-Westfalen v. 10.12.2009 – L 5 KR 124/09. 9 BSG v. 24.1.2007 – B 12 KR 31/06 R, NZS 2007, 648. 10 S. nur BAG v. 9.12.2009 – 7 ABR 38/08, DB 2010, 1409, 1411 Tz. 23.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 126 Teil 1
gen oder Entlassungen von Arbeitnehmern berechtigt sein, namentlich, wenn sie die Personalabteilung leiten. Für den Begriff des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sowie in § 14 Abs. 2 KSchG ist dies sogar konstitutiv. Folge der Stellung als Leiter der Personalabteilung ist dann etwa, dass eine Kündigung als einseitiges Rechtsgeschäft trotz § 174 BGB auch ohne Vorlage der Vollmachtsurkunde wirksam ist1.
3. Umfang der Vertretungsmacht In welchem Umfang ein leitender Angestellter für den Arbeitgeber tätig werden kann und darf, richtet sich nach seiner Vertretungsmacht („rechtliches Können“) und dem ihr zugrundeliegenden Rechtsgeschäft, also dem Arbeitsvertrag, der durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers konkretisiert wird („rechtliches Dürfen“). Das entspricht in etwa der Unterscheidung zwischen Innen- und Außenverhältnis bei den Organwaltern. Anders als bei diesen handelt der leitende Angestellte aber nicht aufgrund organschaftlicher, sondern aufgrund rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht (§§ 164 ff. BGB). Diese hat in den Fällen der Prokura (§§ 48 ff. HGB) und der Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) einen gesetzlich definierten Umfang. Oft wird leitenden Angestellten Prokura oder Generalvollmacht erteilt, so dass § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG diese Formen der Vollmacht als konstituierend für den Begriff des leitenden Angestellten benennt.
125
Der Begriff der Generalvollmacht ist allerdings nicht legaldefiniert. Teilweise wird der Generalbevollmächtigte unter Verweis auf § 105 Abs. 1 AktG als ein zum gesamten Geschäftsbetrieb ermächtigter Handlungsbevollmächtigter umschrieben2. Der BGH sieht in einem Generalbevollmächtigten eine nach den §§ 167 ff. BGB zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte bevollmächtigte natürliche Person3. Im betriebsverfassungsrechtlichen Schrifttum wird die Generalvollmacht teilweise auch umschrieben als Sonderfall einer Handlungsvollmacht nach § 54 Abs. 1 HGB4, während das handelsrechtliche Schrifttum und die Rechtsprechung dann von einer Generalhandlungsvollmacht sprechen5. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BetrVG nennt nach Ansicht des BAG die Generalvollmacht, weil ihre Erteilung dem Bevollmächtigten nach der Verkehrsanschauung in der Wirtschaft eine Rechtsstellung verschafft, die zwischen der eines Vorstandsmitglieds und der eines Prokuristen liegt6. Bei allen Unterschieden
126
1 BAG v. 22.1.1998 – 2 AZR 267/97, NZA 1998, 699 = ZIP 1998, 748, 749; BAG v. 18.5.1994 – 2 AZR 920/93, DB 1994, 1984, 1986; BAG v. 30.5.1972 – 2 AZR 298/71, BAGE 24, 273 = NJW 1972, 1877; BAG v. 29.10.1992 – 2 AZR 460/92, NJW 1993, 1286; LAG Niedersachsen v. 19.9.2003 – 16 Sa 694/03, NZA-RR 2004, 195, 196; OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, 15 U 225/02, NZG 2004, 141, 144. 2 Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 105 Rz. 4; ebenso ErfK/Koch, 11. Aufl. 2011, § 5 BetrVG Rz. 20; Fitting, BetrVG, 25. Aufl. 2010, § 5 Rz. 342. 3 BGH v. 18.7.2002 – III ZR 124/01, NZG 2002, 813 f. 4 Richardi in: Richardi, BetrVG, 12. Aufl. 2009, § 5 Rz. 203; Trümner in: Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 12. Aufl. 2010, § 5 Rz. 205. 5 KG Berlin 11.6.1991 – 1 W 1581/91, OLGZ 1992, 150 = NJW-RR 1992, 34; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, Vor § 48 Rz. 2. 6 BAG v. 5.3.1974 – 1 ABR 19/73, BAGE 26, 36 = BB 1974, 553.
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Teil 1 Rz. 127
Einführung
im Detail handelt es sich bei einer Generalvollmacht jedenfalls um eine umfassende Vollmacht, die zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte im Tätigkeitsbereich des Bevollmächtigten berechtigt.
a) Prokura 127
Regelungen zur Prokura finden sich in den §§ 48 ff. HGB.
aa) Erteilung 128
Die Prokura kann nur von dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden, § 48 Abs. 1 HGB. Wird sie an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt, handelt es sich um eine Gesamtprokura, § 48 Abs. 2 HGB. Die Erteilung der Prokura ist von dem Inhaber des Handelsgeschäfts zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ist die Prokura als Gesamtprokura erteilt, so muss auch dies zur Eintragung angemeldet werden, § 53 Abs. 1 HGB.
129
In personeller Hinsicht können Prokura erteilen also nur der Kaufmann (§§ 1 ff. HGB) sowie die Handelsgesellschaften und juristischen Personen des § 6 HGB (OHG, KG, GmbH, AG etc.) sowie deren gesetzliche Vertreter. Nicht zur Erteilung einer Prokura berechtigt ist der Prokurist selbst („keine Unterprokura“), ein Kleingewerbetreibender sowie trotz § 7 Abs. 3 PartGG die Partnerschaftsgesellschaft1. Prokurist werden können nach h.L. nur natürliche Personen, nicht juristische Personen oder Gesamthandsgemeinschaften2.
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Erforderlich ist die ausdrückliche Erteilung der Prokura. Nicht erforderlich ist die Verwendung des Wortes „Prokura“, solange unzweifelhaft feststeht, was gemeint ist. Nicht möglich ist die stillschweigende Prokuraerteilung. Auch bedarf die Erteilung der Prokura keiner Form, sie kann auch mündlich erfolgen3. Die Eintragung der Prokura nach § 53 Abs. 1 HGB ist deklaratorisch, die Prokura ist also auch ohne Eintragung wirksam erteilt4. Nicht möglich ist nach h.L. die Entstehung einer „Duldungsprokura“, weil dem das Erfordernis der „ausdrücklichen“ Erklärung entgegensteht. Möglich sein soll aber die Entstehung einer Anscheinsprokura5.
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Ist eine Prokura unwirksam erteilt worden, kann sie gemäß § 140 BGB in eine Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) oder eine Vollmacht nach den §§ 164 ff. BGB umzudeuten sein. 1 OLG München v. 5.9.2005 – 31 Wx 60/05, NJW 2005, 3730; s. auch Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 48 Rz. 1. 2 Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 48 Rz. 2; Roth in: Koller/Roth/ Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 48 Rz. 4; a.A. Wasmann, BB 2002, 479. 3 Krebs in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2010, § 48 Rz. 46; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 48 Rz. 7. 4 Krebs in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2010, § 48 Rz. 47; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 48 Rz. 9. 5 Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 48 Rz. 3; Roth in: Koller/Roth/ Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 48 Rz. 26 f.; a.A. Krebs in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2010, § 48 Rz. 46.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 134 Teil 1
bb) Umfang Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt, § 49 Abs. 1 HGB. Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist, § 49 Abs. 2 HGB. Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist Dritten gegenüber nach § 50 Abs. 1 HGB unwirksam. Grundsätzlich anwendbar sind die Grundsätze der Kollusion und des Missbrauchs der Vertretungsmacht1. Möglich ist nach Maßgabe des § 50 Abs. 3 HGB eine Beschränkung der Prokura auf eine Niederlassung. Die Vorschriften sind im Außenverhältnis zwingend. Die Prokura ist damit eine rechtsgeschäftliche Vollmacht mit gesetzlich definiertem Umfang2.
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Die Prokura erstreckt sich auf das Handelsgeschäft des Kaufmanns (§§ 343, 344 HGB). Die getätigten Geschäfte müssen sich aber nicht im Rahmen des Unternehmensgegenstandes bewegen, sondern nur im Zusammenhang mit irgendeinem Handelsgewerbe stehen können3. Ausgeschlossen sind Grundlagengeschäfte wie etwa eine Satzungsänderung oder auch außergewöhnliche Geschäfte wie die Übertragung des Gewerbes4. Die Prokura umfasst auch die Abgabe von Prozesshandlungen oder Erklärungen im FGG-Verfahren im Zusammenhang mit dem Gewerbe5. Nicht erfasst sind Handlungen im FGG-Verfahren, die Grundlagengeschäfte betreffen6 oder auch die Besorgung eines Rechtstreits mit einem Geschäftsführer7. Der Prokurist unterliegt den Beschränkungen des § 181 BGB. Eine Befreiung hiervon ist nach § 53 HGB einzutragen8.
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Die Beschränkung des § 49 Abs. 2 HGB dient dazu, die Grundlagen des Handelsgewerbes (Betriebsgrundstück) besonders zu schützen. Erfasst ist deshalb nicht der Erwerb von Grundstücken oder die Veräußerung oder Belastung fremder Grundstücke sowie die Entlastung eigener Grundstücke. Andererseits sind dem Prokuristen nicht nur Verfügungen über eigene Grundstücke untersagt, sondern auch schon der Abschluss der zugehörigen Verpflichtungsgeschäfte9. Die Erweiterung der Prokura nach § 49 Abs. 2 letzter Halbs. HGB muss ausdrücklich erfolgen und ist eintragungspflichtig10.
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1 Zu Einzelheiten BGH v. 25.3.1968 – II ZR 208/64, BGHZ 50, 114 = NJW 1968, 1379; BGH v. 5.12.1983 – II ZR 56/82, NJW 1984, 1462; BGH v. 3.10.1989 – XI ZR 154/88, NJW 1990, 385; BGH v. 30.1.2002 – IV ZR 23/01, DB 2002, 1439; BGH v. 22.6.2004 – XI ZR 90/03, DB 2004, 2213. 2 Vgl. BGH v. 2.12.1991 – II ZB 13/91, BGHZ 116, 190 = NJW 1992, 975. 3 Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 49 Rz. 2. 4 BGH v. 28.6.1965 – III ZR 10/64, BB 1965, 1373, 1374. 5 RG v. 22.6.1907 – I 40/07, RGZ 66, 243; BGH v. 2.12.1991 – II ZB 13/91, BGHZ 116, 190 = NJW 1992, 975. 6 BGH v. 2.12.1991 – II ZB 13/91, BGHZ 116, 190 = NJW 1992, 975. 7 OLG Frankfurt v. 11.7.1996 – 24 U 235/95, NJW-RR 1997, 31. 8 BayObLG v. 14.7.1980 – BReg 1 Z 17/80, BayObLGZ 1980, 195 = BB 1980, 1487. 9 Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 49 Rz. 4; Roth in: Koller/Roth/ Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 49 Rz. 7. 10 BayObLG v. 15.2.1971 – BReg. 2 Z 83/70, NJW 1971, 810.
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Teil 1 Rz. 135 135
Einführung
Der Prokurist hat nach § 51 HGB in der Weise zu zeichnen, dass er der Firma eigenhändig1 seinen Namen (Familienname) mit einem die Prokura andeutenden Zusatz („pp“, „ppa“, „Prokurist“) beifügt. Eine Übertragung der Prokura ist nach § 52 Abs. 2 HGB nicht möglich. Das gilt sowohl für eine Übertragung durch den Inhaber des Handelsgewerbes als auch durch den Prokuristen selbst. Die Eintragungspflicht nach § 53 Abs. 1 HGB führt dazu, dass zum Schutz des Rechtsverkehrs § 15 HGB Anwendung findet.
cc) Widerruf 136
Die Prokura ist ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich, unbeschadet des Anspruchs auf die vertragsmäßige Vergütung aus dem Grundgeschäft (Dienst- oder Arbeitsvertrag)2, § 52 Abs. 1 HGB. Weitere Erlöschensgründe ergeben sich aus den allgemeinen Regeln3. Insbesondere erlischt die Prokura zusammen mit dem Grundgeschäft, § 168 Satz 1 BGB. Die Prokura erlischt nicht durch den Tod des Inhabers des Handelsgeschäfts, § 52 Abs. 3 HGB. Das Erlöschen der Prokura ist in gleicher Weise wie die Erteilung zur Eintragung anzumelden, § 53 Abs. 2 HGB. § 15 HGB findet zum Schutz des Rechtsverkehrs Anwendung.
b) Handlungsvollmacht 137
§ 54 Abs. 1 HGB bestimmt, dass wenn jemand ohne Erteilung einer Prokura zum Betrieb eines Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt ist, sich eine Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen erstreckt, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Diese Vollmacht bezeichnet § 54 Abs. 1 HGB als Handlungsvollmacht. Zur Veräußerung oder Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme von Darlehen und zur Prozessführung ist der Handlungsbevollmächtigte nur ermächtigt, wenn ihm eine solche Befugnis besonders erteilt ist, § 54 Abs. 2 HGB. Sonstige Beschränkungen der Handlungsvollmacht braucht ein Dritter nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er sie kannte oder kennen musste, § 54 Abs. 3 HGB.
138
Es handelt sich bei der Handlungsvollmacht um eine rechtsgeschäftliche Vollmacht nach den §§ 164 ff. BGB mit einem gesetzlich widerleglich vermuteten Umfang4. Die Abgrenzung zur Prokura erfolgt dadurch, dass diese ausdrücklich erteilt werden muss und einzutragen ist (§§ 48, 53 HGB), während jene auch
1 2 3 4
BGH v. 28.10.1965 – Ia ZB 11/65, NJW 1966, 1077. Vgl. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rz. 1. Ausführlich Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 52 Rz. 6 ff. So auch Krebs in: MüKoHGB, 3. Aufl. 2010, § 54 Rz. 4; a.A. Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rz. 9: Rechtsscheinshaftung.
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„Charakterisierung“ der Führungskräfte
Rz. 141 Teil 1
stillschweigend erteilt werden kann1 und nicht eintragungsfähig ist, so dass auch § 15 HGB keine Anwendung findet2. Die Handlungsvollmacht kann erteilt werden durch den Kaufmann (§§ 1 ff., 6 HGB), aber auch durch seine gesetzlichen Vertreter oder einen Prokuristen3. Bevollmächtigt werden können natürliche Personen, aber – in Abgrenzung zur Prokura – auch juristische Personen bzw. Gesamthandsgemeinschaften4. Sie erlischt wie die Prokura auch durch die Beendigung des Grundgeschäfts, § 168 Satz 1 BGB. Sie erlischt bei dem Tod des Inhabers, §§ 168 Satz 1, 613 BGB, wenn es sich bei dem Grundgeschäft um ein schlichtes Dienstverhältnis handelt. Handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, bleibt die Handlungsvollmacht wie die Prokura (§ 52 Abs. 3 HGB) bestehen, §§ 168 Satz 1, 672 Satz 1, 675 BGB.
139
Da die Handlungsvollmacht nur zur Vornahme von Handelsgeschäften eines „derartigen“ Handelsgewerbes ermächtigt, umfasst sie branchenfremde Geschäfte – wiederum anders als die Prokura (oben Rz. 133) – nicht. Nicht erfasst sind wie bei der Prokura auch Grundlagen- und außergewöhnliche Geschäfte. Weitere Beschränkungen enthält § 54 Abs. 2 HGB5. Auch der Handlungsbevollmächtigte unterliegt den Grenzen des § 181 BGB. § 54 Abs. 3 HGB lässt Beschränkungen der Handlungsvollmacht im Verhältnis zu Dritten darüber hinaus gelten, wenn diese die Beschränkung kannten oder kennen mussten (§ 122 Abs. 2 BGB). Erforderlich ist eine Bekanntgabe nach außen, etwa durch Aushang6. Daneben gelten die allgemeinen Regeln über Kollusion und Missbrauch der Vertretungsmacht7.
140
4. Haftung (Überblick) Leitende Angestellte haften für Pflichtverletzungen nach den allgemeinen Regeln, also nach den §§ 280 ff. BGB i.V.m. dem Anstellungsvertrag und für deliktisches Handeln nach den §§ 823 ff. BGB. Die Grundsätze über die beschränkte Arbeitnehmerhaftung können anzuwenden sein (oben Rz. 122). Bei Überschreiten der Vollmacht gilt § 179 BGB. Im vorvertraglichen Bereich greifen §§ 280 ff., 311 Abs. 2 und 3 BGB. Siehe ausführlich zur Haftung der leitenden Angestellten Teil 7.
1 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – VII ZR 268/81, NJW 1982, 1389, 1390, BGH v. 19.3.2003 – X ZR 157/99, DB 2002, 1156 = WM 2003, 749. 2 Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rz. 8; Roth in: Koller/Roth/ Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 54 Rz. 1. 3 BGH v. 23.9.1953 – I ZR 165/51, DB 1952, 949. 4 Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rz. 7. 5 Ausführlich Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 34. Aufl. 2010, § 54 Rz. 10 f.; Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 54 Rz. 8 ff. m.w.N. 6 BGH v. 19.3.2002 – X ZR 157/99, NJW-RR 2002, 968. 7 Vgl. etwa BGH v. 28.2.1966 – VII ZR 125/65, NJW 1966, 1911 = WM 1966, 491.
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Teil 1 Rz. 142
Einführung
IV. Sonstige Führungskräfte 142
Weitere Führungskräfte bilden Selbständige (vgl. § 84 Abs. 1 HGB), die weisungsfrei und unabhängig Dienste für einen anderen erbringen. Sie werden hier nicht behandelt, da bei ihnen das planerisch-strategische Element (vgl. oben Rz. 1) in der Regel zurücktritt, da sie hierzu in die Unternehmensorganisation eingebunden sein müssten. Mitglieder des Aufsichtsrats üben in erster Linie überwachende (§ 111 Abs. 1 AktG), keine leitende Funktion aus und sind deshalb zwar in einer herausragenden, nicht aber geschäftsführenden Position. Deshalb erfahren sie hier keine nähere Behandlung.
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Teil 2 Begründung und Inhalt des Anstellungsverhältnisses Dem Abschluss von Anstellungsverträgen mit Führungskräften, unabhängig davon, ob es sich um einen leitenden Angestellten, einen GmbH-Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied handelt, liegen im Wesentlichen die allgemeinen vertragsrechtlichen Kategorien des Zivilrechts zu Grunde. Mögen die verschiedenen Anstellungsverhältnisse auch im Einzelnen Besonderheiten aufweisen, so bauen sie doch sämtlich auf einer wirksamen Einigung der Parteien auf. Es gilt das nahezu allen Verträgen zu Grunde liegende Konsensprinzip. Weitergehend bestehen aber für die Anstellungsverhältnisse erheblich differierende Regelungen, deren rechtliche Behandlung oftmals ganz entscheidend von der Unterscheidung zwischen Arbeitsverhältnis und Dienstverhältnis geprägt ist. Für die Vertragsgestaltung gelten damit in vielen Bereichen unterschiedliche Herausforderungen.
1
A. Anbahnung des Anstellungsverhältnisses Die Phase der Anbahnung des Anstellungsverhältnisses hat bei Führungskräften eine erheblich größere Bedeutung als im Rahmen eines „Normalarbeitsverhältnisses“. Nicht nur die Suche nach geeigneten Führungskräften weist Besonderheiten (unter I.) auf, oft werden auch größere Verhandlungsspielräume bei der Ausgestaltung des Anstellungsvertrages bestehen. Die Verhandlungen dauern deshalb nicht selten deutlich länger und werden mit größerer Intensität geführt.
2
Hinzu kommt, dass die AG und ggf. auch die GmbH beim Abschluss eines Anstellungsvertrages mit einem Vorstand oder Geschäftsführer vom Aufsichtsrat vertreten werden. Der Bewerber sieht sich also unter Umständen nicht einem Vertragspartner bzw. wenigen vertretungsberechtigten Personen, sondern einem Gremium mit Mitgliedern unterschiedlichster Herkunft und Interessen gegenüber, die es zu überzeugen gilt. Im Aufsichtsrat wird bei der Bestellung von Vorständen und GmbH-Geschäftsführern viel Wert auf einen größtmöglichen Konsens gelegt. Dieser Konsens kann nur erreicht werden, wenn die Verhandlungen frühzeitig auf breiter Basis geführt werden. Diese führen dann im Idealfall zum Vertragsschluss.
3
I. Wettbewerb um Führungskräfte Nicht zuletzt der vielbeschriebene Fachkräftemangel in Deutschland hat dazu geführt, dass sich Arbeitgeber bei der Suche nach Führungskräften in vielen Fällen nicht mehr (allein) auf die gängige Stellenanzeige oder die Mitarbeiterrekrutierung auf Jobmessen verlassen, sondern gezielt bei Mitkonkurrenten nach geeigneten Führungskräften suchen. Bei dieser Suche bedienen sich Arbeitgeber häufig externer Berater, die sie mit der Suche nach qualifizierten Personen beauftragen, sog. Headhunter. Besgen
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Teil 2 Rz. 5
Begründung und Inhalt
1. Eigene Abwerbung durch den Arbeitgeber 5
Jedem Arbeitgeber ist es grundsätzlich gestattet, sich auch bei anderen Unternehmen nach geeigneten Mitarbeitern umzusehen und deren Mitarbeiter abzuwerben1. Unternehmen stehen nicht nur im Wettbewerb im Hinblick auf ihre Produkte, sondern ebenso hinsichtlich qualifizierter Mitarbeiter. Der Erfolg eines Unternehmens hängt wesentlich davon ab, dass es ihm gelingt, qualifizierte Führungskräfte für sich zu gewinnen2. Die grundsätzliche Zulässigkeit der Abwerbung entspricht deshalb sowohl dem Mobilitätsinteresse der Arbeitnehmer, als auch dem Interesse der Unternehmer möglichst geeignete Führungskräfte von sich überzeugen zu können3. Die Abwerbung von Führungskräften eines anderen Unternehmens ist damit Ausdruck und Element der Wettbewerbsfreiheit4. Ein Arbeitgeber kann es grundsätzlich nicht unterbinden, dass ein Arbeitnehmer unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder nach Ablauf einer Befristung, eine Tätigkeit in einem anderen Unternehmen aufnimmt. Eine Abwerbung liegt üblicherweise vor, wenn der Arbeitgeber oder Dritte nachhaltig und mit einiger Ernsthaftigkeit auf einen arbeitsvertraglich gebundenen Arbeitnehmer einwirken, um diesen zu einem Arbeitsplatzwechsel zwecks Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit dem Abwerbenden oder einem Dritten zu veranlassen5.
6
An der grundsätzlichen Zulässigkeit der Abwerbung ändert sich auch dann nichts, wenn mehrere Arbeitnehmer des gleichen Arbeitgebers, etwa auch eine ganze Abteilung, gleichzeitig abgeworben werden oder wenn es sich um Schlüsselfiguren des Unternehmens handelt6. Auch eine Abwerbung mit dem Versprechen besserer Arbeitsbedingungen, insbesondere eines höheren Gehalts, ist nicht wettbewerbswidrig, da dies als Ausfluss der Wettbewerbsfreiheit anzusehen ist.
7
Die Abwerbung ist aber dann gem. §§ 3 ff. UWG als wettbewerbswidrig und somit unzulässig zu qualifizieren, wenn besondere Begleitumstände sie als unlauter bzw. rechts- oder sittenwidrig erscheinen lassen7. Solche wettbewerbswidrigen Begleitumstände können sich insbesondere aus dem angewandten 1 Vgl. BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff., 1465; v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 ff.; OLG Brandenburg v. 6.3.2007 – 6 U 34/06, NZA-RR 2008, 79 f., 79; Schaub/Linck, § 51 Rz. 23; Salger/Breitfeld, BB 2004, S. 2574 ff., 2574. Ohly in: Piper/ Ohly/Sosnitza, UWG, § 4 Rz. 10/10; Ernst, GRUR 2010, 963 ff., 963. 2 Die sog. Principal-Agent-Theorie in der Betriebswirtschaftslehre geht davon aus, dass der Erfolg eines Unternehmens von der Leistung der Funktionsträger und von Zufallseinflüssen abhängt; vgl. dazu Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2532. 3 Vgl. Braun, NZA 2003, 633 ff., 634. 4 BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff., 1465; Salger/Breitfeld, BB 2004, 2574 ff., 2574. 5 LAG Rheinland-Pfalz v. 7.2.1992 – 6 Sa 528/91, NZA 1993, 265 f., 265. 6 Vgl. OLG Brandenburg v. 6.3.3007 – 6 U 34/06, NZA-RR 2008, 79 ff., 80; Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 7; Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 10 103. 7 Vgl. BGH v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 ff., 800; OLG Brandenburg v. 6.3.2007 – 6 U 34/06, NZA-RR 2008, 79 ff., 80; Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/ Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 9.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 10 Teil 2
Mittel oder dem verfolgten Zweck ergeben1. Als wettbewerbswidrig angesehen wird etwa das persönliche Aufsuchen des Umworbenen am Arbeitsplatz2. Sittenwidrigkeit und damit Wettbewerbswidrigkeit kann auch dann vorliegen, wenn der Abwerbende ein zu einem anderen Unternehmen bestehendes, auf besonderem Vertrauen basierendes Vertragsverhältnis ausnutzt, um Arbeitnehmer abzuwerben. In einem solchen Verhalten kann ein sittenwidriger Vertrauensbruch gesehen werden3. Der Abwerbende hat in jedem Fall die vertragliche Bindung des Arbeitnehmers zu dessen gegenwärtigem Arbeitgeber und insbesondere die daraus resultierende Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zu respektieren. Er darf den Arbeitnehmer nicht zum Vertragsbruch verleiten. Ein Verleiten zum Vertragsbruch ist jedes bewusste Hinwirken darauf, dass der andere einen Vertragsbruch begeht4. Dabei muss der Abwerbende zumindest mit der Möglichkeit rechnen, dass Umstände vorliegen, die sein Verhalten als unlauter erscheinen lassen und dies in Kauf nehmen, um sein Ziel zu erreichen5. Musste er demnach damit rechnen, dass der Umworbene noch vertraglich gebunden ist, kommt ein wettbewerbswidriges Verleiten zum Vertragsbruch in Betracht6.
8
Unter dem Aspekt des Verleitens zum Vertragsbruch stellt es sich als wettbewerbswidrig dar, wenn der Abwerbende den Arbeitnehmer etwa unter dem Versprechen finanzieller Vorteile überredet, seiner Arbeitspflicht ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist oder Beachtung einer Vertragslaufzeit nicht mehr nachzukommen und dafür die Arbeit im Unternehmen des Abwerbenden aufzunehmen7. Ein Verleiten zum Vertragsbruch kann auch in einem gleichzeitigen Tätigwerden des Arbeitnehmers für zwei Arbeitgeber oder in der Nichtaufnahme einer vertraglich zugesagten Tätigkeit liegen8. Gleiches gilt, wenn der Abwerbende den Arbeitnehmer, beispielsweise unter dem Versprechen, die finanziellen Folgen zu tragen, dazu verleitet, gegen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu verstoßen9.
9
Grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig ist das Ausnutzen eines Vertragsbruchs durch einen anderen10. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH
10
1 BGH v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 ff., 800; vgl. auch Schaub/Linck, § 51 Rz. 23. 2 BGH v. 5.10.1966 – Ib ZR 136/64, GRUR 1967, 104, 106; LG Stuttgart v. 13.7.2007 – 17 O 147/07. 3 Vgl. Braun, NZA 2003, 633 ff., 636; Salger/Breitfeld, BB 2004, 2574 ff., 2577. 4 OLG Hamm v. 9.5.2004 – 35 U 59/02, GRUR-RR 2004, 27 ff., 28; Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 24. 5 OLG Hamm v. 9.5.2003 – 35 U 59/02, GRUR-RR 2004, 27 ff. 6 Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 24. 7 Vgl. Küttner/Röller, Abwerbung, Rz. 4. 8 Vgl. Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 21; Braun, NZA 2003, 633 ff., 636. 9 Ohly in: Piper/Ohly/Sosnitza, UWG, § 4 Rz. 10/28; enger: Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 10.108b. 10 BGH v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 ff.; OLG Hamm v. 5.3.2003 – 35 U 59/02, GRUR-RR 2004, 27 ff., 28; Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 25.
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Teil 2 Rz. 11
Begründung und Inhalt
grundsätzlich auch für das Ausnutzen einer verbotenen Konkurrenztätigkeit1. 11
Weiterhin darf der Abwerbende bei dem Versuch, den Arbeitnehmer von sich zu überzeugen, keine wahrheitswidrigen Behauptungen über den alten Arbeitgeber aufstellen, wie etwa angeblich bevorstehende Entlassungen. Ebenso wenig darf er über die Verhältnisse des neuen Arbeitgebers täuschen2.
12
Wettbewerbswidrig handelt auch, wem es gar nicht darum geht, den Arbeitnehmer für sich zu gewinnen, sondern ausschließlich mit der Absicht handelt, den Wettbewerber durch die Abwerbung zu schwächen3. Ein Indiz für eine solche Schädigungsabsicht kann zum Beispiel darin erblickt werden, dass der abgeworbene Mitarbeiter gar nicht benötigt wird4.
13
Diese Fälle lassen sich nach der UWG-Reform 2004 im Wesentlichen wohl unter § 4 Nr. 10 UWG fassen. Der BGH legt seinen Erwägungen allerdings weitgehend § 3 UWG zu Grunde5.
2. Headhunting 14
Aufgabe des Headhunters, oder auch – etwas wohlwollender ausgedrückt – Personalberaters bzw. Executive Search Consultants, ist es, die für die zu besetzende Stelle möglichst geeigneten Führungskräfte zu finden und diese für den Auftraggeber zu gewinnen. Hierbei bleibt es nicht aus, dass Arbeitnehmer gezielt am Arbeitsplatz angesprochen und eventuell auch abgeworben werden. Oftmals bietet sich für Headhunter nur die Gelegenheit den Kontakt zu qualifizierten Fachkräften an deren Arbeitsplatz aufzubauen, da anderweitige Kontaktdaten des in Frage kommenden Arbeitnehmers nicht bekannt sind. Dass solche Abwerbeversuche dem Interesse des bisherigen Arbeitgebers widersprechen, ist offenkundig. Nicht nur, weil der Arbeitnehmer etwa während eines Telefonates mit einem Headhunter seiner Arbeitsplicht nicht nachkommt, sondern vor allem, weil der Arbeitgeber erheblich daran interessiert ist, fähige Arbeitskräfte nicht an die Konkurrenz zu verlieren. Es gilt aber auch zu beachten, dass der Arbeitnehmer ein legitimes Interesse daran hat, über Möglichkeiten seines beruflichen Fortkommens informiert zu werden6. Nach Ansicht des BGH ist dieses Interesse aber nicht uneingeschränkt anzuerkennen, denn ein Werbeanruf eines Headhunters am Arbeitsplatz kann für den Arbeitnehmer auch störend und unerwünscht sein, etwa wenn der Mitarbeiter für die angebotene Stelle offenkundig nicht in Betracht kommt oder ihn der Anruf von eiligen oder Konzentration erfordernden Aufgaben abhält7.
1 BGH v. 11.1.2007 – I ZR 96/04, GRUR 2007, 800 ff. 2 Vgl. Braun, NZA 2003, 633 ff., 636. 3 Vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 10 105; Omsels in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 4 Nr. 10 Rz. 27. 4 Vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 4 Rz. 10 105. 5 Vgl. BGH v. 9.2.2006 – I ZR 73/02, NZA 2006, 500 ff. 6 So auch BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff., 1466. 7 BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff., 1466.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 18 Teil 2
a) Telefonkontakt Das in der Praxis übliche telefonische Kontaktieren von Arbeitnehmern im Hinblick auf ein Abwerbeangebot, begegnet sowohl bei Anrufen im privaten Bereich wie auch am Arbeitsplatz wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Ruft ein Headhunter im fremden Auftrag einen Mitarbeiter eines Unternehmens zum Zwecke der Personalsuche an, handelt er im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs i.S.v. § 1 UWG1. Er hat damit auch die Grenzen der §§ 3 ff. UWG zu beachten. § 3 Abs. 1 UWG bestimmt als Generalklausel, dass unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Die §§ 4 bis 7 UWG konkretisieren die Definition des § 3 Abs. 1 UWG katalogartig, indem sie einzelne unlautere Wettbewerbshandlungen aufführen.
15
b) Grenzen Eine Unzulässigkeit der Abwerbung kommt in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht dann in Betracht, wenn besondere Umstände hinzutreten, die sie als wettbewerbs- oder in sonstiger Weise rechts- oder sittenwidrig erscheinen lassen. Dies kann sich aus dem angewandten Mittel oder dem verfolgten Zweck ergeben2.
16
Der BGH hat in drei Entscheidungen die wettbewerbsrechtlichen Grenzen des telefonischen Kontaktierens von Arbeitnehmern zum Zwecke der Abwerbung konkretisiert3. Danach muss sich ein Personalberater bei einer ersten telefonischen Kontaktaufnahme auf das Notwendige beschränken. Zulässig ist eine kurze Vorstellung seiner selbst, die Mitteilung des Zwecks des Anrufs, eine kurze Beschreibung der zu besetzenden Stelle und die Frage nach einem grundsätzlichen Interesse4. Bejaht der Arbeitnehmer das grundsätzliche Interesse an dem angebotenen Arbeitsplatz, darf zudem eine Kontaktaufnahme außerhalb des Arbeitsplatzes vereinbart werden5. Geht das Telefonat über wenige Minuten hinaus, besteht nach Auffassung des BGH ein Indiz dafür, dass „der Personalberater den ersten Kontakt in wettbewerbswidriger Weise, insbesondere zu einem unzulässigen Umwerben des Angerufenen ausgenutzt hat.“6
17
Als Grenzen kommen zudem § 826 BGB und § 1004 BGB in Betracht. Daneben darf der Arbeitnehmer selbstverständlich trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Abwerbung, seine Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis, nicht vernachlässigen und keinen Wettbewerb zu betreiben. Insbesondere
18
1 BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff., 1465; OLG Stuttgart v. 17.12.1999 – 2 U 133/99, GRUR 2000, 1096 ff., 1097. 2 Schaub/Linck, § 51 Rz. 23; Ernst, GRUR 2010, 963 ff., 963; Küttner/Röller, Abwerbung, Rz. 4. 3 BGH v. 4.3.2004 – I ZR 221/01, BB 2004, 1464 ff.; v. 9.2.2006 – I ZR 73/02, NZA 2006, 500 ff.; v. 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177 ff. 4 BGH v. 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177 ff., 178. 5 BGH v. 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177 ff., 178. 6 BGH v. 22.11.2007 – I ZR 183/04, NZA 2008, 177 ff., 178.
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Teil 2 Rz. 19
Begründung und Inhalt
ist er verpflichtet, jedenfalls bis zum Wirksamwerden einer etwaigen Kündigung, seiner Arbeitsleistung nachzukommen1.
c) Kontaktaufnahme per E-Mail 19
Im Zuge der fortschreitenden technischen Entwicklung wird in jüngerer Zeit zum Zwecke der Mitarbeiterwerbung vermehrt auf eine Kontaktaufnahme per E-Mail zurückgegriffenen. Insbesondere betriebliche E-Mail-Adressen sind oft leicht zu erhalten und bieten sich als einfaches und kostengünstiges Kommunikationsmittel an. Welchen wettbewerbsrechtlichen Schranken eine derartige Kontaktaufnahme unterliegt, ist bisher ungeklärt. Die Überlegungen des BGH zur telefonischen Kontaktaufnahme lassen sich auf den ersten Blick auf die Kommunikation per E-Mail übertragen. Auch hier werden betriebliche Kommunikationsmittel des Arbeitgebers zu Abwerbezwecken genutzt, die dem Interesse des Arbeitgebers widersprechen. Zudem ist davon auszugehen, dass der Umworbene ebenso einen Teil seiner Arbeitszeit auf das Lesen und Beantworten der E-Mail verwendet wie bei einem Telefonanruf, ggf. sogar noch mehr, wenn die E-Mail etwa Internet-Links enthält.
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Zu beachten ist aber, dass das UWG an die Zusendung elektronischer Post strengere Maßstäbe anlegt als an einen Telefonanruf. So ist ein Telefonanruf gem. §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG bei einer mutmaßlichen Einwilligung bereits nicht wettbewerbswidrig, wohingegen § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bei der Zusendung elektronischer Post eine ausdrückliche Einwilligung verlangt2. Ob sich dagegen tatsächlich ein generelles Verbot mit einer befürchteten massenhaften Versendung von Abwerbeemails begründen lässt, erscheint zumindest fraglich. Im Ergebnis dürfte eine Kontaktaufnahme über die betriebliche E-Mail-Adresse in der Regel auf Grund der erhöhten Anforderungen als wettbewerbswidrig einzustufen sein3, es ist jedoch immer eine Einzelfallabwägung i.S.d. BGH-Rechtsprechung zu Telefonanrufen am Arbeitsplatz durchzuführen4.
3. Abwerbung durch Kollegen 21
Konfliktstoff bieten auch Konstellationen, in denen sich eine Führungskraft selbständig machen will oder zu einem anderen Arbeitgeber wechselt und im Vorfeld versucht Kollegen sozusagen „mitzunehmen“. Ob solche Abwerbungsversuche zulässig sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Jedenfalls nicht ausreichend sind die bloße Information der Kollegen über die berufliche Veränderung oder das gemeinsame Pläneschmieden von Kollegen5. Wirkt der Arbeitnehmer dagegen ernsthaft und mit einiger Beharrlichkeit auf einen Kollegen ein, um ihn zu einem Arbeitsplatzwechsel zu überreden, beurteilen Rechtsprechung und die Literatur die Rechtslage unterschiedlich. Teilweise wird 1 2 3 4 5
Näher zu den in Frage kommenden Ansprüchen Benecke/Pils, NZA-RR 2005, 561 ff. So zu Recht Ernst, GRUR 2010, 963 ff., 964. Vgl. Ernst, GRUR 2010, 963 ff., 964. Siehe auch OLG Stuttgart v. 17.12.1999 – 2 U 133/99, GRUR 2000, 1096 ff. Vgl. Küttner/Röller, Abwerbung, Rz. 4; Schmiedl, BB 2003, 1120 ff., 1121; Busch/Denndorfer, BB 2002, 301 ff., 303.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 23 Teil 2
von einer grundsätzlichen Unzulässigkeit solcher Abwerbeversuche im Hinblick auf die vertragliche Treuepflicht im bestehenden Anstellungsverhältnis ausgegangen1. Nach anderer Ansicht soll danach differenziert werden, ob es sich um eine eigennützige oder eine fremdnützige Abwerbung handelt. Nur letztere sei unzulässig, sofern keine sittenwidrigen Umstände hinzukämen2. Richtigerweise wird man im Hinblick auf die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG eine Abwerbung unter Kollegen nur dann als unzulässig ansehen können, wenn sie nicht vor dem Hintergrund einer eigenen Selbständigkeit des Abwerbenden geschieht. Jedoch hat der Abwerbende auch insoweit bestehende Wettbewerbsverbote zu beachten. Nach der Rechtsprechung ist während eines fortdauernden Arbeitsverhältnisses auch ohne vertragliche Vereinbarung von einem Wettbewerbsverbot auszugehen3. Entscheidend ist daher, ob die Abwerbung bereits einen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot darstellt. Man wird der Rechtsprechung des LAG Hamburg4 folgen können, wenn es feststellt, dass es für die Abgrenzung zwischen erlaubter Vorbereitungshandlung zur Selbständigkeit und verbotener Wettbewerbshandlung darauf ankommt, ob die Geschäfts- und Wettbewerbsinteressen des ursprünglichen Arbeitgebers bereits unmittelbar betroffen sind.
4. Rechtsfolgen unzulässiger Abwerbung Für die Praxis bedeutsam ist die Frage, welche Möglichkeiten sich einem Arbeitgeber bieten, um gegen eine unzulässige Abwerbung vorzugehen. Das UWG stellt zunächst dem Mitbewerber einen Unterlassungsanspruch zur Seite, um wettbewerbswidrige Handlungen zu unterbinden, § 8 UWG. Zudem ist gem. § 9 UWG zum Schadensersatz verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine wettbewerbswidrige Handlung vornimmt. Bei der wettbewerbswidrigen Abwerbung kommt im Rahmen der Naturalrestitution auch ein Anspruch auf (zeitlich begrenzte) Unterlassung der Beschäftigung in Betracht5.
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Neben den wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen kann auch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in Betracht zu ziehen sein sowie ein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 BGB. In Einzelfällen kann die Abwerbung von Mitarbeitern einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellen. Dieser ist als Recht i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB anzusehen, so dass schließlich § 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen kann.
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1 LAG Schleswig-Holstein v. 6.7.1989 – 4 Sa 601/88; Braun, NZA 2003, 633 ff., 638; Schmiedl, BB 2003, 1120 ff. 2 LAG Hamburg v. 21.12.1999 – 2 Sa 62/99; Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/ Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 51. 3 Vgl. BAG v. 26.6.2008 – 2 AZR 190/07, NZA 2008, 1415 ff., 1416. 4 LAG Hamburg v. 21.12.1999 – 2 Sa 62/99; siehe auch LAG Köln v. 25.2.2004 – 4 Sa 1311/03; ferner BAG v. 11.11.1980 – 6 AZR 292/78, juris. 5 Vgl. dazu ausführlich Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 9 Rz. 1.26 m.w.N.
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Teil 2 Rz. 24
Begründung und Inhalt
II. Stellenanzeige/Stellenausschreibung 24
Will ein Arbeitgeber zur Rekrutierung von neuen Arbeitnehmern auf die Stellenanzeige zurückgreifen, verdient deren inhaltliche Ausgestaltung besonderes Augenmerk. Nicht selten führt eine falsch formulierte Stellenanzeige zu Schadensersatzansprüchen, die ohne Schwierigkeiten hätten vermieden werden können.
1. Grenzen des AGG 25
Der Gesetzgeber hat 2006 mit Erlass des AGG in § 11 AGG eine Pflicht zur neutralen Stellenausschreibung statuiert, d.h. die Stellenausschreibung darf keine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Anknüpfungsmerkmale darstellen. Insbesondere muss eine Stellenausschreibung deshalb merkmalsneutral gestaltet sein. Merkmalsneutral ist eine Stellenausschreibung nur dann, wenn sie nicht selbst auf ein verbotenes Merkmal i.S.v. § 1 AGG Bezug nimmt1.
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Zweck des Verbots ist, bereits vor Begründung eines Arbeitsverhältnisses Diskriminierungen zu unterbinden. Praktische Relevanz besitzt vor allem die Pflicht zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung. Die Berufsbezeichnungen in der Stellenausschreibung müssen daher sowohl die weibliche als auch die männliche Bezeichnung nennen. Die Pflicht zur merkmalsneutralen Stellenausschreibung gilt aber auch für alle anderen Anknüpfungsmerkmale des AGG. Etwa für das Alter. Dies wird relevant, wenn die Stelle zum Beispiel ausdrücklich mit einem „jungen“ Arbeitnehmer besetzt werden soll oder die Stellenausschreibung von vorneherein auf Arbeitnehmer im ersten Berufsjahr beschränkt wird2. Auch Höchstaltersgrenzen in Stellenanzeigen begegnen erheblichen Bedenken. So hat es das LAG Hamm als diskriminierend angesehen, wenn ein öffentlicher Arbeitgeber einen Bewerberkreis von zwischen 20 und 25-jährigen anspricht und ein 28-jähriger Bewerber anschließend abgelehnt wird3.
2. Ausnahmen 27
Eine merkmalsbezogene Stellenausschreibung kann jedoch im Einzelfall ausnahmsweise zulässig sein4. Eine Ausnahme kann im Hinblick auf § 8 Abs. 1 AGG dann zugelassen werden, wenn etwa die Stelle einer „Erzieherin/Sportlehrerin/Sozialpädagogin“ an einem Mädcheninternat zu besetzen ist. In diesem Fall entschied das BAG, dass das Geschlecht (weiblich) unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit sei5. Ebenso entschied das ArbG Köln für die
1 2 3 4 5
ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 1. Zu letzterem Fall BAG v. 18.8.2009 – 1 ABR 47/08, NZA 2010, 222 ff. LAG Hamm v. 7.8.2008 – 11 Sa 284/08. Vgl. etwa BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, NZA 2010, 872 ff. BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 536/08, NZA 2009, 1016 ff., 1020 f.; so auch die Vorinstanz: LAG Rheinland-Pfalz v. 20.3.2008 – 2 Sa 51/08, ZTR 2008, 500 f.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 29 Teil 2
Besetzung eines Arbeitsplatzes bei der Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen1. Auch Gemeinden können weiterhin die Stelle der Gleichstellungsbeauftragten unter Ausschluss männlicher Bewerber ausschreiben2.
3. Schwerbehinderte Ein Hinweis darauf, dass Bewerbungen von Schwerbehinderten erwünscht sind, ist zulässig. Allerdings führt umgekehrt das Fehlen eines solchen Hinweises nicht zu einer Vermutung hinsichtlich einer Diskriminierung3. Vermieden werden sollte ein Hinweis in der Stellenausschreibung auf eine bevorzugte Einstellung von Schwerbehinderten (s. auch ausführlich unter Rz. 38 ff.)4. Zulässig bleibt aber auch unter Geltung des AGG ein Hinweis auf die körperlichen Anforderungen an den zu besetzenden Arbeitsplatz, auch wenn dadurch mittelbar Schwerbehinderte aus dem Kreis der Stellenbewerber ausgegrenzt werden5. Unter diesem Aspekt hat das LAG Nürnberg zum Beispiel eine Stellenbeschreibung für einen KfZ-Mechaniker mit den Worten „flexibel und belastbar“ für zulässig gehalten6. Auch ein Hinweis darauf, dass Bewerbungen von Frauen erwünscht seien, stellt nach Ansicht des LAG Düsseldorf keine Benachteiligung von Männern dar, sofern in der betroffenen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert seien7.
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4. Vermutung Ein Verstoß gegen die Pflicht zur merkmalsneutralen Ausschreibung führt nach herrschender Meinung nicht zu einem Schadensersatzanspruch. Insbesondere ist § 11 AGG kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB8. Er begründet aber eine Vermutung für eine vorliegende Diskriminierung bei der Stellenbesetzung, weil er als Tatsache gewertet wird, die eine Benachteiligung wegen des betroffenen Merkmals vermuten lässt9. Ein abgewiesener, zum Beispiel schwerbehinderter, Bewerber kann vom Arbeitgeber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, wenn er sich ernsthaft auf die zu besetzende Stelle beworben hat und auch objektiv für den Arbeitsplatz in Betracht gekommen wäre10. Die Vermutung kann allerdings widerlegt werden11. Etwa durch Einstellung eines Bewerbers, der durch die diskriminierende Ausschreibung eigentlich ausgeschlossen worden wäre12. Das BAG hat allerdings entschieden, dass eine zunächst erfolgte Benachteiligung nicht schon dadurch entfällt, dass sie später 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
ArbG Köln v. 6.8.2008 – 9 Ca 7687/07. Vgl. dazu BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, NZA 2010, 872 ff. LAG Köln v. 21.1.2009 – 3 Sa 1369/08, BB 2009, 1181 ff. Vgl. Besgen, Schwerbehindertenrecht, Rz. 26. Vgl. Besgen, Schwerbehindertenrecht, Rz. 26. LAG Nürnberg v. 18.2.2008 – 6 Sa 675/07, NZA 2009, 148 ff. LAG Düsseldorf v. 12.11.2008 – 12 Sa 1102/08, ZTR 2009, 271 ff. Diller, NZA 2007, 649 ff., 650; ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2. Vgl. ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2. Vgl. Besgen, Schwerbehindertenrecht, Rz. 26. Vgl. ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2. ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 2.
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Teil 2 Rz. 30
Begründung und Inhalt
vom Arbeitgeber korrigiert wird. Allerdings kann sich dies bei der Höhe einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG positiv auswirken1.
5. Diskriminierung durch Dritte 30
Bedient sich der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Stellenanzeige eines Dritten, etwa der Bundesagentur für Arbeit oder eines Personalberaters, ist ihm ein von diesem Dritten begangener Verstoß gegen § 11 AGG zuzurechnen2. Den Arbeitgeber trifft bezüglich des eingeschalteten Dritten eine Überwachungspflicht3. Praktisch besteht für den benachteiligten Bewerber allerdings das Problem, dass er in aller Regel nicht weiß, wer die Stellenanzeige geschaltet hat. Hier wird man ihm zumindest gem. § 242 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber zugestehen müssen, der ggf. im Hinblick auf die Einhaltung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann4.
6. Recherchen im Internet/Soziale Netzwerke und Datenschutz 30a
Viele Arbeitgeber informieren sich über die Bewerber im Rahmen des Bewerbungsverfahrens im Internet. In Betracht kommen Recherchen zum Beispiel über Google, aber auch in sog. sozialen Netzwerken, zum Beispiel Facebook, StudiVZ, StayFriends oder XING. Das neue Datenschutzrecht sieht hier erhebliche Verschärfungen in § 32 Abs. 6 BDSG-E vor. Grundsätzlich soll bei Beschäftigtendaten aus einem sozialen Netzwerk das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss der Erhebung das Informationsinteresse des Arbeitgebers überwiegen. Daten aus rein privaten Netzwerken (Facebook oder StudiVZ) dürfen damit künftig grundsätzlich nicht mehr erhoben werden. Daten aus solchen sozialen Netzwerken, die gerade auf berufsbezogene Interessen abzielen (zum Beispiel XING), dürfen hingegen erhoben werden. Im geltenden Recht gilt diese Beschränkung (noch) nicht. Nach zum Teil vertretener Ansicht in der Literatur bleibt googeln weiter zulässig5. Hier ist aber die Einwilligung des Beschäftigten wohl nach Abs. 6 Satz 4 vorher einzuholen; geregelt ist dies ausdrücklich freilich nicht.
! Praxishinweis In der Literatur6 wird empfohlen, in Stellenausschreibungen künftig folgenden Zusatz zu verwenden: „Hiermit weisen wir darauf hin, dass wir über unsere Bewerber auch ohne deren Mitwirkung allgemein zugängliche Daten erheben. Hierbei erheben wir solche Beschäftigtendaten ausschließlich in einem nach § 32 Abs. 6 Satz 2 und Satz 3 BDSG zulässigen Rahmen.“ 1 BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 1044/08, NZA 2010, 1129. 2 BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 112/03, NZA 2004, 540 ff., 544; BVerfG v. 21.9.2006 – 1 BvR 308/03, NZA 2007, 195 ff.; LAG Hamm v. 24. 4.2008 – 11 Sa 95/08, ArbuR 2008, 360 f.; ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 1; a.A. Adomeit/Mohr, NJW 2007, 2522 ff. 3 ErfK/Schlachter, § 11 AGG Rz. 1. 4 Vgl. Schwab, NZA 2007, 178 f. 5 Beckschulze/Natzel, BB 2010, 2368. 6 Nach Wybitul, Handbuch Datenschutz im Unternehmen, 442.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 33 Teil 2
Dies räumt dem Bewerber noch rechtzeitig die Möglichkeit ein, seine Online-Auftritte vor der Bewerbung zu bereinigen.
III. Bewerbungsverfahren Bereits mit der Aufnahme von Bewerbungsgesprächen entsteht zwischen dem Bewerber und dem suchenden Unternehmen ein vorvertragliches Schuldverhältnis mit gegenseitigen Rechten und Pflichten i.S.v. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB1. Beide Parteien sind danach zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen verpflichtet, § 311 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Von erheblicher Bedeutung sind die in diesem Zusammenhang entstehenden Aufklärungspflichten im Bewerbungsverfahren und das Fragerecht des Arbeitgebers.
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1. Offenbarungspflichten a) Arbeitgeber Die schuldrechtliche Rücksichtnahmepflicht kann in Ausnahmefällen dazu führen, dass der Bewerber oder der zukünftige Arbeitgeber verpflichtet sind, ungefragt Umstände zu offenbaren, die für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung für seine Entscheidung sein können2. So muss der anwerbende Arbeitgeber etwa über solche Umstände aufklären, die zu einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen könnten oder auf besondere Gefahren, die mit den Eigenschaften des Vertragsgegenstandes zusammenhängen3. Gleiches gilt für bevorstehende Betriebsübergänge oder örtliche Versetzungen4. Ist dem Arbeitgeber bereits bekannt, dass er in absehbarer Zeit die Löhne nicht oder nicht rechtzeitig zahlen kann oder hegt diesbezüglich ernsthafte Zweifel, ist er verpflichtet den Bewerber darauf hinzuweisen, es sei denn, er kann seine Zahlungsschwierigkeiten als bekannt voraussetzen5.
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b) Bewerber Auch der Bewerber kann auf Grund des vorvertraglichen Schuldverhältnisses verpflichtet sein, den Anwerbenden auf Umstände hinzuweisen, die es ihm unmöglich machen, die von ihm verlangte Arbeitsleistung zu erbringen oder wenn sie sonst von ausschlaggebender Bedeutung für den angebotenen Arbeitsplatz sind6. Erkennt der Bewerber, dass er die in der Stellenausschreibung genannten Anforderungen objektiv nicht erfüllen kann, muss er dies dem Arbeitgeber mitteilen7. Bei Führungskräften können hier insbesondere bestehende 1 2 3 4 5 6
ArbG Köln v. 20.5.2005 – 2 Ca 10220/04, NZA-RR 2005, 577 f., 578. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 260. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 261. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 261. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 263 m.w.N. BAG v. 21.2.1991 – 2 AZR 449/90, NZA 1991, 719 ff., 719; Joussen, NZA 2007, 174 ff., 175. 7 Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 111.
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Teil 2 Rz. 34
Begründung und Inhalt
Wettbewerbsverbote von Bedeutung sein. Sofern diese Auswirkungen auf das zu begründende Anstellungsverhältnis haben, muss sie der Bewerber offenbaren1. In aller Regel werden solche Auswirkungen anzunehmen sein, besteht doch auf Grund des Wettbewerbsverbots zumindest die Gefahr, dass der Bewerber seine Arbeitsleistung jedenfalls zunächst nicht erbringen wird oder sie bald wieder abbricht, weil der alte Arbeitgeber das Wettbewerbsverbot im Klagewege durchsetzt2. Keine Offenbarungspflicht besteht dagegen hinsichtlich einer Schwangerschaft. Dies gilt selbst dann, wenn die Bewerberin wegen eines Beschäftigungsverbotes zunächst nicht beschäftigt werden könnte3. 34
Ein schuldhafter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht führt zu einem Schadensersatzanspruch der anderen Partei gem. §§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, unabhängig davon, ob im Anschluss an das Bewerbungsverfahren ein Arbeitsvertrag zustande gekommen ist oder nicht4.
2. Fragerecht des Arbeitgebers5 35
Um herauszufinden, ob der Bewerber der geeignete Kandidat für die zu besetzende Stelle ist, reichen dem Arbeitgeber die Bewerbungsunterlagen kaum aus, sondern er versucht sich durch Fragestellung im Vorstellungsgespräche einen tieferen Einblick in die Fähigkeiten und Qualitäten des Bewerbers zu verschaffen. Oft wird dabei nicht nur versucht die Vorzüge zu ermitteln, sondern insbesondere als negativ empfundene Umstände auszuschließen. Es bleibt dann nicht aus, dass auch Informationen aus der Privatsphäre des Bewerbers abgefragt werden. Dazu gehören Krankheiten im weitesten Sinne, Vorstrafen oder auch religiöse Gesinnungen. In diesen Fällen steht das Informationsinteresse des Anwerbenden dem Interesse des Bewerbers am Schutz seiner Privatsphäre gegenüber. Zudem ist in diesem Kontext der immense Einfluss des AGG zu berücksichtigen. Die Benachteiligungsverbote gelten auch schon im Bewerbungsverfahren, da gem. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG auch Bewerberinnen und Bewerber als Beschäftigte in den Anwendungsbereich des AGG fallen. Schließlich sind die spezifischen datenschutzrechtlichen Vorgaben aus dem neuen Beschäftigtendatenschutzgesetz zu beachten.
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Ganz allgemein geht das BAG zunächst davon aus, dass der Arbeitgeber nur dann eine Information abfragen darf, wenn er ein berechtigtes Interesse an ihr vorweisen kann und dieses Interesse das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Privatsphäre überwiegt6. Die Information muss jedenfalls für das in Aussicht genommene Arbeitsverhältnis relevant sein7. Berührt die Frage 1 Vgl. Joussen in: BeckOK, BGB, § 611 Rz. 79; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 106. 2 Joussen in: BeckOK, BGB, § 611 Rz. 79; Buchner in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 30 Rz. 317. 3 BAG v. 6.2.2003 – 2 AZR 621/01, NZA 2003, 848 f. 4 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 260. 5 Ausführlich auch Besgen, B+P 2008, 380 ff. 6 Vgl. BAG v. 5.10.1995 – 2 AZR 923/94, NZA 1996, 371 ff., 372; Thüsing in: MüKoBGB, § 11 AGG Rz. 16; Preis/Bender, NZA 2005, 1321 ff., 1321; Boemke, RdA 2008, 129 ff., 130. 7 Joussen, NZA 2007, 174 ff., 176.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 39 Teil 2
dagegen lediglich die Privatsphäre und steht sie in keinem Zusammenhang mit den Pflichten aus dem einzugehenden Arbeitsverhältnis, wird sie als unzulässig angesehen1. Dieser allgemeine Grundsatz ist von der Rechtsprechung in einer umfangreichen Kasuistik konkretisiert worden2. Im Folgenden sollen die wichtigsten Fallgruppen des Fragerechts des Arbeitgebers dargestellt werden.
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a) Schwerbehinderung Eine vorliegende Schwerbehinderung kann für das in Aussicht genommene Arbeitsverhältnis weitreichende Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf den besonderen Kündigungsschutz eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, sondern auch für die sonstigen gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers, die bei Beschäftigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bestehen. So steht einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gem. § 125 SGB IX ein Anspruch auf zusätzlichen Sonderurlaub zu und der Arbeitgeber ist gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX zu einer behindertengerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes verpflichtet. Daneben hat der Arbeitgeber auch deshalb ein Interesse über eine bestehende Anerkennung als Schwerbehinderter informiert zu sein, da ggf. davon die Erfüllung der Beschäftigungsquote gem. § 71 Abs. 1 SGB IX abhängen kann und er gem. § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX verpflichtet ist, den Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich über eingehende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen zu unterrichten3. Diese besonderen gesetzlichen Pflichten kann der Arbeitgeber nur erfüllen, wenn er Kenntnis von einer bestehenden Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers hat. Aus diesem Grund wurde die Frage nach einer anerkannten Schwerbehinderung von der früheren Rechtsprechung als zulässig angesehen4. Diese Rechtsprechung ist jedoch nach der Einführung von §§ 81 ff. SGB IX und des AGG nicht mehr zu halten. Die mit den dortigen Vorschriften bezweckte Verhinderung einer Diskriminierung von schwerbehinderten Menschen, wäre ansonsten nicht zu erreichen5. § 81 Abs. 2 SGB IX a.F. bestimmte, dass Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen dürfen. § 81 Abs. 2 SGB IX a.F. ist durch die Einführung des AGG abgelöst worden. Inhaltlich hat dies jedoch keine Veränderungen gebracht, so dass auch weiterhin allgemein von einer Unzulässigkeit der Frage nach einer Schwerbehinderung auszugehen ist6. Das geplante Beschäftigtendatenschutzgesetz sieht dies in § 32 Abs. 3 BDSG-E nunmehr ausdrücklich vor.
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Es werden jedoch teilweise Ausnahmen für besonders gelagerte Fallkonstellationen erörtert. So erscheint es zumindest dann fragwürdig, eine Frage nach ei-
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Vgl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 169. Überblick etwa bei Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff. Vgl. dazu Besgen, Schwerbehindertenrecht, Rz. 16 und 27. Vgl. BAG v. 5.10.1995 – 2 AZR 923/94, NZA 1996, 371 ff.; v. 3.12.1998 – 2 AZR 754/97, NZA 1999, 584 ff. 5 Joussen, NZA 2007, 174 ff., 176. 6 Vgl. umfassend Joussen, NZA 2007, 174 ff., 175 f.
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Teil 2 Rz. 40
Begründung und Inhalt
ner Schwerbehinderung als diskriminierend anzusehen, wenn im Betrieb des Arbeitgebers eine Integrationsvereinbarung besteht und dem Arbeitgeber an der Einstellung eines Schwerbehinderten gelegen ist, um diesen zu fördern und der Integrationsvereinbarung zu entsprechen. Ebenso kann in Betracht zu ziehen sein, dass für einen zu besetzenden Arbeitsplatz das Fehlen einer Schwerbehinderung wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung gem. § 8 Abs. 1 AGG darstellt. Die berufliche Anforderung muss für die vertragsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung erforderlich sein und sie sich mindestens auf einen hinreichend großen Teil der Gesamtarbeitsleistung bezieht1. Eine entsprechende Frage nach einer Schwerbehinderung kann dann gerechtfertigt sein, sofern sie im Zusammenhang mit der beruflichen Anforderung steht. Bis zu einer endgültigen Klärung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sollte allerdings aus praktischer Sicht selbst dann eine entsprechende Frage vermieden werden. 40
Gleiches gilt für eine Frage nach schwerbehinderten Familienangehörigen, etwa schwerbehinderten Kindern. Zwar könnte dem Arbeitgeber daran gelegen sein, über eine solche Schwerbehinderung in der Familie informiert zu werden. Könnte sie doch zu vermehrten Ausfallzeiten des Arbeitnehmers im Fall einer Pflegebedürftigkeit führen. Allerdings hat der EuGH mittlerweile klargestellt, dass eine Diskriminierung i.S.d. Richtlinie 2000/78/EG auch dann vorliegt, wenn die Benachteiligung zwar nicht auf einer Behinderung des Benachteiligten selbst beruht, aber auf die eines Dritten zurückzuführen ist2. Wesentliches Argument des EuGH ist, dass das Diskriminierungsverbot nicht eine bestimmte Kategorie von Personen begünstigen soll, sondern Verhaltensweisen sanktioniert werden sollen, die an die in § 1 AGG genannten Merkmale anknüpfen3. Wie eng die Beziehung zwischen dem Benachteiligten und dem Dritten ausgestaltet sein muss, ist bisher allerdings noch nicht abschließend geklärt4.
b) Schwangerschaft 41
Die Frage nach einer Schwangerschaft ist als unzulässig anzusehen5. Im Geltungsbereich des AGG verbietet § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG die Benachteiligung wegen des Geschlechts. § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG stellt ausdrücklich klar, dass eine unmittelbare Benachteiligung in Bezug auf das Geschlecht auch im Falle einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft vorliegt. Die Frage nach einer Schwangerschaft ist selbst dann unzulässig, wenn die schwangere Frau wegen eines Beschäftigungsverbots ihre Arbeit zunächst nicht aufnehmen kann6. Dies gilt nach Ansicht des EuGH auch 1 ErfK/Schlachter, § 8 AGG Rz. 4. 2 EuGH v. 17.7.2008 – C 303/06 – Coleman, NZA 2008, 932 ff.; vgl. dazu Bayreuther, NZA 2008, 986 ff. 3 EuGH v. 17.7.2008 – C 303/06 – Coleman, NZA 2008, 932 ff., 934. 4 Vgl. dazu Bayreuther, NZA 2008, 986 ff., 987. 5 BAG v. 15.10.1992, NZA 1993, 257 ff., 258; vgl. dazu Pallasch, NZA 2007, 306 ff. 6 EuGH v. 27.2.2003 – C-320/01 – Busch, NZA 2003, 373 ff., 375.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 44 Teil 2
dann, wenn es sich um eine befristete Stelle handelt und die Bewerberin während eines wesentlichen Teils der vereinbarten Vertragslaufzeit nicht beschäftigt werden könnte1. Der Arbeitgeber kann die unzulässige Frage nach einer Schwangerschaft auch nicht durch etwaige Umgehungsfragen, zum Beispiel nach der „Familienplanung“ umgehen2.
c) Geschlecht und sexuelle Orientierung In aller Regel sind weder das wahre Geschlecht des Bewerbers noch seine sexuelle Orientierung für die Erbringung der Arbeitsleistung von wesentlicher Bedeutung. Eine entsprechende Frage ist deshalb mangels eines berechtigten Interesses des Arbeitgebers grundsätzlich unzulässig3. Ausnahmefälle in denen das Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung i.S.v. § 8 AGG darstellen kann, sind aber bereits Gegenstand der Rechtsprechung gewesen4. Dies ist im Falle von Gleichstellungsbeauftragten5 oder auch im Fall einer Stelle an einem Mädcheninternat in Betracht zu ziehen, wenn etwa einem Mann die Erbringung eines wesentlichen Teils der Arbeitsleistung nicht möglich wäre. Plastisches Beispiel ist der geschuldete Nachtdienst im Mädcheninternat, wenn zwangsläufig auch Wasch- und Schlafräume betreten werden müssten6.
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d) Religionszugehörigkeit und Weltanschauung Fragen nach der Religion oder der Weltanschauung sind regelmäßig unzulässig. Beide Bereiche gehören zur Privatsphäre des Arbeitnehmers und sind ohne Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis7. Soweit es sich um einen Arbeitsplatz im „Tendenzbereich“ handelt, kommt eine Rechtfertigung gem. § 9 AGG in Betracht.
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Die Weltanschauung des Bewerbers wurde bisher in der Praxis vor allem im Bezug auf eine Mitgliedschaft bei Scientology relevant. Eine entsprechende Frage wird als in der Regel zulässig angesehen8. Das BAG9 geht bisher im Hinblick auf die wirtschaftlichen Bestrebungen davon aus, dass es sich bei Scientology nicht um eine Weltanschauungs- oder Religionsgemeinschaft handelt, so dass der Diskriminierungsschutz des AGG nicht eingreift. Allerdings ist Scien-
44
1 EuGH v. 4.10.2001 – C-109/00 – Tele Danmark, NZA 2001, 1241 ff.; vgl. auch Schaub/ Linck, § 26 Rz. 32; kritisch Pallasch, NZA 2007, 306 ff. 2 Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 173. 3 Vgl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 172; Preis/Bender, NZA 2005, 1321 ff., 1323. 4 BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 536/08, NZA 2009, 1016 ff.; v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, NZA 2010, 872 ff.; ArbG Köln v. 6.8.2008 – 9 Ca 7687/07. 5 Vgl. dazu BAG v. 18.3.2010 – 8 AZR 77/09, NZA 2010, 872 ff. 6 BAG v. 28.5.2009 – 8 AZR 536/08, NZA 2009, 1016 ff. 7 Vgl. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, Rz. 677; Schaub/Linck, § 26 Rz. 31; Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 173. 8 Vgl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 173. 9 BAG v. 22.3.1995 – 5 AZB 21/94, NZA 1995, 823 ff.
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Teil 2 Rz. 45
Begründung und Inhalt
tology mittlerweile im europäischen Ausland teilweise als Religionsgemeinschaft anerkannt, so etwa in Frankreich1.
e) Vorstrafen 45
Nach Vorstrafen des Bewerbers darf der Arbeitgeber nur dann fragen, soweit es um Vorstrafen geht, die einen Rückschluss auf die Qualifikation des Bewerbers für den zu besetzenden Arbeitsplatz zulassen. Die begangenen Delikte müssen für das zu begründende Arbeitsverhältnis relevant sein. Bei der Besetzung von Führungspositionen wird man hingegen eine grundsätzliche Bedeutung von Vorstrafen für das Anstellungsverhältnis bejahen können, da von einer Person in Leitungsverantwortung eine erhöhte Integrität erwartet werden kann2. Dies gilt lediglich nicht für solche Vorstrafen, die nach dem BZRG nicht oder nicht mehr in ein polizeiliches Führungszeugnis aufzunehmen oder bereits getilgt sind3. Gleiches gilt für die Frage nach laufenden Ermittlungsverfahren4.
46
An diesem Ergebnis hat auch die Einführung des AGG nichts geändert. Insofern fallen Vorstrafen nicht unter die inkriminierten Merkmale des § 1 AGG.
f) Krankheit 47
Im Hinblick auf etwaige Krankheiten hat der Bewerber ein gesteigertes Interesse an einer Geheimhaltung, berühren sie doch den innersten Kern seine Privatsphäre5. Die Frage nach Krankheiten war deshalb bereits vor Erlass des AGG nur in engen Ausnahmefällen zulässig. Es waren strenge Maßstäbe anzulegen6. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bestand nur bzgl. ansteckender Krankheiten oder solcher Krankheiten, die Ausfallerscheinungen und deshalb im Hinblick auf den zu besetzenden Arbeitsplatz Gefahren für andere Mitarbeiter zur Folge haben konnten7. Daran hat sich auch nach Erlass des AGG nichts geändert.
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Probleme warf auch die Frage nach einer HIV-Infektion bzw. einer HIV-Erkrankung auf. Die herrschende Meinung ging davon aus, dass nach einer HIV-Infektion nur gefragt werden durfte, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz ein erhöhtes Infektionsrisiko für die anderen Mitarbeiter oder Kunden aufwies, zum Beispiel bei Küchenpersonal oder im Gesundheitswesen. Dagegen hat das BAG die Frage nach einer HIV-Erkrankung für zulässig erachtet, da diese zu einer dauerhaften Herabsetzung der Leistungsfähigkeit führen könne8.
1 Vgl. Schaub/Linck, § 33 Rz. 12 m.w.N. 2 Vgl. Buchner in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 30 Rz. 349. 3 Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 108 f.; Joussen in: BeckOK, BGB, § 611 Rz. 93. 4 Joussen in: BeckOK, BGB, § 611 Rz. 93. 5 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 282. 6 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 282. 7 Vgl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 171; Buchner in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 30 Rz. 285; ErfK/Preis, BGB, § 611 BGB Rz. 282. 8 BAG v. 7.6.1984 – 2 AZR 270/83, NZA 1985, 57 f.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 51 Teil 2
Wesentliche Bedeutung in diesem Zusammenhang erlangt die Differenzierung zwischen eine Behinderung i.S.v. § 1 AGG und einer Krankheit, da letztere nicht diskriminierungsrelevant ist. Der EuGH definiert eine Behinderung als physische oder psychische Beeinträchtigungen, die ein Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben bilden und wahrscheinlich von langer Dauer sind1. Bedeutung könnte diese Rechtsprechung auch für die Frage nach einer HIV-Erkrankung erlangen, da diese dauerhaft und unheilbar ist und ein Hindernis für die Teilhabe am Berufsleben darstellen kann. Da die Entwicklung hier noch nicht absehbar ist, erscheint es ratsam nur dann nach einer HIV-Erkrankung zu fragen, wenn ein erhöhtes Infektionsrisiko im oben beschriebenen Sinne besteht.
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Insgesamt lässt sich festhalten, dass insbesondere im Bereich der chronischen Erkrankungen die Reichweite des vom EuGH aufgestellten Begriffs der Behinderung noch keine klare Grenzziehung aufweist. Wisskirchen/Bissels weisen daher zutreffend daraufhin, dass aus praktischer Sicht nur dann nach einer körperlichen Beeinträchtigung gefragt werden sollte, wenn dies für die auszuübende Tätigkeit erforderlich ist2.
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g) Gendiagnostische Untersuchungen Bei der Genomanalyse wird das genetische Material eines Menschen auf bestimmte, determinierte Erbkrankheiten überprüft3. Dies kann dem Arbeitgeber unter Umständen ermöglichen, das Risiko einer späteren Erkrankung des Arbeitnehmers abzuschätzen4. Solche Untersuchungen können zum einen den Schutz des Arbeitnehmers bezwecken, etwa um eine Empfindlichkeit auf bestimmte Stoffe festzustellen, andererseits stellen sie einen empfindlichen Eingriff in die Privatsphäre des Arbeitnehmers da5. Deshalb wurde bereits früher von der Unzulässigkeit einer Genomanalyse im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung ausgegangen6. Die Entwicklung auf diesem Gebiet hat den Gesetzgeber zum Erlass des Gendiagnostikgesetzes (GenDG) veranlasst, das am 1.2.2010 in Kraft getreten ist7. Gem. § 19 GenDG darf der Arbeitgeber von Beschäftigten weder vor noch nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses die Vornahme genetischer Untersuchungen oder Analysen oder die Mitteilung von Ergebnissen bereits vorgenommener genetischer Untersuchungen oder Analysen verlangen, solche Ergebnisse entgegennehmen oder verwenden. Dies gilt auch für medizinische Vorsorgeuntersuchungen, sofern sie zur Feststellung genetischer Eigenschaften erforderlich sind, die für schwerwiegende Erkrankungen oder schwerwiegende gesundheitliche Störungen, die bei einer Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsplatz oder mit einer bestimmten Tätigkeit entstehen können, ursächlich oder mitursächlich sind. Ist eine genetische Untersuchung danach ausnahmsweise zulässig, bedarf es zusätzlich der aus1 2 3 4 5 6 7
EuGH v. 11.7.2006 – C-13/50 – Navas, NZA 2006, 839 ff., 840. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 172. Vgl. Alpers in: Hümmerich/Spirolke, § 3 Rz. 554. Vgl. Alpers in: Hümmerich/Spirolke, § 3 Rz. 554. Vgl. Alpers in: Hümmerich/Spirolke, § 3 Rz. 554. Dazu Alpers in: Hümmerich/Spirolke, § 3 Rz. 555. Dazu Wiese, BB 2009, 2198 ff. und BB 2011, 313 ff.
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Teil 2 Rz. 52
Begründung und Inhalt
drücklichen und schriftlichen Einwilligung des Arbeitnehmers, vgl. § 8 Abs. 1 GenDG. 52
§ 21 GenDG enthält daneben ein spezielles Benachteiligungsverbot. Danach darf der Arbeitgeber Beschäftigte bei einer Vereinbarung oder Maßnahme, insbesondere bei der Begründung des Beschäftigungsverhältnisses, beim beruflichen Aufstieg, bei einer Weisung oder der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht wegen ihrer oder der genetischen Eigenschaften einer genetisch verwandten Person benachteiligen. Dies gilt nach Satz 2 auch dann, wenn sich Beschäftigte weigern, genetische Untersuchungen oder Analysen bei sich vornehmen zu lassen oder die Ergebnisse bereits vorgenommener genetischer Untersuchungen oder Analysen zu offenbaren.
h) Drogen- und Alkoholkonsum 53
Hinsichtlich eines Drogen- und Alkoholkonsums ist zu differenzieren. Eine Frage, die sich generell auf eine Alkohol- oder Drogengenuss bezieht, ist unzulässig1. Ein gelegentlicher Alkohol- oder Drogenkonsum ist der Privatsphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen2. Anders ist dies, im Zusammenhang mit einer Frage nach einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit zu beurteilen. Vor Erlass des AGG wurde eine solche Frage jedenfalls dann als zulässig angesehen, wenn der zu besetzende Arbeitsplatz einen gefährlichen oder sicherheitsrelevanten Bereich betraf3. Da das BAG davon ausgeht, dass auch Suchtkranke Behinderte i.S.v. § 2 Abs. 1 SGB IX sein können und damit ein Merkmal i.S.v. § 1 AGG in Rede stehen kann, sollte die Frage nach einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit nur gestellt werden, wenn sie für die auszuübende Tätigkeit zwingend erforderlich ist. Dies wird man wie bisher bei Arbeitsplätzen in gefährlichen oder sicherheitsempfindlichen Bereichen annehmen können.
i) Wettbewerbsverbote 54
Wie bereits oben ausgeführt, führen bestehende Wettbewerbsverbote zu einer erheblichen Unsicherheit, ob der Bewerber die Arbeitsleistung nach Begründung des Anstellungsverhältnisses auch erbringen wird. Ist in diesem Zusammenhang bereits eine Offenbarungspflicht des Bewerbers anzunehmen, so muss eine Frage nach einem bestehenden Wettbewerbsverbot erst recht zulässig sein4.
j) Gewerkschafts- oder Parteimitgliedschaft 55
Die Frage nach einer Gewerkschaftsangehörigkeit muss ein Bewerber im Vorstellungsgespräch nach der Rechtsprechung des BAG nicht beantworten5. 1 2 3 4
Schaub/Linck, § 26 Rz. 18. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 171. Vgl. Wisskirchen/Bissels, NZA 2007, 169 ff., 171. Joussen in: BeckOK, BGB, § 611 Rz. 96; Schaub/Linck, § 26 Rz. 37; Buchner in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 30 Rz. 317. 5 BAG v. 28.3.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, 1294 ff., 1296.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 58 Teil 2
Diese spielt im Hinblick auf die Anforderungen an den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Rolle. Zudem verstieße es gegen die Koalitionsfreiheit die Gewerkschaftszugehörigkeit zum Auswahlkriterium zu machen1. Anders ist es nach der Einstellung. Dann besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers zu erfahren, ob ein Tarifvertrag Kraft unmittelbarer und zwingender Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis gem. §§ 1, 3, 4 TVG Anwendung findet. Dazu benötigt der Arbeitgeber Informationen zur Gewerkschaftszugehörigkeit, so dass nach der Einstellung die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit zulässig ist2. Bei Führungskräften ist die Frage regelmäßig zu vernachlässigen. Bei Organen spielt die Gewerkschaftszugehörigkeit nur „faktisch“ eine Rolle und echte leitende Angestellte fallen meist nicht unter den persönlichen Geltungsbereich von Tarifverträgen. Ebenso unzulässig ist die Frage nach der Mitgliedschaft in einer politischen Partei. Auch sie ist für die Erbringung der Arbeitsleistung ohne Bedeutung. Die Parteimitgliedschaft kann zu dem unter das Merkmal Weltanschauung i.S.v. § 1 AGG zu subsumieren sein3.
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k) Mitgliedschaft im MfS Nach der Deutschen Einheit erlangte die Frage nach einer Mitgliedschaft beim Ministerium für Staatssicherheit große praktische Bedeutung. Insofern ist zwischen privaten Arbeitgebern und öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern zu differenzieren. Erstere können nur dann ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis über Tätigkeiten für das Ministerium für Staatssicherheit vorweisen, wenn es um eine Stelle in sicherheitsrelevanten Bereichen geht. Dagegen billigt das BAG öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern allgemein ein entsprechendes Fragerecht zu4. Datiert die Tätigkeit allerdings aus einer Zeit vor 1970 bestehen nach Ansicht des BVerfG keine Anhaltspunkte mehr dafür, dass diese auch heute noch für ein zu begründendes Arbeitsverhältnis Bedeutung entfalten könnte5.
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l) Eignungstest Viele Arbeitgeber führen im Bewerbungsverfahren Eignungstests durch. Diese können vielfältiger Natur sein, z.B. graphologische Gutachten, AssessmentCenter, oder psychologische Eignungstests. All diese Testverfahren berühren in erheblicher Weise das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers/Betroffenen. Voraussetzung ist daher stets, dass der Bewerber in die Durchführung des Eignungstests einwilligt6. In Zukunft werden auch die strengen Vorgaben des geplanten neuen Beschäftigtendatenschutzes anzuwenden sein, die einen weitergehenden Schutz der Bewerber vorsehen (vgl. § 32a Abs. 2 BDSG-E). 1 BAG v. 28.3.2000 – 1 ABR 16/99, NZA 2000, 1294 ff., 1296; vgl. auch Schaub/Linck, § 26 Rz. 24. 2 HWK/Thüsing, § 123 BGB Rz. 14 m.w.N. 3 Vgl. dazu näher Däubler in: Däubler/Bertzbach, AGG, § 1 Rz. 69. 4 BAG v. 6.7.2000 – 2 AZR 543/99, NZA 2001, 317 ff., 318 f. 5 BVerfG v. 8.7.1997 – 1 BvR 2111/94, NZA 1997, 992 ff., 995 f. 6 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 303 ff.
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Teil 2 Rz. 59
Begründung und Inhalt
m) Vermögensverhältnisse 59
Die Frage nach den Vermögensverhältnissen des Bewerbers bedarf im Grundsatz ebenfalls ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an dieser Frage. Die finanziellen Verhältnisse können für das künftige Arbeitsverhältnis durchaus relevant sein. Dies gilt nicht nur bei Positionen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis zu finanziellen Fragestellungen erfordern (z.B. Finanzberater, Bank, Buchhalter etc.). Auch die Frage nach den „geordneten“ Vermögensverhältnissen kann sich dann stellen, wenn der Arbeitnehmer bereits zahlreiche Gehaltspfändungen laufen hat. So hat das BAG in einer frühen Entscheidung sogar eine Kündigung wegen zahlreicher Lohnpfändungen für zulässig erachtet1. Auch hier sind aber Änderungen im Datenschutz geplant (§ 32 Abs. 2 BDSG-E), so dass mit einer deutlichen Verschärfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen zu rechnen ist.
n) Rechtsfolgen 60
Ist die vom Arbeitgeber gestellte Frage zulässig, ist der Bewerber verpflichtet die Frage wahrheitsgemäß zu beantworten. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, steht dem Arbeitgeber ein Anfechtungsrecht gem. § 123 BGB zu.
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Eine nach den oben erläuterten Grundsätzen unzulässig Frage muss der Bewerber dagegen nicht wahrheitsgemäß beantworten. Zunächst braucht er auf die Frage gar nicht zu antworten. Da dies in der Praxis aber keinen ausreichenden Schutz des Bewerbers darstellt, da aus einem Schweigen nachteilige Rückschlüsse gezogen werden können, ist ihm ein Recht zur Lüge zuzubilligen. Der Bewerber darf die gestellte Frage ohne rechtliche Konsequenzen falsch beantworten2. Ein Anfechtungsrecht des Arbeitgebers wegen arglistiger Täuschung kommt dann nicht in Betracht. Von erheblicher Bedeutung für die Praxis ist zudem die Berücksichtigung einer unzulässigen Frage im Rahmen der Beweiserleichterung des § 22 AGG. Wird im Vorstellungsgespräch eine nach § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 AGG unzulässige Frage gestellt, stellt dies in der Regel ein Indiz für eine Diskriminierung bei der Besetzung des Arbeitsplatzes dar3. Kann der Bewerber beweisen, dass eine unzulässige Frage gestellt wurde, führt § 22 AGG dazu, dass nunmehr dem Arbeitgeber der Beweis obliegt, dass die Stellenbesetzung diskriminierungsfrei vorgenommen wurde, was regelmäßig nicht gelingt4. Das kann dann die Rechtsfolgen des AGG auslösen, insbesondere Schadensersatz und Entschädigung nach § 15 AGG. In Betracht kommen auch Ansprüche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
1 BAG v. 4.11.1981 – 7 AZR 264/79, AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung = NJW 1982, 1062; kritisch Gola/Wronka, Handbuch zum Arbeitnehmerdatenschutz, Rz. 641. 2 Vgl. Wilms in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, Art. 1, 2 GG Rz. 47. 3 Vgl. Bertzbach in: Däubler/Bertzbach, § 22 AGG Rz. 44e; Thüsing, NZA 2006, 774 ff., 776; differenzierend Bauer/Göpfert/Krieger, § 22 AGG Rz. 11. 4 Vgl. Grobys, NZA 2006, 898 ff., 901.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 65 Teil 2
IV. Im Besonderen: Anwendbarkeit des AGG auf Organmitglieder Die vorstehenden Ausführungen zum Fragerecht des Arbeitgebers nehmen in vielen Fällen, wie dargelegt, auf das AGG Bezug. Da das AGG zunächst nur an den Begriff des Beschäftigten anknüpft, wird im Folgenden zu erörtern sein, inwieweit das AGG auch für Organmitglieder wie GmbH-Geschäftsführer und AG-Vorstände Anwendung findet.
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1. Anwendbarkeit gem. § 6 Abs. 3 AGG Der Begriff des Beschäftigten ist in § 6 AGG legal definiert. Danach sind Beschäftigte i.S.d. AGG zunächst gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1–3 AGG Arbeitnehmer, die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten und arbeitnehmerähnliche Personen. Da in aller Regel weder GmbH-Geschäftsführer noch AG-Vorstände Arbeitnehmer sind, sondern sich diese in einem Dienstverhältnis mit der Gesellschaft befinden, ist der Anwendungsbereich des AGG jedenfalls nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG eröffnet. Große Teile der Literatur gehen allerdings davon aus, dass jedenfalls der Fremdgeschäftsführer einer GmbH im europarechtlichen Kontext als Arbeitnehmer anzusehen sei1. Dem hat sich nun auch der EuGH weitgehend angeschlossen, sofern das Organmitglied nach Weisung oder unter Aufsicht eines anderen Organs tätig wird und für seine Tätigkeit ein Entgelt erhält2.
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Jedenfalls fallen aber sowohl GmbH-Geschäftsführer als auch Vorstandsmitglieder einer AG gem. § 6 Abs. 3 AGG in den eingeschränkten Anwendungsbereich des AGG. Danach gelten die Vorschriften des zweiten Abschnitts, also der §§ 6–18 AGG für Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer und Vorstände entsprechend, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft. § 6 Abs. 3 AGG setzt alleine voraus, dass die natürliche Person tatsächlich einem Gesellschaftsorgan angehört3. Auch Bewerber für eine Organmitgliedschaft sind in den Schutz mit einbezogen4. Diese Ausweitung des Diskriminierungsschutzes bringt insbesondere auf Grund des überdurchschnittlichen Gehaltes von Organmitgliedern ein erhebliches Risiko für Arbeitgeber mit sich5.
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Ist ein Organmitglied auch gleichzeitig als Arbeitnehmer bzw. arbeitnehmerähnliche Person anzusehen, ist der Anwendungsbereich des AGG nach § 6 Abs. 1 AGG eröffnet. § 6 Abs. 3 AGG entfaltet für Organmitglieder keine negative Ausschlusswirkung in dem Sinne, dass bei ihnen der Anwendungsbereich lediglich nach dieser Vorschrift eröffnet sein könnte6.
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1 2 3 4 5 6
Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 ff., 995; Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 323 f. EuGH v. 11.11.2010 – C-232/09 - Dita Danosa, NZA 2011, 143 ff. Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 322. Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 322. Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 ff., 993. Vgl. Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 323 f.; a.A. Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 ff., 997.
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Teil 2 Rz. 66
Begründung und Inhalt
2. Reichweite der Verweisung 66
§ 6 Abs. 3 AGG erklärt die Vorschriften des zweiten Abschnitts für entsprechend anwendbar, so dass insbesondere § 7 AGG und § 11 AGG auch für Organmitglieder gelten. Nicht mehr zum zweiten Abschnitt gehört aber die Beweislastregel des § 22 AGG. Ob ein solcher Ausschluss der Beweiserleichterung im Hinblick auf Selbstständige und Organmitglieder europarechtskonform ist, wird bezweifelt1. Die wohl überwiegende Meinung wendet § 22 AGG entsprechend an2. Organmitglieder können sich nach dieser Auffassung auf die Beweislastregel des § 22 AGG berufen.
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Zudem schränkt § 6 Abs. 3 AGG den Diskriminierungsschutz insoweit ein, also er nur die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg erfasst. Er bezieht sich insofern auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG3. Die Bereiche des § 2 Abs. 2 Nr. 2–8 AGG sind nicht in den Diskriminierungsschutz einbezogen4. Damit sind die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 AGG aufgeführten allgemeinen Beschäftigungs- und Anstellungsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts, nicht Gegenstand des Verweises in § 6 Abs. 3 AGG5. Beim Organmitglied umfasst der Zugang zur Beschäftigung auch den fortgesetzten Zugang und damit insbesondere den erneuten Abschluss eines Anstellungsvertrages, seine Verlängerung oder auch die Kündigung6.
V. Rechtsfolgen 68
Wird ein Bewerber unter Verstoß gegen § 7 AGG abgelehnt, so kann er seine Einstellung nicht durchsetzen. § 15 Abs. 6 AGG schließt einen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg als Rechtsfolge aus. Auch führt eine Benachteiligung nicht zur Unwirksamkeit des Anstellungsverhältnisses des eingestellten Bewerbers. Bei der Bestellung eines Vorstandsmitglieds ist Rechtsfolge deshalb nicht die Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses7. Der unter Verstoß gegen das AGG abgelehnte Bewerber für eine Organmitgliedschaft kann nicht verlangen, nun doch zum Organ bestellt zu werden8. In Betracht kommt aber gem. § 15 Abs. 2 AGG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld9. Bei der Bemessung der Entschädigung ist nicht das 1 Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 326 f. 2 Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 ff., 997; Roloff in: BeckOK, § 6 AGG Rz. 8; a.A. Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 325 f. 3 Vgl. Schleusener in: Schleusener/Suckow/Voigt, § 6 AGG Rz. 16. 4 Vgl. Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 326. 5 Bauer/Arnold, ZIP 2008, 993 ff., 994. 6 OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09, NZA 2011, 211; Lutter, BB 2007, 725 ff., 726; Thüsing in: MüKoBGB, § 2 AGG Rz. 7; ErfK/Schlachter, § 2 AGG Rz. 5; Schrader/ Schubert in: Däubler/Bertzbach, § 6 AGG Rz. 33; a.A. Willemsen/Schweibert, NJW 2006, 2583 ff., 2584; Bauer/Göpfert/Krieger, § 6 AGG Rz. 31; Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 329. 7 Bauer/Arnold, AG 2007, 807 ff., 808. 8 Vgl. Lutter, BB 2007, 725 ff., 730. 9 OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09, NZA 2011, 211.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 71 Teil 2
entgangene Gehalt zu Grunde zu legen, sondern in jedem Einzelfall die Schwere des Verstoßes zu würdigen1. Kriterien können etwa Art, Schwere, Dauer und Folgen der Benachteiligung sein sowie der Verschuldensgrad2. Eine Grenze stellt § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG auf. Danach darf die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht überschreiten, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Dies gilt gem. § 6 Abs. 3 AGG sinngemäß für Organmitglieder. Geht die Benachteiligung nicht unmittelbar vom Vertragspartner aus, ist prüfen, inwieweit eine Zurechnung des Verhaltens der beteiligten Personen dem Vertragspartner zuzurechnen ist. Wird der Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft als juristischer Person abgeschlossen und handelt ein Organmitglied für sie, so kommt eine Zurechnung des benachteiligenden Verhaltens über § 31 BGB analog in Betracht. Handeln dagegen andere Arbeitnehmer der Gesellschaft oder externe Dritte, richtet sich die Zurechnung nach § 278 BGB3. Haftet der Vertragspartner danach für benachteiligendes Verhalten seiner Mitarbeiter oder Organmitglieder, kann er diese in Regress nehmen. Rechtsgrundlage bei Fehlverhalten von Mitarbeitern ist § 280 Abs. 1 BGB. Organmitglieder haften dagegen nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (§ 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 AktG).
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VI. Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, des Sprecherausschusses und der Schwerbehindertenvertretung Bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einer Führungskraft können Beteiligungsrechte verschiedener Mitbestimmungsorgane zu beachten sein. Welches Gremium zu beteiligen ist, hängt in erster Linie von der Art des zu begründenden Anstellungsverhältnisses ab. Nur bei der Begründung von Organdienstverträgen bestehen von vorne herein keine Mitbestimmungsrechte.
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1. Betriebsrat a) Arbeitnehmer Handelt es sich um die Einstellung eines Arbeitnehmers, der zwar in einer gehobenen Position eingestellt werden soll, der allerdings noch nicht als leitender Angestellter angesehen werden kann, so steht dem Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern ein zwingendes Mitbestimmungsrecht gem. § 99 BetrVG zu4.
1 OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09, NZA 2011, 211. 2 Vgl. OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09, NZA 2011, 211; v. Steinau-Steinrück/ Schneider in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, § 15 AGG Rz. 8. 3 Vgl. Stoffels, RdA 2009, 204 ff., 207 f. 4 Ausführlich dazu Besgen, Handbuch Betriebsverfassungsrecht, § 21 Rz. 12 ff.
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Teil 2 Rz. 72
Begründung und Inhalt
b) Leitende Angestellte 72
Bei echten leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG besteht keine Beteiligungspflicht nach § 99 BetrVG. Allerdings muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 105 BetrVG rechtzeitig unterrichten. Dem Betriebsrat soll durch die Mitteilung des Arbeitgebers die Möglichkeit gegeben werden, etwaige Bedenken gegen die personelle Einzelmaßnahme zu erheben. Daher hat die Unterrichtung zeitlich vor der Durchführung der Maßnahme zu erfolgen1. Zur Unterrichtung gehören die Vorlage der Personalien und die ihm zu übertragende Funktion. Weitere Informationspflichten bestehen nicht, insbesondere nicht im Hinblick auf den Inhalt des Arbeitsvertrages. Aus § 105 BetrVG folgt allerdings keine Anhörungspflicht des Arbeitgebers. Verstöße haben damit auf die Wirksamkeit einer entsprechenden Maßnahme keinen Einfluss, selbst wenn der Arbeitgeber die Maßnahme durchführt, ohne die Stellungnahme des Betriebsrats abgewartet zu haben2. Bei groben Verstößen kann allerdings der Betriebsrat ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG einleiten3.
2. Sprecherausschuss 73
Die Interessen der leitenden Angestellten werden vom Sprecherausschuss wahrgenommen. Gem. § 31 SprAuG ist dem Sprecherausschuss eine beabsichtigte Einstellung eines leitenden Angestellten rechtzeitig mitzuteilen. Rechtzeitig bedeutet, dass die Mitteilung an den Sprecherausschuss zu einem Zeitpunkt zu erfolgen hat, zu dem es dem Sprecherausschuss noch möglich ist, sich über die Einstellung zu informieren und die Belange des Betroffenen und der übrigen leitenden Angestellten wahrzunehmen4. Hinsichtlich des Umfangs der Information gilt, dass der Arbeitgeber alles mitzuteilen hat, was für die Interessenwahrnehmung durch den Sprecherausschuss erforderlich ist5.
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Es besteht allerdings keine Pflicht des Arbeitgebers, sich mit dem Sprecherausschuss zu beraten6. Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht ist gem. § 36 SprAuG eine Ordnungswidrigkeit und kann als solche geahndet werden. Andere Sanktionen sind allerdings nicht gesetzlich vorgesehen7.
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Da in der Praxis nicht immer sicher zu beurteilen ist, ob ein Arbeitnehmer den leitenden Angestellten zugeordnet werden kann oder nicht, sollte in Zweifelsfällen eine Mitteilung an Betriebsrat und Sprecherausschuss erfolgen.
3. Schwerbehindertenvertretung 76
Bewirbt sich ein schwerbehinderter Mensch auf die offene Stelle oder soll diese mit einem Schwerbehinderten besetzt werden, sind die Beteiligungsrechte der 1 2 3 4 5 6
Besgen, Handbuch Betriebsverfassungsrecht, § 21 Rz. 89. Besgen, Handbuch Betriebsverfassungsrecht, § 21 Rz. 89. Bachner in: Däubler/Kittner/Klebe, § 105 BetrVGRz. 12. ErfK/Oetker, § 31 SprAuG Rz. 5. ErfK/Oetker, § 31 SprAuG Rz. 5. v. Steinau-Steinrück in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, § 31 SprAuG Rz. 3. 7 Vgl. ErfK/Oetker, § 31 SprAuG Rz. 2.
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Anbahnung des Anstellungsverhältnisses
Rz. 78 Teil 2
Schwerbehindertenvertretung zu beachten. Gem. § 95 Abs. 1 Halbs. 1 SGB IX ist die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören. Bei der Besetzung von Führungspositionen reicht es alleine nicht aus, dass der Führungskraft schwerbehinderte Mitarbeiter unterstellt sind. Das Beteiligungsrecht besteht vielmehr nur dann, wenn die Führungsposition besondere schwerbehindertenspezifische Anforderungen mit sich bringt1. Verstößt der Arbeitgeber gegen § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, folgt daraus noch nicht die Unwirksamkeit der personellen Maßnahme2. Eine unterbliebene Anhörung oder Unterrichtung führt dazu, dass die vorgenommene Maßnahme des Arbeitgebers gem. § 95 Abs. 2 Satz 2 SGB IX auszusetzen ist. Während der Aussetzung geht die überwiegende Ansicht von einer schwebenden Unwirksamkeit der Maßnahme aus3. Die Aussetzung kann von der Schwerbehindertenvertretung ggf. im arbeitsgerichtlichen (Eil-)Verfahren durchgesetzt werden4. Die Unterrichtung und die Anhörung sind innerhalb von sieben Kalendertagen nach Mitteilung der Durchführung der Maßnahme an die Schwerbehindertenvertretung nachzuholen5. Sodann kann der Arbeitgeber eine endgültige Entscheidung treffen.
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Zudem ist zu beachten, dass auch der Betriebsrat gem. § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten ist.
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1 BAG v. 17.8.2010 – 9 ABR 83/09, NZA 2010, 1431 ff., 1432. 2 Vgl. LAG Hamm v. 4.10.1990 – 17 Sa 316/90, AiB 1991, 67 f.; Götz/Kossens in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 95 Rz. 22; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, § 95 Rz. 11a; Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rz. 36; a.A. Peiseler in: Feldes/Kamm/Peiseler/Rehwald/von Seggern/Westermann/Witt, Basiskommentar zum SGB IX, § 95 Rz. 16 ff. 3 Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rz. 36; Götz/Kossens in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, § 95 Rz. 21. 4 Vgl. Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rz. 35 f. 5 Vgl. Masuch in: Hauck/Noftz, SGB IX, § 95 Rz. 36.
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B. Vertragsschluss I. Allgemeines 79
Die §§ 611 ff. BGB stellen die wesentliche gesetzliche Grundlage des Anstellungsvertrages dar. Dies gilt für den Dienstvertrag (Vorstandsmitglied, Geschäftsführer) und den Arbeitsvertrag (leitende Angestellte) gleichermaßen. Der Arbeitsvertrag ist ein Unterfall des Dienstvertrages, für den in zahlreichen Gesetzen Sonderregelungen vorgesehen sind.
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Der Abschluss des Anstellungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen vertragsrechtlichen Grundsätzen des Bürgerlichen Rechts. Der Vertrag kommt daher durch Angebot und Annahme zustande, §§ 145 ff. BGB. Es müssen folglich zwei inhaltlich übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, die sich im Rahmen von § 611 BGB darauf beziehen, dass der eine Teil sich zur Leistung von Diensten, der andere sich zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Arbeitsvertrag und Dienstvertrag sind gegenseitige Verträge i.S.d. §§ 320 ff. BGB. Zwischen der Leistung von Diensten bzw. der Erbringung der Arbeitsleistung und der Zahlung der Vergütung besteht eine synallagmatische Verknüpfung. Wird die Höhe der Vergütung bei Vertragsabschluss nicht beziffert, führt dies, wie § 612 BGB zeigt, nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit. Vielmehr gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. § 612 Abs. 2 BGB stellt auf die übliche Vergütung ab. Üblich ist diejenige Vergütung, die für eine vergleichbare Tätigkeit im Betrieb oder, falls eine solche dort nicht ausgeübt wird, in ähnlichen Gewerben oder Berufen gezahlt wird1.
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Einer Form bedarf es für den Vertragsschluss nicht. Dienst- und Arbeitsvertrag können formfrei geschlossen werden. Im Rahmen von Arbeitsverhältnissen sind jedoch die Regelungen des Nachweisgesetzes zu beachten. Zwar bleibt ein Verstoß gegen die Nachweispflicht sanktionslos. Wird das Arbeitsverhältnis aber Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens, führt die Nichterfüllung der Nachweispflicht zu einer Umkehr der Beweislast zu Gunsten des Arbeitnehmers2.
1. Vertragspartner/Vertretung 82
Wer auf der Seite des Arbeitgebers oder Dienstberechtigten zum Abschluss des Anstellungsvertrages befugt ist, richtet sich danach, ob ein leitender Angestellter oder ein Organmitglied angestellt wird.
a) Leitende Angestellte 83
Bei der Anstellung eines leitenden Angestellten gelten keine Besonderheiten. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für den Vertragsschluss bei den gesetzli1 BAG v. 26.4.2006 – 5 AZR 549/05, NZA 2006, 1354 ff., 1357; Schaub/Vogelsang, § 67 Rz. 48. 2 Vgl. im Einzelnen ErfK/Preis, Einl. NachwG Rz. 22 f.
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Rz. 87 Teil 2
Vertragsschluss
chen Vertretungsorganen. In der GmbH handelt die Geschäftsführung gem. § 35 Abs. 1 GmbHG, wobei darauf zu achten ist, ob Allein- oder Gesamtvertretungsbefugnis besteht. Die AG wird beim Vertragsschluss vom Vorstand vertreten, vgl. § 78 AktG. Auch hier ist sowohl Allein- als auch Gesamtvertretungsbefugnis möglich, vgl. § 78 Abs. 2 AktG. Die gesetzlichen Vertretungsorgane der Gesellschaft können die Vertretungsbefugnis bei Personaleinstellungen auf andere Mitarbeiter übertragen. Denkbar ist auch, dass die Satzung die Vertretungsbefugnis des Vorstands an die Mitwirkung eines Prokuristen bindet, vgl. § 78 Abs. 3 AktG. Dies gilt aber nur dann, wenn die Vorstandsmitglieder gesamtvertretungsberechtigt sind. Hier soll § 78 Abs. 1 AktG die Vertretung erleichtern1. Unter Umständen kann auch die Zustimmung eines weiteren Organs, etwa des Aufsichtsrats, erforderlich sein, sofern die Satzung einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt enthält, vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG2. Der Aufsichtsrat kann einen Zustimmungsvorbehalt aber auch außerhalb der Satzung, ggf. ad hoc für eine Einzelmaßnahme, begründen3. Die fehlende Zustimmung führt allerdings nicht zur Unwirksamkeit des Anstellungsvertrages, denn ein Zustimmungsvorbehalt entfaltet keine Außenwirkung4. Die Vertretungsmacht etwa des Vorstands bleibt auch bei fehlender Zustimmung grundsätzlich unberührt5. Holt das vertretende Organ eine erforderliche Zustimmung nicht vor Durchführung der beabsichtigten Maßnahme ein, so handelt es pflichtwidrig und begründet unter den weiteren Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG seine Innenhaftung6.
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Handelt eine nichtvertretungsberechtigte Person, richten sich die Rechtsfolgen nach §§ 177 ff. BGB. Befindet sich der leitende Angestellte in Unkenntnis hinsichtlich der fehlenden Vertretungsmacht, kann er den Vertrag gem. §§ 177 Abs. 1, 178 BGB widerrufen. Außerdem kommt eine Haftung des auf Seiten der Gesellschaft Handelnden als Vertreter ohne Vertretungsmacht gem. § 179 BGB in Betracht, sofern der Arbeitgeber den Vertrag nicht genehmigt.
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b) AG-Vorstand Der Dienstvertrag zwischen AG-Vorstand und der Gesellschaft setzt einen wirksamen Beschluss des Aufsichtsrats und eine ordnungsgemäße Vertretung der Gesellschaft beim Vertragsschluss voraus7. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für den Abschluss des Dienstvertrages beruht auf § 112 AktG.
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Nach der Neufassung des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG kann der Aufsichtsrat die Beschlussfassung über die Bestellung und als Annex auch über das Anstel-
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Vgl. Hüffer, AktG, § 78 Rz. 16. Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil B Rz. 151. Vgl. Habersack in: MüKoAktG, § 111 Rz. 115. Habersack in: MüKoAktG, § 111 Rz. 129. Habersack in: MüKoAktG, § 111 Rz. 129; Pentz in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rz. 114. 6 Vgl. Habersack in: MüKoAktG, § 111 Rz. 129. 7 Vgl. Henze/Rosch, ArbRAktuell 2010, 310 ff.
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Teil 2 Rz. 88
Begründung und Inhalt
lungsverhältnis nicht mehr einem Ausschuss oder dem Aufsichtsratsvorsitzenden übertragen1. Der Abschluss des Anstellungsvertrages ist vielmehr dem Gesamtaufsichtsrat vorbehalten2. Dies ergibt sich daraus, dass § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG mit seinem Verweis auf § 87 Abs. 1 AktG die Festsetzung der Bezüge des Vorstandsmitglieds zwingend dem Plenum zuweist3. Die Entscheidung über die Vergütung lässt sich kaum von den Bestandteilen des Anstellungsvertrages trennen. Zulässig bleibt es aber, die Vorbereitung des Vertrages einem Aufsichtsratsausschuss zu übertragen, der über beschlussreife Vorlagen an das Plenum befindet4. 88
Zu beachten ist, dass der Beschluss des Aufsichtsrats noch nicht als Willenserklärung im Rahmen des Vertragsschlusses mit dem Vorstandsmitglied anzusehen ist. Vielmehr hat der Aufsichtsrat neben dem Beschluss über den Anstellungsvertrag noch eine Willenserklärung gegenüber dem anzustellenden Vorstandsmitglied abzugeben5. Er handelt als gesetzlicher Vertreter der AG gem. § 112 AktG. Bei der Abgabe der Willenserklärung muss der Aufsichtsrat grundsätzlich als Gremium handeln. Er kann jedoch durch Beschluss auch einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder Dritte mit der Vertretung beauftragen6.
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Der Bevollmächtigte ist an den Beschluss des Aufsichtsrats gebunden7. Dies wird kaum Probleme aufwerfen, wenn dem Beschluss bereits ein konkret ausgehandelter Vertragsentwurf zu Grunde liegt. Davon kann der Vertreter nicht abweichen. Im Übrigen ist im Einzelfall zu ermitteln, wie der Beschluss des Aufsichtsrats auszulegen ist. Der Bevollmächtigte kann entweder als „Vertreter in der Erklärung“ oder als „Vertreter im Willen“ handeln: Er übermittelt nur die Erklärung ohne eigenen Verhandlungsspielraum oder ihm steht noch die Möglichkeit der Konkretisierung des Vertragsangebots zu. In letzterem Fall darf der Gestaltungsspielraum des Vertreters aber nicht so weit gehen, dass sich der Aufsichtsrat im Ergebnis seiner Entscheidungskompetenz begibt. Mit der Vertretungshandlung muss der Wille des Aufsichtsrats vollzogen werden8. Dies setzt voraus, dass der zu Grunde liegende Beschluss des Aufsichtsrats zumindest im Hinblick auf die essentialia negotii hinreichend konkretisiert, insbesondere bezüglich Person, Vergütung und Vertretungsmacht bestimmt ist9. Daraus folgt, dass der Beschluss vor dem Abschluss des Anstellungsvertrages zu treffen ist.
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Eine andere Frage ist es dagegen, ob ein vorhergehender Abschluss des Anstellungsvertrags durch einen nachträglichen Beschluss geheilt werden kann. Die überwiegende Auffassung in der Literatur geht mit der älteren Rechtsprechung 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. dazu Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 48. Vgl. Beuthien, NZG 2010, 333 ff., 334; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 48. Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 48. Vgl. Hüffer, AktG, § 107 Rz. 18; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 50; Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1491. Vgl. dazu Köhler, NZG 2008, 161 ff., 161 f. Vgl. Köhler, NZG 2008, 161 ff., 162. Hüffer, AktG, § 112 Rz. 5. Habersack in: MüKoAktG, § 112 Rz. 19. Vgl. Köhler, NZG 2008, 161 ff., 162.
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Rz. 93 Teil 2
Vertragsschluss
des BGH davon aus, dass der Anstellungsvertrag bei Fehlen eines Aufsichtsratsbeschlusses schwebend unwirksam ist, §§ 177 ff. BGB1. Der Aufsichtsrat kann die Rechtshandlung allerdings gem. § 184 BGB durch Beschluss rückwirkend genehmigen2.
c) GmbH-Geschäftsführer Für den Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages ist in der GmbH in der Regel die Gesellschafterversammlung zuständig. § 46 Nr. 5 GmbH regelt zwar nur die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer sowie deren Entlastung. Diese Zuständigkeit wird jedoch auf eine umfassende Annexkompetenz für alle Rechtsgeschäfte erweitert, die mit der Bestellung eines Geschäftsführers zusammenhängen. Die Gesellschafterversammlung ist deshalb auch für den Abschluss, die Änderung und die Beendigung des Anstellungsvertrages zuständig3. Die Gesellschafterversammlung entscheidet durch Beschluss. Sofern keine anderweitige Satzungsregelung getroffen worden ist, bedarf der Beschluss der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, vgl. § 47 Abs. 1 GmbHG.
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Ist dagegen in der GmbH zwingend ein Aufsichtsrat zu bilden, schließt dessen Zuständigkeit auch den Abschluss des Anstellungsvertrages ein. Dies gilt für Gesellschaften, die in den Anwendungsbereich des MitbestG oder der Montanmitbestimmungsgesetze fallen. § 31 MitbestG und § 12 MontanMitbestG verweisen auf § 84 AktG. Daraus folgt, dass dem Aufsichtsrat die allgemeine Personalkompetenz bezüglich der Geschäftsführer obliegt. Auch wenn der Wortlaut beider Vorschriften nur die „Bestellung“ nennt, ergibt sich wiederum aus dem engen sachlichen Zusammenhang, dass auch der Abschluss des Anstellungsvertrages umfasst ist4. Im Anwendungsbereich des Drittelbeteiligungsgesetzes fehlt ein entsprechender Verweis, so dass es bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung verbleibt5.
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Bei der GmbH kommt eine Übertragung der Entscheidungskompetenz für den Abschluss des Anstellungsvertrages auf einen Aufsichtsratsausschuss weiterhin in Betracht6. § 52 Abs. 1 GmbHG verweist gerade nicht auf § 107 Abs. 2 AktG. Anders verhält es sich bei einer mitbestimmten GmbH. Sowohl § 25 Abs. 1 Nr. 3 MitbestG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG als auch § 3 Abs. 2 MontanMitbestG nehmen § 107 Abs. 3 AktG in Bezug, so dass bei einer mitbestimm-
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1 BGH v. 17.4.1967 – II ZR 157/64, NJW 1967, 1711 ff., 1712; OLG München v. 18.10.2007 – 23 U 5786/06, BB 2008, 189 f.; OLG Celle v. 25.2.2002 – 4 U 176/01, BB 2002, 1438 f.; Habersack in: MüKoAktG § 112 Rz. 31; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 7; ErfK/ Oetker, § 112 AktG Rz. 5; Köhler, NZG 2008, 161 ff., 162 f.; offenlassend nunmehr BGH v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, NZG 2008, 471 ff., 472. 2 Köhler, NZG 2008, 161 ff., 163; Hüffer, AktG, § 112 Rz. 7. 3 Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rz. 36. 4 Vgl. BGH v. 14.11.1983 – II ZR 33/83, NJW 1984, 733 ff., 734; ErfK/Oetker, § 12 Montan-MitbestG Rz. 3, § 31 MitbestG Rz. 10. 5 ErfK/Oetker, § 1 DrittelbG Rz. 17. 6 Vgl. Beuthien, NZG 2010, 333 ff., 334.
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Teil 2 Rz. 94
Begründung und Inhalt
ten GmbH die Beschlusskompetenz zwingend dem Gesamtaufsichtsrat verbleiben muss und nicht auf einen Ausschuss übertragen werden kann.
d) Sonderfall Drittanstellung 94
Eine Sonderstellung nimmt der Fall einer Drittanstellung ein. In dieser Konstellation wird der Anstellungsvertrag nicht mit der Gesellschaft geschlossen, deren Organmitglied der Anzustellende werden soll, sondern mit einer dritten Gesellschaft. Auf Bedenken stößt eine solche Konstruktion bei einem AG-Vorstand. Es gibt zwar keinen Rechtssatz, wonach ein Vorstandsmitglied stets bei der Gesellschaft angestellt sein muss, deren Vertretungsorgan er angehört1. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit der Leitung der Aktiengesellschaft durch das Vorstandsmitglied auf Grund seiner dienstvertraglichen Pflichtenbindung ist aber nicht von der Hand zu weisen2. Andererseits sind nach allgemeiner Ansicht sogar Vorstandsdoppelmandate nicht ausgeschlossen, obwohl gerade sie Interessenkonflikte auslösen können3. Zum Teil wird eine Drittanstellung des AG-Vorstands als zulässig angesehen, wenn das Weisungsrecht der Drittgesellschaft ausgeschlossen ist4. Die Bedenken bleiben. Für die Praxis ist deshalb von der Drittanstellung im aktienrechtlichen Bereich abzuraten, solange die Rechtslage nicht zuverlässig geklärt ist5.
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Für den GmbH-Geschäftsführer gilt dies nicht. Seine Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung schränkt die mit einer Drittanstellung verbundenen Risiken für die Gesellschaft erheblich ein6.
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In der Praxis treten Drittanstellungen häufig in Konzernen auf. Hier wird der Dienstvertrag zwischen dem Geschäftsführer bzw. Vorstand und der Konzernobergesellschaft geschlossen. Die Konzernobergesellschaft delegiert ihn an eine ihrer Tochtergesellschaften, die ihn zum Mitglied des Vertretungsorgans bestellt. Eine solche Drittanstellung wird überwiegend als zulässig erachtet7.
2. AGB-Recht 97
Der Abschluss eines Anstellungsvertrages – unabhängig ob mit einem Arbeitnehmer oder einem Organmitglied – ist Ausdruck der Privatautonomie. Um die Vertragsfreiheit beider Vertragspartner sicherzustellen, bedarf es flankierender gesetzlicher Regelungen wie §§ 305 ff. BGB8. Auch im Dienstvertrags-
1 Vgl. Jaeger, DStR 2010, 2312 ff., 2313. 2 Vgl. Pusch in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, AktG, § 84 Rz. 38. 3 Vgl. etwa Fonk, NZG 2010, 368 ff. m.w.N. 4 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rz. 431. 5 So auch Hüffer, AktG, § 84 Rz. 14; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rz. 431. 6 Vgl. BGHZ 75, 209, 210; Pusch in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, AktG, § 84 Rz. 38. 7 Hüffer, AktG, § 84 Rz. 14. 8 Vgl. Stoffels, ZfA 2009, 861 ff., 862.
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Rz. 100 Teil 2
Vertragsschluss
recht – und verstärkt im Arbeitsrecht – sind solche Regelungen erforderlich, um eine einseitige Ausnutzung der Vertragsfreiheit zu verhindern1. Die vertraglichen Hauptleistungspflichten – als zentraler Gegenstand der Privatautonomie – und das darin zum Ausdruck kommende Äquivalenzverhältnis sind einer Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entzogen2. Allerdings gilt für entsprechende Klauseln das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verankerte Transparenzgebot3. Deshalb müssen auch die auf die Hauptleistungspflichten bezogenen Vertragsbestimmungen klar und verständlich sein.
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Die §§ 305 ff. BGB finden Anwendung, wenn beim Vertragsschluss mit der Führungskraft ein vom Arbeit- oder Dienstgeber vorformulierter Vertrag verwendet wird, die Vertragsbedingungen also von ihm „gestellt“ werden. Daran fehlt es, wenn eine echte Individualvereinbarung vorliegt. Das Unternehmen muss die Klausel ernsthaft zur Disposition stellen und dem Vertragspartner die reale Möglichkeit einräumen, zur Wahrung eigener Interessen den Inhalt der Regelung zu beeinflussen4. Während bei Arbeitnehmern in der Regel davon ausgegangen werden kann, dass der Arbeitsvertrag nicht individuell ausgehandelt wird, trifft dies bei Führungskräften in dieser Allgemeinheit nicht zu. Häufig werden Führungskräfte einen gleichgewichtigen Einfluss zumindest auf die Tätigkeitsbeschreibung und die Vergütungsregelungen haben5 und auf Grund ihrer geschäftlichen Erfahrung auch nicht die rollenspezifische Unterlegenheit aufweisen wie ein Arbeitnehmer6. Da aber die Rechtsprechung an den Nachweis des Aushandelns strenge Maßstäbe anlegt, wird dies allenfalls im Hinblick auf einzelne Klauseln anzunehmen sein. Ausreichend für die Annahme einer ausgehandelten Vereinbarung ist es, wenn die Führungskraft auf Geheiß der Gesellschaft den Anstellungsvertrag selbst entwirft7.
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Für das Unternehmen ist es daher ratsam, den Anstellungsvertrag umfassend im Hinblick auf das AGB-Recht zu prüfen. Sind nur einzelne Vertragsklauseln ausgehandelt, ändert dies nichts daran, dass die restlichen Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen8. Die Beweislast für das Vorliegen einer echten Individualvereinbarung trifft den Arbeit- bzw. Dienstgeber9. Handelt es sich bei einem Vertragspartner um einen Verbraucher und bei dem anderen um einen Unternehmer, gelten die Vertragsbedingungen gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als vom Unternehmer gestellt, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt sind. Da der Arbeitnehmer beim Ab-
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1 Vgl. Stoffels, ZfA 2009, 861 ff., 862f. 2 Vgl. BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45 ff., 47; Stoffels, ZfA 2009, 861 ff., 867; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 36. 3 BAG v. 14.3.2007 – 5 AZR 630/06, NZA 2008, 45 ff., 47; Stoffels, ZfA 2009, 861 ff., 867; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 36. 4 BAG v. 27.7.2005 – 7 AZR 486/04, NZA 2006, 40 ff., 44; BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 ff., 941; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24. 5 Vgl. auch Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 9. 6 Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2339. 7 Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2339. 8 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 9. 9 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 24.
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Teil 2 Rz. 101
Begründung und Inhalt
schluss des Arbeitsvertrages als Verbraucher anzusehen ist1, findet § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB Anwendung, wenn es sich bei dem Anstellungsvertrag um einen Arbeitsvertrag handelt. 101
Auch der Geschäftsführer einer GmbH gilt als Verbraucher, solange er nicht als Gesellschafter über eine Sperrminorität verfügt und Leitungsmacht über die Gesellschaft ausüben kann2. Diese Rechtsprechung lässt sich auf den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds übertragen3.
102
Sofern es sich danach bei der Vertragsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die Vertragsbestandteil geworden ist, unterliegt sie einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Für Arbeitsverträge gilt nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB, dass die Besonderheiten des Arbeitsrechts angemessen zu berücksichtigen sind. Auf GmbH-Geschäftsführer und Vorstände von Aktiengesellschaften findet weder die Bereichsausnahme für das Gesellschaftsrecht (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB) noch die Einschränkung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB Anwendung4.
3. Der fehlerhafte Anstellungsvertrag 103
Für Dienst- und Arbeitsverträge gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Rechtsgeschäfte (§§ 104 ff. BGB) und Schuldverhältnisse (§§ 241 ff. BGB) Sie können aufgrund von Abschlussmängeln nichtig oder anfechtbar sein. Verstöße gegen § 134 BGB (gesetzliches Verbot) oder die Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts (§ 138 BGB) führen zur Nichtigkeit des Anstellungsvertrages. Besonderheiten treten auf, wenn der von vornherein nichtige oder nachträglich angefochtene Vertrag vollzogen wird.
104
Vor der Aufnahme der Arbeits- oder Dienstleistung ist jede Seite berechtigt, sich auf die Unwirksamkeit des Vertrages zu berufen und das ihr zustehende Anfechtungsrecht mit rückwirkender Kraft (§ 142 BGB) auszuüben. Mit dem tatsächlichen Vollzug des nichtigen oder anfechtbaren Anstellungsvertrages finden die Prinzipien des fehlerhaften Anstellungsverhältnisses Anwendung, das für die Dauer der Beschäftigung grundsätzlich wie ein rechtswirksam begründetes Arbeits- oder Dienstverhältnis mit allen daraus folgenden wechselseitigen Rechten und Pflichten behandelt wird. Der Vollzug setzt die Aufnahme der Tätigkeit mit Wissen desjenigen voraus, der auf Seiten des Unternehmens für den Abschluss des Vertrages zuständig ist bzw. dem zuständigen Organ angehört. Diese Grundsätze gelten für das faktische Arbeitsverhältnis
1 Vgl. BAG v. 25 5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 ff. 2 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 ff.; vgl. auch Hümmerich, NZA 2006, 709 ff. 3 Vgl. Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 722; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2339. 4 Vgl. Palandt/Grüneberg, § 310 BGB Rz. 50; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2338, die aber eine teleologische Reduktion der Klauselverbote vornehmen wollen, sofern arbeits- und dienstvertragliche Besonderheiten übereinstimmen.
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Rz. 108 Teil 2
Vertragsschluss
des leitenden Angestellten1 ebenso wie für das fehlerhaft begründete Dienstverhältnis des Vorstands einer AG2 und des Geschäftsführers einer GmbH3. Das fehlerhafte Anstellungsverhältnis kann jederzeit für die Zukunft aufgelöst werden. Das Recht steht beiden Seiten zu, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen4. Die Anfechtung des in Vollzug gesetzten Anstellungsverhältnisses wirkt – entgegen § 142 BGB – ex nunc5. Die Auflösung des fehlerhaften Anstellungsvertrages mit einem Vorstandsmitglied kann zugleich als wichtiger Grund den Widerruf der Bestellung nach § 84 Abs. 3 AktG rechtfertigen6.
105
II. Organschaftliche Bestellung von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern Der Abschluss eines Dienstvertrages mit einem Geschäftsführer oder Vorstandsmitglied steht in aller Regel im Zusammenhang mit seiner Bestellung zum Gesellschaftsorgan. Bestellung und Anstellung können gleichzeitig von den Gesellschaftern bzw. dem Aufsichtsrat beschlossen und einheitlich von der Organ-Führungskraft angenommen werden. Rechtlich sind beide Rechtsverhältnisse dagegen streng zu trennen7. Dies gilt für die Begründung ebenso wie für die Beendigung der Organstellung und der Anstellung.
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1. GmbH-Geschäftsführer a) Bestellung zum Gesellschaftsorgan Mit der Bestellung zum Gesellschaftsorgan übernimmt der Geschäftsführer die aus der Organstellung resultierenden Rechte und Pflichten. Die Bestellung kann rechtstechnisch mit einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung verknüpft werden8. Auch eine befristete Bestellung ist möglich9. Üblich ist die unbefristete Bestellung, die nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit widerrufen werden kann.
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Zuständig für die Bestellung zum Geschäftsführer ist in der GmbH gem. § 46 Nr. 5 GmbHG grundsätzlich die Gesellschafterversammlung. Auch hier sind
108
1 Allg. für Arbeitsverhältnisse: ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 145. 2 Seibt in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 84 Rz. 38. 3 BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NZA 2000, 945 ff.; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 6, Rz. 73. 4 Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 6, Rz. 74; Seibt in: K. Schmidt/ Lutter (Hrsg.), AktG, § 84 Rz. 38. 5 Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 36 Rz. 49. 6 Köhler, NZG 2008, 161 ff., 165. 7 Vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 ff., 169; BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NZG 2003, 84 f., 84; Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 13 Rz. 1 ff.; Moll/Grobys in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rz. 1; Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 10. 8 BGH v. 24.10.2005 – II ZR 55/04, NJW-RR 2006, 182 ff. 9 Vgl. Bunnemann in: Bunnemann/Zirngibl, § 3 Rz. 5.
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Teil 2 Rz. 109
Begründung und Inhalt
aber Sonderregelungen für die mitbestimmte GmbH zu beachten. Zum Verfahren vgl. Teil 1 Rz. 29 ff.
b) Folgen der Bestellung für ein vorhergehendes Arbeitsverhältnis 109
In der Praxis werden Organpositionen vielfach mit bewährten Arbeitnehmern im Rahmen eines beruflichen Aufstiegs besetzt. Die Beteiligten lassen es bisweilen mit der Bestellung zum Geschäftsführer bewenden, ohne das bestehende Arbeitsverhältnis ausdrücklich zu ändern oder anzupassen. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB wird durch den schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrag gewahrt. Daraus folgt zugleich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit nichts anderes vereinbart wird. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien den Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich aufheben1. Allerdings wird damit ein ruhendes Arbeitsverhältnis nicht ausgeschlossen. Im Regelfall ist indessen davon auszugehen, dass nach dem Willen der Parteien neben dem Dienstverhältnis das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht ruhend fortbestehen und wieder aufleben soll, wenn der Geschäftsführer aus seiner Organstellung abberufen wird. Den Parteien bleibt es unbenommen, sich für ein ruhendes Arbeitsverhältnis zu entscheiden. Für diesen Fall werden sie regelmäßig eine ausdrückliche Vereinbarung treffen. Fehlt sie, kommt eine andere Auslegung nur in Ausnahmefällen in Betracht, wenn deutliche Anhaltspunkte dafür sprechen, dass nach dem Willen der Parteien während der Organstellung des Geschäftsführers sein Arbeitsverhältnis ruhen und damit fortbestehen soll2.
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Im Übrigen kann § 623 BGB zu einem ruhenden Arbeitsverhältnis führen, wenn kein schriftlicher Geschäftsführeranstellungsvertrag abgeschlossen wird3. Die mit dem Abschluss des Geschäftsführeranstellungsvertrages verbundene Umgestaltung der Rechtsbeziehungen ändert nichts daran, dass das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der Schriftform des § 623 BGB aufgehoben werden muss. Soweit dies versäumt wird, besteht das Arbeitsverhältnis als ruhende Rechtsbeziehung fort, die mit dem Ende der Organstellung wieder auflebt. Nur im Ausnahmefall und unter besonderen Voraussetzungen verstößt der abberufene Geschäftsführer, der die Formunwirksamkeit der Aufhebung des Arbeitsvertrages nach § 623 BGB rügt, gegen Treu und Glauben. Ihm ist es regelmäßig nicht verwehrt, nach dem Widerruf seiner Bestellung Rechte aus dem wieder aufgelebten Arbeitsverhältnis geltend zu machen4. Dies gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass zunächst ein Arbeitsverhältnis mit einer Muttergesellschaft besteht und der Organdienstvertrag mit einer Tochtergesellschaft abgeschlossen wird5. Zu beachten ist in einer solchen Konstellation allerdings, dass das Arbeitsverhältnis bei der Konzernmutter auch 1 BAG v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669 f., 670; BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 754/06, NZA 2008, 1002 ff. 2 BAG v. 3.2.2009 – 5 AZB 100/08, NZA 2009, 669 f., 670; vgl. umfassend Jooß, RdA 2008, 285 ff. und Gelhaar, NZA-RR 2009, 569 ff. 3 BAG v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NZA 2011, 874; MüKoBGB/Henssler, § 623 Rz. 25. 4 Vgl. BAG v. 15.3.2011 – 10 AZB 32/10, NZA 2011, 874. 5 BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 207/99, NZA 2000, 1013 ff., 1014.
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Rz. 114 Teil 2
Vertragsschluss
Rechtsgrundlage der Bestellung zum Organmitglied bei der Tochtergesellschaft sein kann, so dass es neben dem Organdienstverhältnis fortbesteht1. Noch nicht ausdrücklich befasst hat sich die Rechtsprechung mit der Frage, wie sich die unterschiedliche Kompetenzverteilung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Begründung des Geschäftsführerdienstvertrages auf die dargestellte Rechtslage auswirkt2. In der GmbH sind für den Abschluss des Geschäftsführerdienstvertrages die Gesellschafter oder ggf. der Aufsichtsrat zuständig, wohingegen die Aufhebung eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Geschäftsführung fällt. Dieser Konflikt ist dahin zu lösen, dass die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitigem Abschluss eines Geschäftsführerdienstvertrages als Annex in die Zuständigkeit der Gesellschafter nach § 46 Nr. 5 GmbHG oder ggf. des Aufsichtsrats fällt3.
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! Praxishinweis
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Soll ein Arbeitnehmer zum Geschäftsführer bestellt werden, ist zu empfehlen, das Schicksal des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses ausdrücklich zu regeln, z.B. wie folgt: „Mit Abschluss dieses Vertrages gelten alle anderen Vereinbarungen, insbesondere der Arbeitsvertrag vom …, als aufgehoben.“
c) Bestellungsvoraussetzungen aa) Persönliche Voraussetzungen Geschäftsführer einer GmbH kann grundsätzlich jede natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, § 6 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Auch ein Gesellschafter kann zum Geschäftsführer bestellt werden (sog. Gesellschafter-Geschäftsführer), vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 GmbHG. § 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG stellt einen Katalog von Bestellungshindernissen auf. Danach kann nicht Geschäftsführer sein, wer unter Betreuung steht, einem Berufsverbot unterliegt, ein Gewerbe nicht ausüben darf oder wegen einer der in Nr. 3 aufgeführten Straftaten vor weniger als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.
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bb) Verfahren Die Bestellung kann entweder bereits im Gesellschaftsvertrag erfolgen oder durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung. Die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung beruht auf § 46 Nr. 5 GmbHG. Sie gilt auch, soweit die GmbH über einen fakultativen Aufsichtsrat nach § 52 GmbHG verfügt. Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Bestellung dem Aufsichtsrat übertragen4. Ist die GmbH dagegen nach dem MitbestG oder den Montanmit1 BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1065/06, NZA 2008, 168 ff., 169; Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 13 Rz. 15. 2 Ausdrücklich offen gelassen BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095 ff., 1097. 3 Vgl. Moll/Grobys in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rz. 19 m.w.N. 4 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbH, § 52 Rz. 122.
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Teil 2 Rz. 115
Begründung und Inhalt
bestimmungsgesetzen mitbestimmt, so liegt die ausschließliche Zuständigkeit beim Aufsichtsrat, § 31 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. § 12 MontanMitbestG. In diesem Fall sind auch die zeitlichen Grenzen des § 84 Abs. 1 AktG einzuhalten. Insofern kann auf die Ausführungen im Rahmen der Bestellung des Vorstands verwiesen werden, vgl. Rz. 119 ff. Unterliegt die GmbH dem Drittelbeteiligungsgesetz, ist zwar ein Aufsichtsrat zu bilden. Da § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2, 2. Halbs. DittelbG hinsichtlich der Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats aber keinen Bezug auf § 84 AktG nimmt, bleibt hier die Gesellschafterversammlung für die Bestellung zuständig.
d) Fehlerhafte Bestellung 115
Liegt keine rechtsgültige Bestellung des Geschäftsführers zum Gesellschaftsorgan vor, ist zu unterscheiden: Ohne einen wirksamen oder unwirksamen Bestellungsakt ist der Betreffende auch nicht Geschäftsführer geworden, wie § 41 GmbHG dies voraussetzt. Nimmt er aber faktisch Aufgaben eines Geschäftsführers wahr, wird überwiegend davon ausgegangen, dass ihn auch die Pflichten eines Geschäftsführers treffen1. Davon zu unterscheiden ist der sog. faktische Geschäftsführer im engeren Sinne, d.h. derjenige, der ohne (wirksame oder unwirksame) Bestellung mit Wissen der Gesellschaft tatsächlich Aufgaben eines Geschäftsführers wahrnimmt2. Nach überwiegender Auffassung gelten auch für den faktischen Geschäftsführer im engeren Sinne gleichgelagerte Pflichten3. Ob dieser dabei allerdings im Einverständnis mit der Gesellschafterversammlung handeln4 und nach außen in Erscheinung treten muss, erscheint fraglich5. Die Rechtsprechung jedenfalls verlangt zwingend ein Auftreten nach außen6. Grundsätzlich kann ein faktischer Geschäftsführer jedenfalls dann wirksam für die Gesellschaft handeln, wenn er als Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist7. Im Übrigen wird ein nachhaltiger, tatsächlicher Einfluss des faktischen Geschäftsführers vorausgesetzt8.
1 Crezelius in: Scholz, GmbHG, § 41 Rz. 4; Zöllner/Noack/Haas in: Baumbach/Hueck, § 41 Rz. 2 und 6; Strohn, DB 2011, 158 ff., 165. 2 Vgl. Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, vor § 35 Rz. 11; Zöllner/Noack/Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rz. 6; Strohn, DB 2011, 158 ff., 159. 3 Vgl. Zöllner/Noack/Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rz. 6 m.w.N. 4 Strittig, vgl. zum Meinungsstand Strohn, DB 2011, 158 ff., 162 f. 5 Vgl. Crezelius in: Scholz, GmbHG, § 41 Rz. 4; Zöllner/Noack/Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 41 Rz. 6 m.w.N. 6 BGH v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, NZG 2005, 816 f., 817; BGH v. 11.2.2008 – II ZR 291/06, NZG 2008, 468 f., 469; OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10; a.A. die herrschende Literaturmeinung, vgl. Zöllner/Noack/Haas in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rz. 9. 7 Vgl. dazu BGH v. 26.10.1955 – II ZR 90/54, BGHZ 18, 334 ff., 339f.; Thüsing in: Graf von Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Geschäftsführerverträge, Rz. 53. 8 Vgl. Strohn, DB 2010, 158 ff., 160 m.w.N.
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Rz. 119 Teil 2
Vertragsschluss
e) Zuständiges Gericht Zuständig für Streitigkeiten aus dem Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers sind die ordentlichen Gerichte1. Unabhängig davon, ob man den Geschäftsführer als Arbeitnehmer ansieht oder nicht, schließt § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte aus. Danach gelten Mitglieder des vertretungsberechtigen Organs einer juristischen Person oder Personengesamtheit nicht als Arbeitnehmer. Diese Fiktion einer fehlenden Arbeitnehmereigenschaft gilt auch für die GmbH & Co KG, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH bei der KG angestellt ist2. Kommt es dagegen zu einer Drittanstellung innerhalb eines Konzerns, so ist § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht anzuwenden3.
116
Nur wenn neben dem Anstellungsverhältnis, das der Organtätigkeit zu Grunde liegt, noch ein Arbeitsverhältnis besteht, aus dem Rechte hergeleitet werden sollen, sind die Arbeitsgerichte für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Arbeitsverhältnis zuständig4. Insoweit ist aber zu verlangen, dass eine unterscheidbare Doppelstellung des Geschäftsführers vorliegt5.
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Möglich ist auch eine vertragliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer, nach der Rechtsstreitigkeiten aus dem Anstellungsverhältnis vor die Gerichte für Arbeitssachen gebracht werden können, vgl. § 2 Abs. 4 ArbGG6.
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2. Vorstand a) Bestellung zum Gesellschaftsorgan Das Trennungsprinzip gilt auch im Aktienrecht. Das Rechtsverhältnis zwischen AG und Vorstandsmitglied beruht auf der durch die Bestellung begründeten organrechtlichen Beziehung und der schuldrechtlichen Beziehung aufgrund des Anstellungsvertrages. Bestellung und Anstellung sind trotz ihrer regelmäßigen tatsächlichen, inhaltlichen und zeitlichen Verknüpfung unterschiedlichen, voneinander rechtlich unabhängigen Ebenen zugeordnet7. Allerdings wird in der Praxis sinnvollerweise die Laufzeit des Anstellungsverhältnisses nach der Bestellung zum Gesellschaftsorgan ausgerichtet. Im Übrigen ist das Trennungsprinzip insoweit relativiert, als sich die Organpflichten, etwa die Sorgfalts- und Treuepflicht, in den schuldrechtlichen Nebenpflichten aus dem Anstellungsverhältnis widerspiegeln. Verstößt ein Vorstand gegen seine Organ1 Vgl. Germelmann/Müller-Glöge in: Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, § 5 Rz. 45. 2 BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NZA 2003, 1108 ff., 1110; umfassend dazu Moll, RdA 2002, 226 ff. 3 BAG v. 25.6.1997 – 5 AZB 41/96, NZA 1997, 1363 ff., 1365. 4 Vgl. BAG v. 6.5.1999 – 5 AZB 22/98, NZA 1999, 839 f.; Moll/Grobys in: Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 77 Rz. 74; Krasshöfer in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, ArbGG, § 5 Rz. 16. 5 BAG v. 12.3.1987 – 2 AZR 336/87, NZA 1987, 845 ff., 848. 6 Vgl. dazu Stichler, BB 1998, 1531 ff. 7 Vgl. BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NJW 2003, 351 f., 351.
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Teil 2 Rz. 120
Begründung und Inhalt
pflichten, kommt auch eine Haftung gegenüber der Gesellschaft wegen eines Verstoßes gegen eine vertragliche Nebenpflicht aus dem Anstellungsverhältnis in Betracht1.
aa) Zuständigkeit und Dauer der Amtszeit 120
Zuständig für die Bestellung des Vorstandes ist der Aufsichtsrat, § 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 AktG. In der mitbestimmten AG folgt die Zuständigkeit des Aufsichtsrats aus § 31 Abs. 1 Satz 1 MitbestG bzw. § 12 MontanMitbestG, die jeweils auf die §§ 84 und 85 AktG verweisen, sofern keine abweichenden Regelungen eingreifen.
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Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds darf für höchsten fünf Jahre erfolgen, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Sowohl eine Verlängerung der Amtszeit als auch eine Wiederbestellung sind gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG für jeweils höchstens weitere fünf Jahre zulässig. Erforderlich ist aber ein erneuter Aufsichtsratsbeschluss, der nicht früher als ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit gefasst werden kann. Eine Verlängerung oder Wiederbestellung bedarf nur dann keines erneuten Beschlusses, wenn die ursprüngliche Bestellung den Rahmen von fünf Jahren nicht ausgeschöpft hat und diese Grenze auch durch die Verlängerung oder Wiederbestellung nicht überschritten wird, vgl. § 84 Abs. 1 Satz 4 AktG. Der Aufsichtsrat bestimmt die Amtszeit nach pflichtgemäßem Ermessen. Wird im Bestellungsbeschluss keine Befristung festgelegt, so gilt die Bestellung im Zweifel als auf fünf Jahre befristet2. In der Praxis wird die Amtszeit insbesondere bei einer Erstbestellung häufig auf zwei oder drei Jahre befristet3.
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! Praxishinweis Die durchaus geläufige Praxis, eine laufende Bestellung vorzeitig aufzuheben und das Vorstandsmitglied auf neue fünf Jahre wiederzubestellen, wird in der Literatur wohl überwiegend gebilligt4. Der Wortlaut des § 84 Abs. 1 Satz 3 AktG steht nicht entgegen. Richtig ist auch, dass das freie Entscheidungsermessen des Aufsichtsrats nicht beeinträchtigt wird. Dennoch lässt sich der Einwand der Umgehung nicht ohne weiteres ausschließen5. Ziff. 5.1.2 II 2 DCGK empfiehlt, eine vorzeitige Wiederbestellung nur aufgrund besonderer Umstände, also in Ausnahmefällen vorzunehmen. Dem ist – auch aus Gründen der Rechtssicherheit – beizupflichten6.
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Vgl. Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 17. Seibt in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 84 Rz. 14. Vgl. Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 20 Rz. 30. Vgl. Seibt in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 84 Rz. 16; Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 20 Rz. 30. 5 Hüffer, AktG, § 84 Rz. 7; Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 4 Rz. 4. 6 Im Einzelnen Leuchten, NZG 2005, 909, 911.
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Rz. 128 Teil 2
Vertragsschluss
bb) Persönliche Voraussetzungen und Vorgaben hinsichtlich der Besetzung Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 AktG kann nur eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person zum Vorstand bestellt werden. § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–3 AktG legt Ausschlusstatbestände fest. Danach ist etwa ausgeschlossen, wer unter Betreuung steht, einem Berufsverbot unterliegt oder wegen einer der in Nr. 3 Buchst. a–e genannten Straftaten verurteilt worden ist, sofern die Rechtskraft des Urteils noch keine fünf Jahre zurückliegt. Zum Vorstand kann überdies nicht bestellt werden, wer bereits Aufsichtsratsmitglied der Gesellschaft ist. Beide Ämter sind unvereinbar, vgl. § 105 AktG.
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Weitere persönliche Voraussetzungen kennt das Aktienrecht nicht. So sind etwa auch Doppelmandate zulässig. Ein Vorstandsmitglied kann demnach in mehreren Gesellschaften gleichzeitig Vorstandsämter wahrnehmen1.
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Das AGG gilt auch für Organmitglieder, sofern die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit oder der berufliche Aufstieg in Frage stehen. Seine Anwendung betrifft nicht nur den Abschluss des Anstellungsvertrages, sondern ebenso die Bestellung zum Organmitglied2. Der Begriff des Zugangs zur Erwerbstätigkeit umfasst streng genommen nur den Abschluss des Dienstvertrages mit dem Organmitglied, nicht dagegen den Vorgang seiner Bestellung. In tatsächlicher Hinsicht besteht indessen ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Anstellungsverhältnis und Organbestellung. Eine auf das Anstellungsverhältnis beschränkte Anwendung des AGG kann zu widersprüchlichen Ergebnissen führen und dazu beitragen, dass das Ziel des Gesetzes (§ 1 AGG) in diesem Bereich verfehlt wird.
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Nach zutreffender Ansicht des OLG Köln ist das AGG auch auf den wiederholten Zugang zu einem Amt und damit auf eine erneute Bestellung zum Vorstandsmitglied anzuwenden3.
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cc) Beschluss des Aufsichtsrats Die Bestellung zum Vorstandsmitglied setzt einen wirksamen Beschluss des Aufsichtsrats voraus. Der Aufsichtsrat fasst seine Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit aller abgegebenen Stimmen4. Gem. § 108 Abs. 2 Satz 2 AktG ist der Aufsichtsrat in der Regel nur dann beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. In jedem Fall müssen drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen, § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG.
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Sonderregelungen gelten in mitbestimmten Gesellschaften. So sieht § 31 Abs. 2 MitbestG vor, dass für die Bestellung des gesetzlichen Vertretungsorgans eine qualifizierte Mehrheit von mindestens zwei Dritteln aller Aufsichtsratsmitglieder erforderlich ist. Wird sie nicht erreicht, so ist der ständige
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1 Vgl. dazu Fonk, NZG 2010, 368 ff. 2 Vgl. ausführlich Eßer/Baluch, NZG 2007, 321 ff., 329. 3 OLG Köln v. 29.7.2010 – 18 U 196/09; so auch ErfK/Schlachter, § 2 AGG Rz. 5; Lutter, BB 2007, 725 ff., 726; a.A. Eßer/Baluch, NZG 2010, 321 ff., 329. 4 Langenbucher, Aktien- und Kapitalmarktrecht, § 5 Rz. 36.
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Teil 2 Rz. 129
Begründung und Inhalt
Ausschuss des Aufsichtsrats, der gem. § 27 Abs. 3 MitbestG zu bilden ist, mit der Bestellung zu befassen; er hat innerhalb eines Monats nach der ersten Abstimmung einen Vorschlag zu machen. Bei der Abstimmung über diesen Vorschlag genügt die einfache Mehrheit. Kommt es zu einer Pattsituation, zählt die Stimme des Aufsichtsratsvorsitzenden doppelt, § 31 Abs. 4 Satz 1 MitbestG. Das Doppelstimmrecht führt im Ergebnis dazu, dass die Anteilseignervertreter in aller Regel den von ihnen bevorzugten Kandidaten auch gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter durchsetzen können. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats nicht gegen den Willen der Anteilseignervertreter gewählt werden kann, vgl. § 27 Abs. 1 und 2 MitbestG. 129
Der Beschluss des Aufsichtsrats über die Bestellung des Vorstandsmitglieds kann nicht an einen Aufsichtsratsausschuss übertragen werden. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG verweist auf § 84 Abs. 1 Satz 1, jedoch nicht auch auf § 84 Abs. 1 Satz 2 AktG. Die Entscheidung über die Verlängerung der Amtszeit und die wiederholte Bestellung können delegiert werden.
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Bei der Beschlussfassung sind etwa bestehende Stimmverbote zu beachten. Von praktischer Bedeutung sind insbesondere Interessenkollisionen. Denkbar ist, dass das persönliche Interesse eines einzelnen Aufsichtsratsmitgliedes an einer bestimmten Entscheidung des Gremiums einen Stimmrechtsausschluss begründet1. Überwiegend wird die Regelung über das Stimmverbot im Verein (§ 34 BGB) analog angewendet2. Das Aufsichtsratsmitglied darf demnach dann nicht mitstimmen, wenn über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts zwischen ihm und der Gesellschaft entschieden werden soll oder die Entscheidung die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und der Gesellschaft betrifft. In solchen Fällen wird man nicht mehr von einer unvoreingenommenen Stimmabgabe des Aufsichtsratsmitglieds ausgehen können.
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Auch die Bestellung zum Gesellschaftsorgan kann einen Interessenkonflikt auslösen, wenn ein Aufsichtsratsmitglied selbst für einen Vorstandsposten kandidiert. Ob in einem solchen Fall ein Stimmverbot analog § 34 BGB besteht, ist umstritten. Überwiegend wird angenommen, dass das Aufsichtsratsmitglied auch über seine eigene Bestellung zum Vorstand mitstimmen darf3. Diese Auffassung begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Dass von einem Aufsichtsratsmitglied bei einem solchen Beschluss keine unbefangene Wahl erwartet werden kann, liegt nahe. Die Entscheidung in eigener Sache lässt sich mit der Pflicht des Aufsichtsrats zu einer dem unternehmerischen Ermessen entsprechenden Auswahl von geeigneten Vorständen schwerlich vereinbaren. Die Bestellung ist zwar ihrer Rechtsnatur nach als körperschaftlicher Akt anzusehen; sie basiert aber auf einer rechtsgeschäftlichen Grundlage4, so dass auch hier der Rechtsgedanke des § 34 BGB herangezogen werden kann. Die Or1 Dazu Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, 133 ff. 2 Vgl. nur Habersack in: MüKoAktG, § 108 Rz. 29 m.w.N. 3 ErfK/Oetker, § 31 MitbestG Rz. 5; Koberski in: Wlotzke/Wißmann/Koberski/Kleinsorge, MitbestR, § 31 Rz. 14; Wißmann in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 282 Rz. 5; Ulmer, NJW 1982, 2288, 2291 f.; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 9; Habersack in: MüKoAktG, § 108 Rz. 32. 4 Vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 4.
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Rz. 134 Teil 2
Vertragsschluss
ganisationsautonomie der Gesellschaft ändert daran nichts. Das Aufsichtsratsmitglied steht der Gesellschaft bei der Entscheidung über seine Bestellung zum Vorstand wie ein Dritter gegenüber.
! Praxishinweis
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Dem betroffenen Aufsichtsratsmitglied, über dessen Bestellung zum Mitglied des Vorstandes entschieden wird, ist zu raten, sich der Stimme zu enthalten, solange diese Frage noch nicht durch die Rechtsprechung zuverlässig geklärt ist. Da der Beschluss über die Bestellung zum Vorstand im Aufsichtsrat in der Regel in weitgehendem Einvernehmen getroffen wird, dürfte im Ergebnis die Stimmenthaltung des betroffenen Aufsichtsratsmitgliedes jedenfalls in größeren Gremien regelmäßig nicht ausschlaggebend sein.
b) Auswirkungen eines fehlerhaften Beschlusses auf die Bestellung Die Rechtsfolgen eines fehlerhaften Aufsichtsratsbeschlusses sind nach wie vor umstritten1. Beschlüsse, die inhaltlich oder verfahrensrechtlich gegen zwingendes Gesetzesrecht oder Satzungsvorschriften verstoßen, sind grundsätzlich nichtig und nicht bloß anfechtbar2. Zur Geltendmachung der Nichtigkeit ist grundsätzlich jeder jederzeit berechtigt, sofern ein Rechtsschutzinteresse dargelegt werden kann3. Dies gilt nicht nur bei schwerwiegenden Mängeln, sondern selbst bei minderschweren Verstößen gegen verzichtbare oder heilbare Verfahrensvorschriften. Allerdings lässt der BGH den Einwand der Verwirkung zu, wenn verzichtbare oder heilbare Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden4. Ist ein Beschluss nichtig, kann er grundsätzlich weder bestätigt noch geheilt werden, sofern gesetzlich für den Einzelfall nichts anderes geregelt ist, vgl. etwa § 256 Abs. 6 AktG5.
133
Für die Bestellung zum Vorstand bedeutet die Nichtigkeit des Beschlusses nicht, dass er keine Rechtswirkungen äußert6. Die Grundsätze des fehlerhaften Gesellschafts- oder Arbeitsverhältnisses gelten aus Gründen der Rechtssicherheit entsprechend. Das Organverhältnis wird trotz des fehlerhaften Beschlusses als vorläufig wirksam behandelt, wenn das fehlerhaft bestellte Vorstandsmitglied mit Wissen des Aufsichtsrates tatsächlich Vorstandsfunktionen ausgeübt hat7. Dabei unterliegt es wie jedes andere Vorstandsmitglied auch der Pflichtenbindung aus dem Organverhältnis8. Die Vertragsbedingungen gelten
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1 2 3 4 5 6 7 8
Hopt/Roth in: Großkomm. AktG, § 108 Rz. 131 ff.; Panetta, NJOZ 2008, 4294 ff. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, NJW 1993, 2307 ff., 2309. Hofmann/Preu, Aufsichtsrat, Rz. 603. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, NJW 1993, 2307 ff., 2309; Drygala in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 108 Rz. 39; Hüffer, AktG, § 108 Rz. 19. Vgl. Panetta, NJOZ 2010, 4294 ff., 4295. Vgl. BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367 f.; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 46; Schürnbrand, NZG 2008, 609 ff., 609; Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 20 Rz. 34 ff. Vgl. Schürnbrand, NZG 2008, 609 ff., 609; Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 14; Hüffer, AktG, § 84 Rz. 10. Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 14.
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Teil 2 Rz. 135
Begründung und Inhalt
vorläufig fort1. Dies gilt nach Auffassung des BGH grundsätzlich auch für die vereinbarte Vergütung, und zwar selbst dann, wenn diese unangemessen hoch sein sollte2. Das Organverhältnis kann nur durch Widerruf gem. § 84 Abs. 3 AktG oder Amtsniederlegung für die Zukunft beendet werden3. Der Widerruf hat durch Beschluss des Aufsichtsrats zu erfolgen, wobei allerdings kein (zusätzlicher) wichtiger Grund i.S.v. § 84 Abs. 3 AktG vorliegen muss4. Als wichtiger Grund genügt die Nichtigkeit der Bestellung. Der fehlerhafte Beschluss kann jedoch auch nachträglich vom Aufsichtsrat genehmigt werden, was dann zu einer wirksamen Bestellung führt5. 135
Schon auf Grund des Trennungsprinzips bleibt ein wirksamer Anstellungsvertrag zunächst trotz fehlerhafter Bestellung wirksam6. Ob der Verlust der Organstellung nach einem wirksamen Widerruf des fehlerhaften Organverhältnisses die außerordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses rechtfertigt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
c) Folgen des Vertragsschluss für ein vorhergehendes Arbeitsverhältnis 136
Wird ein Arbeitnehmer zum Vorstandsmitglied bestellt, ist zu klären, wie sich die Statusänderung auf das Arbeitsverhältnis auswirkt. Haben die Parteien im Vorstandsdienstvertrag nicht ausdrücklich vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis enden oder ruhen soll, muss die Vereinbarung zunächst ausgelegt werden. Ergibt die Auslegung, dass die Parteien das Arbeitsverhältnis auflösen wollten, so stellt sich die Frage, ob mit dem Abschluss des Anstellungsvertrages die Schriftform des § 623 BGB gewahrt, oder eine ausdrückliche Aufhebungsvereinbarung zu verlangen ist. Insofern kann auf die im Rahmen der GmbH für den Geschäftsführer angeführte Rechtsprechung zurückgegriffen werden (vgl. Rz. 109 ff.). Auch hier ist davon auszugehen, dass die Schriftform für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich mit dem Abschluss eines schriftlichen Vorstandsdienstvertrages eingehalten wird7. Soll das Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen, bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung im Anstellungsvertrag.
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Auch in der Aktiengesellschaft fallen die Berechtigung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die regelmäßig dem Vorstand zusteht, und zum Abschluss des Vorstandsdienstvertrages, für den der Aufsichtsrat zuständig ist, auseinander. Dem Aufsichtsrat kann jedoch eine Annexkompetenz für die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zugestanden werden8.
1 Meier, NZA 2011, 267 ff., 267. 2 Vgl. BGH v. 6.4.1964 – II ZR 75/62, NJW 1964, 1367f.; ablehnend Meier, NZA 2011, 267 ff., 268 f. 3 Hüffer, AktG, § 84 Rz. 10. 4 Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 48. 5 Panetta, NJOZ 2010, 4294 ff., 4298. 6 Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 24. 7 Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 52. 8 Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 60; Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 52.
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C. Gesetzliche Organpflichten Vorstandsmitglieder und GmbH-Geschäftsführer unterliegen nicht nur den schuldrechtlichen Bindungen aus dem Anstellungsvertrag, sondern als Organmitglieder der Gesellschaft zudem gesetzlichen Organpflichten. Die Organpflichten treffen nicht nur den Vorstand oder die Geschäftsführung als Gesamtorgan, sondern grundsätzlich jedes einzelne Vorstandsmitglied und jeden einzelnen Geschäftsführer persönlich.
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I. Vorstand 1. Leitung und Geschäftsführung Der Vorstand ist das Leitungsorgan der Gesellschaft. Gem. § 76 Abs. 1 AktG hat er die Aktiengesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten. Der Vorstand unterliegt grundsätzlich keinem Weisungsrecht durch die Hauptversammlung. Sie kann gem. § 119 Abs. 2 AktG in Geschäftsführungsfragen nur entscheiden, wenn der Vorstand dies beantragt. Abgesichert wird die Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit des Vorstands zudem dadurch, dass seine Mitglieder nur aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG abberufen werden können1. Dies macht den wesentlichen Unterschied zum Geschäftsführer einer GmbH aus, der den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterworfen ist (§ 37 Abs. 1 GmbHG) und folgerichtig grundsätzlich auch jederzeit abberufen werden kann (§ 38 Abs. 1 GmbH)
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§ 76 Abs. 1 AktG weist dem Vorstand die Leitung der Gesellschaft zu. § 77 AktG bezieht sich auf die Geschäftsführung. Beide Begriffe sind zu unterscheiden. Die Leitung umschreibt eine herausgehobene Funktion und stellt einen Teilbereich der Geschäftsführung dar, die jegliche Tätigkeit des Vorstandes für die Gesellschaft umfasst2. Die grobe Pflichtverletzung und die Unfähigkeit des Vorstandsmitgliedes als wichtige Gründe für den Widerruf der Bestellung (§ 84 Abs. 3 Satz 1 AktG) betreffen jeweils die Geschäftsführung, brauchen sich also nicht auf die eigentliche Leitungsaufgabe zu beziehen, die aber miterfasst ist. Bedeutung gewinnt diese Unterscheidung bei der Frage der Übertragung von Geschäftsführungsaufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder oder Dritte, während die eigentlichen Leitungsaufgaben nicht delegiert werden können3.
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Für die Erfüllung der Organpflichten besteht grundsätzlich eine Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder für die Geschäftsleitung4. Mit der umfassenden Kompetenz des Vorstandes in der Leitung der Gesellschaft korrespondiert eine besondere Verantwortlichkeit für ihre Belange5. Zwar ist eine Delegation
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1 Vgl. Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 19 Rz. 15. 2 Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7; s. auch Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 45. 3 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rz. 7; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 45; Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 19 Rz. 13. 4 Ausführlich dazu Fleischer, NZG 2003, 449 ff. 5 Vgl. Fleischer, NZG 2003, 449 ff., 449.
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Teil 2 Rz. 142
Begründung und Inhalt
von Geschäftsführungsaufgaben auf einzelne Vorstandsmitglieder oder nachgeordnete Mitarbeiter möglich. Eine solche Übertragung führt aber nicht dazu, dass sich die anderen Vorstandsmitglieder ihrer Verantwortung entziehen könnten; sie tragen vielmehr weiterhin die Führungsverantwortung, die treffend als „umrisshafte Begleitung (…) der gesamten Geschäftsführung“ umschrieben wird1. Unter Umständen muss ein Vorstandsmitglied selbst aktiv werden, wenn ein anderes Vorstandsmitglied seine Pflichten vernachlässigt2.
2. Vertretungsbefugnis 142
Der Vorstand ist das gesetzliche Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AktG). Sofern die Satzung keine abweichende Regelung vorsieht, gilt Gesamtvertretungsbefugnis. Die Vorstandsmitglieder handeln damit grundsätzlich gemeinsam und gleichberechtigt3. Dem Handeln eines Vorstandsmitglieds muss ein einstimmig oder mit der in der Satzung festgelegten Mehrheit gefasster Beschluss zu Grunde liegen4.
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Die Vertretungsbefugnis des Vorstands kann nicht beschränkt werden (§ 82 Abs. 1 AktG). Allerdings kann ein Vorstandsmitglied zur Vertretung des Gesamtvorstands bei der Vornahme bestimmter Geschäfte oder bestimmter Arten von Geschäften (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AktG) ermächtigt werden. Die Ermächtigung kann jederzeit widerrufen werden, und zwar durch ein einzelnes Vorstandsmitglied, das an der Ermächtigung mitgewirkt hat, oder durch die anderen Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl5.
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In der Praxis wird häufig von der Abweichungsmöglichkeit des § 78 Abs. 3 AktG Gebrauch gemacht. Danach kann die Satzung bestimmen, dass einzelne Vorstandsmitglieder alleine oder in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zur Vertretung der Gesellschaft bevollmächtigt sind oder von dem Aufsichtsrat dazu ermächtigt werden. Die Alleinvertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds bildet in der Praxis eher die Ausnahme. Üblich sind Satzungsregelungen, wonach zwei Vorstandsmitglieder zusammen oder ein Vorstandsmitglied und ein Prokurist gemeinsam zur Vertretung befugt sind (echte oder unechte Gesamtvertretung).
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Im Innenverhältnis ist der Vorstand gem. § 82 Abs. 2 AktG verpflichtet, die Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis einzuhalten, die die Satzung, der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung sowie die Geschäftsordnungen des Vorstands und des Aufsichtsrats ihm auferlegen. Hervorzuheben sind vor allem Beschränkungen, die sich aus der Festlegung des Unternehmensgegenstandes und des Unternehmenszwecks ergeben6. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung 1 2 3 4 5
Fleischer, NZG 2003, 449 ff., 450. BGH v. 8.7.1985 – II ZR 198/84, NJW 1986, 54 ff., 55. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1330. Vgl. Linker/Zinger, NZG 2002, 497 ff., 498. Vgl. Hüffer, AktG, § 78 Rz. 22; Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 3 Rz. 61; a.A. MünKoAktG/Spindler, § 78 Rz. 72: Widerruf nur durch Vorstandsmitglieder in vertretungsberechtigter Zahl. 6 Vgl. dazu Hüffer, AktG, § 76 Rz. 9.
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Rz. 150 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis. Etwas anderes kann sich nur in Ausnahmefällen ergeben, wenn die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht eingreifen1. Die vom Vorstand abgegebenen Erklärungen wirken nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen für und gegen die Aktiengesellschaft, §§ 164 ff. BGB. Unter anderem kommt daher auch eine Haftung des Vorstands bei fehlender Vertretungsmacht nach § 179 BGB in Betracht.
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Nicht vertretungsberechtigt ist ein Vorstandsmitglied allerdings dann, soweit es um eigene Belange geht. § 112 AktG überantwortet die Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied dem Aufsichtsrat. Zudem unterliegt der Vorstand dem Verbot des Selbstkontrahierens, § 181 BGB. Diese Beschränkung gewinnt auf Grund der Regelung des § 112 AktG lediglich im Falle einer Mehrfachvertretung Bedeutung, wenn das Vorstandsmitglied also zugleich auf Seiten des Vertragspartners als Vertreter handelt. Ein Verstoß gegen § 181 BGB führt zur schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Die Aktiengesellschaft kann entsprechend §§ 177, 184 BGB rückwirkend genehmigen2.
147
Auch wenn dem Vorstand eine eigenverantwortliche Leitungsmacht zukommt, unterliegt er der Kontrolle durch den Aufsichtsrat. Die Kontrollmechanismen des Aktienrechts sind unterschiedlich ausgestaltet. Zum einen gelten für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats, die sich aus der Satzung (vgl. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) oder aus aktienrechtlichen Normen (vgl. etwa § 246 Abs. 2 Satz 2 AktG) ergeben können. Zum anderen bestehen umfangreiche Berichts- und Vorlagepflichten gegenüber dem Aufsichtsrat (dazu unten Rz. 173 ff.).
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3. Die Leitungsaufgabe des Vorstands Die Leitungsaufgabe des Vorstands wird in § 76 AktG nur allgemein umschrieben. Sie stellt einen Teilbereich der Geschäftsführung dar und umfasst die herausgehobenen Führungsfunktionen3. Eine Aussage, wie die Gesellschaft zu leiten ist, lässt sich der Regelung nicht entnehmen; sie enthält vielmehr eine Kompetenzzuweisung hinsichtlich der Geschäftsführung. Weder der Aufsichtsrat noch die Hauptversammlung sind grundsätzlich berechtigt, durch Weisungen die Geschäftsführung zu beeinflussen und insbesondere in die Unternehmensleitung durch den Vorstand einzugreifen4.
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Bei der inhaltlichen Konkretisierung der Leitungsaufgaben des Vorstands lässt sich im Wesentlichen eine Dreiteilung vornehmen. Der Kernbereich der Leitungsmacht besteht betriebswirtschaftlich betrachtet aus der Unternehmens-
150
1 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 3 Rz. 55 m.w.N. 2 Vgl. umfassend Schramm in: MüKoBGB, § 181 Rz. 41 m.w.N.; Drygala in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 112 Rz. 9. 3 Vgl. Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 19 Rz. 13. 4 Vgl. Hüffer, AktG, § 76 Rz. 10.
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Teil 2 Rz. 151
Begründung und Inhalt
planung, der Unternehmenskoordinierung und der Kontrolle. Die Auswahl der Führungskräfte mag als eigenständige Aufgabe hervorzuheben sein1, sofern sie nicht der Koordination zugeordnet wird. 151
Es ist üblich und rechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn innerhalb des Vorstands jedem Vorstandsmitglied ein einzelner Geschäftsbereich zugewiesen ist. Dies gilt zumindest so lange, wie dem Gesamtorgan bestimmte Mindestzuständigkeiten verbleiben. Dazu gehören die bereits genannten Kernaufgaben sowie sämtliche Aufgaben, die der Vorstand nach Gesetz oder Satzung als Organ zu erfüllen hat2. Auch die Auswahl des Führungspersonals kann vom Vorstand nicht delegiert werden3. Ihm bleibt es hingegen unbenommen, die Vorbereitung von Leitungsentscheidungen auf ein einzelnes Vorstandsmitglied oder auch auf nachgeordnete Mitarbeiter zu übertragen4.
4. Sorgfaltspflicht 152
Allgemein wird dem Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Geschäftsführungsaufgaben und im Kernbereich der Unternehmensleitung ein weiter Ermessens- und Handlungsspielraum zugebilligt5. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Vorstand völlig freie Hand hätte. Neben seinen Pflichten gegenüber dem Kontrollorgan Aufsichtsrat hat der Vorstand dem Sorgfaltsmaßstab des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG zu genügen. Danach sind die Vorstandsmitglieder stets verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Hier gilt ein objektiver Maßstab. Die individuellen Fähigkeiten des Vorstandsmitglieds bleiben bei der Beurteilung einer Sorgfaltspflichtverletzung grundsätzlich außer Betracht6.
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Die Sorgfaltspflicht lässt sich durch einige Leitlinien weiter konkretisieren. Dazu gehört zunächst das Legalitätsprinzip. Ein Unternehmen unterliegt zahlreichen gesetzlichen Bindungen, die vom Umweltrecht bis hin zu sozial- oder kapitalmarktrechtlichen Pflichten reichen7. Im Verantwortungsbereich des Vorstands liegt es, dafür zu sorgen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die unternehmerische Tätigkeit eingehalten werden. Dies schließt die Verpflichtung ein, sich in dem gebotenen Maße fachkundig beraten zu lassen, insbesondere auch Rechtsrat einzuholen, wenn der Vorstand die Rechtslage nicht selbst zuverlässig beurteilen kann8. 1 Vgl. etwa Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 3 Rz. 7; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 45. 2 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 76 Rz. 19; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1395 ff. 3 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1398. 4 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandantshandbuch Vorstand der AG, § 3 Rz. 8. 5 Vgl. grundlegend BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 ff.; Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rz. 3; Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 19 Rz. 20. 6 Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1367. 7 Vgl. die Zusammenstellung bei Hauschka, NJW 2004, 257 ff., 258 f. 8 Vgl. BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NJW 2007, 2118 ff., 2120; s. auch Reuter, BB 2003, 1797, 1798.
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Rz. 156 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Daneben ist als Leitmaxime das Unternehmensinteresse zu berücksichtigen. Dass der Begriff und Gegenstand des Unternehmensinteresses nach über 30-jähriger juristischer Diskussion und einer Flut wissenschaftlicher Arbeiten1 weiterhin kaum konkretisiert ist, mag für sich sprechen. In seine Entscheidung einzubeziehen hat der Vorstand die verschiedenen, auf das Unternehmen einwirkenden Interessen. Dazu gehören die berechtigten Belange der Aktionäre, der Arbeitnehmer und anderer Gläubiger2. Dies mag – jedenfalls unter Einschränkungen – auch für öffentliche Interessen gelten3. Als allgemeine Richtlinie lässt sich festhalten, dass das Unternehmensinteresse grundsätzlich auf die Erhaltung und Rentabilität des Unternehmens sowie seinen Erfolg am Markt ausgerichtet ist4.
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Der als Generalklausel geltende Sorgfaltsmaßstab wird durch § 93 Abs. 3 AktG konkretisiert5. Die dort katalogartig aufgezählten Sondertatbestände sollen nach dem Willen des Gesetzgebers zu einer Ersatzpflicht des Vorstandsmitglieds führen. Umfasst sind hiervon u.a. die gesetzeswidrige Einlagenrückgewährung oder Auszahlung von Zinsen und Gewinnen sowie die vorzeitige Ausgabe von Inhaberaktien. Diese Tatbestände präzisieren nicht nur die Sorgfaltspflicht aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, sondern modifizieren zudem den allgemeinen Schadensbegriff der §§ 249 ff. BGB6. Liegt einer der Tatbestände des § 93 Abs. 3 AktG vor, so wird vermutet, dass der Schaden bereits im Abfluss der Mittel bzw. ihrer Vorenthaltung besteht7.
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Eine Sorgfaltspflichtverletzung liegt hingegen gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Die Norm bringt damit klarstellend zum Ausdruck, dass Geschäftsführungsentscheidungen innerhalb eines Freiraums fallen. Soweit seine Grenzen gewahrt sind, scheidet eine Sorgfaltspflichtverletzung aus8. Damit soll eine adäquate Risikobereitschaft des Vorstands, ohne die sich erfolgreiches unternehmerisches Handeln nicht entwickeln kann, gewährleistet werden9. Aufgabe des Vorstands ist es, die unternehmerischen Chancen und Risiken einer Maßnahme zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Es liegt in der Natur der Sache, dass unternehmerische Entscheidungen, insbesondere solche langfristiger Art, mit gewissen Unsicherheiten behaftet sind. Sie sollen nicht zu Lasten des Vorstandsmitglieds gehen, solange es sich angemessen informiert und auf Grund dieser Information davon ausgehen darf, dass die Maßnahme im Interesse des Unternehmens
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
Zusammenstellung bei Velten, Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat, 79 ff. Vgl. ausführlich Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 18 ff. Vgl. einschränkend Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 33 f. Korts, BB 2009, 1876 ff., 1879; ausführlich Laske, ZGR 1979, 173 ff., 183; Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 15 Rz. 123 f.; Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandrechts, § 1 Rz. 24 ff.; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 21 f. Ausführlich dazu Habersack/Schürnbrand, WM 2003, 957 ff. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 22. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 22; Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 193. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 4a. Vgl. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 ff., 2066.
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Teil 2 Rz. 157
Begründung und Inhalt
sein werde. Es gilt der Grundsatz ohne Risiko keine Chance und ohne Chance kein Risiko1. Die Grenze zwischen einem vertretbaren Irrtum über die zukünftige Entwicklung und einem Sorgfaltsverstoß ist fließend und nach den Umständen des Einzelfalls zu ziehen. Voraussetzung ist stets eine umfassende Information auf der Grundlage qualitativer Beratung2. 157
Die Beurteilung der Frage, ob ein Sorgfaltspflichtverstoß vorliegt, wirft im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten auf. Auch aus diesem Grund kommt der Darlegungs- und Beweislast eine wesentliche Bedeutung zu3. Gem. § 93 Abs. 2 AktG obliegt es im Streitfall dem Vorstandsmitglied, darzulegen und ggf. zu beweisen, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gewahr zu haben. Diese Beweislastumkehr schließt neben dem objektiv pflichtgemäßen Handeln auch das fehlende Verschulden ein4. Dagegen liegt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der möglicherweise pflichtwidrigen Handlung oder Unterlassung, des Schadens und der Kausalität zwischen Handlung und Schaden bei der Gesellschaft5.
5. Treuepflichten a) Grundsätzliche Anmerkungen 158
Neben der bei der Erfüllung der aktienrechtlichen Pflichten zu beachtenden Sorgfalt unterliegt das Vorstandsmitglied zudem der organschaftlichen Treuepflicht6. Die Treuepflicht ergibt sich aus der mit der Übernahme der Organstellung übernommenen treuhänderischen oder jedenfalls treuhandähnlichen Rechtsposition des Vorstands gegenüber der Gesellschaft7. Sie wird als Korrelat zur erheblichen Einwirkungsmöglichkeit des Vorstandsmitglieds auf die Vermögensinteressen der Gesellschaft angesehen8 und beinhaltet das Gebot, der Gesellschaft loyal zu dienen9. Im Unterschied zu den Sorgfaltspflichten gilt die Treuepflicht nicht der Art und Weise der Aufgabenerfüllung; sie betrifft vielmehr die Zielrichtung des Vorstandshandelns10.
159
Hieraus ergibt sich ganz allgemein die Verpflichtung des Vorstands, seine Handlungen nicht an eigennützigen Zielen, sondern am Interesse des Unternehmens auszurichten. Er hat die eigenen Interessen und Belange Dritter dem Wohl der Gesellschaft unterzuordnen11. Das Vorstandsmitglied ist auf Grund 1 2 3 4 5
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Vgl. Steffek, JuS 2010, 295 ff., 296. Vgl. Reuter, BB 2003, 1797 ff., 1798. Ausführlich dazu Paefgen, NZG 2009, 891 ff. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 16; Paefgen, NZG 2009, 891 ff., 892. Vgl. das Grundsatzurteil BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, NZG 2003, 81 ff. zum GmbH-Geschäftsführer, dessen Ausführungen aber auch für das Vorstandsmitglied Geltung beanspruchen; siehe auch Pentz in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 16 Rz. 131 f. Zur Treuepflicht umfassend etwa Fleischer, WM 2003, 1045 ff. Vgl. Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rz. 2. Fleischer, WM 2003, 1045 ff., 1046. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 95. Vgl. Langenbucher, Aktienrecht, § 4 Rz. 73. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 95.
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Rz. 163 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
der Treuepflicht gehindert, außerhalb der Gesellschaft Funktionen wahrzunehmen, die mit seinen Organpflichten nicht zu vereinbaren sind1. Die Treuepflicht wirkt sich auch auf das außerdienstliche Verhalten des Vorstandsmitglieds aus. So darf das Vorstandsmitglied die Gesellschaft oder deren Organe nicht durch Äußerungen in der Öffentlichkeit herabsetzen2. Gesetzliche Ausprägung findet die Treuepflicht in der Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 3 AktG) und dem Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG). Die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG normierte Business Judgement Rule gilt nicht für die Verletzung von Treuepflichten, da ihr keine unternehmerische Entscheidung zu Grunde liegt3. Das Vorstandsmitglied kann sich insoweit nicht auf einen Ermessensspielraum berufen4. Gegenüber den Aktionären obliegt den Vorstandsmitgliedern die mit ihrer Organstellung begründete Treuepflicht nicht; sie gilt, wie § 93 Abs. 2 AktG bestätigt, allein der Gesellschaft5.
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b) Verschwiegenheitspflicht Auf Grund ihrer Tätigkeit haben Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft Einblick in sämtliche Verhältnisse und Daten des Unternehmens. Sie erfahren Unternehmensinterna, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen. § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG bestimmt daher, dass die Vorstandsmitglieder über ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt gewordene vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Stillschweigen zu bewahren haben. Die Verschwiegenheitspflicht stellt sich als Konkretisierung der Treupflicht dar6.
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Als Geheimnisse der Gesellschaft sind alle Tatsachen anzusehen, die nicht offenkundig sind und nach geäußertem oder aus dem Gesellschaftsinteresse abzuleitendem, mutmaßlichem Willen der Gesellschaft auch nicht bekannt werden sollen. Weitere Voraussetzung bildet ein objektives Geheimhaltungsbedürfnis7. Der Begriff der vertraulichen Angaben ist allgemeiner zu verstehen: Er umfasst sämtliche Informationen, die das Vorstandsmitglied in dieser Eigenschaft, nicht notwendig durch seine Tätigkeit erlangt hat und deren Mitteilung sich nachteilig auf das Unternehmen auswirken kann8. Hier kommt es im Ergebnis entscheidend auf das objektive Interesse an vertraulicher Behandlung an9.
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Die Satzung der Aktiengesellschaft und die Geschäftsordnung können die organschaftliche Verschwiegenheitspflicht nicht verändern, weder verschärfen noch mildern. Möglich ist es jedoch, in der Satzung Leitlinien zur Konkretisie-
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Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 97. Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 98. Brömmelmeyer, WM 2005, 2065 ff., 2067; Wiedemann, WM 2009, 1 ff., 3. Vgl. Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rz. 3 m.w.N. Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 95. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 6. Vgl. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412 ff., 1413. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 7; Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 103. Vgl. BGH v. 5.6.1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412 ff., 1413.
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Teil 2 Rz. 164
Begründung und Inhalt
rung der Verschwiegenheitspflicht aufzustellen, an denen sich das Vorstandsmitglied orientieren kann. Eine genaue Prüfung im Einzelfall wird dadurch aber nicht entbehrlich1. 164
Ob und welche Informationen preisgegeben werden, entscheidet das einzelne Vorstandsmitglied nach pflichtgemäßem Ermessen2. Bei Zweifeln, ob eine bestimmte Information der Verschwiegenheitspflicht unterliegt oder Dritten erteilt werden darf, erscheint es ratsam, einen Beschluss des Gesamtvorstandes herbeizuführen. Ihre Grenze findet die Verschwiegenheitspflicht dort, wo ein Schweigen dem Vorstandsmitglied nicht mehr zugemutet werden kann – etwa bei der Wahrnehmung eigener Interessen gegenüber der Gesellschaft3. Auch das Unternehmensinteresse kann im Einzelfall dem Vorstandsmitglied ein Reden gebieten4.
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Die Verschwiegenheitspflicht gilt nicht nur während der Dauer der Amtszeit, sondern wirkt auch darüber hinaus fort5. Sie besteht nicht im Verhältnis der Vorstandsmitglieder zueinander und gegenüber dem Aufsichtsrat6. Ihm ist der Vorstand zur unbedingten Offenheit verpflichtet.
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Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann die Strafbarkeit des Vorstandsmitglieds gem. § 404 AktG begründen. Daneben kommt ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG in Betracht.
c) Interessenkonflikte und Pflichtenkollisionen 167
Die Treuepflicht ist auch dann zu beachten, wenn das Vorstandsmitglied sich in einem Interessenkonflikt befindet. Interessenkonflikte in der Person des Vorstandsmitglieds können in vielfältigen Konstellationen auftreten. So kann das Vorstandsmitglied ein Doppelmandat inne haben und damit in Vorständen verschiedener Gesellschaften vertreten sein. Eine solche Doppelfunktion ist nicht grundsätzlich untersagt7. Entscheidungen des Vorstands des einen Unternehmens mögen sich auf die Interessen des anderen Unternehmens negativ auswirken. Denkbar ist auch, dass das das ausländische Vorstandsmitglied an ausländisches Sanktions- und Kontrollrecht gebunden ist. Ist eine im Vorstand zur Beschlussfassung anstehende Maßnahme nach inländischen Recht unbedenklich und für das Unternehmen ggf. von Vorteil, kann sie trotzdem zugleich nach ausländischem Recht, an welches das Vorstandsmitglied ebenfalls gebunden ist, unzulässig und sanktionsbewehrt sein8. Interessenkonflikte können schließlich auch von religiösen oder weltanschaulichen Bindungen und Überzeugungen ausgelöst werden. 1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. BGH v. 5 6.1975 – II ZR 156/73, NJW 1975, 1412 ff., 1412. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 8. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 121. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 120. Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 7; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 122. Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 111. Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 76 Rz. 70. Vgl. mit Beispielen Schneider, NZG 2009, 1413 ff., 1414.
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Rz. 170 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Als naheliegender Lösungsansatz bietet sich zunächst die Stimmenthaltung durch das konfliktbetroffene Vorstandsmitglied an. Zu berücksichtigen ist aber, dass sie unter Umständen die Handlungsfähigkeit des Vorstands beeinträchtigt, wenn nicht mehr die erforderliche Anzahl von Vorstandsmitgliedern an der Abstimmung teilnimmt. Ein weiterer Vorschlag geht dahin, das Vorstandsmitglied i.S.d. zu § 275 Abs. 3 BGB entwickelten Grundsätze für den vom Interessenkonflikt betroffenen Bereich nach einer umfassenden Interessenabwägung von seinen Aufgaben als Vorstand freizustellen1.
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d) Wettbewerbsverbot § 88 Abs. 1 AktG verbietet den Vorstandsmitgliedern, ohne Einwilligung des Aufsichtsrats ein Handelsgewerbe zu betreiben oder im Geschäftszweig der Gesellschaft für eigene oder fremde Rechnung Geschäfte zu machen. Auch die Übernahme einer Mitgliedschaft im Geschäftsführungsorgan und die Beteiligung als persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft bedürfen der Einwilligung durch den Aufsichtsrat. Die Regelung verfolgt einen doppelten Schutzzweck. Zum einen soll die Arbeitskraft des Vorstandsmitgliedes dem Unternehmen zukommen. Im Wesentlichen aber gilt es, die Gesellschaft vor Wettbewerbshandlungen des Vorstandsmitgliedes zu schützen2. Das Verbot trifft grundsätzlich nur im Amt befindliche – auch stellvertretende – Vorstandsmitglieder3. Ein gesetzliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht nicht4. Nach allerdings umstrittener Ansicht soll das Verbot bei einem Widerruf der Bestellung ohne Kündigung des Anstellungsvertrages und einer unberechtigten Amtsniederlegung weitergelten5.
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Der Begriff „Geschäfte machen“ i.S.v. § 88 Abs. 1 Satz 1, 2. Fall AktG umfasst jede auf Gewinnerzielung gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr, die nicht ausschließlich persönlichen Charakter hat6. Die Bestimmung des maßgeblichen Geschäftszweigs richtet sich zunächst nach dem in der Satzung beschriebenen Unternehmensgegenstand7. Wird er jedoch tatsächlich erweitert, kommt es auf die ausgeübte Geschäftstätigkeit an8. Berührt die Geschäftstätigkeit des Vorstandsmitglieds nicht den Geschäftsbereich der Aktiengesellschaft und ist kein weitergehendes Verbot vereinbart, so ist das Vorstandsmitglied auch unter Berücksichtigung der Treuepflicht grundsätzlich nicht in seiner geschäftlichen Tätigkeit eingeschränkt.
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1 So etwa Schneider, NZG 2009, 1413 ff., 1415. 2 Vgl. BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, NJW 2001, 2476 f., 2476; Hüffer, AktG, § 88 Rz. 1; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1481. 3 Vgl. Hüffer, AktG, § 88 Rz. 2. 4 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 88 Rz. 8 f. 5 Vgl. OLG Frankfurt v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, NZG 2000, 738 ff.; Spindler in: MüKoAktG, § 88 Rz. 9; zweifelnd Hüffer, AktG, § 88 Rz. 2; Thüsing in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 4 Rz. 85 f. 6 BGH v. 2.4.2001 – II ZR 217/99, NJW 2001, 2476 f., 2476. 7 Spindler in: MüKoAktG, § 88 Rz. 14. 8 Vgl. OLG Frankfurt v. 5.11.1999 – 10 U 257/98, NZG 2000, 738 ff., 739; Schnabel/Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 408; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1483.
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Teil 2 Rz. 171
Begründung und Inhalt
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Will der Aufsichtsrat das Vorstandsmitglied von seinem Wettbewerbsverbot entbinden, ist darauf zu achten, dass eine Einwilligung nicht generell erteilt werden darf, sondern sich gem. § 88 Abs. 1 Satz 3 AktG auf bestimmte Handelsgewerbe oder Handelsgeschäfte oder auf bestimmte Arten von Geschäften beschränken muss. Eine bereits aufgenommene und unter das Wettbewerbsverbot fallende Geschäftstätigkeit des Vorstandsmitglieds kann nachträglich nicht mehr durch den Aufsichtsrat genehmigt werden1.
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Als Rechtsfolge eines Verstoßes sieht § 88 Abs. 2 AktG zunächst einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft vor. Stattdessen kann sie aber auch von dem Vorstandsmitglied verlangen, die für eigene Rechnung durchgeführten Geschäfte für die Gesellschaft gelten zu lassen, die aus Geschäften für fremde Rechnung bezogene Vergütung herauszugeben oder den Vergütungsanspruch abzutreten.
6. Berichtspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat 173
Um seiner Überwachungspflicht nachkommen zu können, ist der Aufsichtsrat ständig auf vollständige und zuverlässige Informationen insbesondere über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens angewiesen. Nur so ist eine sinnvolle Kontrolle der Vorstandstätigkeit zu gewährleisten. Deshalb verpflichtet § 90 AktG den Vorstand zu umfassender Berichterstattung gegenüber dem Aufsichtsrat. Die Gegenstände der Berichtspflicht reichen von der Unternehmensplanung und der erwarteten Entwicklung bis zur gegenwärtigen Rentabilität und Lage des Unternehmens, § 90 Abs. 1 AktG. Auch über Geschäfte, die für die Rentabilität oder die Liquidität der Gesellschaft von erheblicher Bedeutung sein können, hat der Vorstand zu berichten, vgl. § 90 Abs. 1 Nr. 3 AktG. § 90 Abs. 3 AktG legt fest, wann welche Berichte zu erstatten sind.
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Einen Auffangtatbestand enthält § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG, wonach dem Aufsichtsratsvorsitzenden aus sonstigen wichtigen Anlässen zu berichten ist. Hierunter fallen vornehmlich Ereignisse, die von außen auf die Aktiengesellschaft einwirken. Dazu zählen: erhebliche Betriebsstörungen, Arbeitskampf, wesentliche Steuernachforderungen, Liquiditätsprobleme in Folge einer Kreditkündigung oder auch der negative Ausgang eines bedeutsamen Prozesses2.
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Berichte nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG sind unverzüglich zu erstatten3, insbesondere jedenfalls so rechtzeitig, dass der Vorsitzende des Aufsichtsrats oder im Falle seiner Verhinderung sein Stellvertreter noch die Möglichkeit einer Stellungnahme haben4. Der Aufsichtsrat muss nicht abwarten, bis der Vorstand ihm einem periodischen Bericht vorlegt. § 90 Abs. 3 AktG berechtigt ihn, vom Vorstand jederzeit einen Bericht über Angelegenheiten der Gesellschaft, über ihre rechtlichen und geschäftlichen Beziehungen zu verbundenen Unternehmen sowie über geschäftliche Vorgänge bei diesen Unternehmen, die 1 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1484. 2 Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rz. 8; Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 30. 3 Hüffer, AktG, § 90 Rz. 8; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1416. 4 Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 30.
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Rz. 180 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
auf die Lage der Gesellschaft Auswirkungen haben können, zu verlangen. Dieses Recht steht dem Aufsichtsrat als Organ ebenso wie auch jedem Aufsichtsratsmitglied zu1. Ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied kann allerdings nur eine Berichterstattung an den Gesamtaufsichtsrat verlangen, § 90 Abs. 3 Satz 2 AktG. Das Berichtsverlangen darf zudem nicht missbräuchlich ausgeübt werden. Es handelt sich bei ihm um ein pflichtgebundenes Recht, so dass etwa die Verfolgung von Eigeninteressen bereits als Missbrauchstatbestand in Betracht kommt2. Im Falle eines Missbrauchs ist der Vorstand auf Grund seiner eigenen Entscheidung befugt, den Bericht zu verweigern3. Der Vorstand braucht überdies dem Verlangen nicht sogleich nachzukommen, wenn er selbst erst vor kurzem über den Gegenstand informiert worden ist oder ein Bericht ohnehin unmittelbar bevorsteht4.
176
Das Anforderungsrecht bezieht sich auf die Gegenstände der Regelberichte; sein Umfang reicht allerdings deutlich weiter. Voraussetzung ist im Wesentlichen nur, dass sich der Berichtsgegenstand auf Angelegenheiten der Gesellschaft bezieht5. Dieses Merkmal ist i.S. einer umfassenden Berichtspflicht grundsätzlich weit auszulegen6. Verpflichtet ist alleine der Vorstand. Demnach scheidet ein Informationsrecht gegenüber nachgeordneten Mitarbeitern in der Regel aus, soweit nicht der Verdacht einer erheblichen Pflichtverletzung besteht7.
177
Inhaltliche Anforderungen für die Ausgestaltung der Berichte stellt § 90 Abs. 4 AktG auf. Danach haben die Berichte den Grundsätzen einer gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Die Vorstandsmitglieder sind dem Aufsichtsrat gegenüber auch in ihren Berichten zu einer unbedingten Offenheit verpflichtet8. Die Berichte müssen transparent und verständlich sein9; sie sind grundsätzlich in Textform (§ 126b BGB) zu erteilen. Möglich ist deshalb auch eine Berichterstattung per E-Mail, Computerfax oder SMS, solange erkennbar ist, dass der Bericht vom Vorstand stammt10.
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Kommen Vorstandsmitglieder ihren Berichtspflichten nicht, zu spät oder nur unvollständig nach oder ist ein Bericht unrichtig, so kann das Handelsregistergericht von Amts wegen gem. § 407 Abs. 1 AktG ein Zwangsgeld von bis zu 5 000 Euro festsetzen.
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Im Übrigen kann ein Verstoß des Vorstands gegen die Berichtspflicht aus § 90 AktG zu einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gem. § 93 AktG füh-
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Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11 ff. Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rz. 12a; Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 40. Vgl. Hüffer, AktG, § 90 Rz. 12a. Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1418. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1417. Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 33. Hüffer, AktG, § 90 Rz. 11. Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 48. Spindler in: MüKoAktG, § 90 Rz. 49. Klose in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 4 Rz. 82.
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Teil 2 Rz. 181
Begründung und Inhalt
ren, wenn aus der Nichteinhaltung ein für die Gesellschaft nachteiliges Geschäft resultiert1. Des Weiteren kommt eine Abberufung aus wichtigem Grund wegen grober Pflichtverletzung nach § 84 Abs. 3 AktG in Betracht2.
7. Buchführungspflicht 181
Gem. § 91 Abs. 1 AktG hat der Vorstand dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Handelsbücher geführt werden. Die Regelung konkretisiert die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der handelsrechtlichen Buchführungspflichten3. Die Aktiengesellschaft ist Kaufmann i.S.d. Handelsrechts (vgl. § 6 Abs. 1 HGB, § 3 Abs. 1 AktG) und damit buchführungspflichtig, § 238 Abs. 1 Satz 1 HGB. Zudem ist der Vorstand dafür verantwortlich, dass die Geschäftspapiere den handelsrechtlichen Vorgaben entsprechend aufbewahrt werden, vgl. § 238 Abs. 2 i.V.m. § 257 HGB.
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In aller Regel werden die Vorstandsmitglieder nicht selbst an der Buchführung mitwirken, sondern diese vielmehr nachgeordneten Mitarbeitern übertragen. Die Pflichten des Vorstands erschöpfen sich dann in einer sorgfältigen Auswahl und Überwachung der Mitarbeiter4. Bei einem Fehlverhalten der verantwortlichen Mitarbeiter, das zu einem Schaden der Gesellschaft führt, trägt der Vorstand gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beweislast dafür, dass der Fehler nicht auf einen Organisations-, Überwachungs- oder Auswahlmangel zurückzuführen ist5.
8. Pflichten gegenüber der Hauptversammlung 183
Auch im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Hauptversammlung sind dem Vorstand gesetzliche Pflichten auferlegt. Sie dienen im Wesentlichen dazu, mit den organisatorischen und sachlichen Mitteln, über die der Vorstand verfügt, die Handlungsfähigkeit der Hauptversammlung sicherzustellen, ihre Rechte und Kompetenzen nach § 119 AktG durchzusetzen6. Deren Zuständigkeiten könnten sonst leerlaufen.
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Im Vorfeld der Hauptversammlung ist der Vorstand auf deren Verlangen hin verpflichtet, sämtliche Maßnahmen vorzubereiten, die in ihre Zuständigkeit fallen, § 83 Abs. 1 Satz 1 AktG. Hierzu ist ein wirksamer Weisungsbeschluss der Hauptversammlung erforderlich, der der gleichen Mehrheit wie die beabsichtigte Maßnahme bedarf7. Hat die Hauptversammlung eine bestimmte
1 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1423; Klose in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 4 Rz. 138. 2 Vgl. Klose in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 4 Rz. 136. 3 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1429. 4 Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1431. 5 Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1431. 6 Vgl. Hüffer, AktG, § 83 Rz. 1. 7 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1445; Hüffer, AktG, § 83 Rz. 4.
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Rz. 187 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Maßnahme im Rahmen ihrer Zuständigkeit beschlossen, ist der Vorstand gem. § 83 Abs. 2 AktG verpflichtet, sie auszuführen. Daneben muss der Vorstand der Hauptversammlung umfassend Rechenschaft über seine Tätigkeit ablegen. Das Gesetz statuiert besondere Vorlagepflichten. Sie beziehen sich gem. § 176 Abs. 1 Satz 1 AktG auf den Jahresabschluss, den Lagebericht, den Bericht des Aufsichtsrats und den Vorschlag des Vorstands für die Verwendung des Bilanzgewinns. Für den Vorstand einer börsennotierten Aktiengesellschaft erweitert § 176 Abs. 1 Satz 1 AktG die Vorlagepflicht auf einen erläuternden Bericht über die Pflichtangaben im Lagebericht nach §§ 289 Abs. 4 HGB, 315 Abs. 4 HGB erstreckt.
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9. Pflichten in der Unternehmenskrise Zu den Kernaufgaben einer ordnungsgemäßen Unternehmensleitung gehört es, Krisen vorzubeugen, sie zu erkennen und Schritte zu unternehmen, um sie abzuwenden und ihnen entgegen zu wirken. § 91 Abs. 2 AktG unterstreicht die Leitungsverantwortung des Vorstandes. Die vielfach kritisierte1 Bestimmung verpflichtet ihn, bestandsgefährdenden Entwicklungen vorzubeugen und ein geeignetes Früherkennungs- und Überwachungssystem einzurichten. Konkrete Vorgaben werden freilich nicht normiert. In der Literatur wird die Vorschrift in dem Sinne verstanden, dass der Vorstand organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, die die systematische Erkennung und interne Übermittlung bestandsgefährdender Entwicklungen gewährleisten. Zudem müssen die ergriffenen Maßnahmen regelmäßig überprüft werden2. Die konkrete Ausgestaltung bleibt dem Leitungsermessen des Gesamtvorstandes vorbehalten.
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Verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens trotz allem, treffen den Vorstand besondere Verhaltensanforderungen. Die Unternehmenskrise ist im Wesentlichen als Vorstufe zur Insolvenz zu charakterisieren. Nicht nur der Pflichtenmaßstab bei der Ausübung der allgemeinen Vorstandstätigkeit erhöht sich3. Darüber hinaus werden weitergehende gesetzliche Pflichten begründet. Ergibt sich bei Aufstellung der Jahresbilanz oder ist bei pflichtgemäßem Ermessen zu erkennen, dass ein Verlust in Höhe der Hälfte des Grundkapitals besteht, so hat der Vorstand gem. § 92 Abs. 1 AktG eine Hauptversammlung einzuberufen und ihr dies anzuzeigen. Die Verlustgrenze ist erreicht, wenn das Gesellschaftsvermögen lediglich noch die Hälfte des Grundkapitals ausmacht. Bei der Berechnung ist der Verlust dem gesamten offen ausgewiesenen Eigenkapital gegenüber zu stellen. Die in der Hauptversammlung vertretenen Aktionäre sollen hierdurch rechtzeitig informiert und in den Stand versetzt werden, ggf. Gegenmaßnahmen zu beschließen4.
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1 Vgl. Hüffer, AktG, § 91 Rz. 5. 2 Schnabel/Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 100. 3 Schnabel Lücke in: Lücke Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 128. 4 Krieger/Sailer-Coceani in: K. Schmidt/Lutter (Hrsg.), AktG, § 92 Rz. 1; Hüffer, § 92 Rz. 1.
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Teil 2 Rz. 188
Begründung und Inhalt
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Die Hauptversammlung muss unverzüglich einberufen werden. In der Regel ist es nicht zulässig, bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung abzuwarten1. Unter Umständen mag ein kurzes Hinauszögern vertretbar sein, wenn erfolgversprechende Sanierungsgespräche geführt werden2. Die Hauptversammlung braucht nach herrschender Meinung nicht einberufen zu werden, wenn bereits ein Insolvenzantrag gestellt ist3.
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Die Begriffe Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung sind in der Insolvenzordnung legal definiert. Zahlungsunfähigkeit liegt gem. § 17 Abs. 1 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen, wobei dies anzunehmen ist, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Die Überschuldung zeichnet sich dadurch aus, dass das Vermögen des Schuldners die laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, vgl. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO. Bei der Beurteilung, ob eine Überschuldung vorliegt, kommt es insbesondere auf die Fortführung des Unternehmens an, sofern diese überwiegend wahrscheinlich ist. Auch an dieser Stelle räumt die Rechtsprechung dem Vorstand einen gewissen Beurteilungsspielraum ein, ob Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen4.
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Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung verpflichtet § 15a InsO den Vorstand, Insolvenzantrag zu stellen, und zwar unverzüglich, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Die Frist beginnt mit positiver Kenntnis oder böswilliger Unkenntnis des Antragsgrunds5. Dem Vorstandsmitglied obliegt es, die fehlende Erkennbarkeit von Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit darzulegen und zu beweisen6.
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Die Drei-Wochen-Frist darf aber nur dann genutzt werden, wenn tatsächlich bestehende Sanierungschancen realisiert werden sollen. Andernfalls bleibt es bei der Pflicht zur unverzüglichen Antragsstellung7. Die Insolvenzantragspflicht gilt allerdings nicht für die drohende Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 18 InsO.
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Ein Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht ist gem. § 15a Abs. 4 InsO strafbewehrt. Dies gilt für den Fall, dass der Antrag nicht oder nicht richtig gestellt wird. Der Antrag muss mindestens den Antragserfordernissen des § 13 InsO entsprechen; er ist insbesondere schriftlich zu stellen, § 13 Abs. 1 Satz 1 InsO.
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Von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung an ist es dem Vorstand verboten, Zahlungen zu leisten, es sei denn, die Zahlung lässt sich auch zu diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbaren, § 92 Abs. 2 AktG. Der Begriff der Zahlung ist umfassend 1 Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 20 Rz. 9. 2 Vgl. Hüffer, AktG, § 92 Rz. 5 m.w.N. 3 Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1435; Hüffer, § 92 Rz. 5 m.w.N. 4 Vgl. BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220 ff. = DB 1994, 1608 ff. 5 Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, § 15a Rz. 12. 6 So bereits BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823 ff., 1827; Mönning in: Nerlich/Römermann, InsO, § 15a Rz. 12. 7 Vgl. Römermann, NZI 2010, 241 ff., 242.
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Rz. 196 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
zu verstehen und schließt alle sonstigen geldwerten Leistungen an Gesellschaftsgläubiger ein. Nur mit einem derart umfassenden Verständnis ist eine Schmälerung der Insolvenzmasse zu verhindern1. Nicht darunter fällt allerdings die Eingehung von Verbindlichkeiten2. In subjektiver Hinsicht kommt es darauf an, ob der Vorstand aus Ex-ante-Sicht die eine Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit begründenden Tatsachen erkennen konnte3. Kommt es zu einem Haftungsprozess gegen ein Vorstandsmitglied wegen Verstoßes gegen § 92 Abs. 2 AktG, so muss das Vorstandsmitglied die Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass solche Umstände nicht erkennbar waren4.
10. Weitergehende Informations- und Offenlegungspflichten Umfassende kapitalmarktrechtliche Offenlegungspflichten enthalten § 21 WpHG und § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG. § 21 WpHG verpflichtet den Vorstand bei Über- oder Unterschreiten einer 5-, 10-, 25-, 50- oder 75-prozentigen Inhaberschaft der Stimmrechte in einer börsennotierten Gesellschaft, dies gegenüber dem Emittenten und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen offenzulegen. § 15 Abs. 1 WpHG betrifft dagegen die sog. Ad-hoc-Publizität. Danach muss jeder Inlandsemittent von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen.
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Die Veröffentlichungspflicht bezieht sich insbesondere auf sämtliche Ereignisse im Tätigkeitsbereich einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel an einer inländischen Börse zugelassen sind, soweit die Entwicklung wegen ihrer Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage oder auf den allgemeinen Geschäftsverlauf der Gesellschaft geeignet ist, den Börsenkurs der Aktie erheblich zu beeinflussen. Die Information darf gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG nur solange zurückgehalten werden, wie es der Schutz ihrer berechtigten Interessen erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Insiderinformation gewährleisten kann. Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, ist die Veröffentlichung unverzüglich nachzuholen, § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG. Eine Insiderinformation i.S.v. § 15 Abs. 1 WpHG ist ausgeschlossen, wenn die Information bereits öffentlich bekannt ist, vgl. § 13 Abs. 1 WpHG.
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II. GmbH-Geschäftsführer Die Geschäftsführung ist das zentrale Leitungsorgan der GmbH. Mit seiner Bestellung übernimmt der Geschäftsführer eine Vielzahl organschaftlicher Rechte und Pflichten. Für die Erfüllung der ihnen obliegenden Organpflichten 1 Vgl. BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, NZG 2000, 370 f., 370; Spindler in: MüKoAktG, § 92 Rz. 59. 2 Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14a; Spindler in: MüKoAktG, § 92 Rz. 60. 3 Vgl. BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, NZG 2000, 370 f., 370; v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NZG 2007, 545 ff., 547 m.w.N.; Spindler in: MüKoAktG, § 92 Rz. 62; a.A. OLG Frankfurt v. 18.8.2004 – 23 U 170/03, NZG 2004, 1157 ff., 1160. 4 Vgl. Hüffer, AktG, § 92 Rz. 14a; a.A. OLG Frankfurt v. 18.8.2004 – 23 U 170/03, NZG 2004, 1157 ff., 1160.
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Teil 2 Rz. 197
Begründung und Inhalt
besteht eine Gesamtverantwortung aller Geschäftsführer1. Daran ändert auch eine Aufteilung der Geschäftsführung in Zuständigkeitsbereiche nichts. Werden Geschäftsführungsressorts gebildet und zugeordnet, ist jeder Geschäftsführer in erster Linie für seinen Bereich verantwortlich. Die anderen Geschäftsführer werden damit jedoch nicht entlastet; ihre Gesamtverantwortung bleibt unberührt2.
1. Vertretungsmacht 197
Die Geschäftsführer vertreten die GmbH gemeinschaftlich im Rechtsverkehr (§ 35 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 GmbHG), wobei ihre Vertretungsmacht ebenso wie die des Vorstands einer AG nicht mit Wirkung für Dritte beschränkt werden kann, vgl. § 37 Abs. 2 GmbHG. Auch die Erteilung einer die Vertretungsmacht der Geschäftsführer verdrängenden Generalvollmacht an Dritte ist unzulässig3. Zur Entgegennahme von Erklärungen ist dagegen jeder Geschäftsführer auch einzeln befugt, vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2. Auch in der GmbH kommen verschiedene Formen der Vertretungsbefugnis in Betracht. So ist – ebenso wie bei der Aktiengesellschaft – neben unechter Gesamtvertretung auch die Erteilung einer Einzelermächtigung für ein bestimmtes Rechtsgeschäft möglich4.
198
Überschreitet der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht im Innenverhältnis, hat dies grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Außenverhältnis. Selbst Geschäfte, die dem Gesellschaftszweck zuwiderlaufen oder der Zustimmung der Gesellschafter oder des Aufsichtsrats bedürfen, sind von der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis gedeckt5. Ausnahmen von diesem Grundsatz können sich zunächst ergeben, wenn die Vertretungsmacht im Hinblick auf bestimmte Geschäfte einem anderen Gesellschaftsorgan zugewiesen ist. Dies gilt insbesondere für die Vertretung bei Abschluss, Änderung oder Auflösung des Anstellungsvertrags mit dem Geschäftsführer; sie obliegt gesetzlich den Gesellschaftern oder ggf. dem Aufsichtsrat.
199
Die Unwirksamkeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts kann sich zudem aus den Grundsätzen über den Missbrauch der Vertretungsmacht ergeben, wenn der Geschäftsführer objektiv pflichtwidrig gehandelt hat und der Geschäftsgegner dies hat erkennen können6. In der Rechtsprechung und Literatur haben sich zwei bedeutsame Fallgruppen herausgebildet:
200
Ein Missbrauch wird zunächst dann angenommen, wenn der Geschäftsführer und der Geschäftsgegner arglistig zum Schaden der Gesellschaft zusammen arbeiten (Kollusion). Der Missbrauch der Vertretungsmacht führt auch dann zur 1 Vgl. Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rz. 21, 107. 2 Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rz. 29; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rz. 32 f. 3 Vgl. BGH v. 18.7.2002 – III ZR 124/01, NZG 2002, 813 ff., 814. 4 Vgl. Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 17 Rz. 4 ff. 5 Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 634. 6 Marsch-Barner/Diekmann in: MünchHdb GesR III, § 44 Rz. 46.
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Rz. 203 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, wenn der Geschäftsführer interne Beschränkungen verletzt und der Geschäftspartner dies gewusst oder „grob fahrlässig die Augen davor verschlossen“ hat1. Dies setzt einen für den Dritten offenkundigen Pflichtenverstoß voraus2. Der Dritte braucht freilich nicht bewusst zum Nachteil der Gesellschaft zu handeln, um einen Missbrauch der Vertretungsmacht annehmen zu können3. Liegt ein Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht vor, ist hinsichtlich der Rechtsfolgen zu unterscheiden. Bei einem kollusiven Zusammenwirken von Geschäftsführer und Geschäftsgegner ist das abgeschlossene Rechtsgeschäft sittenwidrig i.S.v. § 138 BGB und damit nichtig4. Ansonsten ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam und kann von der Gesellschaft nachträglich genehmigt werden, §§ 177 f. BGB.
201
Eine weitere Beschränkung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers kann sich aus § 181 BGB ergeben. Das Verbot von In-Sich-Geschäften ist gesetzlich ausdrücklich für den Fall des Alleingeschäftsführers, der zugleich Alleingesellschafter der GmbH ist, geregelt, vgl. § 35 Abs. 3 GmbHG. Das Verbot gilt aber auch allgemein nicht nur für die rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht, sondern auch für die organschaftliche Vertretungsbefugnis5. Danach ist es dem Geschäftsführer verboten, die Gesellschaft bei einem mit ihm selbst vorzunehmenden Rechtsgeschäft zu vertreten, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht oder für die Gesellschaft ausschließlich rechtlich vorteilhaft ist6. Zudem hängt die Wirksamkeit eines In-Sich-Geschäfts davon ab, ob das Geschäft nach außen hin, etwa durch eine entsprechende schriftliche Dokumentation, erkennbar gewesen ist7. Relevant werden kann das Verbot des Selbstkontrahierens etwa in Konzernverhältnissen, wenn ein Geschäftsführer zwei Gesellschaften vertritt, die miteinander kontrahieren wollen8.
202
Ein Verstoß gegen das Verbot des Selbstkontrahierens liegt allerdings dann nicht vor, wenn dem Geschäftsführer die Vornahme des Rechtsgeschäfts gestattet worden ist9. In der Praxis sind die Geschäftsführer häufig vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit. Dies ist durch eine entsprechende Regelung in der Satzung möglich10. Ob eine Gestattung auch ohne Satzungsregelung etwa
203
1 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139 ff., 140. 2 Vgl. BGH v. 13.11.1995 – II ZR 113/94, ZIP 1996, 68 ff., 69; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 35 Rz. 24. 3 BGH v. 10.4.2006 – II ZR 337/05, NZG 2006, 626 f., 627. 4 BGH v. 5.11.2003 – VIII ZR 218/01, NZG 2004, 139 ff., 140; BGH, 17.5.1988 – VI ZR 233/87, NJW 1989, 26 f. 5 Vgl. Schmitt, WM 2009, 1784 ff., 1784. 6 Vgl. BGH v. 27.9.1972 – IV ZR 225/69, NJW 1972, 2262 ff.; Palandt/Ellenberger, § 181 Rz. 9; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 35 Rz. 51; Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 248. 7 BGH v. 8.3.1991 – V ZR 25/90, NJW 1991, 1730 ff. 8 Vgl. die Beispiele von Schmitt, WM 2009, 1784 ff. 9 Vgl. zur Gestattung Palandt/Ellenberger, § 181 Rz. 16 ff. 10 Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 249 f.
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Teil 2 Rz. 204
Begründung und Inhalt
durch einen Gesellschafterbeschluss zulässig ist, ist umstritten. Überwiegend wird aber – jedenfalls für eine nicht auf den Einzelfall beschränkte Gestattung – eine Satzungsregelung vorausgesetzt1. Der Geschäftsführer selbst kann sich die Gestattung dagegen nicht im Namen der Gesellschaft erteilen2. 204
Die Gestattung muss darüber hinaus gem. § 10 Abs. 2 GmbHG ins Handelsregister eingetragen werden3. Von erheblicher Bedeutung ist die Gestattung für den Alleingeschäftsführer einer Ein-Mann-GmbH, der zugleich alleiniger Gesellschafter ist. Ohne eine Gestattung könnte bereits der Anstellungsvertrag nicht abgeschlossen werden. Zudem wären jegliche Gehaltszahlungen an den Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen zu werten4.
205
Ein Verstoß gegen § 181 BGB führt zur schwebenden Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, so dass eine nachträgliche Genehmigung durch die Gesellschaft möglich ist5. Ein Anspruch auf eine nachträgliche Genehmigung besteht aber nur dann, wenn die Weigerung als rechtsmissbräuchlich anzusehen wäre6.
2. Geschäftsführungsbefugnis 206
Von der Vertretungsmacht zu unterscheiden ist die Geschäftsführungsbefugnis. Während die Vertretungsmacht das rechtliche „Können“ des Geschäftsführers im Außenverhältnis beschreibt, betrifft die Geschäftsführungsbefugnis das Innenverhältnis zur Gesellschaft. Sie umfasst alle Maßnahmen und Entscheidungen, die für die Erreichung des Gesellschaftszwecks erforderlich sind, solange nicht Rechte der Gesellschafter oder Grundlagengeschäfte betroffen sind.
207
Nach dem gesetzlichen Leitbild sind die Kompetenzen zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführer in der Weise verteilt, dass die Gesellschafterversammlung allgemein für die Festlegung der unternehmenspolitischen Grundsätze und Ziele zuständig sind, während die Geschäftsführung innerhalb des – insbesondere durch den Gesellschaftszweck vorgegebenen – Rahmens die Organisation und das Tagesgeschäft bestimmt7. Dazu zählen u.a. Controlling, Personalmanagement, Risikomanagement sowie die Ausführung von Gesellschafterbeschlüssen und Weisungen8.
208
Einschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis sind in der Satzung, einer Geschäftsordnung oder auch bereits im Anstellungsvertrag möglich, vgl. § 37 Abs. 1 GmbHG. So kann bei mehreren Geschäftsführern zwischen Einzel- und 1 Vgl. OLG Celle v. 16.8.2000 – 9 W 82/00, GmbHR 2000, 1098 = NJW-RR 2001, 175; Schmitt, WM 2009, 1784 ff., 1785; Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 641; Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 101. 2 Vgl. Schmitt, WM 2009, 1784 ff., 1785. 3 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 642. 4 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 642. 5 Vgl. Palandt/Ellenberger, § 181 Rz. 15 m.w.N. 6 Palandt/Ellenberger, § 181 Rz. 15. 7 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 643. 8 Vgl. auch die Aufzählungen bei Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 645.
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Rz. 211 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Gesamtgeschäftsführungsbefugnis gewählt werden1. Besteht keine ausdrückliche gesellschaftsvertragliche Regelung im Hinblick auf die Geschäftsführungsbefugnis, so sind die Geschäftsführer nicht befugt, alleine zu handeln, § 35 Abs. 2 Satz 1 GmbHG analog2. Es bedarf vielmehr eines Beschlusses aller Geschäftsführer, der je nach Satzungsregelung einstimmig, mit qualifizierter oder einfacher Mehrheit getroffen werden muss3. Wird in der Satzung Einzelgeschäftsführungsbefugnis vereinbart, so hat jeder Geschäftsführer, vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung in der Satzung, analog § 115 HGB das Recht, einer Maßnahme eines anderen Geschäftsführers zu widersprechen4. Mit dem Widerspruch wird die Gesellschafterversammlung für die endgültige Entscheidung zuständig. Bis zu ihrer Entscheidung darf die Maßnahme nicht durchgeführt werden5. Gerade in Gesellschaften, die von vornherein auf mehrere Geschäftsführer ausgerichtet sind, empfiehlt sich eine konkrete Ausgestaltung des Widerspruchsrechts im Gesellschaftsvertrag6.
209
Zudem haben die Geschäftsführer den Katalog des § 46 GmbHG zu beachten, der eine Aufzählung derjenigen Geschäfte enthält, die in die organisatorische Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fallen. Insbesondere die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer sowie die Erteilung einer Prokura oder einer Handlungsvollmacht sind gem. § 46 Nr. 5 bzw. Nr. 7 GmbHG den Gesellschaftern vorbehalten. Die Aufzählung ist allerdings weitgehend dispositiv, so dass eine Verlagerung der Zuständigkeit auf andere Gesellschaftsorgane möglich ist7. Ebenso ist auch eine Erweiterung der Zuständigkeiten denkbar. Als unabdingbar wird dagegen das Recht der Gesellschafter zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund angesehen8. Die äußerste Grenze jeder Einschränkung bildet die Satzungsautonomie der Gesellschafter; sie muss stets unangetastet bleiben9.
210
Fällt eine Maßnahme nicht unter den Katalog des § 46 GmbHG und liegt auch sonst keine die Kompetenz der Gesellschafterversammlung begründende Regelung vor, stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Geschäftsführer dennoch verpflichtet ist, sie den Gesellschaftern zur Entscheidung vorzulegen. Nach heute überwiegend vertretener Ansicht umfasst die Geschäftsführungsbefugnis nur gewöhnliche Geschäfte10. Danach fallen insbesondere
211
1 Vgl. Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 12. 2 Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 10; Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 95. 3 Vgl. ausführlich Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 10. 4 Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 11; Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 661. 5 BGH v. 8.7.1985 – II ZR 4/85, NJW 1986, 844. 6 Vgl. Trölitzsch in: Trölitzsch/Oppenländer, § 16 Rz. 11. 7 Vgl. Schmidt in: Scholz, GmbHG, § 46 Rz. 2 ff.; Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 49. 8 Schmidt in: Scholz, GmbHG, § 46 Rz. 3. 9 Roth in: Roth/Altmeppen, § 45 Rz. 3; Schmidt in: Scholz, GmbHG, § 46 Rz. 2. 10 Vgl. Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 92.
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Teil 2 Rz. 212
Begründung und Inhalt
Gegenstände der Unternehmenspolitik1 sowie Geschäfte, die unter Berücksichtigung des Unternehmensgegenstands ungewöhnlich sind, nicht unter die Geschäftsführungsbefugnis. Sie sind vielmehr den Gesellschaftern vorbehalten. Eine zuverlässige Abgrenzung im Einzelfall bereitet allerdings erhebliche Schwierigkeiten. 212
Auch aus Gründen der Rechtssicherheit ist es deshalb empfehlenswert, in der Satzung oder einer Geschäftsordnung die Kompetenzabgrenzung anhand eines Katalogs möglichst konkret vorzunehmen2. Üblich ist es, einen Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte aufzustellen, der meist inhaltsgleich in den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers übernommen wird. In einen solchen Katalog werden regelmäßig die Errichtung und Auflösung von Zweigniederlassungen, Erwerb, Veräußerung oder Belastung von Grundbesitz, Gewährung und Erwerb von Lizenzen oder der Erwerb oder die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen aufgenommen3. Den Gesellschaftern bleibt es aufgrund ihrer Leitungsmacht und ihres Weisungsrechts gegenüber den Geschäftsführern vorbehalten, den Kreis zustimmungspflichtiger Geschäfte auch außerhalb der Satzung allgemein oder im Einzelfall zu erweitern.
3. Leitungsaufgabe 213
Ebenso wie der Vorstand der Aktiengesellschaft unterliegen die Geschäftsführer einer GmbH umfangreichen Organpflichten. Neben der Verantwortung für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Pflichten der GmbH zählen dazu weitere Pflichten, die sich aus ihrer Aufgabe als Geschäftsleiter gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ergeben. Sie müssen ihre Geschäftsführungsaufgaben nach innen und die Vertretung der Gesellschaft nach außen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften, der Satzung und den Gesellschafterbeschlüssen wahrnehmen4.
214
Die Geschäftsführer treffen alle unternehmerischen Entscheidungen im Bereich des Tagesgeschäftes; sie sind für die Umsetzung der unternehmerischen Leitentscheidungen sowie der unternehmenspolitischen Vorgaben der Gesellschafter verantwortlich5. Ebenso wie den Vorstandsmitgliedern der AG steht den Geschäftsführern grundsätzlich ein unternehmerischer Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu, den sie ausschöpfen können, soweit die Gesellschafter nicht – allgemein oder im Einzelfall – gegenteilige Weisungen erteilen6.
1 Vgl. BGH v. 25.2.1991 – II ZR 76/90, NJW 1991, 1681 ff.; Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 4. 2 Vgl. Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 93. 3 Vgl. die Aufstellung in: Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 30. 4 Vgl. Leinekugel in: Oppenländer/Trölitzsch, § 18 Rz. 1. 5 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 671. 6 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 672.
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Rz. 218 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
4. Sorgfaltspflicht Nach § 43 GmbHG hat der Geschäftsführer die ihm übertragenen Aufgaben für die Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen. Die Bestimmung regelt allerdings nur einen Teilaspekt im organschaftlichen Pflichtenkanon des Geschäftsführers; sie bildet lediglich den Grundtatbestand, der durch weitere gesetzliche Regelungen flankiert wird1.
215
Auch wenn § 43 GmbHG keine der in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG geregelten Business Judgment Rule entsprechende Einschränkung aufweist, so wird sie doch zu Gunsten der GmbH-Geschäftsführer entsprechend herangezogen2. Damit wird ihnen ein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Handlungsspielraum eröffnet, der notwendig ist, um unternehmerische Entscheidungen innerhalb des Rahmens treffen zu können, der durch Gesetz, Satzung und Vorgaben der Gesellschafter bestimmt wird. Auch hier gilt der Grundsatz des erlaubten Risikos. Der Geschäftsführer, der die damit verbundenen Grenzen einhält, handelt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und deshalb nicht pflichtwidrig.
216
Ebenso wie in der Aktiengesellschaft gilt für die Organmitglieder der GmbH der Grundsatz der Gesamtverantwortung3. Der Geschäftsführer kann sich nicht entlastend darauf berufen, dass ein anderer Geschäftsführer die Pflichtverletzung begangen hat. Jedes einzelne Mitglied der Geschäftsführung ist für die Gesetzmäßigkeit des unternehmerischen Handelns und die Einhaltung der Satzungsregeln verantwortlich4. Werden von den Geschäftsführern Aufgaben auf einzelne Mitglieder der Geschäftsführung oder nachgeordnete Mitarbeiter delegiert, tragen sie trotzdem weiterhin die Führungsverantwortung5. Ob diese Delegation schriftlich erfolgen muss, um den Pflichtenmaßstab zu beeinflussen, ist strittig6. Ressortzuständigkeiten sollten jedenfalls schriftlich bestimmt werden.
217
Aus der Pflicht zur Einhaltung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes lässt sich eine wechselseitige Pflicht der Geschäftsführer zur kontinuierlichen Unterrichtung und Information über alle wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft ableiten7. Nur wenn der Geschäftsführer jederzeit im Bilde über aktuelle Entwicklungen und die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft ist, kann es ihm gelingen, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Alle Geschäftsführer sind demnach auch ver-
218
1 Schneider in: Scholz, GmbHG, § 43 Rz. 1. 2 BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361 ff., 3362 f.; Fleischer, ZIP 2004, 685 ff., 692; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rz. 1. 3 Vgl. Schneider in: Scholz, GmbHG, § 43 Rz. 35 ff.; Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43 Rz. 153. 4 Vgl. Schneider in: Scholz, GmbHG, § 43 Rz. 35.; Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43 Rz. 153. 5 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rz. 26; Schneider in: Scholz, GmbHG, § 43 Rz. 36. 6 So die wohl überwiegende Auffassung; vgl. zum Meinungsstand Haas/Ziemons in: Michalski, GmbHG, § 43 Rz. 158. 7 Bellen/Stehl, BB 2010, 2579 ff., 2580.
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Teil 2 Rz. 219
Begründung und Inhalt
pflichtet, sich über die Entwicklungen in den nicht von ihnen geleiteten Geschäftsbereichen zu informieren und ggf. auch selbst einzugreifen1. Hierzu steht ihnen ein Anspruch auf Information gegenüber den anderen Geschäftsführern zu, sofern die Auskunft für die Gesamtverantwortung der Geschäftsführung oder die Ressortverantwortung eines einzelnen Geschäftsführers von Bedeutung sein kann2. Das Prinzip kollegialer Zusammenarbeit verpflichtet die Geschäftsführer dazu, sich zunächst an ihren Geschäftsführungskollegen zu wenden, um die Information zu erlangen. Erst wenn dieser sich weigert, dem berechtigten Informationsverlangen nachzukommen oder zu befürchten ist, dass Auskünfte unrichtig oder unvollständig erteilt werden. Das Gleiche gilt, wenn öffentlich-rechtliche Pflichten zu erfüllen sind3. 219
Obwohl das GmbHG keine § 91 Abs. 2 AktG entsprechende ausdrückliche Regelung aufweist, sind auch die Geschäftsführer einer GmbH verpflichtet, ein Überwachungssystem einzurichten, um Risiken für die Gesellschaft rechtzeitig zu erkennen, ihnen vorzubeugen und sie abzuwenden. Dieses System, das nicht mit einem allgemeinen Risikomanagement gleichzusetzen ist, muss den gesellschafts- und unternehmenstypischen Gegebenheiten Rechnung tragen4.
220
§ 43 Abs. 3 GmbHG hebt besonders die Einhaltung der Kapitalerhaltungsvorschriften hervor. § 30 Abs. 1 GmbHG verbietet Auszahlungen aus dem für die Erhaltung des Stammkapitals notwenigen Vermögen an die Gesellschafter. Das MoMiG hat an dem § 30 GmbHG zu Grunde liegenden Modell der bilanzgestützten Ausschüttungsbegrenzung nichts verändert5. Ein Ausschüttungsverbot besteht immer dann, wenn sie eine Unterbilanz bewirkt oder vertieft, also die Aktiva der Gesellschaft abzüglich der Verbindlichkeiten das Stammkapital nicht mehr decken6. Da der Begriff der Auszahlung weit zu verstehen ist, gilt § 30 GmbHG nicht nur für Geldleistungen, sondern für sämtliche Leistungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung das Gesellschaftsvermögen verringern7. Das Auszahlungsverbot schließt allerdings nach der Neufassung des § 30 GmbHG durch das MoMiG nicht mehr die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens oder Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen ein, die einem solchen wirtschaftlich entsprechen. Die Maßstäbe der Rechtsprechung zum eigenkapitalersetzenden Darlehen sind dadurch obsolet geworden8. Tilgungsgrenzen folgen allein aus § 64 Satz 3 GmbHG.
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 13 ff. Vgl. Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 15. Vgl. Trölitzsch in: Oppenländer/Trölitzsch, § 16 Rz. 16. Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 679; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rz. 23, 26. Vgl. Hennrichs, NZG 2009, 921 ff., 922; Heidinger in: Michalski, GmbHG, § 30 Rz. 48. Vgl. BGH v. 23.6.1997 – II ZR 220/95, NJW 1997, 2599 ff., 2600; Hansen in: Hansen/ Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 711; zur Ermittlung vgl. Heidinger in: Michalski, GmbHG, § 30 Rz. 27 ff. BGH v. 1.12.1986 – II ZR 306/85, NJW 1987, 1194 ff., 1195; Ziemons/Jaeger in: BeckOK GmbHG, § 30 Rz. 34; Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rz. 33 m.w.N. Vgl. Niesert/Hohler, NZG 2009, 345 ff., 347.
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Rz. 224 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Sind Auszahlungen unter Verstoß gegen § 30 GmbHG erfolgt, sieht § 31 GmbHG einen speziellen gesellschaftsrechtlichen Rückerstattungsanspruch vor. Dieser Anspruch ist nicht auf den Umfang des Stammkapitals begrenzt und unterliegt auch nicht den bereicherungsrechtlichen Vorschriften der §§ 812 ff. BGB1.
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5. Pflicht zur Ausführung von Weisungen Im Gegensatz zum Vorstand einer AG sind die Geschäftsführer einer GmbH von den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit abhängig, die mit ihren Weisungen unmittelbar in die Geschäftsführung eingreifen können. Die Weisungsabhängigkeit der Geschäftsführer begründet § 37 Abs. 1 GmbHG. Danach sind sie verpflichtet, diejenigen Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind. Im Übrigen folgt das Weisungsrecht der Gesellschafter aus einer Zusammenschau der §§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 1, 38 Abs. 1, 46 Nr. 5 und Nr. 6 GmbHG2. Weisungsberechtigt ist grundsätzlich nur die Gesellschafterversammlung, nicht ein einzelner Gesellschafter. Zudem kann die Weisungsbefugnis, bezogen und beschränkt auf einen bestimmten Kreis von Geschäften, auf einen Beirat oder einen einzelnen Gesellschafter übertragen werden3.
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Die Reichweite des Weisungsrechts ist umstritten. Ein weisungsfreier Kernbereich eigenverantwortlicher Tätigkeit ist den Geschäftsführern nicht zuzugestehen. Das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung findet seine Grenzen, wo die angewiesene Maßnahme zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder der Satzung widerspricht, mit den öffentlich-rechtlichen Pflichten der Gesellschaft bzw. der Geschäftsführer nicht zu vereinbaren ist oder die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft gefährdet4.
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Die Folgepflicht der Geschäftsführung setzt eine wirksame Beschlussfassung voraus, die eine Mehrheitsentscheidung der Gesellschaften erfordert. Sie besteht auch dann, wenn der Geschäftsführer die Weisung für wirtschaftlich unzweckmäßig oder schädlich hält. Allerdings muss der Geschäftsführer die Gesellschafter auf seine Bedenken hinweisen. Unter Umständen kann es auch vorkommen, dass sich die für die Weisung der Gesellschafter ausschlaggebenden Parameter zwischen dem Beschluss und der Ausführung geändert haben und der Geschäftsführung Zweifel kommen, ob die Gesellschafter ihre Weisung auch unter den geänderten Bedingungen noch aufrechterhalten würden. In solchen Fällen sollte der Geschäftsführer die Gesellschafterversammlung
224
1 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 713; Hueck/ Fastrich in: Baumbach/Hueck, § 31 Rz. 3 f. jeweils m.w.N. 2 Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rz. 3. 3 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 685. 4 Vgl. OLG Frankfurt v. 7.2.1997 – 24 U 88/95, DB 1997, 922; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rz. 18; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rz. 50 ff.
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Teil 2 Rz. 225
Begründung und Inhalt
über die geänderten Bedingungen informieren, die angewiesene Maßnahme zunächst aussetzen und die erteilte Weisung überprüfen lassen1.
6. Anmeldepflichten 225
Die Geschäftsführer der GmbH tragen die Verantwortung dafür, dass eintragungspflichtige Vorgänge zum Handelsregister angemeldet werden. Zu den eintragungspflichtigen Tatsachen gehören unter anderem Satzungsänderungen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 GmbHG), die Erhöhung oder die Herabsetzung des Stammkapitals (§§ 57 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 1 Satz 1 GmbHG) oder die Auflösung der Gesellschaft (§ 65 Abs. 1 Satz 1 GmbHG)2.
7. Buchhaltungspflicht und Jahresabschluss 226
§ 41 GmbHG verpflichtet den Geschäftsführer, für eine ordnungsgemäße Buchführung der GmbH zu sorgen. Dabei handelt es sich um eine reine Kompetenzzuweisungsnorm3, zumal die Gesellschaft bereits auf Grund handelsrechtlicher Vorschriften zur Buchführung verpflichtet ist. § 41 GmbHG überträgt diese Pflicht auf die Geschäftsführer. Als Handelsgesellschaft unterliegt die GmbH den §§ 238 ff. HGB. Zur Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Pflicht4 kann sich der Geschäftsführer anderer Mitarbeiter oder externer Berater bedienen5. Dies entbindet ihn jedoch nicht von seiner Pflicht, für eine ordnungsgemäße Buchführung zu sorgen. Ihm obliegt es, die Personen, die von ihm eingesetzt werden, sorgfältig auszuwählen und zu überwachen6.
227
Der Jahresabschluss ist vom Geschäftsführer grundsätzlich innerhalb der ersten drei Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen (§§ 6 Abs. 1, 242, 264 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG). Für eine Klein-GmbH i.S.v. § 267 Abs. 1 HGB gelten zum Teil Ausnahmevorschriften, vgl. § 264 Abs. 1 Satz 4 HGB. Sie brauchen keinen Lagebericht aufzustellen; die Aufstellungsfrist kann auf bis zu sechs Monate verlängert werden.
228
Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses handelt es sich um eine höchstpersönliche Pflicht des Geschäftsführers. Sie kann nicht auf nachgeordnete Mitarbeiter übertragen werden. Zwar kann und wird der Geschäftsführer sich bei der Aufstellung des Zahlenwerkes der Hilfe seiner Mitarbeiter bedienen, für das Ergebnis bleibt er aber alleine verantwortlich7.
1 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 697. 2 Vgl. auch die Zusammenstellung von Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/ Confurius, Teil C Rz. 739. 3 Vgl. Crezelius in: Scholz, GmbHG, § 41 Rz. 4; Strohn, DB 2011, 158 ff., 166. 4 Vgl. Crezelius in: Scholz, GmbHG, § 41 Rz. 3. 5 Bellen/Stehl, BB 2010, 2579 ff., 2581. 6 Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 701; Bellen/Stehl, BB 2010, 2579 ff., 2581. 7 Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 126.
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Rz. 231 Teil 2
Gesetzliche Organpflichten
Der Jahresabschluss ist nach seiner Fertigstellung von allen Geschäftsführern zu unterzeichnen und, sofern keine Klein-GmbH vorliegt, vor seiner Feststellung von einem Abschlussprüfer zu prüfen, vgl. § 316 Abs. 1 HGB1.
229
8. Pflichten im Zusammenhang mit einer Krise Ähnlich wie in der Aktiengesellschaft verändert sich mit Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Pflichtenstellung der Geschäftsleiter erheblich. Zentrale Norm ist im Recht der GmbH § 64 GmbHG. Danach sind die Geschäftsführer zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden, es sei denn, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind, vgl. § 64 Satz 1 und 2 GmbHG. Gleiches gilt gem. § 64 Satz 3 GmbHG für Zahlungen, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten (vgl. näher dazu unter Teil 5 A).
230
Auch für den Geschäftsführer der GmbH gilt die Insolvenzantragspflicht § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO. Insoweit ergeben sich keine Unterschiede zur Insolvenzantragspflicht des Vorstandsmitglieds in der AG (vgl. Teil 5 A).
231
1 Näher dazu: Tilmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 127 ff.
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Teil 3 Inhalt des Anstellungsvertrages und typische Vertragsklauseln Bei der Gestaltung des Anstellungsvertrages bewegen sich die Parteien im Rahmen der Privatautonomie und genießen grundsätzlich Gestaltungsfreiheit1. Der Inhalt des Anstellungsvertrages findet seine Grenzen aber an zwingenden gesetzlichen Regelungen, wobei der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Zudem können bestehende Satzungsregelungen zu berücksichtigen sein. So kann sich etwa der Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds nicht über Satzungs- und Geschäftsordnungsrecht hinwegsetzen2.
A. Vergütungsfragen I. Arbeits- und Dienstrecht 1. Allgemeines Die Höhe der Vergütung gehört für beide Parteien zu den wichtigsten Vertragsbestandteilen. Wird einmal keine entsprechende Regelung vorgenommen, so wurde bereits auf die Vorschrift des § 612 Abs. 2 BGB hingewiesen, nach der die taxmäßige bzw. letztlich die ortsübliche Vergütung als vereinbart gilt.
1
Die Höhe der Vergütung sowie die einzelnen Vergütungsbestandteile können von den Parteien grundsätzlich frei ausgehandelt werden. Auch insofern gilt die Vertragsfreiheit, wobei in der Theorie auch hier der Preis, sprich die Vergütung, i.S.d. marktwirtschaftlichen Ansatzes durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage bestimmt werden soll3. Die Untergrenze bildet allerdings die Sittenwidrigkeit i.S.v. § 138 BGB. Eine Obergrenze lässt sich dagegen grundsätzlich nicht festlegen. Lediglich Unternehmen, die Maßnahmen nach § 7 des FMStFG in Anspruch nehmen, soll nach § 5 Abs. 2 Nr. 4a FMStFV aufgegeben werden, die Vergütung der Organmitglieder und Geschäftsleiter auf ein angemessenes Maß zu begrenzen. Hierbei soll eine monetäre Vergütung, die 500 000 Euro im Jahr übersteigt grundsätzlich als unangemessen gelten. Diese Grenze lässt sich jedoch keinesfalls verallgemeinern4.
2
Verträge mit Führungskräften sind stark von variablen Vergütungsbestandteilen geprägt, die an unternehmens- oder leistungsbezogene Parameter gekoppelt sein können. Die variable Ausgestaltung von Vergütungsbestandteilen ist
3
1 2 3 4
Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 42. Vgl. Lücke, NZG 2005, 692 ff., 695. Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 8.
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Teil 3 Rz. 4
Typische Vertragsklauseln
grundsätzlich nicht zu beanstanden1. Allgemein wird begrifflich zwischen einer Tantieme, die sich alleine nach leistungsunabhängigen Kriterien bemisst, also von Unternehmensgewinn oder -umsatz abhängig ist, und einer Zielvereinbarung, deren Grundlage auch sog. „weiche“ Ziele wie etwa die Kundenzufriedenheit oder sog. „soft skills“ sein können, unterschieden. Das Interesse des Unternehmens an der Flexibilisierung von Vergütungsbestandteilen durch eine gewinn- bzw. zielorientierte Vergütung kann allerdings in Konflikt mit dem Vertrauen des Mitarbeiters in den Erhalt einer Vergütung, die seine Lebensgrundlage erhält und ihm Planungssicherheit ermöglicht, geraten2. 4
Außerdem gehören daneben auch Regelungen über die private Nutzung eines Geschäftswagen (dazu unter Rz. 198 ff.), ggf. Übernahme von Beiträgen für die Kranken-, Haftpflicht- oder Pflegeversicherung, Gewährung von zinslosen Darlehen oder Amortisationsraten für Hypotheken zu den Vergütungsbestandteilen3. Für Führungskräfte die keine Arbeitnehmer sind, spielt zudem die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine erhebliche Rolle, da für sie das EFZG nicht gilt, vgl. § 1 EFZG, und § 616 BGB in der Regel keinen ausreichenden Schutz bietet.
! Praxishinweis Gerade bei der Ausgestaltung der Vergütung ist erheblicher Wert auf die korrekte Verwendung der Begrifflichkeiten für die einzelnen Vergütungsbestandteile zu legen. Es ist immer wieder festzustellen, dass sich in der Praxis hierbei schnell Ungenauigkeiten einschleichen.
2. Vergütungsbestandteile 5
In der Praxis enthält der Anstellungsvertrag einer Führungskraft in den allermeisten Fällen neben der Festvergütung eine Reihe variabler Entgeltbestandteile.
a) Tantiemen 6
Zu den gängigsten flexiblen Vergütungsbestandteilen gehören Tantiemen. Für gewöhnlich werden Tantiemen vereinbart, die sich entweder am Umsatz oder am Gewinn des Unternehmens orientieren. Daneben sind auch dividendenabhängige Tantiemen verbreitet4. Zu Schwierigkeiten kann hierbei die Feststellung der konkreten Bemessungsgrundlage führen. Bei Gewinntantiemen kommt es grundsätzlich auf den handelsbilanziellen Jahresüberschuss an. Es 1 Sondervorgaben im Bankenbereich enthält insofern etwa die Instituts-VergV, die eine Ausrichtung von variablen Vergütungsbestandteilen an nachhaltigen Zielen bezweckt und den betroffenen Instituten gewisse Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung ihres variablen Vergütungssystems macht. 2 Vgl. Salamon, NZA 2010, 314 ff., 315. 3 Vgl. Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, § 35 Rz. 217; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 18 ff.; Übersicht auch bei Tänzer, BB 2004, 2757 ff. 4 Zu den verschiedenen Arten der Tantieme vgl. Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 130 ff.; Bengelsdorf in: Moll, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 46 Rz. 128.
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Rz. 9 Teil 3
Vergütungsfragen
empfiehlt sich gerade bei Gewinntantiemen genau zu regeln, welche steuerlichen Abzüge, Gewinn- oder Verlustvorträge etc. berücksichtigt werden sollen1. Ist zwar im Anstellungsvertrag ein Tantiemenanspruch begründet, wobei allerdings die Bestimmung der Bemessungsgrundlage erst später erfolgen soll, ist die Tantieme nach billigem Ermessen festzusetzen, wenn im Anschluss keine Vereinbarung über die Bemessungsgrundlage getroffen wird2. Scheidet die Führungskraft im laufenden Geschäftsjahr aus, steht ihr ein zeitanteilig geminderter Tantiemeanspruch auf Grund der Jahresbilanz zu3. Im Gegensatz zu Gewinntantiemen begegnen umsatzorientierte Tantiemen größeren Bedenken. Sie werden zwar allgemein für zulässig erachtet. Gerade bei Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH besteht jedoch die Gefahr, dass eine solche Vereinbarung als verdeckte Gewinnausschüttung bewertet wird (dazu unter Rz. 180 ff.). Auch führt die Umsatzorientierung unter Umständen dazu, dass der Geschäftsführer oder Vorstand sein Augenmerk zu sehr auf einen hohen Umsatz richtet und darunter die dauerhafte Rentabilität des Unternehmens leidet. Für die Praxis sind Umsatztantiemen daher in aller Regel nicht empfehlenswert4.
7
Tantiemen unterscheiden sich nicht nur nach ihren qualitativen Anknüpfungspunkten, sondern auch ihren quantitativen Festlegungen5. Die Höhe des Tantiemenanspruchs kann zunächst entweder ausschließlich im Ermessen des Aufsichtsrats stehen (sog. Ermessenstantieme) oder vollständig nach berechenbaren Parametern zu bestimmen sein (sog. Ergebnistantieme). Bei der Ermessentantieme entscheidet der Arbeitgeber bzw. die Gesellschafter oder der Aufsichtsrat in der Regel unter Berücksichtigung vereinbarter Parameter über die Höhe des Anspruchs nach Maßgabe des § 315 BGB6. Auch eine solche Tantiemeform ist grundsätzlich nicht zu beanstanden7.
8
Daneben existieren Mischformen. Bei einer sog. Mindesttantieme wird der Führungskraft ein ergebnisunabhängiger Mindestanspruch aus der Tantiemenregelung gewährt. Ob der Anspruch sich ggf. noch erhöht, bestimmt sich nach den gängigen Parametern (Gewinn, Umsatz etc.)8. Möglich ist auch die Vereinbarung einer fixen Tantieme in bestimmter Höhe. In den beiden letztgenannten Fällen ist allerdings zu beachten, dass in Höhe der garantierten bzw. fixen Tantieme keine echte Gewinnbeteiligung vorliegt, sondern ein fester Vergütungsbestandteil. Seine Behandlung richtet sich daher nach den Regeln für die Festvergütung. Insbesondere kann es hier zu Streitigkeiten hinsichtlich der
9
1 Vgl. näherer dazu Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 698 ff. 2 BGH v. 9.5.1994 – II ZR 128/93, DB 1994, 1351. 3 Bengelsdorf in: Moll, Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 46 Rz. 131. 4 Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 701. 5 Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstands der AG, § 2 Rz. 136. 6 Vgl. Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 131; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 49. 7 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 65 m.w.N. 8 Vgl. zur Mindesttantieme OLG München v. 15.7.1998 – 7 U 6334/97, DB 1999, 327; OLG Celle v. 29.8.2007 – 3 U 37/07, NZG 2008, 79 f.
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Teil 3 Rz. 10
Typische Vertragsklauseln
Berücksichtigung eines solchen Vergütungsbestandteils bei der Bemessung der Pensionszusage kommen1. 10
Bei der vertraglichen Regelung der Tantiemenform besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit. So können etwa auch mehrere Arten von Tantiemen kombiniert werden2. Geboten erscheint jedoch, eine enge Koppelung der Tantieme an das zu erreichende Unternehmensziel. Zudem sollte bei der Vertragsgestaltung Wert darauf gelegt werden, keine Anreize für eine missbräuchliche Erhöhung des Umsatzes zu Lasten des Unternehmens zu setzen3. Auch ist ggf. die Angemessenheitsgrenze zu beachten (dazu unter Rz. 63 ff.)4.
b) Aktienoptionen 11
Neben der Tantieme werden insbesondere AG-Vorständen regelmäßig Aktienoptionen (Stock Options) als ergänzender Vergütungsbestandteil eingeräumt. Aktienoptionsprogramme haben aber auch bei anderen Führungskräften eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung und haben sich seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts als Vergütungselement für Führungskräfte innerhalb eines Konzerns etabliert.
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Die rechtliche Ausgestaltung stellt sich ganz allgemein gesprochen wie folgt dar:5 Die Gesellschaft gewährt der Führungskraft bzw. dem Vorstandsmitglied das Recht innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Anzahl von Aktien der Gesellschaft gegen Zahlung eines vereinbarten Basispreises zu erwerben6.
13
Rechtsgrundlage für Aktienoptionen ist für gewöhnlich eine individuelle Vereinbarung im Anstellungsvertrag7. Es kommt aber auch eine Gesamtzusage oder eine Richtlinie mit Geltung für die leitenden Angestellten der Gesellschaft in Betracht8. Auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, kann ggf. ein Anspruch auf Gewährung einer Aktienoption hergeleitet werden9.
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Die dogmatische Einordnung einer Aktienoption ist allerdings umstritten. Teilweise wird ein Kaufvertrag über Aktien unter der aufschiebenden Bedingung der Optionsausübung angenommen10. Andere gehen von einem einseitigen Ankaufsrecht ohne Kaufverpflichtung aus11. 1 Hierzu Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 49 m.w.N.; am Rande auch BGH v. 10.3.2003 – II ZR 163/02, NZG 2003, 535 ff., 537. 2 Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 136. 3 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 51. 4 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 51. 5 Ausführlich Lembke, BB 2001, 1469 ff. 6 Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 144. 7 Vgl. Lembke, BB 2001, 1469 ff., 1469. 8 Vgl. Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 178. 9 Vgl. BAG v. 29.7.2009 – 7 ABR 27/08, DB 2010, 117 f. 10 Vgl. Lembke, BB 2001, 1469 ff., 1470; Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Fn. 231; Kau/Lewerenz, BB 1998, 2269 ff., 2270; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1587. 11 Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Teil 3 Rz. 373.
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Rz. 18 Teil 3
Vergütungsfragen
Bei der Vereinbarung von Aktienoptionen im Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds, ist die Angemessenheitsgrenze des § 87 Abs. 1 AktG einzuhalten1 (dazu sogl. unter Rz. 63 ff.). Zudem gilt es zu beachten, dass die Ausübungsbedingungen für Aktienoptionen typischerweise von der Gesellschaft vorgegeben werden, und nicht verhandelbar sind. Demnach handelt es sich bei ihnen, wie auch das BAG2 entschieden hat, um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB unterliegen. Insbesondere ist deshalb auch das Transparenzgebot des § 307 Abs. 2 Satz 1 BGB zu beachten. Bei der vertraglichen Ausgestaltung von Aktienoptionen ist daher auf Klarheit und Verständlichkeit Wert zu legen3.
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Bei einer günstigen Entwicklung des Aktienkurses können Aktienoptionen einen erheblichen Vermögensvorteil darstellen. Steigt der Wert der Aktie über den Basispreis, erhält die Führungskraft verbilligte Aktien, die es später zum höheren Marktpreis veräußern kann. Dabei profitiert der Optionsinhaber unter Umständen nicht nur von einer Steigerung des Unternehmenswertes, sondern auch wesentlich von einer allgemeinen Marktentwicklung, die nicht auf seine eigene Leistung zurückgeführt werden kann, sog. windfall profits4. Um dies zu vermeiden, wird empfohlen, die Kursentwicklung der Gesellschaft ins Verhältnis zu einem allgemeinen oder branchenspezifischen Index zu setzen5. Aus Sicht des Unternehmens bezwecken Aktienoptionen neben einer Koppelung der Vergütung an den Unternehmenserfolg eine längerfristige Bindung der Führungskraft durch eine Kapitalbeteiligung6. Zudem werden die Interessen von Management und Aktionären einander angeglichen7.
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Der Basispreis wird in der Regel dem Börsenkurs zum Zeitpunkt der Optionsgewährung entsprechen8. Die Führungskraft kann dementsprechend die Entwicklung des Börsenkurses abwarten. Im für sie günstigen Fall steigt der Börsenkurs. Ein Erwerb der Aktien wäre dann profitabel. Fällt der Börsenkurs dagegen unter den Basispreis, kann die Führungskraft schlicht die Ausübung der Option unterlassen. Im Rahmen des VorstAG und dessen Ziel, die Unternehmensführung wieder vermehrt zu einer nachhaltigen Unternehmenspolitik zu verpflichten, ist auch die Ausübungsfrist für Aktienoptionen verlängert worden. Es gilt nunmehr eine Wartefrist von mindestens vier Jahren, vgl. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG.
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Aktienoptionen können in verschieden Gestaltungsvarianten vorkommen. Dabei spielen zunächst zum einen die klassischen Aktienoptionspläne und zum anderen sog. Stock Appreciation Rights (SARs) eine Rolle. Der Unterschied zwischen den beiden Varianten besteht im Wesentlichen darin, dass Aktien-
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1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Spindler in: MükoAktG, § 87 Rz. 47. BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff., 1070. Vgl. Röller in: Küttner, Aktienoptionen, Rz. 9. Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 47; ausführlich Thüsing, ZGR 2003, 457 ff., 493 ff. Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 47. Vgl. Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 273. Lembke, BB 2001, 1469 ff., 1469. Weber/Hoß/Burmester, Handbuch Managerverträge, Teil 2 Rz. 178.
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Teil 3 Rz. 19
Typische Vertragsklauseln
optionspläne im Gegensatz zu den SARs unmittelbaren Einfluss auf die Kapitalstruktur der Gesellschaft haben. SARs basieren nicht auf der Ausgabe von Aktien, sondern dem Vorstandsmitglied wird in bestimmten Umfang ermöglicht, an der Wertentwicklung des Unternehmens teilzuhaben1. Die Führungskraft wird hier so gestellt, als besäße sie eine gewisse Anzahl von Aktienoptionen (SARs) oder Aktien (Phantom Stocks)2. Die Vergütungswirkung ist bei Phantom Stocks oder SARs die gleiche wie bei Stock Options. Bei der Ausgestaltung von Stock Options liegt die Entscheidungskompetenz, wenn es um eine Arbeitnehmer-Führungskraft geht, beim Arbeitgeber. Bei Organ-Führungskräften, bei dem Organ, welches auch für die Entscheidung über den Anstellungsvertrag zuständig ist. 19
Praktische Bedeutung haben daneben auch Wandelschuldverschreibungen erlangt, aufgrund derer der Arbeitgeber oder eine andere Konzerngesellschaft eine Schuldverschreibung gemäß § 221 AktG an die Führungskraft begibt, und die Führungskraft das Recht erhält, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Teil oder den Gesamtbetrag der Schuldverschreibung in eine vorher festgelegte Anzahl an Aktien umzutauschen. Damit vergleichbar sind Wandeldarlehen. Dabei gewährt die Führungskraft dem Arbeitgeber oder einer anderen Konzerngesellschaft ein Darlehen und erhält dafür ebenfalls das Recht, ab einem bestimmten Zeitpunkt einen Teil oder den gesamten Darlehensbetrag in eine vorher festgelegte Anzahl von Aktien umzutauschen;
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Zuständig für die Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ von Aktienoptionsplänen ist die Hauptversammlung der gewährenden Aktiengesellschaft3. Umgesetzt werden Aktienoptionspläne in der Regel durch eine bedingte Kapitalerhöhung gem. §§ 192 ff. AktG. Diese ist in § 192 Abs. 2 Nr. 3 AktG zur Gewährung von Bezugsrechten an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsleitung durch das KonTraG ausdrücklich für zulässig erklärt worden. Der Beschluss der Hauptversammlung muss gem. § 193 Abs. 2 AktG den Zweck der bedingten Kapitalerhöhung, den Kreis der Bezugsberechtigten, den Ausgabebetrag oder die Grundlagen, nach denen dieser berechnet wird, sowie die Aufteilung der Bezugsrechte auf Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer, Erfolgsziele, Erwerbs- und Ausübungszeiträume und die Wartezeit für die erstmalige Ausübung enthalten. Liegt ein solcher Beschluss der Hauptversammlung vor, entscheidet der Aufsichtsrat darüber, ob Aktienoptionen in die Vergütung der Vorstandsmitglieder einbezogen werden sollen und wie die individuelle Ausgestaltung im Rahmen des Hauptversammlungsbeschlusses vorgenommen werden soll4. Bei Arbeitnehmer-Führungskräften entscheidet darü1 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 60. 2 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 148. 3 Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 45; Lücke in Lücke/Schaub, Beck’sches Mandantshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 149; Hüffer, AktG, § 87 Rz. 6; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1588; a.A. (Vorstand) Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 6 Rz. 61. 4 Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1588; Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandantshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 149; Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 46.
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Rz. 23 Teil 3
Vergütungsfragen
ber Vorstand. Erst diese individuelle Vereinbarung begründet das Bezugsrecht des Berechtigten und bildet die schuldrechtliche Grundlage1. Existiert ein Betriebsrat, kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht, sofern auch Arbeitnehmern Aktienoptionen gewährt werden, die keine leitenden Angestellten im Sinn des § 5 Abs. 3 BetrVG sind2. Die Ausübung einer Aktienoption kann von der Erreichung bestimmter Erfolgsziele (vgl. § 192 Abs. 2 Nr. 4 AktG), etwa einem Mindestanstieg des Aktienkurses abhängig gemacht werden. Praktische Relevanz bei der Ausgestaltung von Aktienoptionen haben zudem sog. Verfallklauseln erlangt, die das Recht zur Ausübung der Aktienoption an den ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses binden. Das BAG hat klargestellt, dass die für andere Sondervergütungen hinsichtlich Verfall- und Bindungsklauseln entwickelten Grundsätze nicht uneingeschränkt herangezogen werden können und billigt dem Verwender der Klausel einen weitgehenden Gestaltungsspielraum zu3. Die Angemessenheit der Bindungsfrist ist demnach nicht etwa am Umfang der gewährten Bezugsrechte zu messen4. Insbesondere auf Grund der mit Aktienoptionen bezweckten langfristigen Verhaltenssteuerung, stellt nach Ansicht des BAG eine zweijährige Bindung des Optionsberechtigten an das Unternehmen noch nach Ablauf der Wartezeit nach § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG in der Regel keine ungemessene Benachteiligung dar5. Ungeklärt ist bisher allerdings, bis zu welcher Dauer eine Bindungsfrist noch als angemessen angesehen werden kann. Die wohl überwiegende Ansicht orientiert sich am Rechtsgedanken des § 624 BGB und geht von einer maximalen Bindungsdauer von fünf Jahren aus6.
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Ebenso zulässig, ist es, den Optionsberechtigten zu verpflichten, die auf Grund der Option gewährten Aktien über einen bestimmten Zeitraum zu halten, sog. Halteklauseln7. Unklar ist jedoch die Länge der angemessenen Bindungsfrist. Die in der Literatur vertretene Bandbreite schwankt zwischen maximal drei Jahren8 und fünf bis zehn Jahren9.
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Als alternative Ausgestaltungsform von Aktienoptionen werden in jüngerer Zeit, vorwiegend für Vorstände und Arbeitnehmer-Führungskräfte, sog. ShareMatching-Pläne vorgesehen10. Im Allgemeinen wird dort geregelt, dass die Begünstigten, zunächst selbst Aktien der Aktiengesellschaft erwerben. Dies kann unter Umständen auch zu günstigeren Konditionen geschehen. Hält die Führungskraft diese Aktien über einen vereinbarten Zeitraum hinweg, so wird ihr
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1 Lembke, BB 2001, 1469 ff., 1470. 2 Vgl. ausführlich zum Mitbestimmungsrecht: Kau/Kukat, BB 1999, 2505 ff.; Otto/ Mückl, DB 2009, 1594 ff. 3 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff. 4 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff., 1071: „Die Rechnung ‚je mehr Optionsrecht, desto länger die zulässig Bindungsdauer‘ geht nicht auf.“ 5 BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff., 1071 ff. 6 Vgl. Röller in: Küttner, Aktienoptionen, Rz. 11. m.w.N.; Pulz, BB 2004, 1107 ff., 1112; a.A. Staake, NJOZ 2010, 2494 ff., 2500, der auch eine längere Bindung für zulässig hält. 7 Vgl. Röller in: Küttner, Aktienoptionen, Rz.12 m.w.N. 8 Etwa Rehm, ZIP 2006, 1075 ff., 1079. 9 Etwa Lingemann/Diller/Mengel, NZA 2000, 1191 ff., 1195. 10 Dazu umfassend Wagner, BB 2010, 1739 ff.
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Teil 3 Rz. 24
Typische Vertragsklauseln
im Share-Matching-Plan zugesagt, dass es für jede erworbene Aktie eine kostenlose Matching-Aktie erhält. Bei Arbeitnehmer-Führungskräften, ist es üblich, dass die Gewährung der Matching-Aktien zudem an den Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende des in den Planbedingungen festgelegten Zeitraums gebunden wird1. Die Ausgabe der Matching-Aktien wird sich, solange die Grenzen der Üblichkeit und Angemessenheit nicht überschritten sind, zumindest nach wohl überwiegender Auffassung auf § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG stützen lassen2. Bei der Verteilung der Aktien muss keine besonders breite Streuung bezweckt werden. Vielmehr dürfen nach überwiegender Auffassung auch Leistungsträger bevorzugt werden, solange der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird3. Neben § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG kommt auch ein Hauptversammlungsbeschluss nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG in Frage. Dies gilt insbesondere für die Beteiligung von Organ-Führungskräften an Share-Matching-Plänen, da diese von der Ermächtigung in § 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG nicht umfasst sind4.
c) Zielvereinbarungen aa) Allgemeines 24
Als Mittel zur Gestaltung der Vergütung erfreuen sich Zielvorgaben und Zielvereinbarungen bei Führungskräften in der Praxis großer Beliebtheit. Aus Sicht des Arbeitgebers bzw. der Gesellschaft bezwecken Sie einen Anreiz zur Ausschöpfung des Leistungspotentials und eine dauerhafte Bindung von Leistungsträgern an das Unternehmen. Die Ziele des Unternehmens und des Mitarbeiters werden auf diese Weise in Übereinstimmung gebracht5. Auch für die Führungskraft kann ein Zielbonussystem Vorteile bieten, ermöglicht es doch durch Erreichung der Ziele unter Umständen ein höheres Gehalt zu erlangen, als dies bei Vereinbarung eines Festgehalts möglich wäre. Andererseits haben auch Führungskräfte ein Interesse an Planungssicherheit im Hinblick auf das zu erwartende Gehalt. Diese wird durch flexible Vergütungssysteme zumindest beeinträchtigt, zumal oft über einen längeren Zeitraum nicht feststehen wird, ob die Ziele erreicht werden. Zudem kann die Zielerreichung, je nach gewähltem Zielparameter, nicht unerheblich von der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens abhängen, die etwa ein leitender Angestellter als Einzelner kaum zu beeinflussen vermag.
bb) Arbeitnehmer-Führungskräfte 25
In der Regel wird dem Arbeitnehmer in der Zielvereinbarung für das Erreichen der gesetzten Ziele eine Geldleistung in bestimmter Höhe zugesagt. Daneben kommen jedoch auch andere geldwerte Leistungen in Betracht wie etwa Aktienoptionen oder verbilligte Einkaufsmöglichkeiten. 1 Vgl. Wagner, BB 2010, 1739 ff., 1739. 2 Vgl. Wagner, BB 2010, 1739 ff., 1740; Oechsler in: MüKoAktG, § 71 Rz. 138; Umnuß/ Ehle, BB 2002, 1042 ff., 1043; a.A. Hüffer, AktG, § 71 Rz. 12. 3 Oechsler in: MüKoAktG, § 71 Rz. 145; Wagner, BB 2010, 1739 ff., 1741 m.w.N. 4 Wagner, BB 2010, 1739 ff., 1741; a.A. Umnuß/Ehle, BB 2002, 1042 ff., 1044. 5 Vgl. Hümmerich, NZA 2006, 2294 ff., 2295.
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Rz. 28 Teil 3
Vergütungsfragen
Praktisch werden Zielvereinbarungen in der Regel in zwei Schritten implementiert: Dann enthält der Arbeitsvertrag eine Rahmenvereinbarung, deren Gegenstand regelmäßig Regelungen über die Festlegung der Ziele, ihre Feststellung und die Bemessung der Höhe der Boni sind. Auch kann die Rahmenvereinbarung eine Deckelung des Zielbonus auf einen gewissen Höchstbetrag enthalten. Die konkreten Ziele etwa für das laufende Geschäftsjahr, werden dann jährlich in einer eigenständigen Vereinbarung festgelegt. Daneben kommen als Rechtsgrundlage aber auch Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder eine betriebliche Übung in Betracht1. Welche Ziele vereinbart werden, hängt wesentlich vom Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers ab. In Frage kommen etwa die Erreichung bestimmter Erfolgskennzahlen oder Organisationsziele2.
26
Begrifflich ist zwischen einer Zielvorgabe und einer Zielvereinbarung zu unterscheiden: Bei der Zielvorgabe, gibt der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts ein bestimmtes Ziel einseitig vor. Bei der Zielvereinbarung einigen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einvernehmlich über die zu erreichenden Ziele3. Demgemäß unterliegt auch die rechtliche Würdigung unterschiedlichen Regelungen. Während sich die einseitige Zielvorgabe an § 315 Abs. 3 BGB messen lassen muss und damit einer Billigkeitskontrolle unterliegt4, gelten für die Zielvereinbarung grundsätzlich die Vorschriften des AGB-Rechts. Gerade bei ranghohen Mitarbeitern ist allerdings zu prüfen, ob die Zielvereinbarung nicht „auf Augenhöhe“ ausgehandelt worden ist, vgl. § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB. Hatte der Mitarbeiter einen gleichgewichtigen Einfluss auf die Ausgestaltung, liegt deshalb schon keine Allgemeine Geschäftsbedingung vor, so dass in solchen Fällen die Zielvereinbarung nicht an den Vorgaben des AGB-Rechts zu messen ist, sie folglich insbesondere keiner Inhaltskontrolle unterliegt. Allerdings ist zu beachten, dass Zielvereinbarung eine Vergütungsregelung zum Gegenstand haben. Grundsätzlich unterliegt die Vereinbarung der Vergütung der Vertragsfreiheit5. Soweit eine Zielvereinbarung deshalb ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen enthält, was bei Zielbonuszahlungen regelmäßig der Fall ist6, unterliegt sie keiner Inhalts- oder Billigkeitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB7. Die Zielvereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss allerdings transparent gestaltet sein. Das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB findet Anwendung8.
27
Bei tariflich gebundenen Arbeitnehmern ist das Günstigkeitsprinzip aus § 4 Abs. 3 TVG zu beachten. Dem Günstigkeitsprinzip wird nach überwiegender
28
1 Mauer, NZA 2007, 540 ff., 540. 2 Vgl. Lingemann in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 12 Rz. 58; vgl. auch Salamon, NZA 2010, 314 ff., 315. 3 Vgl. Schaub/Linck, § 77 Rz. 3 ff. 4 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 ff., 411. 5 Vgl. Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882 ff., 884. 6 Vgl. BSG v. 23.3.2006 – B 11a AL 29/05 R, NZA-RR 2007, 101 ff., 102; Schaub/Linck, § 77 Rz. 6. 7 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 ff., 411; vgl. auch Annuß, NZA 2007, 290 ff., 290. 8 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, NZA 2008, 409 ff., 411; Hümmerich, NJW 2006, 2294 ff., 2297.
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Teil 3 Rz. 29
Typische Vertragsklauseln
Ansicht nur dann Rechnung getragen, wenn dem Arbeitnehmer in jedem Fall, also selbst dann, wenn er die Ziele vollständig verfehlt und keinen Zielbonus erhält, der volle Tariflohn zusteht1. 29
Zudem findet die Vertragsfreiheit ihre Grenze in der Sittenwidrigkeit. Ist der Arbeitnehmer auf Grund der Zielvereinbarung aus vom ihm nicht zu beeinflussenden Gründen nicht in der Lage eine Vergütung zu erzielen, die über die Grenze der Sittenwidrigkeit hinausgeht, so ist die Zielvereinbarung unwirksam. Eine eindeutige Grenze, ab wann Sittenwidrigkeit vorliegt, ist nicht bestimmbar. Insbesondere kann diese nicht alleine anhand des neben dem flexiblen Entgelt bestehenden Fixgehalts bestimmt werden2. Die Tendenz in Rechtsprechung und Literatur geht dahin, Sittenwidrigkeit anzunehmen, wenn das von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer unter gewöhnlichen Umständen auf Grund der Zielvereinbarung zu erreichende Gehalt das maßgebliche übliche Gehalt um 25–30 % unterschreitet. Mit anderen Worten: Es muss dem Arbeitnehmer möglich sein, mit einer durchschnittlichen Arbeitsleistung unter normalen Umständen jedenfalls 70–80 % des durchschnittlichen Referenzgehalts zu erreichen3. Bei Arbeitnehmern mit einer sehr hohen Vergütung wird erwogen, die Grenzen entsprechend weiter zu ziehen4.
30
Eine formularvertragliche Stichtagsregelung dergestalt, dass die Parteien die Leistung aus der Zielvereinbarung vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am Ende der Zielperiode abhängig machen, stellt keine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar5. Geht die Bindungsdauer über die Zielperiode hinaus, so hängt die Wirksamkeit der Vertragsklausel, von der Höhe des Zielbonus und der Bindungsdauer ab. Bei einem Zielbonus von nicht mehr als einem Monatsgehalt dürfte eine Bindungsdauer bis zum 31.03. des Folgejahres, bei einem höheren Bonus auch bis zum 30.06. des Folgejahres zulässig sein6. So hielt das BAG eine Bindung bis zum 30.09. des Folgejahres für unzulässig, da die streitgegenständliche Klausel nicht nach der Höhe des angefallenen Bonus differenzierte7.
31
Außerdem kann eine Vertragsklausel, nach der die Zahlung des Zielbonus freiwillig erfolgt, gegen das Transparenzgebot verstoßen, wenn sie im Widerspruch zu dem ansonsten vertraglich vorgesehenen Bonusanspruch steht8.
32
Bei der individuellen Konkretisierung der zu erreichenden Ziele, haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer weitgehende Freiheit. In der Regel wird es sich um eine Mischung aus persönlichen Zielen auf der einen Seite und an Unterneh1 Vgl. Annuß, NZA 2007, 290 ff., 291. 2 Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785 ff. 790. 3 Vgl. Schaub/Linck, § 77 Rz. 9; ErfK/Preis, § 612 Rz. 3; Heiden, DB 2006, 2401 ff., 2401; Griese in: Küttner, Zielvereinbarungen, Rz. 8; aus der Rechtsprechung vgl. BAG v. 26.4.2006 – 5 AZR 549/05, NZA 2006, 1354 ff. 4 Vgl. Mengel in: Hümmerich/Reufels, § 1 Rz. 1470; Horcher, BB 2007, 2065 ff., 2067, der einen variablen Anteil von 50 % bei leitenden Angestellten für zulässig hält. 5 BAG v. 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783 ff. 6 Vgl. Lingemann/Gotham, NZA 2008, 509 ff., 511. 7 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 ff., 43 f. 8 BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 ff., 42.
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Rz. 36 Teil 3
Vergütungsfragen
menskennzahlen orientierten Zielen auf der anderen Seite handeln1. Die Ziele dürfen – insbesondere bei einer Zielvorgabe – aber nicht unrealistisch sein.
(1) Feststellung der Zielerreichung Ist in der Zielvereinbarung nichts Anderweitiges bestimmt, so wird in der Praxis in der Regel der Arbeitgeber zunächst darüber entscheiden, ob die individuellen Ziele erreicht sind. Seine Entscheidung unterliegt dann der vollumfänglichen Überprüfung durch das zuständige Arbeitsgericht2. Kann der Arbeitnehmer nach der Entscheidung des Arbeitgebers über die Zielerreichung mangels Kenntnis der einschlägigen Daten nicht beurteilen, ob und inwiefern die vorgegebenen Ziele erreicht wurden, so kann er vom Arbeitgeber grundsätzlich die benötigten Informationen verlangen3. Einem etwaigen Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers kann durch die Vereinbarung eines sog. Wirtschaftsprüfervorbehalts Rechnung getragen werden. Der Arbeitnehmer kann dann auch geheimhaltungsbedürfte Daten prüfen lassen, allerdings nur durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer4.
33
(2) Folgen einer „vergessenen“ Zielvereinbarung Haben die Arbeitsvertragsparteien eine Rahmenvereinbarung geschlossen, nach der die zu erreichenden Ziele jährlich neu festgelegt werden und unterbleibt eine Festlegung aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen, steht dem Arbeitnehmer nach Ablauf der Zielperiode ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 BGB zu5. Ein Verschulden trifft den Arbeitgeber dann nicht, wenn er Ziele vorschlägt, die auf Grund einer realistischen Zukunftsprognose hätten erreicht werden können6. Obliegt dem Arbeitgeber dagegen die Pflicht, ein Gespräch mit dem Arbeitnehmer anzuberaumen, in dem die Ziele festgelegt werden sollen und unterlässt er es schuldhaft ein solches Gespräch zu initiieren, so hat er das Unterbleiben der Zielbestimmung zu vertreten7.
34
In der Praxis sollte darauf geachtet werden, dass die Zielvereinbarung eine Regelung für den Fall bereithält, dass die Vereinbarung der zu erreichenden Ziele unterbleibt. Zum Beispiel könnte ein Fixbetrag vorgesehen werden8.
35
(3) Veränderung der Umstände Da Zielvereinbarungen zumeist einen längeren Zeitraum umfassen – etwa ein Geschäftsjahr oder ein Quartal –, ist es nicht ausgeschlossen, dass sich die ih1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Reiserer, NJW 2008, 609 ff., 610. Vgl. Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785 ff., 789. Vgl. näher Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785 ff., 789. Vgl. dazu Reiserer, NJW 2008, 609 ff., 610. Vgl. BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256 ff., 257. BAG v. 10.12.2008 – 10 AZR 889/07, NZA 2009, 256 ff., 257. Vgl. Krause in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 57 Rz. 45. Vgl. Annuß, NZA 2007, 290 ff., 290.
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Teil 3 Rz. 37
Typische Vertragsklauseln
nen zugrundegelegten Rahmenbedingungen während der Zielerreichungsperiode ändern. So können negative Ereignisse wie etwa Rückrufaktionen dazu führen, dass die angestrebten Absatzzahlen trotz größter Anstrengung des Mitarbeiters nicht mehr erreicht werden können. Denkbar erscheint aber auch der umgekehrte Fall, in dem äußere Einflüsse dazu führen, dass Ziele ohne besonderes Engagement des Arbeitnehmers quasi von selbst erreicht werden. In beiden Fällen kommt eine Anpassung der Zielvereinbarung nach § 313 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht1.
(4) Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Zielperiode 37
Wird das Arbeitsverhältnis während einer laufenden Zielperiode beendet, ist grundsätzlich ein anteiliger Zielbonus zu gewähren, sofern es sich um eine leistungsbezogene Sonderzahlung handelt2. Dies ist immer dann der Fall, wenn der Zielbonus ausschließlich der Entlohnung erbrachter Arbeitsleistungen dient3. Der Arbeitnehmer hat allerdings dann keinen Anspruch auf einen anteiligen Zielbonus, wenn die Zuwendung die erbrachte Betriebstreue honorieren will4.
38
Ohne eine vertragliche Regelung wird der Anspruch im Verhältnis der möglichen zur tatsächlichen Beschäftigungszeit gemindert. Empfehlenswert ist aber, eine eindeutige Regelung in der Rahmenvereinbarung zur Zielvereinbarung zu treffen. Hierbei bestehen vielfältige vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten. Selbst eine Regelung, nach der der Anspruch aus der Zielvereinbarung an das Bestehen des Arbeitsverhältnisses gebunden wird, ist zulässig (dazu bereits oben unter Rz. 30).
(5) Krankheitszeiten 39
Da der Zielbonusanspruch Entgeltcharakter hat5, ist auch er nach den Vorschriften des EFZG für die Dauer von sechs Wochen fortzuzahlen. Im Rahmen von § 3 EFZG gilt das Lohnausfallprinzip. Nach der Rechtsprechung gehören auch variable Vergütungsbestandteile zum fortzuzahlenden Lohn6. Für diese Zeiten dürfte daher eine Kürzungsvereinbarung unzulässig sein.
40
Erst wenn keine Fortzahlungspflicht nach dem EFZG mehr besteht, etwa weil die Krankheit länger als sechs Wochen andauert, ist eine proportionale Kürzung des Bonusanspruchs für Zeiten in denen keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr besteht zulässig7. Dies gilt aber auch nur dann, wenn die Zielvereinbarung eine entsprechende Kürzungsregelung enthält. 1 Vgl. etwa Däubler, ZIP 2004, 2209 ff., 2213. 2 Vgl. Schaub/Linck, § 77 Rz. 22; Horcher, BB 2007, 2065 ff., 2067. 3 Vgl. BAG v. 11.10.1996 – 10 AZR 984/94, NZA 1996, 432 ff., 433; Mauer, NZA 2002, 540 ff., 545. 4 Vgl. Däubler, ZIP 2004, 2209 ff., 2213. 5 Vgl. Hidalgo/Rid, BB 2005, 2686 ff., 2686. 6 Vgl. LAG Niedersachsen v. 16.1.2006 – 5 Sa 765/05; Ricken in: BeckOK, EFZG, § 4 Rz. 9. 7 Vgl. BAG v. 8.9.1998, NZA 1999, 420 ff. Riesenhuber/v. Steinau-Steinrück, NZA 2005, 785 ff.; Mauer, NZA 2002, 540 ff., 544f.
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Rz. 45 Teil 3
Vergütungsfragen
Besteht keine Kürzungsregelung, so ist zunächst zu prüfen, inwieweit der Arbeitnehmer die gesteckten Ziele trotz zeitweiser Arbeitsunfähigkeit erreicht hat. Grundsätzlich steht im der anteilige Bonus entsprechend des Grades der Zielerreichung zu. Ausnahmsweise kann aber bei unternehmensbezogenen Zielen eine anteilige Kürzung pro Krankheitstag vorgenommen werden.
41
(6) Mitbestimmung durch den Betriebsrat Zielvereinbarungen können sowohl bei ihrer Einführung als auch bei ihrer Durchführung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfallen1. Hat die Zielvereinbarung, wie in der Regel, Auswirkungen auf die Vergütung, kommt ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Betracht. Wird der Arbeitnehmer zu Gesprächen über die Zielvereinbarung herangezogen, ist nach der wohl überwiegenden Meinung das Ordnungsverhalten i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG betroffen2. Sind standardisierte Fragen nach persönlichen Angaben über die Person des Arbeitnehmers Gegenstand des Gesprächs, ist § 94 BetrVG zu beachten. Noch nicht gänzlich geklärt ist, ob Zielvereinbarungen als leistungsbezogene Entgelte anzusehen sind. Das BAG scheint hier aber zu einer Anwendung von § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG zu tendieren3. Werden bei der Zielerfassung oder der Auswertung der Zielerreichung Daten elektronisch verarbeitet, kommt eine Mitbestimmungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in Betracht. Parallel zum Mitbestimmungsbestimmungsrecht des Betriebsrats, besteht ein Unterrichtungsanspruch aus § 80 Abs. 2 BetrVG. Dieser umfasst alle Informationen, die der Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Beteiligungsrechte benötigt4.
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(7) Prozessuales Den Anspruch auf Auszahlung des in einer Zielvereinbarung festgelegten flexiblen Entgelts, kann der Arbeitnehmer im Wege der Leistungsklage beim Arbeitsgericht geltend machen. In vielen Fällen ist allerdings in der Zielvereinbarung vorgesehen, dass bei Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Zielerreichung zunächst eine betriebliche Schlichtungsstelle anzurufen ist.
43
Kann der Arbeitnehmer den Anspruch aus der Zielvereinbarung noch nicht beziffern, weil ihm Informationen über einschlägige Zielparameter fehlen, kommt eine Stufenklage gem. § 254 ZPO in Frage.
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cc) Organ-Führungskräfte Zielvereinbarungen sind auch typisches Element eines Organ-Dienstvertrages. Für die Organ-Führungskräfte ergeben sich kaum nennenswerte Unterschiede zu den vorstehend genannten Grundsätzen5. Dies gilt insbesondere für den 1 Umfassend dazu Däubler, NZA 2005, 793 ff.; auch Lingemann in: Bauer/Lingemann/ Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 12 Rz. 62. 2 Vgl. Bauer/Diller/Göpfert, BB 2002, 882 ff., 886; Däubler, NZA 2005, 793 ff. 3 BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02, NZA 2004, 936 ff. 4 Vgl. BAG v. 21.10.2003 – 1 ABR 39/02, NZA 2004, 936 ff., 938. 5 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 703.
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Teil 3 Rz. 46
Typische Vertragsklauseln
Schadensersatzanspruch bei einer unterbliebenen Zielvereinbarung. Für den Abschluss der Zielvereinbarung und die Festlegung der zu erreichenden Ziele ergibt sich die Kompetenz innerhalb der Gesellschaft aus der entsprechenden Kompetenz zum Abschluss des Dienstvertrages. Insbesondere in der Aktiengesellschaft ist daher das Aufsichtsratsplenum zuständig, da die Rahmenvereinbarung zur Grundlage des späteren Vergütungsanspruchs wird1. Gleiches gilt insofern für den auszuzahlenden Betrag. Dieser bedarf eines Beschlusses des Aufsichtsrats2. 46
Wird eine Zielvereinbarung mit einem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft geschlossen, ist allerdings eine Besonderheit zu beachten. Die Kompetenzverteilung innerhalb der Aktiengesellschaft weist dem Vorstand die Leitungsmacht zu, während der Aufsichtsrat im Wesentlichen eine überwachende und beratende Funktion auszuüben hat. Gibt der Aufsichtsrat nun im Rahmen der Zielvereinbarung dem Vorstand verbindliche Ziele vor, so könnte hierin ein unzulässiger Eingriff des Aufsichtsrats in die Leitungskompetenz des Vorstands liegen. Der Aufsichtsrat hat kein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand3. Andererseits bleibt dem Vorstand auch bei einer Zielvereinbarung meist überlassen, auf welchem Weg er das Ziel erreicht. Bedenklich sind allerdings solche Zielvorgaben, die bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen durch finanzielle Vorteile zu beeinflussen suchen4.
d) Widerrufsvorbehalte 47
Die Flexibilisierung von Vergütungsbestandteilen kann nicht nur im Wege von Zielvereinbarungen erreicht werden. Eine alternative Ausgestaltungsmöglichkeit bietet die Statuierung von Widerrufsvorbehalten bzgl. einzelner Vergütungsbestandteile. Diese sind von erheblicher juristischer und praktischer Brisanz. Das BAG hat in mehreren Entscheidungen nach der Schuldrechtsreform die rechtlichen Grenzen von Widerrufsvorbehalten zu bestimmen begonnen. Endgültige Klarheit hat es allerdings noch nicht herbeiführen können.
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Widerrufsvorbehalte bezwecken, dass einzelne Vergütungsbestandteile zwar zunächst unbefristet zugesagt werden, aber je nach vertraglicher Gestaltung unter mehr oder weniger engen Voraussetzungen einseitig durch den Arbeitgeber oder Dienstgeber widerrufen werden können5. Solche Vertragsklauseln sind regelmäßig an den Maßstäben des AGB-Rechts zu messen. Von Bedeutung ist hier vor allem § 308 Nr. 4 BGB, der die Vereinbarung eines Rechts des Verwenders, die versprochene Leistung zu ändern oder von ihr abzuweichen in AGB für unwirksam erklärt, wenn nicht die Vereinbarung der Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Verwenders für den anderen Vertragsteil zuzumuten ist6. Weiter unterliegen Widerrufsvorbehalte auch der 1 2 3 4 5 6
Vgl. Fonk, NZG 2011, 321 ff., 322. Fonk, NZG 2011, 321 ff., 323. Vgl. Habersack in: MüKoAktG, § 111 Rz. 12 m.w.N. Umfassend hierzu Fonk, NZG 2011, 321 ff., 324 f. Vgl. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 57. Vgl. Kroeschel, NZA 2008, 1393 ff., 1393.
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Rz. 51 Teil 3
Vergütungsfragen
Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB1. Sie müssen daher hinreichend transparent, also klar und eindeutig formuliert sein2. Diese Wertung ist auch bei der Kontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB zu berücksichtigen3. Das BAG geht in seiner jüngeren Rechtsprechung unter Abwägung der gegenseitigen Interessen davon aus, dass Widerrufsvorbehalte in AGB grundsätzlich zulässig sind, solange nicht in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen wird und der Arbeitgeber den Widerrufsvorbehalt nicht dazu nutzt, das wirtschaftliche Risiko auf den Arbeitnehmer abzuwälzen4.
49
Einigkeit zwischen den Senaten besteht zunächst dahingehend, dass der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss erkennen können muss, welche Vergütungsbestandteile dem Widerrufsvorbehalt unterliegen und unter welchen Voraussetzungen das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann5. Das BAG verlangt insofern, dass die Klausel den Sachgrund in einer Weise konkretisiert, die dem Arbeitnehmer deutlich macht, was ggf. auf ihn zukommt6. Ob objektiv betrachtet neben den vertraglich festgelegten Widerrufsgründen noch weitere bestehen, die für den Arbeitnehmer nicht zumutbar wären, spielt für die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB keine Rolle7.
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Bei der Frage, wie detailliert die Widerrufsgründe angegeben werden müssen, divergieren die Auffassung des 5. und des 9. Senats des BAG nunmehr erheblich8. Voraussetzung eines wirksamen Widerrufsvorbehalts ist nach Ansicht des 5. Senats des BAG aber, dass aus der vertraglichen Regelung zumindest die Richtung, aus der ein Widerruf erfolgen können solle, möglichst konkret ersichtlich ist9. Er nennt hier beispielhaft eine wirtschaftliche Notlage, ein negatives wirtschaftliches Ergebnis der Betriebsabteilung, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang bzw. Nichterreichen der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen des Arbeitnehmers oder schwerwiegende Pflichtverletzungen10. Der 9. Senat des BAG hat die Anforderungen an die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts dagegen verschärft11. Er setzt voraus, dass es für den Widerruf eines Vergütungsbestandteils einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel konkret beschrieben ist12.
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1 Vgl. Kroeschel, NZA 2008, 1393 ff., 1394. 2 ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 52. 3 Vgl. BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff., 459; Gaul/Kaul, BB 2011, 181 ff., 182. 4 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 ff., 89. 5 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff., 459; v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 ff.; ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 52. 6 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff., 459. 7 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff., 459. 8 Vgl. dazu Hunold, NZA 2010, 1276 ff.; Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 2. 9 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 ff., 468. 10 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 ff., 90. 11 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff.; dazu Gaul/Kaul, BB 2011, 181 ff.; Hunold, NZA 2010, 1276 ff. 12 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457 ff., 459.
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Teil 3 Rz. 52
Typische Vertragsklauseln
52
Der Stand der Rechtsprechung bringt den Arbeitgeber aus praktischer Sicht in eine missliche Lage: Fasst er die Widerrufsgründe möglichst weit, läuft er Gefahr, dass die Formulierung zu weit gerät und der Widerrufsvorbehalt unwirksam wird. Zählt er sämtliche Widerrufsgründe detailliert auf, könnten einige davon möglicherweise unangemessen sein, was mangels einer geltungserhaltenden Reduktion, eines Blue-Pencil-Tests oder einer ergänzenden Vertragsauslegung zur Unwirksamkeit führen kann1. Solange eine eindeutige Klärung durch die Rechtsprechung noch nicht erfolgt ist, erscheint es daher vorzugswürdig, wenige konkrete Widerrufsgründe aufzuführen, etwa die beispielhaft vom 5. Senat aufgeführten.
53
Zudem darf der widerrufbare Vergütungsanteil aber 25–30 % der Gesamtvergütung nicht überschreiten und die verbleibende Vergütung den Tariflohn nicht unterschreiten2. Ob diese Grenzen auch für Führungskräfte mit Spitzenverdiensten gelten, hat das BAG bisher nicht entschieden. Die Auffassungen in der Literatur sind insofern gespalten3. Der Argumentation, dass Spitzenverdiener in der Regel über eine erheblich stärkere Stellung am Arbeitsmarkt verfügen und insofern keines Schutzes bedürften4, ließe sich entgegen halten, dass auch Arbeitnehmer mit einer deutlich überdurchschnittlichen Vergütung auf deren Bestand vertrauen. In Anbetracht dessen, dass auch das BAG im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen die Stellung des Arbeitnehmers im Unternehmen berücksichtigt5, wird man bei Spitzenverdienern einen größeren Freiraum bei der Vertragsgestaltung einzuräumen haben. Die auch nur annähernde Bestimmung einer relevanten Grenze ist bisher jedoch nicht gelungen. Letztlich bleibt es eine Entscheidung unter Berücksichtigung des Einzelfalls, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Will man in der Praxis kein Risiko eingehen, sollte daher die Grenze von 30 % auch bei Spitzenverdienern nicht überschritten werden.
54
Ist die vertragliche Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts nach diesen Grundsätzen wirksam, unterliegt in einem zweiten Schritt auch die tatsächliche Ausübung des Widerrufs den Grenzen billigen Ermessens6. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem ist zu prüfen, ob die geltenden gemachten Widerrufsgründe tatsächlich vorliegen7.
55
Für Organ-Führungskräfte gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend.
1 Vgl. Hunold, NZA 2010, 1276 ff., 1277. 2 Grundlegend BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 ff.; dazu etwa Willemsen/Grau, NZA 2005, 1137 ff.; Hümmerich, NJW 2005, 1759 ff. 3 Vgl. Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 3 m.w.N. 4 So Reinecke, BB 2008, 554 ff., 554 f. 5 BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87 ff., 89. 6 BAG v. 21.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 ff., 469. 7 Vgl. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 62.
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Rz. 58 Teil 3
Vergütungsfragen
Formulierungsmuster1 Dem Arbeitnehmer wird eine monatliche Zulage in Höhe von … Euro für … gewährt. Der Arbeitgeber behält sich vor, die Gewährung der Zulage zu widerrufen, sofern ein Widerrufsgrund vorliegt. Als Widerrufsgrund gilt: – eine wirtschaftlich Notlage des Unternehmens – ein negatives wirtschaftliches Ergebnis – …
e) Freiwilligkeitsvorbehalt Von einem Widerrufsvorbehalt zu trennen, sind sog. Freiwilligkeitsvorbehalte. Diese sollen primär bereits verhindern, dass bei der Gewährung einer freiwilligen Leistung auf die kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers besteht, dieser auch nicht sozusagen durch die Hintertür der betrieblichen Übung begründet wird. Zudem dienen sie auch der Flexibilisierung von Entgeltbestandteilen.
56
Formularmäßig vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Zwar könnte man streng genommen argumentieren, es handele sich nicht um eine „Vertragsbedingung“, da gerade nur deklaratorisch ausgeführt werde, dass auf die einmal gewährte Leistung kein Rechtsanspruch besteht2. Das BAG hat sich dieser Auffassung allerdings erkennbar nicht angeschlossen und unterwirft Freiwilligkeitsvorbehalte einer Inhaltskontrolle3.
57
Grundsätzlich stellt die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts bei Sondervergütungen wie Weihnachtsgeld, Gratifikationen oder Jahresabschlusszahlungen keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners dar. Problematisch sind Freiwilligkeitsvorbehalte aber dann, wenn die Zahlung im Gegenseitigkeitsverhältnis steht und damit zumindest auch als Entgelt für eine erbrachte Leistung anzusehen ist. Der 5. Senat des BAG beurteilt die Zulässigkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts danach inwieweit der Vergütungsbestandteil in das Gegenseitigkeitsverhältnis eingebunden ist4. Demgegenüber behandelt der 10. Senat grundsätzlich monatliche Zahlungen als laufendes Entgelt wohingegen Bestandteile, die nur ein- oder zweimal jährlich ausbezahlt werden, grundsätzlich Sondervergütungen darstellen sollen5. Ein vorformulierter Freiwilligkeitsvorbehalt muss zudem dem Transparenzgebot genügen. So ist er nach der neueren Rechtsprechung des BAG dann intransparent, wenn zunächst ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung gewährt wird, dieser aber quasi im gleichen Atemzug als freiwillig bezeichnet und ein Rechtsanspruch aus-
58
1 Siehe auch die Beispiele bei Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3513. 2 So u.a. Hanau/Hromadka, NZA 2005, 73 ff., 75. 3 Vgl. BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/05, NZA 2007, 853 ff.; so auch Deinert in: Däubler/ Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle, § 305 Rz. 5. 4 BAG v. 25.4.2007 – 5 AZR 627/06, NZA 2008, 853 ff., 854. 5 Vgl. BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 ff., 1178.
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Teil 3 Rz. 59
Typische Vertragsklauseln
geschlossen wird1. Dies kann schon dann der Fall sein, wenn die Art und Höhe sowie die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung vertraglich dezidiert festgelegt werden2. Auch eine Verknüpfung von Widerrufsvorbehalt und Freiwilligkeitsvorbehalt bezüglich derselben Leistung ist widersprüchlich und intransparent3. 59
Nicht einhalten muss der Freiwilligkeitsvorbehalt dagegen die für den Widerrufsvorbehalt bestehende Grenze von 25–30 % der Gesamtvergütung4. Dementsprechend wird eine Flexibilisierung von bis zu 60 % für zulässig erachtet5.
60
Für die Praxis bleibt festzuhalten, dass die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts weiterhin mit einer erhöhten Rechtsunsicherheit verbunden ist. Insbesondere gilt dies auf Grund der schwierigen Abgrenzung zwischen Sonderleistung und laufendem Entgelt.
61
Grundsätzlich zulässig dürfte nach Maaß6 bei Sonderleistungen auch weiterhin folgende Formulierung sein: Soweit der Arbeitgeber über die Vergütung in § … hinaus weitere Leistungen erbringt, handelt es sich um freiwillige Leistungen. Der Arbeitgeber behält sich vor, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und in welcher Höhe er freiwillige Leistungen erbringt. Es besteht kein Rechtsanspruch auf die wiederholte oder dauerhafte Gewährung derartiger freiwilliger Leistungen. Ein solcher entsteht auch nach mehrmaliger vorbehaltloser Zahlung nicht.
3. Besonderheiten für den AG-Vorstand 62
Der Vergütungsanspruch des Vorstandsmitglieds ergibt sich in aller Regel aus dem Dienstvertrag. Üblich ist es, dort zunächst ein Fixgehalt zu vereinbaren und sodann weitere flexible Vergütungsbestandteile festzulegen. Eine solche Aufspaltung des Gehalts wird vom Deutschen Corporate Governance Kodex auch empfohlen, vgl. Ziff. 4.2.3, wobei die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten ist. Dieser Gedanke hat nunmehr auch in § 87 Abs. 1 Satz 2 AktG für börsennotierte Aktiengesellschaften eine gesetzliche Ausprägung erhalten.
a) Angemessene Vergütung 63
In der Wirtschaftspresse und auch in der Fachliteratur wurde im Hinblick auf die in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Vorstandsvergütungen, rege 1 Vgl. BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 ff. 2 So andeutend BAG v. 24.10.2007 – 10 AZR 825/06, NZA 2008, 40 ff.; vgl. auch Bonin in: Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle, § 307 Rz. 199c; Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 4. 3 Vgl. BAG v. 30.7.2008 – 10 AZR 606/07, NZA 2008, 1173 ff., 1179. 4 Vgl. BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 289/08, NZA 2009, 535 ff., 536; Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 4 f. 5 Bonin in: Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle, § 305 Rz. 199b. 6 ArbRAktuell 2011, 59.
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Rz. 67 Teil 3
Vergütungsfragen
über deren Angemessenheit diskutiert. Insbesondere im Zuge der Wirtschaftskrise stießen die unvermindert hohen Vorstandsvergütungen auf Unverständnis in der Öffentlichkeit. Zwar unterliegt auch die Vereinbarung der Höhe der Vergütung grundsätzlichen den Marktmechanismen und der Vertragsfreiheit1. Auch bei Führungskräften gilt der Grundsatz, dass für höhere Preise, sprich eine höhere Vergütung, auch qualifiziertere Kandidaten gewonnen werden können2. Dem auf Seiten des Unternehmens zuständigen Aufsichtsrat steht bei der Vereinbarung der Vorstandsbezüge ein großer Ermessensspielraum zu. Der BGH hat bereits ausgeführt, dass ein bestimmter Vergütungsbetrag nicht deswegen als unangemessen bezeichnet werden könne, weil eine andere Bemessung sich ebenso gut oder gar besser vertreten lasse3. Bei der Entscheidung über die Vergütung eines Vorstandsmitglieds handelt es sich um eine unternehmerische Entscheidung, bei der der Aufsichtsrat verpflichtet ist, im Unternehmensinteresse zu handeln (zum Unternehmensinteresse, bereits oben Teil 2 Rz. 154). Eine Überprüfung erfolgt nur nach den Grundsätzen der sog. Business Judgment Rule (vgl. dazu unter Teil 2 Rz. 156)4.
64
Das Aktienrecht hält neben dieser allgemeinen Pflichtenbestimmung aber schon seit der Reform von 1937 eine Regelung bereit, die die Vorstandsgehälter sozusagen „im Rahmen halten“ soll5. So bestimmt § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG nach seiner jüngsten Änderung durch das VorstAG, der Aufsichtsrat habe dafür zu sorgen, dass die Gesamtbezüge des einzelnen Vorstandsmitglieds in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe übersteigen.
65
Der gesetzlich vorgegebene Maßstab ist somit sehr unbestimmt. Für die Praxis kann jedenfalls festgehalten werden, dass die Schwierigkeiten bei der Feststellung der angemessenen Vergütung im Einzelfall bereits dadurch gemildert werden, dass die Angemessenheit nicht positiv festgestellt werden muss, sondern die Identifizierung einer unangemessenen Vergütung ausreichend ist6.
66
§ 87 Abs. 1 AktG verlangt bei der Bemessung der Vorstandsvergütung allgemein die Berücksichtigung von Leistung und Aufgaben des Vorstandsmitglieds sowie der Lage der Gesellschaft. Der Begriff „Leistung“ umfasst zum einen die Verbesserung der wirtschaftlichen Kennzahl, zum anderen können aber auch die sog. „soft skills“ einbezogen werden. So kann etwa bei der Verlängerung eines Vorstandsvertrages und der damit verbundenen Neuverhandlung der Vergütung, das gesamte Verhalten des Vorstands während seiner bisherigen Amtsperiode zugrunde gelegt werden, sofern es in Beziehung zum Unternehmensinteresse steht7.
67
1 2 3 4
Vgl. etwa Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 8. Vgl. Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2534. So BGH v. 14.5.1990 – II ZR 126/89, NJW 1990, 2625 ff., 2625. BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NZG 2006, 141 ff., 143; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 4. 5 Vgl. zur Entwicklung: Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 6; Keiser, RdA 2010, 280 ff., 282. 6 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 4. 7 Vgl. Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 ff., 2434 f.
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Teil 3 Rz. 68
Typische Vertragsklauseln
68
Im Einzelnen können folgende Faktoren Einfluss auf die Vergütungshöhe haben1: Die Größe des Unternehmens, die Qualifikationen und Fähigkeiten des Vorstandsmitglieds, dessen familiären Verhältnisse, der Marktwert, die Dauer der Zugehörigkeit zur Gesellschaft, die Branche, Umfang und Bedeutung der Aufgaben innerhalb des Vorstands sowie Teamfähigkeit und Kooperationsfähigkeit.
69
Der Lage der Gesellschaft kommt besonders bei der Festsetzung der Bezüge in Krisenzeiten Bedeutung zu. Hierbei wird zu Recht darauf verwiesen, dass eine wirtschaftlich schwierige Lage der Gesellschaft nicht zwingend eine niedrige Vergütung bedingt2. Kann durch eine entsprechende Vergütung eine zur Sanierung fähige Person gewonnenen werden, kann die Abwägung zwischen finanzieller Belastung durch die Vergütung auf der einen Seite und wirtschaftlicher Gesundung, im konkreten Einzelfall zu einer Angemessenheit der vereinbarten Vergütung führen.
70
Die in § 87 Abs. 1 AktG aufgezählten Faktoren sind jedoch nicht abschließend. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sowohl jeder einzelne Vergütungsbestandteil als auch die Gesamtvergütung angemessen sein muss3. Damit unterfallen etwa auch Change-in-Control-Klauseln (dazu unter Rz. 670) oder Anerkennungsprämien (dazu unter Rz. 86 f.) bereits für sich genommen schon der Angemessenheitsprüfung.
71
Eine weitere Grenze ist im Rahmen der Üblichkeit der Bezüge zu ziehen. § 87 Abs. 1 AktG verpflichtet den Aufsichtsrat dafür zu sorgen, dass die übliche Vergütung nicht ohne besondere Gründe überschritten wird. Der Begriff der Üblichkeit wird in der Regierungsbegründung als Branchen-, Größen- und Landesüblichkeit konkretisiert4. Als Vergleichsmaßstab ist damit ein deutsches Unternehmen der gleichen Größe und Branche heranzuziehen5. Internationale Unternehmen können allenfalls dann als Maßstab herangezogen werden, wenn dafür besondere Gründe vorliegen. Dies kann der Fall sein, wenn kein vergleichbares deutsches Unternehmen existiert6 oder der Vorstandskandidat auf Grund seiner Ausbildung und Fähigkeiten ein entsprechend höheres Gehalt im Ausland beziehen könnte7.
72
Allerdings spielt nicht nur diese sog. horizontale Vergleichbarkeit eine Rolle. Auch das unternehmensinterne Gehaltsgefüge kann berücksichtigt werden, sog. vertikale Vergleichbarkeit8. Hierzu hat der Rechtsausschuss ausgeführt, 1 Vgl. die Checkliste bei Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 124 sowie dessen sog. „Stufenmodell“ unter Rz. 127 ff.; außerdem die Zusammenstellung von Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2 und Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rz. 8f. 2 Hüffer, AktG, § 84 Rz. 2. 3 Vgl. Korts, BB 2009, 1876 ff., 1879; abweichend Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 6; Spindler, DStR 2004, 36 ff., 38. 4 BT-Drucks., 16/12278, 5. 5 Vgl. Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 802. 6 So Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 ff., 2435. 7 So Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 8; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 ff., 1; Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 802. 8 BT-Drucks., 16/12278, 5.
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Rz. 75 Teil 3
Vergütungsfragen
dass darauf geachtet werden soll, dass die Vergütungsstaffelung im Unternehmen beim Vorstand nicht Maß und Bezug zu dem Vergütungssystem im Unternehmen im Übrigen verliert1. Dass diese vertikale Vergleichbarkeit in der Praxis Bedeutung erlangen wird, wird allerdings überwiegend bezweifelt und bleibt abzuwarten2. Jedenfalls kommt der horizontalen Vergleichbarkeit im Zweifel gegenüber der vertikalen Vergleichbarkeit der Vorrang zu3. Ist die Vergütung als üblich in diesem Sinne anzusehen, ist dadurch noch keine Aussage hinsichtlich ihrer Angemessenheit getroffen. Auch eine übliche Vergütung kann unangemessen sein4. Umgekehrt wird eine unübliche Vergütung auch regelmäßig unangemessen sein, wenn sie nicht durch besondere Gründe bedingt ist5. Die Üblichkeit ist grundsätzlich als Obergrenze der Bezüge anzusehen6.
73
Vereinbaren Aufsichtsrat und Vorstand eine nach diesen Grundsätzen unangemessene Vergütung, folgt daraus keine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung. § 87 Abs. 2 AktG stellt kein Verbotsgesetz dar, so dass § 134 BGB nicht anwendbar ist7. Ist die Grenze der Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nicht erreicht, ist diese wirksam8. Der Aufsichtsrat macht sich unter Umständen aber im Innenverhältnis gegenüber der Aktiengesellschaft schadensersatzpflichtig9. Ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Aufsichtsratsmitglieder ergibt sich nach den Änderungen durch das VorstAG nunmehr ausdrücklich aus § 116 Satz 3 AktG. Eine Haftung des Vorstandsmitgliedes selbst, dürfte nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen – etwa bei einer unzulässigen Einflussnahme auf die Vergütungsentscheidung durch falsche Informationen10.
74
Sondervorschriften für börsennotierte Aktiengesellschaften enthält § 87 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3. Danach ist die Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen deshalb eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben und für außergewöhnliche Entwicklungen soll der Aufsichtsrat eine Begrenzungsmöglichkeit vereinbaren. Mit dieser Vorgabe soll verhindert werden, dass kurzfristige Erfolgsvorgaben, das Vorstandsmitglied zu einer an schnellen Gewinnen orientierten Geschäftspolitik verleiten. Eine solche Ausrichtung birgt die Gefahr, dass die langfristige Entwicklung des Unternehmens außer Acht gelassen wird. Über
75
1 BT-Drucks., 16/13433, 10. 2 Vgl. Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 ff., 2435; ähnlich Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 ff., 1 f., die dem Maßstab der Vertikalität „eher die Bedeutung eines Appels“ beimessen. 3 Vgl. Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rz. 10 m.w.N. 4 Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 802; Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1490. 5 Hüffer, AktG, § 87 Rz. 2; Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1490; Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2535. 6 Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2536. 7 Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 5. 8 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 5 m.w.N. 9 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandantshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 121 m.w.N. 10 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 5 m.w.N. auch zu strengeren Auffassungen.
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Teil 3 Rz. 76
Typische Vertragsklauseln
welchen Zeitraum sich die Bemessungsgrundlage konkret zu erstrecken hat, um den Vorgaben zu genügen, ist noch unklar. Der Begriff „mehrjährig“ schließt wohl nur einen einjährigen Bemessungszeitraum aus. Die Gesetzesbegründung geht ausdrücklich von der Heranziehung der Vierjahresfrist nach § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG für die Ausübung von Aktienoptionen als allgemeine Auslegungshilfe für die Formulierung langfristiger Verhaltensanreize aus1. In der Literatur zeichnet sich die Tendenz ab, eine zweijährige Bemessungsgrundlage als Minimum ausreichen zu lassen2, einen drei- bis vierjährigen Zeitraum aber als Regel anzusehen3 oder zumindest zu empfehlen4. Jedenfalls bleiben aber auch einjährige Jahrestantiemen zulässig, sofern daneben die langfristigen Verhaltensanreize überwiegen5. 76
§ 87 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 AktG haben aber nicht nur Bedeutung für börsennotierte Aktiengesellschaften. Vielmehr sind sie auch als Richtlinien für nichtbörsennotierte Gesellschaften anzusehen. Auch Aufsichtsräte nicht börsennotierter Gesellschaften sind verpflichtet, Fehlanreize bei der Vergütungsbemessung zu vermeiden6.
b) Herabsetzung in der Krise 77
§ 87 Abs. 2 AktG ermöglicht dem Aufsichtsrat die einseitige Herabsetzung der Vorstandsbezüge für den Fall, dass sich die Gesellschaft in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet. Der Gesetzgeber hat damit unter Durchbrechung des Grundsatzes „pacta sund servanda“ ein einseitiges Eingriffsrecht in die Vergütungsregelung des Vorstandsvertrages statuiert7. Hat sich die Situation der Gesellschaft soweit verschlechtert, dass die Weitergewährung der Vorstandsbezüge für sie unbillig wäre, soll der Aufsichtsrat die Vergütung in einem angemessenen Verhältnis herabsetzen. Dies gilt jedoch nicht für Vergütungsbestandteile die bereits verdient worden sind. So kann etwa ein rückständiges Gehalt nicht mehr gekürzt werden8.
78
Das VorstAG hat die Voraussetzungen für die Anpassung der Bezüge insofern gelockert als es nun nicht mehr einer „wesentlichen“ Verschlechterung der Lage bedarf. Nach der neuen Rechtslage bedarf es deshalb keiner Existenz- bzw. Insolvenzgefahr für die Gesellschaft mehr9. Trotzdem wird auf Grund des Schutzes der Vergütungspositionen aus Art. 12 GG teilweise auch weiterhin davon ausgegangen, dass es einer „erheblichen“ Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft bedarf, um die Herabsetzungspflicht zu begrün1 BT-Drucks., 12/12278, 5. 2 Hüffer, AktG, § 84 Rz. 4d; Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 ff., 2436; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 ff., 3; Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2538; a.A. Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1490. 3 Suchan/Winter, DB 2009, 2530 ff., 2537. 4 Hüffer, AktG, § 87 Rz. 4d; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rz. 12. 5 Vgl. Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 87 Rz. 12 m.w.N. 6 Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 7. 7 Vgl. Koch, WM 2009, 49 ff., 50 f. 8 Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 96. 9 Vgl. Keiser, RdA 2010, 280 ff., 283; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 ff., 5.
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Rz. 82 Teil 3
Vergütungsfragen
den1. Die überwiegende Auffassung lehnt diese restriktive Auslegung allerdings ab, da die Worte „wesentlich“ und „schwer“ gerade aus § 87 Abs. 2 AktG gestrichen wurden2. Die Regierungsbegründung führt als Beispiele für eine Verschlechterung der Lage auch Entlassungen, Lohnkürzungen oder den Fall, dass die Gesellschaft keine Gewinne mehr ausschütten kann, an3. Diese Beispiele können jedoch keine allgemeine Geltung beanspruchen. Sie mögen zwar Indizien für eine schlechte wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sein, sie machen eine am Einzelfall orientierte Prüfung aber nicht entbehrlich4. Zudem muss die Weitergewährung der Bezüge für die Gesellschaft unbillig sein. Auch hier hat der Gesetzgeber die Anforderungen herabgesetzt. Es bedarf nach geltender Rechtslage keiner „schweren“ Unbilligkeit mehr. Bewertungsmaßstab für die Unbilligkeit ist das Unternehmensinteresse (vgl. dazu Rz. 154)5. Daneben sind die persönlichen Umstände des Vorstandsmitglieds zu berücksichtigen6. Unbilligkeit liegt nach der Regierungsbegründung zunächst dann vor, wenn der Vorstand pflichtwidrig gehandelt hat7. Liegt kein pflichtwidriges Handeln des Vorstands vor, so muss ein – insbesondere zeitlicher – Zurechnungszusammenhang zwischen der Vorstandstätigkeit und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage bestehen8.
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Ist sowohl von einer schwierigen wirtschaftlichen Lage als auch von der Unbilligkeit der Weitergewährung der Bezüge auszugehen, so soll der Aufsichtsrat die Vergütung auf die angemessene Höhe herabsetzen. Er darf nur bei Vorliegen besonderer Gründe davon absehen9. Der Aufsichtsrat muss die Vergütung so weit absenken, dass ein Maß erreicht wird, welches bei einer Neuverhandlung in der konkreten Situation der Gesellschaft als angemessen i.S.v. § 87 Abs. 1 AktG gelten würde10.
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Für die Ermittlung der angemessenen Vergütung, kann auf die bereits dargelegten Grundsätze zu § 87 Abs. 1 AktG verwiesen werden (vgl. Rz. 63 ff.)11. Insofern kann die branchenübliche Vergütung eine wesentliche Rolle spielen12.
81
Unter Geltung des § 87 Abs. 2 AktG a.F., der hinsichtlich der Angemessenheit nicht ausdrücklich auf die Höhe der Vergütung Bezug nahm, sondern schlicht
82
1 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 94; Diller, NZG 2009, 1006 ff., 1007; ähnlich auch Koch, WM 2010, 49 ff., 51f.; Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 10. 2 Lingemann, BB 2009, 1918 ff., 1920; Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 803 f.; Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1490 f. 3 BT-Drucks. 16/12278, 6. 4 Vgl. Annuß/Theusinger, BB 2009, 2434 ff., 2437; Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 804. 5 Hoffmann-Becking/Krieger, NZG-Beil. 2009, 1 ff., 6. 6 Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 95; Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 10. 7 BT-Drucks. 16/12278, 6. 8 Vgl. Wepper, NZG 2010, 1056 ff., 1057; Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 10. 9 Fleischer, NZG 2009, 801 ff., 804; Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 13; Koch, WM 2010, 49 ff., 56. 10 Diller, NZG 2009, 1006 ff., 1007. 11 Näher Keiser, RdA 2010, 280 ff., 283. 12 So auch Keiser, RdA 2010, 280 ff., 283.
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Teil 3 Rz. 83
Typische Vertragsklauseln
davon sprach, der Aufsichtsrat sei zu einer „angemessenen Herabsetzung“ berechtigt, musste die Anpassung der Vergütung grundsätzlich zeitlich begrenzt sein1. Eine unbefristete Kürzung wurde nur dann als zulässig erachtet, wenn in einem absehbaren Zeitraum nicht mit der Überwindung der wirtschaftlichen Krise zu rechnen ist2. Trotz des geänderten Wortlautes von § 87 Abs. 2 AktG, der nur noch auf die Höhe der Vergütung als Gradmesser hinweist, dürfte daran festzuhalten sein, dass die Herabsetzung auch in zeitlicher Hinsicht angemessen sein muss3. Eine unbefristete Herabsetzung ist allerdings jedenfalls dann weiterhin angemessen, wenn eine Besserung der Lage nicht absehbar ist. Ansonsten wird es regelmäßig erforderlich sein, die Herabsetzung nur befristet vorzunehmen. 83
Zuständig für die Herabsetzung ist das Aufsichtsratsplenum, das durch Beschluss entscheidet4. Eine Übertragung der Entscheidung auf einen Ausschuss ist ausgeschlossen, vgl. § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG. Setzt der Aufsichtsrat die Vorstandsvergütung trotz Vorliegen der Voraussetzungen des § 87 Abs. 2 AktG nicht herab, kommt ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft nach §§ 116, 93 AktG in Betracht5. Der neu eingefügte § 116 Satz 3 AktG bezieht sich zwar dem Wortlaut nach nur auf die Festsetzung der Vergütung. Sie hat aber lediglich deklaratorisch Bedeutung und schließt es nicht aus, andere Sorgfaltspflichtverletzungen des Aufsichtsrats im Hinblick auf die Vorstandsvergütung, einer Haftung nach §§ 116, 93 AktG zu unterwerfen. Eine vertragliche oder satzungsmäßig Abbedingung von § 87 Abs. 2 AktG ist nicht möglich6.
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Erfolgt eine Herabsetzung der Vergütung, kann das Vorstandsmitglied in verschiedener Weise reagieren. Es kann Leistungsklage auf Zahlung der vereinbarten Vergütung oder eine Klage auf Bestimmung der angemessenen Vergütung durch das Gericht erheben7. Eine weitere Möglichkeit eröffnet § 87 Abs. 2 Satz 4 AktG: Danach kann das Vorstandsmitglied seinen Anstellungsvertrag für den Schluss des Kalenderjahres mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen kündigen. Eine ausgesprochene Kündigung bleibt auch dann wirksam, wenn die Gesellschaft die Vergütung in der Folge wieder heraufsetzt8.
c) Heraufsetzung des Gehalts bei Besserung der Lage? 85
Bisher, auch im Rahmen der Diskussion um das VorstAG, wenig erörtert, ist die Frage nach den Folgen einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nach der Herabsetzung der Vergütung9. Für das Vorstandsmitglied stellt sich das Pro1 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 97 zur a.F. des § 87 Abs. 2 AktG. 2 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 97 zur a.F. des § 87 Abs. 2 AktG; so auch Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 98. 3 Vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 9; Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 11; DauerLieb/Friedrich, NZG 2010, 688 ff., 690. 4 Vgl. Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 13. 5 Vgl. umfassend: Keiser, RdA 2010, 280 ff. 6 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 96. 7 Vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 10. 8 Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 15. 9 Dazu nur Dauer-Lieb/Friedrich, NZG 2010, 688 ff.; Koch, WM 2010, 49 ff., 57 f.
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Rz. 87 Teil 3
Vergütungsfragen
blem, wie es eine erneute Anpassung der Vergütung durchsetzen kann. Aus § 87 Abs. 2 AktG ist nicht zu entnehmen, welche Auswirkungen die Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten, etwa durch eine erfolgreiche Sanierung haben soll. Ist die Herabsetzung der Vergütung befristet worden, stellt sich die Problematik nur dann, wenn die Besserung der finanziellen Situation schneller als erwartet und der Befristung zu Grunde gelegt eingetreten ist. In diesen Fällen wird man dem Vorstandsmitglied gem. § 242 BGB einen Anspruch auf Wiederherstellung des Vergütungsniveaus zubilligen1. Teilweise wird ein solcher Anspruch auch aus § 315 BGB hergeleitet2.
d) Anerkennungsprämien Anerkennungsprämien, sog. appreciation awards, waren Gegenstand des wohl spektakulärsten Wirtschaftsstrafprozesses der Nachkriegsgeschichte (sog. „Mannesmann-Prozess“)3. Im Kern ging es um die Frage, inwiefern eine vertraglich nicht geschuldete Sonderzahlung an Vorstandsmitglieder, die die nachträgliche Anerkennung geleisteter Dienste bezweckt, den Straftatbestand der Untreue verwirklicht. Der BGH entschied, dass die Gewährung einer solchen Zahlung dann sorgfaltswidrig ist, wenn sie dem Unternehmen keine zukünftigen Vorteile bringt, die in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der freiwilligen Sonderzahlung stehen4. Es handele sich insoweit um eine „treupflichtwidrige Verschwendung des anvertrauten Gesellschaftsvermögens“5.
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Die Gewährung solcher nachträglicher Anerkennungszahlungen, ohne dass diese bereits im Anstellungsvertrag festgelegt worden ist, birgt demnach ein erhebliches strafrechtliches Risiko. Erste Konsequenzen für die vertragsrechtliche Praxis sind bereits gezogen worden6. Die Diskussion hat sich mittlerweile auf die Möglichkeiten und Grenzen sog. Mannesmann-Klauseln verlagert. Sie normieren im Anstellungsvertrag allgemein gesprochen, dass der Aufsichtsrat im Falle außergewöhnlicher Leistungen des Vorstandsmitglieds während dessen Amtszeit, über die Gewährung eines zusätzlichen Bonus entscheidet7. Auch wenn die rechtliche Zulässigkeit solcher Klauseln in ihrer konkreten Gestalt noch ungewiss ist, spricht viel dafür, dass eine Klausel, die eine Entscheidung des Aufsichtsrats über den zusätzlichen Bonus nach billigem Ermessen voraussetzt, den Anforderungen standhalten dürfte8. Ob die Aufnahme einer solchen Klausel aus Sicht des Unternehmens zu empfehlen ist, erscheint allerdings zweifelhaft9.
87
1 Vgl. Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 13; ausführlich Dauner-Lieb/Friedrich, NZG 2010, 688 ff., 689 f. 2 So im Ergebnis wohl Dauner-Lieb/Friedrich, NZG 2010, 688 ff., 692. 3 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NZG 2006, 141 ff. 4 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NZG 2006, 141 ff., 143 ff. 5 BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NZG 2006, 141 ff., 143. 6 Vgl. Bauer/Arnold, DB 2006, 546 ff. 7 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 153. 8 So Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 153. 9 Vgl. Bauer/Arnold, DB 2006, 546 ff., 547.
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Teil 3 Rz. 88
Typische Vertragsklauseln
e) Veröffentlichungspflicht in börsennotierten Gesellschaften 88
Seit dem Geschäftsjahr 2006 sind börsennotierte Aktiengesellschaften verpflichtet, nicht nur die Gesamtbezüge des Vorstands als Organ, sondern auch die Bezüge jedes Vorstandsmitglieds individualisiert im Anhang zum Jahresabschluss anzugeben (vgl. § 285 Nr. 9a) HGB)1. Die Offenlegungspflicht umfasst von der regulären Vergütung des Vorstandsmitglieds bis zur Sachleistung und dem Dienstwagen praktisch sämtliche Vergütungsbestandteile2. Bei der Aufstellung ist zwischen erfolgsabhängigen und erfolgsunabhängigen Bestandteilen sowie Komponenten, die auf eine langfristige Anreizwirkung ausgerichtet sind, zu unterscheiden. Die Offenlegungspflicht gilt gem. § 285 Nr. 9a) aa)– cc) auch für Leistungszusagen bei regulärer oder vorzeitiger Beendigung seiner Tätigkeit sowie für die Änderung solcher Zusagen. Folglich sind von der Offenlegungspflicht etwa auch Kontrollwechselklauseln umfasst3.
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Unterbleiben kann die individualisierte Offenlegung allerdings dann, wenn sich die Hauptversammlung mit einer qualifizierten 3/4-Mehrheit dafür ausspricht, vgl. § 286 Abs. 5 HGB (sog. Opt-out-Regelung).
4. Besonderheiten für den GmbH-Geschäftsführer 90
Schuldrechtliche Grundlage für die Zahlung der vereinbarten Vergütung ist in der Regel der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers4. Auch beim GmbH-Geschäftsführer wird üblicherweise eine Aufspaltung der Vergütung in Festvergütung und variable Bestandteile vorgenommen. Den wesentlichen Anteil wird dabei in der Praxis die Fixvergütung ausmachen. Dem Geschäftsführer wird ein festes Jahresgehalt gewährt, das in monatlichen Abschlagszahlungen ausbezahlt wird, wobei zwischen 12 und 14 Monatsgehälter üblich sind5. Das festgelegte Gehalt des Geschäftsführers deckt grundsätzlich auch geleistete Überstunden ab, es sei denn der Anstellungsvertrag enthält eine derweilige Regelung (dazu unter Rz. 274).
a) Angemessenheit 91
Bei der Vereinbarung der Vergütung des Geschäftsführers steht den Gesellschaftern grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Sie können in der Regel am besten beurteilen, wie viel ihnen die Tätigkeit des Geschäftsführers wert ist6. Ebenso wie bei der Vergütung des AG-Vorstands bilden lediglich die §§ 134, 138 BGB eine äußerste Grenze7. Anders ist dies lediglich im Hinblick auf die Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer mehrgliedrigen GmbH zu sehen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer zudem Mehrheits1 Ausführlich zum VorstOG etwa Spindler, NZG 2005, 689 ff. 2 Vgl. Spindler, NZG 2005, 689 ff., 690. 3 Vgl. ausführlich zur Offenlegung von Kontrollwechselklauseln Bittmann/Schwarz, BB 2009, 1014 ff. 4 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG § 35 Rz. 63. 5 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 696. 6 Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, § 35 Rz. 217. 7 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 693.
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Rz. 92 Teil 3
Vergütungsfragen
gesellschafter ist. In solchen Fällen findet eine Angemessenheitsprüfung statt, die auf die Treuepflicht des Gesellschafters und den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt wird1. Die Vergütung darf in keinem Missverhältnis zu der vergüteten Leistung sowie zu dem Entgelt stehen, das ein Fremdgeschäftsführer für die gleiche Tätigkeit erhalten hätte2. Zudem kommt bei einer überhöhten Vergütung eines Gesellschafter-Geschäftsführers ein Verstoß gegen § 30 GmbHG in Betracht, wenn sie zu Lasten des Stammkapitals geht3.
b) Analoge Anwendung von § 87 AktG auf GmbH-Geschäftsführer? Ob auch die Vergütung eines GmbH-Geschäftsführers an § 87 AktG zu messen ist, wird schon seit längerem kontrovers diskutiert. Insbesondere im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um die Höhe der Managergehälter und die Änderungen durch das VorstAG, hat die Problematik an praktischer Bedeutung gewonnen. Eine § 87 AktG vergleichbare Regelung enthält das GmbHG nicht. § 87 AktG kann jedenfalls weder für die GmbH ohne Aufsichtsrat noch für die GmbH mit fakultativem Aufsichtsrat herangezogen werden4. Auch in der nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbH muss eine Heranziehung von § 87 AktG bereits mangels Personalkompetenz des Aufsichtsrats ausscheiden. In allen diesen Fällen sind es also die Eigentümer selbst, die über die Höhe der Vergütung auf Seiten der Gesellschaft entscheiden. Insofern verbleibt es bei den vorstehenden allgemeinen Grundsätzen zur Vergütung5. Der Streit entzündet sich an der Anwendbarkeit auf eine paritätisch mitbestimmte GmbH. Unterliegt eine GmbH der Mitbestimmung nach dem MitbestG, führt die Verweisung in § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG zu einer Anwendung wesentlicher aktienrechtlicher Vorschriften. Dort fehlt allerdings ein Verweis auf § 87 AktG. § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MitbestG nimmt lediglich auf § 116 AktG Bezug und damit auch auf § 116 Satz 3 AktG, der die Ersatzpflicht der Aufsichtsratsmitglieder bei Festsetzung einer unangemessenen Vergütung betrifft. Somit könnte man eventuell über diesen Umweg zu einer Anwendung von § 87 AktG auf die paritätisch mitbestimmte GmbH kommen. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber eine Ausdehnung des geänderten § 87 AktG auf die mitbestimmte GmbH ausdrücklich abgelehnt hat6. Eine Analogiebildung muss daher mangels Planwidrigkeit der Regelungslücke ausscheiden. Dem Gesetzgeber war die Problematik bekannt und er hat trotzdem bewusst von einer entsprechenden Regelung für die GmbH abgesehen7.
1 Vgl. Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 35 Rz. 183; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 693; dazu auch Wisskirchen/ Kuhn in: BeckOK GmbHG, § 6 Rz. 139. 2 BGH v. 21.7.2008 – II ZR 39/07, NZG 2008, 783 ff., 784. 3 Vgl. Wisskirchen/Kuhn in: BeckOK GmbHG, § 6 Rz. 109. 4 Vgl. ausführlich Greven, BB 2009, 2154 ff. 5 Vgl. näher dazu Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 ff.; Greven, BB 2009, 2154 ff. 6 BT-Drucks., 16/13433, 16; bestätigend Seibert, WM 2009, 1489 ff., 1490. 7 So auch Lunk/Stolz, NZA 2010, 121 ff., 126; ablehnend auch Greven, BB 2009, 2154 ff., 2158 f.; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 693.
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Teil 3 Rz. 93
Typische Vertragsklauseln
c) Anpassung des Gehalts in der Krise aa) Treuepflicht 93
Auch für die Vergütung des GmbH-Gesellschafters stellt sich die Frage, wann diese an eine wirtschaftlich schwierige Situation angepasst werden kann. Da bereits ausgeführt wurde, dass eine analoge Anwendung von § 87 Abs. 2 AktG auf die GmbH nicht in Betracht kommt, bleibt zu erörtern, inwiefern andere Anpassungsmöglichkeiten bestehen. Als gesichert kann angesehen werden, dass der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer ein Anspruch auf Zustimmung zur Herabsetzung der Vergütung in der Krise zusteht, sofern die Krisensituation der Festsetzung der Vergütung nicht bereits zu Grunde gelegen hat1. Der Anspruch besteht sowohl gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer als auch gegenüber dem Fremdgeschäftsführer. Ob man diesen Anspruch, wie der BGH vor Erlass des VorstAG, auf die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht2 oder der Rechtsprechung einiger Instanzgerichte3, ebenfalls zur früheren Rechtslage, folgend auf § 87 Abs. 2 AktG analog stützt, dürfte im praktischen Ergebnis kaum Auswirkungen haben. Zunächst wird von der überwiegenden Ansicht § 87 Abs. 2 AktG zur Konkretisierung der Treuepflicht herangezogen4. Die Tendenz zur Absenkung der Voraussetzungen einer Vergütungsanpassung wird sich insofern auch auf die Konkretisierung der Treuepflicht auswirken5. Zwar bedürfte bei einer analogen Anwendung von § 87 Abs. 2 AktG die Herabsetzung der Vergütung keiner Zustimmung des Geschäftsführers. Aber auch bei Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zur Begründung des Anspruchs, kommt man im Ergebnis mit Hilfe des Rechtsmissbrauchseinwandes über eine versagte Zustimmung hinweg. Ist der Geschäftsführer verpflichtet, der Herabsetzung seiner Bezüge zuzustimmen, ist die Geltendmachung der vollen Vergütung und die Verweigerung der Zustimmung zur Herabsetzung rechtsmissbräuchlich. Als problematisch stellt sich die Anwendbarkeit der Grundsätze des § 87 Abs. 2 AktG aber in Bezug auf Ruhegelder da (dazu unter Rz. 400 ff.).
bb) Anpassungsklauseln 94
Für die Praxis ist, nicht zuletzt auf Grund der unscharfen Kriterien des § 87 Abs. 2 AktG und der Unsicherheit über deren Anwendung auf den GmbH-Geschäftsführer, bedeutsam, wie weit der Anstellungsvertrag Konkretisierungen des Herabsetzungsrechts enthalten darf. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Herabsetzungsrechts des Aufsichtsrats nicht in Betracht kommt6. Für die Gesellschaft könnte aber insbesondere von Interesse sein, die rechtstechnische Ausgestaltung des Herabsetzungsanspruchs dadurch zu erleichtern, dass im Anstellungsvertrag ein einseitiges 1 OLG Naumburg v. 16.4.2004 – 5 U 12/03, GmbHR 2004, 423 ff., 424; Wisskirchen/Kuhn in: BeckOK GmbHG, § 6 Rz. 112; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rz. 86. 2 Vgl. BGH v. 15.6.1992 – II ZR 88/91, NJW 1992, 2894 ff. 3 Vgl. etwa OLG Köln v. 6.11.2007 – 18 U 131/07, NZG 2008, 637 f. 4 Vgl. nur Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG § 35 Rz. 183; Wisskirchen/ Kuhn in: BeckOK GmbHG, § 6 Rz. 112. 5 Vgl. Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 ff., 1124 f. 6 Vgl. Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 ff., 1125.
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Rz. 96 Teil 3
Vergütungsfragen
Gestaltungsrecht zu Gunsten der Gesellschaft vereinbart wird. Dies würde den doch recht komplizierten Umweg über die Treuepflicht und den Rechtsmissbrauchseinwand ersparen. Die Implementierung eines solchen Gestaltungsrechts nach dem Vorbild des § 87 Abs. 2 AktG wird im Geschäftsführerdienstvertrag für zulässig erachtet1. So kann etwa vertraglich festgelegt werden, dass in bestimmten zeitlichen Abständen eine Überprüfung und ggf. Neufestsetzung der Vergütung erfolgen soll2. Wobei die Neufestsetzung allerdings in den Grenzen billigen Ermessens (§ 315 BGB) zu erfolgen hat3. Ob sich eine solche vertragliche Regelung durchsetzen lassen wird, erscheint mehr als fraglich.
5. Besonderheiten für Arbeitnehmer-Führungskräfte Das VorstAG hat keine unmittelbaren oder mittelbaren Auswirkungen auf die Vergütung der Arbeitnehmer-Führungskräfte4. Die Vorschriften befassen sich nur mit der Vergütung des Vorstands. Auch eine analoge Anwendung scheidet aus5. Lediglich die Verlängerung der Frist zur Ausübung von Aktienoptionen gem. § 193 Abs. 2 Nr. 4 AktG kann Bedeutung erlangen.
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Die Wirtschaftskrise und insbesondere die Schieflage einiger Banken hat, neben dem VorstAG, auch zum Erlass des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes (FMStG) geführt. Unternehmen des Finanzsektors, die Leistungen nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz in Anspruch nehmen, sind zur Einhaltung bestimmter Auflagen verpflichtet. Eine nähere Ausgestaltung hinsichtlich der Vergütungssysteme in den betroffenen Unternehmen enthält § 5 Abs. 2 Nr. 3 der FMStFV. Danach soll Unternehmen, die Stabilisierungsleistungen i.S.v. § 7 FMStFG erhalten, aufgegeben werden, „ihre Vergütungssysteme und die Vergütungssysteme der von ihnen beherrschten Unternehmen auf ihre Anreizwirkung und die Angemessenheit zu überprüfen und darauf hinzuwirken, dass diese nicht zur Eingehung unangemessener Risiken verleiten sowie an langfristigen und nachhaltigen Zielen ausgerichtet und transparent sind.“ Unangemessene Vergütungssysteme sollen im Rahmen der zivilrechtlichen Möglichkeiten beendet werden. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich diese Beendigung allerdings als kompliziert da. Die Anforderungen an eine Änderungskündigung individualvertraglicher Vergütungsansprüche sind hoch6. Ist das Vergütungssystem dagegen in einer Betriebsvereinbarung geregelt, obliegt es den Betriebspartnern, durch eine einvernehmliche Neuregelung den Vorgaben im Rahmen der Stabilisierungsmaßnahmen gerecht zu werden.
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Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121 ff., 1125 f. Vgl. Lunk/Stolz, NZA 2010, 121 ff., 122. Lunk/Stolz, NZA 2010, 121 ff., 122. Vgl. ausführlich Krienke/Schnell, NZA 2010, 135 ff. Krienke/Schnell, NZA 2010, 135 ff., 137. Vgl. dazu Eisemann in: Küttner, Änderungskündigung, Rz. 23 ff.
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Teil 3 Rz. 97
Typische Vertragsklauseln
II. Steuerrecht 97
Die Darstellung orientiert sich am Geschäftsführer einer GmbH. Auf Vorstände einer AG, Genossenschaft etc. sowie auf leitende Angestellte wird eingegangen, soweit es Abweichungen von dem Geschäftsführer einer GmbH gibt.
1. Einkunftsarten a) Bedeutung der Unterscheidung 98
Die Tätigkeit des Geschäftsführers kann für Zwecke der Einkommensteuer unter unterschiedliche Einkunftsarten gefasst werden. Der Geschäftsführer kann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG, aus Gewerbebetrieb gem. § 15 EStG sowie aus selbständiger Arbeit gem. § 18 EStG erzielen. Leitende Angestellte, die nicht Organmitglieder sind, insbesondere Prokuristen, Handlungsbevollmächtigte, soweit sie Arbeitnehmerstatus haben, erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG und unterliegen dem Lohnsteuerabzug1.
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Die zutreffende Erfassung der Einkünfte hat erhebliche Bedeutung. Ist der Geschäftsführer Arbeitnehmer, erzielt er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, mit denen er dem Lohnsteuerabzug unterliegt. Handelt es sich um eine selbständige oder gewerbliche Tätigkeit, hat der Geschäftsführer Einkommenssteuervorauszahlungen gem. § 37 EStG zu leisten. Bei Einkünften aus Gewerbebetrieb besteht Gewerbesteuerpflicht, soweit der Freibetrag in Höhe von 24 500 Euro gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG überschritten ist.
100
Für die Umsatzsteuer ist es ebenfalls von Bedeutung, ob der Geschäftsführer Unternehmer ist. Haben die Beteiligten (Gesellschaft und Geschäftsführer) eine umsatzsteuerrechtliche Unternehmerstellung gem. § 2 UStG irrtümlich verneint, hat der Geschäftsführer Umsatzsteuer nachzuzahlen. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ist die Vergütung der GmbH. Die Begünstigung gem. § 20 UStG – Besteuerung nur nach den vereinnahmten Entgelten – kann der Geschäftsführer in Anspruch nehmen. Stellt der Geschäftsführer rückwirkend Rechnungen aus, kann die GmbH die darauf entrichtete Umsatzsteuer als Vorsteuer gem. § 15 UStG geltend machen2. Steht der Umsatzsteuerbescheid noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, erfolgt Anpassung gem. § 164 AO auf Antrag der GmbH. Ist der Umsatzsteuerbescheid schon bestandskräftig, kann die GmbH Änderung gem. § 173 AO begehren. Die Änderungsmöglichkeit wird davon abhängen, ob die GmbH unverschuldet davon ausgehen konnte, dass der Geschäftsführer nicht Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne war.
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Selbständigkeit nach UStG einerseits sowie Einkünfte aus selbständiger/gewerblicher Tätigkeit nach EStG3 anderseits werden nach einheitlichen Grund1 Küttner/Huber/Seidel, Personalbuch, 15. Aufl., „Leitende Angestellte“ Rz. 24. 2 Der Zeitpunkt für den Vorsteuerabzug – Zeitpunkt der Rechnungserstellung oder bei Korrektur Zeitpunkt/Zeitraum der Leistungserbringung (Geschäftsführertätigkeit) – ist nach EUGH v. 15.7.2010 – C-368/09 „Pannon Gép“, DStR 2010, 1475 wieder im Fluss; vgl. hierzu nur FG Rheinland-Pfalz v. 23.9.2010 – 6 K 2089/10, DStR 2010, 2131. 3 Dies gilt nicht für die Tätigkeit als Geschäftsführer einer Komplementär GmbH, wenn der Geschäftsführer auch zugleich Gesellschafter der KG ist, dazu unten Rz. 116.
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Rz. 104 Teil 3
Vergütungsfragen
sätzen beurteilt1. Eine Bindung besteht aber weder in die eine noch in die andere Richtung2.
b) Abgrenzung zwischen selbständiger (gewerblicher) und nichtselbständiger Arbeit aa) Ertragsteuern Die Abgrenzung zwischen selbständiger bzw. gewerblicher Tätigkeit einerseits und nichtselbständiger Tätigkeit andererseits richtet sich nach dem Gesamtbild der vertraglichen Verhältnisse zwischen der Führungskraft und der Gesellschaft. Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitnehmer, Prokurist, leitender Angestellter, Geschäftsführer etc. ist irrelevant. Die arbeitsrechtlichen bzw. sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungskriterien sind ein Indiz, für die steuerliche Qualifikation, aber nicht bindend3. Im Regelfall ist der Geschäftsführer einer GmbH, der Vorstand einer Aktiengesellschaft und (erst Recht) ein Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter Arbeitnehmer und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
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Eine Arbeitnehmerdefinition enthält das EStG nicht. Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Einnahmen und sonstige Bezüge, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Eine nähere Definition von Arbeitnehmer, Arbeitgeber, bzw. Lohn enthält nur die Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV). Die Definitionen in der LStDV werden von Rechtsprechung und Finanzverwaltung übernommen4. Eine Arbeitnehmerstellung liegt gem. § 1 Abs. 2 Satz 3 LStDV vor, wenn der Arbeitnehmer in der Betätigung des geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht und im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
103
Maßgeblich sind die Eingliederung des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers sowie die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Eingliederung des Arbeitnehmers im Betrieb des Arbeitgebers und Weisungsabhängigkeit sind offene Typusbegriffe, die nur durch eine größere und unbestimmte Zahl von Merkmalen beschrieben werden könne. Ob eine Tätigkeit diesen Voraussetzungen entspricht, ist jeweils im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Dabei sind die für und gegen ein Dienstverhältnis sprechende Merkmale im konkreten Einzelfall jeweils zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Rechtsprechung und Finanzverwaltung haben folgende Prüfungsmerkmale entwickelt5:
104
1 BFH v. 10.3.2005 – V R 29/03, BStBl. 2005 II, 730. 2 BFH v. 10.3.2005 – V R 29/03, BStBl. 2005 II, 730. 3 BFH v. 14.6.1985 – VIII R 150 – 152/1982, BStBl. 1985 II, 661; v. 18.1.1991 – VI R 122/87, BStBl. 1991 II, 409; H 19.0 LStR 2011. 4 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH v. 2.12.1998 – X R 83/1996, BB 1999, 889 = NJW 1999, 2616. 5 BFH v. 14.6.1985 – VI R 150 – 152/1982, BStBl. 1985 II, 661; aus neuerer Zeit BFH v. 23.4.2009 – VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311 = GmbHR 2009, 833; v. 20.10.2010 – VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585 = GmbHR 2011, 313 mit Anm. Seer, siehe auch Seer, GmbHR 2011, 225; H 19.0 LStR 2011.
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Teil 3 Rz. 105
Typische Vertragsklauseln
– persönliche Abhängigkeit; – Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit; – feste Arbeitszeiten; – Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort; – feste Bezüge; – Urlaubsanspruch; – Anspruch auf sonstige Sozialleistungen; – Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall; – Überstundenvergütung; – zeitlicher Umfang der Dienstleistungen; – Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit; – kein Unternehmerrisiko; – keine Unternehmerinitiative; – kein Kapitaleinsatz; – keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln; – Notwendigkeit der ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern; – Eingliederung in den Betrieb; – Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges. 105
Das ebenfalls anerkannte Kriterium einer einfachen Tätigkeit, bei der eine Weigerungsabhängigkeit die Regel sein soll, ist für Führungskräfte irrelevant.
106
Es ist in der Praxis die Ausnahme, dass Geschäftsführungsorgane Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit erzielen. Im Regelfall liegen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor. Häufig scheitert die Selbständigkeit schon daran, dass der Geschäftsführer auch im persönlichen Interesse das Vergütungsrisiko nicht trägt und ausschließlich für die GmbH tätig ist1.
bb) Umsatzsteuer 107
Für Zwecke der Umsatzsteuer setzt die Rechtsprechung etwas abweichende Schwerpunkte. Danach kommt es bei der Gesamtwürdigung nicht mehr entscheidend darauf an, ob das Leitungsorgan Zeit, Umfang und Ort der Tätigkeit 1 Ein Ausnahmefall stellt insoweit BFH v. 20.10.2010 – VIII R 34/08, BFH/NV 2011, 585 = GmbHR 2011, 313, dar; in dieser Entscheidung betont der VIII. Senat die Bedeutung einer hälftigen oder Mehrheitsbeteiligung für die Qualifikation der Einkünfte. Die Beteiligung des Geschäftsführers ist allerdings weiterhin nur ein Indiz neben anderen. Aus der Entscheidung kann nicht abgeleitet werden, dass nunmehr jeder MehrheitsGesellschafter-Geschäftsführer (oder Allein-Gesellschafter-Geschäftsführer) Einkünfte aus selbständiger/gewerblicher Arbeit erzielt.
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Rz. 111 Teil 3
Vergütungsfragen
nach eigenem Ermessen bestimmen kann. Maßgeblich ist vielmehr die inhaltliche Weisungsgebundenheit bzw. Weisungsfreiheit. Mitglieder des Aufsichtsrates einer Aktiengesellschaft wurden für Umsatzsteuerzwecke immer als selbständig angesehen, da sie keinen Weisungen anderer Organe der AG unterliegen1; Gleiches gilt für Mitglieder des Beirats einer KG2 sowie Mitglieder einer an Anweisungen nicht gebundenen Kommission3. Bei anderen Gesellschaftsformen, insbesondere bei der GmbH, hat der BFH über Jahre eine gesetzliche Weisungsbefugnis der Gesellschafter angenommen, die eine umsatzsteuerrechtliche Selbständigkeit ausschließe. Diese Rechtsprechung hat der BFH zunächst für Personengesellschaften4, später auch für die GmbH sowie den Verein aufgegeben5.
108
Die Weisungsgebundenheit eines GmbH-Geschäftführers steht inzwischen einer Qualifikation der Tätigkeit als selbständig gem. § 2 UStG nicht mehr entgegen. Maßgebliche Kriterien für Selbständigkeit sind nunmehr das Vergütungsrisiko für Ausfallzeiten (insbesondere für Krankheit, Urlaub oder andere Arbeitsunterbrechungen) sowie freie Bestimmung der Tätigkeit nach Zeit, Umfang und Ort. Trägt die Führungskraft ihr Vergütungsrisiko in Ausfallzeiten selbst und kann der Geschäftsführer nach dem Anstellungsvertrag gegenüber der Gesellschaft ihre Tätigkeit nach Zeit, Umfang und Ort weitgehend selbst bestimmen, spricht dies trotz der Weisungsabhängigkeit gegenüber den Gesellschaftern einer GmbH für Selbständigkeit im umsatzsteuerrechtlichen Sinne. Für einen Vorstand einer AG wird vergleichbares gelten.
109
Umgekehrt gilt: Trägt der Geschäftsführer kein Vergütungsrisiko für Ausfallzeiten, wird insbesondere im Krankheits- wie Urlaubsfall die Vergütung weitergezahlt, und ist der Geschäftsführer nach dem Anstellungsvertrag verpflichtet, seine ganze Arbeitskraft gegenüber der Gesellschaft zu erbringen sowie regelmäßige Präsenz in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zu zeigen, spricht dies für eine abhängige Beschäftigung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne.
110
Trotz der Rechtsprechungsänderung, nach der die Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers einer GmbH nicht per se einer Selbständigkeit entgegensteht, sind Geschäftsführer einer GmbH, ebenso wie Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft im Regelfall Arbeitnehmer und im umsatzsteuerrechtlichen Sinne nicht selbständig. Es stellt in der Praxis einen Ausnahmefall dar, dass der Geschäftsführer einer GmbH (oder Vorstand einer Aktiengesellschaft) das Vergütungsrisiko für seine Tätigkeit trägt oder auch seine Tätigkeit nach Zeit, Ort und Umfang frei bestimmen kann. Im Regelfall steht dem schon das Sicherungsinteresse des Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitglieds selbst entgegen, der gerade das Vergütungsrisiko nicht tragen möchte.
111
1 BFH v. 27.7.1972 – V R 136/71, BStBl. 1972 II, 810; BFH v. 2.10.1996 – V R 68/78, BStBl. 1987 II, 42. 2 BFH v. 24.8.1994 – XI R 74/93, BStBl. 1995 II, 150. 3 BFH v. 29.6.2000 – V R 28/99, BStBl. 2000 II, 597. 4 BFH v. 6.6.2002 – V R 43/01, BStBl. 2003 II, 36. 5 BFH v. 10.3.2005 – V R 29/2003, BStBl. 2005 II, 730 – Geschäftsführer einer GmbH; v. 14.5.2008 – XI R 70/07, BStBl. 2008 II, 912 – Vorstand eines Vereins.
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Teil 3 Rz. 112
Typische Vertragsklauseln
2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb/selbständige Arbeit 112
Handelt der Geschäftsführer eigengewerblich oder selbständig, wird der Gewinn aus dieser Tätigkeit besteuert.
113
Die Gewinnermittlung erfolgt bei Gewerbetreibenden gemäß §§ 4, 5 EStG durch Betriebsvermögensvergleich unter Beachtung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes, wenn eine gesetzliche Verpflichtung besteht, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen oder eine solche Verpflichtung freiwillig übernommen wird. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Führung von Büchern sowie zu regelmäßigen Abschlüssen besteht gemäß § 242 HGB für ein kaufmännisches Handelsgewerbe sowie gemäß § 141 AO bei Umsätzen von mehr als 500 000 Euro im Kalenderjahr bzw. einem Gewinn von mehr als 50 000 Euro im Wirtschaftsjahr.
114
Besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Führung von Büchern bzw. zu regelmäßigen Abschlüssen, kann der eigengewerblich tätige Geschäftsführer seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung ermitteln. Die Qualifikation der Vergütung als Betriebseinnahmen dieses Betriebes (und nicht als Betriebseinnahmen eines anderen Betriebes bzw. einer anderen Tätigkeit) richtet sich nach dem Veranlassungsprinzip.
115
Gewerbetreibende unterliegen der Gewerbesteuerpflicht, wenn der Freibetrag von 24 500 Euro gemäß § 11 GewStG überschritten ist. Die Gewerbesteuer kann gemäß § 4 Abs. 5b EStG nicht mehr als Betriebsausgabe abgezogen werden; sie wird aber gemäß § 35 EStG auf die Einkommensteuer angerechnet.
116
Einkünfte aus Gewerbebetrieb liegen bei der Tätigkeit eines Geschäftsführers einer GmbH & Co. KG vor, wenn der Geschäftsführer der GmbH zugleich Mitunternehmer ist. Die Bezüge (Arbeitslohn, Boni, Gratifikationen und sonstige Leistungen aus dem Anstellungsvertrag zur GmbH) sind dem Gewinnanteil des Geschäftsführers in seiner Eigenschaft als Mitunternehmer der KG zuzurechnen1. Ein Lohnsteuerabzug erfolgt nicht. Handelt es sich dagegen um einen Fremdgeschäftsführer, ist der Geschäftsführer also nicht zugleich Mitunternehmer, richtet sich die Qualifikation der Einkünfte nach den allgemeinen Grundsätzen. Der Fremdgeschäftsführer kann Einkünfte aus seinem eigenen Gewerbebetrieb erzielen, aus selbständiger Tätigkeit oder – der praktische Regelfall – als Arbeitnehmer.
117
Bei selbständiger Tätigkeit eines Geschäftsführers nach § 18 EStG wird der Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt; eine Gewerbesteuerpflicht besteht nicht. Die Qualifikation der Vergütung als Betriebseinnahme dieser selbständigen Tätigkeit richtet sich ebenso wie bei gewerblichen Einkünften nach dem Veranlassungsprinzip.
118
Die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft ist konsequenterweise Betriebsvermögen des gewerblichen oder selbständigen Betriebes2. Der Geschäftsführer erzielt bei den Ausschüttungen der Kapitalgesellschaft dann auch keine Ein1 BFH v. 14.12.1978 – IV R 98/74, BStBl. 1979 II, 284. 2 Seer, GmbHR 2011, 225 und 316.
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Rz. 122 Teil 3
Vergütungsfragen
künfte aus Kapitalvermögen mehr (mit KESt), sondern Gewinneinkünfte, die gemäß § 3 Nr. 40 EStG zu 40 % steuerfrei sind (allerdings auch mit der Beschränkung der Betriebsausgaben u.a. gem. § 3c Abs. 2 EStG). Der Geschäftsführer ist bei Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. aus selbständiger Arbeit zu Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 37 EStG verpflichtet, jeweils am 10. März, 10. Juni, 10. September sowie 10. Dezember, eines jeden Jahres.
119
3. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit a) Grundvergütung Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantieme und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Es ist nach § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG unerheblich, ob ein Rechtsanspruch auf die Vergütung besteht. Zum Lohn gehören alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zuverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen1. Die Leistung des Arbeitgebers muss durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sein. Dieser Veranlassungszusammenhang besteht, wenn die Einnahmen dem Empfänger nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag seiner Arbeit darstellen.
120
Die Vergütung fließt dem Geschäftsführer nach allgemeinen Grundsätzen in dem Zeitpunkt zu, in dem er über die Vergütung verfügen kann, demnach regelmäßig im Zeitpunkt der Barauszahlung bzw. der Gutschreibung auf einem Konto des Empfängers bei seinem Kreditinstitut2. Bei einem beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer nimmt die Rechtsprechung darüber hinaus einen Zufluss an, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer im Zeitpunkt der Fälligkeit über die Vergütung verfügen kann, unabhängig davon, ob ihm tatsächlich Liquidität zugeflossen ist3. Zu den steuerlichen Einkünften des Geschäftsführers aus nichtselbständiger Arbeit gehören daher alle Geld- oder Sachleistungen, die die GmbH dem Geschäftsführer aus Rücksicht auf das Dienstverhältnis gewährt.
121
Es ist unerheblich, ob es sich um feste oder variable Bezüge handelt, einmalige oder regelmäßige Zahlungen. Typische Sachleistungen, die zu steuerpflichtigen Einnahmen führen, sind die von der GmbH übernommenen festen und laufenden Kosten für einen Telefonanschluss in der Privatwohnung des Geschäfts-
122
1 St. Rechtsprechung, vgl. nur BFH v. 19.6.2008 – VI R 4/05, BStBl. 2008 II, 2280 = BB 2008, 2280; H 19.3 LStR 2011. 2 Zuletzt BFH v. 3.2.2011 – VI R 4/10, BFH/NV 2011, 904 m.w.N. aus der Rspr. 3 Zuletzt BFH v. 3.2.2011 – VI R 4/10, BFH/NV 2011, 904 m.w.N. aus der Rspr. In dieser Entscheidung weist der BFH zudem darauf hin, dass eine verdeckte Einlage vorliegen könnte, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer auf eine bei der Gesellschaft passivierte Verbindlichkeit verzichtet. In der konkreten Entscheidung lehnte der BFH dies ab, da die GmbH das Weihnachtsgeld nicht passiviert hat.
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Teil 3 Rz. 123
Typische Vertragsklauseln
führers oder für ein privates Mobiltelefon des Geschäftführers, soweit dies auch betrieblich genutzt wird. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Telefonkosten zu den Reisennebenkosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung gehören1. Die Abgrenzungsschwierigkeiten sollten vermieden werden. Es empfiehlt sich daher, dass dem Geschäftsführer ein betriebliches Mobiltelefon zur Verfügung gestellt wird, das dieser auch privat nutzen kann; die Vorteile der privaten Nutzung von Telekommunikationsgeräten sind gemäß § 3 Nr. 45 EStG steuerfrei. 123
Steuerpflichtiger Arbeitslohn sind auch Leistungen Dritter, wenn sich aus Sicht des Arbeitnehmers die Leistung des Dritten als Frucht seiner Arbeit darstellt und die Leistung im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht2.
124
Abzugrenzen sind die steuerpflichtigen Einnahmen des Geschäftsführers von Leistungen der GmbH, die im überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse der GmbH geleistet werden sowie von Leistungen der GmbH, die aufgrund eines anderen Rechtsgrundes als das Dienstverhältnis erfolgen.
125
Ein eigenbetriebliches Interesse der GmbH liegt vor, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils, ergibt, dass die Leistung im Interesse der GmbH erfolgt und ein eigenes Interesse des Geschäftsführers unerheblich ist 3.
126
Im eigenbetrieblichen Interesse der GmbH können Jubiläumsfeiern des Geschäftsführers sein, soweit die Aufwendungen für jede teilnehmende Person 110 Euro nicht überschreiten4. In Lohnsteueraußenprüfungen gehen die Betriebsprüfer anlässlich solcher Jubiläen regelmäßig jede einzelne Rechnung durch, um den geldwerten Vorteil für jeden Teilnehmer der Veranstaltung zu ermitteln. Typische Schwierigkeiten liegen dann zumeist darin, dass häufig für mehr Personen geplant wurde als tatsächlich teilgenommen haben. Bei Jubiläen des Geschäftsführers sollte daher genau dokumentiert werden, wer eingeladen wurde, wer tatsächlich zugesagt hat und wer am Ende zu der Veranstaltung gekommen ist. Nur so kann bei Betriebsprüfungen plausibel gemacht werden, dass die anteiligen Kosten auf das mit solchen Jubiläen unvermeintliche Planungsrisiko zurückzuführen sind.
127
Ein anderes Rechtsverhältnis als das Dienstverhältnis ist insbesondere ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber; Zahlungen zum Ausgleich von Schadensersatzansprüchen sind kein Arbeitslohn, sondern steuerlich irrelevante Leistungen im Privatbereich5. 1 H 19.3 LStR 2011. 2 BFH v. 5.7.1996 – VI R 10/96, BStBl. 1996 II, 545 = BB 1996, 1920 – Auslandsreise auf Kosten eines Kunden; v. 19.8.2004 – VI R 33/97, BStBl. 2004 II, 1076 = BB 2004, 2342 – Überlassung von Wohnraum; v. 19.6.2008 – VI R 4/05, BStBl. 2008 II, 2280 = BB 2008, 2280 – Verzicht auf Andienungsrecht von Aktien nach einem Börsengang. 3 BFH v. 7.7.2004 – VI R 29/00, BStBl. 2005 II, 376 = BB 2005, 1203 – Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbotes eines Paketzustelldienstes. 4 H 19.3, R 19.5 LStR 2011. 5 BFH v. 3.5.2007 – VI R 36/05; BStBl. 2007 II, 647 = BB 2007, 1825.
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Rz. 131 Teil 3
Vergütungsfragen
Zu den Vorteilen des steuerlichen Arbeitnehmerstatutes des Geschäftsführers gehört es, dass bestimmte Leistungen der GmbH steuerfrei sind, die bei anderen Einkunftsarten steuerpflichtig wären. Hierzu gehören:
128
– Aufwandsentschädigungen zur Erstattung von Reisekosten, Umzugskosten oder Mehraufwendungen bei doppelter Haushaltsführung, soweit die gesetzlich vorgesehenen Pauschbeträge für Werbungskosten nicht überschritten sind (§ 3 Nr. 16 EStG); – die Überlassung typischer Berufskleidung der GmbH an den Geschäftsführer; hierunter zählt auch die bürgerliche Kleidung, wenn das eigenbetriebliche Interesse der GmbH im Vordergrund steht bzw. kein geldwerter Vorteil des Arbeitnehmers anzunehmen ist (§ 3 Nr. 31 EStG sowie H 19.3 LStR); bei Gesellschafter-Geschäftsführern nimmt die Finanzverwaltung in der Regel aber eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Bei Fremdgeschäftsführern ist die Finanzverwaltung entgegenkommender; – Leistungen der GmbH zur Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern des Geschäftsführers (§ 3 Nr. 33 EStG); – die private Nutzung von betrieblichen Personalcomputern und Telekommunikationsprämien (§ 3 Nr. 45 EStG); – durchlaufende Gelder und Auslagenersatz (§ 3 Nr. 50 EStG); – bestimmte Zukunftssicherungsleistungen für die Altersvorsorge des Geschäftsführers (§ 3 Nr. 56 bzw. 63 EStG). Die ebenfalls steuerfreien Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 3b EStG werden von der Finanzverwaltung allenfalls bei Fremd-Geschäftsführern anerkannt, bei denen ein Näheverhältnis zu den Gesellschaftern nahezu ausgeschlossen ist. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern geht die Finanzverwaltung bei solchen Zuschlägen von verdeckten Gewinnausschüttungen aus, so dass die vom Gesetzgeber vorgegebene Steuerfreiheit ins Leere geht.
129
Der Arbeitslohn unterliegt dem Lohnsteuerabzug. Die GmbH behält die Lohnsteuer vom Gehalt des Geschäftsführers ein und führt diese an das Finanzamt ab. Der Geschäftsführer kann gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG die einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer der GmbH auf seine Einkommensteuerschuld verrechnen.
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Auch bei Geschäftsführern besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Leistungen der GmbH pauschal besteuert werden. Mit einem Pauschsteuersatz von 25 % können gemäß § 40 Abs. 2 EStG folgende Aufwendungen pauschal besteuert werden:
131
– unentgeltliche oder verbilligte Mahlzeiten; – Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen, wenn dieser nicht insgesamt schon steuerfrei ist; – Vergütungen für Verpflegungsmehraufwendungen unter den weiteren Voraussetzungen, dass der Geschäftsführer nur vorübergehend von seiner Wohnung und dem Geschäftssitz betrieblich tätig ist und die VerpflegungsmehrMenkel
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Teil 3 Rz. 132
Typische Vertragsklauseln
aufwendungen die Pauschbeträge gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht um mehr als 100 % überschreitet (8 bis 14 Stunden = 6 Euro; 14 bis 24 Stunden = 12 Euro; 24 und mehr Stunden = 24 Euro); – unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Personalcomputern. 132
Mit einem Pauschsteuersatz von 15 % werden Sachbezüge zur unentgeltlichen oder verbilligten Beförderung sowie Zuschüsse zu Fahrtkosten besteuert.
133
Ebenfalls pauschal mit 20 % besteuert werden gemäß § 40b EStG Beiträge zu Direktversicherungen sowie Pensionskassen und einer Unfallversicherung, soweit bestimmte Grenzen nicht überschritten werden (Rz. 439 ff.).
b) Variable Gehaltsbestandteile 134
Variable Gehaltsbestandteile sind bei Führungskräften üblich. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern überwiegt in der Praxis die Tantieme; bei Vorständen einer Aktiengesellschaft sowie Geschäftsführern und sonstigen Führungskräften von konzernangehörigen Gesellschaften sind neben Tantiemen Aktienoptionspläne (Stock Options) verbreitet. Die Tantieme ist unter steuerlichen Gesichtspunkten in erster Linie bei Gesellschafter-Geschäftsführern interessant, da sie aus Sicht der Finanzverwaltung häufig Gegenstand verdeckter Gewinnausschüttungen sind (dazu Rz. 179 ff.). Bei abhängig beschäftigten Führungskräften, insbesondere Vorständen einer AG oder Geschäftsführern konzernangehöriger Gesellschaften, sind Tantiemen Bestandteile der Vergütung gemäß § 19 EStG, die dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Besonderheiten im Vergleich zur festen Vergütung bestehen nicht. Es gilt das Zuflussprinzip. Bei Auszahlung der Tantieme wird Lohnsteuer – als sonstiger Bezug gemäß § 39b Abs. 3 EStG – einbehalten und abgeführt; die Lohnsteuer wird auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.
135
Besonderheiten bestehen demgegenüber bei Aktienoptionsplänen (im Folgenden die gebräuchlichere Bezeichnung Stock Options). Sämtliche Einzelheiten von Stock Options lassen sich in diesem Handbuch nicht darstellen. Es muss insoweit auf weiterführende Literatur verwiesen werden1.
136
Die nachfolgende Darstellung geht zunächst vom reinen Inlandssachverhalt aus; auf Auslandssachverhalte wird nur kurz eingegangen. Die besondere Problematik von Abfindungen und Stock Options wird an anderer Stelle behandelt (Teil 4 Rz. 336 ff.).
aa) Inlandssachverhalt 137
Die steuerliche Problematik von Stock Options lag bis zur Einführung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz vom 14. August 20072 in der Qualifikation der Einkunftsart sowie der Bestimmung 1 Umfassende Darstellung immer noch bei Kessler/Sauter, Handbuch Stock Options, München 2003 – in wesentlichen Teilen im Steuerrecht inzwischen überholt. 2 BGBl. 2007 I, 1912.
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Rz. 138 Teil 3
Vergütungsfragen
des Zuflusszeitpunkts. Stock Options konnten unter zwei Einkunftsarten subsumiert werden: Als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG sowie als sonstigen Einkünfte aufgrund von Veräußerungen gemäß §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der Vergütungsanreiz der Stock Options besteht darin, dass der tatsächliche Börsenkurs der Aktien höher ist als der in den Stock Options-Plänen ausgewiesene Basiswert. Die Führungskraft erhält die Möglichkeit eine (zum Teil erhebliche) Anzahl von Aktien zu vorher festgelegten Preisen zu erwerben, die umgehend am Markt verkauft werden können. Die Differenz zwischen dem Verkaufspreis sowie dem Basispreis ist der „Gewinn“ der Führungskraft. Aufgrund dieser Ausgestaltung lag es nahe, Stock Options als private Veräußerungsgeschäfte gemäß § 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren, die bis zum Unternehmensteuerreformgesetz vom 14. August 2007 steuerfrei waren, wenn zwischen der Anschaffung und Veräußerung mehr als ein Jahr lagen. Nachdem der Gesetzgeber durch das Unternehmersteuerreformgesetz vom 14. August 2007 die Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen aus der Veräußerung von Anteilen an einer Körperschaft in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG einführte, haben die Auseinandersetzungen über die Qualifikation der Einkünfte (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder – aus Sicht der Führungskraft – wünschenswerte steuerfreie Veräußerungsgewinne) an Bedeutung verloren. Die Unterscheidung bleibt aber für den Arbeitgeber weiterhin relevant, da er bei einer Qualifikation der Einnahmen als Arbeitslohn einen Lohnsteuerabzug vornehmen muss. Rechtsprechung und Finanzverwaltung gingen frühzeitig davon aus, dass es sich bei Stock Options typischerweise um Elemente der Vergütung handelt, die den Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG unterliegen1. Seitdem unterscheidet die Rechtsprechung zwischen Arbeitslohn einerseits sowie anderen Einkunftsarten danach, ob es sich bei den Einnahmen um ein Entgelt „für“ eine Leistung handelt, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung ist, dass die Zuwendung des Arbeitgebers oder eines Dritten sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Kein Arbeitslohn liegt demgegenüber vor, wenn die Zuwendung aufgrund eines anderen Rechtsverhältnisses oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird2. Danach hat die Rechtsprechung bisher folgende Gestaltungen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugeordnet: – Stock Options, die der Führungskraft m Rahmen seines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses ein nicht handelbares Optionsrecht auf den späteren Erwerb von Aktien zu einem bestimmten Übernahmepreis gewährt3; 1 BFH v. 10.3.1972 – VI R 278/68, BStBl. 1972 II, 596. 2 Ständige Rechtsprechung, vgl. jüngst BFH v. 17.6.2009 – VI R 96/06, BStBl. 2010 II, 69; BFH v. 20.5.2010 – VI R 12/08, BStBl. 2010 II, 1069 mit jeweils umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 3 BFH v. 10.3.1972 – VI R 278/68, BStBl. 1972 II, 596; aus jüngerer Zeit BFH v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl. 2001 II, 509; v. 24.1.2001 – I R 119/98, BStBl. 2001 II, 512.
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Teil 3 Rz. 139
Typische Vertragsklauseln
– Wandlungsdarlehen, das mit einem Wandlungsrecht zum Bezug von Aktien ausgestattet ist; ansonsten Ausgestaltung wie die „klassischen“ Stock Options1; – Unternehmensbeteiligungen mit dem nur ein kleiner Kreis leitender Führungskräfte eine wertmäßige Beteiligung an der Ertragskraft bestimmter Teilbetriebe des Unternehmens – in der Entscheidung Profit Center – nach einem vorgegebenen Berechnungsmodell erhalten2; 139
Demgegenüber hat der BFH ein sog. „EVA-Zertifikat“ (Economic Value Added) nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gezählt, sondern als Veräußerungsgewinn aus einer Kapitalbeteiligung qualifiziert3. In dieser Entscheidung erwarb ein Vorstandsmitglied einer Konzerntochter EVA-Zertifikate zu Anschaffungskosten in Höhe von 100 000 DM. Die Mindesthaltefrist betrug fünf Jahre; die maximale Haltefrist zehn Jahre. Der Rückgabewert nach frühestens fünf Jahren richtete sich nach der Marktentwicklung des Unternehmens und der Berücksichtigung des Economic Value Added zuzüglich einer Risikoprämie in bestimmter Höhe auf Grundlage des im jeweiligen Geschäftsjahr erzielten Ergebnisses nach Steuern vor den Kosten des Eigen- und Fremdkapitals. Der BFH sah entgegen der Vorinstanz keinen ausreichenden Bezug zu der Vorstandstätigkeit, sondern nahm eine eigene Sonderrechtsbeziehung zwischen dem Vorstandsmitglied und der begebenden Kapitalgesellschaft an. Der wesentliche Unterschied zu Stock Options bestand in dieser Entscheidung offenbar darin, dass das Finanzgericht keine ausreichenden Feststellungen zu einem „Anreizlohn“ dieser EVA-Zertifikate getroffen hat und zudem mit der Ausgestaltung der Zertifikate nicht nur eine Gewinnchance, sondern auch ein Verlustrisiko verbunden war.
140
Keine Abgrenzungsschwierigkeiten gibt es bei Phantom Stocks. Da bei Phantom Stocks nur schuldrechtlich ein Aktienerwerb sowie Verkauf simuliert werden, handelt es sich immer um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mangels Begebung tatsächlicher Aktien können Veräußerungsgeschäfte nicht angenommen werden.
141
Die Vergütung fließt der Führungskraft nach inzwischen ständiger Rechtsprechung seit BFH vom 24. Januar 2001 zu dem Zeitpunkt zu, in dem er das Optionsgeschäft einlöst, demnach zu dem Zeitpunkt, in dem die Aktien in ein Depot der Führungskraft gebucht wird oder die depotführende Bank die jeweiligen Aktien für die Führungskraft besitzt4. Dieses Zuflussprinzip gilt unabhängig davon, ob es sich um nicht handelbare oder auch handelbare Aktienoptionen handelt5. Bei Wandlungsdarlehen erfolgt der Zufluss ebenfalls erst mit dem Bezug von Aktien, entweder durch Einbuchung oder durch Vermittlung eines Be1 BFH v. 23.6.2005 – VI R 10/03, BStBl. 2005 II, 770; v. 20.5.2010 – VI R 12/08, BStBl. 2010 II, 1069. 2 Finanzgericht Berlin-Brandenburg v. 29.8.2007 – 1 K 3459/03 b. 3 BFH v. 17.6.2009 – VI R 69/06, BStBl. 2010 II, 69. 4 Grundlegende Entscheidungen BFH v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl. 2001 II, 509 sowie I R 119/98, BStBl. 2001 II, 512; seitdem ständige Rechtsprechung. 5 Zu handelbaren Optionsrechten: BFH v. 20.11.2008 – VI R 25/05, BStBl. 2009 II, 382.
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Rz. 145 Teil 3
Vergütungsfragen
sitzkonstitutes der depotführenden Bank1. Gleiches gilt, wenn die Führungskraft mit Zustimmung der begebenden Gesellschaft das Darlehen mit Wandlungsrecht an einen Dritten veräußert2. Für Wandelschuldverschreibungen gemäß § 221 AktG wird nichts anderes gelten können. Der Zufluss erfolgt mit Ausübung des Wandlungsrechtes. Eine Sondersituation gilt für die sog. Exercise and Sell Variante. Bei der Exercise and Sell Variante erfolgt der Verkauf unmittelbar mit der Ausübung des Optionsrechts ohne Einbuchung oder Besitzkonstitut. Der Zufluss fällt mit der Ausübung der Aktienoption zusammen3. Verluste der Führungskraft im Zusammenhang mit Aktienoptionen sind Werbungskosten. Verluste können entstehen, wenn die Führungskraft aufgrund des Börsenkurses die Option verfallen lässt, aber schon bei Begebung des Optionsplans eine Leistung erbracht hat, die sich im Nachhinein als wertlos herausstellte4; dies ist ein erheblicher Vorteil gegenüber sonstigen Optionsgeschäften, bei denen Verluste üblicherweise nicht anerkannt werden5.
142
Aufgrund der Nähe der Stock Options zu Veräußerungsgeschäften werden Aufwendungen der Führungskraft unabhängig von dem Zahlungszeitpunkt (und damit entgegen § 11 EStG) als „Anschaffungskosten“ der Aktien qualifiziert6.
143
Die Ausübungen von Stock Options sind außerordentliche Einkünfte wegen Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG7. Voraussetzung ist, dass die Optionen erst nach Ablauf mindestens eines Jahres ausgeübt werden können und die Führungskraft mehr als ein Jahr noch bei dem Arbeitgeber beschäftigt war. Dagegen spielt es keine Rolle, wenn die Option erst nach Ausscheiden ausgeübt wird. Relevant ist lediglich, dass die Führungskraft erst nach Ablauf eines Jahres die Option ausüben konnte und mindestens noch ein Jahr beschäftigt war8.
144
Beim Lohnsteuerabzug ist zu unterscheiden. Gewährt der Arbeitgeber Aktienoptionen an seiner Gesellschaft, liegt bei Ausübung der Option Arbeitslohn durch diesen Arbeitgeber vor. Der Arbeitgeber hat daher auch den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Problematisch sind die (in der Praxis vermutlich häufigeren Fällen), dass Aktienoptionen von anderen Konzerngesellschaften bzw. der Konzernmutter begeben werden. Wird die Aktienoption von einer anderen Konzerngesellschaft oder der Konzernmutter begeben, konnte sich bis zum 31. Dezember 2003 eine Einbehaltungs- und Abzugspflicht des Arbeitgebers nur ergeben, wenn die Begebung der Aktien dieser dritten Gesellschaft als „unechte
145
1 Grundlegend BFH v. 23.6.2005 – VI R 10/03, BStBl. 2005 II, 770; v. 20.5.2010 – VI R 12/08, BFH/NV 2010, 2164. 2 Grundlegend BFH v. 23.6.2005 – VI R 10/03, BStBl. 2005 II, 770; v. 20.5.2010 – VI R 12/08, BFH/NV 2010, 2164. 3 LfSt Bayern v. 8.5.2009 – S 2347.1.1-4/1St33 mit Bezug auf OFD München, Verfügung v. 20.4.2005 – S 2347-7St41, FR 2005, 663. 4 BFH v. 3.5.2007 – VI R 36/05, BStBl. 2007 II, 647. 5 BFH v. 19.12.2007 – IX R 11/06, BStBl. 2008 II, 519. 6 BFH v. 3.5.2007 – VI R 36/05, BStBl. 2007 II, 647. 7 BFH v. 19.12.2006 – VI R 136/01, BStBl. 2007 II, 456; v. 18.12.2007 – VI R 62/05, BStBl. 2008 II, 294; v. 10.7.2008 – VI R 70/06, BFH/NV 2008, 1828. 8 BFH v. 10.7.2008 – VI R 70/06, BFH/NV 2008, 1828.
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Teil 3 Rz. 146
Typische Vertragsklauseln
Lohnzahlung durch Dritte“ gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG qualifiziert wurde1. Bei Aktienoptionen durch die Konzernmutter ging die Rechtsprechung für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2003 davon aus, dass ein Lohnsteuerabzug des von der Konzernmutter verschiedenen Arbeitgebers nicht besteht2. Für nach dem 31. Dezember 2003 endende Lohnzahlungszeiträume gilt inzwischen die Neuregelung in § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG. Danach unterliegt auch „der im Rahmen des Dienstverhältnisses von einem Dritten gewährte Arbeitslohn“ dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber, „wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden“. Eine wiederlegbare Vermutung stellt das Gesetz bei Konzernsachverhalten auf, wenn der Dritte und der Arbeitgeber verbundene Unternehmen i.S.d. § 15 AktG sind. 146
Im Schrifttum wird bei Optionsprogrammen ein „kennen müssen“ verneint, wenn der Arbeitgeber erst durch Nachfragen bei der Konzernmutter oder beim Arbeitnehmer selbst von solchen Optionsprogrammen Kenntnis erlangen könnte, da eine zivilrechtliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung weder bei der Konzernmutter (bzw. bei anderen Konzerngesellschaften) noch bei den Arbeitnehmern selbst bestehen dürfte3. Ob sich diese Haltung in der Praxis durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Problematisch dürfte sein, wenn der Arbeitgeber selbst Optionsprogramme begibt. Aus der Sicht der Finanzverwaltung dürfte in diesem Fall ein „erkennen können“ gemäß § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG auch dann nahe liegen, wenn der konkrete Optionsplan nicht von dem Arbeitgeber selbst, sondern von der Konzernmutter oder einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft gewährt wird. Dagegen spricht allerdings auch hier der überzeugende Hinweis von Drenseck, dass in diesen Fällen weder eine Verpflichtung der Konzernmutter noch einer anderen konzernangehörigen Gesellschaft noch des Arbeitnehmers besteht, über solche Aktienoptionsprogramme mit einem anderen Rechtsträger aufzuklären.
bb) Stock Options und Abkommensrecht 147
Bei Führungskräften ist es üblich, dass sie ins Ausland entsendet werden. Für die betreffende Führungskraft stellt sich dann die Frage, was er in welchem Land zu versteuern hat. Grundlage ist Art. 15 OECD-MA. Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA sind Einkünfte aus unselbständiger Arbeit grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat der Führungsperson zu versteuern, es sei denn, die Arbeit wird in einem anderen Vertragsstaat ausgeübt. Ist letzteres der Fall, kann auch der Quellenstaat die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit besteuern. Von dieser Unterscheidung zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat macht allerdings Art. 15 Abs. 2 OECD-MA eine wichtige Ausnahme. Danach können Vergütungen ausschließlich in dem Ansässigkeitsstaat der Führungskraft besteuert werden, wenn sich die Führungskraft in dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten aufgehal1 Zur Abgrenzung Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl. 2010, § 38 Rz. 9 ff. 2 BFH v. 24.1.2001 – I R 119/98, BStBl. 2001 II, 518; v. 4.4.2006 – VI R 11/03, BStBl. 2006 II, 668. 3 Insbesondere Schmidt/Drenseck, EStG, 29. Aufl. 2010, § 38 Rz. 11 mit deutlichen Worten Richtung Gesetzgeber.
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Rz. 150 Teil 3
Vergütungsfragen
ten hat und die Vergütung von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt wird, der nicht in dem Quellenstaat ansässig ist und die Vergütung auch nicht von einer im Quellenstaat belegenen Betriebstätte getragen wird. Bei Führungskräften kann es vorkommen, dass sie innerhalb der Optionspläne in verschiedenen Staaten ansässig sind und verschiedenen Staaten nach Abkommensrecht das Besteuerungsrecht zusteht. Die Besteuerungsrechte der verschiedenen Staaten müssen daher aufgeteilt werden. Abkommensrechtlich ist es von erheblicher Bedeutung, welchem abkommensrechtlichen Zeitraum die jeweiligen Aktienoptionspläne zugeordnet werden. Werden die Aktienoptionspläne dem Zeitraum der inländischen Ansässigkeit zugeordnet, hat der inländische Fiskus das Zugriffsrecht; betreffen die Zeiträume dagegen den Aufenthalt in einem Drittland, hat der dortige Fiskus das Besteuerungsrecht1.
148
Die Finanzverwaltung unterscheidet zwischen handelbaren und nicht handelbaren Optionsrechten2. Bei handelbaren Optionsrechten soll es sich um die Honorierung der in der Vergangenheit geleisteten Tätigkeiten handeln. Unabhängig von dem konkreten Zuflusszeitpunkt soll daher der geldwerte Vorteil nach „den Verhältnissen des Zeitraums zuzuordnen (sein), für den er gewährt wird“. Nicht handelbare Optionsrechte werden dagegen nicht für die Vergangenheit gewährt, sondern stellen einen Arbeitsanreiz für die Zukunft dar. Der maßgebliche Zeitraum ist daher derjenige „zwischen der Gewährung und der erstmalig tatsächlich möglichen Ausübung des Optionsrechts“3. Virtuelle Aktienoptionen stellen nach Auffassung der Finanzverwaltung Entgelt für die in der Vergangenheit geleitstete Arbeit dar4.
149
Es ist zweifelhaft, ob die Unterscheidung zwischen handelbaren und nicht handelbaren Optionsrechten nach der Entscheidung des BFH vom 20. November 2008 noch durchgehalten werden kann5. Der BFH hat in dieser Entscheidung handelbare und nicht handelbare Optionsrechte gleichgesetzt. Auch bei einem handelbaren Optionsrecht erhält der Arbeitnehmer den steuerlich relevanten Vorteil erst mit Ausübung der Option und nicht mit der Möglichkeit, sein Optionsrecht an einer Börse zu veräußern. Nach der Einschätzung der Finanzverwaltung sollen handelbare Optionsrechte vergangene Tätigkeiten honorieren (wörtlich: „dieser wird regelmäßig gewährt, um in der Vergangenheit geleistete Tätigkeiten zu honorieren.“). Diese vergangenheitsbezogene Sichtweise dürfte nicht mehr mit der Vorstellung des BFH übereinstimmen, dass der maßgebliche Zeitraum auch bei handelbaren Optionsrechten zwischen der Gewährung des Optionsrechts und der Ausübung der Option liegt. Dieser Zeitraum ist immer zukunftsbezogen. Richtigerweise dürfte daher auch bei handelbaren Optionsrechten nur der Zeitraum zwischen Gewährung und Ausübung der Option relevant sein und damit vom Zeitpunkt der Begebung des Optionsplans an.
150
1 BFH v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl. 2001 II, 509; v. 24.1.2001 – I R 119/98, BStBl. 2001 II, 512. 2 BMF, Schr. v. 14.9.2006 – IV B 6-S1300-367/06, BStBl. 2006 I, 532 Tz. 130 ff. 3 BMF, Schr. v. 14.9.2006 – IV B 6-S1300-367/06, BStBl. 2006 I, 532, Tz. 131, 133. 4 BMF, Schr. v. 14.9.2006 – IV B 6-S1300-367/06, BStBl. 2006 I, 532, Tz. 136. 5 BFH v. 20.11.2008 – VI R25/05, BStBl. 2009 II, 382.
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Teil 3 Rz. 151
Typische Vertragsklauseln
151
Ebenfalls unklar sind die Ausführungen des BMF zu den von ihm so bezeichneten virtuellen Aktienoptionen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des BMFSchreibens handelt es sich um die Abgeltung der in der Vergangenheit geleisteten Arbeit. Der Hinweis auf „die vorgenannten Ausführungen“ dürfte sich daher in dem BMF-Schreiben auch auf die nicht handelbaren Optionsrechte beziehen. Unabhängig von der Entscheidung des BFH vom 20. November 2008, ist diese Einteilung virtueller Aktienoptionen zweifelhaft. Virtuelle Aktienoptionen sind vom Prinzip her ebenso ausgestaltet wie klassische Optionspläne, allerdings mit dem Unterschied, dass keine körperlichen Aktien begeben werden, sondern der Verkauf von Aktien auf der Grundlage eines vorher festgelegten Basiswertes nur schuldrechtlich vereinbart ist. An dem Anreizcharakter ändert sich dadurch nichts.
152
Ebenfalls unklar ist die Auffassung der Finanzverwaltung, wenn – wie in der Praxis üblich – Aktienoptionen nicht vollständig an einem Stichtag, sondern nur in Tranchen (regelmäßig 1/4 bzw. 1/5 des Gesamtaktienpaketes) ausgeübt werden dürfen1. Bei der zeitlich gestreckten Ausübung von Aktienoptionen sind die jeweils relevanten Betrachtungszeiträume, diejenigen zwischen der Gewährung der Aktienoption sowie dem jeweiligen erstmaligen Ausübungsrecht. Es muss daher ggf. für jede einzelne ausgeübte Tranche der Zeitraum zwischen den verschiedenen Ländern ermittelt werden2.
153
Geklärt dürfte auf der Grundlage des BMF-Schreibens allerdings sein, dass abkommensrechtlich Zeiträume nach der Ausübung der Option sowie einer nachfolgenden Veräußerung der Aktien nicht mehr den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit unterliegt, sondern den Einkünften aus Veräußerung, Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Gewinne aus der zeitlich nachfolgenden Veräußerung von Aktien werden daher ausschließlich im Ansässigkeitsstaat besteuert, wobei die Anschaffungskosten der aktuelle Börsenkurs der Aktien zum Zeitpunkt der Ausübung der Option sind.
4. Verdeckte Gewinnausschüttungen 154
Die Kapitalgesellschaft unterliegt einer Definitivbelastung mit Körperschaftsteuer in Höhe von 15 %, Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 % der Körperschaftsteuer sowie Gewerbesteuer. Wenn der Jahresüberschuss nach der Steuerbilanz als Grundlage der steuerlichen Einkommensermittlung der Körperschaft durch Gehaltszahlungen, Tantieme, Provisionen etc. an den GesellschafterGeschäftsführer verringert wird, geht aus Sicht der Finanzverwaltung Steuersubstrat – in erster Linie für die Gewerbesteuer – verloren. Dem wird durch das Rechtsinstitut der „verdeckten Gewinnausschüttung“ begegnet.
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Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Gewinnanteile, Ausbeuten und sonstige Bezüge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Zu den „sonstigen Bezügen“ gehören nach § 20 Abs. 1 1 Dazu eingehend Röpke/Schmidt, IStR 2007, 59; Hasbargen/Schmitt/Wiesemann, IStR 2007, 380. 2 BFH v. 24.1.2001 – I R100/98, BStBl. 2001 II, 509; v. 24.1.2001 – I R119/98, BStBl. 2001 II, 512.
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Rz. 162 Teil 3
Vergütungsfragen
Nr. 1 Satz 2 EStG die verdeckten Gewinnausschüttungen. Gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mindern die verdeckten Gewinnausschüttungen das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht. Eine gesetzliche Definition der „verdeckten Gewinnausschüttungen“ existiert nicht. Rechtsprechung und Finanzverwaltung definieren die verdeckten Gewinnausschüttung als Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens der Kapitalgesellschaft auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht1. Liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, werden die Beträge bei der Ermittlung des Einkommens der Körperschaft außerhalb der Steuerbilanz hinzugerechnet2.
156
Zu jedem „Tatbestandsmerkmal“ der verdeckten Gewinnausschüttung existiert eine nicht mehr überschaubare Rechtsprechung. Im Folgenden werden die wichtigsten Grundzüge für die Vergütung des Geschäftsführers herausgearbeitet.
157
Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung unterscheiden zunächst die verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach sowie die verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach.
158
Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach, wird die gesamte Vergütung, die die Kapitalgesellschaft ihrem Geschäftsführer gezahlt hat, nicht anerkannt; die Vergütung wird außerbilanziell dem Steuerbilanzgewinn der Gesellschaft hinzugerechnet. Beim Gesellschafter-Geschäftsführer handelt es sich um Einnahmen gemäß § 20 EStG (und nicht etwa um Arbeitslohn nach § 19 EStG). Die Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen der Abgeltungsteuer gemäß §§ 32d, 43 EStG.
159
Bei verdeckten Gewinnausschüttungen der Höhe nach wird nur ein Teilbetrag nicht anerkannt. Der „anerkannte“ Restbetrag bleibt Arbeitslohn.
160
a) Verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde nach Verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde nach liegen bei folgenden Gestaltungen vor:
161
– die Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer ist nicht ernstlich gewollt oder wird nicht durchgeführt; – die Gehaltsvereinbarung hält insgesamt dem Fremdvergleich nicht mehr Stand; – bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer, wenn die Verträge nicht im Vorhinein geschlossen und zivilrechtlich wirksam sind sowie tatsächlich durchgeführt werden. Eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde kann sowohl bei Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern als auch bei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer vorliegen, wenn eine Vertragsbeziehung nicht ernsthaft gewollt 1 BFH v. 1.2.1989 – I R 73/85, BStBl. 1989 II, 522; R 36 Abs. 1 KStR. 2 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. 2002 II, 366 = BB 1994, 2319; BMF, Schr. v. 28.5.2002 – IV A 2-F2742-32/02, BStBl. 2002 I, 603.
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Teil 3 Rz. 163
Typische Vertragsklauseln
bzw. nicht ernsthaft durchgeführt worden ist1. Der Unterschied zwischen dem Mehrheits- und dem Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer besteht nur in der Beweiswürdigung. Bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer kann aus der Nichtdurchführung eines Vertrages regelmäßig auf eine verdeckte Gewinnausschüttung geschlossen werden; bei einem nicht mehrheitlich beteiligten Gesellschafter muss das Finanzamt bzw. das Finanzgericht positiv davon überzeugt sein, dass eine Vergütungsabrede nicht ernstlich gewollt ist. 163
Bei einer Betriebsprüfung sollte die „Vermutung“ des Betriebsprüfers, dass eine Vereinbarung nicht ernstlich gewollt bzw. nicht ernsthaft durchgeführt sei, durch eine nachvollziehbare Begründung erschüttert werden. Betriebsprüfer nehmen in der Regel eine nicht ernsthafte Durchführung an, wenn Vergütungen nicht ausgezahlt werden; es wird vermutet, dass die Vereinbarungen nur zum Schein bestehen, um buchhalterischen Aufwand zu schaffen2. Solche Vermutungen lassen sich erschüttern, wenn jedenfalls Teile der Vergütungen an einen Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer ausgezahlt werden und wegen des „stehen gelassenen“ Restes plausibel dargelegt werden kann, dass die Liquiditätslage der Gesellschaft nichts anderes zugelassen hat. Schwierig wird die Darstellung immer dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer entweder überhaupt keine Vergütung ausgezahlt bekommen hat oder wenn sich aus der Liquiditätslage der Gesellschaft keine Notwendigkeit für das Stehenlassen der Vergütung ergibt.
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Eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach liegt auch vor, wenn die Gehaltsvereinbarung insgesamt dem Fremdvergleich nicht mehr Stand halten kann. Dies kommt insbesondere in folgenden Fällen in Betracht: – im Regelfall bei Umsatztantiemen bzw. Nur-Tantiemen (zu den Einzelheiten vgl. unten Rz. 188 ff.); – Überstundenvergütungen3; – Pensionszusagen bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht eingehalten werden (dazu im Einzelnen unten Rz. 465 ff.); – Geschäftsführervergütungen, die sich nach der Beteiligungsquote des Gesellschafters und nicht nach seiner Arbeitsleistung richten4; – Zahlung des Geschäftsführergehalts jeweils nur zum Jahresende5. 1 BFH v. 6.12.1995 – I R 88/94, BStBl. 1996 II, 383 = BB 1996, 938. 2 Ein „plakatives“ Beispiel FG München v. 5.5.2011 – 7 K 1349/09, GmbHR 2011, 839 (rkr.). 3 BFH v. 19.3.1997 – I R 75/96, BStBl. 1997 II, 577; v. 6.10.2009 – I B 55/09, BFH/NV 2010, 469. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Überstundenvergütung durch „überzeugende“ betriebliche Gründe gerechtfertigt ist; dies kann etwa dann der Fall sein, wenn eine Überstundenvergütung auch mit vergleichbarem gesellschaftsfremden Dritten vereinbart worden ist. Vergleichbare gesellschaftsfremde Dritten sind allerdings nicht schon alle Arbeitnehmer einer GmbH. Nach der Rechtsprechung muss es sich ebenfalls um Führungskräfte handeln; für Schichtführer anerkannt in BFH v. 14.7.2007 – I R 111/03, BStBl. 2005, 307. 4 BFH v. 30.7.1997 – I R 65/96, BStBl. 1998 II, 402 = BB 1998, 81. 5 BFH v. 13.11 996 – I R 53/95, BFH/NV 1997, 622 = DStR 1997, 697.
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Rz. 169 Teil 3
Vergütungsfragen
Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ist eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach auch schon dann anzunehmen, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an die Geschäftsführer erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt oder die Vereinbarung zivilrechtlich unwirksam ist1.
165
Ein Geschäftsführer hat eine beherrschende Stellung in der GmbH, wenn er als Gesellschafter die Mehrheit der Stimmrechte besitzt und deshalb bei Gesellschafterversammlungen entscheidenden Einfluss ausüben kann2. In Ausnahmefällen kann auch ein Stimmgewicht von 50 % bzw. weniger eine beherrschende Stellung einräumen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine Beherrschung der Gesellschaft begründen3. Unabhängig von den „besonderen Umständen“ kommt eine beherrschende Stellung eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers auch dann in Betracht, wenn gleichgerichtete Interessen mit anderen Gesellschaftern bzw. Gesellschafter-Geschäftsführern besteht, die in ihrer Gesamtheit die Mehrheit der Stimmrechte an der Kapitalgesellschaft halten4. Ein Verwandtschaftsverhältnis führt nicht automatisch dazu, dass gleichgerichtete Interessen anzunehmen sind5.
166
Bei der zivilrechtlichen Wirksamkeit sind insbesondere Zuständigkeitsregelungen der Gesellschaftsorganen (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat oder Beirat), das Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB bzw. § 35 Abs. 2 GmbHG sowie etwaige Formerfordernisse zu beachten.
167
Zu dem zivilrechtlichen Formerfordernis kann auch die Schriftform gehören. Hierbei ist zu differenzieren, ob die Schriftform konstitutive Wirkung oder lediglich deklaratorische Wirkung für Beweiszwecke hat. Sehen Gesetz oder Vertrag Schriftform als zivilrechtliches Wirksamkeitserfordernis vor, führt das Fehlen einer schriftlichen Vereinbarung zu einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach6.
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Rückwirkende Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer sind steuerlich unbeachtlich7. Beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer haben daher darauf zu achten, dass die Vereinbarungen im Vorhinein geschlos-
169
1 Aus der älteren Rechtspr. BFH v. 14.3.1990, – I R 6/89, BStBl. 1990 II, 759; v. 29.7.1992 – I R 28/92, BStBl. 1993 II, 247 = BB 1993, 2007; R 36 KStR 2004 „Zivilrechtliche Wirksamkeit“. 2 BFH v. 13.12.1989 – I R 99/87, BStBl. 1990 II, 454. 3 BFH v. 21.7.1976 – I R 223/74, BStBl. 1976 II, 734 – Erhöhung der Gehaltsbezüge eines Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführers, wenn der Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer ebenfalls die Gehaltsbezüge erhöht und diese Erhöhung nicht gegen den Minderheitsgesellschafter hätte durchgesetzt werden können; v. 23.10.1985 – I R 247/81, BStBl. 1986 II 195 – eine GmbH, die aufgrund ihrer Satzung ausschließlich für einen Gesellschafter tätig sein darf. 4 BFH v. 29.4.1987 – I R 192/82, BStBl. 1987 II, 797; H 36 III „Beherrschender Gesellschafter“ KStR 2004. 5 BVerfG v. 12.3.1985 – 1 BvR 571/81, BVerfGE 96, 188 = BStBl. 1985 II, 475, NJW 1985 2939 – Personelle Verflechtung bei einer Betriebsaufspaltung zwischen Ehegatten; BFH v. 1.2.1989 – I R 73/85, BStBl. 1989 II, 522. 6 H 36 KStR 2004 „Zivilrechtliche Wirksamkeit“. 7 BFH v. 23.9.1970 – I R 116/66, BStBl. 1971 II, 64.
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Teil 3 Rz. 170
Typische Vertragsklauseln
sen werden, zivilrechtlich wirksam sind und so wie vereinbart auch durchgeführt werden. Gerade bei Existenzgründungen wird dies nicht immer hinreichend beachtet.
b) Verdeckte Gewinnausschüttungen der Höhe nach 170
Wenn die „Hürde“ der verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach genommen ist, prüft die Finanzverwaltung noch die verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach.
171
Eine verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach liegt vor wenn die Vergütungsbestandteile unangemessen hoch sind, sodass sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Ebenso kann eine verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach vorliegen, wenn die Gesamtausstattung der Vergütung des Geschäftsführers insgesamt nicht mehr angemessen ist. Beispiel: Die GmbH vereinbart mit dem Geschäftsführer ab dem Geschäftsjahr 2001 ein Festgehalt von 100 000 Euro. Ab dem Geschäftsjahr 02 soll er zusätzlich eine Tantieme von 40 000 Euro erhalten. Die Grundvergütung von 100 000 Euro soll angemessen sein. Tantiemen werden nur anerkannt, wenn sie höchstens 25 % der Gesamtvergütung des Geschäftsführers ausmacht (zu den Einzelheiten Rz. 193 ff.). 25 % der Gesamtvergütung von 140 000 Euro sind 35 000 Euro. Die Tantieme in Höhe von 40 000 Euro ist daher unangemessen hoch und wird um 5 000 Euro gekürzt. Fortsetzung des Beispiels: Der Geschäftsführer erhält eine Grundvergütung von 150 000 Euro sowie eine Tantieme von 30 000 Euro. Das Grundgehalt soll angemessen sein. Die angemessene Gesamtausstattung soll 170 000 Euro ausmachen. Das Grundgehalt ist angemessen; ebenso auch die Tantieme (25 % von 170 000 Euro = 42 500 Euro, die vereinbarte Tantieme von 30 000 Euro liegt demnach noch innerhalb des Rahmens). Die Gesamtausstattung von 170 000 Euro wird allerdings um 10 000 Euro überschritten. Dieser Betrag ist daher eine verdeckte Gewinnausschüttung.
172
In der Praxis gehen bei Betriebsprüfungen die Vorstellungen der Beteiligten über die Angemessenheit der Vergütung erfahrungsgemäß auseinander.
173
Beurteilungskriterien für die Angemessenheit der Vergütung sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehaltes zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Eigenkapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die im selben Betrieb gezahlt werden oder in gleichartigen Betrieben an Geschäftsführer für entsprechende Leistungen gewährt werden1.
174
Art und Umfang der Tätigkeit werden durch das Unternehmen vorgegeben. Maßstab sind die Umsatzzahlen, die Bilanzsumme, die Anzahl der Arbeitneh1 BFH v. 5.10.1994 – I R 50/94, BStBl. 1995 II, 449 = BB 1995, 966; v. 17.2.2010 – I R 79/08, BFH/NV 2010, 1307 zum internen und externen Betriebsvergleich; BFH v. 9.2.2011 – I B 111/10, GmbHR 2011, 838 zu mehreren Geschäftsführern; BMF, Schr. v. 14.10.2002 – IV A 2-S 2742-62/02, BStBl. 2002, I 972 = BB 2003, 33, Tz. 10.
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Rz. 177 Teil 3
Vergütungsfragen
mer sowie das Tätigkeitsfeld des Geschäftsführers. Ein umfangreiches Tätigkeitsfeld bzw. eine Allzuständigkeit rechtfertigen eine hohe Vergütung. Eine eingeschränkte Tätigkeit – z.B. für Finanzen und Controlling – rechtfertigt eine hohe Vergütung nur, wenn das Unternehmen hierfür Anlass gibt. Außerhalb von börsennotierten Kapitalgesellschaften wird dies nur anzunehmen sein, wenn zu dem Bereich auch ein betrieblicher Unterbau gehört, z.B. die Buchführung, Steuerwesen, internes Rechnungswesen bzw. Controlling. Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellen die Ertragsaussichten sowie die angemessene Eigenkapitalverzinsung die entscheidenden Kriterien für die Angemessenheitsprüfung dar1. Maßstab ist das Verhältnis der Gesamtausstattung des bzw. der Geschäftsführergehälter zum Gesamtgewinn der Gesellschaft und zur verbleibenden Eigenkapitalverzinsung. Eine angemessene Eigenkapitalverzinsung wird von der Finanzverwaltung dann angenommen, wenn nach Abzug der Geschäftsführerbezüge bzw. der Gesamtsumme der Geschäftsführerbezüge für mehrere Gesellschafter-Geschäftsführer noch ein Jahresüberschuss vor Ertragesteuer in mindestens der gleichen Höhe wie die Geschäftsführervergütungen selbst verbleibt2.
175
In der Praxis stellt diese angeblich „angemessene Eigenkapitalverzinsung“ das Einfallstor für die Betriebsprüfungen dar. Im Regelfall wird dieses Verhältnis nicht eingehalten. Es ist auch nicht zwingend, dass nicht geschäftsführende Gesellschafter den gleichen Ertrag aus der Gesellschaft erzielen sollen wie „geschäftsführende“ Gesellschafter. Beide leisten einen Kapitaleinsatz, sonst wären sie nicht Gesellschafter. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer bringt darüber hinaus aber noch seine gesamte Arbeitskraft ein. Augenfällig wird dies bei „umgekehrten“ Beteilungsverhältnissen, wenn also der nicht geschäftsführende Gesellschafter mehrheitlich an der Gesellschaft beteiligt ist und der geschäftsführende Gesellschafter nur mit einer Minderheitsbeteiligung. Die Finanzverwaltung geht hier davon aus, dass der Kapitaleinsatz des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers den gleichen Vorteil rechtfertigt wie die Tätigkeit des geschäftsführenden Gesellschafters.
176
Weitere Kriterien für die Angemessenheitsprüfung sind der interne sowie externe Betriebsvergleich. Beim internen Betriebsvergleich werden die Gehälter der verschiedenen Geschäftsführer desselben Betriebes verglichen; beim externen Betriebsvergleich wird auf neutrale Gehaltsstrukturuntersuchungen zurückgegriffen. Bei einem internen Betriebsvergleich sind nicht nur die Gesamtausstattung der übrigen Geschäftsführer für den Vergleich heranzuziehen, sondern auch die Gesamtausstattung anderer Führungskräfte – wie etwa einem Prokuristen. Der BFH hat es zugelassenen, die Gesamtausstattung des geschäftsführenden Gesellschafters nach dem externen Betriebsvergleich noch einmal um ein Drittel wegen der Gesamtausstattung des Prokuristen zu erhöhen3.
177
1 BMF, Schr. v. 14.10.2002 – IV A 2-S 2742-62/02, BStBl. 2002, I 972 = BB 2003, 33, Tz. 14 ff. 2 BMF, Schr. v. 14.10.2002 – IV A 2-S 2742-62/02, BStBl. 2002, I 972 = BB 2003, 33, Tz. 16. 3 BFH v. 17.2.2010 – I R 79/08, BFH/NV 2010, 1307.
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Teil 3 Rz. 178 178
Typische Vertragsklauseln
Stellt sich bei der Angemessenheitsprüfung heraus, dass entweder Gehaltsbestandteile oder die Gesamtausstattung unangemessen sind, wird nur der jeweils über das angemessene Gehalt hinausgehende Teil als verdeckte Gewinnausschüttung angesehen. Sind die Vergütungsbestandteile in zeitlicher Abfolge vereinbart worden, ist der jeweils „jüngste“ Vergütungsbestandteil verdeckte Gewinnausschüttung; sind die Vergütungsbestandteile zeitgleich vereinbart worden, sind alle Vergütungsbestandteile quotal zu kürzen.
c) Sonderfälle verdeckter Gewinnausschüttungen 179
Auf eine Reihe von Sonderfällen verdeckter Gewinnausschüttungen wird bei den einzelnen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen eingegangen. Der wichtigste „Sonderfall“ verdeckter Gewinnausschüttungen bei der Vergütung sind die Tantiemen. Diese sollen nachfolgend dargestellt werden:
180
Tantiemen werden nach dem gleichen Schema geprüft wie die Vergütung des Geschäftsführers im Allgemeinen: – verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach; – verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach; – Angemessenheit der Gesamtausstattung des Geschäftsführers.
aa) Verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach 181
Tantiemen sind Beteiligungen des Geschäftsführers am Jahresüberschuss der Gesellschaft. Der Regelfall sind Gewinntantiemen.
182
Eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach wird angenommen, wenn die Höhe des Tantiemeanspruchs nicht im Vorhinein klar und eindeutig festgelegt worden ist. Schriftliche Vereinbarungen sind die Regel. Bei mehrheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern ist eine schriftliche Vereinbarung Voraussetzung. Ohne eine schriftliche Vereinbarung liegt bei Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführern eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Von mündlichen Abreden ist aber auch bei nicht mehrheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern abzuraten.
183
Aus der Vereinbarung muss klar hervorgehen, wie die Tantieme berechnet wird. Eine Tantiemevereinbarung genügt nur dann dem Klarheitsgebot, wenn der Tantiemebetrag allein durch einen Rechenvorgang bestimmt werden kann, ohne dass es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung bedarf1.
184
Bei der Vergütungsabrede über die Bemessungsgrundlage sollten gesetzlich definierte Begriffe benutzt werden2. Gesetzlich nicht definierte Begriffe wie „vorläufiger Gewinn“ oder auch „vorläufiges Ergebnis“ sollten daher nicht verwendet werden. Es empfiehlt sich an der handelsrechtlichen Begrifflichkeit gemäß 1 BFH v. 30.1.1985 – I R 37/82, BStBl. 1985 II, 345; v. 1.4.2003 – I R 78, 79/02, BFH/NV 2004, 86 = GmbHR 2003, 1502; v. 18.9.2007 – I R 73/06, BStBl. 2008 II, 314. 2 BFH v. 1.4.2003 – I R 78, 79/02, BFH/NV 2004, 86 = GmbHR 2003, 1502.
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Rz. 187 Teil 3
Vergütungsfragen
§§ 266, 275 HGB anzuknüpfen. Bemessungsgrundlage sollte daher der Jahresüberschuss nach HGB vor Berechnung der Tantiemen sein. Ggf. ist dieser Jahresüberschuss noch um außerordentliche Aufwendungen bzw. außerordentliche Erträge zu bereinigen. Die Tantieme sollte schon im eigenen Interesse des Geschäftsführers immer vor Steuern vom Einkommen und Ertrag berechnet werden. Dagegen müssten „sonstige Steuern“ i.S.v. § 275 Abs. 2 Nr. 19 HGB berücksichtigt werden, da es sich ebenso wie andere betriebsbedingte Aufwendungen um einen Bestandteil der Bemessungsgrundlage „Jahresüberschuss“ handelt. Verlustvorträge aus Vorjahren sind einzubeziehen, wenn der Geschäftsführer für den Verlust verantwortlich oder zumindest mitverantwortlich war1. Ein bestehender Gewinnvortrag kann nicht mit dem Jahresfehlbetrag verrechnet werden2. Wenn es an einer klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt, sind die Vereinbarungen in Grenzen auslegungsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um mehrheitlich beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer handelt oder um Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer. Für Auslegungszwecke kann auf die tatsächliche Übung ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden, an dem die Tantiemenzahlung objektiv erkennbar nach Außen in Erscheinung tritt3.
185
Eine für Dritte objektiv erkennbare Handlung ist die erstmalige buchmäßige Erfassung der Tantiemen als Aufwand. Ggf. ist durch Beweiserhebung zu ermitteln, was die Vertragsparteien gewollt haben; verbleibende Zweifel gehen zu Lasten der GmbH sowie des Geschäftsführers4.
186
Sind die Tantiemevereinbarungen gänzlich fremdunüblich oder sind die Tantiemevereinbarungen vor einer Beweiswürdigung schon widersprüchlich, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde nach vor. Die Rechtsprechung hat dies bisher in folgenden Fällen angenommen:
187
– Bestimmung der Tantieme durch die Gesellschafterversammlung5; – Tantieme nach Beteilungsquote6; – widersprechende Tantiemevereinbarungen7; – Tantiemen in Abhängigkeit von der Liquiditäts- und Ertragslage der GmbH8; – Tantiemevereinbarung unter Vorbehalt der Änderung durch Gesellschafterbeschluss9. 1 BFH v. 17.12.2003 – I R 22/03, BStBl. 2004 II, 524 = BB 2004, 1090; v. 29.6.2005 – I B 274/04, BFH/NV 2005, 1868; H 39 KStR 2004. 2 BFH v. 18.9.2007 – I R 73/06, BStBl. 2008 II, 314 = BB 2008, 875. 3 BFH v. 25.10.1995 – I R 9/95, BStBl. 1997 II, 703 = BB 1996, 465. 4 BFH v. 4.12.1991 – I R 63/90, BStBl. 1992 II, 362. 5 BFH v. 30.1.1985 – I R 37/82, BStBl. 1985 II, 345; v. 27.2.1985 – I R 187/81, BFH/NV 1986, 430; der BFH hat in dieser Entscheidung eine nachträgliche mündliche Änderung einer schriftlichen Tantiemevereinbarung anerkannt, da die Buchführung diese mündliche Vereinbarung bestätigte. 6 BFH v. 30.1.1985 – I R 37/82, BStBl. 1985 II, 345. 7 BFH v. 24.5.1989 – I R 90/85, BStBl. 1989 II, 800. 8 BFH v. 11.12.1991 – I R 49/90, BStBl. 1992 II, 434 = BB 1992, 1124. 9 BFH v. 29.4.1992 – I R 21/90, BStBl. II, 51.
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Teil 3 Rz. 188 188
Typische Vertragsklauseln
Neben den Gewinntantiemen existieren in der Praxis auch andere Tantiemen; von Relevanz sind: – Nur-Tantiemen; – umsatzabhängige Tantiemen; – Rohgewinntantiemen. Diese Tantiemenformen werden nur in Ausnahmefällen anerkannt.
189
Nur-Tantiemen bedeutet, dass der Geschäftsführer keine regelmäßigen Gehaltszahlungen erhält, sondern nur an dem Jahresüberschuss der Gesellschaft beteiligt wird. Nur-Tantiemen stehen daher offenen Gewinnausschüttungen wirtschaftlich gleich. Die Rechtsprechung erkennt Nur-Tantiemen nur dann an, wenn sich die Gesellschaft in einer wirtschaftlichen Notlage befindet und der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner Treuepflicht auf sein regelmäßiges Gehalt verzichtet. Nur-Tantiemen müssen zeitlich befristet sein. Sobald die Gesellschaft wirtschaftlich besser dasteht, hat der Gesellschafter-Geschäftsführer wieder ein regelmäßiges Gehalt zu beziehen1.
190
Umsatzabhängige Tantiemen sowie Rohgewinn-Tantiemen setzen nicht bei dem tatsächlichen Erfolg der Gesellschaft an, sondern bei Positionen, die für sich genommen nichts über den Erfolg der Gesellschaft aussagen. Umsatzerlöse können mit hohen Kosten der Gesellschaft erkauft werden. Der Rohgewinn ist der Saldo zwischen Umsatzerlösen sowie Material- bzw. Wareneinsatz; weitere typische Kosten wie Fertigungskosten sowie Löhne oder Gehälter bleiben unberücksichtigt.
191
Umsatzabhängige Tantiemen sowie Rohgewinn-Tantiemen werden daher nur anerkannt, wenn besondere steuerliche Gründe dafür vorliegen. Diese können vorliegen, wenn sich die Gesellschaft in der Gründung bzw. in der Aufbauphase befindet, solche Tantiemen branchenüblich sind oder wenn durch die umsatzabhängigen Tantiemen ein besonderer Leistungsanreiz geschaffen werden soll. Letzteres ist anzunehmen, wenn die Umsätze der Gesellschaft im Wesentlichen von der Leistung und dem Arbeitseinsatz des Geschäftsführers abhängt2.
192
Sowohl umsatzabhängige Tantiemen als auch Rohgewinn-Tantiemen müssen zeitlich und höhenmäßig begrenzt werden. Ohne eine derartige Begrenzung liegen von Anfang an verdeckte Gewinnausschüttungen vor. Die Beweislast liegt bei der GmbH bzw. beim Geschäftsführer3.
1 BFH v. 27.3.2001 – I R 27/99, BStBl. 2002 II, 111 = BB 2001, 1290. 2 BFH v. 5.10.1977 – I R 230/75, BStBl. 1978 II, 234 – Branchenüblichkeit; v. 28.6.1989 – I R 89/85, BStBl. 1989 II, 854 – Gründung einer Gesellschaft; v. 19.5.1993 – I R 83/92, BFH/NV 1994, 124, Akquisetätigkeit; BFH v. 26.1.1999 – I B 119/98, BStBl. 1999 II, 241 = BB 1999, 571 – Rohgewinn-Tantiemen; H 39 „Umsatz-Tantieme“ KStR 2004. 3 BFH v. 19.2.1999 – I R 105-107/97, BStBl. 1999 II, 321 = BB 1999, 885; v. 28.6.1989 – I R 89/85, BStBl. 1989 II, 854; H 39 „Umsatz-Tantieme“ KStR 2004.
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Rz. 196 Teil 3
Vergütungsfragen
bb) Verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach Die Tantiemen müssen der Höhe nach begrenzt sein. Es gilt eine doppelte Grenzziehung. Die Tantiemen dürfen – unabhängig von der Anzahl der Geschäftsführer – die Grenze von 50 % des Jahresüberschuss nicht übersteigen. Bemessungsgrundlage für die 50 %-Grenze ist der handelsrechtliche Jahresüberschuss vor Abzug der Gewinn-Tantieme und der ertragsabhängigen Steuern. Ein Verlustvortrag ist zu berücksichtigen1. Ein Gewinnvortrag aus Vorjahren kann nicht mit dem Jahresfehlbetrag verrechnet werden2. Bemessungsgrundlage der 50 %-Grenze ist daher der handelsrechtliche Jahresüberschuss vor Abzug der Gewinntantiemen und der ertragsabhängigen Steuern abzüglich eines Verlustvortrages.
193
Die Tantiemen sind Bestandteil der Gesamtbezüge des Geschäftsführers. Die Tantieme darf höchstens 25 % der Gesamtbezüge ausmachen3. Bemessungsgrundlage für das Verhältnis Tantieme/Festbezüge (25 %/75 %) ist die angemessene Gesamtausstattung des Geschäftsführers. Die Tantiemen können nur 25 % dieser Gesamtausstattung ausmachen.
194
Beispiel: Ein Geschäftsführer erhält einen Festbezug von 100 000 Euro sowie Tantiemen von 40 000 Euro. Die Gesamtausstattung von 140 000 Euro ist angemessen. Berechnung der Angemessenheit der Tantieme: 25 % von 140 000 Euro: 35 000 Euro Die Tantiemen von 40 000 Euro sind daher in Höhe von 5 000 Euro nicht mehr angemessen. In dieser Höhe liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor.
Tantiemen und Festbezüge müssen als Gesamtausstattung angemessen sein; es gelten die in Rz. 171 ff. dargestellten Grundsätze.
195
Der Anspruch auf eine Gewinntantieme entsteht mit Ende des Geschäftsjahres und wird mit Feststellung des Jahresabschlusses fällig. Die Parteien können in dem Dienstvertrag eine abweichende Fälligkeit vereinbaren. Die Vereinbarung muss zivilrechtlich wirksam, bei einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer auch schriftlich, und fremdüblich sein4. Vorauszahlungen bzw. Abschläge aus Tantiemen sind zulässig, soweit diese vertraglich vereinbart sind. Ohne vertragliche Vereinbarung wird eine Darlehensgewährung durch die Gesellschaft an den Gesellschafter angenommen. Wird das Darlehen nicht angemessen verzinst, liegen verdeckte Gewinnausschüttungen vor5.
196
1 BFH v. 17.12.2003 – I R 22/03, BStBl. 2004 II, 524 = BB 2004, 1090. Die Entscheidung erging nach dem Schr. des BMF vom 1.2.2002. Die Finanzverwaltung hat dieses Urteil in die KStR aufgenommen (H 39 KStR 2004 „Verlustvorträge“). Damit ist die Berücksichtigung der Verlustvorträge für die Finanzverwaltung bindend. 2 BFH v. 18.9.2007 – I R 73/06, BStBl. 2008 II, 314 = BB 2008, 875. 3 BMF v. 1.2.2002 – IV A2-S2742-4/02, BStBl. 2002 I, 219. 4 BFH v. 3.2.2011 – VI R 66/09, DStR 2011, 805; Fälligkeit der Tantieme drei Monaten nach Feststellung des Jahresabschlusses wird aus Liquiditätsgründen bei der Gesellschaft anerkannt. 5 BFH v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. 1998 II, 445 = BB 1998, 1193; v. 22.10.2003 – I R 36/03, BStBl. 2004 II, 307 = BB 2004, 424; H 39 KStR 2004 „(zinslose) Vorschüsse auf Tantieme“.
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Teil 3 Rz. 197
Typische Vertragsklauseln
cc) Formulierungsmuster 197
Dem Geschäftsführer steht neben seinem Grundgehalt eine Tantieme in Höhe von (…) % der Bemessungsgrundlage zu. Bemessungsgrundlage ist der handelsrechtliche Jahresüberschuss gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 20 HGB. Steuern vom Einkommen und vom Ertrag i.S.v. § 275 Abs. 2 Nr. 18 HGB sind abzusetzen (ggf. Bereinigung um außerordentliches Ergebnis nach § 275 Abs. 2 Nr. 17 HGB). Ein Verlustvortrag ist abzuziehen, wenn der Geschäftsführer im Jahr der Entstehung der jeweiligen Jahresfehlbeträge i.S.v. § 275 Abs. 2 Nr. 20 HGB schon Geschäftsführer der Gesellschaft war. Die Tantieme ist mit Feststellung des Jahresabschlusses der Gesellschaft fällig. Dem Geschäftsführer steht eine Vorauszahlung auf die jährliche Tantieme zum Ersten eines jeden Quartals in Höhe von (…) % der Tantieme des Vorjahres zu. Die Gesellschaft kann die Auszahlung der Tantieme verweigern, wenn sich nach den Ergebnisrechnungen von mindestens drei aufeinander folgenden Monaten ein monatlicher Fehlbetrag in entsprechender Anwendung von § 275 Abs. 2 Nr. 20 HGB ergibt. Der Geschäftsführer ist zur Rückzahlung der Vorauszahlungen verpflichtet, wenn die festgestellte Tantieme die Vorauszahlungen unterschreitet. Die Rückzahlung ist auf den Unterschiedsbetrag zwischen festgestellter Tantieme und den Vorauszahlungen beschränkt. Der Unterschiedsbetrag wird mit dem Anspruch des Geschäftsführers auf Vorauszahlung der Tantieme in dem darauffolgenden Geschäftsjahr verrechnet. Soweit eine Verrechnung mit der Vorauszahlung nicht möglich ist, wird der Rückzahlungsanspruch monatlich in Höhe von 1/12 mit der Grundvergütung des Geschäftsführers verrechnet. Kommt eine Verrechnung mit der Grundvergütung des Geschäftsführers nicht in Betracht, hat der Geschäftsführer den Unterschiedsbetrag monatlich in Höhe von 1/12. an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Endet das Anstellungsverhältnis während eines Geschäftsjahres, steht dem Geschäftsführer ein anteiliger Anspruch auf die Tantieme zu.
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B. Dienstwagenregelungen I. Arbeitsrecht 1. Allgemeines Eine Sonderstellung nehmen Regelungen über die Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit für einen Dienstwagen ein. Häufig enthalten Verträge von Führungskräften eigenständige Klauseln oder sogar – je nach der Schwierigkeit des Regelungsgegenstandes – separate Verträge in Form von Kfz-Überlassungsverträgen1, in denen etwa das Recht zur Überlassung eines Dienstwagens, dessen Umfang und eventuelle Haftungsfragen ausdrücklich geregelt sind.
198
Dabei ist besonderer Wert auf die genauen Formulierungen zu legen. Dies ist wesentlich, um Transparenz über die Einzelheiten des Nutzungsrechtes herzustellen und Rechtsunsicherheiten zwischen den Parteien und damit auch Prozessrisiken wirkungsvoll zu vermeiden. Wichtig ist bei der jeweiligen Vertragsgestaltung, stets zwischen dienstlicher oder auch privater Nutzung zu differenzieren. Fehlt eine Vertragsvereinbarung über die private Nutzungsmöglichkeit, darf der Wagen nur für dienstliche Zwecke verwendet werden2. Existieren im Unternehmen eigene Dienstwagenordnungen, so kann im Anstellungsvertrag individualrechtlich auf diese verwiesen werden3. Werden einheitlich für das Unternehmen geltende vorformulierte Vertragsregelungen verwendet, so greifen die in den §§ 305–310 BGB enthaltenen Regelungen über die Einbeziehungsund Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen4. Konkretisierungen in Bezug genommener allgemeiner Dienstwagenrichtlinien für den jeweiligen Einzelfall bleiben möglich.
199
Ist der Arbeitnehmer auf Grund seines Arbeitsvertrages verpflichtet, weite Strecken zurückzulegen, um z.B. Kunden und Geschäftspartner zu erreichen und Verhandlungstermine wahrzunehmen, wird es sich häufig als praktikabel erweisen, dem Arbeitnehmer einen eigenen Firmenwagen zu überlassen. Andernfalls müsste der Arbeitgeber bei der Nutzung eines Privatwagens des Arbeitnehmers für dienstliche Zwecke Aufwendungsersatz leisten; dies könnte sich hinsichtlich der damit verbundenen Kosten und des Aufwandes als weniger effizient darstellen5.
200
2. Privatnutzung als zusätzliche Sachvergütung Sofern vertraglich gestattet wird, den Wagen nicht nur für dienstliche sondern auch für private Anlässe zu nutzen, ohne die Führungskraft hierbei zur Kostentragung heranzuziehen, handelt es sich bei der Regelung um einen speziellen
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Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 4. Küttner/Griese, Dienstwagen, Rz. 3; Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 4. Gaul/Ludwig, BB 2010, 55. Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 313. Küttner/Griese, Dienstwagen, Rz. 1.
C. Liebscher
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Teil 3 Rz. 202
Typische Vertragsklauseln
Vergütungsbestandteil. Dieser stellt eine zusätzliche Sachvergütung dar1. Eine solche Naturalvergütung steht im vertraglichen synallagmatischen Gegenleistungsverhältnis und soll oftmals als weiterer Entgeltbestandteil Leistungsanreize schaffen. Es handelt sich bei der Gewährung des privaten Nutzungsrechts um eine Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers2. Sie ist als Teil des Gesamteinkommens zu berücksichtigen und auf das Gehalt anzurechnen3. Sofern bei einer Abfindungszahlung das Monatseinkommen zugrunde gelegt wird, ist der Entgeltbestandteil der Sachvergütung mit einzubeziehen. 202
Für den Arbeitnehmer liegt in der Gestattung einer privaten Nutzung ein geldwerter Vorteil4. Bei der Ermittlung der Höhe des geldwerten Vorteils stehen zwei verschiedene Methoden zur Verfügung, nämlich der Einzelnachweis und die Nutzungspauschale (Näheres zur steuerrechtlichen Bewertung unter Rz. 238 ff.).
203
Werden keine ausdrücklichen eingrenzenden Vereinbarungen getroffen, ist dieser geldwerte Vorteil weit auszulegen, so dass er bei einem Wettbewerbsverbot in Form einer Karenzentschädigung oder auch bei der Festlegung der Höhe des ruhegehaltfähigen Einkommens einzubeziehen ist5.
3. Inhalt und Umfang des Nutzungsrechtes a) Inhalt des Nutzungsrechtes 204
Das Nutzungsrecht und alle damit zusammenhängenden relevanten Einzelheiten sollten möglichst präzise schriftlich niedergelegt werden. Arbeitsvertragliche Regelungen können zwar auch wirksam mündlich vereinbart werden, jedoch empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtsklarheit und -sicherheit diese schriftlich zu fassen. Denn bei den zu überlassenen Dienstwagen handelt es häufig um nicht unbeträchtliche Sachwerte, so dass etwaigen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der exakten Ausgestaltung des Nutzungsrechtes vorgebeugt werden sollte.
205
Es muss wie bereits erörtert festgehalten werden, ob das Fahrzeug nur für dienstliche Zwecke oder auch privat vom Arbeitnehmer verwendet werden soll. Auch sollten Einschränkungen der Nutzungsmöglichkeit, detailliert aufgeführte und fallbezogene Widerrufsmöglichkeiten (siehe hierzu Rz. 223 f.) sowie Fragen der Ausstattung oder einer etwaigen Sonderausstattung einbezogen werden6. Es ist sinnvoll, Vereinbarungen zur Pflicht der Kostentragung und zur Durchführung von Reparaturen zu treffen. Dies kann auch mit der Regelung über einen Er1 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 311; Hümmerich/Lücke/Maur/Lücke, § 2 Rz. 98; BAG v. 27.5.1999 – 8 AZR 415/98, NZA 1999, 1038; BAG v. 23.6.1994 – 8 AZR 537/92, NZA 1994, 1128. 2 BAG v. 5.9.2002 – 8 AZR702/01, AP BGB § 280 n.F. Nr. 1; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809. 3 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 3; ErfK/Preis, § 611 BGB, Rz. 522; BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 791/96, ArbR 1999, 111; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 209/06, NZA 2007, 809. 4 Küttner/Schlegel, Dienstwagen, Rz. 35. 5 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 6. 6 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 314.
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Rz. 207 Teil 3
Dienstwagenregelungen
satzwagen kombiniert werden. Falls die Führungskraft eine Auswahlmöglichkeit zwischen mehreren Wagen hat, sollte dies auch ausdrücklich geregelt werden. Gerade bei pauschal formulierten Kfz-Überlassungsverträgen ist es zweckmäßig, den Wagen oder den Fahrzeugtyp näher zu beschreiben, damit der Arbeitnehmer den Anspruch auf einen Wagen erhält und genaue Zuordnungen möglich werden. Das Fahrzeug kann dafür entweder durch Kriterien wie technische Ausstattung, Fahrzeugleistung, Lieferwagen, Sportwagen, Automatikwagen etc. oder durch Marke, Typ oder preisliche Obergrenze bestimmt sein1. Sofern der Arbeitnehmer einen für seine Position in der Unternehmensebene qualitativ besseren Wagen oder eine Spezialausstattung erhalten möchte, kann gegen eine Beteiligung des Mitarbeiters an den höheren Kosten auch ein teureres Fahrzeug angeschafft werden2. Die genauen Modalitäten für die Kostenaufteilung sollten ebenfalls schriftlich gefasst werden.
206
Ein Mitarbeiter kann nicht durch eine Vertragsklausel verpflichtet werden, sämtliche Kosten für den Kauf oder die Unterhaltung des Wagens zu tragen. Unwirksam sind ferner Klauseln, welche den Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichten, sich an den Kosten des im Besitz des Arbeitgebers befindlichen Fahrzeugs anteilig zu beteiligen3. Dies stellt eine unzulässige und unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 BGB dar. Es ist dafür unerheblich, ob es sich um eine individuelle oder eine vorformulierte vertragliche Regelung handelt.
207
Formulierungsmuster Dem Arbeitnehmer … wird das Recht eingeräumt, vom … (Datum) an den Dienstwagen …, Marke …, amtliches Kennzeichen …, Fahrgestellnummer …, für betriebliche sowie – im Rahmen der folgenden Bestimmungen – für private Zwecke zu nutzen. alternativ: Dem Arbeitnehmer …wird gestattet, einen Dienstwagen des Fabrikats …/Typs …/der Oberklasse bis zu einer Wertgrenze von … Euro für betriebliche und – nach Maßgabe der unter … aufgeführten Konditionen – für private Zwecke zu verwenden. Die unentgeltliche Nutzung für private Zwecke ist bis zu einer Anzahl von … Kilometern im Jahr erlaubt. Die Weitergabe des Fahrzeugs an Dritte ist nicht zulässig. alternativ: Der Dienstwagen darf auch von (zum Haushalt des Arbeitnehmers gehörenden) Familienmitgliedern, also Ehepartner, Lebengefährten oder Kindern, verwendet werden. Es gelten dieselben Voraussetzungen wie für den Arbeitnehmer. 1 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 315. 2 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 5. 3 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 343.
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Teil 3 Rz. 208
Typische Vertragsklauseln
Der Mitarbeiter hat das Recht, den Dienstwagen auch in Zeiten des Urlaubs oder einer Krankheit zu verwenden. Bei Reparaturen oder Wartungsmaßnahmen an dem Fahrzeug hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen (gleichwertigen/ähnlichen) Ersatzwagen. Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für Reparatur- und Wartungsmaßnahmen, Durchsichten, Kraftstoff, Öl, sofern diese erforderlich und der Höhe nach angemessen sind. Der Arbeitnehmer muss den Wagen sorgsam behandeln und darf ihn nur in verkehrstüchtigem Zustand fahren. Der Arbeitgeber muss sein Einverständnis zu etwaigen Reparaturmaßnahmen erteilen, sofern es sich nicht um eilige Notfälle handelt, die für die Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs wesentlich sind.
b) Umfang des Nutzungsrechtes 208
Der Arbeitgeber hat in der Konstellation, in der eine private Verwendung gestattet ist, nicht das Recht, die Nutzungserlaubnis für private Zwecke einseitig zu entziehen. Hierzu bedarf es in der Regel einer eigenen Änderungsvereinbarung oder einer Änderungskündigung1. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Überlassung des Fahrzeugs lediglich zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erfolgte, weil das Zur-Verfügung-Stellen eines Arbeitsmittels dem nach billigem Ermessen auszuübenden Direktionsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO unterliegt.
209
Steht dem Arbeitnehmer bei gestatteter privater Nutzung während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) zu, muss ihm der Arbeitgeber innerhalb dieses Zeitraums auch die private Nutzung des Dienstfahrzeugs erlauben2. Denn als zusätzliche Sachvergütung mit Entgeltcharakter kann der Arbeitnehmer auch in einer Phase der Arbeitsunfähigkeit die Überlassung des Wagens beanspruchen. Durch das EFZG wird die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers zur Gewährung der Vergütung nicht aufgehoben3. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung nach dem EFZG, die gemäß § 3 Abs. 1 EFZG maximal für sechs Wochen gezahlt wird, muss der Arbeitnehmer einem eventuellen Herausgabeverlangen des Arbeitgebers nachkommen, ohne dass ihm eine Nutzungsentschädigung zusteht4. Ein entsprechender Widerrufsvorbehalt der Parteien im Arbeitsvertrag für die Phase nach dem Entgeltfortzahlungszeitraum wird dafür als entbehrlich angesehen5. Zur Klarstellung könnte allerdings folgende Klausel aufgenommen werden: 1 Hümmerich/Lücke/Maur/Lücke, § 2 Rz. 101. 2 Lohr, MDR 1999, 1353; Nägele, NZA 1997, 1196. 3 BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NJW 2011, 1469; LAG Sachsen v. 13.1.1999 – 2 Sa 742/98, EzA, § 37 BAT Höhe der Krankheitsbezüge Nr. 4. 4 LAG Baden-Württemberg v. 27.7.2009 – 15 Sa 25/09, DB 2009, 2050; Nägele/Schmidt, BB 1993, 1797, 1799. 5 BAG v. 14.12.2010 – 9 AZR 631/09, NJW 2011, 1469; LAG Baden-Württemberg v. 27.7.2009 – 15 Sa 25/09, DB 2009, 2050; LAG Köln v. 29.11.1995 – 2 Sa 843/95, LAGE Nr. 8 zu § 616 BGB; andere Auffassung: LAG Berlin-Brandenburg v. 19.2.2007 – 10 Sa 2171/06.
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Rz. 213 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Formulierungsmuster Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, behält er das Rechts zur Nutzung des Dienstwagens während der Dauer der Entgeltfortzahlung, also für sechs Wochen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes hat der den Dienstwagen an den Arbeitgeber herauszugeben.
Bei erlaubter privater Nutzung kann eine ausdrückliche vertragliche Regelung mit dem Inhalt getroffen werden, dass der Wagen schon vor dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes herausgegeben werden muss oder über diesen hinaus verwendet werden darf.
210
Formulierungsmuster Der Arbeitgeber kann sowohl die dienstliche als auch private Nutzung des Dienstwagens mit sofortiger widerrufen, wenn der Mitarbeiter länger als eine Woche erkrankt und innerhalt des Zeitraumes, für den das Arbeitsentgelt fortzuzahlen ist, der Dienstwagen im Rahmen der Vertretung des Mitarbeiters betrieblich benötigt wird.
Wurde eine private Nutzung nicht vereinbart, muss der Arbeitnehmer hingegen den Dienstwagen im Falle der Arbeitsunfähigkeit an den Arbeitgeber herausgeben.
211
Ist vertraglich ein längerer Zeitraum für die Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfall vereinbart, was zulässig ist, weil die Regelungen des EFZG nur eine zwingende Untergrenze festlegen, sollte zusätzlich schriftlich vereinbart werden, ob und bis zu welcher Dauer die private Fahrzeugnutzung umfasst ist. Dies wird oftmals bei Führungskräften und Organmitgliedern, für die das EFZG entweder auf Grund fehlender Arbeitnehmereigenschaft persönlich nicht anwendbar ist oder für die günstigere Sonderregelungen bestehen, in der Praxis relevant. Für Organmitglieder empfiehlt sich aufgrund der fehlenden Anwendbarkeit des EFZG dringend eine vertragliche Regelung, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sichert. Denn ohne eine vertragliche Vereinbarung beschränkt sich die Fortzahlung der Vergütung ansonsten auf den Anspruch aus § 616 BGB, so dass danach der Anspruch auf Entgeltfortzahlung und damit auch der privaten Dienstwagennutzung nach wenigen Tagen entfiele. Sind die vertraglichen Vereinbarungen unklar, muss in Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung der mutmaßliche Wille der Vertragsparteien ermittelt werden.
212
Wird das Dienstfahrzeug dringend im Unternehmen gebraucht, um einer Vertretungskraft des abwesenden Arbeitnehmers die Erledigung dessen Aufgaben etwa die Wahrnehmung auswärtiger Termine oder die Betreuung von Kunden zu ermöglichen, kann eine Pflicht zur Herausgabe des Wagens aus Nebenpflichten des Arbeitsvertrages wie der arbeitnehmerischen Treuepflicht resultieren1.
213
1 Preis/Lindemann, II D. 20 Rz. 10.
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Teil 3 Rz. 214
Typische Vertragsklauseln
214
Hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Urlaub gemäß § 1 BUrlG, steht ihm während dieses Zeitraumes auch Urlaubsentgelt in Höhe der gesamten Vergütung1 zu, also einschließlich der zusätzlichen sachlichen Vergütungskomponenten2 in Form der Dienstwagenüberlassung auch für private Zwecke. Für Personen, die von Anwendungsbereich des BUrlG ausgeschlossen sind, z.B. Vorstandsmitglieder einer AG oder Geschäftsführer einer GmbH, muss im Vertrag eindeutig festgelegt werden, ob diese Vorschrift dennoch eingreifen soll oder nicht. Findet sich keine explizite Vereinbarung der Parteien zu diesem Punkt, wird im Regelfall eine weitere private Verwendung des Wagens während der Urlaubszeit trotzdem gewollt sein. Selbst wenn im Anstellungsvertrag nur eine bestimmte Urlaubsdauer festgelegt wurde, ist anzunehmen, dass eine fortlaufende Gewährung der bisherigen Bezüge, sowohl der Geld- als auch der Sachbezüge, erfolgen soll3. Haben die Parteien eine rein dienstliche Nutzung vereinbart, hat der Arbeitnehmer das Fahrzeug im Falle des Urlaubs herauszugeben.
215
Im Falle einer vollständigen Freistellung eines Arbeitnehmers zur Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben nach der Vorschrift des § 37 Abs. 2 BetrVG darf der Arbeitnehmer den Wagen auch weiterhin privat nutzen4. Der Arbeitnehmer übt die Betriebsratsaufgaben als Ehrenamt bei Fortbestehen der Vergütungspflichten des Arbeitgebers aus, es sollen ihm durch diese Tätigkeit keine Nachteile zur bisherigen Stellung erwachsen. Andernfalls könnte das Interesse für die Übernahme eines Betriebsratsamtes bei der Belegschaft beeinträchtigt werden.
216
Für die auf Grund des Mutterschutzgesetzes zu berücksichtigenden Beschäftigungsverbote und Mutterschaftsfristen gilt dies in gleicher Weise. Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht für die Zeiträume fort. Lediglich während einer sich anschließenden Elternzeit ruht die Vergütungsverpflichtung, so dass dann eine Herausgabe des Firmenwagens vom Arbeitgeber beansprucht werden kann.
4. Herausgabe und Entziehung des Wagens 217
Im Rahmen der Frage, wann der Mitarbeiter den Dienstwagen herausgeben muss bzw. dieser ihm entzogen werden kann, ist zunächst wieder danach zu unterscheiden, ob ihm die private Nutzungsmöglichkeit eingeräumt wurde. Ist die Nutzung auf dienstliche Belange beschränkt (rein dienstliche Nutzungsbefugnis), kann der Arbeitgeber den Dienstwagen immer dann heraus verlangen, wenn der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung mehr erbringt5. Dies gilt beispielsweise während des Urlaubs6, einer Krankheit, der Freistellung7 oder der Mutterschutzfristen8. Freilich muss in diesem Fall die Ausübung des Direktionsrechts, also das Herausgabeverlangen, im konkreten Einzelfall bil1 2 3 4 5 6 7 8
BAG v. 22.1.2002 – 9 AZR 601/00, DB 2002, 1835. Weber/Hoß/Burmester, Rz. 203. Weber/Hoß/Burmester, Rz. 203. BAG v. 23.6.2004 – 7 AZR 514/03, NZA 2004, 1287. BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 240/99, NZA 2001, 445. BAG v. 23.6.1994 – 8 AZR 537/92/99, DB 1994, 2239. LAG Sachsen v. 9.4.1997 – 10 Sa 936/96, BB 1997, 1693. BAG v. 11.10.2000 – 5 AZR 240/99, NZA 2001, 445.
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Rz. 221 Teil 3
Dienstwagenregelungen
ligem Ermessen entsprechen. Folgende Klausel könnte bei rein dienstlicher Nutzungsbefugnis in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden: Formulierungsmuster Dem Arbeitnehmer wird der Dienstwagen ausschließlich zur dienstlichen Nutzung überlassen. Eine private Nutzung ist nicht gestattet. Soweit der Arbeitgeber eine weitere dienstliche Nutzung für nicht mehr erforderlich hält oder diese durch eine arbeitsvertraglich zulässige Änderung des Tätigkeitsbereichs des Arbeitnehmers nicht mehr geboten ist, kann der Arbeitgeber die Herausgabe des Dienstfahrzeuges verlangen.
a) Kündigung des Mitarbeiters und Änderungen bei Einräumung der privaten Nutzung Ist dem Arbeitnehmer eine Nutzung des Dienstwagens auch für private Zwecke eingeräumt, so kann wie eine Entziehung des Fahrzeugs nicht einseitig erfolgen. Der Arbeitgeber kann kraft Direktionsrechtes nicht frei über den Wagen verfügen. Sofern das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung beendet worden ist, besteht mit dem Ablauf der Kündigungsfrist kein Anspruch des Arbeitnehmers mehr auf die Vergütung. Bei einer wirksamen außerordentlichen Kündigung tritt dies sofort ein. Der Arbeitgeber kann ab diesem Zeitpunkt den Dienstwagen, welcher auch für private Zwecke verwendet werden durfte, gemäß § 985 BGB herausverlangen1. Dem Arbeitnehmer steht bis zu diesem Zeitpunkt die private Nutzungsmöglichkeit als Teil seiner Vergütung zu2.
218
Für jegliche Formen der Suspendierung oder Freistellung3 von der Arbeitspflicht steht dem Arbeitnehmer auch weiterhin mangels einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung das Recht zu, den Dienstwagen privat zu nutzen.
219
Während eines anhängigen Kündigungsschutzverfahrens (nach Ablauf des Kündigungstermins) kann der Arbeitnehmer im ersten Rechtszug – sofern ihm kein Weiterbeschäftigungsanspruch zusteht – dem arbeitgeberseitigen Herausgabeverlangen auch ohne ausdrückliche vertragliche Herausgabeklauseln keinen weiteren Nutzungsanspruch entgegen setzen4. Möchte der Arbeitgeber die Nutzung des Wagens über den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung hinaus oder während Freistellungszeiten des Arbeitnehmers verhindern, muss dies ausdrücklich in den vertraglichen Regelungen aufgenommen sein.
220
Findet sich keine Vertragsvereinbarung über die Herausgabe des Fahrzeugs, kann der Arbeitgeber nachträglich eine (einvernehmliche) Änderungsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer schließen und dadurch den bestehenden Vertrag entsprechend modifizieren. Andernfalls bliebe nur noch die Variante, einseitig
221
1 Küttner/Griese, Dienstwagen, Rz. 9. 2 MüKoBGB/Schaub, § 615 Rz. 123; Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C Rz. 325. 3 LAG Sachsen v. 9.4.1997 – 10 Sa 936/96, BB 1997, 1693. 4 Preis/Lindemann, II D 20 Rz. 12; LAG München v. 11.9.2002 – 9 Sa 315/02, NZA-RR 2002, 636.
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Teil 3 Rz. 222
Typische Vertragsklauseln
im Rahmen einer Änderungskündigung die Vertragsbedingungen an geänderte Aufgaben des Arbeitnehmers anzupassen. Eine solche Änderungskündigung unterliegt jedoch den gleichen – sehr strengen – Anforderungen, die auch im Rahmen der Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung bestehen. Da der Arbeitgeber hierbei eine wirtschaftliche Existenzgefährdung darlegen müsste, kommt eine Änderungskündigung nur in den seltensten Fällen in Betracht1. 222
Für Organmitglieder juristischer Personen des Privatrechts wie der GmbH oder AG gilt, dass eine Herausgabe nur dann möglich ist, wenn neben der Abberufung das Anstellungsverhältnis nicht mehr besteht oder eine ausdrückliche Verpflichtung zur Herausgabe im Vertrag aufgenommen wurde, also die Nutzung des Dienstwagens vertraglich an die aktive Ausübung der Geschäftsführertätigkeit gebunden ist.
b) Einschränkungen und Widerrufsvorbehalte 223
Ist die private Nutzung vertraglich zugesagt worden, kann diese nicht einseitig widerrufen werden. Im Vertrag können allerdings die Widerrufsvorbehalte vereinbart werden2. Vorformulierte und für mehrere Fälle gestaltete Vertragsklauseln wie z.B. einheitlich für das Unternehmen verwendete Kfz-Überlassungsverträge sind an den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB) zu messen. Die teilweise in vorformulierten Vertragstexten enthaltene Bestimmung, wonach die private Nutzung jederzeit widerrufen werden könne, widerspricht den Anforderungen einer besonderen Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 i.V.m. 308 Nr. 4 BGB und ist damit unwirksam3. Ist im Vertrag ausdrücklich ein Widerrufsvorbehalt hinsichtlich der privaten Nutzung enthalten, müssen die konkreten Gründe für die Ausübung des arbeitsgeberseitigen Widerrufsrechts aufgezählt werden4. Es müssen dann die explizit im Vertrag genannten Gründe auch tatsächlich vorliegen, um das Widerrufsrecht wirksam auszuüben zu können, wie z.B. ein vertragswidriger Gebrauch des Wagens durch den Arbeitnehmer. Der jeweilige Widerrufsgrund sollte bei der Ausübung des Widerrufsrechts genau benannt werden.
224
Voraussetzung für die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes ist jedoch, dass das Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht maßgeblich beeinträchtigt wird. Das Äquivalenzinteresse ist nur dann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gravierend gestört, wenn der Wert der Dienstwagenüberlassung mehr als 25–30 % der gesamten Vergütung des Arbeitnehmers ausmacht5. Dies dürfte regelmäßig nicht der Fall sein. 1 BAG v. 26.8.2008 – 2 AZR 139/07, NZA 2008, 1182. 2 Zu Widerrufsvorbehalten siehe: BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465; BAG v. 11.10.2006 – 5 AZR 721/05, NZA 2007, 87. 3 Küttner/Griese, Dienstwagen, Rz. 3; BAG v. 19.12.2006 – 9 AZR 294/06; BB 2007, 1624. 4 BAG v. 13.4.2010 – 9 AZR 113/09, NZA-RR 2010, 457; BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; LAG Niedersachsen v. 17.1.2006 – 13 Sa 1176/05, NZA-RR 2006, 289. 5 BAG v. 17.9.1998 – 8 AZR 791/96, AuR 1999, 111; BAG v. 12.1 200 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465.
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Rz. 226 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Formulierungsmuster1 Der Arbeitgeber behält sich vor, die Überlassung und die dienstliche sowie private Nutzung des Dienstwagens bei Vorliegen eines sachlichen Grundes (negative wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, aufgrund der Leistung oder des Verhaltens des Arbeitnehmers) unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers zu widerrufen. Sachliche Gründe sind insbesondere – ein Rückgang des handelsbilanziellen Jahresergebnisses des Unternehmens um … % gegenüber dem vorausgegangenen Geschäftsjahr; – eine vertragswidrige Nutzung des Dienstwagens; – ein Unterschreiten der tatsächlichen dienstlichen Fahrleistung des Arbeitnehmers um mehr als 50 % der prognostizierten dienstlichen Fahrleistung; – die Erkrankung des Arbeitnehmers, soweit diese über den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgeht, – die berechtigte Freistellung des Arbeitnehmers von der Erbringung seiner Arbeitspflicht. Die Rückgabepflicht besteht nur, sofern der geldwerte Vorteil des Dienstwagens weniger als 25 % der Gesamtvergütung des Arbeitnehmers ausmacht.
c) Nutzungsentschädigung Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer in den Fällen, in denen ihm das Fahrzeug, welches er auch für private Zwecke nutzen darf, ungerechtfertigt entzogen wird, die Zahlung einer angemessenen Nutzungsentschädigung beanspruchen. Dies gilt etwa, wenn der Arbeitnehmer eine arbeitgeberseitige Kündigung erfolgreich gerichtlich angreift. Beim Überlassen eines gleichwertigen Ersatzwagens muss er etwaige finanzielle oder tatsächliche Nachteile konkret belegen. Die Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit für einen späteren Zeitpunkt als den vertraglich geschuldeten ist ausgeschlossen, weil es sich bei der Überlassung des Dienstwagens um ein absolutes Fixgeschäft handelt, welches nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden kann.
225
Die Bemessung der Höhe der Nutzungsentschädigung richtet sich nach dem Wert der Privatnutzung des zur Verfügung gestellten Wagens. Es handelt sich um eine abstrakte Schadensermittlungsmethode, da ein Ersatzfahrzeug, für das konkrete Kosten in Ansatz gebracht hätten werden können, nicht verwendet wurde. Maßgeblich sind dafür die steuerrechtlichen Grundsätze der Vorteilsermittlung und nicht die bei Kfz-Unfällen verwendeten Kostentabellen für die Berechnung des unfallbedingten Nutzungsausfallschadens2. Näheres zu den steuerrechtlichen Einzelheiten, s.u. Rz. 238 ff.).
226
1 Zitiert nach: Günther/Günther, ArbRAktuell 2011, 107. 2 BAG v. 17.1.2006 – 9 AZR 294/06, NZA 2007, 809; BAG v. 25.1.2001 – 8 AZR 412/00; BAG v. 27.5.1999 – 8 AZR 415/98, NJW 1999, 3507, AP Nr. 12 zu § 611 BGB Sachbezüge.
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Teil 3 Rz. 227
Typische Vertragsklauseln
d) Rückabwicklung und Prozessuales 227
Sofern ein Leasingvertrag für ein Dienstfahrzeug besteht, sind Klauseln im Arbeitsvertrag, wonach der Arbeitnehmer im Fall der Herausgabe des privat genutzten Wagens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sämtliche anfallende Leasingraten für die Restlaufzeit des Leasingvertrags in einem Einmalbetrag zu begleichen hat, unwirksam1. Derartige vorformulierte Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle. Der Arbeitnehmer wird durch diese Vereinbarung unangemessen benachteiligt, so dass die Grundsätze der Vertragsparität erheblich gestört sind2. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses darf der Arbeitnehmer auch nicht mehr an Kosten des im Besitz des Unternehmens befindlichen Wagens herangezogen werden.
228
Gibt der Arbeitnehmer bei einer ordnungsgemäßen Kündigung den Dienstwagen nach dem Ablauf der Kündigungsfrist verspätet zurück oder stellt sich die Rechtmäßigkeit der Kündigung erst in einem Gerichtsverfahren heraus, ist der Arbeitnehmer nach dargestellten Grundsätzen zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung an den Arbeitgeber verpflichtet3. Dem Arbeitgeber steht nach § 985 BGB ein Herausgabeanspruch zu, wenn er Eigentümer des Wagens ist und der Arbeitnehmer sich nicht auf ein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB berufen kann. Bei einem geleasten Wagen kann der Arbeitgeber sein Herausgabeverlangen auf §§ 666, 667 BGB stützen.
229
Sofern der Arbeitnehmer einem Herausgabeverlangen des Arbeitgebers unberechtigt nicht nachkommt, kann der Arbeitgeber eine auf die Herausgabe des genau bezeichneten Fahrzeugs gerichtete Klage beim zuständigen Gericht erheben. In Eilfällen ist zudem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Herausgabe des Wagens sinnvoll. Der Arbeitgeber muss als Antragsteller dann allerdings einen besonderen Verfügungsgrund glaubhaft machen, etwa durch Darlegung konkreter Gründe dafür, dass sein Recht andernfalls vereitelt oder nicht unerheblich erschwert würde oder eine besondere Eilbedürftigkeit besteht, §§ 935, 940 ZPO.
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Zu berücksichtigen sind stets auch etwaige Gegenansprüche des Arbeitnehmers, welche er im Rahmen eines Zurückbehaltungsrechtes bei privater Nutzung des Dienstwagens geltend machen könnte (ist die private Nutzung nicht vereinbart, scheidet ein Zurückbehaltungsrecht aus). In der Praxis ist es wichtig, vertraglich Regelungen über etwaige Zurückbehaltungsrechte des Arbeitnehmers zu treffen. Gerade im Hinblick auf die mögliche Bedeutung und den Wert eines Fahrzeugs für das Unternehmen, empfiehlt es sich, im Rahmen der bestehenden rechtlichen Grenzen Einschränkungen zu vereinbaren. Es ist gemäß § 309 Nr. 2b) BGB nicht zulässig, das Zurückbehaltungsrecht des Arbeitnehmers wegen fälliger Gehaltsforderungen in einem Formularvertrag gänzlich auszuschließen4. Auf Grund von Treu und Glauben nach § 242 BGB ist das Zurückbehaltungsrecht wegen rückständigen Lohns jedoch nicht gegeben, wenn 1 2 3 4
BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/03, BAGE 107, 256, NZA 2004, 484. BAG v. 9.9.2003 – 9 AZR 574/03, BAGE 107, 256, NZA 2004, 484, 485. Küttner/Griese, Dienstwagen, Rz. 13. Hümmerich/Lücke/Maur/Wisswede, § 1 Rz. 92.
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Rz. 232 Teil 3
Dienstwagenregelungen
die Zahlungsverzögerung nur kurzfristig, der Schaden des Arbeitgebers unverhältnismäßig hoch oder der Vergütungsanspruch anderweitig gesichert ist.
5. Haftungsfragen a) Allgemeine Grundsätze Zu unterscheiden sind vor allem Beschädigungen des Dienstfahrzeuges, die im Rahmen der dienstlichen Nutzung entstehen, und solchen, die bei der privaten Verwendung verursacht wurden. Bei Schadensfällen während der dienstlichen Nutzung des Wagens gelten die Regelungen über die Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers auf Grund des Arbeitsvertrages nach § 280 Abs. 1 BGB, wonach der Arbeitnehmer pfleglich und verantwortungsvoll mit dem Eigentum des Arbeitgebers umzugehen hat. Als Verschulden gemäß § 276 BGB ist Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit erfasst. Daneben kann ein etwaiger Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Aspekt der Eigentumsverletzung bestehen. Stets müssen die für beide Anspruchsgrundlagen geltenden vom BAG entwickelten Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches mit Besonderheiten für das Arbeitsrecht und damit für die dienstliche Nutzung des Fahrzeuges Berücksichtigung finden. Danach hat die Rechtsprechung grundsätzlich eine Dreiteilung des Haftungsmaßstabes vorgenommen1. Diese Dreiteilung ist allerdings nicht schematisch anzuwenden. Entscheidend ist der Einzelfall unter Abwägung aller relevanten Gesichtspunkte, wie beispielsweise Schadensfolge, Schadensanlass, Grad des Verschuldens, Gefahrgeneigtheit der Arbeit, Bestehen von Versicherungsschutz, Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb, die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers sowie dessen Gehaltshöhe2. Denkbar ist somit auch eine lediglich anteilige Haftung des Arbeitnehmers trotz grober Fahrlässigkeit3.
231
b) Leichteste Fahrlässigkeit Bei leichtester Fahrlässigkeit existiert keine Haftung seitens des Arbeitnehmers4. Fahrlässigkeit ist das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Bei der leichtesten Fahrlässigkeit handelt es sich um Pflichtverstöße, die im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses von Umfang und Schwere als verzeihlich und geringfügig anzusehen sind. Für die dienstliche Nutzung des Wagens entschied das BAG, dass eine Selbstbeteiligung des Arbeitnehmers von 1000 Euro auch in allen Fällen leichtester Fahrlässigkeit bei gleichzeitiger Möglichkeit, das Fahrzeug zusätzlich privat zu verwenden, als unzulässige Belastung und damit als unwirksame Vertragsregelung angesehen wurde5. Eine vertragliche Regelung, wonach der Arbeitnehmer in allen Fällen der Fahrlässigkeit gleichermaßen für Unfallschäden bis zur Höhe einer bestimmten fest1 BAG v. 27.9.1994 – Gs 1/89 (A), NZA 1994, 1083; BAG v. 16.2.1995 – 8 AZR 493/93, NZA 1995, 565; BAG v. 23.1.1997 – 8 AZR 893/93, NZV 1997, 352. 2 Hümmerich/Reufels/Borgmann, S. 684, Rz. 2188. 3 BAG v. 23.1.1997 – 8 AZR 893/93, NZV 1997, 352. 4 BeckOK/Hoffmann, § 105 GewO Rz. 266. 5 BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, BB 2004, 1507, NZA 2004, 649.
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Teil 3 Rz. 233
Typische Vertragsklauseln
gelegten Selbstbeteiligung haften muss, ist unwirksam, weil sie einen Verstoß gegen die begrenzte Arbeitnehmerhaftung darstellen1. 233
Dieses Haftungsprivileg umfasst vom personellen Anwendungsbereich auch leitende Angestellte, die bei einer dienstlichen Nutzung des Wagens einen Schaden verursachen. Dies ist sachgerecht, denn es können erhebliche Haftungsrisiken bestehen, deren Übernahme auch durch das gegenüber Arbeitnehmern in nicht-leitenden Positionen bessere Einkommen nicht gerechtfertigt wäre. Für Organe juristischer Personen wie Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer gelten die oben dargestellten Grundsätze mangels eines Arbeitsverhältnisses zwar normalerweise nicht. Es wird teilweise jedoch erwogen, diese analog für die Konstellationen anzuwenden, in denen eine Pflicht verletzt wird, welche nicht unter die Organpflichten subsumiert wird. Die Verursachung eines Schadens am Dienstfahrzeug bei einer dienstlichen Nutzung wäre danach ebenfalls umfasst2.
c) Mittlere Fahrlässigkeit 234
Bei mittlerer Fahrlässigkeit kommt es grundsätzlich zu einer Quotelung der Haftung nach § 254 BGB analog, wobei bestimmte, folgend näher aufgeführte Kriterien einzubeziehen sind. Die mittlere Fahrlässigkeit umfasst normale Pflichtverstöße zwischen den Extremfällen der leichtesten und der groben Fahrlässigkeit. Eingang in die Bildung der Haftungsquoten haben dabei insbesondere die Schwere des Verschuldens, die Höhe des Schadens, die Versicherbarkeit und Einschätzbarkeit des Risikos (z.B. Abschluss einer Vollkaskoversicherung), die Gefährlichkeit („Gefahrengeneigtheit“) der Tätigkeit, das Verhältnis von Schadenshöhe zur Vergütung des Arbeitnehmers, Aufgabenbereich, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers sowie etwaige frühere vom Arbeitnehmer verursachte Schadensfälle3.
d) Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit 235
Im Falle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers besteht grundsätzlich eine volle Haftung des Arbeitnehmers. Von grober Fahrlässigkeit spricht man, wenn der Arbeitnehmer die Grundsätze nicht beachtet, die jedem in der Situation eingeleuchtet hätten, also bei besonders gravierenden, krassen und schwer wiegenden Pflichtverstößen. Hierzu hat die Rechtsprechung eine umfassende Kasuistik entwickelt. Als Fälle grober Fahrlässigkeit wurden etwa das Betanken des Wagens mit dem falschen Treibstoff, das Verursachen von Unfällen auf Grund von Handytelefonaten oder wegen des Missachtens der genauen Fahrzeugabmessungen qualifiziert4. Grob fahrlässig ist regelmäßig auch die Trunkenheitsfahrt. Ausnahmen existieren lediglich, wenn im Fall grober 1 BeckOK/Hoffmann, § 105 GewO Rz. 272; BAG v. 5.2.2004 – 8 AZR 91/03, BB 2004, 1507, NZA 2004, 649. 2 Preis/Lindemann, II D 20, Rz. 26. 3 BeckOK/Hoffmann, § 105 GewO Rz. 267; BAG v. 23.1.1997 – 8 AZR 893/95, NZA 1998, 140, 141. 4 BAG v. 12.11.1998 – 8 AZR 221/97, NZA 1999, 263.
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Rz. 238 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Fahrlässigkeit ein krasses Missverhältnis zwischen Schadenshöhe, Schadensanlass und Vergütung des Arbeitnehmers vorliegt1.
e) Sonstige Regelungen Regelungen im Vertrag, wonach der Arbeitnehmer im Falle der unerlaubten, also vertragswidrigen Weitergabe des Fahrzeuges an dritte Personen bei einem Unfall die volle Einstandspflicht für den Schaden trägt, sind zulässig. Dies gilt sogar, wenn der Unfall von der dritten Person nicht verschuldet wurde2. Ist der Arbeitgeber seiner Obliegenheit zum Abschluss einer Kaskoversicherung für das Fahrzeug nicht nachgekommen, haftet der Arbeitnehmer in jedem Fall – also unabhängig von den Prinzipien über den innerbetrieblichen Schadensausgleich – nur bis zur Höhe einer angemessenen Selbstbeteiligung, die derzeit etwa 325–500 Euro beträgt3. Den Arbeitgeber trifft damit bei Kfz eine Obliegenheit zum Abschluss einer angemessenen Vollkaskoversicherung zu den üblichen Konditionen wie etwa einem Selbstbehalt4.
236
Dritten gegenüber wie etwa dem Unfallgegner haftet der Arbeitnehmer auch bei dienstlicher Nutzung des Dienstfahrzeuges voll, denn die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleiches gelten jeweils nur im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Jedoch steht dem Arbeitnehmer in diesen Konstellationen ein Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber in Höhe des Teils, für welchen die Grundsätze über die Haftungsprivilegierung eingreifen würden. Dieser Freistellungsanspruch gegen den Arbeitgeber stützt sich auf §§ 670, 675 BGB analog, teilweise wird er aus § 242 BGB hergeleitet5. Der Arbeitnehmer hat für alle Unfälle, die sich während der privaten Nutzung des Dienstwagens ereignen, voll einzustehen. Es ist zwar in vielen Fällen schwierig, klar zwischen ausschließlich dienstlicher und privater Nutzung zu differenzieren. In der Praxis ist dieses Problem häufig dadurch entschärft, dass viele Vollkaskoversicherungen abgeschlossen werden, bei denen auch Schäden auf Grund einer privaten Nutzung vom Versicherungsschutz umfasst werden. Sollte es im Einzelfall auf eine Differenzierung ankommen, ist etwa bedeutsam, dass Schäden, die auf Fahrten zwischen der Arbeitsstätte und der Wohnung verursacht werden, als vom Bereich der Privatnutzung erfasst angesehen werden.
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II. Steuerrecht 1. Lohnsteuer Überlasst die GmbH aufgrund des Anstellungsvertrages dem Geschäftsführer unentgeltlich einen Pkw, handelt es sich gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG um „andere Vorteile“ aus dem Arbeitsverhältnis, die (lohn)steuerpflichtig sind6. 1 2 3 4 5 6
BAG v. 23.1.1997 – 8 AZR 893/93, NZV 1997, 352. Preis/Lindemann, II D 20, Rz. 25. Preis/Lindemann, II D 20, Rz. 23. LAG Köln v. 22.12.2004 – 7 Sa 859/04, BB 2006, 335. BeckOK/Hesse, § 619 a BGB Rz. 40. BFH v. 9.11.2005 – VI R 27/05, BStBl. 2006 II, 408; Thomas, DB 2006, Beilage 6, S. 58 ff.
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Teil 3 Rz. 239
Typische Vertragsklauseln
Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft einen Pkw least und dem Geschäftsführer unentgeltlich überlässt oder sonst ein Dritter (z.B. eine konzernangehörige Gesellschaft) dem Geschäftsführer einen Pkw unentgeltlich überlässt, solange die Gesellschaft (= Arbeitgeber) die Kosten hierfür übernimmt1. Eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung liegt auch dann vor, wenn der Geschäftsführer zwar zivilrechtlicher Eigentümer, die Gesellschaft aber wirtschaftlicher Eigentümer gemäß § 39 AO ist2. An der Qualifikation als geldwerter Vorteil i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ändert sich auch nichts, wenn die Gesellschaft dem Geschäftsführer einen büromäßig ausgestatteten Pkw mit Fahrer zur Verfügung stellt, damit der Geschäftsführer während der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte schon arbeiten kann3. 239
Erstattet die Gesellschaft dagegen dem Geschäftsführer sämtliche Kosten für die betriebliche Nutzung des Pkw, das sich im Eigentum (auch wirtschaftlichem Eigentum) des Geschäftsführers befindet, liegt Barlohn vor und kein Sachbezug. Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer ist der Barlohn4. Eine Pauschalierung der Lohnsteuer gem. § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG kommt in Betracht, wenn der Erstattungsbetrag der Gesellschaft die Entfernungspauschale gem. § 9 Abs. 2 EStG nicht übersteigt.
240
Bei der Bewertung der Nutzungsvorteile kann der Geschäftsführer gem. § 8 Abs. 2 EStG wählen: Die Nutzungsvorteile können pauschal durch die 1 %-Regelung oder konkret durch die Aufteilung der privat und beruflich veranlassten Kosten besteuert werden. Für letzteres ist die ordnungsgemäße Führung eines Fahrtenbuches notwendig. In der Praxis dürfte die Pauschalbesteuerung überwiegen, schon allein deshalb, weil die Anforderungen an ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch streng sind.
241
Bei der Pauschalbesteuerung wird der private Nutzungsvorteil monatlich mit 1 % des Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer angesetzt. Der Listenpreis ist die auf volle 100 Euro abgerundete Preisempfehlung des Herstellers5. Kann der Geschäftsführer den Pkw auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle nutzen, erhöht sich der Nutzungsvorteil um 0,03 % des Listenpreises für jeden Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitstätte. Beispiel: Listenpreis einschließlich Mehrwertsteuer 36 430.00 Euro. Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitstätte beträgt 25 km. Berechnung: Listenpreis 36 430,00 Euro, abgerundet 36 400,00 Euro × 1 % zzgl. 36 400,00 Euro × (0,03 % × 25 km) Summe mtl. oder einfacher: 1 % + (0,03 % × 25km = 0,75 %) = 1,75 % × 36 400,00 Euro 1 2 3 4 5
364,00 Euro 273,00 Euro 637,00 Euro 637,00 Euro.
Küttner/Thomas, Personalbuch, 15. Aufl., „Dienstwagen“ Rz. 17. BFH v. 26.7.2001 – VI R 122/98, BStBl. 2001 II, 844 = NZA-RR 2002, 258. BFH v. 27.9.1996 – VI R 84/95, BStBl. 1997 II, 147 = BB 1996, 2601. BFH v. 6.11.2001 – VI R 54/00, BStBl. 2002 II, 164 = BB 2002, 338. R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 Satz 6 LStR 2011.
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Rz. 244 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Sonderaustattungen sind – auch nachträglich – eingebaute Navigationsgeräte, Diebstahlsicherungssysteme; dagegen nicht der Wert eines Autotelefons einschließlich Freisprecheinrichtung sowie der Wert eines weiteren Satzes Reifen einschließlich der Felgen1. Sollten besondere Sicherheitsvorkehrungen für den Pkw nötig sein (z.B. zusätzliche Panzerung oder schusssichere Scheiben) kann der Listenpreis des leistungsschwächeren Pkws zugrunde gelegt werden, das dem Geschäftsführer zur Verfügung gestellt werden würde, wenn die Sicherheit nicht gefährdet wäre2.
242
Wird dem Geschäftsführer zusätzlich noch ein Fahrer durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, nimmt die Finanzverwaltung bisher Zuschläge zwischen 20 % und 50 % des Sachbezuges vor3. Diese Handhabung ist wegen BFH vom 22. September 20104 jedenfalls für den Zuschlag für die Benutzung des Pkws zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG zweifelhaft und bei der Lohnsteuerbetriebsprüfung anzugreifen. Für Veranlagungszeiträume bis 2000 lässt es der VI. Senat nunmehr offen, ob die Gestellung eines Fahrers einen (weiteren) lohnsteuerpflichtigen Vorteil begründet. Darüber hinaus wird für Veranlagungszeiträume bis 2000 dieser lohnsteuerrechtliche Vorteil durch einen Werbungskostenabzug in gleicher Höhe kompensiert. Für Veranlagungszeiträume ab 2001 hat der VI. Senat dies wegen der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale in § 9 Abs. 2 EStG offen gelassen. Da gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Ausnahme von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale nur noch bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angenommen werden kann, wird ein korrespondierender Werbungskostenabzug bei der Fahrergestellung schwer zu begründen sein. Vor diesem Hintergrund sollte daher bei Betriebsprüfungen für Veranlagungszeiträume ab 2001 umso mehr auf den fehlenden lohnsteuerrechtlichen Vorteil der Personalgestellung durch den Arbeitgeber abgestellt werden.
243
Beteiligt sich der Geschäftsführer an den Kosten der Anschaffung durch Zuzahlungen, liegt die Anschaffung eines „Nutzungsrechts“ an dem PKW vor. Der Geschäftsführer kann Absetzungen für Abnutzungen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 EStG geltend machen. Die Anschaffungskosten des „Nutzungsrechts“ sind über die voraussichtliche Gesamtdauer linear abzuschreiben. Die Pauschalbesteuerung durch die 1 %-Regelung steht dem nicht entgegen5. Die Finanzverwaltung hat auf diese Entscheidung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt in den Zuzahlungen nicht die Anschaffung eines Nutzungsrechts, das linear abzuschreiben wäre, sondern eine Minderung des geldwerten Vorteils bei der Privatnutzung des Pkws. Entgegen der Lohnsteuerrichtlinie 2008 können die Zuzahlungen allerdings nicht nur im Zahlungsjahr, sondern auch in den darauffol-
244
1 2 3 4
R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 Satz 6 LStR 2011. R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 Satz 7 LStR 2011. R 8.1 Abs. 10 LStR 2011. BFH v. 22.9.2010 – VI R 54/09, BStBl. 2011, 354 = FR 2011, 285 mit Anm. von Bergkemper und Urban; nach Finanzverwaltung bleibt die bisherige lohnsteuerrechtliche Handhabung unberührt, BMF, Schr. v. 1.4.2011 – IV C 5 - S 2334/08/10010, BStBl. 2011 I, 301, Tz. 15 mit Verweis auf R. 8.1 (10) LStR 2011. 5 BFH v. 18.10.2007 – VI R 57/06, BStBl. 2009 II, 1999.
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Teil 3 Rz. 245
Typische Vertragsklauseln
genden Kalenderjahren berücksichtigt werden1. Der Listenpreis des Pkws ist um die Zuzahlungen zu mindern. 245
Der Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG für die Nutzung des Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist nur vorzunehmen, wenn der Geschäftsführer den Pkw auch tatsächlich für diese Strecke nutzt. Es besteht zwar ein Anscheinsbeweis, wenn dem Geschäftsführer ein Pkw auch für die Privatnutzung zur Verfügung gestellt wird, dass er den Pkw dann auch für die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzt. Dieser Anscheinsbeweis kann durch den Geschäftsführer entkräftet werden, etwa durch die Vorlage einer Jahresbahnfahrtkarte2. Kann der Geschäftsführer nachweisen, dass er eine Teilstrecke mit dem Pkw und eine weitere Teilstrecke mit anderen Verkehrsmitteln zurücklegt, beschränkt sich die Pauschalbesteuerung nach der 0,03 %-Regelung auf die tatsächlich mit dem Pkw zurückgelegten Entfernungskilometer3. Die Finanzverwaltung will beide Entscheidungen nur im Wege der „Billigkeit“ anwenden4.
246
Bei Familienheimfahrten im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung bestehen Besonderheiten. Grundsätzlich erhöht sich die Bemessungsgrundlage für die Familienheimfahrten um 0,002 % des Listenpreises; dies gilt jedoch nicht, wenn es sich um diejenigen Familienheimfahrten handelt, für die ein Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG in Betracht kommt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG können für eine Familienheimfahrt wöchentlich Aufwendungen für jeden Entfernungskilometer zwischen dem Beschäftigungsort und dem eigenen Hausstandes in Höhe von 0,30 Euro angesetzt werden. Ein steuerbarer Nutzungsvorteil liegt daher erst dann vor, wenn der Geschäftsführer mehr als eine Familienheimfahrt in der Woche unternimmt. Beispiel: Listenpreis 36 430,00 Euro. Wohnort ist Köln. Beschäftigungsort ist Frankfurt (Entfernung 150 km). Der Geschäftsführer fährt a) montagsmorgens nach Frankfurt und kehrt Freitagnachmittags zurück; b) montagsmorgens nach Frankfurt und kehrt am Mittwochabend zurück; am Donnerstagmorgen fährt er wieder nach Frankfurt und kehrt Samstagabends zurück. Alternative a): Es handelt sich um eine Familienheimfahrt in der Woche (Hinfahrt am Montag; Rückfahrt am Freitag); eine Besteuerung erfolgt nicht; umgekehrt ist aber auch kein Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG möglich. Alternative b): Es findet nicht eine Familienheimfahrt in der Woche statt, sondern zwei (Montag und Mittwoch; Donnerstag und Samstag). Die zweite Familienheimfahrt wird angesetzt; Berechnung: 1 % + (0,002 % × 300 km (wg. Hin- und Rückfahrt) = 0,6 %) = 1,6 % × 36 400,00 Euro 1 2 3 4
582,40 Euro.
BMF, Schr. v. 6.2.2009 – IV C5-S2334/08/10003, BStBl. 2009 I, 413. BFH v. 28.8.2008 – VI R 52/07, FR 2009, 297. BFH v. 4.4.2008 – VI R 68/05, DStR 2008 182. BMF, Schr. v. 23.10.2008 – IV C5-S2334/08/10010, BStBl. 2008 I, 961 = BB 2008, 2431 = FR 2008, 1179; v. 17.7.2007 – I R 83/07, BFH/NV 2009, 417.
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Rz. 252 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Ein Werbungskostenabzug für diese zweite Familienheimfahrt in Höhe von 0,30 Euro für jeden Folgekilometer dürfte wegen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 6 EStG nicht in Betracht kommen („Aufwendungen für Familienheimfahrten …“).
Die konkrete Aufteilung in privat und beruflich veranlasste Fahrzeugkosten erfordert ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch. Abzugrenzen sind die privat von den betrieblich veranlassten Fahrten. Für Dienstfahrten sind folgende Angaben erforderlich1:
247
– Datum und Kilometerstand zu Beginn und am Ende jeder einzelnen Auswärtstätigkeit, – Reiseziel und bei Umwegen auch die Reiseroute, – Reisezweck und aufgesuchte Geschäftspartner. Elektronische Fahrtenschreiber oder vergleichbare technische Einrichtungen werden anerkannt, solange sie die aufgeführten Einzelangaben wiedergeben2.
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Für Privatfahrten genügen die jeweiligen Kilometerangaben; bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitstätte reicht ein Vermerk im Fahrtenbuch aus.
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Das Fahrtenbuch muss fortlaufend geführt werden, ein „repräsentativer Ausschnitt“ für einen beschränkten Zeitraum reicht nicht aus3. Diese Vorgabe der Finanzverwaltung ist durchaus nachvollziehbar, da die Gesamtkosten eines Jahres in betriebliche sowie privat veranlasste Kosten aufzuteilen sind; es gibt demnach keinen „repräsentativen Zeitraum“, der hochgerechnet werden könnte.
250
Wird das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt, kann es für die Abgrenzung der privat veranlassten Kosten nicht mehr zugrunde gelegt werden; die Pkw-Überlassung wird dann pauschal besteuert.
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2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern Bei Gesellschafter-Geschäftsführern bedarf es für die Überlassung eines Pkws zur Privatnutzung einschließlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einer im Vorhinein getroffenen, zivilrechtlich wirksamen, schriftlichen Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Geschäftsführer; ansonsten liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der Kapitalgesellschaft vor4. Eine verdeckte Gewinnausschüttung besteht auch bei einer vertragswidrigen Nutzung des Pkws für private Zwecke, wenn nach der vertraglichen Regelung ausdrücklich die Überlassung des Pkws nur für berufliche Zwecke gestattet ist5. In neueren Entscheidungen wird formuliert, dass die private Nutzung des Pkws durch eine „fremdübliche Überlassungs- oder Nutzungsvereinbarung“ abgedeckt sein muss6. Da es fremdüblich ist, Arbeitnehmern oder Fremd1 2 3 4 5 6
R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 3 LStR 2011. R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 6 LStR 2011. R 8.1 Abs. 9 Nr. 2 Satz 5 LStR 2011. BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. 2005 II, 882. BFH v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057 = GmbHR 2008, 601. BFH v. 17.7.2008 – I R 83/07, GmbHR 2009, 327.
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252
Teil 3 Rz. 253
Typische Vertragsklauseln
geschäftsführern unentgeltlich einen Pkw zur Verfügung zu stellen, dürfte eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung an den Gesellschafter-Geschäftsführer an sich unschädlich sein, soweit es für diese unentgeltliche Nutzungsüberlassung eine ausdrückliche vertragliche Regelung gibt. 253
Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft bestimmt sich die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung bei einer fehlenden schriftlichen Vereinbarung oder bei einer vertragswidrigen Nutzung durch den Geschäftsführer nicht nach der 1 %-Regelung gemäß § 8 Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Sie bemisst sich vielmehr nach dem gemeinen Wert der Nutzungsüberlassung an den Gesellschafter-Geschäftsführer unter Berücksichtigung des Fremdvergleichs. Bei der Ermittlung des gemeinen Wertes ist ein Gewinnaufschlag einzubeziehen. Da ein gemeiner Wert nur schwer ermittelt werden kann, wird in der Praxis vielfach geschätzt. Die Mietraten gewerblicher Fahrzeugüberlasser liefern allenfalls grobe Orientierungspunkte, da die Kapitalgesellschaft nicht als Vermieter auftritt und daher auch eine andere Kostenrechnung vornimmt. Bemessungsgrundlage ist daher in der Regel die konkrete Kostenberechnung durch das Unternehmen, wobei der Gewinnaufschlag zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Gesellschafter-Geschäftsführer geteilt werden kann1. Der Gewinnaufschlag ist zu schätzen. Konkrete Vorgaben gibt es in der Rechtsprechung nicht2.
254
Problematisch ist, wie die Nutzungsüberlassung auf der Ebene des Gesellschafters zu qualifizieren ist.
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Nutzt der Gesellschafter-Geschäftsführer einen Pkw ohne vertragliche Vereinbarung, ist die Privatnutzung als Arbeitslohn zu erfassen; die Pauschalierungsvorschriften (1 %-Regelung sowie die 0,03 %-Regelung für Fahrten Wohnung/ Arbeit) sind anzuwenden3.
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Bei einer vertragswidrigen Nutzung ist die Rechtslage unklar. Die Rechtsprechung hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die vertragswidrige private Nutzung eines betrieblichen Pkws durch einen Gesellschafter-Geschäftsführer stets als Arbeitslohn zu qualifizieren sei4. An dieser Rechtsprechung will der VI. Senat auf Anfrage des I. Senats nicht mehr uneingeschränkt festhalten5. Die vertragswidrige Nutzung eines betrieblichen Pkws stellt regelmäßig keinen Arbeitslohn da, da der Vorteil gegen den Willen des Arbeitgebers erzielt wird. Allerdings kommt bei einer „nachhaltigen vertragswidrigen“ privaten Nutzung eines betrieblichen Pkws möglicherweise doch Arbeitslohn in Betracht, wenn das Nutzungsverbot bzw. die Nutzungsbeschränkung nicht ernsthaft von dem 1 Aus neuerer Zeit BFH v. 16.9.2009 – I B 70/09, BFH/NV 2010, 247. 2 FG München v. 4.8.2008 – 7 K 3056/06 erkannte 5 %-Gewinnaufschlag an; BFH v. 16.9.2009 – I B 70/09, BFH/NV 2010, 247 ließ auch 10 %-Gewinnauschlag zu. 3 FG Köln v. 26.3.2008 – 5 K 1599/07, EFG 2008, 1204 zu Gesellschafter-Geschäftsführer; der BFH hat die Revision gegen die Entscheidung des FG Köln als unzulässig (!) zurückgewiesen. 4 BFH v. 19.12.2003 – VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488; v. 13.4.2005 – VI B 59/04, BFH/NV 2005, 1300. 5 BFH v. 15.11.2007 – VI ER-S 4/07 (soweit ersichtlich nicht veröffentlicht), zitiert nach BFH v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057 = GmbHR 2008, 601 sowie v. 23.4.2009 – VI B 118/08, BFH/NV 2009, 1188.
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Rz. 257 Teil 3
Dienstwagenregelungen
Arbeitgeber überwacht wird. Es sei im Einzelfall aufgrund einer „wertenden Betrachtung aller Gesamtumstände“ zu prüfen, ob die „vertragswidrige“ Privatnutzung nicht durch eine konkludente Vereinbarung geändert worden ist1. Die „Differenzierungskünste“ der Rechtsprechung überzeugen nicht. Für die Ebene der Kapitalgesellschaft hat der I. Senat inzwischen festgestellt, dass die vertragswidrige Nutzung eines betrieblichen Pkws eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt2. Konsequenterweise müsste dies auch für die Ebene des Gesellschafters gelten3. Eine vertragswidrige Nutzung des betrieblichen Pkws wäre dann auch auf Ebene des Gesellschafters eine verdeckte Gewinnausschüttung und kein Arbeitslohn. Auf der Ebene des Gesellschafters wird die verdeckte Gewinnausschüttung durch die Abgeltungsteuer gemäß § 32d EStG erfasst. Ebenso wenig dürfte es sinnvoll sein, auf der Ebene des Gesellschafters zwischen einer Nutzung ohne vertragliche Vereinbarung oder gegen eine vertragliche Vereinbarung zu unterscheiden. Auch hier sollte konsequenterweise einheitlich von einer verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene des Gesellschafters auszugehen sein. Formulierungsmuster Die Gesellschaft stellt dem Geschäftsführer für die Dauer des Anstellungsvertrages einen Pkw der Marke (…), Typ (…), zur Verfügung. Der Geschäftsführer kann einen vergleichbaren Pkw einer anderen Marke verlangen. Der Listenpreis darf den Listenpreis des Pkws nach vorstehendem Satz (1) um nicht mehr als (…) Euro überschreiten. Der Geschäftsführer darf den Pkw privat nutzen (alternativ: Der Geschäftsführer darf den Pkw nicht privat nutzen.). Der Geschäftsführer kann entscheiden, wie die Privatnutzung versteuert wird. Der Geschäftsführer teilt dies der Gesellschaft mit Übergabe des Pkw mit. Der Geschäftsführer ist an diese Bestimmung für jeweils ein Wirtschaftsjahr gebunden.
1 BFH v. 23.4.2009 – VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311 = GmbHR 2009, 833; v. 11.2.1010 – VI R 43/09, BFH/NV 2010, 1016 = FR 2010, 624 mit Anm. Bergkemper. 2 BFH v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057 = GmbHR 2008, 601. 3 So müsste auch die Entscheidung des BFH v. 23.1.2008 – I R 8/06, BFH/NV 2008, 1057 = GmbHR 2008, 601 zu verstehen sein; insoweit wörtlich: „Der VI. Senat hat auf entsprechende Anfrage durch den erkennenden Senat (Beschluss v. 21. August 2007) jedoch mitgeteilt, dass er an seiner bisherigen Rechtsauffassung nicht länger festhält (Beschluss v. 15. November 2007 VI ER -S- 4/07). Die Frage danach, ob die private Nutzung des PKW gesellschaftlich (mit-)veranlasst ist, wird sonach v. I. Senat des BFH (für die Ebene der Kapitalgesellschaft) und v. VI. Senat des BFH (für die Ebene des Gesellschafter-Geschäftsführers) übereinstimmend beantwortet; die Unterschiedsbetragsminderung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG bei der Kapitalgesellschaft ist folglich objektiv geeignet, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen.“
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C. Arbeitszeit I. Arbeitsrecht 258
Die zu leistende Arbeitszeit gehört zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen des Anstellungsvertrages mit Arbeitnehmer-Führungskräften. Die Regelungen umfassen sowohl die Dauer der Arbeitszeit als auch ihre Lage. Zudem finden sich regelmäßig Vereinbarungen bezüglich der Ableistung von Überstunden/ Mehrarbeit und deren Abgeltung. Von Führungskräften wird oft ein weit überdurchschnittliches Engagement für das Unternehmen erwartet. Häufig wird ihnen modernstes technisches Equipment, vom Laptop bis zum Smartphone zur Verfügung gestellt, um eine jederzeitige Erreichbarkeit zu gewährleisten1. Solche Erwartungen führen nicht selten zu einer hohen psychischem Druck2 und können unter Umständen mit den Vorgaben des ArbZG kollidieren. Auch Führungskräfte fallen, sofern es sich nicht um Organführungskräfte oder leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt unter das ArbZG. Bei Organmitgliedern (Vorstand und GmbH-Geschäftsführern), die in keinem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stehen, scheitert die Anwendbarkeit des ArbZG schon an der fehlenden Arbeitnehmereigenschaft, vgl. § 1 i.V.m. § 2 ArbZG. Zudem sind weitere spezielle Arbeitnehmergruppen vom Anwendungsbereich des ArbZG ausgeschlossen, so etwa Chefärzte, vgl. § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG.
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte a) Arbeitnehmer 259
Im Anwendungsbereich des ArbZG gelten zwingende Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen, sowie Einschränkungen bezüglich der Sonn- und Feiertagsarbeit. Da die Regelungen des ArbZG für Führungskräfte kaum praktische Relevanz besitzen, mag insofern ein kurzer Überblick im behandelten Kontext ausreichen. § 3 ArbZG bestimmt zunächst, dass die werktägliche Arbeitnehmer acht Stunden nicht überschreiten darf. Sie kann zwar auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wobei allerdings der Sechs-Monats-Durchschnitt von acht Stunden pro Tag eingehalten werden muss. Zudem legt § 4 ArbZG verbindliche Ruhepausen fest, deren Länge sich in Abhängigkeit von der Dauer der täglichen Arbeitszeit bestimmt. Ist die tägliche Arbeitszeit beendet, muss dem Arbeitnehmer bis zum nächsten Arbeitsbeginn, eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden zustehen, vgl. § 5 ArbZG. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist daneben das grundsätzliche Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit in § 9 ArbZG, sowie die gesetzlichen Ausnahmen hiervon, vgl. § 9 Abs. 2 und 3, § 10 ArbZG. Von den Regelungen des ArbZG kann auch nur in wenigen Fällen in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages abgewichen werden, vgl. § 7 und § 12 ArbZG.
260
Die Parteien sind innerhalb der gesetzlichen Grenzen grundsätzlich frei in der Ausgestaltung der vertraglichen Regelung. Unzulässig wird aber eine Verein1 Vgl. Bissels/Domke/Wisskirchen, DB 2010, 2052 ff., 2052. 2 Bissels/Domke/Wisskirchen, DB 2010, 2052 ff., 2052.
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Rz. 265 Teil 3
Arbeitszeit
barung sein, nach der der Arbeitgeber einseitig die Dauer der Arbeitszeit bestimmen kann, da ihm hier die Möglichkeit eingeräumt würde, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung einseitig zu verändern1. Die Lage der Arbeitszeit bestimmt sich primär nach der Vereinbarung im Arbeitsvertrag. Die Gestaltungsvarianten sind in diesem Bereich sehr vielfältig. Sie reichen von der Verteilung der Wochenarbeitszeit auf einzelne Wochentage über Gleitzeitmodelle bis hin zu Monats- bzw. Jahresarbeitszeitmodellen. Trifft der Arbeitsvertrag keine diesbezügliche Regelung, so kann der Arbeitgeber über die Lage der Arbeitszeit im Rahmen seines Direktionsrechts nach billigem Ermessen entscheiden2.
261
Arbeitszeitregelungen sind in einem erheblichen Umfang der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bestimmt, dass der Betriebsrat hinsichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage mitzubestimmen hat.
262
b) Leitende Angestellte i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG Bei Führungskräften besteht allerdings die Besonderheit, dass diese ihre Arbeitszeit in aller Regel selbst bestimmen und zudem Aufgaben nach ihrem Ermessen an andere Mitarbeiter delegieren können. Sie bestimmen damit in einem gewichtigen Umfang selbst über ihre Arbeitsbelastung. Auf diese Grundannahme ist auch die Herausnahme der leitenden Angestellten aus dem Geltungsbereich des ArbZG zurückzuführen. Leitende Angestellte unterliegen bezüglich ihrer Arbeitszeit in der Regel keiner Weisungsbefugnis des Arbeitgebers. Andererseits wird von ihnen auf Grund ihrer herausgehobenen Position im Unternehmen und der gesteigerten Treuebindung, die Erbringung auch zeitlich intensiverer Arbeitsleistungen erwartet. Die Arbeitsleistung der Führungskraft erfolgt nicht zeitorientiert, wie bei nachgeordneten Arbeitnehmern, sondern zweckorientiert. Das BAG hat früh bereits ausgeführt, dass „eine strenge Beschränkung und Kontrolle der Arbeitszeit (…) mit den Aufgaben eines leitenden Angestellten unvereinbar“ ist3.
263
Die Grenze zur Unzulässigkeit dürfte aber auch bei leitenden Angestellten dann erreicht sein, wenn der Arbeitnehmer sein Privatleben gänzlich hinter die Arbeitsleistung zurückzustellen hat, um ausschließlich seiner Arbeitspflicht nachzukommen4. Ebenso ist der Arbeitgeber verpflichtet gegen eine übermäßige Arbeitsbelastung einzuschreiten, wenn die Gesundheit des Arbeitnehmers gefährdet ist.
264
Grundsätzlich kann der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer auch keine Mehrarbeit zuweisen, wenn keine entsprechende vertragliche Verpflichtung fest-
265
1 Kelber in: Kelber/Hansen/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 127. 2 Vgl. umfassend Gragert in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 12 Rz. 59 ff. 3 BAG v. 17.11.1966 – 5 AZR 225/66, NJW 1967, 413 f., 413. 4 Aus der Rspr.: BAG v. 13.3.1967 – 3 AZR 133/66, NJW 1967, 1631 ff.
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Teil 3 Rz. 266
Typische Vertragsklauseln
gelegt ist1. Dies gilt jedoch nicht für Führungskräfte. Diese sind grundsätzlich verpflichtet, auch ohne eine entsprechende Vereinbarung über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus Mehrarbeit zu leisten2. Zulässig ist bei Führungskräften nach der älteren Rechtsprechung zudem eine Vereinbarung, nach der die geleistete Mehrarbeit mit dem gewährten Arbeitslohn pauschal als abgegolten anzusehen sein soll. Ihnen ist grundsätzlich auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung keine Überstundenvergütung zu gewähren3. 266
Nach Ansicht des BAG kommt in einem solchen Fall bei leitenden Angestellten nur dann eine besondere Vergütung für Überstunden in Betracht, wenn seine vertraglichen Bezüge lediglich eine bestimmte zeitliche Normalleistung abgelten sollen oder wenn ihm zusätzliche Arbeiten außerhalb seines eigentlichen Aufgabenkreises übertragen werden4.
267
Auch formularmäßig vereinbarte pauschale Abgeltungsklauseln sind grundsätzlich zulässig. Allerdings hat das BAG jüngst die Hürden für die Wirksamkeit einer solchen Abgeltungsklausel im Hinblick auf das Transparenzgebot sehr hoch gelegt. Es entschied, dass eine die pauschale Vergütung von Mehrarbeit regelnde Klausel nur dann klar und verständlich ist, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen von ihr erfasst sein sollen5. Der Umfang der Leistungspflicht müsse so bestimmt oder zumindest durch die konkrete Begrenzung der Anordnungsbefugnis hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Überstunden so bestimmbar sein, dass der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsschluss erkennen könne was ggf. „auf ihn zukommt“ und welche Leistung er für die vereinbarte Vergütung erbringen muss6.
268
Eine entsprechende Vertragsklausel könnte folgendermaßen formuliert werden: Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt X Stunden. Darüber hinaus geleistete Überstunden bis zu einer Anzahl von X Überstunden sind mit der Vergütung abgegolten.
269
Teilweise wird bei Spitzenverdienern (über ca. 60 000 Euro Jahresbruttogehalt) aber weiterhin eine pauschale Abgeltung für zulässig gehalten und eine entsprechende Abgeltungsklausel einschränkungslos formuliert7. Ob sich das BAG dem anschließen wird, erscheint zweifelhaft.
1 Vgl. etwa Reinecke in: Küttner, Überstunden, Rz. 5. 2 Vgl. Gragert in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 12 Rz. 33; Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 141; siehe auch: BAG, 17.11.1966 – 5 AZR 225/66, NJW 1967, 413 f. 3 Vgl. BAG v. 17.11.1966 – 5 AZR 225/66, NJW 1967, 413 f.; Kelber in: Hansen/Kelber/ Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 143. 4 BAG v. 17.11.1966 – 5 AZR 225/66, NJW 1967, 413 f. 5 BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, BeckRS 2010, 74881. 6 BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 517/09, BeckRS 2010, 74881. 7 Bissels/Haag, ArbRAktuell 2011, 314329.
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Rz. 272 Teil 3
Arbeitszeit
Besteht keine pauschale Abgeltungsklausel oder sind Überstunden nur in einem bestimmten Umfang abgegolten, kann sich unter Umständen die Frage stellen, ob auch An- und Abreisezeiten bei Dienstreisen Arbeitszeit darstellen und deshalb unter Umständen zu vergüten sind. Alleine die Tatsache, dass sich der Arbeitnehmer während der Dienstreise mit dienstlichen Themen beschäftigt – etwa den Termin vor- oder nachbereitet oder E-Mails beantwortet – genügt nicht, um die Reisezeit als Arbeitszeit einzustufen. Nur wenn eine dahingehende Weisung des Arbeitgebers besteht, diese Aufgaben während der Reise zum Beispiel im Zug zu erledigen, fällt die Reisezeit unter die Arbeitszeit1.
270
Bei der Ausgestaltung der Arbeitszeitregelung von leitenden Angestellten ist das Mitwirkungsrecht des Sprecherausschusses nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SprAuG zu beachten. Danach ist der Sprecherausschuss über die Änderung der Gehaltsgestaltung und sonstiger allgemeiner Arbeitsbedingungen zu unterrichten. Hierzu zählt etwa auch die Dauer und die Lage der Arbeitszeit, jedenfalls sofern sie vertragseinheitlich geregelt sind2.
271
2. Organ-Führungskräfte Organführungskräfte sind grundsätzlich nicht an feste Arbeitszeiten gebunden. Die zu erbringende Arbeitsleistung richtet sich vielmehr nach den übernommenen Aufgaben, sofern der Anstellungsvertrag keine abweichende Regelung trifft3. Organmitglieder schulden der Gesellschaft grundsätzlich ihre gesamte Arbeitskraft4. Sie sind verpflichtet, auch über die Maßstäbe des ArbZG hinaus für die Gesellschaft tätig zu werden, sofern dies notwendig ist5. Diese Verpflichtung kann schließlich sogar dazu führen, dass das Organmitglied seinen Urlaub abbrechen muss, wenn dies im Interesse der Gesellschaft erforderlich ist6. Als äußerste Grenze der Arbeitsverpflichtung ist aber auch bei Organ-Führungskräften eine drohende Gesundheitsgefährdung anzusehen7. In den Anstellungsverträgen von Organ-Führungskräften findet sich in der Regel deshalb auch keine detaillierte Vereinbarung über Dauer und Lage der Dienstverrichtung8. Die vertraglichen Regelungen geben regelmäßig die rechtlichen Rahmenbedingungen wieder und sind dementsprechend sehr weit gefasst. Die Pflicht des Organmitglieds, der Gesellschaft seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, um seine organschaftlichen Pflichten erfüllen zu können ist unabdingbar9.
1 Vgl. BAG v. 11.7.2006 – 9 AZR 519/05, NZA 2007, 155 ff., 158. 2 Vgl. v. Steinau-Steinrück in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, SprAuG, § 30 Rz. 2. 3 Vgl. Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 14 Rz. 1. 4 Vgl. Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 9 Rz. 17; Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 92; Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 14 Rz. 1. 5 Vgl. Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 14 Rz. 1. 6 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 93 Rz. 92; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 96. 7 Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsvertrag, § 2 Rz. 227; vgl. auch Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 96. 8 Vgl. Weber/Hoß/Burmester, Handbuch der Managerverträge, Teil 2 Rz. 90. 9 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 97.
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Teil 3 Rz. 273 273
Typische Vertragsklauseln
Für den GmbH-Geschäftsführer ließe sich nach Borgmann1 wie folgt formulieren: Der Geschäftsführer hat seine volle Arbeitskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Er ist in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei. Hat jedoch jederzeit, soweit das Wohl der Gesellschaft es erfordert, zu ihrer Verfügung zu stehen und ihre Interessen wahrzunehmen.
274
Die Vertragsparteien können aber auch bestimmen, dass auf das Anstellungsverhältnis der Organführungskraft die dem ArbZG zu entnehmenden Grenzen Anwendung finden sollen. In einem solchen Fall sollte insbesondere an eine Regelung bzgl. der Abgeltung von Überstunden gedacht werden. Eine pauschale Abgeltung der Überstunden durch das vereinbarte monatliche Entgelt dürfte auch weiterhin keinen Bedenken begegnen2. Die Rechtsprechung des BAG dürfte hier nicht relevant werden, da der Geschäftsführer im Gegensatz zum Arbeitnehmer bereits auf Grund seiner Treuepflicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet ist und deshalb auch nicht damit rechnen kann, diese zusätzlich vergütet zu bekommen. Andererseits sieht das BAG den Fremdgeschäftsführer mittlerweile als Verbraucher i.S.v. § 13 BGB an und unterwirft den Anstellungsvertrag einer umfänglichen AGB-Kontrolle3. Vorsichtigen Gesellschaften ist deshalb zu raten, auch beim Fremdgeschäftsführer die Arbeitszeit konkret festzulegen4. Eine pauschale Abgeltung der darüber hinaus geleisteten Arbeitszeit wird aber weiterhin für zulässig erachtet5.
275
Organ-Führungskräfte unterliegen regelmäßig keinem Weisungsrecht hinsichtlich der Lage ihrer Arbeitszeit. Sie können sich ihre Arbeitszeit daher grundsätzlich frei einteilen und sind lediglich im Rahmen ihrer organschaftlichen Pflichtenbindung gewissen Grenzen unterworfen. Allgemein lässt sich festhalten, dass die Organ-Führungskraft immer dann anwesend sein muss, wenn dies im Interesse der Gesellschaft notwendig erscheint. Auch wird man in der Regel eine Pflicht während der gewöhnlichen Geschäftszeiten jedenfalls erreichbar zu sein annehmen können. Abstrakte Regeln aufstellen zu wollen, verbietet sich in diesem Bereich allerdings6.
II. Steuerrecht 276
Arbeitszeitregelungen sind lediglich bei leitenden Angestellten – Prokuristen – üblich. In Anstellungsverträgen von Geschäftsführern sowie von Vorständen sind Regelungen zur Arbeitszeit unüblich. 1 Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 232. 2 Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 235 m.w.N. 3 BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 ff., 940 f. 4 Vgl. Bissels/Haag, ArbRAktuell 2011, 314329. 5 Vgl. dazu Bissels/Haag, ArbRAktuell 2011, 314329. 6 So zu recht Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 147.
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Rz. 280 Teil 3
Arbeitszeit
Steuerlich ist die Regelung von Arbeitszeiten irrelevant. Sowohl der leitende Angestellte als auch das Organmitglied erhalten ihre Vergütung für die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitskraft bzw. ihrer Dienste. Ob diese Vergütung für eine zeitlich beschränkte Arbeitszeit (40 Stunden) oder für eine zeitlich unbeschränkte Arbeitszeit geschuldet wird, ist steuerlich ohne Bedeutung. Die Vergütung unterliegt der Lohnsteuer und ist als Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG zu versteuern.
277
Steuerlich von Interesse sind Arbeitszeitkonten. Für „normale“ Arbeitnehmer sind die steuerlichen Folgen von Arbeitszeitkonten inzwischen weitgehend geklärt1.
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Bisher war ungeklärt, ob Arbeitszeitkonten auch für Organe von Kapitalgesellschaften, insbesondere Gesellschafter-Geschäftsführer oder Vorständen einer Aktiengesellschaft eingerichtet werden können. Die Finanzverwaltung hat dies nunmehr verneint. Die Einbuchung des Arbeitslohns in ein Zeitarbeitskonto führt zu unmittelbarem Lohnzufluss bei dem Organmitglied, das der Lohnsteuer unterliegt. Die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung bleiben vorbehalten. Hat ein Organmitglied vor Berufung in das Organ als Arbeitnehmer ein Arbeitszeitkonto aufgebaut, wird dies durch die Bestellung als Organmitglied nicht berührt. Weitere Zuführungen auf das Arbeitszeitkonto können nicht mehr erfolgen, insoweit liegt Lohn vor. Lebt das Arbeitsverhältnis nach Ausscheiden aus dem Organ wieder auf, können Gutschriften auf das Arbeitszeitkonto bei dem vormaligen Organmitglied wieder erfolgen. Diese Grundsätze gelten auch für Arbeitnehmer, die von der Körperschaft beschäftigt werden, die sie beherrschen2 Ist ein Gesellschafter zu 60 % an einer GmbH beteiligt (demnach herrschender Gesellschafter) und bei dieser Gesellschaft als Prokurist angestellt, können nach Auffassung der Finanzverwaltung ebenfalls keine Arbeitszeitkonten gebildet werden. Einschlägige Rechtsprechung existiert noch nicht3.
279
Die besseren Gründe sprechen dafür, Arbeitszeitkonten auch bei Organmitgliedern, jedenfalls bei Fremdgeschäftsführern bzw. „Fremd-Vorständen“ anzuerkennen. Der Hinweis auf die Rechtsprechung zu gesonderter Überstundenvergütung (die ihrerseits auch schon problematisch ist)4, trifft nicht zu. Bei Arbeitszeitkonten wird kein zusätzlicher Lohn gezahlt, sondern der Lohn in eine Anwartschaft auf künftige Zahlung umgewandelt. Eine „Nähe“ besteht daher
280
1 Zuletzt umfassend, BMF, Schr. v. 17.6.2009 – IV C 5 - S 2332/07/0004, BStBl. 2009 I, 1286. 2 BMF, Schr. v. 17.6.2009 – IV C 5 - S 2332/07/0004, BStBl. 2009 I, 1286, A VI 2b). Das BMF hatte sich in dem vormaligen Schr. zu Arbeitszeitkonten v. 17.11.2004 – VII C 4-S222-177/04/IV C5-S2333-269/04, BStBl. 2004 I, 1065 noch nicht festgelegt. Aus Teilziff. 165, 168 dieses BMF-Schr. wurde vielmehr gefolgert, dass jedenfalls für die lohnsteuerrechtliche Ebene Organmitglieder nicht anders behandelt werden sollten als andere Arbeitnehmer. Finanzministerium NRW, Erlass v. 19.1.2005 – S 23332-81-VB3, DB 2005, 747, hat dies sogar ausdrücklich anerkannt. 3 Gosch, KStG, 2 Aufl. 2009, § 8 Rz. 591, teilt die Auffassung der Finanzverwaltung, obwohl das BMF-Schr. noch nicht vorlag. Dies dürfte trotzdem schon ein Hinweis sein, wohin sich die Rechtsprechung entwickeln wird. 4 Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 591.
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Teil 3 Rz. 281
Typische Vertragsklauseln
zu der Abgeltung von Urlaubsansprüchen von Geschäftsführern (dazu Rz. 766). Die Rechtsprechung erkennt den Abgeltungsanspruch anstelle des genommenen Urlaubs an. Für Arbeitszeitkonten sollte vergleichbares gelten1. 281
Für die Praxis könnte sich ein Gestaltungsmodell ergeben. Nach Auffassung der Finanzverwaltung bleiben die Grundsätze der verdeckten Gewinnausschüttung vorbehalten. Es wäre daher im Einzelfall zu prüfen, ob die verdeckte Gewinnausschüttung mit der Abgeltungssteuer auf der Ebene des Gesellschafters (sowie die Erhöhung der Bemessungsgrundlage auf Ebene der Körperschaft) nicht im Einzelfall steuerlich günstiger ist als die Qualifikation als Lohn. Dies wäre etwa in Fällen denkbar, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung auf Ebene der Körperschaft wegen eines Verlustes keine unmittelbaren steuerhöhenden Auswirkungen hat (sondern lediglich zur Verringerung des Verlustes führt) und der Grenzsteuersatz des Gesellschafter-Geschäftsführers höher als die Abgeltungssteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ist. Bei Gestaltungen in diese Richtung dürfte allerdings zu erwarten sein, dass die Finanzverwaltung „ausnahmsweise“ keine verdeckte Gewinnausschüttung annimmt, sondern Lohn.
1 Ziegenhagen/Schmidt, DB 2006, 181.
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D. Direktionsrecht und Auslandseinsatz I. Arbeitsrecht 1. Allgemeines Als Direktions- oder Weisungsrecht wird die Befugnis des Arbeitgebers bezeichnet, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nach Inhalt, Ort und Zeit sowie auf Ordnung und Verhalten im Betrieb näher zu konkretisieren1. Damit korrespondiert die für den Arbeitsvertrag charakteristische Hauptpflicht des Arbeitnehmers zu weisungsgebundener Arbeit. Dieses Merkmal unterscheidet den Arbeitnehmer von selbständigen Dienstverpflichteten und macht ihn besonders schutzbedürftig. Ein Organmitglied unterliegt keinem arbeitsrechtlichen Direktionsrecht. Das Arbeitsverhältnis ist im Gegensatz zur Tätigkeit eines Selbständigen durch eine stärkere persönliche Abhängigkeit gekennzeichnet. Der Arbeitnehmer ist in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert. Gemäß § 106 GewO muss sich die Ausübung des Direktionsrechtes in den Grenzen des billigen Ermessens des Arbeitgebers halten. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Die Ausübung des Direktionsrechts darf auch nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen wie etwa Gesetze, Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen2. Ausgangspunkt für den Umfang des allgemeinen Direktionsrechtes sind die Formulierungen im Arbeitsvertrag3, also insbesondere wie präzise eine Tätigkeitsbeschreibung vorgenommen wurde. Als erweitertes Direktionsrecht (welches über das allgemeine hinausgeht) bezeichnet man die Befugnis des Arbeitgebers, Weisungen hinsichtlich Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung auszusprechen, die über die an sich geschuldete Leistung hinausgehen (siehe hierzu: Versetzungsklausel – Direktionsrechtserweiterung unter Rz. 293 ff.). Das Direktionsrecht wird damit über den Rahmen des § 106 GewO bzw. die vertraglich geschuldete Leistung erweitert4. Derartige Klausel sind anhand der §§ 307 ff. BGB zu überprüfen.
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Der Arbeitgeber ist gesetzlich nach § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 NachwG verpflichtet, die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen und dem Arbeitnehmer eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung seiner Tätigkeit auszuhändigen. Wird sehr ausführlich beschrieben, welche einzelnen Tätigkeiten der Arbeitnehmer nach Umfang, Ort und Zeit der Aufgaben ausüben soll, grenzt dies tendenziell die Möglichkeiten für die Wahrnehmung des Direktionsrechtes ein.
283
Zu berücksichtigen ist, dass Direktionsrecht und Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen in einem wechselseitigen Verhältnis stehen. In eine Sozialauswahl sind alle Mitarbeiter einzubeziehen, die gegenseitig ausgetauscht
284
1 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, AP Nr. 64 zu § 611 BGB Direktionsrecht, NZA 2005, 359; v. 7.12.2000 – 6 AZR 444/99, NZA 01, 780. 2 BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 757/08; Küttner/Griese, Weisungsrecht, Rz. 6. 3 Hromadka, DB 1995, 2601, 2602. 4 Preis/Preis, II D 30, Rz. 3.
C. Liebscher
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Teil 3 Rz. 285
Typische Vertragsklauseln
werden können. Das beutet: Je weiter das Direktionsrecht gestaltet ist, desto größer ist der Kreis der Mitarbeiter, die in eine Sozialauswahl miteinbezogen werden müssen. Bei einem reduzierten Direktionsrecht ist der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer den Aufgaben entsprechend kleiner. 285
Missachtet der Arbeitnehmer die Weisungen des Arbeitgebers, kann dies eine Abmahnung und danach sogar eine verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung nach sich ziehen.
2. Reichweite des allgemeinen Direktionsrechtes a) Konkretisierung der Arbeitsleistung 286
Die pauschal im Arbeitsvertrag aufgeführten Tätigkeiten können durch eine Konkretisierung im Einzelfall auf Grund des Direktionsrechtes inhaltlich näher ausgestaltet werden (§ 106 GewO)1. Der Arbeitgeber muss dabei die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigen2. Das billige Ermessen wird beachtet, wenn der Arbeitgeber die wesentlichen Umstände des Falles bei seiner Entscheidung abgewogen einfließen lässt3. Billiges Ermessen schließt ein, dass die Weisung üblich, sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich sein darf4. Hält sich die Weisung des Arbeitgebers in den Grenzen seines Direktionsrechtes (wobei Ausgangspunkt immer der Arbeitsvertrag ist), ist der Arbeitnehmer grds. verpflichtet, ihr nachzukommen. Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht ausüben und nicht auf dieses Recht verzichten möchte. Etwas anderes ergibt sich, wenn im Anstellungsvertrag dem Mitarbeiter ausdrücklich bestimmte Freiräume zugestanden werden oder Zielvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über konkrete Themengebiete vereinbart sind und nicht nur einseitig vom Arbeitgeber festgelegte Zielvorgaben gelten5. Es ist deshalb besonders wichtig, sich über die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung im Klaren zu sein und dies möglichst eindeutig und unmissverständlich im Anstellungsvertrag festzuhalten. Je konkreter die Arbeitsleistung im Vertrag ausgestaltet wird, desto stärker ist der Arbeitgeber bei der Ausübung des Direktionsrechtes im Einzelfall daran gebunden6. Sollten sich später bei den Tätigkeitsfeldern im Rahmen des Arbeitsverhältnisses wesentliche Veränderungen ergeben, so müssen diese nach § 3 NachwG ebenfalls durch einen schriftlichen Nachweis dokumentiert werden. Andernfalls kann eine konkludente Vereinbarung der Parteien über die veränderten Aufgaben in Betracht kommen. Hat z.B. ein Mitarbeiter zunächst auf Grund seines Anstellungsvertrages das Privatkundengeschäft übernommen, so können sich durch eine zusätzliche Übertragung von Teilen des Firmenkundengeschäftes seine Arbeitsaufgaben erweitern. 1 ErfK/Preis, § 106 GewO, Rz. 1. 2 BAG v. 23.9.2004 – 6 AZR 567/03, AP Nr. 64 zu § 611 BGB Direktionsrecht, NZA 2005, 359; Schaub/Koch/Schaub, Direktionsrecht, II. 3 BAG v. 21.4 199 – 5 AZR 174/98, NZA 1999, 1044. 4 Oelkers/Schmidt, NJW Spezial 2006, 465, 466. 5 BAG v. 12.12.2007 – 10 AZR 97/07, EzA § 611 BGB 2002 Gratifikation, Prämie Nr. 22. 6 Küttner/Griese, Weisungsrecht, Rz. 7.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 288 Teil 3
b) Tätigkeitsbeschreibung Durch die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag legen die Parteien den sachlichen Tätigkeitsbereich fest, also die Art und den Inhalt der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeiten. Die Vertragsparteien können die Position des Arbeitnehmers genau bezeichnen, seine Vergütungsgruppe regeln und detailliert aufführen, welche Tätigkeiten von ihm wahrgenommen werden sollen. Die Einstellung kann z.B. als Bereichsleiter für die Buchhaltung oder als Personalsachbearbeiter erfolgen. Verfügt ein Mitarbeiter über hoch qualifizierte Spezialkenntnisse, kann der Arbeitgeber ohne eigene Sachkunde nicht fachlich von seinem Direktionsrecht Gebrauch machen, er kann aber bestimmte zu erreichende Ziele formulieren, so dass in dieser Konstellation eine verminderte Weisungsgebundenheit des Mitarbeiters vorliegt1. Für die Bestimmung der Tätigkeiten ist es auch möglich, im Anstellungsvertrag auf eine bestimmte Stellenbeschreibung Bezug zu nehmen, weil häufig dort schon genaue Aufgaben und Profile des Arbeitnehmers enthalten sind. Wird die Stellenbeschreibung Inhalt des Vertrages, sind die darin aufgeführten Tätigkeiten für die Parteien bindend und können nicht mehr einseitig modifiziert werden. Für den Arbeitgeber ist eine derartige Regelung wenig sinnvoll.
287
Formulierungsmuster Die Stellenbeschreibung XY in ihrer Fassung vom … ist Bestandteil des Arbeitsvertrages. alternativ und zu bevorzugen: Die Vorgaben in der Stellenbeschreibung XY sind zu befolgen. Die Stellenbeschreibung ist nicht Bestandteil des Arbeitsvertrages und kann jederzeit einseitig vom Arbeitgeber geändert werden.
Möglich ist auch, im Anstellungsvertrag lediglich konkretes Berufsbild festzulegen. So kann der Mitarbeiter etwa als Marketingbeauftragter oder Pressesprecher eingestellt werden. Die dem Beschäftigten auf Grund des Direktionsrechtes übertragenen Aufgaben müssen dann mit dem genannten Berufsbild übereinstimmen oder bei Zusatzaufgaben zumindest einen sachlichen Zusammenhang zu den vertraglich aufgeführten Tätigkeiten erkennen lassen. Aufgaben, die sich nicht mehr mit den beschriebenen Tätigkeiten und dem Berufsbild decken, sind nicht mehr Teil der geschuldeten Arbeitsleistung und können nur in zeitlich eng begrenzten Notfällen mit Ausnahmecharakter übertragen werden. Sofern sich das Berufsbild wandelt und etwa technische Neuerungen oder moderne wissenschaftliche Erkenntnisse für die Erledigung der Tätigkeit notwendig sind, kann der Arbeitgeber die Teilnahme an Schulungsveranstaltungen vom Mitarbeiter fordern2.
1 Preis/Preis, II D 30, Rz. 13. 2 Küttner/Reinecke, Fortbildung, Rz. 15.
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Teil 3 Rz. 289
Typische Vertragsklauseln
c) Geringwertige Tätigkeiten 289
Es ist dem Arbeitgeber aufgrund des allgemeinen Direktionsrechts nicht gestattet, den Mitarbeiter mit geringerwertigen Arbeiten zu betrauen und ihm übertragene Befugnisse grundlos einseitig zu entziehen. Zunächst muss deshalb ermittelt werden, welche Aufgaben den bisherigen entsprechen und als zumutbar und gleichwertig anzusehen sind. Die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit auf Grund des allgemeinen Weisungsrechtes, also ohne eine das Direktionsrecht erweiternde Vereinbarung im Arbeitsvertrag, ist auch dann nicht zulässig, wenn die Vergütung sich nicht verändert (zu den Versetzungsklauseln siehe Rz. 293 ff.).
290
Bei vagen, unklaren Formulierungen im Arbeitsvertrag kann der Kreis möglicher Tätigkeiten auch bereits durch die bislang ausgeübten Aufgabenbereiche konkretisiert sein. Es müssen jedoch besondere Umstände vorliegen, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Mitarbeiters auf die Beibehaltung gerade dieser (ausgeübten) Tätigkeiten rechtfertigen. Die Übertragung für eine längere Zeitdauer ist idR für die Annahme von Vertrauensschutz nicht ausreichend, es müssen noch weitere Umstände hinzutreten, wie z.B. Erklärungen des Arbeitgebers, sowohl eindeutige als auch stillschweigende, die Beförderung auf eine qualifizierte Stelle oder etwa eine fachbezogene Weiterbildung1. In diesen Fällen kann eine konkludente Änderung des Arbeitsvertrages auf Grund der veränderten Tätigkeit eintreten.
291
Die Beurteilung der Geringerwertigkeit einer Tätigkeit ist auf Grund einer Einschätzung sämtlicher relevanter Faktoren vorzunehmen. Dabei ist nicht nur der unmittelbare Inhalt der jeweiligen Tätigkeit allein und die für deren Ausübung relevanten Fähigkeiten und Kenntnisse wesentlich. Es müssen jegliche Vorund Nachteile beachtet werden, wie insbesondere die Anerkennung der Tätigkeit in der Gesellschaft und bei Kollegen sowie die Wahrnehmung von Vorgesetztenaufgaben und Leitungsverantwortung. Es spielt eine wichtige Rolle, wo die Tätigkeit in der betrieblichen Rangordnung angesiedelt ist. Maßgeblich ist bei neu aufgenommenen oder entzogenen Teilbereichen, ob diese der Gesamtaufgabe ein neues Gepräge geben, so dass insgesamt von einer neuen Tätigkeit ausgegangen werden muss2. Bei plötzlich und unerwartet eintretenden Ausnahmesituationen, z.B. bei Notfällen, etwa einem Brand oder einer Überschwemmung, oder einer unvorhersehbaren Arbeitsverhinderung von Mitarbeitern, kann der Arbeitgeber auch tätigkeitsfremde und geringerwertige Aufgaben vorübergehend übertragen. Dies ergibt sich aus der Treue- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Bei dauernder personeller Unterbesetzung kann von einer überraschenden Situation aber idR nicht ausgegangen werden. Eine geringerwertige Tätigkeit ist häufig mit einer Begrenzung der Befugnisse, der Funktionen und der Vertretungsmacht verbunden, wobei der Entzug einer Prokura allerdings unabhängig vom Bestehen des Vertrages 1 BAG v. 13.3.2007 – 9 AZR 433/06, NZA-RR 2008, 504; v. 29.9.2004 – 5 AZR 559/03, AP Nr. 111 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; v. 24.1.2001 – 5 AZR 411/99, BeckRS 2010, 74727; Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C. Rz. 53; Schaub/Koch/Schaub, Direktionsrecht, III. 2 BAG v. 2.4.1996 – 1 AZR 743/95, NZA 1997, 112, DB 1996, 1880.
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Rz. 294 Teil 3
Direktionsrecht und Auslandseinsatz
vorgenommen werden kann. Bei einer niedrigeren Vergütung liegt im Regelfall auch eine geringwertige Tätigkeit vor. Eine Ausnahme besteht jedoch dann, wenn tätigkeitsbezogene Zulagen, wie etwa eine Gefahrenzulagen oder Wegegelder, entfallen. Durch sie sollen nur tatsächlich bestehende Erschwernisse ausgeglichen werden, so dass sie nicht den Wert der Arbeit an sich bestimmen1.
d) Zuordnung zu Vergütungsgruppen Findet sich im Anstellungsvertrag keine genaue Tätigkeitsbeschreibung, sondern nur eine Zuordnung zu einer bestimmten Vergütungsgruppe, kann dem Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Grenzen der Zumutbarkeit idR jede Aufgabe übertragen werden, die zu seiner Vergütungsgruppe, seinen Fähigkeiten und seinem Kenntnisstand passt2. Anders liegt der Fall nur, wenn zusätzlich vertraglich ein bestimmter Aufgabenbereich abgegrenzt ist. Für Arbeitsverhältnisse in der Privatwirtschaft gilt dies bei einer Zuordnung zu einer jeweiligen Vergütungsgruppe eines anwendbaren Tarifvertrages gleichermaßen. Nur wenn der Arbeitgeber selbst mangels einschlägigen Tarifvertrages Vergütungsgruppen bildet, ist auf eine etwaige Geringerwertigkeit übertragener Tätigkeiten abzustellen, weil es der Arbeitgeber sonst in der Hand hätte, sein Weisungsrecht durch den Zuschnitt der Tätigkeiten und Vergütungsgruppen vollkommen frei zu gestalten3.
292
e) Versetzungsklauseln und Direktionsrechtserweiterung aa) Allgemeines Unter einer Versetzung ist die Zuweisung eines sachlich und/oder räumlich veränderten Arbeitsbereiches zu verstehen4. Auch die Versetzung muss sich im Rahmen des Arbeitsvertrages und der Konkretisierung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber halten. Durch die Aufnahme von Versetzungsklauseln in den Anstellungsvertrag kann der Umfang des Weisungsrechtes erweitert werden. Es kommt zu einer Erweiterung des Tätigkeitsbereiches (also über den materiellen Inhalt von § 106 GewO hinaus) und damit auch des Umfanges der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Die Möglichkeit der Direktionsrechtserweiterung ist durch die Vorschriften über die Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach den §§ 305 ff. BGB (Inhaltskontrolle) sowie die Grenzen der Ermessensausübung im Rahmen der Billigkeit i.S.d. § 106 GewO begrenzt (Ausübungskontrolle).
293
Es muss bei der Formulierung der jeweiligen Versetzungsklausel Wert darauf gelegt werden, dass diese nicht unangemessen in die arbeitsvertraglichen Hauptpflichten eingreift und dem Mitarbeiter Tätigkeiten übertragen werden sollen, die für seinen Kenntnis- und Erfahrungsstand nicht geeignet und unangemessen sind. Es darf auch nicht zu einer Umgehung von Kündigungsrecht kom-
294
1 BAG v. 15.11.1995 – AP Nr. 20 zu § 1 TVG Tarifverträge Lufthansa; Preis/Preis, II D 30, Rz. 48. 2 BAG v. 6.11.2002 – AP Nr. 63 zu § 611 BGB Direktionsrecht. 3 Preis/Preis, II 30 Rz. 156 ff. 4 Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C. Rz. 56.
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Teil 3 Rz. 295
Typische Vertragsklauseln
men. Zu vage und unbestimmt gefasste, vorformulierte Klauseln können den Beschäftigten ebenfalls unangemessen benachteiligen. Der Arbeitgeber darf keine Klauseln verwenden, welche entgegen den Geboten von Treu und Glauben den anderen Vertragspartner unverhältnismäßig benachteiligen und zu einer einseitigen Durchsetzung seiner Interessen ohne eine Berücksichtigung der Belange des Arbeitnehmers führen. Die Rechtsprechung lehnt eine geltungserhaltende Reduktion der unzulässigen Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt ab, so dass die gesamte Klausel unwirksam ist1. 295
Eine vorformulierte Versetzungsklausel, die materiell an die Formulierung des § 106 GewO angelehnt ist, begegnet keinen Bedenken der Rechtsprechung. Es liegt kein Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene Transparenzgebot vor, wenn keine konkreten Versetzungsgründe aufgeführt werden2. Geht eine solche Klausel materiell nicht über den Inhalt des § 106 GewO hinaus – was in Arbeitsverträgen weit verbreitet ist – spricht man von einer „unechten Direktionsrechtserweiterung“3. Regelmäßig geht einer solchen Klausel zunächst eine Einschränkung des Direktionsrecht voraus – beispielsweise eine beschränkende Ortsangabe –, um anschließend dem Arbeitgeber das Recht einer örtlichen Versetzung vorzubehalten. Damit wir selbstverständlich die Befugnis des Arbeitgebers nicht über § 106 GewO hinaus erweitert.
bb) Tätigkeitszuweisungen – Wertigkeit der neuen Tätigkeit 296
Die Rechtsprechung hat eine vorformulierte Klausel als unwirksam gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen, nach der dem Mitarbeiter eine andere Tätigkeit „falls erforderlich“ und nach „Abstimmung der beiderseitigen Interessen“ einseitig zugewiesen werden konnte. Das BAG sah es als nicht gewährleistet an, dass sich die Zuweisung auf eine mindestens gleichwertige Tätigkeit beziehe4.
297
Umstritten ist, ob in engen Grenzen bei dringenden betrieblichen Erfordernissen, für welche auch die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Änderungskündigung erfüllt sein müssten, Klauseln zulässig sind, wonach der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine geringerwertige Tätigkeit zuweisen darf. Dies wird überwiegend gänzlich abgelehnt, auch wenn die Vergütungshöhe nicht berührt wird5. Nach anderer Auffassung soll dies unter Beachtung strenger Kriterien möglich sein. Allerdings ist in diesen Fällen die Zuweisung der geringerwertigen Tätigkeit zeitlich auf die Phase der wirtschaftlichen Erholung des Betriebes und der Existenzsicherung zu begrenzen und eine Frist, z.B. die individuell für Kündigungen maßgebliche gesetzliche Frist, einzuhalten. Ferner ist eine absolute Grenze für die Geringerwertigkeit der Tätigkeit beim Sprung in die jeweils niedrigere Vergütungsgruppe zu ziehen und die aufgrund der Versetzung eintretende Entgelteinbuße darf nicht mehr als 20 % der Jahresvergütung aus1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042, NJW 2006, 3083 mit Anm.; v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, AP Nr. 7 zu § 307 BGB. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 557/05, NZA 2006, 1149, BB 2006, 2195. 3 Preis/Preis, II D 30, 119. 4 BAG v. 9.5.2006 – 9 AZR 424/05, NZA 2007, 145, AP Nr. 21 zu § 307 BGB. 5 Hümmerich/Reufels/Schiefer, S. 995, Rz. 3325 ff.; Bedenken äußert auch Preis/Preis, II D 30, 149; ArbG Hamburg v. 27.8.2009 – 5 Ca 67/09, AuR 2010, 42.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 300 Teil 3
machen1. Es muss aber in jedem Fall berücksichtigt werden, dass eine vertragsgemäße Beschäftigung Teil des Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers ist und typische unternehmerische Risiken nicht auf die Belegschaft abgewälzt werden dürfen. Soll dagegen in einer vertraglichen Versetzungsklausel die Möglichkeit offen gehalten werden, dem Mitarbeiter eine höherwertige Tätigkeit zu übertragen, ist dies grundsätzlich möglich. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass eine Erhöhung der Vergütung entsprechend der höheren Leistung des Beschäftigten erfolgt. Dies kann auch nur vorübergehende Zeiträume umfassen. Bei einer vorübergehenden Übertragung muss für den Arbeitnehmer nachvollziehbar sein, weshalb er die Aufgaben nicht dauerhaft wahrnehmen soll, und das Ermessen muss auch insoweit ordnungsgemäß ausgeübt werden2. Sachlich gerechtfertigte Gründe des Arbeitgebers für eine nur zeitweise Übertragung sind z.B. die Erprobung des Beschäftigten, die Überbrückung bis zur neuen Besetzung einer Beamtenposition oder die Vertretung für einen Kollegen3. Es ist jede einzelne Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, also jegliche Maßnahme auf Grund des Direktionsrechtes, gerichtlich auf ihre Billigkeit zu überprüfen4.
298
Bei einer veränderten Zuordnung zu einer tariflichen Vergütungsgruppe tritt eine Anpassung des Entgeltes automatisch ein. Ist die höherwertige Tätigkeit mit deutlich anderen Voraussetzungen verknüpft, wie etwa erhöhte Verantwortung oder Führungsaufgaben, sollte sich dies eindeutig und für den Mitarbeiter erkennbar bereits aus der Formulierung der vertraglichen Klausel ergeben.
299
cc) Änderung des Arbeitsortes § 106 GewO erlaubt es dem Arbeitgeber auch den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen soweit dieser nicht bereits durch den Arbeitsvertrag festgelegt worden ist. Erfüllungsort ist regelmäßig der jeweilige Ort des Betriebes, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt wird. Eine innerbetriebliche Versetzung unter Beibehaltung des Tätigkeitsbereichs ist deshalb aufgrund des allgemeinen Direktionsrechts problemlos möglich. Ist der Arbeitsort im Arbeitsvertrag konkret festgelegt („der Arbeitsort ist Berlin“), dann kann ohne weitergehende Direktionsrechtsklausel der Arbeitnehmer ohne sein Einverständnis nicht in einem Betrieb eingesetzt werden, der nicht in diesem Ort liegt, auch wenn er leicht erreichbar sein sollte. Wurde der Arbeitnehmer für einen bestimmten Betrieb (und nicht für einen bestimmten Ort) eingestellt, kann er nach überwiegender Meinung grundsätzlich an allen Betriebssitzen (die sich nicht zwangsläufig auf einen Ort beschränken müssen) eingesetzt werden5. Möchte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer an anderen Orten, die nicht einfach 1 Preis/Preis, II D 30, Rz. 152 ff. 2 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159, RdA 2003, 232; v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, NZA 2003, 288. 3 MüKoBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1030. 4 BAG v. 17.4.2002 – 4 AZR 174/01, NZA 2003, 159 RdA 2003, 232; v. 15.5.2002 – 4 AZR 433/01, NZA 2003, 288. 5 LAG Niedersachsen v. 21.8.2009 – 10 TaBV 121/08, BeckRS 2009, 73377; Preis/Preis, II D 30, 109.
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Teil 3 Rz. 301
Typische Vertragsklauseln
zu erreichen sind (für Außendienstmitarbeiter gelten Sonderregeln), muss er dies durch eine direktionsrechtserweiternde Arbeitsvertragsklausel sicherstellen (zur Versetzung im Konzern s. Rz. 305 ff.) 301
Gegen Betriebs- und Unternehmungsversetzungsklauseln, die eine Veränderung des Arbeitsortes voraussetzen, bestehen nach überwiegender Auffassung – solange nicht in die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht eingegriffen wird – keine Bedenken1. Auch kündigungsrechtlich sind diese neutral, da eine etwaige Sozialauswahl auch bei der Vereinbarung einer Unternehmensversetzungsklausel betriebsbezogen bleibt2. Die Prüfung einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung ist – unabhängig von er Unternehmensversetzungsklausel – unternehmensweit durchzuführen3. Formulierungsmuster Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Mitarbeiter auch in anderen Betrieben des Unternehmens deutschlandweit an einem anderen Ort zu beschäftigen, wenn hierfür betriebliche Gründe vorliegen und die berechtigten Interessen des Mitarbeiters angemessen berücksichtigt werden. Die Tätigkeit am neuen Arbeitsort muss der Vorbildung und den Fähigkeiten des Mitarbeiters entsprechen und gleichwertig sein. Die für den Umzug und die Unterbringung anfallenden angemessenen Kosten übernimmt der Arbeitgeber. Der Wechsel des Einsatzortes wird dem Mitarbeiter mit einem zeitlichen Vorlauf von mindestens drei Monaten mitgeteilt, sofern nicht ein durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigter besonderer Eilfall vorliegt.
302
Ob eine Versetzung ins Ausland aufgrund Versetzungsklausel und damit erweitertem Direktionsrecht (aufgrund allgemeinem Direktionsrecht ist eine solche sicher unzulässig) möglich ist, oder ob eine derartige Versetzungsklausel aufgrund Eingriffs in den Kernbereich der arbeitsvertraglichen Beziehungen unwirksam wäre, ist fraglich. Jedenfalls müsste eine solche Klausel die möglichen Einsatzländer, die zeitliche Höchstdauer der Versetzung bzw. Abordnung und die Ankündigungsfrist hierfür angemessen und transparent regeln4. Richtigerweise ist eine solche Klausel zulässig, wenn sie dem Arbeitgeber bereits bei Vertragsschluss seine möglichen Einsatzgebiete deutlich vor Augen führt. Die möglichen (negativen) Auswirkungen einer solchen Versetzung auf das Privatleben des Mitarbeiters wären dann im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen. An das billige Ermessen im Rahmen der Arbeitgeberentscheidung müssten bei einer Versetzung in das Ausland hohe Anforderungen gestellt werden. 1 Preis/Preis, II D 30, 109; Hümmerich/Reufels/Schiefer, S. 997, Rz. 3334 ff; a.A. Dzida/ Schramm, BB 2007, 1221 (1227). 2 BAG v. 15.12.2005 – 6 AZR 199/05, NZA 2006, 590. 3 BAG v. 22.5.1986 – 2 AZR 612/85, NZA 1987, 125; BAG v. 27.11.1991 – 2 AZR 255/91, BB 1992, 1062. 4 Vgl. LAG Hamm v. 11.12.2008 – 11 Sa 817/08, BeckRS 2009, 53973; LAG Düsseldorf v. 17.12.2010 – 10 Sa 972/10, BeckRS 2011, 70512; LAG Hamm v. 22.3.1974 – 2 Sa 128/74, DB 1974, 877; ErfK/Preis, § 106 GewO Rz. 10.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 305 Teil 3
dd) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates im Rahmen der Versetzung Ferner muss der Arbeitgeber die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates berücksichtigen. Wenn ein Betriebsrat gebildet wurde und der Arbeitnehmer dem persönlichen Geltungsbereich des BetrVG unterliegt, ist beim Vorliegen einer personellen Einzelmaßnahme i.S.d. § 99 Abs. 1 BetrVG die Beteiligung des Betriebsrates gesetzlich vorgesehen. Organe und leitende Angestellte fallen nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des BetrVG (§ 5 Abs. 2, 3 BetrVG). Voraussetzung ist, dass im Unternehmen mindestens 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind und eine Versetzung gemäß der Definition in § 95 Abs. 3 BetrVG vorliegt. Eine Versetzung ist nach dieser Vorschrift die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat übersteigt oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Bei einer Versetzung mit einer voraussichtlichen Dauer von über einem Monat besteht eine unwiderlegliche Vermutung für eine solche erhebliche Änderung1.
303
Der Begriff ist räumlich und funktional zu verstehen. Für die Beurteilung der erheblichen Änderung ist das Gesamtbild der Tätigkeit aus der Sichtweise eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters wesentlich2. Es können darunter die Entziehung von Aufgaben, die gänzliche Zuweisung von Außendiensttätigkeit oder die Übertragung von einem veränderten Geschäftsgebiet fallen. Ist ein Fall des § 99 BetrVG gegeben, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat ordnungsgemäß über die geplante Maßnahme informieren. Der Betriebsrat darf dann innerhalb einer Woche schriftlich die Zustimmung verweigern, sofern er sich auf einen der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Gründe berufen kann. Die Beschäftigung des Mitarbeiters mit den veränderten Aufgaben ist bei verweigerter Zustimmung mitbestimmungswidrig, auch wenn die Tätigkeit individualrechtlich auf Grund des Direktionsrechtes übertragen werden kann. Die reine Veränderung der Arbeitszeit ist nicht als Versetzung zu qualifizieren3. Liegen bloße Umsetzungen oder Vertretungen von Kollegen in demselben Betrieb vor, deren Dauer einen Monat voraussichtlich nicht übersteigt, ist ebenfalls kein Beteiligungsrecht des Betriebsrates berührt4. Auch bei der Freistellung von den früheren Aufgaben ohne Zuweisung neuer Tätigkeiten handelt es sich nicht um eine zustimmungsbedürftige Versetzung.
304
f) Arbeitsverhältnisse im Konzern Es kann für ein Unternehmen, welches mit einem anderen oder weiteren Unternehmen einen Konzern bildet, von großer Bedeutung sein, einen Mitarbeiter im gesamten Konzern einzusetzen. Auf Grund ihrer Qualifikation und der Stellung im Unternehmen ist dies bei Fach- und Führungskräften oftmals beson1 Richardi/Thüsing, § 99, Rz. 111. 2 BAG v. 17.6.2008 – 1 ABR 38/07, NZA 2008, 1432, AP Nr. 47 zu § 99 BetrVG 1972 Versetzung; v. 13.3.2007 – 1 ABR 22/06, NZA-RR 2007, 581; v. 29.9.2004 – 1 ABR 39/03, NZA 2005, 420; Maurer, § 99 BetrVG, Rz. 8. 3 BeckOK/Maurer, § 99 BetrVG Rz. 11. 4 ErfK/Kania, § 99 BetrVG Rz. 16.
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Teil 3 Rz. 306
Typische Vertragsklauseln
ders wichtig, um gemeinsame Projekte zu verwirklichen und unternehmensübergreifende Ziele zu erreichen. Die Kenntnis vom Aufbau des Konzerns und von den Rechtsbeziehungen im Konzern bildet dabei für das jeweilige Anstellungsverhältnis eine wesentliche Grundlage. Der Bergriff Konzern ist in § 18 AktG legal definiert, wobei der Unterordnungskonzern gemäß § 18 Abs. 1 AktG als die Zusammenfassung eines herrschenden Unternehmens mit einem oder mehreren abhängigen Unternehmen unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zu verstehen ist1. Dafür ist erforderlich, dass entweder ein Beherrschungsvertrag nach den §§ 291 ff. AktG zwischen den Unternehmen besteht oder das eine Unternehmen in das andere gemäß den §§ 319 ff. AktG eingegliedert ist2. Als weiterer Fall wird auch der faktische Unterordnungskonzern erfasst, denn es wird gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 AktG vom abhängigen Unternehmen vermutet, dass es mit dem herrschenden einen Konzern bildet. Bei dem für das Arbeitsrecht weniger bedeutsamen Gleichordnungskonzern werden nach der Definition in § 18 Abs. 2 AktG zwei oder mehrere rechtlich selbständige Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst. Es bestehen bei dieser Konstruktion keine Abhängigkeitsverhältnisse der Unternehmen untereinander. 306
Ohne zusätzliche vertragliche Regelungen steht dem Arbeitgeber auf Grund seines Direktionsrechtes keine Möglichkeit zu, den Arbeitnehmer in ein anderes Unternehmen desselben Konzerns zu versetzen bzw. zeitweise abzuordnen. Dies gilt für beide Konzerntypen, also unabhängig von der Ausgestaltung als Unterordnungs- oder Gleichordnungskonzern. Die jeweiligen Konzernunternehmen sind selbständige Rechtspersonen3. Mangels eigener Rechtssubjektqualität kann der Konzern keine Arbeitgeberstellung einnehmen und nicht im Vertrag als Arbeitgeber fungieren. Die bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse im Unterordnungskonzern sind nur für die Aufgabenteilung sowie die geltenden Rechte und Pflichten zwischen den jeweiligen beteiligten Unternehmen von Interesse, so dass der unternehmerische Gestaltungsspielraum eingeschränkt werden kann. Davon betroffen sind in erster Linie die Vorstände bzw. Geschäftsführer der abhängigen Unternehmen, welche sich an die bindenden Entscheidungen der Konzernführung zu halten haben und ihrerseits Weisungen an Untergebene erteilen müssen.
307
Entscheidend für die Ausübung des Direktionsrechtes und damit für die Wahrnehmung von Vorgesetztenfunktionen ist der Abschluss des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 NachwG trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, dem Arbeitnehmer schriftlich den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien zu nennen. Jedoch kann es in einigen Fällen unübersichtlicher Unternehmens- und Konzernstrukturen schwierig sein, den Arbeitgeber zu bestimmen. Grundsätzlich ist Arbeitgeber die natürliche oder juristische Person, mit welcher der Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Ausnahmen bestehen etwa beim Betriebsübergang gemäß § 613a BGB, sofern der Arbeitnehmer nicht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht und das Ar1 Grobys, NJW-Spezial 2006, 129. 2 Schaub/Koch/Schaub, Konzern. 3 Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C. Rz. 120.
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Rz. 311 Teil 3
Direktionsrecht und Auslandseinsatz
beitsverhältnis auf den Erwerber übergeht. Handeln natürliche Personen auf der Arbeitgeberseite, sind deren Erklärungen vom objektiven Empfängerhorizont aus nach § 157 BGB zu beurteilen. Oftmals wollen diese nicht persönliche Verpflichtungen eingehen, sondern geben Erklärungen im Namen der Gesellschaft ab. Die Arbeitgebereigenschaft ist nicht per se identisch mit der Stelle, welche die Personalakten führt, sich nach außen als Arbeitgeber darstellt, das Entgelt zahlt oder Sozialleistungen erbringt. Dem Arbeitnehmer kann allerdings nicht zugemutet werden, dass er aufwändige Untersuchungen und Überprüfungen zur Ermittlung der Arbeitgeberstellung durchführt1. Sollen dem Mitarbeiter auch Aufgaben in einem anderen Konzernunternehmen übertragen werden können, stehen in der konkreten Umsetzung verschiedene Varianten offen.
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Es ist möglich, den Vertrag so abzufassen, dass mehrere Unternehmen des Konzerns als Arbeitgeber in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Voraussetzung ist bei solchen Vertragsgestaltungen nach der Rechtsprechung allerdings, dass ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den arbeitsvertraglichen Beziehungen des Arbeitnehmers und den einzelnen Arbeitgebern besteht2. Dies muss sich aus einer wertenden Betrachtung ergeben, nach der sich eine rechtliche Trennung bei der Beurteilung der Beziehungen zwischen dem Arbeitnehmer und den Arbeitgebern verbietet. Dafür sind die Auslegung des Vertrages und die zwingende Wertung für einen einheitlichen Vertrag gleichermaßen entscheidend3. Der Mitarbeiter hat dann vertragliche Bindungen zu mehreren Arbeitgebern. Dies kann von Anfang an Inhalt des Vertrages sein, es kann aber auch erst durch einen Vertragsbeitritt zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart und der bestehende Vertrag entsprechend ergänzt werden.
309
Eine weitere Konstellation ist der Abschluss von zwei getrennten Arbeitsverträgen mit dem Arbeitnehmer, wobei ein Stammarbeitsverhältnis begründet wird. In dem Zeitraum, in dem der Beschäftigte für ein anderes Unternehmen des Konzerns tätig werden soll, ruht dieses Stammarbeitsverhältnis zunächst. Dies ist vor allem bei zeitlich begrenzten Einsätzen und Projekten sinnvoll. Das Zweitarbeitsverhältnis wird für diese Phase begründet und in Vollzug gesetzt. Mit der Beendigung der Tätigkeit in dem anderen Konzernunternehmen kehrt der Arbeitnehmer wieder zurück zu seinem ursprünglichen Stammarbeitsverhältnis, welches daraufhin mit allen Rechten und Pflichten wieder auflebt.
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Vielfach besteht nur mit einem Arbeitgeber eine vertragliche Beziehung. In diesen Fällen bietet es sich für den Arbeitgerber an, die Möglichkeit der zeitlich begrenzten Abordnung oder Entsendung des Mitarbeiters in ein Konzernunternehmen zu vereinbaren. Es handelt sich hierbei um eine Erweiterung des Direktionsrechtes. Unzulässig sind dagegen Klauseln, welche dem Arbeitgeber einen so weiten Spielraum gewähren, dass dieser sogar in die Lage versetzt wird, den Mitarbeiter dauerhaft in einem anderen mit dem Konzern verbundenen Unternehmen einzusetzen. Dabei käme es nämlich zu einem Austausch des
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1 Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, C. Rz. 114. 2 Richardi/Wlotzke/Marschall, § 172, Rz. 2. 3 BAG v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78, DB 1982, 1569.
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Teil 3 Rz. 312
Typische Vertragsklauseln
Arbeitgebers und dem Beschäftigten stünden keine Einwirkungsmittel gegen diese Maßnahme zu. Dies wird als zu weitgehender Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers angesehen. Es ist deshalb wichtig, im Vertragstext hervorzuheben, dass es sich um eine vorübergehende Tätigkeit in dem verbundenen Unternehmen handelt. 312
Der vorübergehende Einsatz in einem anderen Unternehmens desselben Konzerns stellt eine gesetzlich gestattete Form der Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG dar. Das Kriterium „vorübergehend“ wird weit verstanden, so dass auch längere, sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeiten darunter subsumiert werden können. Wesentlich ist jedoch, dass kein dauerhaftes Ausscheiden vorliegt und eine Rückkehr in das Ausgangsunternehmen vereinbart ist. Formulierungsmuster Der Arbeitgeber ist berechtigt, dem Mitarbeiter vorübergehend auch folgende gleichwertige Tätigkeiten …/Aufgaben, die seinen Fähigkeiten und Kenntnissen sowie seinem Erfahrungsstand angemessen sind, in einem Unternehmen des … Konzerns für einen Zeitraum von maximal … Monaten/für die Erledigung von … Projekten, längstens bis zum … zu übertragen. Die Höhe der Vergütung bleibt durch diesen Einsatz unberührt. Die Belange des Mitarbeiters sind angemessen zu berücksichtigen. Bei einer Entsendung ins Ausland ist eine Ankündigungsfrist von 2 Monaten einzuhalten; bei einer Entsendung innerhalb Deutschlands von vier Wochen.
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Enthält der Arbeitsvertrag keine entsprechende Klausel, ist die Arbeitsleistung lediglich dem Konzernunternehmen gegenüber geschuldet, mit dem den Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Eine einseitige Abordnung oder Entsendung in ein anderes Konzernunternehmen scheidet dann aus.
g) Gewissensentscheidungen, Grundrechte 314
Bei der Ausübung des Direktionsrechtes müssen vom Arbeitgeber insbesondere auch grundrechtliche Positionen des Arbeitnehmers bei der Ermessensentscheidung nach § 106 GewO berücksichtigt werden. Eine große praktische Bedeutung haben vor allem Fälle erlangt, in denen Arbeitnehmer durch einzelne Weisungen in einen Konflikt zu ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit, also zu den in Art. 4 GG enthaltenen Rechten, gerieten. Auch wenn die Grundrechte zwischen Privatpersonen nicht unmittelbar anwendbar sind, sondern direkt nur den Staat verpflichten, entfalten sie dennoch eine mittelbare Drittwirkung in privaten Rechtsverhältnissen. Dies spielt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von abgelehnten Arbeitsanweisungen eine wichtige Rolle. Ist der Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsvertrages verpflichtet, bestimmte Aufgaben zu erledigen, riskiert er im Fall einer beharrlichen Arbeitsverweigerung grds. eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung1. 1 MüKoBGB/Henssler, § 1 KSchG Rz. 153.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 317 Teil 3
Die Kündigung ist aber rechtswidrig, wenn der Arbeitnehmer sich in einem Gewissenskonflikt befindet, er den Arbeitgeber über seine Gewissensnot in Kenntnis gesetzt hat und dieser verpflichtet war, bei der Ausübung des billigen Ermessens gemäß § 106 GewO die Drittwirkung von Art. 4 GG zu beachten. Es besteht in dieser Konstellation ein Recht zur Verweigerung der konkreten Aufgabe. Den Arbeitnehmer trifft die Darlegungslast für den bestehenden Gewissenskonflikt durch die Übertragung der konkreten Tätigkeit. Es existiert ein subjektiver Gewissensbegriff, der nicht extern von den Gerichten auf dessen objektive Richtigkeit überprüft werden kann. Art. 4 GG umfasst daher jede ernste sittliche, an den Kategorien von Gut und Böse orientierte Entscheidung, welche der Einzelne als für sich innerlich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt, so dass er nicht ohne ernste Gewissensnot gegen sie handeln kann1.
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§ 275 Abs. 3 BGB enthält jetzt eine Regelung für Fälle der Arbeitsverweigerung aus Gewissensgründen2. Ob ein Recht zur Leistungsverweigerung besteht, muss durch eine Abwägung der entgegenstehenden Rechtspositionen im Lichte der Verfassung ermittelt werden. Das BAG sah in einem Fall die Gewissensfreiheit beeinträchtigt, in dem Ärzte es auf Grund ihres Gewissens ablehnten, an der Erforschung und Produktion von Medikamenten mitzuwirken, die ein Erbrechen verhindern sollten, weil diese auch bei einem Krieg mit atomaren Waffen zur Förderung der Kampftauglichkeit verstrahlter Soldaten hätten eingesetzt werden können3. Der Arbeitgeber muss einen Gewissenskonflikt vermeiden und – sofern vorhanden – dem Arbeitnehmer andere Arbeitsaufgaben zuweisen. Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung aus Gewissensgründen nicht zu erbringen braucht, verliert er für diese Zeit seinen Vergütungsanspruch nach § 326 Abs. 1 BGB. Ist es nicht möglich, den Arbeitnehmer anderweitig mit Tätigkeiten zu beschäftigen, welche sein Gewissen nicht belasten, kann der Arbeitgeber auch auf die Möglichkeit einer personenbedingten Kündigung zurückgreifen. Dem Arbeitnehmer fehlt dann ein zur Ausübung der Arbeiten wesentliches persönliches Merkmal. Schadensersatzansprüche gegenüber dem Arbeitnehmer können dann entstehen, wenn eine Vorhersehbarkeit für spätere Gewissenskonflikte bestand und den Arbeitnehmer ein Verschulden trifft, etwa weil er den Arbeitsvertrag in Kenntnis der ihn belastenden Tätigkeit abgeschlossen hat. Häufig wird ein solcher Schadensersatzanspruch allerdings nur die Differenz zu der etwaig höheren Vergütung eines anderen ersatzweise eingestellten Arbeitnehmers umfassen. Sinnvoll ist aus Arbeitgebersicht, die Tätigkeiten so ausführlich im Arbeitsvertrag zu bezeichnen, dass der Arbeitnehmer mögliche Gewissensschwierigkeiten schon vor dem Vertragsabschluss überdenken kann.
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h) Direktionsrecht hinsichtlich Arbeitszeit und betrieblicher Ordnung Zur Bestimmung des Direktionsrechts in zeitlicher Hinsicht ist zwischen Dauer und Lage zu unterscheiden. Die Arbeitsdauer ist regelmäßig konkret im Arbeitsvertrag (oder in tariflichen Regelungen) bestimmt. Der Arbeitgeber kann 1 Richardi/Wlotzke/Berkowsky, § 114 Rz. 57. 2 Fischer, DB 2001, 1923, 1926. 3 BAG v. 24.5.1989 – 2 AZR 285/88, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Gewissensfreiheit; NJW 1990, 203.
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Teil 3 Rz. 318
Typische Vertragsklauseln
diese Vorgabe nicht einseitig abändern und sich auf sein Direktionsrecht berufen. Das Direktionsrecht bezieht sich aber auf die Lage der Arbeitszeit; der Arbeitgeber kann also den Beginn der Arbeitszeit bestimmen, wenn keine arbeitsvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung besteht. Auch dabei ist auf die Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage der betrieblichen Mitbestimmung. Es muss dafür immer auch ein kollektiver Bezug vorliegen, d.h. mehrere Arbeitnehmer werden von der Regelung umfasst oder es muss eine Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Mitarbeitern getroffen werden. 318
Hinsichtlich der betrieblichen Ordnung verfügt der Arbeitgeber über ein weites Direktionsrecht. Beispielsweise kann der Arbeitgeber die Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen anordnen, er kann Alkohol- und Rauchverbote aussprechen und Anweisungen zur Zeiterfassung erteilen. In der Praxis steht bei diesen Ordnungsanweisungen jedoch nicht das Individualarbeitsrecht, sondern die Mitbestimmung des Betriebsrats im Vordergrund.
3. Auslandseinsatz a) Einführung 319
Schwierigkeiten können sich bei der rechtlichen Beurteilung des Dienstverhältnisses ergeben, wenn der Mitarbeiter seine Arbeitsleistung teilweise oder gänzlich im Ausland erbringt. Etwa im Rahmen von grenzüberschreitenden Unternehmenskooperationen, Joint Ventures und Konzernverbindungen wächst das Gewicht dieser Fallgestaltungen zunehmend1. Es stellt sich dann die Frage, nach welcher Rechtsordnung sich die Vertragsbeziehung richtet2. Einerseits können die Parteien nach dem Prinzip der Privatautonomie und Vertragsfreiheit selbst eine geltende Rechtsordnung bestimmen und eine Rechtswahl treffen, andererseits sind dabei die Wirksamkeit und Einschränkungen solcher rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen und die Konkurrenzverhältnisse der jeweils maßgeblichen Normen zu berücksichtigen. Sofern ein Dienstverhältnis mit Auslandsbezug besteht, enthält das deutsche Internationale Arbeitsrecht für diese Konstellationen Vorschriften, in denen die Regeln über die Anwendung der jeweils geltenden nationalen Gesetze niedergelegt sind. Abhängig von den Einzelheiten des konkreten Arbeitsverhältnisses, vor allem Art, Dauer und Arbeitsort der jeweiligen Auslandstätigkeit, finden unterschiedliche nationale Regelungen Anwendung.
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Es ist ratsam, soweit dies durch Parteivereinbarung möglich ist, detaillierte Regelungen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen, um insbesondere eine räumliche und zeitliche Festlegung des Rahmens für die Auslandstätigkeit zu gewährleisten. Bei einer Tätigkeit im fremdsprachigen Ausland sollte auch festgelegt sein, welche Sprache und ggf. welcher Übersetzungstext für die Bestimmung wichtiger Rechtsfragen maßgeblich ist und bei etwaigen Differenzen aus1 Reiter, NZA 2004, 1246. 2 Thüsing, NZA 2003, 1303.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 323 Teil 3
schlaggebend sein soll. In einigen Fällen kann es sich anbieten oder sogar erforderlich sein, einen separaten Vertrag über die Aufnahme einer Auslandstätigkeit zu schließen. Falls der Auslandseinsatz länger als einen Monat dauern soll, müssen bestimmte weitere Angaben gemäß § 2 Abs. 2 NachwG erfolgen. Dies betrifft zwingend die Dauer der Auslandstätigkeit, die Währung, in welcher die Vergütung gezahlt wird, und mögliche Zusatzvereinbarungen wie etwa Modalitäten über die Rückkehr sowie besondere Leistungen1.
b) Unterschiedliche Vertragskonstellationen Im Hinblick auf die individualvertragliche Ausgestaltung der jeweiligen Auslandtätigkeit muss insbesondere die konkrete Dauer und die Bedeutung des Einsatzes Berücksichtigung finden. Es ist dabei zwischen einer nur für einen kurzen Zeitraum erfolgenden Abordnung, einer längere Zeiträume umfassenden Entsendung oder einer vollständigen Versetzung in ein im Ausland ansässiges Unternehmen zu differenzieren.
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Der Begriff der Abordnung knüpft an die beamtenrechtliche Terminologie an und bezeichnet eine zeitlich nur eng begrenzte Tätigkeit im Ausland. Dies betrifft in der Praxis oft bestimmte Projekttätigkeiten oder Aufgaben, die an der Erreichung eines eng gefassten Zieles anknüpfen. Das bisherige Arbeitsverhältnis bleibt zum Ausgangsunternehmen bestehen, so dass auch hinsichtlich der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung keine Änderungen zur bisherigen Situation eintreten. Es werden lediglich Ergänzungen und Änderungen des Anstellungsvertrages vorgenommen, wenn bereits eine Vereinbarung über die Wahrnehmung von Auslandseinsätzen enthalten ist. Ansonsten wird eine eigene Vereinbarung über die Delegation ins Ausland formuliert. Häufig werden hierbei Punkte wie eine Reisekostenübernahme, die Dauer des Einsatzes, das Anbieten einer Unterkunft und eine Rückkehrklausel aufgeworfen2.
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Bei länger dauernden Auslandseinsätzen (beispielsweise bei einem Zeitraum von drei Monaten bis zu drei Jahren) ist die Vereinbarung einer Entsendung üblich. Es bleibt beim bisherigen Anstellungsverhältnis und der Arbeitsvertrag ist weiterhin gültig. Im Hinblick auf Aspekte des Steuer- und Sozialversicherungsrechtes treten wegen der längeren Dauer der Auslandstätigkeit Unterschiede ein. Soll der Mitarbeiter auch bei einem längeren Auslandsaufenthalt weiterhin im inländischen Unternehmen beschäftigt werden, bietet es sich an, entweder den Vertrag aufrecht zu erhalten und nur wesentliche Klauseln über die Auslandstätigkeit in ihn aufzunehmen oder zusätzlich einen eigenen Vertrag über die Entsendung aufzusetzen3. Für die Festlegung der spezifischen Bedingungen, die mit einem Auslandsaufenthalt verbunden sind, wird als Ergänzung häufig ein eigener Entsendungsvertrag geschlossen. Es ist wichtig, darin etwa folgende Fragen zu regeln: die Dauer des Auslandseinsatzes, Rückkehrund Abberufungsklauseln, die zu erledigenden Aufgaben, Auslandszulage, Kosten für Reise und Unterkunft etc.
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1 Preis/Preis, II A 140, Rz. 2. 2 Zeißig/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, A. VIII. Rz. 566. 3 Kronisch, AuA 2001, 119.
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Teil 3 Rz. 324
Typische Vertragsklauseln
Formulierungsmuster Für den Zeitraum vom … bis … wird der Mitarbeiter … in … (Land) im Unternehmen … eingesetzt. Er wird mit folgenden Aufgaben betraut: … Der Arbeitgeber hat das Recht, die Auslandstätigkeit um … z.B. drei Monate zu verlängern. Der Arbeitgeber darf den Mitarbeiter (mit einer Frist von …/angemessenen Frist) vorzeitig abberufen, sofern ein wichtiger Grund vorliegt oder nicht anders abwendbare dringende betriebliche Gegebenheiten bestehen. Die persönlichen Verhältnisse des Mitarbeiters finden dabei Berücksichtigung. Der Mitarbeiter erhält zusätzlich zu seinem Grundgehalt eine Auslandszulage in Höhe von … Euro monatlich. Die Zulage ist an die Dauer des Auslandseinsatzes geknüpft.
324
Möglich ist aber auch, ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses zu vereinbaren und einen weiteren Vertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen im Ausland für die Zeit des Arbeitseinsatzes zu schließen. Während des Auslandseinsatzes werden die Hauptpflichten aus dem Vertrag zum inländischen Unternehmen suspendiert, dies betrifft vor allem die Leistungspflicht des Mitarbeiters und die Vergütungspflicht des Unternehmens. Die Nebenpflichten wie etwa Schutz-, Treue- und Geheimhaltungspflichten bleiben weiterhin unabhängig vom Ruhen bestehen1. Die Betriebszugehörigkeit zum inländischen Unternehmen wird nicht berührt. Formulierungsmuster Während des Einsatzes in … in der Zeit vom … bis … ruht Anstellungsvertrag vom … und lebt wieder erst auf, wenn der Mitarbeiter wieder vollständig mit Aufgaben im Inland betraut wird. Er hat mit dem aufnehmenden Unternehmen XY einen separaten Arbeitsvertrag abgeschlossen (Anlage) und unterliegt den Weisungen der dortigen Unternehmensführung. Bei der Rückkehr wird gewährleistet, dass ihm eine gleichwertige Tätigkeit, bei der er die neu gewonnenen Erfahrungen einsetzen kann, übertragen wird. Die Zeit der Unterbrechung wird auf die bisherige Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet.
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Bei einer vollständigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem inländischen Arbeitgeber z.B. durch Aufhebungsvertrag liegt keine vorübergehende Entsendung, sondern stattdessen eine dauernde Versetzung ins Ausland vor.
c) Internationales Arbeitsrecht aa) Anwendbares Recht 326
Grundsätzlich haben die Arbeitsvertragsparteien im Rahmen der Privatautonomie die Befugnis, ihre Rechtsbeziehungen und daher auch das auf sie anwendbare Recht, welches als sog. Arbeitsvertragsstatut bezeichnet wird, frei zu be1 BAG v. 9.8.1995 – 10 AZR 539/94, NZA 1996, 154, 156.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 330 Teil 3
stimmen1. Hauptregelung des Internationalen Arbeitsvertragsrechtes und maßgebende Vorschrift für alle Arbeitsverträge, welche seit dem 18.12.2009 abgeschlossen wurden, ist die Rom I-Verordnung (Art. 28 Rom I-VO). Diese europäische Verordnung2, welche am 24.7.2008 in Kraft getreten ist, ersetzte gemäß Art. 249 EG unmittelbar in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union geltendes Recht – mit Ausnahme Dänemarks – die bisherigen nationalen Regelungen. Für Altverträge, deren Abschluss vor dem Stichtag des 18.12.2009 liegt, gelten in Deutschland die zwischenzeitlich aufgehobnen Vorschriften der Art. 27–37 EGBGB a.F3. Die inhaltlichen Unterschiede der beiden Regelungswerke sind gering4. Zweck der Normen des internationalen Privatrechtes ist in beiden Fällen, Kollisionen zwischen unterschiedlichen nationalen Vorschriften zu vermeiden und Grenzen für arbeitsvertragliche Regelungen zu ziehen. Die jeweiligen Gerichte der Mitgliedstaaten müssen die Rom I-VO bei der Entscheidung der konkreten Rechtsstreitigkeiten anwenden und interpretieren, in der letzten Instanz muss bei Unklarheiten eine Vorlage an den EuGH erfolgen, um diesem eine einheitliche Auslegung des europäischen Gemeinschaftsrechtes nach Art. 234 EG zu ermöglichen. Der Anwendungsbereich der Rom I-VO ist nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Rom I-VO inhaltlich auf Individualarbeitsverträge begrenzt, wobei die europarechtliche Definition durch den EuGH als weisungsgebundene Tätigkeit für einen anderen gegen Entgelt zu Grunde zu legen ist.
327
Auf Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Ansprüche, die nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis zusammen hängen, erstreckt sich die Verordnung nicht.
328
bb) Freie Rechtswahl Prinzipiell steht es den Parteien nach Art. 3 Rom I-VO zu, frei beim Vertragsschluss oder auch nachträglich über die Wahl des für den Individualvertrag geltenden Rechtes zu entscheiden sowie gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO Veränderungen daran vorzunehmen.
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Auch konkludente Vereinbarungen über die Rechtswahl etwa in Form des Verweises auf einen einschlägigen Tarifvertrag sind möglich, sofern gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO der tatsächliche Parteiwille eindeutig erkennbar ist und nicht nur auf einen mutmaßlichen Parteiwillen abgestellt werden muss. Dieser kann aus den vertraglichen Vereinbarungen oder aus den jeweiligen Umständen geschlossen werden. Es ist dabei auch zulässig, sich auf Gesetze eines konkreten Staates zu beziehen. Nach dem alten Recht hat das BAG den Verweis im Arbeitsvertrag auf das deutsche Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als zulässige Entscheidung für das deutsche Recht qualifiziert5. Die Rechts-
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1 Küttner/Kreitner, Auslandstätigkeit, Rz. 9; Reiserer, NZA 1994, 673. 2 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlamentes und das Rates v. 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO), ABlEG Nr. L 177 v. 4.7.2008. 3 Kappelhoff, ArbRB 2009, 342. 4 Preis/Preis, II A 140, Rz. 5. 5 BAG v. 23.4.1998 – 2 AZR 489/97, NZA 1998, 995.
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Teil 3 Rz. 331
Typische Vertragsklauseln
wahl darf auch in einer gesonderten Vereinbarung getroffen werden. Überwiegend wird auch die Rechtswahl im Tarifvertrag als möglich erachtet1. Empfehlenswert ist, eine ausdrückliche und präzise Regelung im Individualvertrag niederzulegen, sofern der Mitarbeiter auch eine Tätigkeit mit Auslandsberührung wahrnehmen soll. Formulierungsbeispiel Auf den Vertrag zwischen … und … vom … findet ausschließlich deutsches Recht Anwendung./Dieser Vertrag vom … und sämtliche mit ihm verbundene weitere Vereinbarungen unterliegen dem … Recht.
cc) Objektive Regelanknüpfungen (1) Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes 331
Finden sich im Arbeitsvertrag keine ausdrücklichen Regelungen hinsichtlich der Rechtswahl und ist diese auch nicht eindeutig konkludent festgelegt, richtet sich der Vertrag gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO an der objektiven Regelanknüpfung des gewöhnlichen Arbeitsortes, also des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeitsleistung verrichtet. Häufig ist dieser identisch mit dem Betriebsort2. In Fällen einer grenzüberschreitenden Tätigkeit ohne festen Arbeitsort wird gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO auf den Ort, von dem aus die Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt, abgestellt. Damit wird etwa spezifischen Arbeitsbedingungen in der Tourismus- und Transportbranche Rechnung getragen. Beim fliegenden Personal von Luftfahrtgesellschaften soll nach der amtlichen Begründung Art. 8 Abs. 2 Satz 1 Rom I-VO eingreifen, sofern die Arbeitsorganisation von einem festen Ort aus vorgenommen wird3. Dies gilt generell, wenn für die Arbeitseinsätze mit wechselnden grenzüberschreitenden Bezügen die Einsatzplanung und –organisation von einem festen Standort aus durchgeführt wird; in all diesen Fällen ist Art. 8 Abs. 2 Satz Rom I-VO anwendbar, weil dieser feste Ort den gewöhnlichen Arbeitsort i.S.d. Vorschrift darstellt.
(2) Vorübergehende Auslandstätigkeit 332
Liegt eine vom zeitlichen Umfang her nur begrenzte Auslandstätigkeit vor, ist gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO bei nur vorübergehender Verrichtung der Tätigkeit in einem ausländischen Staat weiterhin das Recht des Arbeitsortes maßgebend. Das Kriterium einer „vorübergehenden“ Verrichtung ist dann erfüllt, wenn eine Rückkehr des Mitarbeiters beabsichtigt ist oder der Vertrag eine Rückkehrklausel enthält. Die Dauer der Auslandstätigkeit muss entweder durch eine zeitliche Befristung eingeschränkt sein oder die Wahrnehmung der 1 Schlachter, NZA 2000, 57; Küttner/Kreitner, Auslandstätigkeit, Rz. 9; a.A. Thüsing, NZA 2003, 1303. 2 Deinert, RdA 2009, 144, 145. 3 Kommissionsentwurf (2005) 650 endg., S. 8; Preis/Preis, II A 140, Rz. 7.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 337 Teil 3
Arbeit im Ausland ist an das zeitlich befristete Erreichen eines bestimmten Zieles geknüpft. Im Vergleich zum früheren Recht nach dem EGBGB ergeben sich keine rechtlichen Unterschiede. Auch die länger andauernde Wahrnehmung von Aufgaben im Ausland ist erfasst, sofern der Mitarbeiter nicht zeitlich unbegrenzt mit dieser Tätigkeit betraut wird1. Es wurden bislang von der Rechtsprechung keine pauschalen Zeitgrenzen bestimmt, innerhalb derer eine nur vorübergehende Entsendung anzunehmen ist. Entscheidend sind die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles2.
333
Wird ein neuer Anstellungsvertrag mit dem ausländischen Unternehmen abgeschlossen und das Arbeitsverhältnis mit dem inländischen Arbeitgeber etwa durch einen Aufhebungsvertrag vollständig beendet, kann dagegen nicht mehr von einer nur vorübergehenden Verrichtung ausgegangen werden. Es liegt dann vielmehr eine dauernde Versetzung ins Ausland vor, welche eine Anwendung des Art. 8 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO ausschließt. Es findet in diesem Fall das ausländische Recht Anwendung.
334
(3) Recht der Niederlassung Gemäß Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO findet das Recht der Niederlassung Andwendung, welche den Arbeitnehmer eingestellt hat, wenn dieser seine Tätigkeit gewöhnlich nicht in demselben Land verrichtet. Unter der Niederlassung ist der Betrieb zu verstehen, von welchem der Arbeitgeber seine geschäftlichen Aufgaben koordiniert und durchführt. Die einstellende Niederlassung ist die organisatorische Einheit, die den Anstellungsvertrag abgeschlossen hat.
335
Unter Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO lassen sich solche Arbeitnehmer subsumieren, die an ständig wechselnden Arbeitsorten tätig werden, ohne dass einer der Orte vom zeitlichen Umfang her ein Übergewicht besäße und die Arbeitsleistung auch nicht von einem bestimmten Ort aus gewöhnlich erfolgt. Der gewöhnliche Arbeitsort ist somit eindeutig als vorrangiges Kriterium festgelegt, so dass nur bei dessen Fehlen auf die einstellende Niederlassung abzustellen ist.
336
dd) Abweichungen nach Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist, greifen gemäß der sog. Ausweichklausel des Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO die objektiven Regelanknüpfungen des Arbeitsortes nach Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO bzw. des Ortes der einstellenden Niederlassung gemäß Art. 8 Abs. 3 Rom I-VO nicht ein. Es handelt sich bei Art. 8 Abs. 4 Rom I-VO um eine Ausnahmevorschrift, die restriktiv interpretiert wird. Durch die Vorschrift wird ein im Einzelfall erheblich unangemessenes Ergebnis der Regelanknüpfungen durch die Anwendung der besser geeigneten Rechtsordnung vermieden. Für die Annahme einer solchen engeren Verbindung 1 Kappelhoff, ArbRB 2009, 342. 2 Preis/Preis, II A 140, Rz. 7.
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Teil 3 Rz. 338
Typische Vertragsklauseln
müssen jedoch gravierende Umstände vorliegen, die auf Grund ihrer Bedeutung im Vergleich zu den Regelanknüpfungen eine Abweichung rechtfertigen1. Das BAG hat eine engere Verbindung zu einem anderen Staat aus folgenden Einzelumständen abgeleitet: Rechtsform und Sitz des Unternehmens, Staatsangehörigkeit und Hauptwohnsitz der Arbeitnehmer, Ort des Vertragsabschlusses, Sprache des Arbeitsvertrages, Währung der Vergütungszahlung, Rechtswahl, Sozialversicherung im Ausland2. Als weitere Gesichtspunkte kommen z.B. der Ort, an dem das Weisungsrecht ausgeübt wird, sowie der Erfüllungsort in Betracht.
ee) Zwingende staatliche Vorschriften 338
Existieren zwingende Bestimmungen eines Staates, können diese die freie Rechtswahl der Parteien i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO begrenzen. Auf Grund der Regelung in Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO ist es nicht möglich, durch die Rechtswahl zu Lasten des Arbeitnehmers von den zwingenden Bestimmungen des Staates abzuweichen, die ohne die Rechtswahl anzuwenden wären. Sofern einige Bestimmungen nicht zwingenden Charakters sind, bleibt die Rechtswahl weiterhin wirksam. Als zwingend werden solche Vorschriften qualifiziert, welche zu Gunsten des Arbeitnehmers eingreifen und auch durch eine Vereinbarung nicht abbedungen werden können3. Festzustellen ist zunächst, welche Rechtsordnung anwendbar wäre, wenn die Rechtswahl unterblieben wäre. Dies richtet sich nach den objektiven Kriterien des Art. 8 Abs. 2–4 Rom I-VO.
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Durch Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO soll zum Schutz der Arbeitnehmer ein Mindeststandard in Form der zwingenden Bestimmungen, die bei fehlender Rechtswahl eingreifen würden, gewährleistet werden. Ob die Abweichung von den zwingenden Bestimmungen zum Nachteil des Arbeitnehmers erfolgt, ist im Wege eines Günstigkeitsvergleiches zu ermitteln4. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass dieser in Form eines Sachgruppenvergleiches durchgeführt wird, d.h. es werden zusammengehörige Regelungsbereiche miteinander verglichen5. Es hat sich dafür eine objektive Einschätzung an Hand der konkreten Norm entwickelt, wobei ein Vergleich der von den Parteien gewählten Rechtsvorschrift mit der nach objektiven Aspekten einschlägigen Norm erfolgt. Einfluss auf die Entscheidung hat etwa, welche Interessen der Arbeitnehmer verfolgt und ob eine sachgerechte Lösung für das spezifische Rechtsgebiet erreicht wird. Bestimmungen des zwingenden Rechtes stellen im deutschen Arbeitsrecht etwa Regeln über den Betriebsübergang gemäß § 613a BGB oder des Kündigungsschutzes nach §§ 1 ff. KSchG dar. Es ist möglich, dass auf ein Arbeitsverhältnis verschiedene Rechtsordnungen anwendbar sind, etwa einerseits deutsche Vorschriften über den Kündigungsschutz, andererseits aber z.B. ausländische Regeln über die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses. 1 BeckOK/Spickhoff, Art. 30 EGBGB Rz. 27. 2 BAG v. 9.7.2003 – 10 AZR 593/02, BB 2004, 13337; Küttner/Kreitner, Auslandstätigkeit, Rz. 9; BeckOK/Spickhoff, Art. 30 EGBGB Rz. 27. 3 Schlachter, NZA 2000, 57, 60. 4 BAG v. 11.12.2003 – 2 AZR 627/02, NZA 2004, 680. 5 Thüsing, NZA 2003, 1303, 1307.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 341 Teil 3
ff) Eingriffsnormen Wenn für das Vertragsverhältnis der Parteien die Rechtsordnung eines ausländischen Staates nach der Rechtswahl oder den objektiven Regelanknüpfungen der Art. 8 Abs. 2–4 Rom I-VO einschlägig ist, zieht Art. 9 Rom I-VO hierfür Grenzen. Eingriffsnormen sind gegenüber der Rechtswahl oder den objektiv geltenden Normen vorrangig. Es handelt sich dabei um konkrete Vorschriften des deutschen Arbeitsrechtes, die für besonders wesentlich erachtet werden. Zunächst ist zu prüfen, ob ein hinreichender Bezug zum deutschen Recht überhaupt gegeben ist1. Andernfalls ist die Anwendbarkeit der deutschen Eingriffsnormen ohnehin ausgeschlossen. Ein hinreichender Bezug ist gegeben, wenn das Arbeitsverhältnis zum inländischen Arbeitgeber fortbesteht und bei der Beendigung der Auslandstätigkeit der ursprüngliche Anstellungsvertrag wieder aufleben soll2. Nach der Definition in Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO sind unter Eingriffsnormen solche zwingenden Vorschriften zu verstehen, deren Beachtung vom Staat als entscheidend für die Wahrung des öffentlichen Interesses, insbesondere der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird. Ausgangspunkt ist deshalb die konkrete Bestimmung des Umfanges der Eingriffsbefugnisse und öffentlichen Interessen durch den einzelnen Staat. Ist eine Behörde auf Grund einer Vorschrift auch für deren Durchsetzung zuständig, spricht dies für eine Eingriffsnorm. Zweck der Norm darf nicht die bloße Ausgestaltung privater Interessen sein, sie muss zumindest auch dem Schutz des Gemeinwohles dienen3. Als Beispiele für Eingriffsnormen können die Vorschriften über die Massenentlassung gemäß §§ 17 ff. KSchG, über den Kündigungsschutz bei Schwangerschaft und Mutterschaft nach § 9 MuSchG, über den Kündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen gemäß § 85 SGB IX sowie – jedoch umstritten – über die Entgeltfortzahlung bei Krankheit nach § 3 Abs. 1 EFZG aufgeführt werden.
340
gg) Sonstiges Für die Formwirksamkeit von Rechtsgeschäften lässt Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO ausreichen, dass die Form des vertraglich anwendbaren Rechtes erfüllt wird oder die Formvorschriften des Staates eingehalten werden, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen wird. Nach Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO erstreckt sich diese Regelung auch auf einseitige Rechtsgeschäfte, wie z.B. die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Einige Vorschriften des Ortsrechtes sind dennoch anwendbar, auch wenn die Geltung eines anderen Rechtes etwa deutschen Rechtes im Ausland vereinbart wurde, Art. 12 Abs. 2 Rom I-VO. Beispiele sind örtliche Vorschriften über Feiertage oder eine von den deutschen Regeln abweichende Höchstarbeitszeit.
1 Deinert, RdA 2009, 144, 150. 2 BAG v. 14.7.2005 – 8 AZR 392/02, NZA 2005, 1411. 3 BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627.
C. Liebscher
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341
Teil 3 Rz. 342
Typische Vertragsklauseln
II. Steuerrecht 342
Soweit im folgenden Abschnitt internationale Sachverhalte angesprochen werden, betreffen diese nur ins Ausland entsandte Geschäftsführer, die weiterhin in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind (Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt gemäß §§ 8, 9 AO im Inland). Wird der Wohnsitz ins Ausland verlagert (und wird ein ständiger Aufenthalt i.S.v. § 9 AO im Inland vermieden), besteht im Inland keine unbeschränkte Steuerpflicht mehr. Der Geschäftsführer ist dann gemäß §§ 1 Abs. 4, 49 EStG nur noch mit den in § 49 EStG genannten Einkünften im Inland beschränkt steuerpflichtig. Bezieht der Geschäftsführer weiterhin aus dem Inland Arbeitslohn, ist die inländische Kapitalgesellschaft zum Lohnsteuerabzug verpflichtet; mit dem Lohnsteuerabzug gilt gem. § 50 Abs. 2 EStG die Einkommensteuer als abgegolten.
1. Lohnsteuer 343
Der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung betrifft die lohnsteuerliche Behandlung von „Konzernsachverhalten“ beim Arbeitgeber. Auf die Folgen bei dem Geschäftsführer selbst wird nur eingegangen, soweit dies ist erforderlich.
a) Inland 344
Wird der Geschäftsführer lediglich an eine andere Betriebsstätte oder einen anderen Tätigkeitsort innerhalb des Unternehmens des Arbeitgebers versetzt, ergeben sich keine lohnsteuerrechtlichen Besonderheiten.
345
Wird der Geschäftsführer für mehrere Konzerngesellschaften tätig – national wie international – stellt sich die Frage, ob das entsendende Konzernunternehmen Arbeitgeber bleibt oder ob das aufnehmende Konzernunternehmen, entweder ausschließlich oder neben dem entsendenden Konzernunternehmen, Arbeitgeber wird. Es können folgende Fallgruppen unterschieden werden: – es besteht ausschließlich ein Arbeitsverhältnis zwischen der entsendenden Konzerngesellschaft und dem Geschäftsführer; – das Arbeitsverhältnis kann aufgespalten werden (Mehrfacharbeitsverhältnis) in ein Arbeitsverhältnis gegenüber der entsendenden und in ein Arbeitsverhältnis gegenüber der aufnehmenden Konzerngesellschaft; – das Arbeitsverhältnis mit der entsendenden Konzerngesellschaft wird ruhend gestellt werden; stattdessen wird ein Arbeitsverhältnis mit der aufnehmenden Konzerngesellschaft begründet.
346
Arbeitgeber im (lohn-)steuerrechtlichen Sinne ist derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisung zu folgen er verpflichtet ist; die Definitionen in § 1 Abs. 1 u. 2 LStDV gelten entsprechend1. Die Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers sowie die Weisungsabhängigkeit ergeben sich im Regelfall aus dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag. 1 BFH v. 19.2.2004 – VI R 122/00, BStBl. 2004 II, 620.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 351 Teil 3
Besteht das Arbeitsverhältnis zwischen der entsendenden Konzerngesellschaft und dem Geschäftsführer, schuldet der Geschäftsführer seine Arbeitskraft weiterhin der entsendenden Konzerngesellschaft und ist den Weisungen der entsendenden Konzerngesellschaft unterworfen. Die entsendende Konzerngesellschaft bleibt daher lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber. Gewährt die aufnehmende Kapitalgesellschaft dem Geschäftsführer einen Arbeitslohn oder sonstige Vergütungen, hat die entsendende Konzerngesellschaft nach § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen, wenn sie von der Gewährung des Arbeitslohnes durch die aufnehmende Konzerngesellschaft weiß oder dies erkennen konnte (!). Die entsendende Konzerngesellschaft sollte sich daher im eigenen Interesse von dem Geschäftsführer bestätigen lassen, ob und welche Leistungen die aufnehmende Konzerngesellschaft erbracht hat.
347
Besonderheiten bestehen bei einem einheitlichen Arbeitsverhältnis. Nach der Rechtsprechung des BAG können verschiedene Arbeitgeber (regelmäßig im Rahmen eines Konzernverbundes) mit einem Arbeitnehmer mehrere Arbeitsverträge schließen, die arbeitsrechtlich als ein einheitliches Arbeitsverhältnis angesehen werden1. Bei einem einheitlichen Arbeitsverhältnis besteht lohnsteuerrechtlich nur ein Arbeitsverhältnis. Ebenso wie im Arbeitsrecht sind die verschiedenen Arbeitgeber bei der Einhaltung der lohnsteuerrechtlichen Vorgaben gesamtschuldnerisch verpflichtet und haften gesamtschuldnerisch gemäß § 42d Abs. 1 EStG i.V.m. § 44 AO. Im Innenverhältnis sind die Konzerngesellschaften nach dem jeweiligen Anteil des Arbeitslohnes verpflichtet, der im Innenverhältnis auf die einzelnen Konzerngesellschaften entfällt. Der Geschäftsführer hat nur eine Lohnsteuerkarte vorzulegen2.
348
Bei einem Mehrfacharbeitsverhältnis erzielt der Arbeitnehmer Arbeitslohn aus mehreren gleichzeitig nebeneinander bestehenden Dienstverhältnissen. Der jeweilige Arbeitgeber hat die lohnsteuerlichen Pflichten zu erfüllen, die sich aus dem eigenen Arbeitsverhältnis gegenüber dem Geschäftsführer ergeben. Eine gesamtschuldnerische Verpflichtung und Haftung besteht nicht3.
349
Eine Mehrfachbeschäftigung liegt auch vor, wenn eine Führungskraft Bezüge aus einem aktiven Dienstverhältnis sowie aus einem früheren Dienstverhältnis bezieht. Entsprechend der Anzahl der Arbeitsverhältnisse sind Lohnsteuerkarten auszustellen; der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht, bei welchem Arbeitsverhältnis die 1. Lohnsteuerkarte mit den Lohnsteuerklassen I bis V zu Grunde gelegt wird und bei welchen Arbeitsverhältnissen die weiteren Lohnsteuerkarten mit der Lohnsteuerklasse VI (mit entsprechend hohen Abzügen) genutzt wird. Die Pauschalierungsvorschriften gem. §§ 40 bis 40b EStG können bei allen Arbeitsverhältnissen genutzt werden, soweit die jeweilige Vorschrift in dem konkreten Arbeitsverhältnis erfüllt ist.
350
Wird das Arbeitsverhältnis mit der entsendenden Konzerngesellschaft ruhend gestellt und stattdessen ein neues Arbeitsverhältnis mit der aufnehmenden
351
1 BAG v. 27.2.1981 – 7 AZR 523/78, NJW 1984, 1703 = DB 1982, 1569. 2 Forchhammer, DStZ 1999, 153, 161. 3 Forchhammer, DStZ 1999, 153, 161.
Menkel
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Teil 3 Rz. 352
Typische Vertragsklauseln
Konzerngesellschaft begründet, wird die aufnehmende Konzerngesellschaft lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber des entsandten Geschäftsführers. 352
Ein Sonderfall besteht bei der Arbeitnehmerüberlassung. Bei der Arbeitnehmerüberlassung erfolgt kein Wechsel des lohnsteuerrechtlichen Arbeitgebers vom Verleiher auf den Entleiher, unabhängig davon ob die Überlassung nach AÜG erlaubt oder unerlaubt erfolgt. Solange der Verleiher das Gehalt an den entliehenen Arbeitnehmer auszahlt, bleibt er lohnsteuerrechtlich Arbeitgeber. Daran ändert sich auch nichts, wenn das Gehalt sowie die Nebenkosten ggf. anteilig dem entleihenden Unternehmen weiterbelastet werden. Ausnahmsweise kann der Entleiher lohnsteuerrechtlich Arbeitgeber sein, wenn er den Arbeitslohn dem Arbeitnehmer in eigenem Namen und für eigene Rechnung unmittelbar auszahlt1.
353
Der Entleiher haftet gesamtschuldnerisch neben dem Verleiher sowie dem Arbeitnehmer auf die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer, ebenfalls unabhängig davon, ob die Arbeitnehmerüberlassung nach AÜG erlaubt oder unerlaubt erfolgt. Bei Konzernsachverhalten besteht allerdings im Regelfall die Haftungsfreistellung gemäß § 42d Abs. 6 Satz 1 EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG. Danach besteht keine Haftung des Entleihers bei der Überlassung von Arbeitnehmern zwischen Konzernunternehmen im aktienrechtlichen Sinne, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend nicht bei seinem Arbeitgeber leistet.
b) Ausland 354
Bei einer Entsendung eines Geschäftsführers, der in einem Dienstverhältnis zu einem inländischen Arbeitgeber steht, zu einer ausländischen Konzerngesellschaft, stellen sich die gleichen Abgrenzungsfragen wie in dem Inlandssachverhalt: – das Arbeitsverhältnis zu der inländischen Konzerngesellschaft bleibt bestehen, ohne dass ein weiteres Arbeitsverhältnis zu der ausländischen Konzerngesellschaft hinzutritt; – es besteht ein Mehrfacharbeitsverhältnis zwischen der inländischen Konzerngesellschaft und dem Geschäftsführer sowie der ausländischen Konzerngesellschaft und dem Geschäftsführer; – das inländische Arbeitsverhältnis wird ruhend gestellt und ein ausländisches Arbeitsverhältnis wird stattdessen begründet.
355
Bleibt das Arbeitsverhältnis zu der inländischen Konzerngesellschaft bestehen, ohne dass ein weiteres Arbeitsverhältnis zu der ausländischen Konzerngesellschaft hinzutritt, ist die inländische Konzerngesellschaft Arbeitgeber im lohnsteuerrechtlichen Sinne. Sie hat die Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen und haftet gemäß § 42d EStG für die Lohnsteuer. Im eigenen Interesse hat die inländische Konzerngesellschaft – ebenso wie bei Inlandssachverhalten – wegen § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG von dem Geschäftsführer abzufragen, ob die ausländische Konzerngesellschaft dem Geschäftsführer zusätzliche Leistungen gewährt hat. 1 BFH v. 24.3.1999 – I R 64/98, BStBl. 2000 II, 41.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 360 Teil 3
Bei einem Mehrfacharbeitsverhältnis mit einer inländischen sowie mit einer ausländischen Konzerngesellschaft, ist der inländische Arbeitgeber lohnsteuerrechtlich nur insoweit verpflichtet als es das eigene Arbeitsverhältnis betrifft. Eine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer wegen der Vergütung aus dem Dienstverhältnis mit der ausländischen Konzerngesellschaft gemäß § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG besteht nicht, da die Vergütung aus dem weiteren Arbeitsverhältnis nicht „im Rahmen“ des Dienstverhältnisses zu der inländischen Konzerngesellschaft gewährt wird.
356
Ruht das Arbeitsverhältnis mit der inländischen Konzerngesellschaft und wird stattdessen ein Arbeitsverhältnis mit der ausländischen Konzerngesellschaft begründet, ist die inländische Konzerngesellschaft jedenfalls dann nicht inländischer „Arbeitgeber“, wenn die ausländische Konzerngesellschaft in eigenem Namen und für eigene Rechnung dem entsandten Arbeitnehmer das Gehalt auszahlt. Dies wird auch dann gelten, wenn die inländische Konzerngesellschaft zwar dem Arbeitnehmer das Gehalt auszahlt, dieses Gehalt allerdings intern vollständig an die ausländische Konzerngesellschaft weiterbelastet. Die inländische Konzerngesellschaft nimmt hier nur die Funktion einer Zahlstelle ein, ohne dass sie „Arbeitgeber“ im lohnsteuerrechtlichen Sinne wird.
357
Wenn eine inländische Lohnsteuerpflicht besteht, ist weiterhin zu prüfen, ob Deutschland nach einem Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht zusteht; dazu im Einzelnen unten Rz. 361 ff. Ergibt sich hierbei, dass ausschließlich dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zusteht, wird der inländische Arbeitgeber von der Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer befreit. Das Betriebsstättenfinanzamt stellt auf Antrag des Arbeitnehmers oder der inländischen Konzerngesellschaft gemäß § 39b Abs. 6 EStG eine Freistellungsbescheinigung aus; die inländische Konzerngesellschaft als Arbeitgeber hat diese Bescheinigung als Beleg zum Lohnkonto aufzubewahren1.
358
2. Einkommensteuer Sollte die inländische Konzerngesellschaft Lohnsteuer für den ins Ausland entsandte Geschäftsführer einbehalten und abgeführt haben, ist damit noch nichts darüber besagt, ob Deutschland tatsächlich das Besteuerungsrecht zusteht. Es kommt regelmäßig vor, dass die inländische Konzerngesellschaft, um der Haftung gemäß § 42d EStG zu entgehen, Lohnsteuer einbehält und abführt, bis das zuständige Betriebsstättenfinanzamt die Freistellungsbescheinigung gemäß § 39b Abs. 6 EStG erteilt. Erst im Veranlagungsverfahren wird geklärt, ob für den ins Ausland entsandten Geschäftsführer tatsächlich im Inland eine unbeschränkte Steuerpflicht besteht.
359
Die steuerlichen Folgen für den Geschäftsführer bei einer Tätigkeit im Ausland richten sich zunächst danach, ob die Bundesrepublik Deutschland mit diesem ausländischen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) geschlossen hat.
360
1 R 39b.10 LStR 2011.
Menkel
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Teil 3 Rz. 361
Typische Vertragsklauseln
a) DBA-Ausland 361
Durch die Doppelbesteuerungsabkommen wird geregelt, welchem der beteiligten Staaten das Besteuerungsrecht zusteht, wenn beide Staaten nach ihrem jeweiligen inländischen Steuerrecht denselben tatsächlichen Vorgang (die Bezahlung von Arbeitslohn) besteuern. Nach Art. 15 OECD-MA hat grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht. Ansässigkeitsstaat im abkommensrechtlichen Sinne ist etwas anderes als der Wohnsitz gemäß § 8 AO im innerstaatlichen Recht. Nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA gilt eine Person dann in einem Vertragsstaat als „ansässig“, wenn diese Person nach dem jeweils innerstaatlichen Recht aufgrund des Wohnsitzes oder wegen ihres ständigen Aufenthaltes nach dem Recht des jeweiligen Staates steuerpflichtig ist. Ist der Steuerpflichtige nach dieser Definition in beiden Vertragsstaaten „ansässig“ bestimmt sich nach Art. 4 Abs. 2 OECD-MA (den „Tie-Breaker-Rules“) der maßgebliche Ansässigkeitsstaat. Nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA gilt derjenige Staat als Ansässigkeitsstaat, zu dem der Steuerpflichtige die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehung hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Die Mehrzahl der Fälle lässt sich mit dieser Regelung lösen. Ansonsten richtet sich der Ansässigkeitsstaat nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Steuerpflichtigen, danach nach der Staatsbürgerschaft und sollte der Steuerpflichtige die Staatsbürgerschaft beider Vertragsstaaten oder keines der Vertragsstaaten haben, nach dem Einvernehmen der zuständigen Behörden. Beispiel: Ein Geschäftsführer wird für drei Jahre von der deutschen Obergesellschaft zu einer niederländischen B.V. als Geschäftsführer abgeordnet. Der deutsche Geschäftsführer behält für gelegentliche Besuche seine Wohnung in Deutschland bei. Mit seiner Familie zieht er in ein Haus in den Niederlanden. Die Kinder gehen in den Niederlanden zur Schule.
362
Nach deutschem innerstaatlichen Recht (§ 8 AO) hat der Geschäftsführer weiterhin seinen Wohnsitz in Deutschland, da er die ihm gehörende Wohnung noch für gelegentliche Besuche nutzt. Nach dem niederländischen Steuerrecht hat er ebenfalls seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Aufgrund der Regelung in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA gelten die Niederlanden als der Ansässigkeitsstaat, da der Geschäftsführer mit der Familie in den Niederlanden lebt und die Kinder eine Schule in den Niederlanden besuchen. Der Schwerpunkt der persönlichen Interessen liegt daher in den Niederlanden.
363
Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA wird in diesen Fällen das Gehalt des Geschäftsführers ausschließlich in dem Ansässigkeitsstatt, hier den Niederlanden besteuert. Das für die inländische Konzerngesellschaft zuständige Betriebsstättenfinanzamt hat auf Antrag des Geschäftsführers oder der inländischen Gesellschaft gem. § 39b Abs. 6 EStG eine Freistellungsbescheinigung für Lohnsteuerzwecke auszustellen. Lohnsteuer ist daher im Inland nicht mehr abzuführen.
364
Bleibt das Inland der Ansässigkeitsstaat, ist die abkommensrechtliche Behandlung komplizierter. Grundsatz und Ausnahme ergeben sich aus Art. 15 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA. Von der Ausnahme macht wiederum Art. 15 Abs. 2 OECDMA eine wichtige Unterausnahme. 224
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 369 Teil 3
Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA hat grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Steuerrecht. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Übt der Geschäftsführer seine Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat aus, kann auch der andere Vertragsstaat den Arbeitslohn besteuern, soweit der Lohn auf die Tätigkeit des Geschäftsführers entfällt.
365
Beispiel: Ein Geschäftsführer einer inländischen Konzerngesellschaft wird für zwölf Monate als Geschäftsführer einer niederländischen B.V. abgeordnet. Der Geschäftsführer behält im Inland seinen Wohnsitz. In den Niederlanden zieht er in ein Appartement. Ehefrau sowie Kinder verbleiben im Inland. Der Geschäftsführer fährt Sonntagsabends zu dem Tätigkeitsort in den Niederlanden und kehrt Freitagsabends zurück.
Nach inländischem Steuerrecht hat der Geschäftsführer weiterhin seinen Wohnsitz im Inland; ebenso auch nach dem Steuerrecht in den Niederlanden. Abkommensrechtlich bleibt Deutschland der Ansässigkeitsstaat, da der Mittelpunkt der Lebensinteressen weiterhin im Inland ist. Die Ehefrau sowie die Familie verbleiben im Inland. Der Geschäftsführer verbringt die Wochenenden bei seiner Familie im Inland.
366
Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA steht das Besteuerungsrecht trotzdem den Niederlanden zu. Die Tätigkeit des Geschäftsführers wird nicht im Inland ausgeübt, sondern als Geschäftsführer der niederländischen Konzerngesellschaft in den Niederlanden. Nach Art. 15 Abs. 1 OECD-MA steht daher den Niederlanden das Besteuerungsrecht zu.
367
Von dieser ersten Ausnahme (Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaat) macht Art. 15 Abs. 2 OECD-MA eine wichtige Unterausnahme. Danach werden Vergütungen (= Arbeitslohn) ausschließlich in dem Ansässigkeitsstaat besteuert, obwohl der Geschäftsführer seine Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat ausübt, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:
368
– der Geschäftsführer darf sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhalten und – der Arbeitgeber, der die Vergütungen für den Geschäftsführer zahlt, darf nicht in dem Tätigkeitsstaat ansässig sein; und – die Vergütungen des Geschäftsführers dürfen nicht von einer Betriebsstätte getragen werden, die der Arbeitgeber in den anderen Vertragsstaat unterhält. Bei der 183-Tage-Regelung nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA ist zu beachten, dass der zwölfmonatige Zeitraum sich nach einer Reihe von DBA nicht auf das Kalenderjahr beschränkt, sondern sich über zwei Kalenderjahre hinziehen kann. Wenn sich der Geschäftsführer im Jahr 2001 von September bis Dezember insgesamt an 90 Tagen und im Jahr 2002 von Januar bis April an insgesamt weiteren 95 Tagen in dem anderen Vertragsstaat aufhält, ist die 183-Tage-Frist überschritten. Innerhalb eines Kalenderjahres, hier gerechnet von April 2001 bis April 2002, hat sich der Geschäftsführer an insgesamt 185 Tagen in dem anderen Vertragsstaat aufgehalten. Menkel
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225
369
Teil 3 Rz. 370
Typische Vertragsklauseln
370
Weitere Voraussetzung nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA ist, dass der Arbeitgeber, der dem Geschäftsführer die Vergütung zahlt, nicht in dem Tätigkeitsstaat ansässig ist. Der Arbeitgeberbegriff des Abkommensrechts ist unabhängig von dem innerstaatlichen (lohn)steuerlichen Arbeitgeberbegriff, aber auch unabhängig von dem zivilrechtlichen Arbeitgeberbegriff. Arbeitgeber i.S.d. Abkommensrechts ist diejenige natürliche oder juristische Person, die die Vergütung für die ihr geleistete nichtselbständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt1.
371
Bei Konzernsachverhalten können Besonderheiten auftreten. Wenn der Geschäftsführer sowohl für das entsendende Konzernunternehmen als auch für das aufnehmende Konzernunternehmen tätig ist und das aufnehmende Konzernunternehmen den auf seine Tätigkeit entfallende Teil der Vergütung dem entsendenden Unternehmen erstattet, können abkommensrechtlich sowohl das entsendende als auch das aufnehmende Unternehmen „Arbeitgeber“ i.S.v. Art. 15 Abs. 2 Buchst. b OECD-MA sein2. Die aufnehmende ausländische Konzerngesellschaft ist allerdings nur dann „Arbeitgeber“ im abkommensrechtlichen Sinne, wenn der Geschäftsführer nicht nur „in“ dem aufnehmenden Unternehmen (auf Weisung des entsendenden Unternehmens) tätig ist, sondern auch „für“ das aufnehmende Unternehmen. Nach der Rechtsprechung hängt diese Qualifikation der Tätigkeit „für“ das aufnehmende Unternehmen davon ab, ob der Geschäftsführer im Interesse des aufnehmenden Unternehmens tätig ist. Dient die Tätigkeit des Geschäftsführers überwiegend oder gar ausschließlich dem entsendenden Unternehmen (z.B. bei konzerninternen Controllingmaßnahmen), ist der Geschäftsführer nicht „für“ das aufnehmende Unternehmen tätig, sondern lediglich „in“ dem aufnehmenden Unternehmen.
372
Nach Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA hängt die Besteuerung in dem Ansässigkeitsstaat noch davon ab, dass der Arbeitgeber keine Betriebsstätte in dem Tätigkeitsstaat unterhält, die intern die Vergütung für den Geschäftsführer trägt.
373
Eine Reihe von Doppelbesteuerungsabkommen enthalten Sonderregelungen für Mitglieder von Leitungsorganen. Das „Leit-DBA“ ist das DBA Schweiz 1992. Nach Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1992 kann eine natürliche Person, die in einem Vertragsstaat ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in dem anderen Vertragsstaat ansässigen Konzerngesellschaft tätig ist, mit den Einkünften aus dieser Tätigkeit in diesem anderen Staat besteuert werden. Besteuert dieser „andere Staat“ (d.h. der Ansässigkeitsstaat der Konzerngesellschaft) die Einkünfte der Führungskraft, kann der Ansässigkeitsstaat des Geschäftsführers diese Einkünfte nicht mehr besteuern (Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1d) DBA-Schweiz 1992). Beispiel: Ein Geschäftsführer einer inländischen Konzerngesellschaft wohnt mit seiner Familie auf der deutschen Seite des Bodensees. Er wird als Vorstand einer AG mit Sitz auf der Schweizer Seite des Bodensees abgeordnet. Den Wohnsitz behält der Geschäftsführer weiterhin im Inland. Die Grenzgänger-Regelung (dazu unten Rz. 380 f.) soll nicht greifen.
1 BFH v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. 2005 II, 547. 2 BFH v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. 2005 II, 547.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 379 Teil 3
Nach Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1992 hat ausschließlich die Schweiz das Besteuerungsrecht für die Einkünfte aus dieser Tätigkeit. Da die Schweiz diese Einkünfte besteuert, hat Deutschland kein Besteuerungsrecht mehr.
374
Die Freistellung gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 ist nicht auf den Anteil der Einkünfte begrenzt, der auf die tatsächliche Tätigkeit in der Schweiz entfällt. Soweit nicht der Sonderfall der GrenzgängerRegelung vorliegt (dazu nachfolgend Rz. 380 f.) sind die Einkünfte insgesamt freizustellen, unabhängig davon ob der leitende Angestellte in der Schweiz tätig war oder in einem Drittstaat. Die Tatbestandsmerkmale „in der Schweiz ausgeübt“ gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d DBA Schweiz 1992 führen ebenso wie Art. 15 Abs. 4 DBA Schweiz 1992 zu einer Fiktion des Tätigkeitsortes. Der leitende Angestellte übt seine Tätigkeit an dem Geschäftssitz der Kapitalgesellschaft aus; unabhängig davon, ob er tatsächlich an jedem Tag an dem Geschäftssitz der Gesellschaft tätig ist oder in einem Drittstaat1.
375
Eine vergleichbare Regelung enthalten die Doppelbesteuerungsabkommen mit Dänemark, Japan, Kanada, Kasachstan, Österreich, Polen und Schweden. Die Formulierungen gehen in den einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen auseinander. Es ist daher in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Personen unter dem jeweiligen Artikel zu subsummieren sind.
376
Nach Art. 16 DBA Dänemark können Vergütungen von Personen „in ihrer Eigenschaft als nach dem Handelsrecht verantwortliche Leiter einer in dem anderen Vertragsstadt ansässigen Gesellschaft“ in dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft besteuert werden. Eine ähnliche Formulierung enthält DBA Kanada, nach der es auf die Eigenschaft „als Direktor oder nach dem Handelsrecht für die Allgemeine Geschäftsführung eines Unternehmens verantwortlichen Angestellten einer Gesellschaft“ ankommt sowie das DBA Polen, das auf die „Eigenschaft als bevollmächtigter Vertreter einer Gesellschaft“ abstellt.
377
Die DBA Japan, Kasachstan, Österreich sowie Schweden sind vom Wortlaut her enger gefasst. Danach bezieht sich die Besteuerung in dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft auf „geschäftsführende Organe einer Gesellschaft“ (DBA Japan), auf „Geschäftsführer oder (…) Vorstandsmitglieder einer Gesellschaft“ (DBA Kasachstan), „Geschäftsführer oder als Vorstandsmitglied einer Gesellschaft“ (DBA Österreich) sowie „Geschäftsführer oder als Vorstandsmitglied einer Gesellschaft“ (DBA Schweden).
378
Ein Sonderfall bildet das DBA Belgien. Nach dem deutschen Abkommenstext von Art. 16 Abs. 2 DBA Belgien hat die Bundesrepublik Deutschland das Besteuerungsrecht für ein Vorstandsmitglied oder einen Geschäftsführer einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Gesellschaft. Bei einer Tätigkeit als Geschäftsführer bzw. Vorstand einer in Belgien ansässigen Konzerngesellschaft gilt Art. 16 Abs. 2 DBA Belgien nach dem deutschen Abkommenstext nicht, die Doppelbesteuerung müsste sich vielmehr nach Art. 15 DBA Belgien richten. Eine solche Auslegung hätte zur Folge, dass die Bundesrepublik Deutschland für in Belgien ansässige Leiter von Geschäftsführungsorganen in-
379
1 BFH v. 11.11.2009 – I R 83/08, BFH/NV 2010, 524.
Menkel
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227
Teil 3 Rz. 380
Typische Vertragsklauseln
ländischer Konzerngesellschaften das Besteuerungsrecht hätte; umgekehrt Belgien aber nur in den Grenzen von Art. 15 DBA Belgien. Eine solche Regelung wäre widersprüchlich. Über den deutschen Wortlaut des Doppelbesteuerungsabkommens hinaus werden daher auch Vergütungen von inländischen Führungskräften, die für in Belgien ansässige Konzerngesellschaften tätig werden, nach Art. 16 DBA Belgien behandelt. Das Besteuerungsrecht liegt daher bei Belgien1. 380
Sonderregelungen enthalten einige Doppelbesteuerungsabkommen für Grenzgänger. Grenzgänger sind Arbeitnehmer in Grenzregionen, die ihren Lebensmittelpunkt in einem Vertragsstaat haben, die Arbeitstätigkeit aber in dem anderen Vertragsstaat ausüben. Ein werktägliches Hin- und Herreisen ist nicht notwendig. Die Grenzgängerregelungen gelten auch, wenn eine bestimmte Anzahl an Nichtrückkehrtagen2 an den Ansässigkeitsort (dem Ort des Lebensmittelpunkts) nicht überschritten ist. Grenzgängerregelungen enthalten gegenwärtig die DBA Schweiz (Art. 15a DBA Schweiz 1992), Frankreich (Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich) sowie Österreich (Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich). Die Regelungen unterscheiden sich im Einzelnen, sowohl im Hinblick auf den räumlichen Umfang des Grenzgängergebiets – regelmäßig 20 bis 30 km innerhalb eines jeden Staatsgebietes – sowie in der Anzahl der Nichtrückkehrtage (45 Tage bei DBA Frankreich sowie Österreich sowie 60 Tage bei DBA Schweiz 1992).
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Das Prinzip der Grenzgängerregelung ist, dass der Grenzgänger im Ansässigkeitsstaat besteuert wird, obwohl nach dem Grundsatz eine Besteuerung in dem Tätigkeitsstaat erfolgen müsste, da die 183-Tage-Regel überschritten wird. DBA können ein Quellensteuerrecht vorsehen. Gegenwärtig besteht lediglich nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA Schweiz ein Quellensteuerrecht in Höhe von 4,5 % des Bruttobetrages. Die schweizerische Quellensteuer wird gemäß § 36 EStG auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet; die Nachteile der anteiligen Anrechnung gemäß § 34c EStG bestehen daher nicht.
b) Ausland ohne DBA 382
Wird die Führungskraft in einem Land tätig, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, richtet sich die Besteuerung nach §§ 34c, 34d EStG. Die in dem anderen Staat festgesetzte, gezahlte und ggf. um einen Ermäßigungsanspruch gekürzte Steuer wird gemäß § 34c EStG auf die inländische Einkommsteuer angerechnet. Die Anrechnung ist auf den Teil der inländischen Einkommensteuer beschränkt, der auf die ausländischen Lohneinkünfte entfällt.
383
Die Finanzverwaltung hat im Erlasswege, gestützt auf § 34c Abs. 5 EStG sowie § 50 Abs. 7 EStG a.F., bestimmte Tätigkeiten steuerlich begünstigt (Auslandstätigkeitserlass)3. Diese Tätigkeiten werden im Inland lediglich im Rahmen 1 BFH v. 5.3.2008 – I R 54/07, BFH/NV 2008, 1487. 2 Zu der Berechnung der „Nichtrückkehrtage“ nach Art. 15a Abs. 2 DBA Schweiz 1992, BFH v. 11.11.2009 – I R 15/09, BStBl. II 2010, 602 sowie zu Art. 13 Abs. 5 DBA Frankreich, BFH v. 11.11.2009 – I R 84/08, BStBl. II 2010, 390. 3 Auslandstätigkeitserlass, BMF v. 31.10.1983 – VI B6-S 229-90/83, BStBl. 1983 I, 470.
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Direktionsrecht und Auslandseinsatz
Rz. 386 Teil 3
des Progressionsvorbehaltes besteuert. Bei den begünstigten Tätigkeiten handelt es sich um solche, die im Zusammenhang mit dem Aufsuchen sowie der Gewinnung von ausländischen Mineralaufkommen (Bodenschätzen) stehen. Die Auslandstätigkeit muss mindestens drei Monate ununterbrochen in dem Staat ausgeübt werden. Zu dem begünstigten Arbeitslohn zählen auch Zulagen oder Prämien sowie Sonderzahlungen, soweit sie auf die Auslandstätigkeit entfallen.
384
Liegen die Voraussetzungen für eine begünstigte Auslandstätigkeit vor, kann der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber beim Betriebsstättenfinanzamt eine Freistellungsbescheinigung beantragen, die zum Lohnkonto genommen werden muss.
385
Die im Auslandstätigkeitserlass aufgeführten Tätigkeiten sind nicht abschließend. Auch andere Tätigkeiten, die nicht im Auslandstätigkeitserlass genannt sind, können nur im Rahmen des Provisionsvorbehaltes besteuert werden, wenn dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Anwendung der Anrechnungsvorschrift von § 34c Abs. 1 EStG unverhältnismäßig kompliziert ist1. Die Antarktis gilt nicht als „ausländischer Staat“, auf das der Auslandstätigkeitserlass Anwendung finden könnte. Einkünfte, die mit einer Tätigkeit in der Antarktis verbunden sind, können daher nicht begünstigt nach dem Auslandstätigkeitserlass besteuert werden, selbst wenn die Tätigkeiten ihrerseits nach dem Auslandstätigkeitserlass privilegiert wären2.
386
1 BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. 1988 II, 139. 2 BFH v. 14.6.1991 – VI R 185/97, BStBl. 1991 II, 926.
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E. Altersversorgung I. Arbeitsrecht 387
Neben der Vergütung während des laufenden Anstellungsverhältnisses hat die Absicherung für die Zeit nach Erreichen der Altersgrenze eine erhebliche Bedeutung für die Vertragsgestaltung. Arbeitnehmer-Führungskräfte sind als Arbeitnehmer bereits in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Daneben bestehen teilweise betriebliche Versorgungssysteme (betriebliche Altersversorgung). GmbH-Geschäftsführer sind nur dann rentenversicherungspflichtig, wenn sie im Ausnahmefall in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Gesellschaft i.S.v. § 7 SGB IV stehen. Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unterliegen in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, gem. § 1 Satz 4 SGB VI keiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Deshalb werden im Anstellungsvertrag oder in einer selbständigen Pensionsvereinbarung üblicherweise Versorgungszusagen vorgesehen. Einen Anspruch auf eine solche Zusage haben das Vorstandsmitglied oder der Geschäftsführer allerdings grundsätzlich nicht1.
1. Vorstand a) Allgemeines 388
Vereinbarungen über eine Absicherung des Vorstandsmitglieds enthalten in der Regel Leistungen bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze. Daneben sind Ansprüche bei Invalidität oder Tod (Witwen- und Waisenrente) üblich. Teilweise werden den Vorstandsmitgliedern auch Übergangs- oder Überbrückungsgelder bei vorzeitigem Ausscheiden oder Nichtverlängerung des Anstellungsverhältnisses gewährt2. Diese dienen in der Regel der Finanzierung des Lebensunterhalts bis zum Antritt eines neuen Anstellungsverhältnisses bzw. des Ruhestandes3. Das BAG billigt solchen Leistungen nur dann einen Versorgungscharakter zu, wenn einem wegen Alters oder Invalidität ausgeschiedenem Beschäftigten durch die Zahlung die Gewöhnung an den Ruhestand erleichtert werden soll4.
389
Zu unterscheiden ist zwischen einer statischen Pensionszusage, die einen bestimmten Jahresbetrag von vorneherein festlegt, und einer dynamischen Pensionszusage, die die Höhe des Pensionsanspruch prozentual an die zuletzt gewährte Bruttovergütung bindet, sei es mit einem festen Prozentsatz oder einem, zum Beispiel mit den Dienstjahren, steigenden.
390
Eine andere Ausgestaltungsvariante stellt die sog. Gesamtversorgungszusage dar. Bei ihr hängt die Höhe des Pensionsanspruch von den sonstigen Pensions1 Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsvertrag, § 3 Rz. 151 m.w.N. 2 Vgl. Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 721. 3 Vgl. BGH v. 3.7.2000 – II ZR 381/98, NZA 2001, 612 f., 612; Vienken in: Hümmerich/ Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BetrAVG, § 1 Rz. 39; Böhm, NZA 2009, 767 ff., 768. 4 BAG v. 18.3.2003 – 3 AZR 315/02, DB 2004, 1624.
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Rz. 393 Teil 3
Altersversorgung
ansprüchen, etwa aus der gesetzlichen Rentenversicherung und/oder anderer Pensionszusagen ab. Der sich aus den sonstigen Pensionsansprüchen ergebende Betrag wird dann bis zu einem gewissen Prozentsatz der letzten Bruttovergütung aufgestockt. In praktischer Hinsicht lassen sich Pensionsleistungen in zweierlei Hinsicht abwickeln: Entweder mittels einer Direktzusage oder durch eine Direktversicherung1.
391
b) Anwendbarkeit und Grundsätze des BetrAVG Für die weitergehende rechtliche Behandlung von Pensionszusagen, stellt die Frage der Anwendbarkeit des BetrAVG eine erhebliche Weichenstellung dar. Mangels Arbeitnehmereigenschaft des Vorstandsmitglieds finden die §§ 1–16 BetrAVG keine unmittelbare Anwendung, vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG gelten die §§ 1–16 BetrAVG jedoch entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind. Diese Regelung ist nach Ansicht der Rechtsprechung telelogisch zu reduzieren. Sie umfasst nur Personen, die einen arbeitnehmerähnlichen Schutz genießen sollen2. Nicht vom Anwendungsbereich des BetrAVG umfasst sind nach Ansicht des BGH deshalb Personen, die selbst Unternehmer sind3. Bei Organmitgliedern ist demnach in erster Linie nach ihrer Einflussmöglichkeit auf das zusagende Unternehmen zu differenzieren. Keine Anwendung findet das BetrAVG auf Organmitglieder, die zugleich Mehrheitsaktionäre der Gesellschaft sind, also mindestens 50 % der Aktien halten4. Bei Minderheitsaktionären dürfte die Grenze bei etwa 10 % zu ziehen sein, sofern die Beteiligung in Verbindung mit anderen Umständen einen maßgebenden Einfluss auf die Geschäftsleitung vermittelt5. Dass ein Vorstandsmitglied ein solch umfangreiches Aktienpaket hält, stellt allerdings gerade in größeren Aktiengesellschaften eine Ausnahme dar.
392
Fällt ein Vorstandsmitglied nach den vorstehenden Grundsätzen unter den Anwendungsbereich des BetrAVG kann von den dort getroffenen Regelungen nur zu Gunsten des Vorstandsmitgliedes abgewichen werden, vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG. Neben den zwingenden Vorschriften enthält das BetrAVG auch eine Reihe tarifdispositiver Vorschriften, vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG. Sind die Beteiligten nicht tarifgebunden, können sie auf abweichende tarifliche Regelungen verweisen, § 17 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG. Für Organmitglieder hat
393
1 Vgl. Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 721. 2 Vgl. BGH v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, NJW 1980, 2254 ff., 2254 f. 3 Vgl. BGH v. 28.4.1980 – II ZR 254/78, NJW 1980, 2254 ff., 2255; ausführlich Thüsing/ Granetzky, NZG 2010, 449 ff., 450. 4 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 163; Vienken in: Hümmerich, AnwKomm Arbeitsrecht, BetrAVG, § 17 Rz. 7. 5 Vgl. BGH v. 9.6.1980 – II ZR 180/79, WM 1980, 822 ff.; Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 Rz. 109.
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Teil 3 Rz. 394
Typische Vertragsklauseln
das BAG entgegen der langjährigen Rechtsprechung des BGH1 entschieden, dass das BetrAVG insoweit abdingbar ist als dies auch für die Tarifparteien möglich ist2. Nach Ansicht des Gerichts besteht bei der Aushandlung von Versorgungsregelungen zwischen dem Organmitglied und der Gesellschaft keine Verhandlungsunterlegenheit des Organmitglieds. Die Konsequenz aus der Rechtsprechung wäre insbesondere, dass das Abfindungsverbot des § 3 BetrAVG abbedungen werden kann. 394
Allerdings gilt das BetrAVG gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 nur für Leistungen der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung. Daraus ergibt sich, dass jedenfalls Übergangsgelder, die bis zum Antritt einer neuen Stellen gewährt werden, nicht unter das BetrAVG fallen, da die Altersversorgung an ein biologisches Ereignis anknüpfen muss, etwa das Erreichen des gewöhnlichen Renteneintrittsalters3. Soll die Leistung ab einem bestimmten Mindestalter gewährt werden, so dürfte ab einer Altersgrenze von 60 Jahren von einer Altersversorgung i.S.d. BetrAVG auszugehen sein, sofern keine besonderen Umstände vorliegen4.
395
Ist dem Vorstandsmitglied eine Altersversorgung zugesagt worden und unterliegen dessen Ansprüche den Regelungen des BetrAVG, so bleibt die Anwartschaft auf Versorgungsleistungen nach § 1b Abs. 1 BetrAVG auch dann bestehen, wenn das Anstellungsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahres endet. Voraussetzung ist zudem, dass die Versorgungszusagen zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestand, vgl. § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG. Von dieser Frist wird regelmäßig zu Gunsten des Vorstandsmitglieds abgewichen. Die Ansprüche aus der Versorgungszusage verfallen damit regelmäßig nicht mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses (unverfallbare Anwartschaft). Nicht verwechselt werden darf die Unverfallbarkeitsfrist, mit der Wartefrist, die regelt, ab wann – ggf. auch bei bestehendem Anstellungsverhältnis – der Anspruch auf die Versorgungszusage überhaupt erst entsteht, vgl. § 1b Abs. 1 Satz 5 BetrAVG.
396
Scheidet das Vorstandsmitglied, dessen Versorgungszusage unter das BetrAVG fällt, vorzeitig aus, ist die Versorgungszusage gem. § 2 Abs. 1 BetrAVG ratierlich zu kürzen. Die Höhe des Anspruchs wird um das Verhältnis gekürzt, in dem die tatsächliche Dauer des Anstellungsverhältnisses zur maximal möglichen Anstellungsdauer bis zum Erreichen der Altersgrenze steht5. Die ratierliche Kürzung des Anspruchs kann vertraglich ausgeschlossen oder auch abweichend geregelt werden, solange sich die vertragliche Veränderung zugunsten des Vorstandsmitglieds auswirkt6.
1 BGH v. 18.5.1998 – II ZR 19/97, NJW 1998, 2966 f.; v. 3.7.2000 – II ZR 381/98, NZA 2001, 612 f. 2 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, NZA-RR 2010, 168. 3 ErfK/Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 3; ausführlich Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 722. 4 Vgl. ErfK/Steinmeyer, § 1 BetrAVG Rz. 6; dazu Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 722. 5 Vgl. dazu Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 723. 6 Vgl. Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 723 f.
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Rz. 402 Teil 3
Altersversorgung
Die Ansprüche unterliegen bis zu einem Dreifachen der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (vgl. § 7 Abs. 3 BetrAVG) der Insolvenzsicherung durch den Pensionssicherungsfond nach § 7 BetrAVG.
397
c) Angemessenheit Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch die Versorgungsbezüge des Vorstandsmitglieds dem Angemessenheitsgebot des § 87 Abs. 1 AktG unterliegen. § 87 Abs. 1 Satz 4 AktG ordnet für Ruhegehälter, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art die entsprechende Geltung von § 87 Abs. 1 AktG an. Grundsätzlich ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, in die die Vergütung während des Anstellungsverhältnisses und die Versorgungsbezüge einzubeziehen sind. Allerdings weisen Bauer/Baeck/von Medem zu Recht daraufhin, dass es bei der Gesamtbetrachtung nicht zu einer beliebigen Austauschbarkeit von Aktiv- und Versorgungsbezügen kommen kann, auch wenn die Summe im Ergebnis gleich bleibt1. So können Vorstandsbezüge etwa dann unangemessen sein, wenn die Vergütung nahezu ausschließlich auf die Zeit des Bezugs der Altersversorgung verlagert wird2.
398
Ansonsten gelten die zu § 87 Abs. 1 AktG entwickelten Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit. Besonderheiten im Hinblick auf die Versorgungsbezüge können sich aber daraus ergeben, dass die Versorgungsbezüge ohne zeitliche Begrenzung ihrer Zweckbestimmung nach bis zum Ableben des Vorstandsmitglieds gewährt werden müssten. So könnte einer Amtszeit von wenigen Jahren, eine Jahrzehnte andauernde Leistung von Versorgungsbezügen gegenüber stehen.
399
d) Herabsetzungspflicht gem. § 87 Abs. 2 AktG Die Herabsetzungspflicht gem. § 87 Abs. 2 AktG gilt auch für die Versorgungsund Hinterbliebenenbezüge. Allerdings ist die Herabsetzung insofern eingeschränkt, als sie nach § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG nur in den ersten drei Jahren nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft möglich ist. Ob unter dem Ausscheiden das Ende der Organstellung oder des Anstellungsverhältnisses zu verstehen ist, erscheint fraglich. Der Begriff „Ausscheiden“ dürfte allerdings eher mit der vollständigen Beendigung der Rechtsverhältnisse zwischen dem Vorstandsmitglied und der Gesellschaft in Verbindung zu bringen sein. Der Gesetzgeber hat offenbar übersehen, dass Organstellung und Anstellungsvertrag nicht zwangsläufig gleichzeitig enden müssen.
400
In sachlicher Hinsicht umfasst § 87 Abs. 2 Satz 2 AktG Ruhegelder, Hinterbliebenenbezüge und Leistungen verwandter Art. Unter die verwandten Leistungen fallen etwa Überbrückungsgelder (dazu unter Rz. 394 und Rz. 408)3.
401
Auch eine Herabsetzung von Versorgungsleistungen ist nur dann möglich, wenn ihre unveränderte Weitergewährung für die Gesellschaft unbillig wäre.
402
1 Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 712 ff., 725 f. 2 Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 725. 3 Koch, WM 2010, 49 ff., 56.
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Teil 3 Rz. 403
Typische Vertragsklauseln
Dies dürfte schon dann nicht der Fall sein, wenn die Leistungen des Vorstandsmitgliedes während seiner Amtszeit positiv waren; ein Zusammenhang zwischen einer jetzigen wirtschaftlichen Notlage und der Organschaft des Versorgungsempfängers also nicht besteht1. 403
Wird eine Herabsetzung vorgenommen, so muss sie – wie auch die Herabsetzung der Dienstbezüge – in zeitlicher Hinsicht angemessen sein. Insofern dürfte auch hier eine Befristung erforderlich sein. Jedenfalls ist der Aufsichtsrat verpflichtet, bei Besserung der Lage die Bezüge wieder anzuheben2. Zudem wird bei einem bereits ausgeschiedenen Vorstandsmitglied die kausale Verknüpfung zwischen Vorstandshandeln und schwieriger wirtschaftlicher Lage genau zu prüfen sein.
e) Rechtsmissbrauchseinwand 404
Nachträgliche Auswirkungen auf die Ansprüche aus einer Versorgungszusage kann auch ein treuepflichtwidriges Verhalten des Vorstandsmitglieds haben. Hat das Vorstandsmitglied außergewöhnlich schwere Pflichtverletzungen begangen, kann die Gesellschaft dessen Anspruch aus der Versorgungszusage ggf. den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Das BAG nimmt dies etwa dann an, wenn der Gesellschaft aus der Pflichtverletzung ein existenzbedrohender Schaden entstanden ist und sich die erbrachte Betriebstreue des Vorstandsmitglieds deshalb als wertlos erweist3.
405
Man wird insofern nach dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung zu differenzieren haben. Lag diese vor der Unverfallbarkeit der Versorgungsanwartschaft und hat das Vorstandsmitglied sie zur Vermeidung einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses vertuscht, so dass der Gesellschaft eine Kündigung vor Eintritt der Unverfallbarkeit nicht möglich war, kommt der Rechtsmissbrauchseinwand in Betracht4.
2. Geschäftsführer 406
Für die Altersversorgung des GmbH-Geschäftsführers gelten im Wesentlichen die vorstehenden Ausführungen für das Vorstandsmitglied entsprechend. Allerdings findet § 87 AktG keine Anwendung. Die Parteien sind daher weder an das Angemessenheitsgebot des § 87 Abs. 1 AktG gebunden, noch besteht die Herabsetzungspflicht des Aufsichtsrats nach § 87 Abs. 2 AktG.
407
Bei der Anwendung des BetrAVG ist zu differenzieren5. Anwendbar ist das BetrAVG auf den Fremdgeschäftsführer6. Beim Gesellschafter-Geschäftsführer wird dagegen in der Regel eine eigene unternehmerische Tätigkeit vorliegen. 1 Vgl. Oltmanns in: Heidel, AktR, § 87 AktG Rz. 12. 2 Bauer/Baeck/von Medem, NZG 2010, 721 ff., 727. 3 BGH v. 13.12.1999 – II ZR 152/98, NJW 2000, 1197 f.; BGH v. 3.7.2000 – II ZR 381/98, NZA 2001, 612 f. 4 BAG v. 18.10.1979 – 3 AZR 550/78, NJW 1980, 1127 f. 5 Vgl. dazu Vienken in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BetrAVG, § 17 Rz. 4 ff. 6 Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, § 17 Rz. 90.
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Rz. 409 Teil 3
Altersversorgung
Im konkreten Einzelfall kommt es aber auch auf den Einfluss des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Unternehmensleitung an.
3. Arbeitnehmer-Führungskräfte a) Allgemeines Zur Absicherung der Arbeitnehmer-Führungskräfte existieren in vielen Fällen betriebliche Versorgungssysteme. Sie fallen als Arbeitnehmer in aller Regel unter das BetrAVG, da sie keine eigene unternehmerische Tätigkeit im Unternehmen ausüben. Den Regelungen des BetrAVG unterliegen alle Vereinbarungen, in denen Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung zugesagt werden1. Der Begriff der betrieblichen Altersversorgung ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG legal definiert. Danach finden die Regelungen des BetrAVG immer dann Anwendung, wenn einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses zugesagt werden. Gegenstand der Regelung muss damit die Absicherung von biometrischen Risiken sein2. Alleine die Bezeichnung der Leistung oder andere Formalia, spielen bei ihrer Einordnung keine Rolle. Es kommt ausschließlich auf den Versorgungszweck an3. Abzugrenzen ist die betriebliche Altersversorgung damit insbesondere von einer sog. Übergangsversorgung, deren Zweck darin besteht, verschiedene Risiken des Arbeitnehmers im Zeitraum zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses abzusichern4. Ein wesentliches Indiz für die Abgrenzung ist die Anknüpfung an die Regelaltersgrenze. Wird die Leistung für die Zeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze gewährt, so spricht dies nach Auffassung des BAG für das Vorliegen einer betrieblichen Altersversorgung5. Ebenso können auch einmalige Kapitalleistungen genügen. Das BAG legt den Leistungsbegriff weit aus. Ausreichend ist, dass die Leistung den Lebensstandard des Arbeitnehmers im Ruhestand sichern soll6.
408
Nach der Rechtsprechung des BAG handelt es sich bei Leistungen der betrieblichen Altersversorgung um ein Rechtsinstitut mit Versorgungs- und Entgeltcharakter7. Ihre Rechtsgrundlage ist in der Regel eine Individualzusage oder eine Gesamtzusage des Arbeitgebers an sämtliche Arbeitnehmer bzw. eine Gruppe von Arbeitnehmern. Vielfach finden sich Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung auch in Kollektivverträgen. In Betracht kommt zudem eine arbeitsvertragliche Einheitsregelung, bei der eine betriebliche Altersversorgung
409
1 Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1086. 2 Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 1; ausführlich dazu Reinecke, BB 2011, 245 ff. 3 Vgl. BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 317/07, NZA 2009, 844 ff., 847; Reinecke, BB 2011, 245 ff., 247. 4 Vgl. dazu etwa Clemens in: BeckOK, BetrAVG, § 1 Rz. 14 m.w.N. 5 Vgl. BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 317/07, NZA 2009, 844 ff., 846. 6 Vgl. BAG v. 28.10.2008 – 3 AZR 317/07, NZA 2009, 844 ff., 846; Rolfs in: Blomeyer/ Rolfs/Otto, § 1 Rz. 12. 7 BAG v. 12.6.1975 – 3 ABR 13/74, DB 1975, 1559 ff., 1560.
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Teil 3 Rz. 410
Typische Vertragsklauseln
durch den systematischen Abschluss grundsätzlich identischer einzelvertraglicher Regelungen eingeführt wird. In der Praxis eine wichtige Rolle im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung spielen auch das Institut der betrieblichen Übung1 und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Dass beide Institute einer Verpflichtung aus einer Versorgungszusage gleichstehen, stellt § 1b Abs. 1 BetrAVG klar. 410
Auf die vertragliche Gestaltung der betrieblichen Altersversorgung sollte erhebliche Sorgfalt verwandt werden. Da die Regelungen oftmals erst Jahre später relevant werden und für einen längeren Zeitraum Geltung beanspruchen, kommt es nicht selten dazu, dass die beteiligten Personen auf Grund des zeitlichen Abstands kaum mehr die Hintergründe der Regelung rekonstruieren können. Auch wenn es zur Wirksamkeit der Vereinbarung keiner Schriftform bedarf, ist eine detaillierte Dokumentation der Motivation und Entwicklung der Regelungen unbedingt anzuraten. Nur so kann späteren Auslegungsschwierigkeiten vorgebeugt werden.
411
Im Rahmen der Vereinbarung einer betrieblichen Altersversorgung und ihrer Ausgestaltung ist das AGG zu berücksichtigen, sofern das BetrAVG keine Sonderregelungen enthält2. Werden Arbeitnehmer in betrieblichen Versorgungssystemen in Abhängigkeit von einem der in § 1 AGG genannten Merkmale unterschiedlich behandelt, so bedarf dies grundsätzlich einer sachlichen Rechtfertigung3. Ein sachlicher Differenzierungsgrund kann etwa bei der Unterscheidung zwischen einzelnen Betrieben vorliegen, wenn für die Betriebe unterschiedlich flexible Arbeitszeitmodelle gelten4. Unzulässig ist dagegen ein genereller Ausschluss von Teilzeitkräften5. Schwierigkeiten bereiten auch Differenzierungen nach dem Alter, etwa in Form eines Mindest- oder Höchsteintrittsalters. Wird die Altersversorgung vom Arbeitnehmer finanziert, so sind sowohl die Festlegung eines Mindest- als auch eines Höchsteintrittsalters unzulässig6. Finanziert der Arbeitgeber dagegen die betriebliche Altersversorgung ist die Rechtslage weniger eindeutig. Zwar kann der Arbeitgeber sich auf die Regelung des § 10 Satz 3 Nr. 4 AGG beziehen, der die Festsetzung von Altersgrenzen in Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung unter anderem für die Mitgliedschaft und den Bezug einer Altersrente als grundsätzlich zulässig anerkennt. Probleme stellen sich aber bezüglich der konkreten Altersgrenze. Das höchstzulässige Mindestalter dürfte jedenfalls nicht über 25 Jahren liegen7. Auch die Vereinbarung eines Höchsteintrittsalters ist grundsätzlich zulässig. Bei leistungsbezogenen Vorsorgesystemen dürfte jedenfalls ein Höchsteintrittsalter von 52 oder mehr Lebensjahren zulässig sein8. Handelt es sich dage1 Hierzu Reinecke, BB 2004, 1625 ff. 2 BAG v. 11.12.2007 – 3 AZR 249/06, NZA 2008, 532 ff.; dazu Rolfs, NZA 2008, 553 ff. 3 Vgl. ausführlich zu den Rechtfertigungsgründen Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 10 f. 4 BAG v. 18. 9.2007 – 3 AZR 639/06, NZA 2008, 56 ff. 5 Dazu BAG v. 7.3.1995 – 3 AZR 282/94, NZA 1996, 48 ff.; vgl. auch Rolfs, NZA 2008, 553 ff., 554. 6 Ausführlich Rolfs, NZA 2008, 553 ff., 556. 7 Vgl. Rolfs, NZA 2008, 553 ff., 556. 8 Vgl. Rolfs, NZA 2008, 553 ff., 556.
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Rz. 414 Teil 3
Altersversorgung
gen um ein beitragsbezogenes Leistungssystem, wird ein sachlicher Grund für ein Höchsteintrittsalter auf Grund der versicherungsmathematischen Leistungsberechnung fehlen1. Ein Anspruch auf Schaffung einer betrieblichen Altersversorgung besteht grundsätzlich nicht2. Eine Ausnahme bildet insofern allerdings § 1a BetrAVG, wonach der Arbeitnehmer verlangen kann, dass von seinen künftigen Entgeltansprüchen bis zu 4 % der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwandt werden. Dieser Anspruch ist jedoch tarifdispositiv und kann somit ggf. auch ganz ausgeschlossen werden, vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG3.
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Eine betriebliche Altersversorgung kann auf unterschiedlichen Wegen durchgeführt werden. Neben einer selbständigen Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers (Direktzusage), besteht die Möglichkeit eine Direktversicherung zu Gunsten des Arbeitnehmers abzuschließen. Zudem kommt die Einschaltung einer Pensionskasse oder die Einrichtung eines Pensionsfonds in Betracht. In der Praxis haben sich in vielen Fällen auch Mischformen herausgebildet. Bei der Direktzusage ist der Arbeitgeber selbst Träger der betrieblichen Altersversorgung, für die er in der Regel Rückstellungen wird bilden müssen4. Bei der Direktversicherung werden die biometrischen Risiken durch Abschluss einer Einzel- oder Gruppenversicherungen durch den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer abgedeckt. Aus der Versicherung bezugsberechtigt bei Eintritt des Versicherungsfalls ist der Arbeitnehmer oder ggf. dessen Angehörige5. Die Pensionskasse ist nach § 1b Abs. 3 BetrAVG eine rechtlich selbständige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen einen Rechtsanspruch auf seine Versorgungsleistungen gewährt6. Der Unterschied zur Unterstützungskasse besteht darin, dass diese dem Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Versorgungsleistung zuerkennt, § 1b Abs. 4 BetrAVG. Der Pensionsfond ist gem. §§ 112 Abs. 1, 113 Abs. 2 Nr. 3 VAG eine rechtlich selbständige, rechtsfähige Einrichtung in Form einer AG oder eines Pensionsfondsvereins auf Gegenseitigkeit, die rechtlich weitgehend wie ein Versicherungsunternehmen zu behandeln ist. Dem Arbeitnehmer steht bei der Wahl dieses Durchführungsweges ein unmittelbarer Leistungsanspruch gegenüber dem Pensionsfond zu, vgl. § 112 Abs. 1 Nr. 3 VAG.
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Ansprüche aus einer betrieblichen Versorgungsregelung stehen zunächst in der Regel nur Arbeitnehmern zu, deren Arbeitsverhältnis erst mit Eintritt des Ver-
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Vgl. Rolfs, NZA 2008, 553 ff., 556. Vgl. Kister-Kölkes in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, BetrAVG, § 1 Rz. 3. Vgl. dazu Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 19. Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 416; ausführlich Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, § 1 Anh. Rz. 265 ff. 5 Vgl. Lohre in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, BetrAVG, § 1b Rz. 18; Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 416. 6 Näher dazu: Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 28; Lohre in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, BetrAVG, § 1b Rz. 20.
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Teil 3 Rz. 415
Typische Vertragsklauseln
sorgungsfalls endet1. Eine abweichende Regelung trifft § 1b BetrAVG, der den Anspruch des Arbeitnehmers auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unter bestimmten Voraussetzungen für unverfallbar erklärt. Danach bleibt die Anwartschaft erhalten, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach dem 25. Lebensjahr endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre bestanden hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Arbeitnehmer eine unverfallbare Anwartschaft erworben. Seine Rechtsposition ist damit insoweit gesichert als der Arbeitgeber sie nicht mehr durch eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vereiteln kann2. Die Fünf-Jahres-Frist beginnt mit der Erteilung der Versorgungszusage. Entscheidend ist der rechtsgeschäftliche Abschluss der zu Grunde liegenden Zusage3. Handelt es sich um einen kollektivvertraglichen Verpflichtungstatbestand, ist der Zeitpunkt seines Inkrafttretens entscheidend, sofern nicht das Arbeitsverhältnis erst später begründet wurde4. Die Wartefrist beginnt bei jeder Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses erneut zu laufen. Insofern lässt sich die Rechtsprechung des BAG zur Anrechnung von Vordienstzeiten bei einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang der Arbeitsverhältnisse nicht übertragen5. Unschädlich ist dagegen das Ruhen des Arbeitsverhältnisses6. 415
Davon zu unterscheiden ist die sog. Vorschaltzeiten-Rechtsprechung des BAG7. Das BAG geht davon aus, dass der Arbeitgeber zwar frei ist, mit dem Arbeitnehmer eine Wartezeit bis zum Abschluss der Pensionsvereinbarung festzulegen. Sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages zu, dass er nach Ablauf der Probezeit eine Pensionszusage erhalten wird („Zusage der Zusage“), dann beginnt die Fünf-Jahres-Frist des § 1b BetrAVG bereits mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages8. Denn eine Versorgungszusage i.S.d. § 1b BetrAVG liegt nach Ansicht des BAG bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf Grund von rechtsgeschäftlichen Erklärungen seines Arbeitgebers darauf vertrauen darf, dass er ohne weitere inhaltliche Entscheidung allein auf Grund seiner weiteren Beschäftigung im Betrieb mit Zeitablauf einen Versorgungsanspruch erwerben wird9.
b) Anpassung und Widerruf 416
Da Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in der Regel über einen längeren Zeitraum erbracht werden und vom Abschluss der Vereinbarung bis zum Eintritt des Versorgungsfalls unter Umständen Jahrzehnte vergehen können, ist die Anpassung der Leistung an veränderte, insbesondere wirtschaftliche, Bedin1 Vgl. Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 32. 2 Vgl. ErfK/Steinmeyer, § 1b BetrAVG, Rz. 9. 3 ErfK/Steinmeyer, § 1b BetrAVG, Rz. 11; vgl. auch Clemens in: BeckOK, BetrAVG, § 1b Rz. 7; Kister-Kölkes in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, BetrAVG, § 1b Rz. 47. 4 Vgl. ErfK/Steinmeyer, § 1b BetrAVG, Rz. 12. 5 Vgl. BAG v. 22.2.2000 – 3 AZR 4/99, NZA 2001, 1310 ff., 1312; v. 25.4.2006 – 3 AZR 78/05, NZA 2007, 408; Clemens in: BeckOK, BetrAVG, § 1b Rz. 8. 6 Vgl. BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 78/05, NZA 2007, 408. 7 Vgl. etwa BAG v. 24.2.2004 – 3 AZR 5/03, NZA 2004, 789 ff. 8 BAG v. 24.2.2004 – 3 AZR 5/03, NZA 2004, 789 ff., 790 f. 9 BAG v. 24.2.2004 – 3 AZR 5/03, NZA 2004, 789 ff., 791.
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Rz. 419 Teil 3
Altersversorgung
gungen von großer praktischer Bedeutung. Dem Interesse des Arbeitgebers auf Änderungen der wirtschaftlichen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersversorgung, die zu einer Mehrbelastung oder wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens führen können, zu reagieren, steht das Interesse des Arbeitnehmers an der Gegenleistung für die bereits erbrachte Betriebstreue und Planungssicherheit hinsichtlich der Absicherung im Alter entgegen. Eine gesetzliche Anpassungspflicht findet sich in § 16 Abs. 1 BetrAVG. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und darüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet den Versorgungsschuldner grundsätzlich den realen Wert der Betriebsrente zu erhalten1. Das BAG geht davon aus, dass die Anpassung der Regelfall, die Nichtanpassung die Ausnahme sei2.
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Die Vorschrift umfasst nur die laufenden Rentenleistungen. Es besteht daher keine regelmäßige Anpassungspflicht hinsichtlich der Versorgungsanwartschaften oder Einmalzahlungen3. Die Ermessensentscheidung hat sich an den Belangen des Versorgungsempfängers einerseits und der wirtschaftlichen Lage andererseits zu orientieren. Insbesondere ein Kaufkraftverlust kommt als Anpassungsgrund in Betracht4. Ob ein Anpassungsbedarf besteht, ist anhand der gesamten Entwicklung seit Rentenbeginn zu beurteilen. Es kommt damit maßgeblich auf die seither eingetretene Teuerung an5. Eine vorrübergehende wirtschaftlich schwierige Lage des Arbeitgebers kann demnach nicht dauerhaft ein geringeres Leistungsniveau festschreiben6.
418
Zu Grunde zu legen ist die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners7. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um einen konzernrechtlichen Sachverhalt handelt8. Nur in Ausnahmefällen kann die wirtschaftliche Lage eines Dritten Auswirkungen auf die Anpassungsprüfung haben. Dies hat das BAG etwa für den Fall angenommen, dass im Wege der Ausgliederung nach dem UmwG eine Rentnergesellschaft gegründet wurde, auf die die Verbindlichkeiten aus betrieblichen Versorgungszusagen übertragen wurden9. Über den Umweg einer Nebenpflicht zur angemessenen Dotierung der Rentnergesellschaft gelangt das BAG schließlich zu einem Schadensersatzanspruch des Betriebsrentners gegen die ursprünglichen Versorgungsträger gem. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 241 Abs. 2, 31, 278 BGB10. Alleine eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Versorgungsträger und einer anderen Gesellschaft etwa in Form eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrages, kann jedoch nicht zu einer Berück-
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BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff. BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff. ErfK/Steinmeyer, § 16 BetrAVG Rz. 2. Vgl. dazu Schlewig, RdA 2010, 364 ff. Vgl. BAG v. 30.8.2005 – 3 AZR 395/04, DB 2006, 732 ff., 734. ErfK/Steinmeyer, § 16 BetrAVG, Rz. 17. Vgl. etwa BAG v. 10.2.2009 – 3 AZR 727/07, NZA 2010, 95 ff., 97. Vgl. jüngst BAG v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff.; Rolfs in: Blomeyer/ Rolfs/Otto, BetrAVG, § 16 Rz. 206. 9 BAG v. 11.3.2008 – 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790 ff. 10 BAG v. 11.3.2008 – 3 AZR 358/06, NZA 2009, 790 ff.
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Teil 3 Rz. 420
Typische Vertragsklauseln
sichtigung der Leistungsfähigkeit der anderen Gesellschaft führen1. Wie sich die Rechtsprechung im Hinblick auf einen sog. Berechnungsdurchgriff weiterentwickeln wird, ist offen. In Betracht gezogen wird beispielweise eine Haftung der Muttergesellschaft über § 826 BGB bei einem sog. existenzvernichtenden Eingriff wie sie auch der BGH in seiner neueren Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht entwickelt hat2. Geht man jedenfalls von der Begründung eines Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft gegenüber der anderen Gesellschaft aus, so ließe sich dieser Anspruch als Vermögenswert bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners berücksichtigen3. 420
§ 16 Abs. 2 BetrAVG legt für die Höhe der Anpassung die maßgebenden Parameter fest. Danach gilt die Anpassungspflicht als erfüllt, wenn der Anstieg der laufenden Leistungen nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen im Unternehmen. Will der Arbeitgeber eine geringfügigere Anpassung vornehmen, muss er die Belange des Unternehmens und diejenigen des Versorgungsempfängers gegeneinander abwägen. Die wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers werden maßgebend von dem Ziel der Erhaltung des Betriebs und der Arbeitsplätze geprägt4. Das BAG geht insofern davon aus, dass der Arbeitgeber in der Lage sein muss, die durch die Anpassung entstehenden Mehrkosten aus den Erträgen des Unternehmens und dessen Wertzuwachs in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen5. Seine Entscheidung muss der Arbeitgeber anhand einer auf die bisherige Entwicklung gestützten Prognose treffen, in die er aber auch sich abzeichnende Tendenzen und Erwartungen einbeziehen kann6.
421
Findet zwischenzeitlich ein Betriebsübergang statt, geht auch die Anpassungspflicht auf den neuen Arbeitgeber über7. Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist nunmehr die zu erwartende Entwicklung des übernehmenden Unternehmens zu Grunde zu legen8. Probleme können sich dann ergeben, wenn eine Anpassung am Anpassungsstichtag zu recht nicht oder nicht in voller Höhe erfolgt, die weitere Entwicklung aber eine (umfangreichere) Anpassungspflicht begründen würde. Die frühere Rechtsprechung ging davon aus, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall am aktuellen Anpassungszeitpunkt zumindest zum prozentualen Ausgleich des Kaufkraftverlustes seit Rentenbeginn verpflichtet sei (nachholende Anpassung)9. § 16 Abs. 4 BetrAVG stellt insofern ausdrücklich 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Vgl. ErfK/Steinmeyer, § 16 BetrAVG, Rz. 36 f. Vgl. Cisch/Kruip, NZA 2010, 540 ff., 544 f.; Schipp, DB 2010, 112 ff., 113 f. Vgl. Schipp, DB 2010, 112 ff., 113 f. Vgl. Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 58. BAG v. 18.2.2003 – 3 AZR 172/02, BB 2003, 2292 ff., 2294; v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff. Vgl. BAG v. 23.1.2001 – 3 AZR 287/00, NZA 2002, 560 ff., 561; v. 29.9.2010 – 3 AZR 427/08, DB 2011, 362 ff.; Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 58; Reichenbach/Dreger, BB 2010, 2306 ff., 2307. Vgl. BAG v. 21.2.2006 – 3 AZR 216/05, NZA 2007, 931 ff. BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 50/05, NZA-RR 2007, 310 ff., 315. Vgl. dazu BAG v. 28.4.1992 – 3 AZR 142/91, NZA 1993, 69 ff.; v. 21. 8.2001 – 3 AZR 589/00, NZA 2003, 561 ff.
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Rz. 425 Teil 3
Altersversorgung
klar, dass der Arbeitgeber nicht zur Nachholung der Anpassung der laufenden Leistungen verpflichtet ist. Davon zu unterscheiden war die nachträgliche Anpassung bei der sich die Anpassung auf einen früheren Anpassungszeitpunkt unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens bezog1. Das BetrAVG enthält nun in § 16 Abs. 3 eine ausdrückliche Regelung zur nachholenden Anpassung. Ist eine Anpassung zu recht ganz oder zum Teil unterblieben, besteht keine Pflicht des Arbeitgebers diese später nachzuholen. Gleiches muss nach der gesetzlichen Neuregelung auch für die nachträgliche Anpassung gelten2. Eine Anpassung gilt gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG dann als zurecht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht rechtzeitigen Widerspruchs hingewiesen wurde. Zu einer Anpassung in Höhe von 1 % pro Jahr verpflichtet ist der Arbeitgeber nur sofern es sich um Leistungen auf Grund einer Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG handelt, § 16 Abs. 5 BetrAVG.
422
Hält der Arbeitnehmer die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig, muss er bis zum nächsten Anpassungstermin gegen sie vorgegangen sein. Ansonsten wird mit dem nächsten Anpassungsstichtag die vorherige Entscheidung des Arbeitgebers unangreifbar3. Hat der Versorgungsempfänger Rüge erhoben, muss er seine Einwände bis zum Ende des nächsten, auf die Rügefrist folgenden Anpassungszeitraums seine Einwände gerichtlich geltend machen4. Das Gericht ist bei seiner Prüfung nicht auf die gerügten Umstände beschränkt, sondern prüft die Anpassungsentscheidung umfassend5.
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Will der Arbeitgeber die Versorgungszusage einseitig zu Lasten des Versorgungsempfängers ändern, stellt sich die Frage, inwieweit dies noch möglich ist. Das BetrAVG trifft insofern keine Regelung. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass mit zunehmender Dauer der Versorgungszusage auch das schützenswerte Vertrauen des Arbeitnehmers in den unveränderten Bestand der Regelung steigt. Ein Eingriff in bereits erdiente Anwartschaften kann daher nur unter hohen Voraussetzungen zulässig sein. Wesentliche Bedeutung haben der Widerruf auf Grund einer wirtschaftlichen Notlage oder einer Treuepflichtverletzung erlangt.
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Ein allgemeines einseitiges Widerrufsrecht des Arbeitgebers bezüglich der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Falle einer wirtschaftlichen Notlage existiert nicht mehr. Das BAG geht in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass auch im Betriebsrentenrecht der Grundsatz gilt, dass mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht zu einer Befreiung von der Leistungspflicht führt6. Dies ergebe sich insbesondere aus der Streichung des Sicherungs-
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Vgl. dazu BAG v. 17.4.1996 – 3 AZR 56/95, NZA 2007, 155 ff. Vgl. Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 61. Kreitner in: Küttner, Betriebliche Altersversorgung, Rz. 65. BAG v. 25.4.2006 – 3 AZR 372/05, NZA-RR 2007, 374 ff., 376. BAG v. 21.8.2007 – 3 AZR 330/06, NZA-RR 2008, 198 ff., 200. BAG v. 17.6.2003 – 3 AZR 396/02, DB 2004, 324 ff., 325 f.; v. 31.7.2007 – 3 AZR 373/06, ZIP 2007, 2326 ff., 2328.
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Teil 3 Rz. 426
Typische Vertragsklauseln
falls „wirtschaftliche Notlage“ in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a.F.1. Ein Vertrauensschutz für Altvereinbarungen bestehe grundsätzlich nicht. § 31 BetrAVG beziehe sich insofern nur auf vor dem 1.1.1999 eingetretene Sicherungsfälle2. 426
Ob dem Arbeitgeber Gestaltungsmittel zur Anpassung einer Versorgungszusage zur Seite stehen, hängt von der Rechtsgrundlage der Zusage ab. Ist die Versorgungszusage in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag enthalten, kann sie durch eine ablösende kollektivvertragliche Vereinbarung angepasst werden. Eine solche Änderung wirkt sich allerdings nur für die noch im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer aus. Für die bereits ausgeschiedenen Versorgungsberechtigten haben die Betriebspartner keine Regelungsbefugnis mehr3. Eine individualvertragliche Versorgungszusage kann dagegen durch Änderungsvertrag mit dem Arbeitnehmer verändert werden4.
427
Ein Eingriffsrecht des Arbeitgebers in Versorgungsanwartschaften kann sich nach Ansicht des BAG allerdings nur in Ausnahmefällen ergeben. Ein Eingriff kann zunächst dann gerechtfertigt sein, wenn der Versorgungsberechtigte eine so schwerwiegende Treuepflichtverletzung begangen hat, dass die Berufung auf eine Versorgungszusage arglistig erscheint5. So ist ein Widerruf insbesondere dann als zulässig anzusehen, wenn der Versorgungsberechtigte über längere Zeit seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis vernachlässigt hat und sich seine erbrachte Betriebstreue im Nachhinein besehen als wertlos oder jedenfalls erheblich entwertet erweist6. Es kommt hierbei weder alleine auf die Höhe eines entstandenen Schadens noch auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes an. Ausschlaggebend ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung aller schädigenden Vorfälle7.
428
Weiter kommt auch ein Widerruf wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht8. Dazu bedarf es nach § 313 BGB einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen, die zwar nicht Gegenstand des Vertrags geworden sind, aber Voraussetzung für die Vereinbarung der Versorgungszusage waren. Zudem muss davon auszugehen sein, dass die Parteien, hätten sie die Änderungen bereits bei Vertragsschluss gekannt, diesen nicht oder nur mit einem abweichenden Inhalt abgeschlossen hätten.
429
Die hierunter erörterten Fallgruppen werden oft schon von vertraglich vorgesehenen Widerrufsvorbehalten erfasst, so dass es sich beim Wegfall der Geschäftsgrundlage nur noch um einen Auffangtatbestand handelt9. Umgekehrt 1 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 373/06, ZIP 2007, 2326 ff., 2328; ablehnend Boemke, RdA 2010, 10 ff., 13 f. 2 BAG v. 31.7.2007 – 3 AZR 373/06, ZIP 2007, 2326 ff., 2329. 3 BAG v. 16.3.1956 – GS 1/55, NJW 1956, 1086 ff.; v. 25.10.1988 – 3 AZR 483/86, NZA 1989, 522 ff. 4 Vgl. Kisters-Kölkes in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, BetrAVG, § 1b Rz. 65. 5 Vgl. etwa BAG v. 18.10.1979 – 3 AZR 550/78, NJW 1980, 1127 f., 1127; umfassend Schaub/Vogelsang, § 83 Rz. 334. 6 Vgl. BAG v. 8.5.1990 – 3 AZR 152/88, NZA 1990, 807 f., 807. 7 Vgl. Schaub/Vogelsang, § 83 Rz. 334 m.w.N. 8 Vgl. dazu Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. Rz. 495 ff. 9 Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. 497.
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Rz. 432 Teil 3
Altersversorgung
hält die ganz überwiegende Auffassung einen vertraglichen Widerrufsvorbehalt im Ergebnis nur noch in den Fällen für wirksam, in denen sich der Arbeitgeber auch ohne den Widerrufsvorbehalt von der Vereinbarung lösen könnte1. Also nur in den Ausnahmenfällen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Somit steht die Wirksamkeit des Widerrufsvorbehalts, sofern keine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, unter der Voraussetzung, dass der geregelte Widerrufstatbestand einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen würde. Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen ein allgemeiner oder spezieller Widerrufsvorbehalt in aller Regel nicht vertraglich vereinbart wird. Hier erlangt der Wegfall der Geschäftsgrundlage eigenständige Bedeutung. Die Voraussetzungen von § 313 BGB können etwa dann vorliegen, wenn der Versorgungszweck bereits eingetreten ist, etwa weil der Versorgungsberechtigte auch ohne die betriebliche Altersversorgung umfassend abgesichert ist oder die betriebliche Rente zusammen mit der gesetzlichen Rente die Nettoeinkünfte der aktiven Arbeitnehmer übersteigt und dies von den Parteien nicht beabsichtigt wurde (planwidrige Überversorgung)2 oder, wenn dem Arbeitgeber in Folge der gestiegenen Lebenserwartung durch die betriebliche Altersversorgung Mehrkosten entstehen, die zu Äquivalenzstörung führen3. Die Grenze dürfte im letzteren Fall bei einer Mehrbelastung von etwa 20 % zu ziehen sein4.
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Durch einen Widerruf zum Abbau einer Überversorgung kann grundsätzlich auch in bereits erdiente Anwartschaften eingegriffen werden5. Das BAG hat es für zulässig erachtet, eine zukünftige Steigerung der betrieblichen Rente auszuschließen6. Allerdings ist zu beachten, dass das Widerrufsrecht nur dazu führen kann, dass der ursprüngliche Versorgungszweck wieder hergestellt wird. Eine Veränderung oder Umstrukturierung des Versorgungssystems ist nicht zulässig7. Dementsprechend wird man weitergehende Kürzungen von laufenden Betriebsrenten für unzulässig halten müssen8. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert zu der Frage allerdings bisher nicht.
431
Beim Widerrufsrecht bezüglich einer betrieblichen Versorgungszusage handelt es sich um ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Versorgungsverpflichteten. Es ist nach billigem Ermessen auszuüben9. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Versorgungsberechtigten. Zu beachten ist, dass das Widerrufsrecht auch verwirkt werden kann, wenn es über längere Zeit hinweg nicht ausgeübt wurde und der Arbeitnehmer auf Grund von Tatsachen darauf vertrauen durfte, dass es auch nicht mehr ausgeübt werde. Die Recht-
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1 Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. Rz. 486 ff. m.w.N. 2 Vgl. BAG v. 28.7.1997 – 3 AZR 357/97, NZA 1999, 780 ff.; ausführlich Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. Rz. 499; Schipp, RdA 2007, 340 ff. 3 Vgl. Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. Rz. 507. 4 So Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, BetrAVG, § 1 Anh. Rz. 507; ähnlich ErfK/Steinmeyer, BetrAVG, Vorbem. Rz. 32: 20–30 %. 5 BAG v. 28.7.1997 – 3 AZR 357/97, NZA 1999, 780 ff., 784. 6 BAG v. 28.7.1997 – 3 AZR 357/97, NZA 1999, 780 ff. 7 BAG v. 28.7.1997 – 3 AZR 357/97, NZA 1999, 780 ff., 784. 8 So Schipp, RdA 2010, 240 ff., 342. 9 Vgl. Schipp, RdA 2007, 340 ff., 343.
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Teil 3 Rz. 433
Typische Vertragsklauseln
sprechung verlangt insofern, dass sich das Umstandsmoment der Verwirkung aus rechtsverbindlich festgelegten Tatsachen ergibt, zum Beispiel einem Kündigungsausschluss bei einer Betriebsvereinbarung1. Die bloße Erklärung des Arbeitgebers, er beabsichtige den Altbestand von Versorgungsberechtigten auch zukünftig zu schonen, reicht nicht aus2. Daneben bestehen ggf. Mitbestimmungsrechte des Betriebs bezüglich des Widerrufs, die es zu beachten gilt (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG)3.
c) Übertragung von Anwartschaften 433
Der Anspruch des Versorgungsberechtigten auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ist nur eingeschränkt übertragbar4. § 4 Abs. 1 BetrAVG geht vom Grundsatz der Unübertragbarkeit von unverfallbaren Versorgungsanwartschaften und laufenden Leistungen aus. Unverfallbare Versorgungsanwartschaften dürfen nach § 4 Abs. 2 BetrAVG nur im Einvernehmen des alten mit dem neuen Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer übernommen bzw. übertragen werden. Kommt es zu einer solchen dreiseitigen Vereinbarung, wird der ehemalige Arbeitgeber vom neuen Arbeitgeber vollständig als Schuldner der Versorgungszusage abgelöst5.
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Zu unterscheiden von einer solchen Übertragung, ist der Übergang von Versorgungszusagen im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB. Geht der Betrieb des Arbeitnehmers auf einen neuen Betriebsinhaber über, so tritt der neue Betriebsinhaber als neuer Versorgungsschuldner in die Versorgungszusage des Betriebsveräußerers ein6. Dies gilt auch bezüglich der bereits beim bisherigen Betriebsinhaber zurückgelegten Dienstzeiten7.
d) Abfindungsverbot, § 3 BetrAVG 435
Die Unverfallbarkeit der Versorgungszusage wird durch das Abfindungsverbot in § 3 Abs. 1 BetrAVG abgesichert. Danach dürfen Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der Abs. 2–3 abgefunden werden. Hierdurch soll ein vorzeitiger Konsum der Versorgungsleistungen verhindert werden8. Umfasst sind mittlerweile auch laufende Rentenleistungen, die erstmals nach dem 31.12.2004 zur Auszahlung gelangt sind, §§ 3 Abs. 1, 30g Abs. 2 BetrAVG. Vom Abfindungsverbot nicht umfasst sind nur gesetzlich unverfallbare Anwartschaften. Beruht die Unverfallbarkeit dagegen nur auf einer vertraglichen Vereinbarung, ist eine Abfindung grundsätzlich zulässig9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
BAG v. 9.4.1991 – 3 AZR 598/89, NZA 1991, 730 ff., 734. BAG v. 9.4.1991 – 3 AZR 598/89, NZA 1991, 730 ff., 734. Vgl. BAG v. 16.2.1993 – 3 ABR 29/92, NZA 1993, 953 ff. Ausführlich hierzu Reinsch/Novara/Stratmann, NZA 2011, 10 ff. Vgl. Reinsch/Novara/Stratmann, NZA 2011, 10 ff., 10. Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 12.2.2010 – 6 Sa 596/09, NZA-RR 2010, 429 ff., 429. Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 12.2.2010 – 6 Sa 596/09, NZA-RR 2010, 429 ff., 429. Langohr-Plato/Teslau, NZA 2004, 1297 ff., 1299. Böhm, NZA 2009, 767 ff., 768; Kister-Kölkes in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, BetrAVG, § 3 Rz. 6.
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Rz. 440 Teil 3
Altersversorgung
Das Abfindungsverbot wird allerdings durch einige Ausnahmen durchbrochen. Zunächst findet es keine Anwendung, wenn die Abfindung nicht im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht und es sich um laufende Leistungen handelt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 BetrAVG, der nur die Beendigung des Arbeitsverhältnisses umfasst.
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Es gilt weiter nicht, wenn die Höhe der Leistung bestimmte, in Abs. 2 Satz 1 genannte Bagatellgrenzen nicht überschreitet. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die Versorgungsleistungen einseitig abfinden. Es bedarf keiner Zustimmung durch den Arbeitnehmer1. Zudem besteht ein einseitiges Teilabfindungsrecht im Insolvenzfall (vgl. § 3 Abs. 4 BetrAVG). Das Abfindungsverbot führt dazu, dass eine Barauszahlung anstatt einer späteren Rentenleistung nicht möglich ist. Es gilt aber entsprechend auch für den entschädigungslosen Verzicht auf die Versorgungsanwartschaft, es sei denn, er erfolgt während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses2.
437
§ 3 BetrAVG ist ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB. Daraus folgt, dass ein Verstoß zur Nichtigkeit der Abfindungsvereinbarung führt. Streitig sind dagegen die Rechtsfolgen für das Erfüllungsgeschäft3. Die überwiegende Ansicht geht wohl von der Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts aus4. Folge ist damit insbesondere, dass der Versorgungsberechtigte bei einem Verstoß gegen das Abfindungsverbot die betriebliche Rente weiterhin verlangen kann, obwohl er die Abfindung erhalten hat5. Ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers auf die geleistete Abfindung scheitert an § 817 Satz 2 BGB6.
438
II. Steuerrecht Die steuerliche Behandlung von Zukunftssicherungsleistungen kann hier nicht umfassend dargestellt werden7. Der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung liegt bei der Pensionszusage für den Gesellschafter-Geschäftsführer. Die anderen Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung werden nachfolgend nur kurz dargestellt.
439
1. Betriebliche Altersversorgung nach BetrAVG a) Einführung Die betriebliche Altersversorgung unterscheidet fünf Durchführungswege: Die Direktzusage, die Unterstützungskasse, die Pensionskasse, der Pensionsfonds sowie die Direktversicherung. Systematisch lassen sich die Durchführungs1 2 3 4
Langohr-Plato/Teslau, NZA 2004, 1297 ff., 1299. Vgl. BAG v. 14.6.2005 – 3 AZR 185/04, DB 2006, 959 f. Vgl. Mohr in: Hümmerich, AnwKomm Arbeitsrecht, BetrAVG, § 3 Rz. 29 m.w.N. ErfK/Steinmeyer, § 3 BetrAVG, Rz. 13; Rolfs in: Blomeyer/Rolfs/Otto, § 3 Rz. 42; a.A. LAG Köln v. 3.3.1997 – 3 Sa 56/96, NZA-RR 1997, 397. 5 BAG v. 20.11.2001 – 3 AZR 28/01, DB 2002, 2333 f. 6 Vgl. Böhm, NZA 2009, 767 ff., 768. 7 Umfangreiche Darstellung bei Blomeyer/Rolfs/Otto, Betriebsrentengesetz, 5. Aufl. 2010.
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Teil 3 Rz. 441
Typische Vertragsklauseln
wege nach einer internen sowie einer externen Durchführung unterscheiden. Bei einer internen Durchführung liegen in erster Linie (und regelmäßig ausschließlich) Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer (Führungskraft) vor. Dem internen Durchführungsweg unterliegen die Direktzusage sowie die Unterstützungskasse. 441
Bei der externen Durchführung tritt neben dem Arbeitgeber sowie dem Arbeitnehmer (Führungskraft) ein weiterer Rechtsträger hinzu, mit dem jeweils zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Rechtsbeziehungen bestehen. Es handelt sich hierbei um die Leistungen über eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds sowie eine Direktversicherung. Wesentlicher steuerlicher Unterschied zwischen der internen sowie der externen Durchführung ist der jeweilige Zeitpunkt der Besteuerung. Bei der Direktzusage sowie bei der Unterstützungskasse bewirkt das Einräumen des Versorgungsanspruchs noch keinen Lohnzufluss; steuerpflichtige Einnahmen entstehen erst in der Auszahlungsphase. Diese Einnahmen werden regelmäßig voll besteuert (mit Ausnahme des Versorgungsfreibetrages gemäß § 19 Abs. 2 EStG). Unter Steuergestaltungsgesichtspunkten hat daher die Direktzusage bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer den Charme, dass die GmbH über die Bildung einer Rückstellung steuerlich wirksamen Aufwand generieren kann, ohne dass dem ein zu versteuernder Lohnzufluss beim Geschäftsführer gegenüber steht.
442
Bei der externen Durchführung stellen die Zahlungen des Arbeitgebers dagegen grundsätzlich Arbeitslohn dar (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG). Hier tritt das umgekehrte Phänomen gegenüber der Direktzusage bzw. der Unterstützungskasse auf: Der Arbeitnehmer versteuert die Zuwendungen des Arbeitgebers an die jeweiligen Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung in dem jeweiligen Jahr der Leistungen des Arbeitgebers als Arbeitslohn; er „erhält“ dafür allerdings „nur“ eine Anwartschaft auf zukünftige Rentenzahlungen. Da die laufenden Beiträge durch den Arbeitnehmer schon versteuert sind, können die Leistungen in der Auszahlungsphase nicht noch einmal besteuert werden, der Besteuerungsgegenstand dieser Leistungen kann daher nur ein Ertragsanteil (die Zinsen) sein, die mit Hilfe der versteuerten Beiträge erwirtschaftet worden sind.
443
Um die betriebliche Altersversorgung als Säule der Zukunftssicherung für Arbeitnehmer attraktiver zu machen, hat der Gesetzgeber ein Regelungsschema entworfen, aufgrund dessen Leistungen des Arbeitgebers in der Anwartschaftsphase der Höhe nach steuerfrei gestellt werden, damit der Arbeitnehmer schon während der Phase seiner Erwerbstätigkeit einen steuerlichen Vorteil hat. Konsequenterweise müssen dann aber auch in der Leistungsphase die Rentenzahlungen in Höhe der steuerfrei gestellten Beiträge versteuert werden, damit nunmehr umgekehrt der Arbeitnehmer nicht in den doppelten steuerlichen Genuss der steuerfreien Leistungen sowohl in der Anwartschafts- als auch in der Leistungsphase kommt. Systematisch lassen sich daher drei Grundtypen unterscheiden: – Leistungen im Rahmen der Direktzusage bzw. der Unterstützungskasse: In der Anwartschaftsphase können die Arbeitgeber steuerlich wirksamen Aufwand aufgrund des Ansparens der Leistungen generieren; der Arbeitnehmer 246
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Rz. 446 Teil 3
Altersversorgung
versteuert keinen Lohnzufluss. In der Leistungsphase ist die Auszahlung für den Arbeitgeber erfolgsneutral, die Führungskraft versteuert die Leistungen vollständig als Einnahmen. – Die Beiträge des Arbeitgebers in der Anwartschaftsphase stellen für diesen Aufwand und für den Arbeitnehmer Lohn dar, der Arbeitnehmer versteuert diese Beiträge während seiner Berufstätigkeit. In der Leistungsphase versteuert der Arbeitnehmer lediglich den Ertragsanteil, der sich aus den angesammelten Beiträgen ergibt. – Die Beiträge des Arbeitgebers werden in der Anwartschaftsphase bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei gestellt. Der Arbeitnehmer versteuert nur Beiträge, die über den Höchstbetrag hinausgehen. In der Leistungsphase muss abgeschichtet werden, welche Leistungen auf die steuerfreien Beiträge beruhen und welche Leistungen auf die versteuerten Beiträge beruhen. Als weitere Variante kommt der Sonderausgabenabzug sowie die Zulage nach der Regelung zur Altersversorgezulage hinzu (§§ 79 ff. EStG i.V.m. § 10a EStG). Dieser weitere Durchführungsweg einer privaten Altersversorgung (Riesterrente) wird in diesem Handbuch nicht weiter beleuchtet.
444
b) Besteuerung in der Anwartschaftsphase Die steuerlichen Folgen der Direktzusage (die Unterstützungskasse spielt in der Praxis keine vergleichbare Rolle) bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer werden im nächsten Hauptabschnitt behandelt. Im Folgenden soll nur auf die steuerlichen Folgen einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung eingegangen werden. Bei den „anderen“ Führungskräften als den Gesellschafter-Geschäftsführern spielt die typische betriebliche Altersversorgung nach BetrAVG keine erhebliche Rolle. Eine Ausnahme stellen insoweit die Prokuristen dar, denen vom Arbeitgeber – ebenso wie allen übrigen Arbeitnehmern – eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung zugesagt wird. Vorständen von Aktiengesellschaften werden üblicherweise keine Leistungen nach BetrAVG zugesagt. Die Aktiengesellschaften schließen im Rahmen der Dienstverträge individuelle Regelungen mit den Vorständen für eine Altersversorgung ab. Von der Struktur her ähneln diese Zusagen den Pensionszusagen gegenüber Gesellschafter-Geschäftsführern.
445
aa) Bei der betrieblichen Altersversorgung über einen externen Versorgungsträger (Pensionsfonds, Pensionskasse, Direktversicherung) werden die Beiträge des Arbeitgebers zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung gemäß § 3 Nr. 63 BetrAVG bis zu einer Höhe von 4 % der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung steuerfrei gestellt. Steuerfrei sind die Beiträge des Arbeitgebers, die zusätzlich zum Arbeitslohn erbracht werden (reine arbeigeberfinanzierte Beiträge), sowie die Beiträge des Arbeitgebers, die durch Entgeltumwandlung finanziert werden. Eigenbeiträge des Arbeitnehmers gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 4 BetrAVG sind nicht steuerfrei gestellt1.) Begünstige Anlagenformen sind die Alters-, Invaliditäts- sowie Hinterbliebe-
446
1 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 266.
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Teil 3 Rz. 447
Typische Vertragsklauseln
nenversorgung in Form einer lebenslangen Rente oder eines Auszahlungsplans mit anschließender lebenslanger Teilkapitalverrentung. Nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung muss es sich um eine kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung handeln. Umlageverfahren werden daher nicht begünstigt. 447
Im Sozialrecht werden bei der Beitragsbemessungsgrenze immer noch die „alten“ und die „neuen“ Bundesländer mit unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrundlagen unterschieden. In den alten Bundesländern liegt die Beitragsbemessungsgrenze für 2011 bei 66 000 Euro, in den neuen Bundesländern bei 57 600 Euro. Für steuerliche Zwecke ist diese Unterscheidung irrelevant. Der Höchstbeitrag gilt für alle Arbeitnehmer im Bundesgebiet, unabhängig ob es sich um „alte“ oder „neue“ Bundesländer handelt1. Bei Neuzusagen ab dem 1. Januar 2005 erhöht sich der Höchstbetrag um weitere 1 800 Euro. Insgesamt können daher für Neuzusagen Beiträge an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung in Höhe von insgesamt 2 640 Euro + 1 800 Euro, insgesamt 4 440 Euro steuerfrei gezahlt werden.
448
Eine ratierliche Abschmelzung dieser Höchstbeträge bei unterjährigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder bei einem Wechsel des Arbeitsverhältnisses unter Mitnahme der betrieblichen Altersversorgung sieht das Gesetz nicht vor. Die Höchstbeiträge können daher auch bei einem unterjährigen Arbeitgeberwechsel gewährt werden. Bei dem neuen Arbeitgeber kann der Arbeitnehmer ebenfalls in dem Anstellungsjahr den Höchstbeitrag an zusätzliche Altersversorgung erhalten, auch wenn er nicht ganzjährig bei diesem Arbeitgeber beschäftigt war. In der Spitze könnte daher ein Arbeitnehmer im Wechseljahr insgesamt 8 880 Euro steuerfrei für eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung erhalten. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt dies allerdings nicht bei einer Gesamtrechtsnachfolge sowie einem Betriebsübergang gemäß § 613a BGB2.
449
Abfindungen anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses können gemäß § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG steuerfrei für eine betriebliche Altersversorgung verwendet werden. Gemäß § 3 Nr. 63 Satz 4 EStG können Beiträge aus Anlass der Beendigung des Dienstverhältnisses steuerfrei gestellt werden. Der Höchstbetrag ermittelt sich aus der Multiplikation eines Basisbetrages in Höhe von 1 800 Euro mit der Anzahl der Kalenderjahre, in denen das Dienstverhältnis des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber bestand. Der Betrag vermindert sich um die in dem Kalenderjahr der Beendigung des Dienstverhältnisses und in den sechs vorangegangenen Kalenderjahren erbrachten regelmäßigen Beitragszahlungen gemäß § 3 Nr. 63 Satz 1 und Satz 3 EStG. Gemäß § 3 Nr. 63 Satz 4 Halbs. 2 EStG werden Kalenderjahre vor 2005 nicht berücksichtigt. Aufgrund des maßgeblichen Zeitpunkts 2005 sowie der Verrechnung der letzten sechs Jahre können – jedenfalls bei „Höchstförderung“ seit 2005 – steuerliche Vorteile mit einem überschießenden Anteil erst ab 2012 generiert werden.
1 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 268. 2 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 268.
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Rz. 452 Teil 3
Altersversorgung
Beispiele: Das Dienstverhältnis beginnt zum 1. Januar 2005. Der Arbeitgeber leistet für den Arbeitnehmer Beiträge in eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung im Rahmen des Höchstbetrages von 4 440,00 Euro. Das Arbeitsverhältnis endet zum 30. Juni 2011. Der Arbeitnehmer erhält eine Abfindung in Höhe von 40 000,00 Euro. Berechnung: Dienstjahre 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2011 begünstigter Abfindungsbetrag: 1 800,00 Euro × 7 abzüglich Anrechnungsbeträge aus dem Ausscheidungsjahr 2011 sowie den sechs Vorjahren: 7 × 4 400,00 Euro Rest:
7 Jahre 12 600,00 Euro 30 800,00 Euro 0,00 Euro
Der Arbeitnehmer kann die Abfindung nicht zusätzlich für eine betriebliche Altersversorgung nutzen. Abwandlung: Das Dienstverhältnis beginnt zum 1. Januar 2005. Der Arbeitgeber zahlt eine betriebliche Altersversorgung in Höhe von 1 800,00 Euro. Das Dienstverhältnis endet zum 30. Juni 2012. Der Arbeitnehmer erhält eine Abfindung in Höhe von 40 000,00 Euro. Berechnung: Dienstjahre 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2012 = Berechnung des Abfindungsbetrages: 1 800,00 Euro × 8 abzüglich geleistete Beiträge des Ausscheidungsjahres sowie der sechs vergangenen Vorjahre: 7 × 1 800,00 Euro Rest:
8 Jahre 14 400,00 Euro 12 600,00 Euro 1 800,00 Euro
Der Arbeitnehmer könnte daher aus der Abfindung einen Betrag in Höhe von 1 800,00 Euro zur Aufstockung seiner betrieblichen Altersversorgung bei diesem Arbeitgeber nutzen.
Den eigentlichen steuerlichen Hebel wird es erst in den Folgejahren ab 2012 geben, wenn die Anzahl der Dienstjahre die Anrechnungsjahre überschreiten wird.
450
Wird die betriebliche Altersversorgung nicht über eine Kapitaldeckung dargestellt, sondern über ein Umlageverfahren, können Beiträge nach § 3 Nr. 56 EStG in der Anwartschaftsphase steuerfrei gestellt werden. Voraussetzung ist ebenso wie bei § 3 Nr. 63 EStG, dass es sich um Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem ersten Dienstverhältnis zum Aufbau einer betrieblichen Altersversorgung handelt, die eine Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung in Form einer Rente oder eines Auszahlungsplanes vorsieht. Im Gegensatz zu § 3 Nr. 63 EStG ist eine Kapitaldeckung nicht notwendig, so dass die im öffentlich-rechtlichen Bereich verbreiteten Umlageverfahren begünstigt sind. Der Höchstbetrag der steuerfreien Beiträge beträgt noch bis zum 31. Dezember 2013 1 % der Beitragsbemessungsgrenze, demnach 660 Euro jährlich. Ab 1. Januar 2014 erhöht sich der Betrag auf 2 %, nach der gegenwärtigen Beitragsbemessungsgrenze demnach auf 1 320 Euro, ab 1. Januar 2020 auf 3 %, demnach auf 1 980 Euro sowie ab 1. Januar 2025 auf 4 %, demnach auf 2 640 Euro, immer unter der Voraussetzung, dass es bei der Beitragsbemessungsgrenze mit Stand 2011 verbleibt. Da die Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung innerhalb dieses Zeitraums mit Sicherheit angehoben wird, werden sich die steuerfreien Beiträge ebenfalls erhöhen.
451
Ebenso wie bei § 3 Nr. 63 EStG sind auch nur Arbeitgeberbeiträge steuerfrei; der Arbeitnehmereigenanteil ist nicht begünstigt1.
452
1 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 298.
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Teil 3 Rz. 453
Typische Vertragsklauseln
453
Es ist nicht unüblich, dass Arbeitgeber betriebliche Versorgungseinrichtungen sowohl nach dem Umlageverfahren als auch mit Kapitaldeckung unterhalten. Um die unterschiedlichen steuerlichen Regelungen einzuhalten, gilt daher das Trennungsprinzip. Der Arbeitgeber sowie die Versorgungseinrichtungen müssen darauf achten, dass die Beiträge zur Kapitaldeckung sowie für das Umlageverfahren buchhalterisch getrennt sind, damit für die jeweiligen Beiträge die jeweiligen Regelungen greifen. Um eine Kumulierung beider Steuerfreistellungen zu vermeiden, sieht § 3 Nr. 56 Satz 3 EStG einen Vorrang der kapitalgedeckten Altersversorgung gemäß § 3 Nr. 63 EStG vor. Die Beiträge für eine kapitalgedeckte Altersversorgung sind auf die Beiträge gemäß § 3 Nr. 56 EStG in einem Umlageverfahren anzurechnen. Es verbleibt daher bei den Höchstbeiträgen gemäß § 3 Nr. 56 EStG, wenn die Beiträge für eine kapitalgedeckte Altersversorgung gemäß § 3 Nr. 63 EStG geringer sind als die jeweiligen Höchstbeträge nach § 3 Nr. 56 EStG. Sind die Beiträge zu einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung gemäß § 3 Nr. 63 EStG höher als die jeweiligen Höchstbeträge gemäß § 3 Nr. 56 EStG verbleibt es bei den Beiträgen zur kapitalgedeckten Altersversorgung gemäß § 3 Nr. 63 EStG bis zu den dortigen Höchstgrenzen.
454
Wird das Trennungsprinzip nicht eingehalten und kann die Finanzverwaltung nicht unterscheiden, welche Beiträge zur Kapitaldeckung und welche zum Umlageverfahren verwendet werden, gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung nur § 3 Nr. 56 EStG mit seinen geringeren Höchstgrenzen1.
455
bb) Werden Beiträge nicht gemäß § 3 Nr. 56 oder 63 EStG steuerfrei gestellt, sind die Zuwendungen des Arbeitgebers an eine Versorgungseinrichtung von dem Arbeitnehmer als sonstiger Bezug individuell zu versteuern.
456
Gemäß § 40b EStG in der Fassung ab 1. Januar 2005 können Arbeitgeber bei einem Umlageverfahren die Zuwendungen pauschal gemäß § 40b EStG besteuern, soweit die Beiträge nicht gemäß § 3 Nr. 56 EStG steuerfrei sind. Die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung besteht auch dann, wenn Leistungen des Arbeitgebers sowohl für eine kapitalgedeckte als auch für eine umlagefinanzierte betriebliche Altersversorgung erbracht werden, ohne dass diese Beiträge voneinander getrennt werden können. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gilt dann für die Beiträge insgesamt nur der Höchstbetrag von § 3 Nr. 56 EStG. Für die darüber hinausgehenden Zuwendungen kann der Arbeitgeber die Pauschalbesteuerung gemäß § 40b EStG wählen2.
457
Der Höchstbetrag der pauschal zu versteuernden Zuwendungen ist gemäß § 40b Abs. 2 EStG – ebenso wie auch schon in der Altregelung – ein Jahresbetrag von 1 752 Euro. Weitere Voraussetzung ist, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt.
458
Für Abfindungen sieht § 40b EStG eine dem § 3 Nr. 63 EStG ähnliche Vervielfältigungsregelung vor. Basisbetrag ist 1 752 Euro, der mit der Anzahl der Dienstjahre multipliziert wird. Abgezogen werden die pauschal besteuerten Zuwendungen des Arbeitgebers in dem Kalenderjahr sowie in den sechs voran1 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 299. 2 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 304.
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Rz. 461 Teil 3
Altersversorgung
gegangenen Kalenderjahren. Der verbleibende Restbetrag kann gemäß § 40b EStG pauschal besteuert werden.
c) Leistungsphase Die Art der Besteuerung in der Leistungsphase ergibt sich aus der Besteuerung der Beiträge des Arbeitgebers in der Anwartschaftsphase:
459
– Leistungen aus einer Direktzusage und einer Unterstützungskasse führen zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG; – Leistungen aus der Direktversicherung, Pensionskasse und eines Pensionsfonds führen zu sonstigen Einkünften gemäß § 22 Nr. 5 EStG, soweit die Leistungen dieser Versorgungseinrichtungen ausschließlich auf Beiträge beruhen, die gemäß § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei waren bzw. es sich um steuerfreie Zuwendungen von Arbeitgebern gemäß § 3 Nr. 56 EStG handelt. – Leistungen der Versorgungseinrichtung, die der Arbeitnehmer während der Anwartschaftsphase schon voll versteuert hat, werden gemäß § 22 Nr. 5 Satz 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 22 Nr. 2 Satz 3 Buchst. a) bb) EStG nur mit dem Ertragsanteil besteuert, soweit es sich um eine lebenslange Rente handelt. Leistungen aus Versicherungsverträgen, Pensionsfonds und Direktversicherungen, die keine Renten sind, werden gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit der Differenz zwischen dem Auszahlungsbetrag sowie den entrichteten Beiträgen (Erträge nach der Definition des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) besteuert. Werden die Leistungen in der Anwartschaftsphase sowohl steuerfrei gestellt als auch – bei Überschreitung der Höchstbeträge – steuerlich erfasst, sind die Leistungen in der Auszahlungsphase zu teilen1.
460
d) Übergangsrecht Das hier dargestellte „neue“ Recht der betrieblichen Altersversorgung gilt ab 1. Januar 2005. Bis zum 31. Dezember 2004 galt ein ebenfalls abgestuftes System der Besteuerung in der Anwartschafts- und der Leistungsphase; Einzelheiten können hier nicht dargestellt werden. Der wesentliche Unterschied zum neuen Recht bestand darin, dass eine Steuerfreiheit der Leistung gemäß § 3 Nr. 63 EStG a.F. nur für Beiträge des Arbeitgebers aus dem ersten Dienstverhältnis an eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung vorgesehen war. Bei einer Direktversicherung sah § 40b Abs. 1 EStG a.F. die Möglichkeit einer Pauschalbesteuerung in Höhe von 20 % bis zu einem Höchstbetrag der Leistungen an die Versicherung i.H.v. 1 752 Euro vor. Nach der neuen Regelung gilt die Steuerfreiheit der Leistungen auch für Direktversicherungen. Eine pauschale Besteuerung besteht seit dem 1. Januar 2005 gemäß § 40b EStG lediglich noch für Zuwendungen des Arbeitgebers zum Aufbau einer nicht kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung im Rahmen einer Pensionskasse. 1 BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. 335, Verweis auf BMF, Schr. v. 11.11.2004 – IV C 3-S22257b-47/04, BStBl. 2004 I, 1061.
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Teil 3 Rz. 462
Typische Vertragsklauseln
462
Bei einer Direktversicherung hatte der Arbeitnehmer bei einer „Altzusage“ (d.h. einer Zusage des Arbeitgebers vor dem 31. Dezember 2004) ein Wahlrecht bis zum 30. Juni 2005, ob die Zuwendungen des Arbeitgebers weiterhin pauschal gemäß § 40b EStG a.F. besteuert werden sollen oder ob die Zuwendungen im Rahmen der Höchstbeträge gemäß § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt werden sollen. Für den Veranlagungszeitraum 2005 gestattete die Finanzverwaltung dem Arbeitnehmer das Wahlrecht auch über den 30. Juni 2005 hinaus, solange die Lohnsteuerbescheinigung nicht übermittelt und ausgeschrieben worden war1. Für Beiträge an eine Pensionskasse besteht aufgrund der Übergangsregelung ebenfalls ein Wahlrecht. Übersteigen die Beiträge an eine Pensionskasse nach dem 1. Januar 2004 den steuerfreien Höchstbetrag (4 % der Beitragsbemessungsgrenze), hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht, ob er den darüber hinausgehenden Betrag als weiteren steuerfreien Beitrag bis zu einer Höhe von 1 800 Euro gemäß § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG behandelt oder für den überschießenden Betrag die Pauschalbesteuerung gemäß § 40b EStG bis zu einem Höchstbetrag von 1 752 Euro wählt2. Dagegen kann der Arbeitnehmer nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht den „neuen“ erweiterten Höchstbetrag in Höhe von 1 800 Euro gemäß § 3 Nr. 63 Satz 3 EStG für eine Neuzusage in Anspruch nehmen, wenn der Arbeitgeber schon Beiträge aufgrund einer Altzusage gemäß § 40b EStG a.F. pauschal besteuert. Ein solches „umgekehrtes“ Wahlrecht soll nach Auffassung der Finanzverwaltung nur möglich sein, wenn der Arbeitnehmer bei der Altzusage auf die Pauschalbesteuerung gemäß § 40b EStG a.F. verzichtet und diese Zuwendung aus der Altzusage individuell versteuert3.
463
Bei einer umlagefinanzierten Altersversorgung bestehen keine Schwierigkeiten aufgrund des Systemwechsels. Bei Zuwendungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse sind die Beiträge pauschal zu besteuern, die über den steuerfreien Höchstbetrag gemäß § 3 Nr. 56 EStG (gegenwärtig noch 1 % der Bemessungsgrundlage) hinaus gehen. Dies gilt gleichermaßen für Alt- wie Neuzusagen4.
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Bei der Anwendung der Vervielfältigungsregelung lässt die Finanzverwaltung ebenfalls ein Wahlrecht zu5. Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber können letztlich wählen, ob Abfindungen, die steuerbegünstigt für eine betriebliche Altersversorgung genutzt werden sollen, gemäß der Vervielfältigungsregelung von § 3 Nr. 63 EStG steuerfrei gestellt werden sollen oder nach der ursprünglichen Vervielfältigungsregelung von § 40b Abs. 2 Satz 3 und 4 EStG pauschal besteuert werden. In Anbetracht der unterschiedlichen Folgen von besteuerten oder steuerfreien Beiträgen in der Anwartschaftsphase, kann eine solche Entscheidung nur im Einzelfall getroffen werden.
1 2 3 4 5
BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz. BMF, Schr. v. 31.3.2010 – IV C 3-S222/09/10041, BStBl. 2010 I, 270 Tz.
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Rz. 469 Teil 3
Altersversorgung
2. Pensionszusage Die Pensionszusage hat bei der GmbH, insbesondere der „mittelständischen inhabergeführten“ GmbH, eine überragende Bedeutung. Dies liegt in erster Linie daran, dass durch die Erteilung der Versorgungszusage unmittelbar steuerlicher Aufwand generiert wird; andererseits mit der Pensionszusage noch kein Lohnzufluss verbunden ist. Der Gesellschafter-Geschäftsführer „versteuert“ die Pensionszusage erst im Leistungszeitraum, wenn er von der GmbH Leistungen erhält. Für die GmbH ist dies erfolgsneutral, da den Zahlungen (die selbstverständlich Betriebsausgabe sind) in gleicher Höhe eine ertragswirksame Auflösung der Rückstellung gegenüber steht. Das eigentliche praktische Problem der GmbH in der Leistungsphase besteht in dem Liquiditätsabfluss, der mit den Zahlungen der Pension verbunden ist.
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a) Bilanzielle Behandlung Pensionsrückstellungen werden auf Ebene der Kapitalgesellschaft gemäß § 6a EStG nur anerkannt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
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Der berechtigte Arbeitnehmer muss einen im Versorgungsfall durchsetzbaren Anspruch auf Leistung haben, der ggf. im Wege der Klage und Zwangsvollstreckung realisiert werden kann. Trotz des Begriffes „Zusage“ handelt es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft des Arbeitgebers. Pensionszusagen an die Belegschaft werden üblicherweise durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen, Besoldungsordnungen oder anderen Formen der Gesamtzusage gewährt. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern ist dagegen die Einzelzusage durch einen Vertrag zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer die Regel.
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Die Pensionszusage darf nicht von künftigen gewinnabhängigen Bezügen abhängig sein. Maßgeblich ist der Zusagezeitpunkt. Demnach können nur noch gewinnabhängige Bezüge berücksichtigt werden, die zum Zusagezeitpunkt schon entstanden sind1. Gewinntantiemen nach Zusagezeitpunkt können daher bei der Berechnung des Teilwertes nicht mehr berücksichtigt werden, selbst wenn der Anspruch auf die Gewinntantiemen zu dem jeweiligen nachfolgenden Rechnungsstichtag zivilrechtlich entstanden ist.
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Die Pensionszusage darf weiterhin keinen „willkürlichen“ Leistungsvorbehalt enthalten; Pensionszusagen können aber – um der zukünftigen wirtschaftlichen Lage gerecht zu werden – die Leistung unter dem Vorbehalt des billigen Ermessens stellen, aufgrund dessen ein Widerruf oder eine Änderung der Pensionszusage unter verständiger Abwägung der berechtigten Interessen des Pensionsberechtigten einerseits und des Arbeitgebers andererseits erfolgen kann. Die Einkommensteuerrichtlinien enthalten Formulierungen, die übernommen werden sollten2. Eine Abfindung zum Teilwert anstelle des (höheren) ratierlichen Barwertes stellt nach Rechtsprechung einen schädlichen Kürzungsvorbehalt dar, der auch nicht im Rahmen billigen Ermessens gerechtfertigt ist3.
469
1 BFH v. 3.3.2010 – I R 31/09, BFH/NV 2010, 1020. 2 R 6a Abs. 4 EStR 2008. 3 BFH v. 28.4.2010 – I R 78/08, DStRE 2010, 976.
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Teil 3 Rz. 470
Typische Vertragsklauseln
Dies ist wegen der steuerlichen Relevanz des Teilwertes nicht unbedingt zwingend, sollte aber bei Abfindungsregelungen beachtet werden. Wenn der ratierliche Barwert höher ist als der Teilwert, ist mit diesem abzufinden. 470
Schließlich muss die Pensionszusage schriftlich erteilt sein. Um Auslegungsund Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, verlangt § 6a Abs. 1 Halbs. 2 EStG eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen1. Trotz dieser gesetzlichen Vorgaben kann der notwendige Inhalt der Pensionszusage weiterhin durch Auslegung ermittelt werden; Pensionszusagen sind daher auch noch anzuerkennen, wenn sich bezüglich einzelner Punkte – im Regelfall der Höhe der zukünftigen Leistungen – Zweifel ergeben und diese mittels anerkannter Auslegungsgrundsätze beseitigt werden können2.
471
Werden die Vorgaben von § 6a EStG nicht eingehalten, ist die Rückstellung auf Ebene der Gesellschaft entweder vollständig oder in einer bestimmten Höhe (wenn etwa die Barwerte unzutreffend ermittelt worden sind) gewinnerhöhend aufzulösen.
b) Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer 472
Finanzverwaltung und Rechtsprechung machen die Anerkennung von Pensionsrückstellungen an Gesellschafter-Geschäftsführer von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig: – zivilrechtliche Wirksamkeit; – Einhalten einer Probezeit; – Finanzierbarkeit; – Unverfallbarkeit; – Erdienbarkeit; – Angemessenheit der Pensionszahlung.
473
Werden diese Voraussetzungen nicht eingehalten, können verdeckte Gewinnausschüttungen dem Grunde oder der Höhe nach vorliegen. Die Rückstellung nach § 6a EStG wird nicht (ggfl. anteilig) aufgelöst. Die Zuführungen zur Rückstellung werden außerbilanziell dem zu versteuernden Einkommen der Gesellschaft zugerechnet, soweit die Rückstellungsbildung eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt3.
1 Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Reaktion auf die Entscheidung BFH v. 24.3.1999 – I R 20/98, BStBl. 2001 II, 612 = BB 1999, 1800, nach der Pensionsvereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auslegbar sind und ggf. Beweis über tatsächliche Umstände – in der Entscheidung die Höhe des Rechnungszinsfußes – getroffen werden kann. 2 BFH v. 8.12.2004 – I B 125/04, BFH/NV 2005, 1036. 3 Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 6a Rz. 17.
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Rz. 478 Teil 3
Altersversorgung
aa) Zivilrechtliche Wirksamkeit Nach Zivilrecht besteht kein Schriftformerfordernis. Wegen § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG ist Schriftform für Steuerzwecke aber zwingend. Die Schriftform ist nicht gewahrt, wenn lediglich eine Niederschrift über eine Gesellschafterversammlung mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vorliegt und in der Folgezeit keine vertragliche Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Pensionsberechtigten geschlossen worden ist1.
474
Das Angebot mit der Pensionszusage der Gesellschaft muss dem berechtigten Gesellschafter-Geschäftsführer zugehen. Weder für den Zugang des Angebotes noch für die Annahme durch den Gesellschafter-Geschäftsführer bestehen besondere Formerfordernisse2. Dessen ungeachtet sollte sowohl die Pensionszusage als auch die Annahme durch den Gesellschafter-Geschäftsführer in einem Dokument schriftlich fixiert werden.
475
Die Pensionszusage ist durch das zuständige Gesellschaftsorgan zu erteilen. Bei der GmbH ist dies die Gesellschafterversammlung, als Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG. Der Gesellschaftsvertrag kann ggf. Abweichendes regeln. Liegt die Befugnis zum Abschluss, Änderung sowie Aufhebung des Anstellungsvertrages bei einem anderen Organ (z.B. Aufsichtsrat, Beirat), hat dieses Gesellschaftsorgan im Regelfall auch die Kompetenz zum Abschluss von Pensionsvereinbarungen. Sollte dieses Organ nicht beschlussfähig sein, besteht Ersatzzuständigkeit der Gesellschafterversammlung3. Bei einer AG ist für Pensionsvereinbarungen mit Vorstandsmitgliedern gemäß § 112 AktG der Aufsichtsrat ausschließlich zuständig.
476
Es ist das Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB zu beachten. Bei einer Einmann-GmbH ist der Gesellschafter-Geschäftsführer vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB zu befreien. Es wird im Schrifttum zwar vertreten, dass bei Abschluss sowie Änderung des Anstellungsvertrages das Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 BGB trotz § 35 Abs. 3 GmbHG nicht gelte4; für Steuerzwecke sollte aber immer Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot vereinbart sein.
477
bb) Probezeit Eine Pensionszusage kann im Regelfall nicht schon mit Dienstbeginn des Geschäftsführers erteilt werden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer würde keine Pensionszusage erteilen, wenn die Eignung und Befähigung eines anderen Geschäftsführers noch nicht feststeht. Erst nach dem Ablauf eines gewissen Zeitraumes steht fest, ob der Geschäftsführer geeignet ist; ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren gilt als ausreichend5. 1 BFH v. 20.4.1998 – I R 129/84, BFH/NV 1988, 807. 2 BFH v. 22.10.2003 – I R 37/02, BStBl. 2004, II 121 = BB 2004, 2009. 3 BGH v. 24.2.1954 – II ZR 88/53, BGHZ 12, 337; Zöllner in: Baumbach/Hueck, 19. Aufl. 2010, § 46 Rz. 34a. 4 Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 35 Rz. 138. 5 BFH v. 20.8.2003 – I R 99/02, BFH/NV 2004, 373.
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478
Teil 3 Rz. 479
Typische Vertragsklauseln
479
Eine Ausnahme von dieser Probezeit kann bei schon hinreichend „erprobten“ Angestellten bzw. Geschäftsleitern unterhalb der Geschäftsführer-Ebene gegeben sein, z.B. bei langjährigen Angestellten, Prokuristen und Ähnlichem1. Überhaupt keine Probezeit gilt für Pensionszusagen an Geschäftsführer, wenn diese schon langjährig im Betrieb tätig waren und sich lediglich die Rechtsform gewandelt hat, z.B. im Fall einer Betriebsaufspaltung, eines Formwechsels oder eines Management-Buy-out2.
480
Bei Erstgründungen verlängert sich die Probezeit, da nicht nur der Geschäftsführer „erprobt“ werden muss, sondern auch die Gesellschaft selbst3. Die Verlängerung der Probezeit hängt vom Einzelfall ab. Regelmäßig dürfte ein Zeitraum von vier bis fünf Jahren angemessen sein, da sich nach Ablauf dieses Zeitraums die Gesellschaft am Markt etabliert hat.
481
Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung wegen Nichteinhaltung der Probezeit sowie wegen fehlender Markterprobung der GmbH lässt die Finanzverwaltung zugunsten der Kapitalgesellschaft ein „Hineinwachsen“ in eine fremdvergleichsgerechte Versorgungszusage sowie ein „Hinauswachsen“ aus der verdeckten Gewinnausschüttung zu4. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt daher nach Ansicht der Finanzverwaltung nur für die Zeiträume vor, in denen der Geschäftsführer oder die Gesellschaft noch nicht genügend erprobt sind.
482
Der BFH hat entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden5. Bei fehlender Erprobung des Geschäftsführers oder der Gesellschaft liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung auch in für die Zeiträumen vor, in denen dem Erfordernis der Erprobung von Geschäftsführer und/oder Gesellschaft genügt ist. Auch nach Ablauf der Karenzzeit verbleibt es bei einer verdeckten Gewinnausschüttung dem Grunde nach, sodass die Zuführungen zur Rückstellung außerbilanziell als verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der GmbH wieder zuzurechnen sind.
483
Überzeugen kann diese Verschärfung durch die Rechtsprechung nicht. Es kann für den Fremdvergleich keinen Unterschied machen, ob nach Erprobung des Geschäftsführers eine Pensionszusage erteilt wird oder ob zunächst ohne ausreichende Erprobung eine Versorgungszusage erteilt wird, die allerdings aufgrund der nachfolgenden Erprobung des Geschäftsführers dem Fremdvergleich standhält. Für die Praxis dürfte es nach der Entscheidung des BFH empfehlenswert sein, bei fehlender Erprobung eine Neuzusage zu erteilen, sodass jedenfalls die Zeiträume ab ausreichender Erprobung „vGA-fest“ sind. 1 BFH v. 17.3.2010 – I R 19/09, BFH/NV 2010, 1310; eine 6-wöchige Zeitspanne zwischen Bestellung zum Prokuristen und anschließender Bestellung zum Geschäftsführer mit Versorgungszusage reicht auch dann nicht aus, wenn der betreffende Geschäftsführer vorher zehn Jahre als weisungsabhängiger Arbeitnehmer im Betrieb tätig war. 2 BFH v. 29.10.1997 – I R 52/92, BStBl. 1999 II, 318 = BB 1998, 730 – Betriebsaufspaltung; v. 18.2.1999 – I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384 = GmbHR 1999, 990 – Betriebsverpachtung; v. 24.4.2002 – I R 18/01, BStBl.2002 II, 670 = BB 2002, 1999 – Management-Buyout. 3 Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. 2005 II, 882. 4 BMF, Schr. v. 14.5.1999 – IV C 6 - S 2742 - 9–99, BStBl. I 1999, Tz. 1.2. 5 BFH v. 28.4.2010 – I R 78/08, DStRE 2010, 976.
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Rz. 489 Teil 3
Altersversorgung
cc) Finanzierbarkeit Eine Pensionsrückstellung wird nicht anerkannt und bei einem GesellschafterGeschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttung behandelt, wenn die Gesellschaft die Pension nicht finanzieren kann. Fehlende Finanzierbarkeit liegt vor, wenn bei Erstellen eines Überschuldungsstatuts nach InsO unter Auflösung sämtlicher stiller Reserven der materiellen sowie immateriellen Wirtschaftsgüter (unter Beachtung des Fortführungsprinzips) das verbleibende Restvermögen der Gesellschaft nicht ausreicht, die Pension zu finanzieren; der Wert einer Rückdeckungsversicherung ist zu berücksichtigen1. Für den Invaliditätsschutz ist der versicherungsmathematische Barwert anzusetzen und nicht derjenige Wert, der sich bei einem sofortigen Eintritt des Invaliditätsfalles ergeben würde. Die Unterschiede sind erheblich, da in dem versicherungsmathematischen Barwert nur die Wahrscheinlichkeit einer Invalidität berücksichtigt wird2.
484
Das Fehlen einer Rückdeckungsversicherung führt nicht notwendig dazu, dass eine Pensionsverpflichtung nicht finanziert werden kann, selbst wenn sich die Gesellschaft in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet3.
485
dd) Unverfallbarkeit Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 1 BetrAVG ist eine betriebliche Altersvorsorge unverfallbar, wenn das Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalls, jedoch nach Vollendung des 25. Lebensjahres endet und die Versorgungszusage zu diesem Zeitpunkt schon mindestens fünf Jahre bestanden hat.
486
Bei Gesellschafter-Geschäftsführer besteht eine gewisse Begünstigung. Finanzverwaltung und Rechtsprechung erkennen es an, wenn die Pensionszusage umgehend zu unverfallbaren Anwartschaften führt. Bei der Berechnung der Rückstellung kann für die Unverfallbarkeit nur auf dem Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage abgestellt werden und nicht auf den ggf. früheren Dienstantritt; soweit auf den früheren Dienstantritt abgestellt wird, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor4.
487
ee) Erdienbarkeit Die Erdienbarkeit der Pension gehört zu den wichtigsten Kriterien der Anerkennung von Pensionsverpflichtungen. Erdienbarkeit betrifft den Zeitraum zwischen der Erteilung der Pensionszusage sowie dem Versorgungseintritt.
488
Bei Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer reichen fünf Jahre aus; die Regelungen des betrieblichen Altersvorsorgegesetzes werden entsprechend ange-
489
1 BFH v. 31.3.2004 – I R 65/03, BStBl. 2005 II, 664 = GmbHR 2004, 1034. 2 BFH v. 20.12.2000 – I R 15/00, BStBl. 2005 (!) II, 657 = BB 2001, 1135. 3 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 31.3.2004 – I R 65/03, BStBl. 2005 II, 664 = GmbHR 2004, 1034. 4 BFH v. 20.8.2003 – I R 99/02, BFH/NV 2004, 373 = GmbHR 2004, 261; BMF, Schr. v. 9.12.2002 – IV A2-S2742-68/02, BStBl. 2002 I, 1393.
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Teil 3 Rz. 490
Typische Vertragsklauseln
wandt, da der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer insoweit einem Arbeitnehmer gleichgestellt wird1. 490
Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern wird dagegen ein ZehnJahres-Zeitraum von der Pensionszusage bis zum Beginn der Versorgungsleistungen verlangt2. Der Zehn-Jahres-Zeitraum gilt sowohl für die Erstzusage als auch für die Zweitzusage sowie weiterer nachfolgender Zusagen3. Die zwischenzeitliche Änderung von § 1b BetrAVG, auf Grund dessen die Frist zur Unverfallbarkeit von zehn Jahren auf fünf Jahren reduziert wurde4, ist für die steuerliche Beurteilung der Erdienbarkeit unerheblich5.
491
Auf die Erfüllung des Zehn-Jahres-Zeitraumes kommt es ausnahmsweise nicht an, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund besonderer Umstände keine Altersvorsorge aufbauen konnte6 oder wenn eine Lücke in der Altersvorsorgung geschlossen werden soll7.
492
Die Pensionszusage ist spätestens vor Vollendung des 60. Lebensjahres zu erteilen, wenn der Pensionsfall erst mit Vollendung des 70. Lebensjahres eintritt. Bei Unternehmern kann unterstellt werden, dass diese über das 65. Lebensjahr hinaus bis zum 70. Lebensjahr berufstätig sind, so dass die Zehn-Jahres-Frist gewahrt ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich mit der Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre an dieser Vorgabe etwas ändert und auf einen Zeitraum bis zur Vollendung des 72. Lebensjahres abgestellt werden kann. Konsequent wäre eine solche Ausweitung. Wenn bei der vormaligen Regelaltersgrenze von 65 Jahren eine Pensionszusage bis zum 60. Lebensjahr anerkannt war, sollte konsequenterweise bei Anheben der gesetzlichen Regelaltersgrenze auf 67 Jahren eine Pensionszusage bis zur Vollendung des 62. Lebensjahres mit Eintritt des Pensionsfalles zum 72. Lebensjahres anerkannt werden. Die Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze ist auf die stetig steigende Lebenserwartung zurückzuführen. Bei Gesellschafter-Geschäftsführer sollte dies ebenfalls berücksichtigt werden8. 1 Z.B. BFH v. 24.1.1996 – I R 41/95, BStBl. 1997 II, 440; v. 15.3.2000 – I R 40/99, BStBl. 2000 II, 504 = BB 2000, 504; H 38 „Erdienbarkeit“ KStR 2004. 2 Grundlegend BFH v. 21.12.1994 – I R 98/93, BStBl. 1995 II, 419 = BB 1995, 861. 3 BFH v. 23.9.2008 – I R 62/07, BFH/NV 2009, 297 = GmbHR 2009, 217. 4 Gesetz v. 26.6.2001, BGBl. I 2001, 1310. 5 Deutlich BFH v. 19.11.2008 – I B 108/08 (NV), BFH/NV 2009, 608 = GmbHR 2009, 440. 6 BFH v. 24.4.2002 – I R 43/01, BStBl. 2003 II, 416 = BB 2002, 2319 zu einem Sachverhalt in den fünf neuen Bundesländer, in denen der Gesellschafter-Geschäftsführer in Zeiten der DDR keine Anwartschaften aufbauen konnte. In der Praxis erkennt der Betriebsprüfer diese Entscheidung häufig mit dem Hinweis nicht an, dass es sich um einen Sonderfall in der DDR handele. Davon sollte man sich nicht beeindrucken lassen. Weder aus dem Tenor noch aus den Entscheidungsgründen ergibt sich eine entsprechende Beschränkung. 7 Offen gelassen in BFH v. 21.12.1994 – I R 98/93, BStBl. 1995 II, 419 = BB 1995, 861. 8 Die Finanzverwaltung hat dies in R 6a Abs. 8 EStR 2008 für die Jahresbeträge gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 3 EStG schon vollzogen und das Pensionsalter der Gesellschafter-Geschäftsführer entsprechend der Geburtsjahrgänge geändert. Für Jahrgänge bis 1952 verbleibt es bei dem Pensionsalter von 65, für Jahrgänge von 1953 bis 1961 gilt das Pensionsalter 66 Jahre sowie für Jahrgänge ab 1962 das Pensionsalter 67 Jahre.
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Rz. 496 Teil 3
Altersversorgung
ff) Höhe und Dynamisierung Die Pensionsleistungen dürfen im Regelfall nur 75 % der letzten Aktivbezüge vor dem Versorgungsfall ausmachen1. Die Aktivbezüge zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls stehen nicht fest, sondern können allenfalls geschätzt werden. Es ist daher zulässig, bei der 75 %-Grenze auf die gegenwärtigen Aktivbezüge des Pensionsberechtigten abzustellen. Aktivbezüge sind das regelmäßige Festgehalt einschließlich Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, soweit diese nicht schon selbst verdeckte Gewinnausschüttungen darstellen.
493
Variable Gehaltsbestandteile wie Tantiemen sind mit dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre anzusetzen2. Wegen der restriktiven Gesetzeslage sowie Rechtsprechung sollten Tantiemen nicht mehr zur Bemessungsgrundlage der Pensionszusage gemacht werden.
494
Gewinntantiemen können wegen § 6a Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 EStG schon dem Grunde nach (dazu oben Rz. 468) nur noch berücksichtigt werden, wenn sie auf Gewinne beruhen, die zum Zusagezeitpunkt schon entstanden sind3. Umsatztantiemen können nur berücksichtigt werden, wenn die Zahlung der Umsatztantieme nicht schon eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Umsatztantiemen führen grundsätzlich zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Sie können daher auch nicht Bemessungsgrundlage für die Versorgungsleistung sein. Es kann allenfalls überlegt werden, ob bei den anerkannten Ausnahmen der Umsatztantiemen die Bemessungsgrundlage erweitert werden kann. In Anbetracht der anerkannten Ausnahmen – Aufbau eines Unternehmens, Branchenüblichkeit sowie „besonders zu vergütender“ Einsatz des Geschäftsführers – dürfte die Bemessungsgrundlage daher nur in den Fallgruppen „Branchenüblichkeit“ und „besonderer Einsatz“ des Geschäftsführers um die Umsatztantieme erweitert werden. Für die Fallgruppe „Aufbau eines Unternehmens“ hat der BFH eine Erweiterung der Bemessungsgrundlage im Regelfall abgelehnt. Wenn ein Unternehmen aufgebaut sei, gebe es keine Rechtfertigung mehr für die Umsatztantieme. Sie könne daher auch für die Bemessungsgrundlage einer Pensionszusage nicht berücksichtigt werden4.
495
Wird die 75 %-Grenze überschritten, ist dies (nur) ein Indiz für eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung, sodass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen kann. Maßgeblich bleiben jedoch die Umstände des Einzelfalls5. Bei Sanierungsmaßnahmen ist es zulässig, dass das Gehalt befristet reduziert wird,
496
1 Ständige Rechtsprechung seit BFH v. 13.11.1975 – IV R 170/73, BStBl. 1976 II, 142; aus neuerer Zeit BFH v. 31.3.2004 – I R 79/03, BStBl. 2004 II, 940; BFH v. 28.4.2010 – I R 78/08, DStRE 2010, 976 – keine vGA, wenn der Finanzverwaltung die Überversorgung erst im Versorgungsfall auffällt. 2 BMF, Schr. v. 3.11.2004 – IV B 2 - S 2176 - 13/04, BStBl. 2004 I, 1045 Tz. 11. 3 BFH v. 3.3.2010 – I R 31/09, BFH/NV 2010, 1020. 4 BFH v. 4.3.2009 – I R 45/08, BFH/NV 2010, 244. 5 BFH v. 13.6.2007 – X B 34/06, BFH/NV 2007, 1703; FG München v. 6.5.2008 – 6 K 4096/05; FG Schleswig Holstein v. 11.2.2010 – 1 K 3/05, DStRE 2010, 782 – Befristung „solange die Geschäftstätigkeit ruht“ reicht aus (Revision eingelegt unter BFH I R 17/10); BMF, Schr. v. 24.8.2005 – IV B 2 - S 2176 - 65/05; GmbHR 2006, 560, das Schr. erging auf Anfrage der Steuerberaterkammer und ist nicht im BStBl. veröffentlicht.
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Teil 3 Rz. 497
Typische Vertragsklauseln
ohne dass die Versorgungszusage angepasst werden muss1. Die Umstände – Sanierungsmaßnahmen – sind zu Beweiszwecken zu dokumentierten. Die Feststellungslast trägt die Gesellschaft2. 497
Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind bei der Berechnung der 75 %–Grenze zu berücksichtigen3. Es macht keinen Unterschied, ob Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung vor der Pensionszusage erworben worden sind oder ob diese noch parallel zur Pensionszusage aufgebaut werden.
498
Dynamisierungen sind zulässig. Dynamisierungsklauseln müssen in der Versorgungszusage vereinbart sein; ansonsten liegt insoweit eine verdeckte Gewinnausschüttung vor. Eine Steigerungsrate von 3 % jährlich wird anerkannt, eine Steigerungsrate von 5 % ist überhöht.
gg) Rangrücktritt in der Krise/Verzicht (1) Rangrücktritt 499
In (allgemeinen) Zeiten der wirtschaftlichen Krise stellt sich die Frage, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer durch Rangrücktrittserklärung (mit „Besserungsabrede“) die Pensionsverpflichtung aus dem Überschuldungsstatut herausnehmen kann4. Steuerlich könnten Bedenken wegen § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie wegen des anzustellenden Fremdvergleichs bestehen.
500
Gemäß § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG darf die Pensionszusage nicht von künftigen Gewinnen abhängig sein und keinen willkürlichen Vorbehalt enthalten (dazu oben Rz. 468 f.). Nach dem Wortlaut von § 6a Abs. 1 Nr. 2 EStG dürfte eine Rangrücktrittsvereinbarung nicht schädlich sein. Die Rangrücktrittsvereinbarung ist eine weitere zusätzliche Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter-Geschäftsführer neben der Pensionsvereinbarung; sie ist dagegen nicht Bestandteil der Pensionszusage („die Pensionszusage keine (…) vorsieht und keinen Vorbehalt enthält (…)“).
501
Der Fremdvergleich nach dem Maßstab des (Fremd-)Geschäftsführers ist bedenklich. Ein Fremdgeschäftsführer würde sich auf keine Rangrücktrittsvereinbarung einlassen. Sein Anspruch ist durch den Pensionssicherungsverein „erstrangig“ gesichert. Überlegenswert wäre allenfalls, ob sich ein Fremdgeschäftsführer zu einer Rangrücktrittsvereinbarung entschließen würde, wenn sein Anspruch nicht durch den Pensionssicherungsverein gesichert wäre. Hier kann unterstellt werden, dass ein ordnungsgemäß handelnder Fremdgeschäftsführer immer dann eine Rangrücktrittsvereinbarung abschließen würde, wenn ansonsten Insolvenzreife bestünde und er zum Insolvenzantrag verpflichtet wäre. Bei 1 FG München v. 6.5.2008 – 6 K 4096/05; BMF, Schr. v. 24.8.2005 – IV B 2 - S 2176 65/05; GmbHR 2006, 560. 2 Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 6a Rz. 17. 3 Zu der Bemessungsgrundlage Aktivbezüge grundlegend BFH v. 13.11.1975 – IV R 170/ 73, BStBl. 1976 II, 142; zu der Berücksichtigung von Sozialversicherungsrenten; BFH v. 20.12.2006 – I R 29/06, BFH/NV 2007, 1350 = GmbHR 2007, 722. 4 Allgemein Rund, GmbHR 2009, 1149.
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Rz. 504 Teil 3
Altersversorgung
einem Gesellschafter-Geschäftsführer kann in der Krise der Gesellschaft nichts anderes gelten.
(2) Verzicht (a) Vollständiger Verzicht Ein noch weitergehender Schritt als der Rangrücktritt ist der Verzicht auf die Pensionszusage. Der BFH hat in einem obiter dictum in der Entscheidung vom 8. November 2000 zu dem Fall einer nicht mehr finanzierbaren Pensionszusage entschieden, dass ein Verzicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sei, wenn sich ein Fremdgeschäftsführer unter vergleichbaren Umständen nicht zu dem Verzicht bereit gefunden hätte1. Diese Gleichsetzung ist bedenklich. Der Fremdgeschäftsführer, dessen Pension durch den Pensionssicherungsverein im Insolvenzfall der Gesellschaft gesichert ist, wird sich selten zu einem Verzicht bereit finden. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist dagegen nicht über den Pensionssicherungsverein nach BetrAVG gesichert. Es besteht daher keine Vergleichbarkeit zu einem Fremdgeschäftsführer. Maßstab kann nur die wirtschaftliche Notwendigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers zum Verzicht sein. Eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer ohne den Verzicht Insolvenzantrag für die Gesellschaft stellen müsste oder der Verzicht für Sanierungszwecke notwendig ist.
502
Die Finanzverwaltung unterscheidet drei Fälle2:
503
– der Verzicht auf eine noch finanzierbare Pensionszusage des GesellschafterGeschäftsführers ist grundsätzlich als im Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen; mit der Folge, dass der Verzicht eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt; – sollte die Pensionszusage nicht (mehr) durch die Gesellschaft finanzierbar sein, ist der Verzicht dagegen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis, sondern durch den Betrieb der Gesellschaft veranlasst; der Verzicht stellt daher auch keine verdeckte Gewinnausschüttung dar; – dient der Verzicht der Vermeidung einer drohenden Überschuldung der Gesellschaft im insolvenzrechtlichen Sinne und steht der Verzicht im Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen (insbesondere Absenkung des Aktivgehaltes des Geschäftsführers), kann der Verzicht betrieblich oder durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein; Maßstab ist, ob sich ein Fremdgeschäftsführer in einer solchen Situation auf einen Verzicht einließe. Erfreulich an der Verwaltungsauffassung ist immerhin, dass ein Verzicht auf eine Pensionszusage, die durch die Gesellschaft sowieso nicht mehr zu finanzieren ist, nicht noch zusätzlich als verdeckte Gewinnausschüttung ausgelegt wird. 1 BFH v. 8.11.2000 – I R 70/99, BStBl. 2005 II, 653 unter 4.) b) cc) der Entscheidungsgründe. 2 LfSt Bayern, Verfügung v. 15.2.2007 – S 2742 - 26 St 31 N, DStR 2007, 993; teilweise schon OFD Hannover, Verfügung v. 15.12.2006 – S 2742 - 117 - StO 241, DStR 2007, 394 = GmbHR 2007, 224.
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504
Teil 3 Rz. 505
Typische Vertragsklauseln
505
Soll der Verzicht eine insolvenzrechtlichen Überschuldung vermeiden, kann Vergleichsmaßstab nicht ein Fremdgeschäftsführer sein (denn dieser würde wegen des Pensionssicherungsverein nicht verzichten), sondern allenfalls ein Geschäftsführer, dessen Pensionszusage nicht durch den Pensionssicherungsverein gesichert ist. Bei Sanierungsmaßnahmen sollte entgegen der restriktiven Auffassung der Finanzverwaltung grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Verzicht betrieblich veranlasst ist. Außer der „Rettung“ der Gesellschaft lässt sich keine Motivation für den Verzicht finden. Für die Praxis dürfte es allerdings ratsam sein, neben der Pensionszusage noch auf weitere Vergütungselemente (insbesondere das laufende Gehalt) teilweise zu verzichten.
506
Ist der Verzicht gesellschaftsrechtlich veranlasst, gilt nach Finanzverwaltung1: Die nach § 6a EStG gebildete Pensionsrückstellung ist in der Steuerbilanz erfolgswirksam aufzulösen. Der werthaltige Teil der Pensionszusage ist verdeckte Einlage. Der Wert der verdeckte Einlage ermittelt sich nicht nach § 6a EStG, sondern nach den allgemeinen Teilwertermittlungsgrundsätzen. Maßgeblich sind „im Zweifel“ die Wiederbeschaffungskosten; demnach der Betrag, den der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Verzichts hätte aufwenden müssen, um eine gleich hohe Pensionsanwartschaft gegen einen vergleichbaren Schuldner zu erwerben. In Höhe des Teilwertes liegt beim Gesellschafter-Geschäftsführer Zufluss von Arbeitslohn vor (und keine verdeckte Gewinnausschüttung). Die verdeckte Einlage führt zu nachträgliche Anschaffungskosten auf die GmbH-Anteile.
(b) Verzicht auf zukünftige Pensionsleistungen (future-service) 507
Zu Sanierungszwecken oder allgemein bei Unterdeckung einer auch rückversicherten Pensionszusage, bietet es sich an, dass die Pensionsberechtigten auf die weitere Pensionsanwartschaft verzichten und den gegenwärtigen Stand „einfrieren“ (Verzicht auf den „future service“). Die Finanzverwaltung nimmt einen Vermögenszufluss des Gesellschafter-Geschäftsführers (im Regelfall Lohnzahlung) sowie eine verdeckte Einlage an, wenn der Barwert der geänderten Pensionszusage geringer ist als der Barwert des erdienten Teils der bisherigen Zusage. Bei der Berechnung der Werte der geänderten Pensionsverpflichtung und des bis zum Änderungszeitpunkt erdienten Teils sind die gleichen rechnungsmäßigen Grundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zum Änderungszeitpunkt anzuwenden2.
508
Nach Finanzverwaltung gilt als erdienter Teil der bisherigen Versorgungszusage der Teil, der dem Verhältnis der „von einer Pensionszusage begleiteten Dauer des Dienstverhältnisses“ bis zum Trennungszeitpunkt einerseits und bis zu der in der Pensionszusage vorgesehenen festen Altersgrenze andererseits entspricht. Bei einem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer tritt an die Stelle der erstmaligen Erteilung der Pensionszusage der Beginn des Dienstverhältnisses3. 1 FinMin NRW, Erlass v. 17.12.2009 – S 2743 - 10 - V B 4, GmbHR 2010, 168. 2 OFD Karlsruhe, Verfügung v. 17.9.2010 – S 274.2/107-St 221, DB 2010, 2251; FinMin NRW, Erlass v. 17.12.2009 – S 2743 - 10 - V B 4, GmbHR 2010, 168. 3 OFD Karlsruhe, Verfügung v. 17.9.2010 – S 274.2/107-St 221, DB 2010, 2251; FinMin NRW, Erlass v. 17.12.2009 – S 2743 - 10 - V B 4, GmbHR 2010, 168.
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Rz. 512 Teil 3
Altersversorgung
Beispiel: Gesellschafter-Geschäftsführer tritt zum 1.1.2001 in die Gesellschaft ein. Zum 1.1.2005 erhält er eine Pensionszusage mit einem Anwartschaftszeitraum von 25 Jahren (bis 1.1.2030). Zum 1.1.2020 verzichtet der Gesellschafter-Geschäftsführer auf den „future service“. Der erdiente Teil betrifft den Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2019. Dieser erdiente Teil wird ins Verhältnis gesetzt zum Gesamtzeitraum – 1.1.2005 bis 1.1.2030. Es gilt demnach ein Verhältnis von 15 zu 25.
Das Schrifttum teilt die Auffassung der Finanzverwaltung nicht1. Die Auffassung der Finanzverwaltung widerspricht der ansonsten von Finanzverwaltung und Rechtsprechung auch vorgenommenen Unterscheidung zwischen dem erdienten und dem nicht erdienten Teil der Pensionsanwartschaft2. Sollte der Geschäftsführer während der Anwartschaftsphase versterben, erfolgt weder bei dem Gesellschafter-Geschäftsführer noch bei den Erben ein fiktiver Lohnzufluss noch kann bei Werthaltigkeit eine verdeckte Einlage angenommen werden3. Weshalb bei dem lebzeitigen Verzicht etwas anderes gelten soll, ist nicht ersichtlich.
509
hh) Auszahlung/Abfindung (1) Auszahlung Pensionsleistungen mit Eintritt des Versorgungsfalls sind Arbeitslohn, für die Lohnsteuer von der Gesellschaft einzubehalten und abzuführen ist. Bei der GmbH sind Pensionsleistungen Betriebsausgaben. Besteht eine Rückdeckungsversicherung sind Zahlungen der Versicherung Betriebseinnahmen. Das aktivierte Versicherungskapital ist jährlich abzuschreiben.
510
(2) Abfindung Bei Unternehmenskäufen besteht von Seiten des Erwerbers häufig das Interesse, Pensionslasten der Gesellschaft nicht mit zu übernehmen. Regelmäßig wird dann vereinbart, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer gegen Abfindung auf die Pensionszusage verzichtet, ggf. werden Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung an den Gesellschafter-Geschäftsführer abgetreten.
511
Aus Sicht des Gesellschafter-Geschäftsführers besteht das Interesse, dass der Zufluss der Pension durch eine Einmalzahlung begünstigt gemäß §§ 24, 34 EStG („Fünftelregelung“) besteuert wird. Entschädigungen gemäß § 24 Nr. 1a EStG liegen im Regelfall nur vor, wenn der Ausfall der Einnahmen von dritter Seite veranlasst ist. Dies liegt an sich nicht vor, wenn der Gesellschafter-Ge-
512
1 Keil/Prost, DB 2010, 868; Linden, DStR 2010, 582. 2 BMF, Schr. v. 26.10.2006 – IV B 2 - S 2144 - 57/06, BStBl. I, 709 zur Übertragung von Versorgungsverpflichtungen und Versorgungsanwartschaften auf Pensionsfonds; BFH v. 20.8.2003 – I R 99/02, GmbHR 2004, 261 – zur Frage der sofortigen Unverfallbarkeit bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis. 3 BFH v. 18.3.2009 – I R 63/08, BFH/NV 2008, 1841 – Leistungen an Witwe eines Geschäftsführers auf Lebenszeit als verdeckte Gewinnausschüttung, aber weder als fiktive Lohnzahlungen noch als verdeckte Einlage des Gesellschafter-Geschäftsführers zum Todeszeitpunkt.
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Teil 3 Rz. 513
Typische Vertragsklauseln
schäftsführer auf seinen Pensionsanspruch gegen Einmalzahlung verzichtet. Die Rechtsprechung lässt es trotzdem zu, dass auch in solchen Fällen eine „Entschädigung“ gemäß § 24 Nr. 1a EStG vorliegt, wenn der GesellschafterGeschäftsführer unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand1. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer könne damit rechnen, dass eine GmbH auch bei der Veräußerung der Gesellschaftsanteile ihren Pensionsverpflichtungen nachkomme, da die GmbH durch laufende Pensionszahlungen geringer in ihrer Liquidität belastet sei als durch eine Einmalzahlung. Verlangt aber der Erwerber im Rahmen der Kaufverhandlungen, dass die Pensionsverpflichtung abgefunden wird, handelt es sich nicht mehr um eine selbstbestimmte Entscheidung des Gesellschafter-Geschäftsführers. Bei Kaufvertragsverhandlungen ist dieser Zwang des Gesellschafter-Geschäftsführers genau zu dokumentieren, entweder in einem Letter of Intent, in einem Vorvertrag oder im Kaufvertrag selbst. 513
Es ist unschädlich, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer weiterhin für die GmbH tätig ist, z.B. im Rahmen eines Beratervertrages. Er darf nur das Geschäftsführeramt nicht faktisch weiterführen2
jj) Rechtsfolgen 514
Bei Gesellschafter-Geschäftsführer ist bei den Rechtsfolgen zu unterscheiden: Entspricht die Rückstellungsbildung nicht den Vorgaben von § 6a EStG, ist die Rückstellung in der Handels- und Steuerbilanz aufzulösen. Entspricht die Rückstellungsbildung den Voraussetzungen von § 6a EStG, liegt aber trotzdem eine verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde oder der Höhe nach vor, bleibt die gebildete Rückstellung bestehen. Die Zuführung(en) zu der Rückstellung, die zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, werden aber außerbilanziell dem zu versteuernden Einkommen der Gesellschaft wieder hinzugerechnet3.
kk) Formulierungsvorschlag 515
Pensionszusage (1) Die Gesellschaft gewährt dem Geschäftsführer eine Pensionszusage mit Leistungen der Alters-, Invaliditäts- sowie Hinterbliebenenversorgung. (ggf. Regelungen zur Rückdeckungsversicherung) (2) Die Pension beträgt (…) % der in den letzten drei Jahren gezahlten durchschnittlichen Festbezüge; variable Gehaltsbestandteile gemäß § (…) dieses Anstellungsvertrages werden mit dem Durchschnittswert der letzten fünf Jahre berücksichtigt. Die Pension verändert sich nach Eintritt des Versorgungsfalls im gleichen prozentualen Verhältnis wie die gesetzliche Angestelltenversicherungsrente.
1 BFH v. 10.4.2003 – XI R 4/02, BStBl. 2003 II, 748. 2 BFH v. 10.4.2003 – XI R 4/02, BStBl. 2003 II, 748. 3 Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 6a Rz. 17.
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Rz. 515 Teil 3
Altersversorgung
(3) Die Gesellschaft behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der Gesellschaft die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung ihrer Belange nicht mehr zugemutet werden kann. (4) Der Fall der vollen Berufsunfähigkeit ist gegeben, wenn der Geschäftsführer zu mehr als (…) % arbeitsunfähig ist. Die Berufsunfähigkeit ist auf Verlangen der Gesellschaft durch einen amtlich anerkannten Sachverständigen nachzuweisen. (5) Leistungen der Hinterbliebenenversorgung werden in folgender Reihenfolge gewährt: (a) der Ehegatte des Geschäftsführers zum Todeszeitpunkt, soweit der Geschäftsführer keinen Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe gestellt hat oder einem solchen Antrag des Ehegatten zugestimmt hat; (b) der Partner im Falle einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, soweit der Geschäftsführer keinen Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Lebenspartnerschaft gestellt hat oder einem solchen Antrag des Lebenspartners zugestimmt hat; (c) die leiblichen Kinder des Geschäftsführers i.S.d. § 32 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG bzw. einer vergleichbaren Folgeregelung. Eine vorhergehende Leistungsberechtigung schließt eine nachfolgende Leistungsberechtigung aus. Leistungen gemäß Buchstaben (c) sind auf Vollendung des 25. Lebensjahres eines jeden Kindes beschränkt. Leistungen gemäß Buchstaben (a) und (b) betragen (…) % der Pensionszusage an den Geschäftsführer. Leistungen nach Buchstaben (c) betragen (…) % je berücksichtigungsfähiges Kind, insgesamt höchstens (…) % der Pensionszusage an den Geschäftsführer; die Leistungen sind anteilig nach Köpfen zu verteilen. (6) Die Versorgungsansprüche können ohne vorherige Einwilligung durch die Gesellschaft weder wirksam abgetreten noch verpfändet werden.
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F. Wettbewerbsverbote I. Arbeitsrecht 516
Die Verschwiegenheitspflicht (auch die nachvertragliche) hindert den Mitarbeiter nicht daran, seine Kenntnisse und Fähigkeiten selbst zu verwerten oder für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu werden1. Hieran kann der Arbeitgeber jedoch unter Umständen großes Interesse haben. Für ein Unternehmen kann es nachteilig sein, wenn eine Führungskraft ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Konkurrenz einsetzt. Um dies zu vermeiden, finden sich im Gesetz für Arbeitnehmer und Organe ausdrücklich geregelte Wettbewerbsverbote für die Zeit des Bestandes des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses. Darüber hinaus ist auch die vertragliche Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes möglich. Durch ein Wettbewerbsverbot sollen die Interessen des Unternehmens geschützt werden. Da sie jedoch auf der anderen Seite das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers beeinträchtigen können, sind Wettbewerbsverbote nur in engen Grenzen möglich. Zu unterscheiden ist dabei zwischen dem Wettbewerbsverbot während des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses und dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot.
1. Wettbewerbsverbote während des Arbeits-/Dienstverhältnisses 517
Als Rechtsgrundlage für das Wettbewerbsverbot während eines Vertragsverhältnisses kommen gesetzliche Regelungen sowie vertragliche Vereinbarungen in Betracht.
a) Gesetzliche Rechtsgrundlagen 518
Während des Arbeits/Dienstverhältnisses ergibt sich bereits aus der Treuepflicht des Mitarbeiters ein Wettbewerbsverbot2. Die Verhaltenspflicht zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Vertragspartners ist in § 241 Abs. 2 BGB normiert3. Konkretisiert wird das Wettbewerbsverbot zudem durch den Rechtsgedanken des § 60 HGB für alle Arbeitnehmer und für den Vorstand einer AG durch § 88 AktG. Für den Geschäftsführer einer GmbH gibt es keine ausdrückliche Regelung. Für diesen ergibt sich das Wettbewerbsverbot unmittelbar aus der allgemeine Treuepflicht4.
519
Eine ausdrückliche gesetzliche Normierung des Wettbewerbsverbotes für Arbeitnehmer gibt es nur für den Handlungsgehilfen, also für den Arbeitnehmer in einem Handelsgewerbe zur Erfüllung kaufmännischer Dienste und damit nicht für alle Arbeitnehmer. § 60 HGB bestimmt, dass ein solcher ohne Einwil1 BAG v. 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, NZA 1994, 502. 2 BAG v. 20.9.2006 – 10 AZR 439/05, NZA 2007, 977; BAG v. 25.4.1991 – 2 AZR 624/90, NZA 1992, 212, 213. 3 BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694. 4 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 41 ff. m.w.N.; Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 78; Schaub/Schaub, § 57 Rz. 2; Brandmüller, Rz. 80, 118; Hoffmann/Liebs, Rz. 2050; Steinau-Steinrück/Hurek, S. 245; Jäger, DStR 1995, 724.
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Rz. 522 Teil 3
Wettbewerbsverbote
ligung des Prinzipals weder ein Handelsgewerbe betreiben noch im Handelszweig des Prinzipals Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen darf. Die partielle Regelung des § 60 HGB gilt als allgemeiner Rechtsgedanke nicht nur für den Handlungsgehilfen, sondern für alle Arbeitnehmer1. Abhängige Arbeit schließt grundsätzlich Konkurrenz gegenüber dem eigenen Arbeitgeber aus. Inhalt und Umfang des Wettbewerbsverbotes bestimmen sich anhand des Tätigkeitsbereiches des Arbeitgebers. § 60 HGB ist deshalb verfassungskonform dahingehend zu verstehen, dass bezüglich des Betreibens eines Handelsgewerbes gilt, dass dies nur dann verboten ist, wenn es sich um ein Handelsgewerbe im Geschäftszweig des Arbeitgebers handelt2. Verboten sind Tätigkeiten, die in Konkurrenz zum Arbeitgeber stehen könnten, also dessen gesamten Marktbereich betreffen3. Ausreichend ist eine abstrakte Konkurrenzsituation und Interessensgefährdung. Der Begriff „Geschäfte machen“ i.S.d. § 60 Abs. 1 HGB ist somit weiter auszulegen als jede auf Gewinn gerichtete Teilnahme am Geschäftsverkehr4. Hierunter fällt auch die Beteiligung an einer Konkurrenzgesellschaft, soweit dies nicht als reine Kapitalanlage zu verstehen ist, sondern aufgrund des Maßes der Beteiligung ein Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglicht wird5. Der Arbeitgeber ist auch dann geschützt, wenn er seinen Geschäftsbereich ändert oder erweitert.
520
Zu beachten ist, dass das Wettbewerbsverbot gemäß § 60 Abs. 2 HGB nicht für ein Handelsgewerbe gilt, welches der Arbeitnehmer bereits vor Anstellung ausübt und von dem der Arbeitgeber Kenntnis hat oder Kenntnis hätte haben müssen6. Dies darf der Arbeitnehmer weiterhin betreiben, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wird; es wird unwiderleglich die Einwilligung des Arbeitgebers vermutet. Auch dieser Rechtsgedanke gilt für alle Arbeitnehmer, nicht nur für Handlungsgehilfen.
521
b) Vertragliche Wettbewerbsverbote Das Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB kann vertraglich sowohl eingeschränkt als auch erweitert werden7. Die Erweiterung des Wettbewerbsverbotes kommt mit Rücksicht auf den Verfassungsrang der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 GG) nur in engen Grenzen in Betracht8. Denkbar ist beispielsweise eine Ausweitung auf Konzernunternehmen des Arbeitgebers9. Die (erweiternde) Vereinbarung eines vertraglichen Wettbewerbsverbotes ist möglich, soweit 1 ErfK/Oetker, § 60 HGB Rz. 2; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605. 2 BAG v. 25.5.1970 – 3 AZR 384/69, NJW 1970, 1941; ErfK/Oetker, § 60 HGB Rz. 4. 3 Einschränkend in Bezug auf Hilfs- und Nebentätigkeiten, die allenfalls zu einer untergeordneten wirtschaftlichen Unterstützung des Konkurrenten führen können: BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694. 4 BAG v. 15.2.1962 – 5 AZR 79/61, NJW 1962, 1365, 1366. 5 BGH v. 17.2.1997 – II ZR 278/96, BB 1997, 1913 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 41; Brandmüller, Rz. 80; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1606. 6 Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1607. 7 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 44. 8 Baumbach/Hopt/Hopt, HGB § 60 Rz. 1; Schaub, ArbR A-Z, Wettbewerbsverbot 1. 9 Jedenfalls für den GmbH-GF nehmen Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack allerdings ohnehin eine Einbeziehung anderer Konzernunternehmen an, § 35 Rz. 45.
C. Liebscher
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Teil 3 Rz. 523
Typische Vertragsklauseln
das Verbot schützenswerten Interessen des Arbeitgebers dient und der Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt wird. Im Zweifel empfiehlt es sich daher, eine Vereinbarung zu Wettbewerbsbeschränkungen restriktiv zu formulieren. Ist die Vereinbarung jedoch unwirksam, tritt an deren Stelle das Wettbewerbsverbot aus der allgemeinen Treuepflicht oder Gesetz.
c) Einwilligungen/Widerrufe 523
§ 60 HGB sieht ausdrücklich vor, dass der Arbeitnehmer durch die Einwilligung des Arbeitgebers von seinem Wettbewerbsverbot befreit werden kann. Für ein Gewerbe, das der Arbeitnehmer bereits bei Vertragsbeginn in Kenntnis des Arbeitgebers betreibt, gilt diese Einwilligung sogar als erteilt, wenn der Arbeitgeber nicht aktiv widerspricht (§ 60 Abs. 2 HGB). Eine einmal erteilte Einwilligung kann grundsätzlich nur dann widerrufen werden, wenn sich der Arbeitgeber den Widerruf vorbehalten hat1. Wurde dies bei Einwilligung versäumt, kann der Arbeitgeber nur noch mittels Änderungskündigung die Aufgabe der Tätigkeit des Arbeitnehmers bewirken2. Hat sich der Arbeitgeber den Widerruf vorbehalten, so muss dessen Ausübung zusätzlich billigem Ermessen (§ 315 BGB) entsprechen.
2. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Arbeitnehmer a) Grundsätze für Arbeitnehmer-Wettbewerbsverbote 524
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Wettbewerb zu unterlassen, solange dies nicht ausnahmsweise sittenwidrig oder rechtswidrig ist (§§ 8, 3 UWG, §§ 823 Abs. 1, 826 BGB)3. Dies entspricht dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit. Jedoch kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot in den engen Grenzen der §§ 74 ff. HGB vertraglich vereinbart werden. Auch diese Vorschriften gelten nicht nur für den Handlungsgehilfen, sondern für alle Arbeitnehmer (§§ 110, 6 GewO)4. Demnach ist ein Wettbewerbsverbot nur insoweit verbindlich, als es dem berechtigten geschäftlichen Interesse des Unternehmens dient und unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Mitarbeiters darstellt (§ 74a HGB, Rz. 530 ff.). Das Wettbewerbsverbot kann längstens für eine Dauer von zwei Jahren vereinbart werden (§ 74a Abs. 1 Satz 3 HGB, Rz. 540 f.) und muss vorsehen, dass der Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung in Höhe von wenigstens 50 % seiner zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erhält (§ 74 Abs. 2 HGB, Rz. 542 ff.). Zu beachten ist ferner die besondere Schriftform des § 74 HGB (Rz. 526 ff.).
525
Eine Wettbewerbsverbotsvereinbarung, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist entweder nichtig (Rz. 550) oder unverbindlich (Rz. 551). 1 Schaub/Schaub, § 57 Rz. 13. 2 MüKo/von Hoyningen/Huene, § 60 HGB Rz. 25. 3 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200, 201; Schaub, § 58 Rz. 1; SteinauSteinrück/Hurek, S. 108. 4 So bereits BAG v. 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, AP § 74 HGB Nr. 18; nun ordnet § 110 GewO die entsprechende Anwendung ausdrücklich an, vgl. ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 2.
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C. Liebscher
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Rz. 531 Teil 3
Wettbewerbsverbote
b) Formelle Anforderungen an das Wettbewerbsverbot Die Wettbewerbsverbotsvereinbarung bedarf der Schriftform und Aushändigung einer durch den Arbeitgeber unterzeichneten Urkunde an den Arbeitnehmer, § 74 Abs. 1 HGB (doppelte Formvorschrift). Aufgrund dieser gesetzlichen Schriftform ist es nach § 126 Abs. 2 BGB erforderlich, dass beide Vertragsparteien auf der gleichen Urkunde unterschreiben oder zumindest zwei gleich lautende Urkunden vorhanden sind, die jeweils von der anderen Vertragspartei unterzeichnet wurden. Es bedarf allerdings keiner separaten Urkunde neben dem Arbeitsvertrag. Die elektronische Form ist unzureichend.
526
Wird das Wettbewerbsverbot in einer gesonderten Urkunde schriftlich fixiert, so ist die (beidseitige bzw. jeweilige) Unterschrift hierauf erforderlich. Eine Verweisung im Arbeitsvertrag genügt nicht. Allenfalls, wenn das Wettbewerbsverbot mit dem Arbeitsvertrag eine einheitliche Urkunde bildet und im Vertragstext auf das Wettbewerbsverbot verwiesen wird, können die Unterschriften unter dem Arbeitsvertrag ausreichen1. Die Übersendung eines bloßen Bestätigungsschreibens ist nicht ausreichend.
527
Vorsicht geboten ist bei befristeten Verträgen: Mit Ablauf der Frist endet zunächst auch das darin enthaltene Wettbewerbsverbot. Wird daraufhin das Arbeitsverhältnis ohne schriftliche Fixierung fortgeführt, scheidet ein Wettbewerbsverbot mangels Schriftform aus2.
528
Da das Wettbewerbsverbot bei fehlerhafter Schriftform nichtig ist, empfiehlt es sich, das Wettbewerbsverbot in doppelter Ausführung schriftlich zu fixieren, jeweils von Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschreiben zu lassen und dem Arbeitnehmer dann eine Urkunde auszuhändigen und ihn diese Aushändigung schriftlich bestätigen zu lassen. Bei unterlassener Aushändigung der Urkunde kann sich lediglich der Arbeitgeber nicht auf das Wettbewerbsverbot berufen, wohl aber der Arbeitnehmer3. Seitens des Arbeitgebers ist insbesondere darauf zu achten, dass eine ordnungsgemäße Vertretung vorliegt.
529
c) Inhaltliche Anforderungen an das Wettbewerbsverbot Das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an einem Wettbewerbsverbot ergibt sich grundsätzlich daraus, dass dem Arbeitgeber geschäftlich Nachteile entstehen können, wenn der Arbeitnehmer seine bei ihm erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten für ein Konkurrenzunternehmen einsetzt. Es muss jedoch jeweils geprüft werden, ob dieses berechtigte Interesse des Arbeitgebers für den vereinbarten Umfang des Wettbewerbsverbotes tatsächlich vorliegt (§ 74a Abs. 1 Satz 1 HGB). Fehlt das schützenswerte geschäftliche Interesse des Arbeitgebers, ist das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich (Rz. 555 ff.).
530
Das berechtigte Interesse muss im Hinblick auf den zeitlichen, örtlichen und gegenständlichen Geltungsbereich des Wettbewerbsverbotes vorliegen und
531
1 BAG v. 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, NZA 1985, 429. 2 LAG Hamm v. 14.7.2007 – 14 Sa 141/07, BeckRS 2009, 59250; Hunold, NZA-RR 2007, 617. 3 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411.
C. Liebscher
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Teil 3 Rz. 532
Typische Vertragsklauseln
sich aus den Nachteilen ergeben, die der Arbeitgeber dadurch erleidet, dass sein Mitarbeiter die Fähigkeiten und Kenntnisse, die er während des Arbeitsverhältnisses erworben hat, für einen Wettbewerber einsetzt1. Das berechtige Interesse des Arbeitgebers setzt daher voraus, dass die Tätigkeit, die verboten werden soll und die bisherige Tätigkeit in einem Zusammenhang stehen. Der Nachteil des Arbeitgebers kann also nicht allein darin bestehen, dass ein guter Mitarbeiter für seine Mitbewerber tätig wird2. Wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers bereits mit einer Kundenschutzklausel gewahrt werden kann, liegt für ein darüber hinaus gehendes Wettbewerbsverbot kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vor3. Das berechtigte Interesse muss zu dem Zeitpunkt (noch) bestehen, an dem das Wettbewerbsverbot geltend gemacht wird4. 532
Wird ein berechtigtes Interesse des Unternehmens für die den vereinbarten Umfang des Wettbewerbsverbots bejaht, ist zudem jeweils zu prüfen, ob der Mitarbeiter hierdurch nicht unangemessen in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt wird (§ 74 Abs. 1 Satz 2 HGB). Auch dies kann sich aus dem örtlichen, zeitlichen oder gegenständlichen Geltungsbereich ergeben und ist abhängig von den besonderen Umständen des Einzelfalles5. Hierbei können beispielsweise die betreffende Branche, das Alter des Arbeitnehmers, seine Qualifikation oder sonstige Besonderheiten eine Rolle spielen6. Es besteht eine Wechselwirkung mit der vereinbarten Entschädigung. Eine großzügige Entschädigung wird eine weitergehende örtliche, zeitliche und gegenständliche Einschränkung der Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers rechtfertigen können7. Entscheidend ist die Beurteilung zu dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer die Konkurrenztätigkeit aufnehmen möchte8.
d) AGB-Kontrolle 533
Wird das Wettbewerbsverbot formularmäßig vereinbart, so findet eine AGBKontrolle statt. Da Wettbewerbsverbote im Arbeitsrecht nicht unüblich sind, ist eine entsprechende Klausel – erst Recht für Führungskräfte – grundsätzlich nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB9. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Besonderheiten der Vertragsgestaltung nicht mit der Klausel rechnen muss, etwa, weil das Wettbewerbsverbot unter einer allgemeinen Überschrift oder zwischen anderen Klauseln „versteckt“
1 BAG v. 24.6.1966 – 3 AZR 501/65, RdA 1966, 395; Bauer/Diller, Rz. 196. 2 BAG v. 24.6.1966 – 3 AZR 501/6, AP § 74a HGB Nr. 2; BAG 1.8.1995 – 9 AZR 884/93, NJW 1996, 1364; ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 2; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1611. 3 OLG Hamm v. 11.1.1988 – 8 U 142/87, ZIP 1988, 1254, 1255; vgl. Heller, GmbHR 2000, 372 f. 4 BAG v. 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, BB 1966, 496 ff.; ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 2. 5 ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 3. 6 Bauer/Diller, Rz. 227 f. 7 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NJW 2010, 2378 f. 8 ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 3. 9 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, ZIP 2005, 1983 f. m.w.N.; Bauer/Diller, NJW 2002, 1609 (1613 f.); Diller, NZA 2005, 250, 251.
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Rz. 536 Teil 3
Wettbewerbsverbote
ist1. Ein Wettbewerbsverbot sollte daher immer unter einer separaten Überschrift stehen. Zudem ist auf Transparenz und Klarheit in der Formulierung zu achten, da ansonsten Unwirksamkeit droht (§§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, 305c Abs. 2 BGB). Eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 kommt aufgrund der eigenständigen Regelung in § 74a HGB nicht in Betracht2. Zur geltungserhaltenden Reduktion s. Rz. 555 ff.
e) Inhalte von Wettbewerbsverboten aa) Tätigkeits- und unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbote Es ist zwischen tätigkeits- und unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten zu unterscheiden; beide sind grundsätzlich zulässig. Im Rahmen eines tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbotes sind lediglich solche Tätigkeiten untersagt, die der Arbeitnehmer in seiner früheren Position auch tatsächlich ausgeführt hat. Das Interesse des Arbeitgebers zielt also darauf ab, dem Arbeitnehmer eine bestimmte Tätigkeit bei einem Konkurrenzunternehmen zu verbieten. Der Arbeitgeber hat in der Regel kein schützenswertes Interesse daran, dass der Arbeitnehmer überhaupt keine Tätigkeit in einem anderen Unternehmen aufnimmt, wenn diese Tätigkeit nicht mit der bisherigen in Zusammenhang steht. Das Risiko eines tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbotes besteht für den Arbeitgeber jedoch darin, dass dessen Überwachung praktisch schwer durchführbar ist, da er wenig Einblick in den späteren Tätigkeitsbereich des Arbeitnehmers haben wird. Des Weiteren können sich bei einem tätigkeitsbezogenen Wettbewerbsverbot dann Schwierigkeiten ergeben, wenn der Arbeitnehmer erst im Laufe seines neuen Arbeitsverhältnisses mit neuen Aufgaben betraut wird, die nunmehr in den Bereich des Wettbewerbsverbotes fallen.
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In der Praxis leichter umzusetzen sind deshalb unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote, die die Tätigkeit für namentlich aufgezählte oder branchendefinierte Unternehmen verbieten. Damit wird dem Mitarbeiter auch eine Tätigkeit in einem Konkurrenzunternehmen untersagt, die nicht seiner vorherigen Tätigkeit entspricht.
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Solche unternehmensbezogenen Wettbewerbsverbote sind nicht per se unzulässig3. Gerade bei Führungskräften hat der Arbeitgeber häufig ein Interesse daran, dass ein ausscheidender Mitarbeiter überhaupt nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig wird. Führungskräfte haben nämlich in der Regel einen Einblick in große Bereiche des Unternehmens und können ihre Kenntnisse im neuen Unternehmen auf verschiedenste Weise verwerten. Daher kann insbesondere bei Führungskräften das berechtigte Interesse des Arbeitgebers auch für ein unternehmensbezogenes Wettbewerbsverbot gegeben sein4. Da diese Art des Wettbewerbsverbotes jedoch jede Tätigkeit in den betreffenden Unternehmen um-
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1 LAG Hamm v. 10.9.2004 – 7 Sa 918/04, BeckRS 2005, 43594; Bauer/Diller, Rz. 41a; Diller, NZA 2005, 250, 251. 2 LAG Baden-Württemberg v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508; LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513. 3 ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 10. 4 Bauer/Diller, Rz. 204; Moll/Moll/Groby, § 77 Rz. 53.
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Teil 3 Rz. 537
Typische Vertragsklauseln
fasst, kann es eher als ein tätigkeitsbezogenes Wettbewerbsverbot dazu führen, dass das berechtigen Interesse des Arbeitgebers fehlt, da das Wettbewerbsverbot in seiner Wirkung einem bundesweiten Berufsverbot für den Mitarbeiter gleichkäme. Das Fortkommen des Arbeitnehmers darf nicht unbillig erschwert werden (§ 74a Abs. 1 HGB). Es bedarf also einer Abwägung der wechselseitigen Interessen.
bb) Einbeziehung sonstiger Beteiligungen und Tätigkeiten 537
Bei der Formulierung des Wettbewerbsverbotes muss darauf geachtet werden, dass jede Art von Wettbewerb, die verboten werden soll, auch umfasst ist. Das Wettbewerbsverbot sollte demnach ausdrücklich selbständige und unselbständige, unmittelbare und mittelbare Tätigkeiten sowie die unmittelbare und mittelbare Beteiligung umfassen. Nur so ist gewährleistet, dass auch die freie Mitarbeit, Beratertätigkeit, Tätigkeit für Drittunternehmen, die ihrerseits für die Konkurrenz tätig sind und die finanzielle Beteiligung an einem Unternehmen mit umfasst sind1. Soweit allerdings auch der Erwerb von Gesellschaftsanteilen als Finanzanlage verboten wird, ist dies nicht mehr vom berechtigten Interesse des Arbeitgebers umfasst, wenn die Beteiligung keine Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ermöglicht2. Entsprechend sollte dies in der Formulierung des Wettbewerbsverbots ausdrücklich berücksichtig werden.
cc) Einbeziehung von verbundenen Unternehmen 538
Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich grundsätzlich nicht auf Konzernunternehmen des bisherigen Arbeitgebers; der Konkurrenzschutz kann deshalb ohne ausdrückliche Regelung nicht konzernweit (beispielsweise auf Konkurrenten einer Tochtergesellschaft) verstanden werden. Das Wettbewerbsverbot kann aber durch ausdrückliche Vereinbarung auf Konzernunternehmen ausgeweitet werden3. Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers hieran kann allerdings nur bestehen, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit überhaupt Kenntnis von Angelegenheiten des mit dem Arbeitgeber in Konzernzusammenhang stehenden Unternehmens erlangt hat oder erlangen konnte4. Im Bereich der konzernbezogenen nachvertraglichen Wettbewerbsverbote fehlt es allerdings noch an höchstrichterlicher Rechtsprechung.
dd) Räumlicher Geltungsbereich 539
Ferner ist zu regeln, für welchen räumlichen Bereich das Wettbewerbsverbot gelten soll. Ist hierzu nichts ausdrücklich vereinbart, wird von einem weltwei-
1 Ausführlich: Bauer/Diller, Rz. 188 ff. 2 BGH v. 17.2.1997 – II ZR 278/96, BB 1997, 1913 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 41; Brandmüller, Rz. 80; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1606. 3 LAG Berlin v. 17.4.1998 – 6 Sa 4/98, BeckRS 1998, 30455141; Bauer/Diller, Rz. 130, 205; Moll/Reinfeld, § 30 Rz. 34. 4 Bauer/Diller, Rz. 131 ff.
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Rz. 542 Teil 3
Wettbewerbsverbote
ten Wettbewerbsverbot ausgegangen1. Für ein weltweites Wettbewerbsverbot dürfte das berechtigte Interesse des Arbeitgebers wohl nur ausnahmsweise zu bejahen sein2. Für Märkte, auf denen das Unternehmen nicht tätig ist, kann kein berechtigtes Interesse an einem diesbezüglichen Wettbewerbsverbot bestehen3. Jedenfalls wird ein weltweites Wettbewerbsverbot den Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen, so dass es sich empfiehlt, das Wettbewerbsverbot auf einen bestimmten räumlichen Bereich zu beschränken. Soweit ein Unternehmen deutschlandweit tätig ist, ist aber – insbesondere bei Führungskräften – ein deutschlandweites Wettbewerbsverbot möglich und angebracht4.
ee) Zeitlicher Geltungsbereich Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kann maximal für zwei Jahre ab Beendigung des Dienstverhältnisses vereinbart werden (§ 74a Abs. 1 Satz 3 HGB); es kann zunächst nicht verlängert werden. Auch wenn der Mitarbeiter vorerst ohnehin nicht für die Konkurrenz tätig werden möchte, endet das Wettbewerbsverbot spätestens mit Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Erst nach Ende der zwei Jahre kann das Wettbewerbsverbot verlängert werden. Dabei handelt es sich dann allerdings nicht mehr um eine Vereinbarung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so dass die Regelungen des §§ 74 ff. HGB keine Anwendung mehr finden und die Wirksamkeit der neuen Vereinbarung an §§ 138, 242 BGB zu messen ist5.
540
Die in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB normierte Geltungsdauer von zwei Jahren stellt eine absolute Obergrenze dar. Es ist deshalb jeweils darauf abzustellen, ob im Einzelfall an dem Wettbewerbsverbot für den vereinbarten Zeitraum ein berechtigtes Interesse des Unternehmens besteht und ob eine unangemessene Benachteiligung des Mitarbeiters vorliegt. In einigen Branchen wird das berufliche Fortkommen bereits dann erheblich erschwert, wenn der Mitarbeiter nur für kurze Zeit, also auch für einen Zeitraum unter zwei Jahren, nicht aktiv in seinem Beruf tätig sein kann (bspw. Technologie-Branchen). Hier kann auch ein relativ kurz dauerndes Wettbewerbsverbot den Mitarbeiter bereits unbillig in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigen6.
541
ff) Karenzentschädigung (1) Verpflichtung zur Entschädigung Zwingend erforderlich für die Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbotes ist die Vereinbarung einer Karenzentschädigung. Diese muss gem. § 74 Abs. 2 HGB 1 Bauer/Diller, Rz. 135; Heller, GmbHR 2000, 371 f.; Manger, GmbHR 2001, 89, 91; für eine deutschlandweite Geltung spricht sich Hümmerich/Reufels/Borgmann, S. 1055, Rz. 3559 aus. 2 Bauer/Diller, Rz. 213; Moll/Reinfeld, § 30 Rz. 31; Manger, GmbHR 2001, 89, 91. 3 OLG Düsseldorf v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 889; Heller, GmbHR 2000, 371 f. 4 Bauer/Diller, Rz. 135. 5 Schaub/Schaub, § 57 Rz. 43; Bauer/Diller, Rz. 51. 6 ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 4.
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Teil 3 Rz. 543
Typische Vertragsklauseln
für jedes Jahr wenigstens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertraglichen Leistungen betragen. Zu den vertraglich bezogenen Leistungen gehört nicht nur das Grundgehalt, sondern sämtliche Geld- und Sachleistungen wie Provisionen, Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligungen1, Boni, Aktienoptionen sowie das Zurverfügungstellen eines Dienstwagens2 (wenn dieser auch privat genutzt werden darf). Eine Beschränkung der Karenzentschädigungsverpflichtung auf das zuletzt gezahlte monatliche Gehalt – wie oftmals fälschlicherweise in Verträgen formuliert wird – ist daher unzulässig3, weil so die Mindestentschädigung unterschritten werden könnte. Bei wechselnden Bezügen (gemeint sind nur die variablen Vergütungsbestandteile)4 berechnet sich die Mindestentschädigung aus dem Durchschnitt der Bezüge der letzten drei Jahre (§ 74b Abs. 2 HGB), wobei nicht Kalenderjahre, sondern die letzten 36 Monate gemeint sind. 543
Grundsätzlich ist die Karenzentschädigung monatlich zu bezahlen (§ 74b Abs. 1 HGB). Möglich ist aber auch die Auszahlung in einem Betrag am Anfang der Karenzzeit5. Ist eine Einmalzahlung vereinbart, so kann dies ggf. dahingehend auszulegen sein, dass eine Anrechnung von anderweitigen Einkünften (vgl. Rz. 545 ff.) nicht erfolgen soll6. Es empfiehlt sich daher eine ausdrückliche Regelung, ob eine Anrechnung erfolgen soll. Eine Einmalzahlung hat für den Arbeitgeber zudem weitere Nachteile: Selbst wenn eine Anrechnung vereinbart wird, ist die Durchsetzung für den Arbeitgeber schwieriger, weil er den anzurechnenden Betrag zurückfordern müsste, anstatt die Karenzentschädigung direkt entsprechend zu kürzen. Ferner wird der Arbeitnehmer bei monatlicher Zahlung geneigter sein, das Wettbewerbsverbot tatsächlich einzuhalten.
544
Wird eine zu geringe Karenzentschädigung zugesagt, ist das Wettbewerbsverbot unverbindlich, der Arbeitnehmer kann also entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot halten möchte oder nicht (vgl. Rz. 551 ff.). Um dies zu vermeiden, kann in der vertraglichen Formulierung bezüglich der Höhe der Karenzentschädigung auf die Regelung des § 74 Abs. 2 HGB verwiesen werden. Dies wird in der Rechtsprechung als ausreichend angesehen7 und ist in Anbetracht der komplexen Berechnung der Karenzentschädigung sinnvoll, um eine ausreichende Entschädigungszusage zu gewährleisten.
(2) Anrechnung anderweitiger Einkünfte 545
Soweit der Mitarbeiter während der Karenz anderweitige Einkünfte erzielt und dadurch die Summe der Einkünfte und der Karenzentschädigung das frühere Einkommen um 10 % übersteigen, muss sich der Mitarbeiter die anderweitigen Einkünfte auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen (§ 74c Abs. 1 1 2 3 4 5 6
BAG v. 9.1.1990 – 3 AZR 110/88, NZA 1990, 519. ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 15, § 74b Rz. 3. ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 15; BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, NJW 2009, 2395 f. BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, NJW 2009, 2395, 2397. BAG v. 5.8.1968 – 3 AZR 128/67, AP § 74 HGB Nr. 24; ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz. 1. LAG Hamm v. 19.2.1992 – 15 Sa 1728/91, BB 1992, 1856; BAG v. 5.8.1968 – 3 AZR 128/67, AP § 74 HGB Nr. 24; restriktiv: Moll/Moll, § 30 Rz. 108. 7 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NJW 2006, 3659; BAG v. 14.8.1975 – 3 AZR 333/74, AP § 74 HGB Nr. 35.
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Rz. 547 Teil 3
Wettbewerbsverbote
Satz 1 HGB). Musste der Mitarbeiter aufgrund des Wettbewerbsverbots seinen Wohnsitz verlegen, erfolgt eine Anrechnung erst ab einer Überschreitung von 25 % (§ 74c Abs. 1 Satz 2 HGB). Die Verlegung des Wohnsitzes muss allerdings tatsächlich auf dem Wettbewerbsverbot beruhen1. Hätte der Arbeitnehmer beispielsweise auch ohne das Wettbewerbsverbot an seinem bisherigen Wohnort keine neue Anstellung finden können, so fehlt es an der Kausalität und die Anrechnungsgrenze bleibt bei 110 % des früheren Einkommens2. Anzurechnen sind auch Einkünfte aus Nebentätigkeiten, soweit der Mitarbeiter diese Nebentätigkeit nicht bereits während seiner früheren Tätigkeit ausgeübt hat3. Nicht angerechnet werden ersparte Aufwendungen4, also beispielsweise ersparte Kosten für den Weg zur Arbeitstelle.
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Eine Anrechnung erfolgt nicht nur, wenn der Mitarbeiter die anderweitigen Einkünfte tatsächlich erzielt, sondern auch, wenn er sie böswillig nicht erzielt (§ 74c Abs. 1 HGB). Ist es dem Arbeitnehmer also möglich, einer Tätigkeit außerhalb des Wettbewerbsverbotes nachzugehen, so wird ihm das angerechnet, was er dadurch als Vergütung erhalten würde, unabhängig davon, ob er die Tätigkeit tatsächlich aufnimmt und Einkünfte erzielt. Böswillig handelt derjenige, der eine ihm nach den Umständen des Einzelfalls zumutbare Tätigkeit ablehnt. Eine Anrechnung findet aber nicht statt, wenn der Arbeitnehmer sich bei der Wahl seines weiteren beruflichen Werdeganges redlich verhält5, also den Arbeitgeber nicht bewusst schädigt6. Der Arbeitnehmer darf frei entscheiden, ob er selbständig oder unselbständig tätig sein will, auch wenn eine Selbständigkeit weniger Einkünfte generiert7. Auch die Aufnahme eines Studiums – selbst eines fachfremden – ist unschädlich8. Des Weiteren darf die Führungskraft auch eine geringer vergütete Stelle annehmen, soweit dies nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt9. Sie muss auch ein Angebot des bisherigen Arbeitgebers, weiter für ihn tätig zu bleiben, nicht annehmen10.
547
1 BAG v. 8.11.1994 – 9 AZR 4/93, NZA 1995, 631; BAG v. 10.9.1985 – 3 AZR 31/84, NZA 1986, 329; BAG v. 23.2.1982 – 3 AZR 676/79, AP § 74c HGB NR. 9; BAG v. 17.12.1973 – 3 AZR 283/73, NJW 1974, 767; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1614. 2 Schaub/Schaub, § 57 Rz. 84. 3 ErfK/Oetker, § 74c HGB Rz. 1 f. 4 ErfK/Oetker, § 74c HGB Rz. 2. 5 BAG v. 23.1.1967 – 3 AZR 253/66, NJW 1967, 1341, 1342; ErfK/Oetker, § 74c HGB Rz. 5. 6 Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1614. 7 BAG v. 13.11.1975 – 3 AZR 38/75, AP § 74c HGB Nr. 7; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1614. 8 BAG v. 13.2.1996 – 9 AZR 931/94, NJW 1996, 2677; ErfK/Oetker, § 74c HGB Rz. 5; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1614. 9 BAG v. 13.11.1975 – 3 AZR 38/75, AP § 74c HGB Nr. 7; BAG v. 18.11.1967 – 3 AZR 471/66, NJW 1968, 767; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1614. 10 BAG v. 3.7.1990 – 3 AZR 96/89, NZA 1990, 308; BAG v. 18.10.1976 – 3 AZR 376/75, NJW 1977, 775; ErfK/Oetker, § 74c HGB Rz. 5.
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Teil 3 Rz. 548
Typische Vertragsklauseln
(3) Auskunftspflicht 548
Um den Anspruch auf Anrechnung durchsetzen zu können, hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Auskunft über erzielte Einkünfte und entsprechenden Nachweis hierüber gegen den ehemaligen Arbeitnehmer (§ 74c Abs. 2 HGB). Grundsätzlich hat dieser ihm auf Aufforderung Mitteilung über seine Auskünfte zu machen. Es kann jedoch auch von vorneherein vereinbart werden, dass der Mitarbeiter auch ohne Aufforderung regelmäßig informieren muss.
f) Folgen bei Rechtsmängeln 549
Fehlt es an einer der Voraussetzungen für ein wirksames Wettbewerbsverbot, kann es, je nach dem welche Voraussetzungen fehlen, nichtig (Rz. 550) oder unverbindlich (Rz. 551 ff.) bzw. partiell unverbindlich sein. Unter Umständen kommt eine geltungserhaltende Reduktion (Rz. 555 ff.) in Betracht. Aus einem nichtigen Wettbewerbsverbot kann keine Vertragspartei Rechte herleiten. Auf ein unverbindliches Wettbewerbsverbot kann sich der Arbeitgeber nicht berufen (§ 75d HGB). Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall hingegen die Wahl: Er kann sich entweder an das Wettbewerbsverbot halten und die Karenzentschädigung kassieren oder auf die Entschädigung verzichten und Wettbewerb betreiben.
aa) Nichtigkeit 550
Die Nichtigkeitsgründe sind in §§ 74 ff. HGB aufgeführt. Nichtig ist v.a. ein Wettbewerbsverbot, das nicht der gesetzlichen Schriftform (§§ 74 Abs. 1 HGB, 126 Abs. 2 BGB) entspricht. Fehlt es lediglich an der (rechtzeitigen) Aushändigung der Urkunde, ist das Wettbewerbsverbot nur unverbindlich1. Die Aushändigung einer Urkunde ist nämlich keine gesetzliche Form; ihr Fehlen löst deshalb nicht die Rechtsfolge des § 125 BGB aus2. Ferner ist ein bedeutender Fall der Nichtigkeit, wenn eine Karenzentschädigung überhaupt nicht vereinbart wurde (also nicht lediglich eine zu geringe)3.
bb) Unverbindlichkeit 551
Bei Fehlen anderer Voraussetzungen ist das Wettbewerbsverbot in der Regel nicht nichtig, sondern lediglich unverbindlich4. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer ein Wahlrecht hat, ob er sich an das Verbot halten und eine Karenzentschädigung beanspruchen will, oder ob er sich unter Verzicht auf die Entschädigung nicht an das Wettbewerbsverbot halten möchte. Dieses Wahrecht muss er zu Beginn des Zeitraumes, für den das Wettbewerbsverbot gelten soll, (ggf. auch konkludent) ausüben5. Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer unter 1 LAG Nürnberg v. 21.7.1994 – 5 Sa 391/94, NZA 1995, 532; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 14. 2 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NJW 2005, 2732. 3 BAG v. 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, BB 1994, 2282; BAG v. 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, NZA 1986, 828; BAG v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626. 4 BAG v. 2.5.1970 – 3 AZR 134/69, NJW 1971, 74. 5 BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, NZA 1991, 263; BAG v. 24.4.1980 – 3 AZR 1047/77, NJW 1980, 2429.
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Rz. 553 Teil 3
Wettbewerbsverbote
Fristsetzung auffordern, das Wahlrecht auszuüben. Teilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber während dieser Frist seine Entscheidung nicht mit, kann dann der Arbeitgeber seinerseits das Wahlrecht ausüben (Rechtsgedanke des § 264 Abs. 1 BGB)1. Das Wettbewerbsverbot ist insbesondere dann (insoweit, vgl. Rz. 555) unverbindlich, wenn es an einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers fehlt. Für die Beurteilung des berechtigten Interesses kommt es auf den Zeitpunkt der Geltendmachung des Wettbewerbsverbots an2. So wird ein Wettbewerbsverbot beispielsweise unverbindlich, wenn das berechtigte Interesse des Arbeitgebers zwischen Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes und Ende des Arbeitsverhältnisses entfällt. In diesem Fall kann sich der Arbeitnehmer also entscheiden, ob er sich an das Wettbewerbsverbot halten möchte oder nicht. Der Arbeitgeber kann sich hingegen auf das fehlende berechtigte Interesse nicht berufen, um einer Karenzentschädigungspflicht zu entgehen. Ihm bleibt bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses lediglich die Möglichkeit des Verzichts (dazu Rz. 563 f.).
552
Unverbindlich ist auch ein bedingtes Wettbewerbsverbot3. Unter einem bedingten Wettbewerbsverbot versteht man eine Vereinbarung, nach der der Arbeitnehmer nicht ohne Weiteres erkennen kann, ob er sich an das Wettbewerbsverbot wird halten müssen4. Der Arbeitgeber kann also der Entschädigungszahlung nicht dadurch entgehen, indem er beispielsweise vereinbart, dass das Wettbewerbsverbot nicht gilt, wenn kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegt oder dass die Entscheidung, ob das Wettbewerbsverbot gelten soll, seiner Entscheidung unterliegt5. Ebenso unverbindlich ist ein Wettbewerbsverbot, das auf der Vereinbarung beruht, der Arbeitgeber könne später von dem Arbeitnehmer den Abschluss einer Wettbewerbsverbotsvereinbarung verlangen6. Es muss für den Arbeitnehmer nämlich stets erkennbar sein, wann ihn welche Verpflichtungen treffen7. Zulässig sind hingegen aufschiebende Bedingungen8, die bspw. das Wettbewerbsverbot davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer über die Probezeit hinaus für das Unternehmen tätig bleibt9 oder die Vereinbarung, dass das Wettbewerbsverbot mit Eintritt in den Ruhestand automatisch entfällt10.
553
1 Hunold, NZA-RR 2007, 617, 621. 2 BAG v. 28.1.1966 – 3 AZR 374/65, BB 1966, 496. 3 BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 558/01, AP Nr. 48 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, NZA 1991, 263; Hunold, NZA-RR 2007, 617, 621; Beispiele bei Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1138. 4 ErfK/Oetker, § 74 Rz. 12. 5 BAG v. 13.5.1986 – 3 AZR 85/85, NZA 1986, 828; BAG v. 4.6.1985 – 3 AZR 265/83, NZA 1986, 640. 6 BAG v. 22.5.1990 – 3 AZR 647/88, NZA 1991, 263. 7 BAG v. 5.9.1995 – 9 AZR 718/93, NZA 1996, 700. 8 BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78. 9 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NJW 2006, 3659; BAG v. 13.7.2005 – 10 AZR 532/04, AP HGB § 74 Nr. 78; BAG v. 27.4.1982 – 3 AZR 814/79, NJW 1983, 135; Hunold, NZA-RR 2007, 617, 620; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1613. 10 BAG v. 30.10.1984 – 3 AZR 213/82, NZA 1985, 429.
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Teil 3 Rz. 554 554
Typische Vertragsklauseln
Auch wenn (bzw. soweit) das Wettbewerbsverbot das berufliche Fortkommen des Mitarbeiters unbillig erschwert, ist es unverbindlich. Ist eine zu niedrige Karenzentschädigung vorgesehen, kann der Mitarbeiter wählen, ob er sich an das Wettbewerbsverbot halten und die Karenzentschädigung in der vereinbarten Höhe beanspruchen möchte oder ob er erklärt, sich an das Wettbewerbsverbot nicht gebunden zu fühlen1.
cc) Geltungserhaltende Reduktion – partielle Unverbindlichkeit 555
§ 74a Abs. 1 HGB sieht vor, dass das Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich ist, als es nicht von berechtigten Interessen des Arbeitgebers gedeckt ist bzw. das berufliche Fortkommen des Mitarbeiters unangemessen erschwert. Entsprechend bleibt der Teil des Wettbewerbsverbotes, der von diesen Anforderungen gedeckt ist, bestehen. Es findet also eine geltungserhaltende Reduktion statt2.
556
Wurde beispielsweise eine Bindungsdauer von fünf Jahren vereinbart, so bleibt das Wettbewerbsverbot für die Dauer, für die es zulässigerweise hätte vereinbart werden dürfen (maximal zwei Jahre) wirksam und wird nur für die darüber hinausgehende Zeit unverbindlich. Entsprechendes gilt nach richtiger Auffassung auch für den räumlichen und gegenständlichen Geltungsbereich3.
557
Der Reduktion des Umfangs des Wettbewerbsverbotes steht auch eine AGBKontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht entgegen4, denn § 74a HGB sieht ausdrücklich vor, dass das Wettbewerbsverbot nur insoweit unwirksam ist.
558
Bei partieller Unverbindlichkeit des Wettbewerbsverbots ist es für den Arbeitnehmer insoweit nicht zu beachten als es nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dient. Der Anspruch auf Zahlung der Karenzentschädigung setzt allerding dann nur voraus, dass der Arbeitnehmer das Wettbewerbsverbot insoweit einhält, als es nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB verbindlich ist. Es ist nicht erforderlich, dass er es auch in seinem unverbindlichen Teil beachtet5. Hinsichtlich des unverbindlichen Teils besteht für den Arbeitnehmer ein Wahlrecht. Bei einer beispielsweise fünfjährigen Ver1 BAG v. 13.9.1969 – 3 AZR 138/68, NJW 1970, 626; ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz. 5; Thüsing, NZG 2004, 9, 14 m.w.N. 2 BGH v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, BB 2005, 2098; BGH v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, NJW 2000, 2584; LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513; ErfK/Oetker, § 74a HGB Rz. 5; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1612; Thüsing, NZG 2004, 9, 13. 3 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NJW 2010, 2378; Hümmerich/Reufels/Borgmann, S. 1056, Rz. 3562, vgl. BGH v. 14.7.1997 – II ZR 238/96; zum Streitstand: Bauer/Diller, Rz. 85 f. m.w.N. 4 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NJW 2010, 2378; LAG Hamm v.14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513; LAG Baden-Württemberg v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 503; ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz. 5; Diller, NZA 2005, 250, 251; dagegen stellt Koch, RdA 2006, 28 ff. darauf ab, ob das Wettbewerbsverbot bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung unangemessen war (mit der Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach § 307 BGB) oder die Unangemessenheit auf der Entwicklung bis zum Ende der Arbeitsverhältnisses beruht (dann mit der Rechtsfolge des § 74a Abs. 1 HGB). 5 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NJW 2010, 2378.
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Rz. 560 Teil 3
Wettbewerbsverbote
botsdauer könnte der Arbeitnehmer sich also auch entscheiden, die vollen fünf Jahre einzuhalten und in dieser Zeit eine Karenzentschädigung kassieren. Ist das Wettbewerbsverbot in sachlicher Hinsicht (geographischer Raum, Branche) teilweise unverbindlich, besteht dieses Wahlrecht denklogisch nicht, da es für den Arbeitnehmer keinen Vorteil brächte. Wäre beispielsweise ein weltweites Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich als es geographisch über das Bundesgebiet hinausginge, dann bekäme der Arbeitnehmer auch bei Einhaltung des Wettbewerbsverbotes auf dem Bundesgebiet die volle Karenzentschädigung; die weltweite Einhaltung des Verbotes würde ihn nicht besser stellen1.
g) Wegfall des Wettbewerbsverbotes Die Parteien können ein einmal vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot jederzeit einvernehmlich aufheben (Rz. 560 ff.)2. Der Arbeitgeber hat darüber hinaus die Möglichkeit, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten (§ 75a HGB, Rz. 563 f.). Des Weiteren ist eine einseitige Lossagung vom Wettbewerbsverbot in bestimmten Fällen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich (Rz. 565).
559
aa) Einvernehmliche Aufhebung Ein Wegfall des Wettbewerbsverbotes kommt durch Aufhebungsvertrag (oder entsprechend durch gerichtlichen Vergleich) in Betracht. Fraglich ist, ob eine Aufhebung nur bei ausdrücklicher Vereinbarung möglich ist, oder ob bereits eine umfassende Ausgleichsklausel das Wettbewerbsverbot mit umfasst. In der Literatur wird verbreitet vertreten, dass eine Ausgleichsklausel im Zweifel das Wettbewerbsverbot nicht mit umfasst3. Das BAG stellt diesbezüglich zunächst darauf ab, dass Ausgleichsklauseln grundsätzlich weit auszulegen sind, damit sie den Zweck, zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden, auch gerecht werden können4. Grundsätzlich ist das Wettbewerbsverbot daher nach der Auffassung des BAG nunmehr5 von einer weit gefassten Ausgleichsklausel umfasst, soweit sich aus den Umständen des Einzelfalles nicht etwas anderes ergibt6. Hierbei ist insbesondere die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Vertragsparteien nach Vertragsschluss, der Zweck des Vertrages und die bei Vertragsabschluss vorliegende Interessenlage zu berücksichtigen7.
1 Bauer/Diller, Rz. 222 f. 2 ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 24 m.w.N. 3 ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz. 2; Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1613; Wertheimer, NZA 1997, 522, 523. 4 BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, BB 2004, 1280; BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, BB 2003, 106 m.w.N.; a.A. Bauer/Diller, BB 2004, 1276. 5 Grundsätzlich verneint noch 20.10.1981 – 3 AZR 1013/78, NJW 1982, 1479. 6 BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, NJW 2009, 618; BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, BB 2003, 106. 7 BAG v. 19.11.2003 – 10 AZR 174/03, BB 2004, 1280; BAG v. 31.7.2002 – 10 AZR 513/01, BB 2003, 106.
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560
Teil 3 Rz. 561 561
Typische Vertragsklauseln
Beispielsweise erfasst die Klausel in einem Aufhebungsvertrag Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt. ein im Arbeitsvertrag vereinbartes nachvertragliches Wettbewerbsverbot, wenn die Parteien des Aufhebungsvertrags eine Vielzahl von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis von der Ausgleichsklausel ausnehmen und für das nachvertragliche Wettbewerbsverbot und den Anspruch auf Karenzentschädigung von einer solchen Ausnahme absehen1.
562
Aufgrund dieser Auslegungsschwierigkeiten empfiehlt es sich dringend, in einem Aufhebungsvertrag oder in einem gerichtlichen Vergleich ausdrücklich festzuhalten, ob das Wettbewerbsverbot entfallen oder bestehen bleiben soll.
bb) Verzicht des Arbeitgebers nach § 75a HGB 563
Wie dargestellt (vgl. Rz. 553) kann der Arbeitgeber die Wettbewerbsverbotsvereinbarung nicht so gestalten, dass er später einseitig bestimmen kann, ob es gelten soll. Da oftmals zu Beginn des Arbeitsverhältnisses – also zu dem Zeitpunkt, zu welchem das Wettbewerbsverbot regelmäßig vereinbart wird – noch nicht absehbar ist, ob das Interesse des Arbeitgebers am Wettbewerbsverbot später wegfallen wird, hat der Arbeitgeber nach § 75a HGB bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, auf das Wettbewerbsverbot zu verzichten. Durch den Verzicht wird der Arbeitnehmer sofort von dem Wettbewerbsverbot frei2. Die Pflicht des Arbeitgebers, eine Karenzentschädigung zu zahlen, bleibt dagegen noch für ein Jahr bestehen. Der Arbeitgeber kann demnach der Karenzentschädigungspflicht durch den Verzicht nur entgehen, wenn er spätestens ein Jahr vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich den Verzicht erklärt.
564
Ein Verzicht des Arbeitgebers auf das Wettbewerbsverbot nach § 75a HGB ist nur während des Arbeitsverhältnisses möglich. Der Verzicht bedarf der Schriftform. Entsprechend muss der Arbeitgeber bei einer fristlosen Kündigung den Verzicht spätestens gleichzeitig mit der Kündigung schriftlich erklären. Bei der ordentlichen Kündigung kann der Verzicht auch noch nach Kündigung, aber vor dem Beendigungszeitpunkt erfolgen. Das Verzichtsrecht kann nicht durch vertragliche Vereinbarung zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden (§ 75d HGB).
cc) Lossagungsmöglichkeit nach § 75 HGB 565
Die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann aus den unterschiedlichsten Gründen erfolgen. In einigen Fällen führt dies dazu, dass sich die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes für eine Vertragspartei aufgrund der Umstände der Beendigung als besonders nachteilig darstellt. Zu denken ist bspw. an den Fall, dass der Arbeitnehmer durch ein Fehlverhalten bewusst eine Kündigung durch 1 BAG v. 24.6.2009 – 10 AZR 707/08, NZA-RR 2010, 536. 2 Bauer/Diller, Rz. 372; ErfK/Oetker, § 75a HGB Rz. 1.
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Rz. 568 Teil 3
Wettbewerbsverbote
den Arbeitgeber provozieren möchte, um eine Karenzentschädigung zu erhalten. Um solche Situationen zu vermeiden sieht das Gesetz in § 75 HGB verschiedene Möglichkeiten für beide Vertragsparteien vor, sich einseitig vom Wettbewerbsverbot zu lösen, wenn bestimmte Beendigungsgründe vorliegen. Die jeweils zur Lossagung berechtigte Partei kann dann binnen eines Monats erklären, dass sie sich an das Wettbewerbsverbot nicht gebunden fühlt (§ 75 Abs. 1 HGB). Damit entfallen das Wettbewerbsverbot und die Karenzentschädigungspflicht mit Wirkung ab Zugang der Erklärung. Das Lossagungsrecht des § 75 HGB kann vertraglich nicht ausgeschlossen oder für den Arbeitgeber erweitert werden1.
(1) Lossagung durch den Arbeitnehmer Gem. § 75 Abs. 1 HGB kann der Arbeitnehmer sich vom Wettbewerbsverbot lossagen, wenn das Arbeitsverhältnis durch seine außerordentliche Kündigung beendet wird, wenn diese Kündigung auf einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitgebers beruht. Ein Lossagungsrecht des Arbeitnehmers besteht gem. § 75 Abs. 2 HGB auch dann, wenn der Arbeitgeber ordentlich oder außerordentlich kündigt, es sei denn, dass für die Kündigung ein erheblicher Anlass in der Person des Arbeitnehmers besteht.
566
Ein Lossagungsrecht besteht also nicht im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung, wohl aber im Falle einer betriebsbedingten Kündigung. Umstritten ist, ob der Arbeitnehmer auch bei einer personenbedingten Kündigung ein Lossagungsrecht hat. Teilweise wird dies mit der Begründung bejaht, dass es im Risikobereich des Arbeitgebers liege, den geeigneten Mitarbeiter auszuwählen und der Mitarbeiter auf personenbedingte Gründe keinen Einfluss habe2. Die überwiegende Meinung hält jedoch in diesem Fall ein Lossagungsrecht des Arbeitnehmers im Hinblick auf den Wortlaut für nicht gegeben3. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht. Denn der Wegfall des Lossagungsrechts nach § 75 Abs. 2 Halbs. 2 HGB soll nicht ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers sanktionieren, sondern lediglich das Lossagungsrecht auf die Fälle beschränken, in denen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus einem Grunde erfolgt, der unabhängig von der Person des Arbeitnehmers selbst ist.
567
Der Arbeitgeber kann die Lossagung durch den Arbeitnehmer nach § 75 Abs. 2 HGB (also bei ordentlicher Kündigung) verhindern, wenn er sich bereit erklärt, als Karenzentschädigung während der vollen Dauer des Wettbewerbsverbotes die vollen zuletzt vom Arbeitnehmer bezogenen Leistungen zu gewähren (§ 75 Abs. 2 Satz 1 HGB). Diese Zusage muss sofort erfolgen; bei der Kündigung durch den Arbeitgeber also mit der Kündigung4. Wird dies versäumt und die Zusage erst später erteilt, kann der Arbeitnehmer wählen, ob er die vollen Bezüge erhalten oder das Wettbewerbsverbot entfallen lassen möchte5. Der Arbeitgeber kann die Zusage nicht widerrufen.
568
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BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 612/03, NJOZ 2005, 4979; ErfK/Oetker, § 75 HGB Rz. 2. Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1612. ErfK/Oetker, § 75 HGB Rz. 4. ErfK/Oetker, § 75 HGB Rz. 4; Bauer/Diller, Rz. 460. ErfK/Oetker, § 75 HGB Rz. 4.
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Teil 3 Rz. 569
Typische Vertragsklauseln
(2) Lossagung durch den Arbeitgeber 569
Der Arbeitgeber hat ein Lossagungsrecht, wenn er aufgrund eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers außerordentlich kündigt. Dieses Lossagungsrecht beruht allerdings nicht auf § 75 Abs. 3 HGB. Diese Norm ist nach der Auffassung des BAG verfassungswidrig, da sie vorsieht, dass der Arbeitnehmer sich zwar an das Wettbewerbsverbot halten muss, jedoch keine Karenzentschädigung enthält. Das BAG wendet stattdessen für die Lossagung durch den Arbeitgeber § 75 Abs. 1 HGB entsprechend an1. Ist erkennbar, dass eine ordentliche Kündigung als milderes Mittel zur außerordentlichen Kündigung ausgesprochen wird, so ist auch dies für ein Lossagungsrecht ausreichend2. Allerdings muss der Bezug zu einem vertragswidrigen Verhalten deutlich werden. Im Falle einer Lossagung des Arbeitgebers aufgrund außerordentlicher Kündigung entfällt die Pflicht zur Zahlung einer Karenzentschädigung.
dd) Anderweitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses 570
Unterschiedlich wird bewertet, ob eine entsprechende Anwendung des § 75 HGB auch dann zu bejahen ist, wenn statt der Kündigung ein Aufhebungsvertrag geschlossen wird. Teilweise wird eine analoge Anwendung verneint3, da die Parteien sich bei einem Auflösungsvertrag ja gerade einigen und daher auch bestimmen könnten, ob das Wettbewerbsverbot weiter gelten soll. Überwiegend wird jedoch eine analoge Anwendung bejaht, wenn der Grund, der zum Aufhebungsvertrag geführt hat, auch zur außerordentlichen (oder verhaltensbedingten ordentlichen) Kündigung berechtigt hätte4.
ee) Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit 571
Kein Erlöschungsgrund für das Wettbewerbsverbot (und damit die Karenzentschädigungspflicht) ist die Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit. Kann der ausscheidende Mitarbeiter etwa aufgrund von Krankheit keine Konkurrenztätigkeit aufnehmen, so hat dies auf die Karenzentschädigungspflicht keine Auswirkungen5.
h) Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot 572
Verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot, so entfällt auch die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung. Grundsätzlich 1 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 327/96, NJW 1999, 1885; BAG v. 23.2.1977 – 3 AZR 620/75, NJW 1977, 1357. 2 BAG v. 18.11.1967 – 3 AZR 471/66, NJW 1968, 767. 3 Wertheimer, NZA 1997, 522, 523. 4 BGH v. 24.9.1965 – 3 AZR 223/65, NJW 1966, 123; BAG v. 26.9.1963 – 5 AZR 2/63, NJW 1964, 317; ErfK/Oetker, § 75 HGB Rz. 6; zur analogen Anwendung im Falle eines Auflösungsurteils vgl. Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1612; Wertheimer, NZA 1997, 522 ff. 5 BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NJW 2005, 2732; BAG v. 18.10.1976 – 3 AZR 376/75, NJW 1977, 775; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rz. 16; Leber/Langerlotz, DStR 2000, 1605.
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Rz. 576 Teil 3
Wettbewerbsverbote
ist dies jedoch immer nur für den Zeitraum der Fall, in welchem der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Hält der Arbeitnehmer später das Wettbewerbsverbot wieder ein, so kann er auch wieder Karenzentschädigung verlangen1. Es kann allerdings vorkommen, dass der Arbeitgeber, wenn der Arbeitnehmer einmal gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat, kein Interesse mehr an dem Wettbewerbsverbot hat, beispielsweise dann, wenn der einmalige Verstoß des Arbeitnehmers bereits zu einer Situation geführt hat, in der die Nachteile des Arbeitgebers durch zukünftiges Unterlassen von Wettbewerb nicht mehr vermeidbar sind. Der Arbeitgeber kann dann vom Wettbewerbsverbot zurücktreten2.
573
Des Weiteren kann der Arbeitgeber bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Schadensersatz verlangen. Auch sind beim Wettbewerbsverbot Vertragsstrafenregelungen üblich und grundsätzlich zulässig3, diese müssen jedoch ausreichend transparent sein. Die Rechtsprechung fordert hierbei, dass genau definiert wird, wann für einen Verstoß eine Vertragsstrafe fällig wird4.
574
3. Besonderheiten für Organe bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten a) Prüfungsmaßstab Organmitgliedern ist es nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses grundsätzlich nicht verwehrt, zum bisherigen Dienstberechtigten in Wettbewerb zu treten. Auch hier bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung, wenn der Dienstberechtigte dies vermeiden möchte5. Da Organmitglieder keine Arbeitnehmer sind, finden die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB auf sie zumindest unmittelbar keine Anwendung6.
575
Welche Zulässigkeitsanforderungen an eine solche Vereinbarung zu stellen sind, ist nicht eindeutig geklärt. Daher besteht in diesem Bereich hohe Rechtsunsicherheit7. In der Literatur wird überwiegend vertreten, die Regelungen der §§ 74 ff. HGB seien auf Organmitglieder analog anzuwenden8. Die Rechtsprechung lehnt eine analoge Anwendung jedoch überwiegend ab9. Eine klare Linie, wie die Zulässigkeit dieser Vereinbarungen zu bewerten ist, ist in der Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht erkennbar. Dies führt dazu, dass eine zuverlässige Aussage darüber, wie Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern ausgestaltet werden können und wie deren Zulässigkeit künftig in der
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Schaub/Schaub, § 58 Rz. 38. Vgl. BAG v. 10.9.1985 – 3 AZR 490/83, NZA 1986, 134; Kunz, DB 1993, 2482, 2487. Küttner/Reinecke, Wettbewerbsverbot Rz. 42. BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170. Hoffmann/Liebs, Rz. 7027, 2108. Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 197; Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 80, jew. m.w.N.; grundsätzlich ablehnend Heidenhain, NZG 2002, 605. 7 Thüsing spricht davon, dass sich ein case law gebildet habe, NZG 2004, 9. 8 Gaul, GmbHR 1991, 144, 151. 9 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366.
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Teil 3 Rz. 577
Typische Vertragsklauseln
Rechtsprechung bewertet werden wird, kaum getroffen werden kann. Rechtssicherheit kann allerdings dadurch erreicht werden, dass die Anwendbarkeit der §§ 74 ff. HGB vertraglich vereinbart wird. Dies ist unproblematisch möglich und führt dazu, dass das Wettbewerbsverbot ebenso wie Wettbewerbsverbote mit Arbeitnehmern anhand der §§ 74 ff. HGB überprüft wird1. 577
Liegt eine solche Vereinbarung nicht vor, so wendet der BGH2 die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern grundsätzlich nicht an, sondern bestimmt die Zulässigkeit anhand von § 138 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 GG. Bei dieser Prüfung berücksichtigt der BGH jedoch die Wertungen der §§ 74 ff. HGB. Entsprechend werden auch im Rahmen von § 138 BGB geprüft, ob das Wettbewerbsverbot von einem berechtigten Interesse der Gesellschaft gedeckt ist und keine unbillige Erschwerung des beruflichen Fortkommens des Organmitglieds vorliegt3.
578
Vereinzelt jedoch hält auch der BGH die Regelungen der §§ 74 ff. HGB bei Organmitgliedern für anwendbar. Dies soll dann der Fall sein, wenn die entsprechende einzelne Regelung allein dem Interesse der Gesellschaft dient4. Allerdings wird eine analoge Anwendung des § 74c HGB, der eine Anrechnung anderweitigen Erwerbes vorsieht, wiederum verneint5, obwohl dies eigentlich im Interesse der Gesellschaft liegt. Eine allgemeingültige Aussage darüber, inwieweit die §§ 74 ff. HGB entsprechend anwendbar sind, kann also nicht getroffen werden.
579
Im Ergebnis verweist die Rechtsprechung regelmäßig auf die besonderen Umstände des Einzelfalles. Obwohl bei der Gestaltung von Wettbewerbsverboten mit Organmitgliedern in einigen Punkten eine Abweichung von den Regelungen der §§ 74 ff. HGB denkbar ist, muss stets zwischen dem Nutzen einer abweichenden Vertragsgestaltung und der dadurch entstehenden Rechtsunsicherheit abgewogen werden. Im Zweifel ist eine Vereinbarung zu treffen, die sich im Rahmen der §§ 74 ff. HGB hält.
b) Interessenabwägung 580
Wie bei Arbeitnehmern sind auch bei Organmitgliedern im Rahmen eines Wettbewerbsverbots die gegensätzlichen Interessen abzuwägen. Entsprechend muss das Wettbewerbsverbot zunächst berechtigte Interessen der Gesellschaft schützen, ansonsten ist es aufgrund des Verstoßes gegen § 138 BGB alleine aus diesem Grund nichtig. Ob ein berechtigtes Interesse vorliegt bestimmt sich zum Ausscheidenszeitpunkt (ein ursprünglich bei Vertragsabschluss bestandenes berechtigtes Interesse kann sich also im Laufe des Dienstverhältnisses verflüchtigen). Ferner darf es das berufliche Fortkommen des Organmitglieds 1 Jula, S. 109; Bauer/Diller, BB 1995, 1134; Gaul, GmbHR 1991, 144, 149; Thüsing, NZG 2004, 9. 2 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, DStR 2008, 1394; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 3 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366. 4 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f.; BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892 f. 5 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, DStR 2008, 1394.
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Rz. 582 Teil 3
Wettbewerbsverbote
nicht unbillig erschweren. Hierbei sind, wie auch bei Arbeitnehmern, der zeitliche, der gegenständliche und der räumliche Geltungsbereich des Wettbewerbsverbotes zu berücksichtigen. Ein Wettbewerbsverbot, das nicht von berechtigten Interessen der Gesellschaft gedeckt ist oder das berufliche Fortkommen des Organmitglieds unbillig erschwert, ist deshalb nichtig1.
aa) Zeitlicher Geltungsbereich Da die §§ 74 ff. HGB auf Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern nach der Rechtsprechung keine Anwendung finden, ist auch die zeitliche Begrenzung des § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB nicht einschlägig2. Grundsätzlich ist bei Organmitgliedern also auch ein länger geltendes Wettbewerbsverbot denkbar3. Jedoch dürfte ein Wettbewerbsverbot, das für länger als zwei Jahre vereinbart wurde, regelmäßig unwirksam sein, weil es nicht mehr von berechtigten Interessen der Gesellschaft umfasst ist oder jedenfalls das Organmitglied unbillig in seinem beruflichen Fortkommen beeinträchtigt4. Daher empfiehlt es sich, die Zwei-Jahres-Grenze einzuhalten. Welcher zeitliche Geltungsbereich jeweils zulässig ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab.
581
bb) Gegenständlicher Geltungsbereich Auch für Organmitglieder gilt, dass ein Wettbewerbsverbot nur wirksam sein kann, wenn es den berechtigten wirtschaftlichen Interessen des Dienstberechtigten entspricht. Das berechtigte Interesse der Gesellschaft kann im Wesentlichen der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder der Schutz von Kunden- und Geschäftsbeziehungen sein5. Daher ist stets zu prüfen, ob dem berechtigten Interesse der Gesellschaft nicht bereits durch eine Kundenschutzklausel Genüge getan werden kann. In diesem Fall liegt ein berechtigtes Interesse an einem darüber hinaus gehenden Wettbewerbsverbot nicht vor6. Teilweise wird sogar vertreten, dass umfassende Wettbewerbsverbote generell nicht von einem berechtigen Interesse der Gesellschaft umfasst und damit grundsätzlich unzulässig seien7. Eine derart pauschale Beurteilung verbietet sich jedoch8. 1 BGH v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753; Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 80; Schaub/ Schaub, § 58 Rz. 7; Jäger, DStR 1995, 724, 727; in der Literatur wird (durch entsprechende Anwendung der §§ 74 ff. HGB) auch häufig Unverbindlichkeit angenommen: vgl. Jaeger, S. 168; Jula, S. 111; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885; Bauer/Diller, BB 1995, 1137, 1137. 2 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; Jäger, DStR 1995, 724, 728; Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 3 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 198; Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 4 Jaeger, S. 170, Jula, S. 110; Heller, GmbHR 2000, 371 f.; Jäger, DStR 1995, 724, 726; Kunz, DB 1993, 2482, 2487; Manger, GmbHR 2001, 89 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner/ Noack halten vier Jahre für regelmäßige Obergrenze (§ 35 Rz. 200). 5 OLG Düsseldorf v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; Heller, GmbHR 2000, 371. 6 Vgl. Jäger, DStR 1995, 724, 727. 7 OLG Düsseldorf v. 8.1.1993 – 16 U 73/92, NJW-RR 1994, 35; Heller, GmbHR 2000, 371 f.; Manger, GmbHR 2001, 89. 8 Bauer/Diller, Rz. 725; Kamanabrou, ZGR 2002, 898, 900.
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Teil 3 Rz. 583
Typische Vertragsklauseln
Wenn der Gesetzgeber für Arbeitnehmer in den §§ 74 ff. HGB ausdrücklich ein Wettbewerbsverbot vorsieht, muss es grundsätzlich auch bei Organmitgliedern denkbar sein, dass ein berechtigtes Interesse des Dienstberechtigten an einem umfassenden Wettbewerbsverbot vorliegt. Da Organe nicht schützenswerter als Arbeitnehmer sind, kommt daher auch für sie grundsätzlich die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbotes in Betracht. 583
Neben tätigkeits- und unternehmensbezogenen Wettbewerbsverboten ist bei Organmitgliedern häufiger als bei Arbeitnehmern auch ein branchenweites Wettbewerbsverbot von dem berechtigten Interesse des Dienstberechtigten gedeckt1. Dies liegt zum einen daran, dass ein Organmitglied häufig mit dem Unternehmen, für das es tätig war, identifiziert wird2, so dass es auf die konkrete Tätigkeit, die nach dem Ausscheiden aufgenommen wird, weniger ankommt als bei einem Arbeitnehmer. Zum anderen kommt für ein Organmitglied ein Branchenwechsel eher in Betracht als für einen Arbeitnehmer, da es für die Tätigkeit eines Organmitgliedes häufig weniger auf den Markt ankommt, in dem das Unternehmen tätig ist als auf die Geschäftsführungskompetenz.
584
Wenn eine Kundenschutzklausel ausreicht, um das berechtigte Interesse des Dienstberechtigten zu schützen, ist ein darüber hinaus gehendes Wettbewerbsverbot nicht mehr vom berechtigten Interesse des Unternehmens gedeckt und daher unzulässig. Aber auch eine Kundenschutzklausel ist nicht zwangsläufig zulässig. Auch diese darf nicht weiter gefasst sein als das Interesse des Unternehmens es erfordert. Eine Kundenschutzklausel, die sämtliche Kunden, die das Unternehmen in der Vergangenheit zu irgendeinem Zeitpunkt hatte, ist beispielsweise nicht vom berechtigten Interesse des Unternehmens gedeckt. Bezüglich der Kunden, die die Gesellschaft ohnehin bereits verloren hat, besteht nämlich kein berechtigtes Interesse der Gesellschaft an einem Wettbewerbsverbot3.
585
Eine Einbeziehung von Konzernunternehmen ist gerade bei Führungskräften häufig sinnvoll und auch zulässig, da hier ein berechtigtes Interesse eher als bei Arbeitnehmern besteht. Jedoch ist auch dies nur insoweit möglich, als das Organmitglied aufgrund seiner Tätigkeit überhaupt Kenntnis von schützenswerten Informationen der Konzernunternehmen erhalten hat4. Soweit Konzernunternehmen in ein Wettbewerbsverbot mit einbezogen werden, sollte deshalb ausdrücklich geklärt werden, welche Konzernunternehmen bezüglich welchen Bereichs umfasst sein sollen5. Pauschale Klauseln (gerade bei diversifizierten Konzernen) bergen die Gefahr der Nichtigkeit.
1 Thüsing, NZG 2004, 9, 10. 2 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 f.; OLG Düsseldorf v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, GmbHR 1996, 931, 933. 3 BGH v. 29.10.1990 – II ZR 241/89; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888. 4 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, Rz. 199. 5 Nach Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888 sind konzerndimensionale Wettbewerbsverbote mangels berechtigten Interesses fast ausnahmslos unwirksam.
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Rz. 587 Teil 3
Wettbewerbsverbote
cc) Räumlicher Geltungsbereich Ein Wettbewerbsverbot kommt grundsätzlich für den gesamten räumlichen Bereich in Betracht, in dem ein Unternehmen tätig ist1. Ist ein Unternehmen in mehreren Staaten tätig, kann sich ein Wettbewerbsverbot auch auf mehrere Staaten erstrecken. Entsprechend ist bei nur lokal tätigen Unternehmen aber auch nur ein entsprechend begrenztes Wettbewerbsverbot möglich. Ebenso wie bei Arbeitnehmern dürfte auch bei Organmitgliedern ein weltweites Wettbewerbsverbot nur im Ausnahmefall in Frage kommen, da selbst dann, wenn ein berechtigtes Interesse aufgrund einer weltweiten Tätigkeit im Einzelfall bejaht würde, ein weltweites Wettbewerbsverbot in der Regel eine unangemessene Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens darstellen würde2. Der räumliche Geltungsbereich des Wettbewerbsverbotes bedarf also der ausdrücklichen Regelung, da ansonsten von einen weltweiten Verbot ausgegangen werden könnte und deshalb Nichtigkeit drohte.
586
c) Karenzentschädigung Ob bei Organmitgliedern eine Karenzentschädigung zwingende Voraussetzung für ein Wettbewerbsverbot ist, ist umstritten. Da die Rechtsprechung die entsprechende Anwendung von § 74 Abs. 2 HGB grundsätzlich verneint, folgt eine Pflicht zur Karenzentschädigung jedenfalls nicht aus dieser Vorschrift. Daher ist nach der Rechtsprechung des BGH die Zahlung einer Karenzentschädigung grundsätzlich bei Organmitgliedern nicht erforderlich3. Einige Stimmen in der Literatur stellen darauf ab, ob ein echtes Wettbewerbsverbot oder lediglich eine Kundenschutzklausel vereinbart wurde. Nur letztere sei entschädigungslos möglich. Auch hier verbietet sich eine pauschale Beurteilung4. Zwar ergibt sich eine Karenzentschädigungspflicht mangels Anwendbarkeit der Vorschrift nicht aus § 74 Abs. 2 HGB, jedoch benachteiligt ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot regelmäßig das Organmitglied unangemessen, so dass es gemäß § 138 BGB nichtig wäre5. Eine Karenzentschädigungspflicht ergibt sich also aus der Erforderlichkeit eines Interessenausgleichs. Im Einzelfall – etwa bei Kundenschutzklauseln – mag auch ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot zwar der Prüfung gemäß § 138 BGB standhalten6, regelmäßig 1 Jäger, DStR 1995, 724, 726. 2 Thüsing, NZG 2004, 9, 10 f. 3 BGH v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; ebenso Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 80, Brandmüller, Rz. 121f., 198; Küttner/ Reinecke, Wettbewerbsverbot Nr. 18 Rz. 46; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; Wimmer, DStR 1997, 247, 250. 4 Vgl. Bauer/Diller, Rz. 741. 5 Heller, GmbHR 2000, 371, 372. 6 BAG v. 7.8.2002 – 10 AZR 586/01, NZA 2002, 1282; BGH v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 890; Heller, GmbHR 2000, 371, 372; Jäger, DStR 1995, 724, 728; Thüsing, NZG 2004, 9, 12; weitergehend: Laber/Legerlotz, DStR 2000, 1605, 1610, nach denen ein Wettbewerbsverbot, für das berechtigtes Interesse des Dienstherren besteht und das den Dienstverpflichteten nicht unbillig in seiner Berufsausübung erschwert, grundsätzlich entschädigungslos möglich ist kann (mit Hinweis auf BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, DB 1984, 1717, 1719).
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Teil 3 Rz. 588
Typische Vertragsklauseln
wird jedoch eine Karenzentschädigung erforderlich sein, um dem Urteil der Sittenwidrigkeit zu entgehen1. Es ist stets auf den Einzelfall abzustellen2. Entschädigungslose Wettbewerbsverbote sollten aber möglichst vermieden werden, da sie das Risiko bergen, für sittenwidrig erklärt zu werden. 588
Auch bezüglich der Höhe der zu gewährenden Karenzentschädigung besteht wenig Klarheit. Zwar wendet die Rechtsprechung auch § 74 Abs. 2 HGB nicht entsprechend an, so dass grundsätzlich auch eine geringere Karenzentschädigung ausreichen kann3. Teilweise wird darauf abgestellt, dass 50 % der Festbezüge4 ausreichen können. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gerade der variable Teil der Vergütung bei Organmitgliedern häufig einen wesentlichen Teil der Vergütung ausmacht, so dass eine pauschale Betrachtung abzulehnen ist. Richtigerweise ist wiederum auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen5. Einer Auffassung nach kann sogar eine höhere Entschädigung als die Hälfte der zuletzt bezogenen Leistungen erforderlich sein, wenn das Wettbewerbsverbot eine besonders starke Beeinträchtigung für das Organmitglied bedeutet6. In den meisten Fällen wird eine § 74 Abs. 2 HGB entsprechende Entschädigung angemessen sein, so dass es sich empfiehlt, die Anwendbarkeit dieser Regelung vertraglich zu vereinbaren7.
589
Inwieweit anderweitiger Erwerb auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist, ist ebenfalls umstritten8. Nach der Rechtsprechung des BGH9 ist § 74c HGB nicht analog auf Organmitglieder anzuwenden10 und daher anderweitiger Erwerb nur dann anzurechnen, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Entsprechend sind die Parteien in der Vereinbarung der Anrechnung frei. Es kann sowohl ausdrücklich vereinbart werden, dass anderweitiger Erwerb nicht angerechnet wird, als auch, dass eine Anrechnung bereits unter der 110 %-Grenze des § 74c Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgen soll11. Eine ausdrückliche Regelung empfiehlt sich sehr, um Unsicherheiten bezüglich der Anrechnungspflicht zu vermeiden. Wird in dem Wettbewerbsverbot geregelt, dass die §§ 74 ff. HGB (ggf. 1 Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1136; entschädigungslose Wettbewerbsverbote hält Kunz, DB 1993, 2482, 2486 grundsätzlich für unzulässig. 2 Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888, 890. 3 Vgl. Brandmüller, Rz. 122; Bauer/Diller, BB 1995, 1137, 1136. 4 Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 5 Jaeger, S. 171 f.; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 891. 6 So wohl OLG Düsseldorf v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; a.A. Jäger, DStR 1995, 724, 729; Thüsing, NZG 2004, 9, 11, wonach Entschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB jedenfalls ausreichend ist. 7 Heller, GmbHR 2000, 371, 373. 8 Grds. bejahend: Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 80; grds. verneinend: Baumbach/Hueck/ Zöllner/Noack, § 35 Rz. 202. 9 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, DStR 2008, 1394; ebenso: Küttner/Reinecke, Wettbewerbsverbot Nr. 17 Rz. 47; a.A.: Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1137 m.w.N. zum Meinungsstand; Thüsing, NZG 2004, 9, 12. 10 Zuletzt BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, DStR 2008, 1394 m.w.N. Da § 75c HGB die Interessen des Unternehmens schützt, wird diese Rechtsprechung in der Literatur durchgängig kritisiert, vgl. nur Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892. 11 Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892; Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1137; Thüsing, NZG 2004, 9, 13.
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Rz. 591 Teil 3
Wettbewerbsverbote
„im Übrigen“) gelten sollen, so richtet sich die Anrechnung kraft Vereinbarung nach § 74c HGB1. Klauseln, die vereinbaren, dass bei einer außerordentlichen Kündigung des Unternehmens das Wettbewerbsverbot Bestand haben, jedoch die Abfindung wegfallen soll, sind umstritten2.
d) Folgen bei Rechtsmängeln Welche Folgen eintreten, wenn das Wettbewerbsverbot die genannten Anforderungen nicht erfüllt, wird nicht einheitlich beurteilt. Der BGH geht in gefestigter Rechtsprechung von der Nichtigkeit nach § 138 BGB aus und nimmt eine geltungserhaltende Reduktion (nur) dann vor, wenn die zulässige Bindungsdauer überschritten wurde3; die Missachtung der gegenständlichen und räumlichen Grenzen habe die vollständige Nichtigkeit zur Folge4. Teile der Literatur halten dagegen auch eine geltungserhaltende Reduktion bezüglich des räumlichen und gegenständlichen Geltungsbereiches für möglich5. Richtigerweise kann eine geltungserhaltende Reduktion jedenfalls dann nicht mehr in Betracht kommen, wenn das Wettbewerbsverbot in mehr als der zeitlichen Hinsicht, also beispielsweise aufgrund der zeitlichen und räumlichen Reichweite, unangemessen ist. Denn dann würde eine Reduktion auf ein zulässiges Maß nicht mehr die bloße Reduktion eines Faktors darstellen, sondern das Gericht müsste eine selbständige Abwägung durchführen, welchen Faktor es wie weit einschränkt, um letztlich zu einer angemessenen Lösung zu gelangen6. Teilweise wird vertreten, dass auch bei ausschließlicher Verletzung der räumlichen oder gegenständlichen Grenzen die Klausel nichtig wäre7.
590
In der Literatur wird (bei entsprechender Anwendung der §§ 74 ff. HGB auf Organmitglieder) vertreten, dass bei einem unzulässig weit gefassten Wettbewerbsverbot oder zu geringer Karenzentschädigung auch für Organmitglieder Unverbindlichkeit (und nicht Nichtigkeit) eintrete. Das Organmitglied soll also wählen können, ob es sich an das Wettbewerbsverbot halten will oder nicht8. Ein solches Wahlrecht wird jedoch von Rechtsprechung, die eine analoge Anwendung der HGB-Vorschriften grundsätzlich ablehnt, mit dem Argument verneint, dass § 138 BGB eine solche Rechtsfolge nicht vorsähe9. Wäre also bei einem zu weit gefassten Wettbewerbsverbot das Organ trotzdem bereit, Wettbewerb zu unterlassen, könnte sich das Unternehmen auf die Nichtigkeit berufen und die Zahlung einer Karenzentschädigung verweigern. Etwas ande-
591
1 Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892. 2 Zum Streitstand siehe: Bauer/Diller, Rz. 748. 3 BGH v. 8.5.2000 – II ZR 308/98, BB 2000, 1420 f.; v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, NJW 1991, 699 f. 4 BGH v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NJW 2005, 3061. 5 Gehle, DB 2010, 1981 f.; einschränkend Heller, GmbHR 2000, 371, 373 im Hinblick auf § 139 BGB und den mutmaßlichen Parteiwillen. 6 Heller, GmbHR 2000, 371, 373; Jula, S. 110; Wernicke, BB 1990, 2209. 7 Thüsing, NZG 2004, 9, 13; Gehle, DB 2010, 1981 f. 8 Jaeger, S. 81–83; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885; Bauer/Diller, BB 1995, 1137, 1137; Jula, S. 111. 9 Vgl. BGH v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, NZG 2008, 753; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892, 894; Jäger, DStR 1995, 724, 737 f.
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Teil 3 Rz. 592
Typische Vertragsklauseln
res kann nach Treu und Glauben nur dann gelten, wenn sich das Organ schon nach dem Wettbewerbsverbot gerichtet hat (beispielsweise durch Ablehnung von Stellenangeboten der Konkurrenz), also das Unternehmen aus dem nichtigen Wettbewerbsverbot schon konkrete Vorteile gezogen hat1. 592
Da sich eine eindeutige Aussage über die Folgen eines zu weit gefassten Wettbewerbsverbotes nicht treffen lässt, empfiehlt es sich, das Wettbewerbsverbot restriktiv auszugestalten, um die Gefahr der Gesamtnichtigkeit zu vermeiden. Teileweise wird empfohlen, über die Vereinbarung einer salvatorischen Klausel oder die pauschale Bezugnahme auf § 74a HGB eine geltungserhaltende Reduktion zu ermöglichen2. Ob solche Regelungen möglich sind, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Da jedoch durch sie die Gefahr besteht, dass das Risiko der Sittenwidrigkeit einseitig zu Lasten des Organs verschoben wird, bestehen erhebliche Zweifel an ihrer Zulässigkeit3.
e) Lossagungsmöglichkeiten bei berechtigter fristloser Kündigung 593
Auch im Rahmen von Wettbewerbsverboten bei Organen gilt, dass bei einer berechtigen fristlosen Kündigung durch das Organ oder die Gesellschaft eine Lossagung durch den einen oder anderen Vertragsteil möglich ist. Vor der Schuldrechtsreform wurde dies von Rechtsprechung und Literatur auf eine analoge Anwendung des § 75 HGB gestützt, wobei sich lediglich die Besonderheit ergab, dass eine Lossagung nach § 75 Abs. 2 HGB schematisch nicht auf Organmitglieder passt, da ein besonderer Kündigungsgrund bei Organmitgliedern gerade nicht erforderlich ist4. Bei ordentlicher Kündigung oder Nichtverlängerung des Anstellungsverhältnisses schied eine Loslösung analog § 75 Abs. 2 HGB deshalb aus. Teilweise wird eine analoge Anwendung des § 75 Abs. 1 HGB nun nicht mehr für möglich gehalten, da aufgrund des Kündigungsrechts nach § 314 BGB eine Regelungslücke nicht mehr bestehe5. Im Ergebnis besteht jedoch nach beiden Ansätzen unter ähnlichen – wenn auch nicht identischen – Voraussetzungen ein Lossagungsrecht auch bei Verträgen mit Organmitgliedern (die §§ 75 HGB und § 314 BGB sind nicht deckungsgleich)6. Dem Praktiker ist zu raten, konkrete Regelungen für den Fall, dass das Dienstverhältnis fristlos gekündigt wird, aufzunehmen. Dabei muss freilich der allgemeine Rechtsgedanke beachtet werden, dass es einer Partei, die sich grob vertragswidrig verhält, nach Treu und Glauben nicht gestattet sein kann, die andere Partei an einem Wettbewerbsverbot festzuhalten. Das beutet, dass eine Vertragsklausel die Lösung von dem Wettbewerbsverbot für diesen Fall nicht ausschließen darf.
1 2 3 4 5 6
Bauer/Diller, Rz. 731. Bauer/Diller, Rz. 737. Gehle, DB 2010, 1981 f.; Thüsing, NZG 2004, 9, 14. Vgl. dazu Bauer/Diller, Rz. 756. Vgl. dazu Bauer/Diller, Rz. 756; a.A. Thüsing, NZG 2004, 9, 13. Bauer/Diller, Rz. 759 ff.; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; Thüsing, NZG 2004, 9, 13.
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Rz. 596 Teil 3
Wettbewerbsverbote
f) Verzicht des Dienstberechtigten Inwieweit ein Verzicht auf das Wettbewerbsverbot durch den Dienstberechtigten zu einem Wegfall der Karenzentschädigungspflicht führen kann, ist ebenfalls umstritten. Nach wohl überwiegender Ansicht ist § 75a HGB analog anwendbar, wenn keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde1. Entsprechend kann sich der Dienstberechtigte also bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses vom Wettbewerbsverbot lösen, so dass das Organmitglied unmittelbar von dem Wettbewerbsverbot frei wird, allerdings die Pflicht zur Karenzentschädigung noch ein Jahr lang fortbesteht2.
594
Unterschiedlich wird beurteilt, ob und inwieweit eine Abweichung von § 75a HGB vertraglich vereinbart werden kann. Grundsätzlich wird die Möglichkeit einer Erweiterung des Verzichtsrechts bejaht3. Teilweise wird angenommen, dass der Zeitrahmen, während dessen der Dienstberechtigte nach dem Verzicht weiter zur Karenzentschädigung verpflichtet bleibt, vertraglich verkürzt werden könne4. Dabei wird als Mindestdauer eine Zeit von vier Wochen bis zu sechs Monaten angesehen5. Dem Organmitglied muss wenigstens die Möglichkeit bleiben, sich auf den Wegfall des Wettbewerbsverbotes und der Karenzentschädigung einzustellen. Dafür dürften vier Wochen wohl zu kurz bemessen sein. Soweit eine Abweichung von der Jahresfrist des § 75a HGB vereinbart wird, sollte der Fortzahlungszeitraum mindestens sechs Monate betragen. Wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die die Verkürzung der Frist erfordern, empfiehlt es sich, bei der Jahrespflicht zu bleiben und während des Dienstverhältnisses vorausschauend zu überprüfen, ob das Wettbewerbsverbot für den Dienstberechtigten noch erwünscht ist.
595
Des Weiteren wird vertreten, es könne auch eine Verzichtsmöglichkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses vereinbart werden6. Dann muss aber richtigerweise eine Karenzentschädigungspflicht für Zeitraum vereinbart werden, während dessen sich das Organmitglied auf den Wegfall des Wettbewerbsverbotes einstellen kann7. Mit solchen Vereinbarungen sollte vorsichtig umgegangen werden, da sie praktisch ein bedingtes Wettbewerbsverbot darstellen.
596
1 BGH v. 17.2.1992 – II ZR 140/91, NJW 1992, 1892; LG Frankfurt a.M. v. 20.4.1994 – 3/8 O 150/93; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 203; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; Thüsing, NZG 2004, 9, 11; a.A. OLG Düsseldorf v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, NJW-RR 1997, 164 f.; Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 81 m.w.N. zum Streitstand. 2 OLG Hamm v. 18.3.1991 – 8 U 277/90; NJW-RR 1991, 1000; in der Literatur wird vielfach ein Verzichtsrecht ohne den Fortbestand der Karenzentschädigungspflicht für ein Jahr angenommen, vgl. Brandmüller, Rz. 125. 3 Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893. 4 OLG Düsseldorf v. 22.8.2996 – 6 U 150/95; NJW-RR 1997, 165 ff.; Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1139; Thüsing, NZG 2004, 9, 11. 5 Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1139 m.w.N.; für eine Frist, die mindestens der Kündigungsfrist entspricht: Jäger, DStR 1995, 724, 729; Jaeger, S. 179 ff.; Jula, S. 114 hält sechs Monate für ausreichend. 6 OLG Düsseldorf v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, GmbHR 1996, 931; Jula, S. 114; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 892. 7 Brandmüller, Rz. 122; a.A. OLG Düsseldorf v. 22.8.1996 – 6 U 150/95, GmbHR 1996, 931 f.
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Teil 3 Rz. 597
Typische Vertragsklauseln
Inwieweit solche Vereinbarungen von der Rechtsprechung akzeptiert werden, kann nicht allgemeingültig beurteilt werden. Daher sollten diese Vereinbarungen, wenn überhaupt, nur dann geschlossen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine solche Verzichtsmöglichkeit in Zukunft erforderlich werden könnte. Regelmäßig ist die konsequente Beobachtung während des Dienstverhältnisses, ob das Wettbewerbsverbot zukünftig gewünscht wird oder nicht, vorzugswürdig. 597
Der BGH1 schränkt die Verzichtsmöglichkeit insgesamt zudem insoweit ein, als dass ein Verzicht zwischen Kündigung und Beendigung des Anstellungsverhältnisses dann nicht mehr möglich ist, wenn die das ausscheidende Organmitglied sich bereits auf das Wettbewerbsverbot eingestellt hat. Dem Unternehmen ist daher dringend anzuraten, sich unmittelbar nach der Kündigung mit der Frage zu befassen, ob ein Verzicht auf das Wettbewerbsverbot ausgesprochen werden soll und dies dem Organmitglied entsprechend mitzuteilen.
g) Bedingte Wettbewerbsverbote 598
Die Möglichkeit des Unternehmens, nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses auf das Wettbewerbsverbot einseitig zu verzichten, stellt ein bedingtes Wettbewerbsverbot dar: Das Unternehmen hat damit nämlich die Möglichkeit, sich nachträglich zu entscheiden, ob das Wettbewerbsverbot gelten soll. Inwieweit bedingte Wettbewerbsverbote bei Organmitgliedern möglich sind, ist umstritten2. Insbesondere dann, wenn die Bedingung für das Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses liegt, bestehen Bedenken3. Überwiegend wird darauf abgestellt, ob ein Wettbewerbsverbot nur gegen Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart werden kann. In diesem Fall sollen bedingte Wettbewerbsverbote mit Bedingungen im nachvertraglichen Bereich grundsätzlich unzulässig sein. Ist hingegen – etwa bei einer Kundenschutzklausel – keine Karenzentschädigung erforderlich, so soll ein bedingtes Wettbewerbsverbot zulässig sein4.
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Soweit derart bedingte Wettbewerbsverbote überhaupt für zulässig erachtet werden, hält die überwiegende Auffassung das Wettbewerbsverbot jedoch dann für unwirksam, wenn die Gesellschaft sich nicht innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Bedingungseintritt äußert, dass sie sich auf das Wettbewerbsverbot berufen möchte5. Ein Wahlrecht, wie es der Arbeitnehmer bei bedingten Wettbewerbsverboten hat, besteht für Organmitglieder nicht6. 1 BGH v. 4.3.2002 – II ZR 77/00, NJW 2002, 1875. 2 Vgl. ausführlich Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1139; grds. ablehnend Brandmüller, Rz. 122. 3 Vgl. am Beispiel des „Inanspruchnahme-Vorbehalts“ bei Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 894. 4 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 Rz. 198; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; Heller, GmbHR 2000, 371, 373. 5 Jaeger, S. 180; ohne Angabe einer konkreten Zeitspanne; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 893; nach Brandmüller, Rz. 122 sind bedingte Wettbewerbsverbote grds. unzulässig, führen aber statt zur Nichtigkeit zur Unverbindlichkeit. 6 Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 894.
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Rz. 604 Teil 3
Wettbewerbsverbote
Es empfiehlt sich, in der Wettbewerbsvereinbarung ausdrücklich festzuhalten, unter welchen Voraussetzungen ein Verzicht möglich sein soll. Die größtmögliche Rechtssicherheit ist durch einen Verweis auf das Verzichtsrecht und die entsprechenden Rechtsfolgen des § 75a HGB zu erzielen.
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h) Wechsel in Organstellung Wird ein Arbeitnehmer, mit dem ein Wettbewerbsverbot vereinbart worden ist, später Organmitglied oder bleibt ein ehemaliges Organmitglied nach seiner Tätigkeit als Organ als Arbeitnehmer weiter für die Gesellschaft tätig, so stellt sich die Frage, nach welchem Maßstab das Wettbewerbsverbot jeweils zu beurteilen ist.
601
Wurde das Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer vereinbart und tritt dieser anschließend in eine Organstellung ein, so sind folgende Konstellationen möglich: Ein nichtiges Wettbewerbsverbot bleibt nichtig, auch wenn es für ein Organ nach § 138 BGB wirksam wäre1. Ein unverbindliches Wettbewerbsverbot wird nicht geheilt, sondern wird (ggf. teilweise) unwirksam2. Da § 138 BGB die Rechtsfolge der Unverbindlichkeit nicht vorsieht, bleibt das Wettbewerbsverbot insoweit bestehen, als es wirksam war und in dem darüber hinausgehenden Rahmen, in dem es unverbindlich war, wird es unwirksam. War das Wettbewerbsverbot insgesamt unverbindlich, so wird es insgesamt unwirksam. Ein Wahlrecht steht dem (neuen) Organ deshalb nicht zu.
602
Wird ein Organ später Arbeitnehmer, so gilt folgendes: Ein wirksam vereinbartes Wettbewerbsverbot bleibt nur dann wirksam, wenn es den Anforderungen der §§ 74 ff. HGB entspricht. Das Wettbewerbsverbot wird auch nicht unverbindlich. Soweit das Wettbewerbsverbot unverbindlich wäre, wäre es mit dem Mitarbeiter als Arbeitnehmer vereinbart worden, ist es ebenfalls unwirksam3. Die Unverbindlichkeitsfolge (mit daraus resultierendem Wahlrecht) soll nämlich den Arbeitnehmer vor einer Benachteiligung schützen. Wurde das Wettbewerbsverbot aber mit einem Organmitglied zunächst wirksam vereinbart, so besteht für diese Schutzfunktion kein Bedarf. Beim Wechsel von der Organ- in die Arbeitnehmerstellung kommt somit nur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes in Betracht, nicht dagegen Unverbindlichkeit.
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Der Wechsel in einen anderen Status darf den Arbeitnehmer bzw. das Organ aber nicht schlechter stellen, als er stünde, wenn er gänzlich ausgeschieden wäre. Daher bleibt das Wettbewerbsverbot noch so lange weiter bestehen, wie es bestünde, wenn der betreffende Mitarbeiter ganz ausgeschieden wäre4.
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1 Gaul, GmbHR 1991, 144, 151; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888; nach Roth/Altmeppen, § 6 Rz. 82 allenfalls bzgl. zeitl. Geltungsbereich Reduktion möglich. 2 Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1140; Bauer/Diller, GmbHR 1999, 885, 888. 3 Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1139. 4 Bauer/Diller, BB 1995, 1134, 1141.
C. Liebscher
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Teil 3 Rz. 605
Typische Vertragsklauseln
4. Formulierungsmuster a) Wettbewerbsverbot mit einem Arbeitnehmer 605
(1) X (Arbeitnehmer) verpflichtet sich, es nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von [maximal 24] Monaten zu unterlassen, selbständig und unselbständig, mittelbar und unmittelbar oder auf sonstige Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, das mit A (Unternehmen) direkt oder indirekt im Wettbewerb steht. Insbesondere wird er keine Tätigkeit für – (…) aufnehmen. (2) X wird während der Dauer dieses Wettbewerbsverbotes kein Unternehmen einrichten oder erwerben, das mit A direkt oder indirekt im Wettbewerb steht und sich nicht mittelbar oder unmittelbar an einem solchen beteiligen. Als Beteiligung in diesem Sinne ist nur eine solche Beteiligung zu sehen, die Einfluss auf die Geschäftsführung dieser Unternehmen hat. Eine finanzielle Beteiligung, die lediglich als Kapitalanlage zu verstehen ist, bleibt X unbenommen. (3) Das Wettbewerbsverbot (Abs. 1 und 2) gilt auch für diejenigen Unternehmen, die im Wettbewerb zu den folgenden mit A organisatorisch und finanziell verbundenen Unternehmen stehen: – (Tochterunternehmen) (4) Dieses Wettbewerbsverbot gilt räumlich hinsichtlich aller [in der Bundesrepublik Deutschland] ansässigen und/oder überwiegend tätigen Konkurrenzunternehmen. (5) A verpflichtet sich, X für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt vertragsgemäß bezogenen Leistungen zu zahlen. (6) Anderweitiger Erwerb des X wird gemäß § 74c HGB auf die Karenzentschädigung angerechnet. X wird jeweils zum Quartalsende unaufgefordert geeignete Belege über seine anderweitigen Einkünfte übermitteln. (7) Das Wettbewerbsverbot gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Probezeit, gleich aus welchem Grund und von welcher Seite, beendet wird. (8) Zu dem Zeitpunkt, an dem X in den Ruhestand tritt oder eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht, heben A und X bereits jetzt das Wettbewerbsverbot einvernehmlich auf. Eine Karenzentschädigung steht dem X in diesem Fall nicht zu. (9) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB. (10) Verstößt X gegen das Wettbewerbsverbot, so hat er für jeden Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe seines letzten Bruttomonatsgehaltes zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung dauerhalft, beispielsweise durch das Eingehen eines Arbeits-, Dienst-, oder Beraterverhältnisses, ist die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die Dauerverletzung weiter vorliegt, neu zu zahlen. Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte 294
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Rz. 606 Teil 3
Wettbewerbsverbote
Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen jedoch zusätzliche Verletzungshandlungen während einer Dauerverletzung, sind diese von der Strafe für die Dauerverletzung mit umfasst. Bei der Verwirkung mehrere Vertragsstrafen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Strafen auf das Sechsfache des zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalts begrenzt. Zugleich entfällt für jeden Monat, in welchem eine Zuwiderhandlung erfolgt, die Zahlung einer Karenzentschädigung (Abs. 5). (11) Die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens bleibt von der Vertragsstrafe unberührt, ebenso die Geltendmachung aller sonstiger gesetzlichen Ansprüche, insbesondere Unterlassungsansprüche. (Unterschriften X, A) X bestätigt, eine von A original unterzeichnete Ausfertigung dieser Vereinbarung erhalten zu haben. (Unterschrift X)
b) Wettbewerbsverbot mit einem Organ (1) X (Organ) verpflichtet sich, es nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von [maximal 24] Monaten zu unterlassen, selbständig und unselbständig, mittelbar und unmittelbar oder auf sonstige Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, das mit A (Unternehmen) direkt oder indirekt im Wettbewerb steht. Insbesondere wird er keine Tätigkeit für – (…) aufnehmen. (2) X wird während der Dauer dieses Wettbewerbsverbotes kein Unternehmen einrichten oder erwerben, das mit A direkt oder indirekt im Wettbewerb steht und sich nicht mittelbar oder unmittelbar an einem solchen beteiligen. Als Beteiligung in diesem Sinne ist nur eine solche Beteiligung zu sehen, die Einfluss auf die Geschäftsführung dieser Unternehmen hat. Eine finanzielle Beteiligung, die lediglich als Kapitalanlage zu verstehen ist, bleibt X unbenommen. (3) Das Wettbewerbsverbot (Abs. 1 und 2) gilt auch für diejenigen Unternehmen, die im Wettbewerb zu den folgenden mit A organisatorisch und finanziell verbundenen Unternehmen stehen: – (Tochterunternehmen) (4) Dieses Wettbewerbsverbot gilt räumlich hinsichtlich aller [in der Bundesrepublik Deutschland] ansässigen und/oder überwiegend tätigen Konkurrenzunternehmen. (5) A verpflichtet sich, X für die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt vertragsgemäß bezogenen Leistungen zu zahlen. (6) Erzielt X während der Dauer des Wettbewerbsverbotes anderweitige Einkünfte durch eine neue selbständige oder unselbständige Tätigkeit, so sind diese Einkünfte auf die zu zahlende Karenzentschädigung anzurechnen, soweit sie 100 % der Karenzentschädigung übersteigen. Dies gilt auch für anC. Liebscher
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606
Teil 3 Rz. 606
Typische Vertragsklauseln
derweitigen Erwerb, den X zu erzielen böswillig unterlässt. X wird die A quartalsweise unaufgefordert darüber informieren, in welcher Höhe er anderweitigen Erwerb erzielt. Auf Verlangen von A hat X seine Angaben zu belegen. (7) A kann jederzeit, auch nach Ende des Dienstverhältnisses, auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichten. Der Anspruch auf die Karenzentschädigung entfällt dann mit Ablauf von sechs Monaten seit der Verzichtserklärung. X wird von der Verpflichtung zur Unterlassung von Wettbewerb gemäß Abs. 1 und 2 mit sofortiger Wirkung befreit. (8) Kündigt eine der Vertragsparteien den Anstellungsvertrag wirksam aus wichtigem Grund aufgrund vertragswidrigen Verhaltens der anderen Vertragspartei außerordentlich, so kann sich die kündigende Vertragspartei innerhalb eines Monats nach Ausspruch der Kündigung schriftlich von dem Wettbewerbsverbot mit sofortiger Wirkung lösen. Bei Lösung durch A verliert X seinen Karenzentschädigungsanspruch (Abs. 5). (9) Das Wettbewerbsverbot gilt nicht, wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf eines Jahres, gleich aus welchem Grund und von welcher Seite, beendet wird. (10) Zu dem Zeitpunkt, an dem X in den Ruhestand tritt oder eine volle Erwerbsminderungsrente bezieht, heben A und X bereits jetzt das Wettbewerbsverbot einvernehmlich auf. Eine Karenzentschädigung steht dem X in diesem Fall nicht zu. (11) Im Übrigen gelten die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB. (12) Verstößt X gegen das Wettbewerbsverbot, so hat er für jeden Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe seines letzten Bruttomonatsgehaltes zu zahlen. Besteht die Verletzungshandlung dauerhalft, beispielsweise durch das Eingehen eines Arbeits-, Dienst-, oder Beraterverhältnisses, ist die Vertragsstrafe für jeden angefangenen Monat, in dem die Dauerverletzung weiter vorliegt, neu zu zahlen. Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, ggf. auch mehrfach innerhalb eines Monats. Erfolgen jedoch zusätzliche Verletzungshandlungen während einer Dauerverletzung, sind diese von der Strafe für die Dauerverletzung mit umfasst. Bei der Verwirkung mehrere Vertragsstrafen ist der Gesamtbetrag der zu zahlenden Strafen auf das Sechsfache des zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalts begrenzt. Zugleich entfällt für jeden Monat, in welchem eine Zuwiderhandlung erfolgt, die Zahlung einer Karenzentschädigung (Abs. 5) (13) Die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens bleibt von der Vertragsstrafe unberührt, ebenso die Geltendmachung aller sonstiger gesetzlichen Ansprüche, insbesondere Unterlassungsansprüche. (Unterschriften X, A) X bestätigt, eine von A original unterzeichnete Ausfertigung dieser Vereinbarung erhalten zu haben. (Unterschrift X)
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Rz. 611 Teil 3
Wettbewerbsverbote
II. Steuerrecht 1. Lohnsteuer Die Entschädigung für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ist bei einem Arbeitnehmer Arbeitslohn (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 LStDV)1. Dies gilt einheitlich für Vorstände, Geschäftsführer oder auch Prokuristen, da sie steuerlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen.
607
Verstößt der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot und verwirkt deswegen eine Vertragsstrafe, handelt es sich um Erwerbsaufwendungen, die abzugsfähig sind2. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vertragsstrafe durch die Erzielung von Einnahmen veranlasst ist, die nicht der Einkommensteuer unterliegen; in erster Linie ausländische Einkünfte3.
608
2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführer a) Verstoß gegen Wettbewerbsverbot durch GesellschafterGeschäftsführer Verstößt der Gesellschafter-Geschäftsführer bei bestehendem Dienstverhältnis gegen ein statutarisches oder im Anstellungsverhältnis vereinbartes Wettbewerbsverbot, kann unter bestimmten Umständen eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen.
609
Die Rechtsprechung hat eine verdeckte Gewinnausschüttung zunächst angenommen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer gegen ein Wettbewerbsvorbot verstoßen habe (was die Rechtsprechung zunächst immer unterstellte) und die GmbH diesen Schadensersatzanspruch nicht geltend gemacht hat4. Der BFH hat diese Rechtsprechung inzwischen jedoch aufgegeben; die Finanzverwaltung ist der Rechtsprechungsänderung noch nicht gefolgt (dazu unten Rz. 617).
610
Die Rechtsprechung prüft einen möglichen Wettbewerbsverstoß nunmehr in folgenden Schritten:
611
– zunächst ist festzustellen, ob zivilrechtlich überhaupt ein Wettbewerbsverbot besteht; – in einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat.
1 BFH v. 13.2.1987 – VI R 230/83, BStBl. 1987 II, 386. 2 BFH v. 7.12.2005 – I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068; v. 22.6.2006 – VI R 5/03, BStBl. 2007 II, 4. 3 BFH v. 7.12.2005 – I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068; Vertragsstrafe wegen der Beendigung eines ausländischen Arbeitsverhältnisses, der BFH hat in dieser Entscheidung den Veranlassungszusammenhang allerdings bejaht, da die Vertragsstrafe von dem inländischen Arbeitgeber übernommen wurde und daher der Zusammenhang mit den inländischen Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit überwiege 4 Als Beispiel aus einer Vielzahl von Entscheidungen BFH v. 26.4.1989 – I R 172/87, BStBl. 1989 II, 673.
Menkel
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Teil 3 Rz. 612
Typische Vertragsklauseln
612
Können beide Prüfungsschritte bejaht werden, hat die GmbH zunächst einen Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn bzw. den Herausgabeanspruch gewinnwirksam zu aktivieren. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann insoweit nicht vorliegen1. Verzichtet die Gesellschaft auf eine Aktivierung und fällt dies später (im Regelfall im Rahmen einer Betriebsprüfung) auf, ist der Schadenersatzanspruch im Wirtschaftsjahr der Entstehung erfolgswirksam zu aktivieren und die Steuerbilanz entsprechend zu berichtigen. Auch dies führt noch nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann erst vorliegen, wenn die Gesellschaft endgültig auf die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs bzw. des Herausgabeanspruchs verzichtet2.
613
Wesentlicher Prüfungsschritt ist daher, ob überhaupt ein zivilrechtliches Wettbewerbsverbot besteht. Wenn ein Wettbewerbsverbot zivilrechtlich nicht besteht, gilt diese Wertung auch steuerlich. Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist dann ausgeschlossen3.
614
Ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer unterliegt zivilrechtlich keinem allgemeinen Wettbewerbsverbot, soweit er der GmbH nicht Vermögen entzieht, das der Deckung des Stammkapitals dient4. Bei einer mehrgliedrigen GmbH liegt ebenfalls kein Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot vor, wenn die Gesellschafter gleichgerichtete Interessen haben; diese zivilrechtliche Wertung gilt auch für das Steuerrecht5.
615
Ein Wettbewerbsverbot kann sich zivilrechtlich aus der Satzung oder dem Anstellungsvertrag ergeben. Liegt ein statutarisches Wettbewerbsverbot vor, können die Gesellschafter zivilrechtlich von diesem Verbot befreien. Ein Wettbewerbsverbot kommt zudem nicht in Betracht, wenn den übrigen Gesellschaftern zum Zeitpunkt der Gründung der GmbH schon die konkurrierende Tätigkeit des anderen Gesellschafter-Geschäftsführers bekannt war; die Wertungen von § 112 Abs. 2 HGB gelten entsprechend (stillschweigenden Einigung aller Mitgesellschafter).
616
Bei einem tatsächlichen oder vermeintlichen Verstoß gegen ein Wettbewerbsverbot ist daher vorrangig zu prüfen, ob ein Wettbewerbsverbot zivilrechtlich überhaupt besteht oder ob der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht von diesem Wettbewerbsverbot dispensiert ist. Ist dies der Fall, kann steuerlich weder ein Schadensersatzanspruch erfolgswirksam aktiviert werden noch kann ein „Verzicht“ auf diesen Schadensersatzanspruch eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.
617
Die Finanzverwaltung ist dieser „neuen“ Rechtsprechung bisher nicht gefolgt, sondern hält weiterhin an ihren Verlautbarungen zu der ursprünglichen Rechtsprechung des BFH fest6. 1 2 3 4 5 6
Grundlegend BFH v. 30.8.1995 – I R 155/94, BB 195, 2513 = GmbHR 1996, 58. BFH v. 30.8.1995 – I R 155/94, BB 195, 2513 = GmbHR 1996, 58. BFH v. 16.12.1998 – I R 96/95, NJW 1999, 3070. BGH v. 10.5.1993 – II ZR 74/92, BGHZ 122, 333. BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, BB 1997, 508 = GmbHR 1997, 315. BMF, Schr. v. 4.2.1992 – IV B7 - S 2742-6/92, BStBl. 1992 I, 137; v. 29.6.1993 – IV B7 S 2742-54/93, BStBl. 1993 I, 456.
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Menkel
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Rz. 622 Teil 3
Wettbewerbsverbote
b) Geschäftschance Ein Unterfall des Wettbewerbsverbotes ist die eigenmächtige Nutzung einer Geschäftschance der Gesellschaft durch den Gesellschafter-Geschäftsführer.
618
Eine gesetzliche Definition der Geschäftschance fehlt. Üblicherweise wird unter Geschäftschance die Aussicht verstanden, aus einem (tatsächlichen oder einem sich anbahnenden) Geschäft zukünftig Gewinne zu erzielen1. Bietet sich der Gesellschaft eine solche Geschäftschance und überlässt die Gesellschaft diese Geschäftschance dem Gesellschafter-Geschäftsführer, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nahe. Ebenso, wenn der Geschäftsführer von sich aus eine „Geschäftschance“ der Gesellschaft von der Gesellschaft abzieht und selbst realisiert. Die Rechtsprechung hat Kriterien dafür entwickelt, ab wann eine Geschäftschance überhaupt vorliegt und unter welchen Voraussetzungen die Wahrnehmung der Geschäftschance durch den Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt.
619
Eine Geschäftschance liegt überhaupt nur vor, wenn die „Chance“ marktgängig2 ist. Marktgängigkeit wird danach geprüft, ob ein ordentlicher Geschäftsführer eine Chance einem fremden Unternehmen nur entgeltlich überlassen würde und ob ein anderes Unternehmen für die Nutzung der Chance bereit wäre, ein Entgelt zu zahlen3.
620
Sollte die „Marktgängigkeit“ bejahrt werden, muss die Gesellschaft zudem personell und finanziell so ausgestattet sein, dass sie die sich ihr bietende Geschäftschance wahrnehmen und das Geschäft durchführen kann4. Ist die Gesellschaft hierzu nicht in der Lage, liegt keine Geschäftschance dieser Gesellschaft vor, selbst wenn andere Unternehmen, oder auch der Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem anderen Unternehmen, die Geschäftschance realisieren können.
621
Die Gesellschaft ist nicht daran gehindert, den Auftrag über ihren Gesellschafter-Geschäftsführer – auch dem Alleingesellschafter bzw. beherrschenden Gesellschafter – als Subunternehmer abzuwickeln. Maßgeblich ist, ob die Gesellschaft über die personellen und finanziellen Möglichkeiten verfügt, diesen Auftrag selbst durchzuführen und ob es unter dem Gesichtspunkt des unternehmerischen Risikos für die Gesellschaft günstiger ist, dem GesellschafterGeschäftsführer ein angemessenes Geschäftsführergehalt zu zahlen oder ihn als Subunternehmer zu beauftragen5. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass sie ent-
622
1 Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 850 a. 2 Begriff von Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 853. 3 BFH v. 11.6.1996 – I R 97/95, BB 1996, 2394 = GmbHR 1996, 942 – Zahlung hoher Beträge als „Vermittlungsgebühren“ sowie „Tippprovision“; BFH v. 16.12.1998 – I R 96/95, NJW 1999, 3070 = GmbHR 1999, 667. 4 BFH v. 7.8.2002 – I R 64/01, BFH/NV 2003, 205. 5 BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, BB 1997, 508 = GmbHR 1997, 315; ausschließlich zu dem Gesichtspunkt der personellen und finanziellen Möglichkeiten der Kapitalgesellschaft; v. 9.7.2003 – I R 100/02, BB 2004, 26 = GmbHR 2003, 1497; mit dem weiterem Kriterium, ob es aus unternehmerischen Gesichtspunkten günstiger ist, dem Gesellschafter-Geschäftsführer eine angemessene Vergütung zu zahlen oder ihn im Rahmen eines Subunternehmerverhältnisses zu beauftragen.
Menkel
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Teil 3 Rz. 623
Typische Vertragsklauseln
weder nicht über die personellen und finanziellen Möglichkeiten verfügt oder dass es unternehmerisch günstiger ist, anstelle einer laufenden Vergütung für den Geschäftsführer einen Subunternehmerverhältnis zu begründen, liegt in der Einschaltung des Gesellschafter-Geschäftsführers als Subunternehmer keine verdeckte Gewinnausschüttung. Die Gesellschaft hat aber zu beachten, dass ihr aus dem Subunternehmervertrag eine Gewinnmarge verbleibt. Eine pauschale Größe – etwa in Höhe von 1/4 des Gewinnes wie von Finanzgerichten vertreten wurde1 – hat der BFH abgelehnt2. 623
Die Grundsätze zur Geschäftschancenlehre gelten auch bei mehrfacher Geschäftsführung. Ist ein Geschäftsführer zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer mehrerer Gesellschaften, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen, wenn er die einer Gesellschaft angebotene Geschäftschance für eine andere Gesellschaft der Gruppe nutzt, obwohl die zunächst angegangene Gesellschaft über die personellen und finanziellen Möglichkeiten verfügt, die Geschäftschance selbst zu realisieren. Gruppeninteressen – wie z.B. Verlustvorträge der anderen Gesellschaft – sind unerheblich3.
c) Entschädigungen bei Wettbewerbsverboten nach Beendigung des Dienstverhältnisses 624
Vereinbart der Geschäftsführer mit der GmbH bei Beendigung des Dienstverhältnisses ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und erhält er hierfür eine Entschädigung, ist die Entschädigung Arbeitslohn. Dies gilt auch, wenn der Geschäftsführer weiterhin Gesellschafter der GmbH bleibt, selbst wenn er beherrschender Gesellschafter ist. Gesellschafter, die nicht zugleich Geschäftsführer sind, unterliegen keinem generellen Wettbewerbsverbot4. Es kann daher auch keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen. Die Entschädigung ist nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, sondern durch das Wettbewerbsverbot im Dienstvertrag5.
625
Die vorgenannten Fälle sind in der Praxis eher selten. Häufig sind dagegen die Fälle, dass im Rahmen eines Unternehmenskaufs der Erwerber von dem veräußernden Gesellschafter-Geschäftsführer ein umfassendes Wettbewerbsverbot verlangt und hierfür eine Entschädigung gewährt. Die Qualifikation dieser Entschädigung bereitet im Einzelfall Schwierigkeiten. Es kann sich um einen Bestandteil des Kaufpreises für den GmbH-Anteil gem. § 17 EStG oder um sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG handeln; in Sonderfällen auch um Ar1 2 3 4 5
FG Hamburg v. 13.10.2000 – II 457/99, EFG 2001, 160. BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, BB 1997, 508 = GmbHR 1997, 315. BFH v. 7.8.2002 – I R 64/01, BFH/NV 2003, 205. Hueck/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 13 Rz. 28. BFH v. 12.6.1996 – XI R 43/94, BStBl. 1996 II, 516; der BFH hat die Entschädigung bei einem umfassenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbot als sonstige Einkünfte gem. § 22 Nr. 3 EStG qualifiziert. Nach den Entscheidungsgründen können Entschädigungen der GmbH wegen eines Wettbewerbsverbotes auch Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit gem. § 19 EStG oder, soweit es den Verzicht einer gewerblichen Tätigkeit betrifft, gem. § 15 EStG sein. Die Möglichkeit einer verdeckten Gewinnausschüttung hat der BFH in dieser Entscheidung nicht problematisiert.
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Rz. 628 Teil 3
Wettbewerbsverbote
beitslohn. Die Qualifikation hat erhebliche Bedeutung. Handelt es sich um einen Bestandteil des Veräußerungspreises, gilt die Halbeinkünftebesteuerung. Bei einer Qualifikation als sonstige Einkünfte wird die Entschädigung dagegen vollständig als steuerbare Einnahme erfasst; die Entschädigung kann allerdings begünstigt als nachträgliche Einkünfte gem. §§ 24 Nr. 1a sowie 1b, 34 EStG besteuert werden1. Ein Wettbewerbsverbot gehört dann zu den sonstigen Leistungen gem. § 22 Nr. 3 EStG, wenn dem Wettbewerbsverbot eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung kommt dem Wettbewerbsverbot dann zu, wenn es zeitlich begrenzt ist, sich in seiner wirtschaftlichen Bedeutung heraushebt und wenn diese wirtschaftliche Bedeutung in den getroffenen Vereinbarungen, vor allem in einem neben dem Kaufpreis gewährten Entgelt, klar zum Ausdruck kommt2. Ist das Wettbewerbsverbot ohne ein besonderes Entgelt vereinbart wird, vermutet die Finanzverwaltung häufig, dass ein Teil des Kaufpreises verdeckt für die Entschädigung gewährt wird. Die Finanzverwaltung ist feststellungsbelastet. Bei Unklarheiten unterliegt der Kaufpreis insgesamt dem Halbeinkünfteverfahren.
626
Sollte das Arbeitsverhältnis mit der Gesellschaft nach dem Unternehmenskauf auf Veranlassung des Erwerbers beendet worden sein und gewährt die Gesellschaft eine Entschädigung für ein Wettbewerbsverbot, kann es sich bei der Entschädigung auch um Arbeitslohn gemäß § 19 EStG handeln. Hierfür ist Lohnsteuer abzuführen. Wenn die Auflösung des Dienstverhältnisses durch den Erwerber „veranlasst“ worden ist, kann die Entschädigung gemäß §§ 24 Nr. 1a oder 1b, 34 EStG begünstigt besteuert werden3.
627
Das Unterlassen von Wettbewerb kann eine umsatzsteuerbare Tätigkeit nach §§ 1, 2 UStG (durch sonstige Leistung) sein, so dass Umsatzsteuer darauf anfällt4. Voraussetzung ist allerdings, dass das Wettbewerbsverbot über einen längeren Zeitraum gilt und die Entschädigung ein wirtschaftliches Gewicht hat5. In der Entscheidung des BFH vom 13. November 2003 wurde ein Wettbewerbsverbot über fünf Jahre mit einer Entschädigung in Höhe von 8 000 000 DM vereinbart. Dagegen dürfte das „übliche“ Wettbewerbsverbot im Rahmen eines Unternehmenskaufes mit einer Entschädigung, die sich an der Vergütung des
628
1 Grundlegend BFH v. 12.6.1996 – XI R 43/94, BStBl. 1996 II, 516; v. 11.3.2003 – XI R 76/99, BFH/NV 2003, 1161; v. 13.8.2003 – XI R 18/02, BStBl. 2004 II, 106; in dieser Entscheidung hat der BFH die Steuerfreiheit der Abfindung gem. § 3 Nr. 9 EStG a.F. anerkannt, nach der Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses unter Berücksichtigung bestimmter Höchstbeträge steuerfrei sind. 2 BFH v. 11.3.2003 – IX R 76/99, BFH/NV 2003, 1161. 3 BFH v. 13.8.2003 – XI R 18/02, BStBl. 2004, 106; der BFH hat die Entschädigung als entgangene Einnahmen gemäß § 24 Nr. 1a EStG qualifiziert; das FG Düsseldorf als Vorinstanz mit Urteil v. 14.5.2002 – 6 K 7467/98 E als Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1b EStG für die Nichtausübung einer Tätigkeit. 4 BFH v. 13.11.2003 – V R 59/02, BStBl. 2004 II, 472; anders noch BFH v. 30.7.1986 – V R 41/67, BStBl. 1986 II, 874. 5 BFH v. 13.11.2003 – V R 59/02, BStBl. 2004 II, 472; anders noch BFH v. 30.7.1986 – V R 41/67, BStBl. 1986 II, 874.
Menkel
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Teil 3 Rz. 629
Typische Vertragsklauseln
Geschäftsführers für den Zeitraum des Wettbewerbsverbotes ausrichtet, noch keine umsatzsteuerbare Tätigkeit durch den Geschäftsführer als Unternehmer darstellen.
d) Formulierungsvorschlag für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot1 629
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot (1) Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses gegenüber der Gesellschaft zu einem Wettbewerbsverbot. Der Geschäftsführer wird in diesem Zeitraum weder in selbständiger noch nichtselbständiger Art und Weise für ein anderes Unternehmen tätig sein, das mit der Gesellschaft in direktem oder indirektem Wettbewerb steht. Der Geschäftsführer wird sich weder unmittelbar noch mittelbar an einem solchen Unternehmen oder an einem verbundenen Unternehmen des Wettbewerbers i.S.d. § 15 AktG beteiligen. (Ggf. räumliche Einschränkung) (2) Der Geschäftsführer erhält für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes eine Karenzentschädigung von der Gesellschaft. Die Karenzentschädigung beträgt (…) % der durchschnittlichen laufenden Festbezüge i.S.v. vorstehenden § (…) der letzten drei Jahre sowie der durchschnittliche variablen Bezüge i.S.v. vorstehenden § (…) der letzten fünf Jahre (Bemessungsgrundlage). Die Karenzentschädigung wird in zwölf gleichen Monatsraten, jeweils zum letzten eines jeden Monats gezahlt. (3) Erzielt der Geschäftsführer in dem Zeitraum des Wettbewerbsverbotes Einnahmen, werden diese Einnahmen auf die Karenzentschädigung angerechnet, wenn die Karenzentschädigung sowie die Einnahmen die Bemessungsgrundlage der Karenzentschädigung überschreiten (Anrechnungsbetrag). Der Anrechnungsbetrag ist der Betrag, der über die Bemessungsgrundlage der Karenzentschädigung hinaus geht. Zu den Einnahmen des Geschäftsführers zählen sämtliche Einnahmen nach Steuer- oder Sozialgesetzen. Die vorstehenden Sätze gelten entsprechend, wenn es der Geschäftsführer unterlässt, Einnahmen zu erzielen. (4) Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot findet keine Anwendung, wenn der Geschäftsführer in den vorzeitigen oder endgültigen Ruhestand tritt.
1 Ein vertragliches Wettbewerbsverbot bei einem „laufenden“ Dienstverhältnis des Gesellschafter-Geschäftsführers sollte wegen der Rechtsprechung zu der Aktivierung von Schadenersatz- bzw. Herausgabeansprüchen überlegt werden. Entschließen sich die Gesellschafter zu einem vertraglichen Wettbewerbsverbot bei einem bestehenden Dienstverhältnis, kann Absatz (1) des Formulierungsvorschlages als Muster zugrunde gelegt werden.
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G. Verschwiegenheitspflichten Jeder Mitarbeiter in einem Unternehmen ist bereits aufgrund der allgemeinen Treuepflicht nach §§ 242, 241 BGB1 zur Verschwiegenheit verpflichtet. Für Vorstandsmitglieder der AG ist die Verschwiegenheitspflicht in § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ausdrücklich geregelt. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von besonderen gesetzlich geregelten Verschwiegenheitspflichten, z.B. die Verschwiegenheitspflicht bestimmter Berufsgruppen in §§ 203, 204 StGB, die Geheimhaltungspflicht bei Arbeitnehmererfindungen in § 24 ArbNErfG und die Pflicht zur Geheimhaltung im Rahmen des Datenschutzes in § 5 BDSG (Datengeheimnis).
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Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht kann ein Kündigungsgrund sein. In vielen Bereichen ist sie zudem mit Strafe bedroht (z.B. §§ 203, 204 StGB, §§ 17 ff. UWG, § 404 AktG für Vorstandsmitglieder der AG und § 85 GmbHG für den Geschäftsführer der GmbH). Sie kann außerdem zu einem Schadensersatzanspruch des Arbeitgebers (z.B. aus § 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. § 17 UWG, § 826 BGB bzw. aus §§ 280 Abs 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag) führen.
631
Die Verschwiegenheitspflicht gebietet, über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren, also über Tatsachen im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt, nicht offenkundig sind und nach dem Willen des Arbeitgebers (ausdrücklich oder konkludent) aufgrund eines berechtigten wirtschaftlichen Interesses geheim gehalten werden sollen2. Dies können z.B. Kundenanschriften, Preisberechnungen, Vertriebspläne, Warenbezugsquellen, Betriebsabläufe, Produktionsabläufe, Rezepturen, Modelle, technisches Wissen, Bilanzen, Gehälter, Marketingkonzepte und dergleichen sein. Darüber hinaus erstreckt sich die Verschwiegenheitsverpflichtung als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag auf alle sonstigen Angelegenheiten, die dem Mitarbeiter im Zusammenhang mit seiner Stellung im Unternehmen bekannt geworden sind, die nicht offenkundig sind und an deren Geheimhaltung der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse hat3. Beispiel hierfür können die persönliche Umstände und Verhaltensweisen des Arbeitgebers sein, wenn er durch deren Preisgabe geschädigt würde4.
632
Eine ausdrückliche vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung ist demnach nicht unbedingt erforderlich, sondern häufig rein deklaratorisch5. Dennoch empfiehlt es sich, eine solche abzuschließen und schriftlich zu fixieren. Zum einen wird dadurch die ohnehin bestehende Verschwiegenheitspflicht konkretisiert, zum anderen wird der Führungskraft dadurch verdeutlicht, welche Pflichten sie treffen und welch hohen Stellenwert deren Einhaltung hat6.
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1 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 710; vgl. BAG v. 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693, 694. 2 BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, NJW 1983, 134, ausführlich zum Begriff: Richters/ Wodtke, NZA-RR 2003, 281 f. 3 MüKoBGB/Müller-Glöge, § 611 Rz. 1092; Schaub/Linck, § 55 Rz. 52; Kunz, DB 1993, 2482. 4 Küttner/Kania, Verschwiegenheitspflicht, Rz. 6. 5 Kunz, DB 1993, 2482 f. 6 Zum Thema „Whistleblowing“ s. Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, S. 156 ff.
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Teil 3 Rz. 634
Typische Vertragsklauseln
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Durch eine ausdrückliche Verschwiegenheitsvereinbarung kann die Verschwiegenheitspflicht zudem jedenfalls eingeschränkt erweitert werden1. Dies ist jedoch nur möglich, soweit ein berechtigtes Interesse des Unternehmens daran besteht. Denkbar ist etwa die Einbeziehung von weiteren Konzern- oder sogar Drittunternehmen2. Eine vertragliche Erweiterung ist jedoch nur in den Grenzen der §§ 134, 138, 242, 305 BGB möglich3. Wird die Verschwiegenheitspflicht in AGB erweitert, ist zudem darauf zu achten, dass diese transparent sind. Zwar steht dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers an der Verschwiegenheit das Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nicht in dem Maße gegenüber, wie es beim Wettbewerbsverbot (dazu Rz. 516 ff.) der Fall ist, jedoch darf die Verschwiegenheitsklausel nicht so allgemein gefasst sein, dass sie dem Arbeitnehmer verbietet, über jegliche mit seiner Tätigkeit irgendwie in Verbindung stehenden Tatsachen zu sprechen4. Eine solche Pauschalklausel („Allklausel“), wie sie in der Praxis häufig verwandt wird, ist unwirksam, so dass es im Zweifel bei der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht bleibt5.
635
Problematisch ist die Vereinbarung von nachvertraglichen Verschwiegenheitspflichten. Inwieweit diese zulässig sind, ist umstritten. Da der Arbeitnehmer nach Ende des Arbeitsverhältnisses seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten grundsätzlich frei einsetzen darf, wird teilweise vertreten, dass eine Verschwiegenheitspflicht über das Vertragsende hinaus allenfalls in Bezug auf einzelne, konkret benannte Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse möglich ist6. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Verpflichtung zur Verschwiegenheit den Arbeitnehmer nicht zwangsläufig daran hindert, seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten einzusetzen, sondern sich eine Verschwiegenheitsverpflichtung auf die Weitergabe dieser Informationen beschränkt. Nicht nur bezüglich der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse hat der Arbeitgeber ein Interesse daran, dass Informationen auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an Dritte weitergegeben werden. Zu denken ist beispielsweise an Informationen über Mitarbeiter. Entsprechend wird überwiegend – insbesondere für Führungskräfte7 – zu Recht davon ausgegangen, dass ein gewisser Grad an Verschwiegenheit auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses ohnehin einzuhalten ist, selbst wenn keine vertragliche Regelung besteht8. Entsprechend kann – so1 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 714; Schaub/Linck, § 55 Rz. 54, Steinau-Steinrück/Hurek, S. 62; zur Mitbestimmung des Betriebsrates: BAG v. 10.3.2009 – 1 ABR 87/07, BeckRS 2009, 288175. 2 Moll/Reinfeld, § 28 Rz. 16. 3 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 714; Küttner/Kania, Verschwiegenheit Rz. 7; Steinau-Steinrück/Hurek, S. 62. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 714, Steinau-Steinrück/Hurek, S. 62. 5 Küttner/Kania, Verschwiegenheit Rz. 7; Moll/Reinfeld, § 28 Rz. 12; Schrader, Rz. 1266. 6 Schaub/Linck, § 55 Rz. 57; Schrader, Rz. 1272. 7 BGH v. 3.5 200 – I ZR 153/99, GRUR 2002, 91; Brandmüller, Rz. 197; Hoffmann/Liebs, Rz. 2109; Jaeger, S. 160; Kunz, DB 1993, 2482, 2485; str. ob dies für alle Arbeitnehmer gilt, wird überwiegend bejaht, jedenfalls im Rahmen der §§ 823, 826 BGB und § 3 UWG, vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 718, für Arbeitnehmer insgesamt bejaht: BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NJW 1988, 1686; Wimmer, DStR 1997, 247, 250. 8 BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, NJW 1983, 134.
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Rz. 636 Teil 3
Verschwiegenheitspflichten
weit ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegt und der Mitarbeiter dadurch nicht unangemessen eingeschränkt wird – vertraglich auch eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht vereinbart werden1. Hierbei ist bei der Formulierung jedoch besondere Sorgfalt geboten. Eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht darf nicht so ausgestaltet sein, dass sie einem Wettbewerbsverbot gleichkommt. Wird durch die Verschwiegenheitsvereinbarung dem Arbeitnehmer faktisch jede Verwertung seiner erworbenen Kenntnisse verwehrt, liegt darin ein Wettbewerbsverbot2. Eine solche „Verschwiegenheitsverpflichtung“ wäre entsprechend mangels Karenzentschädigungszusage nichtig (vgl. Rz. 550). Die Klausel ist demnach konkret zu fassen und zeitlich zu begrenzen. Beispiel: – Der Arbeitnehmer/Dienstverpflichtete ist verpflichtet, während der Dauer des Arbeits(Dienst-)verhältnisses über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werden und an deren Geheimhaltung erkennbar ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers/Dienstberechtigten besteht, Stillschweigen zu bewahren, soweit diese Angelegenheiten nicht offenkundig sind oder eine Geheimhaltung dem Arbeitnehmer/Dienstverpflichteten aufgrund besonderer Umstände nicht zumutbar ist. Stillschweigen ist insbesondere zu bewahren über: (…) – Des Weiteren verpflichtet sich der Arbeitnehmer/Dienstverpflichtete, über vertrauliche Angaben Stillschweigen zu bewahren, soweit er auf die Vertraulichkeit ausdrücklich hingewiesen wurde oder sich aus sonstigen Umständen ergibt, dass die Angaben vertraulich gemacht wurden. – Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Angaben der übrigen Unternehmen des Konzerns sowie für mit dem Arbeitgeber/Dienstberechtigten wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, namentlich (…) – Die Verschwiegenheitsverpflichtung gilt gegenüber jedermann, insbesondere auch gegenüber anderen Mitarbeitern des Arbeitgebers/Dienstberechtigten solange und soweit diese nicht mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers/Dienstberechtigten bereits Kenntnis von den entsprechenden Angelegenheiten haben. – Die Verschwiegenheitspflicht besteht auch nach der Beendigung des Arbeits(Dienst)verhältnisses für (…) Jahre fort soweit Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder vertrauliche Angaben aus den Bereichen (…) betroffen sind, namentlich (…), an denen der Arbeitgeber/Dienstberechtigten ein besonderes Geheimhaltungsinteresse hat. Sollte hierdurch das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers/Dienstverpflichteten unangemessen behindert werden, hat er gegenüber dem Arbeitgeber/Dienstberechtigten Anspruch auf Freistellung von dieser Verpflichtung.
1 BAG v. 16.3.1982 – 3 AZR 83/79, NJW 1983, 134; Kunz, DB 1993, 2482, 2486; Molkenbur, BB 1990, 1196, 1198. 2 BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200 f.; Schrader, Rz. 1272; Steinau-Steinrück/Hurek, S. 63.
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H. Haftung und D&O-Versicherungen I. Arbeitsrecht 1. Einführung a) Grundlagen des Haftungs- und Schadensersatzrechts 637
Führungskräfte wie insbesondere Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsratsmitglieder von Kapitalgesellschaften unterliegen einer unbeschränkten und persönlichen Haftung mit ihrem Privatvermögen auf Schadensersatz für innerhalb ihrer unternehmerischen Tätigkeit schuldhafte begangene Vertragsverletzungen1. Die maßgebende Vorschrift über die Haftung von Vorstandsmitgliedern einer AG ist § 93 Aktiengesetz (AktG)2. § 116 AktG enthält für Aufsichtsratsmitglieder eine Verweisung auf wesentliche Teile des § 93 AktG (mit Ausnahme von dessen Abs. 2 Satz 3) sowie eine Schadensersatzpflicht namentlich bei der Festsetzung einer unangemessenen Vorstandsvergütung, § 116 Satz 3 AktG (i.V.m. § 87 Abs. 1 AktG). Letztere Regelung wurde 2009 durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) neu eingeführt und verschärft die Sorgfaltspflichten und Haftungsrisiken von Aufsichtsräten. Bei Geschäftsführern einer GmbH stellt § 43 GmbHG die wichtigste Haftungsnorm dar. Je mehr Verantwortung Mitarbeitern in Führungspositionen übertragen wird und je größer deren Entscheidungsspielraum ist, desto höher und schwerwiegender können sich auch die durch ein Fehlverhalten herbeigeführten Schäden auf das Unternehmen auswirken. Als Anspruchsgrundlagen für derartige Schadensersatzforderungen kommen vor allem Vorschriften des Gesellschaftsrechts, des Dienstvertragsrechts, des Steuer- und Insolvenzrechts wie auch allgemeine zivilrechtliche Haftungsnormen in Betracht. Es ist in diesem Zusammenhang zwischen der Innen- und der Außenhaftung zu differenzieren3. Von Innenhaftung spricht man, wenn das Einstehen der Führungskraft im Verhältnis zur Gesellschaft berührt ist. Die Außenhaftung betrifft dagegen die Rechtsbeziehungen zu Dritten, z.B. zu Geschäftspartnern und Gläubigern der Gesellschaft, also etwa Kunden oder Lieferanten, aber auch zu den Gesellschaftern, zu den Mitarbeitern sowie zu Konkurrenten des Unternehmens. (Zur Frage der Haftung von Arbeitnehmern, insbesondere zur Haftungsprivilegierung und zum innerbetrieblichen Schadensausgleich s. Teil 1 Rz. 122 und Teil 7 Rz. 232 ff.)
b) Struktur der D&O-Versicherung 638
Bei einer D&O-Versicherung handelt es sich um eine freiwillige Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, welche die von Organmitgliedern juristischer Personen verursachten Schäden abdeckt. Sie wird auch als Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung bezeichnet. Die Abkürzung D&O steht für die englischen Begriffe „Directors‘“ and „Officers‘“ (Liability Insurance). Diese Form 1 Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann, § 28 Rz. 1. 2 Haas/Ohlendorf, S. 44. 3 Thümmel, S. 25 ff.
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Rz. 641 Teil 3
Haftung und D&O-Versicherungen
der Versicherung hat sich im angloamerikanischen Rechtsraum entwickelt. Seit etwa fühnzehn Jahren ist dieser Versicherungstyp auch bei deutschen Unternehmen weit verbreitet1. Es liegt von der Art her eine Berufshaftpflichtversicherung vor, welche als Versicherung zugunsten Dritter ausgestaltet ist. Teilweise wird sie auch als Betriebshaftpflichtversicherung angesehen. In der Praxis besonders relevant sind die Vorschriften des Allgemeinen Teils des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sowie die Regelungen über die Haftpflichtversicherung; diese sind in den §§ 100 ff. VVG enthalten. Versicherungsnehmer ist eine juristische Person, also typischerweise ein Unternehmen, welches seine Organmitglieder gegen die Haftung aus einer Pflichtverletzung versichert und im Regelfall auch die Versicherungsbeiträge bezahlt. Eine solche Versicherung, bei der die versicherte Person, also hier der Manager, und der Versicherungsnehmer auseinanderfallen, wird als Versicherung für fremde Rechnung (Fremdversicherung) gem. §§ 43 ff. VVG qualifiziert2. Der Versicherungsschutz umfasst auch Innenansprüche der Gesellschaft aus Schäden, welche die Organmitglieder zum Nachteil des Unternehmens verursacht haben. In den jeweiligen, untereinander differierenden Vertragsbedingungen der zahlreichen D&O-Versicherungen werden zwar Vermögensschäden in den Leistungskatalog einbezogen, während Personen- und Sachschäden regelmäßig ausgeklammert sind3. Die Angebote der Versicherungsunternehmen an D&O-Versicherungen erstrecken sich oftmals auch auf einen Versicherungsschutz, der von leitenden Angestellten vermittelte Schäden in gleicher Weise erfasst4.
639
Der Abschluss einer D&O-Versicherung vermindert effektiv mögliche Haftungsrisiken des Organs; auf diese Weise können aber auch erhebliche finanzielle Nachteile von der Gesellschaft abgewendet werden. Immense, pflichtwidrig verursachte Schäden können selbst die Finanzkraft von Organmitgliedern und von Personal in leitenden Positionen überfordern, so dass auch eine persönliche Haftung leerliefe und dem Unternehmen oder einem geschädigten Dritten in einer solchen Situation der erfolgreiche Rückgriff auf die verantwortlichen Manager verwehrt wäre. Außerdem könnten die Organe und Führungskräfte des Unternehmens ohne Versicherungsschutz übervorsichtig agieren und Geschäftschancen, die oftmals mit Risiken verbunden sind, auslassen.
640
Versicherungsbeiträge, welche die Gesellschaft für den D&O-Versicherungsschutz zahlt, sind nach überwiegender Auffassung nicht als Einkommen des versicherten Organs oder Managers zu bewerten5. Diese Prämien unterliegen deshalb grds. nicht der Einkommenssteuerpflicht6. Es bestehe bei derartigen
641
1 2 3 4 5
van Kann, NZG 2009, 1010. MüKoVVG/Dageförde, § 44 Rz. 21; Dreher, DB 2005, 1669, 1670. Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann, § 28 Rz. 1. Terbille/Sieg, § 17 Rz. 1; Ek, D. IV. 2b), S. 224. Küppers/Dettmeier/Koch, DStR 2002, 199; Dreher, DB 2001, 996 ff.; a.A.: Kästner, DStR 2001, 195; Kästner, DStR 2001, 422. 6 Ringleb/Kremer/Ringleb, Deutscher Corporate Governance Kodex, 2. Teil, 3., XV., Rz. 518; Schr. des BMF v. 24.2.2002 – IV C 5-S 2332-8/02, DB 2002, 399; Finanzministeriums Niedersachsen, Erlass v. 25.1.2002 – S 2332-161-35; S 2245-21-31 2, DB 2002, 399 f.
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Teil 3 Rz. 642
Typische Vertragsklauseln
Versicherungen ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse des Arbeitgebers; diese Grundsätze ließen sich auch auf Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder erstrecken1.
2. Konkrete Ausgestaltung von Versicherungsbedingungen 642
Durch die Regelung von Selbstbehalten, Deckungsobergrenzen, Prämienanpassungen, Überprüfungen seitens der Versicherung, den Ausschluss von Vorsatztaten sowie die Begrenzung auf bestimmte Risiken kann ein sorgfältiges Verhalten der Organmitglieder honoriert werden und dadurch bleiben auch weiterhin Sanktionen bei ganz besonders massiven Pflichtverletzungen möglich2. Die Prämienhöhe ist vielfach variabel gestaltet und wird im Einzelfall bestimmt, wobei vor allem die Versicherungssumme, die Bilanzsumme, der Unternehmenszweig, die Finanz- und Ertragssituation sowie ein möglicher Selbstbehalt als maßgebliche Einflussfaktoren zu nennen sind.
a) Selbstbehalt 643
Mit der Neufassung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG im Zuge der Einführung des VorstAG legt der Gesetzgeber verpflichtend die Vereinbarung von Selbstbehalten bei einer D&O-Versicherung für Vorstandsmitglieder einer AG fest. Das gilt allerdings nur, wenn überhaupt eine solche Versicherung besteht3. Es entsprach der Intention des Gesetzgebers, den Abschluss einer D&O-Versicherung nicht zwingend vorzuschreiben, sondern auf freiwilliger Basis zu gestalten4. Ein Organmitglied kann bis zur Höhe des Selbstbehalts zur Regulierung von ihm verschuldeter Schäden herangezogen werden. Jedoch bleibt es der einzelnen Führungskraft unbenommen, sich persönlich durch eine Zusatzversicherung auch vor diesem Risiko adäquat zu schützen. Die neue gesetzliche Regelung zum Selbstbehalt greift aber nur für Vorstände ein, nicht jedoch für Aufsichtsratsmitglieder sowie für Geschäftsführer einer GmbH oder Personengesellschaft5. Der Deutsche Corporate Governance Kodex sieht jedoch eine Empfehlung für einen Aufsichtsratsmitglieder gleichermaßen einbeziehenden Selbstbehalt vor. Die Höhe des vertraglich geregelten Selbstbehalts muss mindestens 10 % des einzelnen Schadensfalles wie auch insgesamt das 1,5-fache der festen Jahresvergütung des Vorstandsmitglieds betragen6. Die letztere Höchstgrenze bezieht sich auf alle Schadensfälle in einem Jahr. Für ältere, vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossene Versicherungsverträge gilt, dass diese spätestens bis zum 1.7.2010 an die neuen gesetzlichen Bestimmungen angepasst sein müssen7.
1 MüKoAktG/Habersack, § 113 AktG Rz. 13; Schüppen/Sanna, ZIP 2002, 550, 552; Lange, ZIP 2001, 1524, 1526 ff. 2 MüKoAktG/Spindler, § 93 AktG, Rz. 176. 3 Hecker, BB 2009, 1654, 1655; Olbrich/Kassing, BB 2009, 1659. 4 BT-Drucks. 16/13433, S. 17. 5 van Kann, NZG 2009, 1010, 1011. 6 Ek, D. IV. 2b), S. 229; Fleischer, NZG 2009, 801, 806. 7 Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1354; Bosse, BB 2009, 1650, 1652.
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Rz. 645 Teil 3
Haftung und D&O-Versicherungen
Formulierungsbeispiel 1. Die…-Gesellschaft schließt für im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit pflichtwidrig verursachte Schäden des Mitarbeiters … eine D&O-Versicherung entsprechend der anliegenden Versicherungsbedingungen ab. Die Versicherungsbeiträge werden von der Gesellschaft gezahlt. Die Deckungshöchstsumme der Versicherung beträgt… Euro; es werden Schäden im Innen- und Außenverhältnis erfasst. 2. Der Mitarbeiter haftet beim Eintreten der Versicherung mit einem Selbstbehalt von 10 %/15 %/20 %… der jeweiligen einzelnen Schadenshöhe und jährlich bis zu höchstens Euro… (bei Vorständen einer AG ist der Selbstbehalt zwingend, § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG, Mindesthöhen sind zu beachten; sonst fakultativ) 3. Bei Vorsatz haftet der Mitarbeiter in jedem Fall unbeschränkt persönlich, die Versicherung tritt in diesem Fall nicht zur Schadensregulierung ein.
b) Anspruchserhebung, Ausschlüsse Von der Versicherung wird im Regelfall Ersatz geleistet für alle Vermögensschäden, welche nicht vorsätzlich herbeigeführt wurden. In einigen Versicherungsverträgen wird stattdessen die Formulierung „wissentliche Pflichtverletzungen“ gewählt. Diese Klausel knüpft andere Anforderungen an den Verschuldensgrad. Denn vom Versicherungsschutz werden einerseits auch Fälle ausgeschlossen, in denen eine positive Kenntnis der Pflichtwidrigkeit seitens des Mitarbeiters besteht, aber der Eintritt des Verstoßes nicht gewünscht ist. Andererseits ist ein Eventualvorsatz, also das bloße Für-Möglich-Halten der Pflichtverletzung, danach für einen Ausschluss nicht genügend1. Es empfiehlt sich – sowohl für das Unternehmen wie auch das Organ – die einzelnen Versicherungsbindungen genau zu studieren.
644
Voraussetzung für das Eintreten der Versicherung ist in vielen D&O-Policen ofttmals, dass der Anspruch gegen das Organmitglied während des Versicherungszeitraums geltend gemacht wird. Maßgeblich ist hierbei das sog. „Claimsmade-Prinzip“, wobei auf den Zeitpunkt der Anspruchserhebung und nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverletzung (Verstoß- oder Verursachungsprinzip) abgestellt wird. Es ist danach entscheidend, wann der Haftpflichtanspruch gegen den versicherten Manager erhoben wird – und ob zu diesem Zeitpunkt die Versicherung noch besteht2. Einige Versicherungsbedingungen sehen eine schriftliche Anspruchserhebung vor, während andere Versicherer in ihren Konditionen eine mündliche Geltendmachung genügen lassen. Gehen die Versicherungsbedingungen von dem „Claims-made-Prinzip“ aus, sollte das Organ sich vertraglich dahingehend absichern, dass der Versicherungsschutz auch nach Beendigung des Dienstvertrages für einen angemessenen Zeitraum aufrecht erhalten wird, beispielsweise für fünf Jahre.
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1 Koch, WM 2007, 2173, 2179. 2 Lange, r+s 2006, 177.
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Teil 3 Rz. 646 646
Typische Vertragsklauseln
Durch die 2008 in Kraft getretene Reform des VVG ist eine Vereinbarung nunmehr unwirksam, wonach der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer ohne dessen Einwilligung den Dritten befriedigt oder seine Ansprüche anerkennt (§ 105 VVG)1. Ferner ist nach der Reform möglich, den Freistellungsanspruch an den Dritten abzutreten; ein Ausschluss in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) ist nicht mehr gestattet, § 108 Abs. 2 VVG2.
! Praxishinweis Enthält ein Anerkenntnis jedoch juristisch unbegründete oder zu umfangreiche Zugeständnisse, ist der Versicherer daran nicht gebunden und kann ganz oder teilweise die Leistung gegenüber dem Versicherungsnehmer verweigern. Die Leistungspflicht besteht dann nur in Höhe des berechtigten Anspruchs3.
II. Steuerrecht 1. Haftung 647
Haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft wegen Pflichtverletzung auf Schadensersatz, hat die Gesellschaft den Schadensersatzanspruch erfolgswirksam zu aktivieren4. Unterlässt dies die Gesellschaft, ist die Steuerbilanz zu berichtigen. Die Schadensersatzforderung der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer ist dann im Wirtschaftsjahr der Entstehung (erstmalig) anzusetzen5. Erfüllt der Geschäftsführer die Schadensersatzverpflichtung, handelt es sich um einen erfolgsneutralen Aktivtausch (Bank/Kasse an Forderung). Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt daher weder bei der Aktivierung eines Schadensersatzanspruchs noch dann vor, wenn die Gesellschaft den Schadensersatzanspruch erst zu einem späteren Zeitpunkt (im Regelfall im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung) erstmalig ansetzt.
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Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann erst vorliegen, wenn die Gesellschaft auf die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs verzichtet. Auf der Ebene der Gesellschaft führt dies zu Betriebsausgaben, obwohl der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnisses veranlasst ist. Da der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, wird außerbilanziell das zu versteuernde Einkommen der Gesellschaft um den Nennbetrag der Schadenersatzforderung erhöht. Ist die Schadenersatzforderung nicht mehr werthaltig (der Gesellschafter befindet sich erkennbar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten), dürfte eine verdeckte Gewinnausschüttung auch nur noch in Höhe des werthaltigen Teils der Schadensersatzforderung vorliegen. 1 2 3 4 5
Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann, § 28 Rz. 7 b. Koch, WM 2007, 2173, 2177. BT-Drucks. 16/3806, 86. BFH v. 13.11.1996 – I R 149/94, GmbHR 1997, 315. Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 1356 bei Schadensersatzanspruch wegen Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot.
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C. Liebscher/Menkel
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Rz. 652 Teil 3
Haftung und D&O-Versicherungen
2. D&O-Versicherung Beiträge der Kapitalgesellschaft zu D&O-Versicherungen von Mitgliedern von Leitungsorganen sowie Aufsichtsräten sind betrieblich veranlasst, wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten sind1. Diese Voraussetzungen sind verkürzt:
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– die D&O-Versicherung dient in erster Linie der Absicherung des Unternehmens vor Schadensersatzforderungen Dritter wegen Handlungen/Unterlassungen von Mitgliedern der Leitungsorgane; – der Versicherungsanspruch aus den Verträgen steht dem Unternehmen als Versicherungsnehmer zu; – sämtliche Mitglieder der Leitungsorgane werden versichert und nicht lediglich einzelne Personen; – Basis der Prämienkalkulation sind nicht individuelle Merkmale der versicherten Organmitglieder, sondern Betriebsdaten des Unternehmens; die Versicherungssummen müssen das übliche Privatvermögen übersteigen. Nach Finanzverwaltung gilt dies einheitlich für Geschäftsführer einer GmbH, Vorstände von Genossenschaften und Aktiengesellschaften sowie Aufsichtsratsmitgliedern. Für statutarisch vorgesehene Beiratsmitglieder wird dies ebenfalls anzunehmen sein.
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Dagegen hat das FG München im Urteil vom 5. August 2002 gemeint, dass Beiträge zu D&O-Versicherungen bei Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft zu Arbeitslohn führen2. Nach FG München bestehe die eigenbetriebliche Veranlassung des Arbeitgebers darin, durch die D&O-Versicherung den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber zu versichern. Ein arbeitsrechtlicher Freistellungsanspruch könne nur bei Geschäftsführern einer GmbH oder Prokuristen anerkannt werden, da diese weisungsabhängig seien. Dagegen handeln Vorstandsmitgliedern nach § 76 AktG weisungsunabhängig, sodass ein Freistellungsanspruch nicht in Betracht komme.
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Der Entscheidung des FG München ist nicht zu folgen. Sie ist – soweit ersichtlich – von der Finanzverwaltung auch nicht aufgegriffen worden. Das FG München verengt das eigenbetriebliche Interesse der Gesellschaft auf den arbeitsrechtlichen Freistellungsanspruchs des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber wegen gefahrgeneigter Arbeit. Das eigenbetriebliche Interesse im (lohn-) steuerrechtlichen Sinne geht darüber hinaus. Ein eigenbetriebliches Interesse liegt schon vor, wenn bei objektiver Würdigung aller Umstände des Einzelfalles die Gewährung des Vorteils nicht als Entlohnung anzusehen ist, sondern als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen des Arbeitgebers3. Eine D&O-Versicherung versichert sowohl den „Innenschadensersatz-
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1 Gleichlautende Erlasse der Länder, z.B. Finanzministerium Niedersachsen, Erlass v. 25.1.2002 – S 2332-161-35/S 2245-21-312, FR 2002, 258. 2 FG München v. 5.8.2002 – 7 K 5726/00; die Ausführungen waren allerdings für die Entscheidung des Falles nicht tragend. 3 BFH v. 25.5.2000 – VI R 195/98, BStBl. 2000 II, 690.
Menkel
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Teil 3 Rz. 652
Typische Vertragsklauseln
anspruch“ der Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand gem. § 93 AktG als auch die „Außenhaftung“ über § 31 BGB. Wenn dieses Haftungsrisiko von den Vorständen persönlich getragen werden müsste, würden sie jede Maßnahme, die über das Tagesgeschäft hinausgeht, zum Gegenstand eines Hauptversammlungsbeschlusses machen, um die Freistellung gemäß § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG zu erreichen. Dies würde die unternehmerische Tätigkeit der Aktiengesellschaft hemmen, wenn nicht sogar lähmen. Es liegt daher im eigenen betrieblichen Interesse der Aktiengesellschaft, dass die Vorstandsmitglieder unternehmerisch agieren können, ohne dem Risiko ständiger Haftung ausgesetzt zu sein.
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I. Kündigungsregelungen I. Allgemeines Zwar hält das Arbeitsrecht bezüglich einer Kündigung eine ganze Reihe Vorschriften parat, von denen auch nicht einzelvertraglich abgewichen werden kann, etwa das KSchG. So ist beispielsweise ein Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage im bestehenden Arbeitsverhältnis und damit auch bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht möglich1. Trotzdem empfiehlt es sich, in den Grenzen des Zulässigen bereits im Anstellungsvertrag Regelungen im Hinblick auf eine etwaige zukünftige Kündigung zu treffen.
653
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte Das für Arbeitnehmer-Führungskräfte bedeutsamste Schutzgesetz ist das KSchG. Beim KSchG handelt es sich um zwingendes Recht, so dass von ihm arbeitsvertraglich nicht abwichen werden kann. Praxisrelevant sind dagegen die einzelvertragliche Modifikation von Kündigungsfristen und die Vereinbarung einer Probezeit. Die Vereinbarung einer Probezeit, während der das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann, ist möglich. Ihre Dauer darf aber sechs Monate nicht überschreiten, vgl. § 622 Abs. 3 BGB.
654
§ 622 BGB ist grundsätzlich zwingendes Recht. Abweichungen von den in Abs. 1 und Abs. 2 geregelten Kündigungsfristen sind nur im Rahmen von § 622 Abs. 4 und Abs. 5 BGB zulässig. Einzelvertraglich können kürzere Fristen als die in § 622 Abs. 1 BGB genannte Kündigungsfrist nur dann vereinbart werden, wenn es sich bei dem Arbeitsverhältnis, um eine Aushilfstätigkeit handelt, die eine Dauer von drei Monaten nicht überschreitet, oder der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet, § 622 Abs. 5 BGB. Eine einzelvertragliche Verlängerung der Kündigungsfristen aus § 622 Abs. 1 und Abs. 3 BGB bleibt jedoch davon unberührt, vgl. § 622 Abs. 5 Satz 3 BGB. Soll die vertragliche Kündigungsfrist verlängert werden, ist zu beachten, dass gem. § 622 Abs. 6 BGB für Kündigungen des Arbeitnehmers keine längeren Kündigungsfristen vereinbart werden dürfen wie für Kündigungen durch den Arbeitgeber. Zudem ist bisher ungeklärt, ob die Verlängerung der Kündigungsfrist für Arbeitnehmer auf fünfeinhalb Jahre beschränkt ist, vgl. § 624 Satz 1 und Satz 2 BGB oder, ob die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers eine weitergehende Beschränkung gebietet. Gerade bei Führungskräften bietet sich eine längerfristige Bindung des Arbeitnehmers an. Um den vorstehenden Bedenken im Hinblick auf die Berufsfreiheit Rechnung zu tragen und keine Unwirksamkeit der Klausel zu riskieren, erscheint es ratsam, eine Verlängerung der Kündigungsfrist um mehr als ein Jahr jedenfalls nur in Ausnahmefällen und bei Vorliegen besonderer Gründe vorzuneh-
655
1 Vgl. etwa Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 ff., 1617 m.w.N.
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Teil 3 Rz. 656
Typische Vertragsklauseln
men. Möglich bleibt auch eine Anpassung der Kündigungsfrist des Arbeitnehmers an die verlängerten Kündigungsfristen des Arbeitgebers nach § 622 Abs. 2 BGB. Wird die Kündigungsfrist in einer Allgemeinen Geschäftsbedingung verlängert, so unterfällt die Klausel einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Unangemessen i.S.v. § 307 BGB kann etwa eine Klausel sein, die eine vierjährige Bindung des Arbeitsnehmers festlegt und eine Kündigung nur mit einer Frist von sechs Monaten zum Ablauf des Vier-Jahres-Zeitraums zulässt1. Formulierungsmuster Die ersten sechs Monate gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden (vgl. § 622 Abs. 3 BGB). Danach ist das Arbeitsverhältnis für beide Parteien mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende kündbar. Im Übrigen verlängert sich die Kündigungsfrist nach Maßgabe des § 622 Abs. 2 BGB.
656
Bei Arbeitnehmer-Führungskräften, die konzernweit eingesetzt werden, sollte im Anstellungsvertrag vereinbart werden, inwieweit eine Betriebszugehörigkeit zu einer anderen Konzerngesellschaft bei der Bestimmung der maßgeblichen Kündigungsfrist Berücksichtigung finden soll.
III. Vorstand 1. Allgemeines 657
Das Aktienrecht geht von dem Grundsatz aus, dass Vorstandsverträge auf bestimmte Zeit geschlossen werden – im Regelfall auf fünf Jahre. Lediglich im Fall einer Erstbestellung ist die Vertragslaufzeit häufig kürzer bemessen. Der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds ist damit in der Regel gem. § 620 Abs. 1 BGB ordentlich unkündbar.
2. Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts 658
Da eine solche starre Bindung unter Umständen den Interessen der Parteien nicht gerecht wird, scheint die Vereinbarung einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit für beide Vertragspartner naheliegend. Nach der überwiegenden Auffassung gerät eine solche Vereinbarung allerdings mit der eigenverantwortlichen Leitungsmacht des Vorstandsmitglieds in Konflikt. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung: Die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch die Gesellschaft entzöge auch der Organstellung faktisch ihre Grundlage. Das Vorstandsmitglied wird ohne Anstellungsvertrag kaum gewillt sein, seine Organstellung weiter zu bekleiden und in der Regel sein Amt niederlegen. Die Gesellschaft könnte damit mittelbar eine Auflösung der Organstellung unter Umgehung des Erfordernisses eines wichtigen Grundes i.S.v. § 84 1 LAG München v. 22.8.2007 – 11 Sa 1277/06.
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Rz. 660 Teil 3
Kündigungsregelungen
Abs. 3 Satz 2 AktG herbeiführen1. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit kann aber für den Fall vereinbart werden, dass bereits eine Abberufung aus wichtigem Grund gem. § 84 Abs. 3 AktG erfolgt ist oder gleichzeitig erfolgt2. Die Vereinbarung eines solchen ordentlichen Kündigungsrechts hat damit nur aber immer dann eine eigenständige Bedeutung, wenn zwar ein Sachverhalt vorliegt, der eine Abberufung aus wichtigem Grund im Sinne § 84 Abs. 3 AktG, nicht aber eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages nach § 626 BGB rechtfertigt. Denkbar ist dies insbesondere dann, wenn die Abberufung auf einen Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung gestützt wird3. Eine solche Vereinbarung ist zulässig, sofern sie vom Gesamtaufsichtsrat und nicht nur einem vorbereitenden Ausschuss beschlossen wurde4. Formulierungsmuster Dieser Anstellungsvertrag ist unter Berücksichtigung der Fristen aus § 622 BGB ordentlich kündbar, wenn das Vorstandsmitglied gem. § 84 Abs. 3 AktG abberufen worden ist oder gleichzeitig mit der Kündigung abberufen wird. Gleiches gilt, wenn das Vorstandsmitglied sein Amt niederlegt oder die Amtsstellung auf Grund einer Umwandlung der Gesellschaft endet.
659
Zur Umwandlung der Gesellschaft s. Teil 5 Rz. 262.
3. Aufzählung außerordentlicher Kündigungsgründe Im Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitglieds können grundsätzlich Gründe, die eine außerordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen sollen, im Einzelnen aufgezählt werden. Kommt es in der Folge zu einem der beschriebenen Verstöße, so bedarf es zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung keiner Interessenabwägung im Einzelfall mehr5. Nach allgemeiner Auffassung kann etwa festgelegt werden, dass alle Gründe, die eine Abberufung rechtfertigen können, auch zugleich Gründe für eine außerordentliche Kündigung darstellen sollen. Zu beachten ist aber, dass das Recht zur außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB durch eine einzelvertragliche Vereinbarung weder erschwert noch erweitert werden darf. Kann deshalb der festgelegte Grund für sich genommen schon keine außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB bedingen, so ist zwar die Vertragsauflösung möglich, aber erst unter Einhaltung der Kündigungsfrist nach § 622 BGB6. 1 Vgl. Steinbeck/Menke, DStR 2003, 940 ff., 940 f.; Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 158; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 149 m.w.N. 2 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 149; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rz. 55; so bereits BGH v. 16.12.1953 – II ZR 41/53, NJW 1954, 505 ff., 507. 3 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 149. 4 Vgl. Steinbeck/Menke, DStR 2003, 940 ff., 941. 5 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 452. 6 BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 ff., 2684; siehe auch Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 84 Rz. 150.
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660
Teil 3 Rz. 661 661
Typische Vertragsklauseln
Als außerordentlicher Kündigungsgrund kann nach überwiegender Auffassung in einem Vorstandsvertrag auch die Abberufung als Organmitglied vorgesehen werden. Bedenklich erscheint dies allerdings für den Fall der Abberufung wegen eines Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung. Hält man eine entsprechende Vertragsgestaltung in der AG unter Berücksichtigung von § 622 BGB grundsätzlich für zulässig1, bleibt unter Umständen die Regelung des § 622 Abs. 6 BGB als Wirksamkeitshürde, wonach die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers nicht länger sein darf als diejenige des Arbeitgebers. Zwar ist noch weitgehend ungeklärt, ob diese auch für die Aktiengesellschaft gilt. Trotzdem erscheint es – insbesondere für vorsichtige Gesellschaften – ratsam, dem Vorstandsmitglied für den Fall der Amtsniederlegung dasselbe Lösungsrecht einräumen, wie der Gesellschaft bei einer Abberufung.
4. Kopplungsklauseln 662
Die strikte rechtliche Trennung von Organ- und Anstellungsverhältnis birgt für die Gesellschaft erhebliche, insbesondere finanzielle Risiken. Wird das Organverhältnis etwa durch eine Abberufung vorzeitig beendet, ändert dies grundsätzlich nichts an dem im Anstellungsverhältnis wurzelnden Vergütungsanspruch. Das ehemalige Organmitglied hat damit einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung bis zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Um dies zu verhindern ist in der Praxis das Bestreben erkennbar, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung das Schicksal von Organ- und Anstellungsverhältnis miteinander zu verknüpfen. Eine vertragliche Verknüpfung von Organ- und Anstellungsverhältnis ist nach Auffassung des BGH grundsätzlich nicht bereits auf Grund des Trennungsprinzips ausgeschlossen. Dieses gebiete nicht unabdingbar, dass jede Verknüpfung zwischen den beiden Rechtsverhältnissen zu unterbleiben habe2.
663
Rechtlich betrachtet, handelt es sich bei Kopplungsklauseln in der Regel um die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für das Anstellungsverhältnis3. Verbreitet wird aber auch schlicht die Beendigung der Organstellung als Grund für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages festgelegt4.
664
Allerdings soll den Organmitgliedern durch die Kopplungsklauseln nicht der zwingende Schutz der gesetzlichen Mindestkündigungsfristen (§§ 621, 622 Abs. 1 BGB) genommen werden. Daraus ergibt sich, dass auch bei einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses eines Organmitglieds durch eine Kopplungsklausel, die Vorschrift des § 622 Abs. 1 BGB nach überwiegender Auffassung zumindest entsprechend anwendbar ist5. Der BGH hat dazu ausgeführt, dass die Kündigung eines Dienstvertrages aus einem Grund, der lediglich kraft Vereinbarung zur vorzeitigen Auflösung des Vertrages führt – also keinen wich1 2 3 4 5
Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 150; Spindler in: MüKoAktG, § 87 Rz. 168. BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 ff., 2683 f. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 237. Dazu etwa Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rz. 58. Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 168; Grumann/Gilmann, DB 2003, 771 ff., 772; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2342; differenzierend Henssler, RdA 1992, 289 ff., 291.
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Rz. 668 Teil 3
Kündigungsregelungen
tigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darstellt – nur unter der Wahrung der Mindestfrist des § 622 Abs. 1 BGB möglich ist1. Um sicherzugehen sollte in der Kopplungsklausel jedenfalls die Vier-Wochen-Frist Berücksichtigung finden. Die Bedeutung von Kopplungsklauseln kann sich danach im Wesentlich nur daraus ergeben, dass sie eine ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages entbehrlich machen2. Ist eine ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, insbesondere wegen einer Befristung, gem. § 620 Abs. 1 BGB nicht möglich, hilft auch eine Kopplungsklausel nicht weiter. Sie geht nach Ansicht des BGH in solchen Fällen ins Leere3. Folglich kann dann nur eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommen, die allerdings eines wichtigen Grund i.S.v. § 626 BGB bedarf4. Eine vertragliche Regelung, nach der die Abberufung des Organmitglieds als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung anzusehen sein soll, ist jedenfalls im Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers unwirksam (siehe dazu unten Rz. 678). Bei einem Vorstandsmitglied bleibt – solange man eine entsprechende Klausel in einem Vorstandsvertrag für zulässig hält – § 622 Abs. 6 BGB zu berücksichtigen. Trotz der bisher unterbliebenen Klärung seiner Anwendbarkeit auf den Dienstvertrag eines Vorstandsmitglieds, sollte doch aus Sicherheitsgründen für das Vorstandsmitglied im Fall einer Amtsniederlegung dieselbe Kündigungsfrist vorgesehen werden wie für die Gesellschaft im Fall einer Abberufung (vgl. dazu bereits unter Rz. 664).
665
Mit einem Vorstandsmitglied könnte etwa folgende Klausel vereinbart werden5:
666
Wird die Bestellung zum Vorstand wirksam widerrufen oder legt das Vorstandsmitglied berechtigterweise sein Amt nieder, endet der Dienstvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats nach dem Widerruf oder der Amtsniederlegung.
Verlängert sich die Kündigungsfrist für die Gesellschaft in entsprechender Anwendung von § 622 Abs. 2 BGB, kann die Geltung der verlängerten Kündigungsfrist auch für das Vorstandsmitglied vereinbart werden6.
667
Handelt es sich bei der Kopplungsklauseln um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, sollte, um einem Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) entgegen zu wirken, auf ein eindeutige Formulierung insbesondere der Gründe, die zu einer Aufhebung des Anstellungsvertrages führen sollen geachtet werden7.
668
1 2 3 4 5 6 7
BGH v. 29.5.1989 – II ZR 220/88, NJW 1989, 2683 ff., 2684. Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 238. BGH v. 12.6.1999 – II ZR 27/98, NZG 1999, 1215 f. BGH v. 12.6.1999 – II ZR 27/98, NZG 1999, 1215 f. Klauselvorschläge auch bei Grumann/Gillmann, DB 2003, 770 ff., 773. Vgl. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2343. Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2342.
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Teil 3 Rz. 669
Typische Vertragsklauseln
5. Vereinbarung der Anwendbarkeit des KSchG 669
Das KSchG ist gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht auf Vorstandsmitglieder anzuwenden. Auch eine vertragliche Vereinbarung seiner Geltung kann im Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes nicht getroffen werden. Die aktuelle Rechtsprechung zum GmbH-Geschäftsführer (dazu Rz. 673 ff.) ist insofern nicht übertragbar. Ansonsten würde die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG eingeschränkt1.
6. Change-in-Control-Klauseln 670
Hierbei handelt es sich entweder um schuldrechtliche Vereinbarungen, die ein Sonderkündigungsrecht verbunden mit einem bestimmten Leistungsversprechen der Aktiengesellschaft an ihr Vorstandsmitglied bei vorzeitiger Beendigung des Anstellungsverhältnisses für den Fall eines näher konkretisierten Kontrollwechsels innerhalb der Aktiengesellschaft enthält (sog. single trigger)2. Häufiger anzutreffen sind aber Vereinbarungen, die bei Eintritt eines Kontrollwechsels und daraus resultierender Beendigung des Vorstandsmandats einen Abfindungsanspruch vorsehen (sog. double trigger)3. Die Leistung der Sondervergütung kann jedoch auch unabhängig vom Verbleib im Unternehmen und alleine an das Vorliegen eines Kontrollwechsels geknüpft sein4. Solche Vereinbarungen sind nach der vorherrschenden Auffassung zulässig5.
! Praxishinweis Die Rechtsprechung des BGH im „Mannesmann-Urteil“ kann auch Auswirkungen auf CIC-Klauseln haben. Auch hier wird zwischen der ursprünglich vereinbarten CIC-Regelung und einer nachträglichen Vereinbarung zu unterscheiden sein. Ursprüngliche CIC-Regelungen im Anstellungsvertrag sind nach h.M. zulässig und nicht sorgfaltswidrig. Bei einer nachträglichen, freiwilligen Vereinbarung, wäre danach zu fragen, ob sie dem Unternehmen im Verhältnis zur Höhe der Abfindungsleistung angemessene Vorteile in der Zukunft bringt. 671
Kontrollwechsel bedeutet im Wesentlichen eine Veränderung der Mehrheit in der Hauptversammlung, über die eine Beherrschung des Aufsichtsrats abgeleitet wird. Die Kontrolle über den Aufsichtsrat führt über dessen Recht zur Bestellung der Vorstandsmitglieder zu einer mittelbaren Leitungsmacht. Die Vertragsklausel sollte eine möglichst konkrete Definition des „Kontrollwechsels“ beinhalten. Die Anknüpfungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von umwandlungsrechtlichen Vorgängen, über den Abschluss von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen bis zur Erreichung einer gewissen Beteiligungsschwelle6. 1 BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 432. 2 Vgl. Korts, BB 2009, 1876 ff., 1876; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Rz. 223 ff. mit Formulierungsbeispielen. 3 Vgl. Dörrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846 ff., 847. 4 Vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1613. 5 Vgl. Korts, BB 2009, 1876 ff., 1877. 6 Vgl. Dörrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846 ff., 847; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 3 Rz. 225; vgl. Confurius in: Hansen/Kelber/ Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1615.
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Rz. 673 Teil 3
Kündigungsregelungen
Knüpft die Klausel an einen unfreiwilligen Amtsverlust in Folge eines Kontrollwechsels an, handelt es sich bei ihr um eine regelmäßig zulässige Abfindungsvereinbarung. Problematischer sind Klauseln, die an die Ausübung des Sonderkündigungsrechts durch das Vorstandsmitglied anknüpfen. Insofern dürfte danach zu differenzieren sein, ob der Kontrollwechsel die Stellung des Vorstandsmitglieds beeinträchtigt. Nur wenn dies der Fall ist und die Höhe der Abfindung nicht über den Betrag der für die Restlaufzeit des Vertrages geschuldeten Vergütung hinausgeht, dürfte die Vereinbarung als zulässig anzusehen sein1.
672
Formulierungsmuster (Double-trigger-Klausel)2 (1) Endet das Anstellungsverhältnis vorzeitig auf Grund eines Kontrollwechsels, erhält das Vorstandsmitglied zum Zeitpunkt seines Ausscheidens X % der Summe der Bezüge, die es für die Restlaufzeit seines Anstellungsvertrages bis zum vereinbarten Ende erhalten hätte, wenn der Vertrag erfüllt worden wäre. (2) Ein Kontrollwechsel i.S.v. Abs. 1 liegt immer dann vor, wenn ein Dritter oder mehrere gemeinsam handelnde Dritte mehr als X % der Geschäftsanteile der Gesellschaft erwerben. (… ggf. weitere Fälle eines Kontrollwechsels einfügen). Der Erwerb muss zu einer nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung der Stellung als Vorstandsmitglied führen. Dies ist insbesondere anzunehmen bei: – wesentlichen Veränderungen der Unternehmensstrategie – wesentlichen Veränderungen des Dienstortes … (3) Der Anspruch entsteht, frühestens im Zeitpunkt der dinglichen Übertragung der Geschäftsanteile, wenn der Übertragung keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegenstehen. Er entsteht nicht, wenn das Anstellungsverhältnis auch ohne den Kontrollwechsel innerhalb der nächsten X Monate automatisch, etwa auf Grund der Befristung oder dem Erreichen der Altersgrenze, geendet hätte. Ferner steht dem Anspruch eine wirksame außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 626 BGB entgegen.
IV. Geschäftsführer 1. Vereinbarung der Geltung des KSchG Die Vereinbarung der Geltung des KSchG zu Gunsten insbesondere eines GmbH-Geschäftsführers ist bisher eher unüblich gewesen. Durch zwei aktuelle Entscheidungen des BGH hat die Problematik jüngst stärkere Beachtung gefunden3. 1 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 87 Rz. 86. 2 In Anlehnung an Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 3 Rz. 230. 3 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZG 2010, 827 ff.; v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112 ff.; dazu Diller, NZG 2011, 256 ff.
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673
Teil 3 Rz. 674
Typische Vertragsklauseln
674
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG schließt die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes für Mitglieder des gesetzlich zur Vertretung berufenen Gesellschaftsorgans aus. Weder ein Geschäftsführer einer GmbH noch ein Vorstandsmitglied kann sich demnach auf die Regelungen des KSchG berufen. Dies gilt selbst dann, wenn der Geschäftsführer entgegen der Regel in einem Ausnahmefall doch als Arbeitnehmer anzusehen wäre1. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG entfaltet insofern eine negative Fiktionswirkung2.
675
Angehenden Geschäftsführern kann daher daran gelegen sein, sich abzusichern. Naheliegend erscheint es aus ihrer Sicht in einem Geschäftsführerdienstvertrag die Geltung des KSchG zu vereinbaren. Nach Ansicht des BGH kann in einem Geschäftsführeranstellungsvertrag wirksam festgelegt werden, dass für die Kündigung des Vertrages die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes Anwendung finden sollen3. Eine solche vertragliche Ausdehnung des Kündigungsschutzes sei mit der Organstellung des Geschäftsführers vereinbar und stelle keinen Eingriff in die Binnenstruktur der Gesellschaft dar4. Zudem entfalte § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Sperrwirkung zu Lasten von Organmitgliedern5. In einer anderen aktuellen Entscheidung des BGH6 ging es um die Vereinbarung der entsprechenden Geltung des BAT im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers. Nach Ansicht des BGH führt selbst ein pauschaler Verweis auf den BAT ggf. zur tariflichen Unkündbarkeit des Geschäftsführers nach § 53 Abs. 3 BAT.
676
Ratsam ist eine solche Regelung allerdings nicht. Zutreffend wird insofern auf die schwierigen Folgefragen hingewiesen, die sich daraus ergeben, dass das KSchG in keiner Weise auf Organmitglieder abgestimmt ist7.
677
Als unzulässig anzusehen ist die Vereinbarung der Anwendbarkeit des KSchG auf Grund der entsprechenden Geltung von § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG jedenfalls in einer mitbestimmten GmbH8. Entsprechend den Ausführungen zum Vorstandsmitglied (Rz. 669) steht insofern die Entschließungsfreiheit des Aufsichtsrats entgegen.
2. Festlegung von Gründen für eine außerordentliche Kündigung 678
In Geschäftsführer-Anstellungsverträgen können grundsätzlich Kündigungsgründe deklariert werden, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen sollen9. Dazu können etwa Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot, die Miss1 Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 ff., 709. 2 Vgl. BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168 ff., 169. 3 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZG 2010, 827 ff.; dazu Jaeger, DStR 2010, 2312 ff. und Stagat, NZG 2010, 975 ff.; OLG Hamm v. 20.11.2006 – 8 U 217/05, GmbHR 2007, 442 ff., das allerdings im Verlust der Organstellung einen personenbedingten Kündigungsgrund erblickt; ablehnend Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 ff., 712 f. 4 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZG 2010, 827 ff., 828; a.A. Bauer/Arnold, ZIP 2010, 709 ff., 712. 5 BGH v. 10.5.2010 – II ZR 70/09, NZG 2010, 827 ff., 828. 6 BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112 f. = NJW 2011, 920 f. 7 Diller, NZG 2011, 254 ff., 256. 8 Dzida, NJW 2010, 2343 f., 2345. 9 Vgl. dazu Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 451 f.
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Rz. 678 Teil 3
Kündigungsregelungen
achtung von Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis oder Weisungen der Gesellschafterversammlung gehören. Jedoch gelten insofern für den Geschäftsführer die Ausführungen im Hinblick auf den Anstellungsvertrag eines Vorstandsmitgliedes entsprechend (vgl. Rz. 660). Folglich gilt auch hier, dass die Darlegung von außerordentlichen Kündigungsgründen nur die Interessenabwägung im Einzelfall entbehrlich machen kann, nicht aber die Prüfung, ob der vertraglich vorgesehene Grund an sich auch tatsächlich eine außerordentliche Kündigung i.S.v. § 626 BGB rechtfertigt1. Dies gilt selbst für die Vereinbarung der Abberufung als außerordentlichen Kündigungsgrund. Während die Abberufung eines Vorstandsmitglieds im Aktienrecht an einen wichtigen Grund gebunden ist, kann im Recht der GmbH der Geschäftsführer auch ohne einen wichtigen Grund jederzeit abberufen werden, § 38 Abs. 1 GmbHG. Auf das tatsächliche Vorliegen eines Kündigungsgrundes i.S.v. § 626 BGB zu verzichten, würde ansonsten eine nahezu grenzenlos Kündigungsmöglichkeit bewirken.
1 Vgl. Wisskirchen/Kuhn in: BeckOK GmbHG, § 6 Rz. 154; Reiserer, BB 2002, 1199 ff., 1200; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 388; Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rz. 133; einschränkend Zöllner/Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 35 Rz. 223: nur Berücksichtigung bei Zumutbarkeit.
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J. Befristungsabreden 679
Arbeitgeber können nicht nur ein Interesse an einer Befristung des Arbeitsverhältnisses insgesamt haben (dazu unten Teil 4 Rz. 382 f.). Auch eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen wird oftmals erwogen. Praktische Bedeutung hat hier in jüngerer Zeit eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit erlangt1. In Betracht kommt eine Befristung aber für praktisch alle wesentlichen Bestandteile des Anstellungsvertrages2. Sie liegt dann vor, wenn deutlich wird, dass die Bestimmung nicht dauerhaft sondern nur für eine gewisse Dauer gelten soll3.
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Das TzBfG ist auf die Befristung einzelner Vertragsbestandteile nicht – auch nicht entsprechend – anzuwenden4. So unterliegt sie etwa nicht dem Schriftformerfordernis des § 14 Abs. 4 TzBfG5. Prozessuale Folge ist, dass auch die Frist des § 17 Satz 1 TzBfG keine Anwendung findet. Der Arbeitnehmer kann eine Unwirksamkeit der Befristung einer einzelnen Arbeitsbedingung auch noch nach Ablauf von drei Wochen geltend machen6.
681
Eine entsprechende Vertragsgestaltung unterliegt allerdings der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB7. Bei der Befristung handelt es sich um eine kontrollfähige Nebenabrede8. Eine Inhaltskontrolle kann allerdings, insbesondere im bestehenden Arbeitsverhältnis ausscheiden, wenn die Befristung der Arbeitsbedingung im Einzelnen ausgehandelt worden ist9.
682
Eine Befristung von einzelnen Arbeitsbedingungen ist dann unwirksam, wenn sich aus einer Abwägung der Interessen der beiden Vertragspartner ergibt, dass die Befristung den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt10.
683
Im Rahmen der Inhaltskontrolle geht das BAG allerdings davon aus, dass auch die Sachgründe des § 14 TzBfG eine Rolle spielen können11. Sofern der Befristung der Arbeitsbedingung ein Sachverhalt zu Grunde liegt, der eine Befristung nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnte, wird eine unangemessene Benachteiligung in aller Regel nicht vorliegen12. Nach der § 14 TzBfG zu entnehmenden gesetzgeberischen Wertung, überwiege bei Vorliegen eines der dort aufgeführten Sachgründe das Arbeitgeberinteresse an der Befristung in aller Re1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Dazu BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff. Vgl. ErfK/Preis, § 310 Rz. 74; Maschmann, RdA 2005, 212 ff., 213. Maschmann, RdA 2005, 212 ff., 213. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff., 229; v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719 ff., 721 f. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 74. BAG v. 14.1.2004 – 7 AZR 213/03, NZA 2004, 719 ff., 721; Bauer, NZA 2011, 241 ff., 248. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff., 230. Vgl. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 75. Vgl. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 75. Lunk/Leder, NZA 2008, 504 ff., 506. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff., 230. Vgl. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff., 230; v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 ff., 1254 f.; ErfK/Preis, § 310 BGB Rz. 74.
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Rz. 685 Teil 3
Befristungsabreden
gel das Bestandsinteresse des Arbeitnehmers1. Anderes soll nach Ansicht des BAG nur gelten, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen2. Diese könnten etwa darin bestehen, dass der Arbeitnehmer vor Abschluss des befristeten Vertrags seinen Wunsch angezeigt hat, die Arbeitszeit in seinem unbefristeten Arbeitsverhältnis zu erhöhen, und der Arbeitgeber ihm dauerhaft verfügbare Zeitanteile entgegen § 9 TzBfG nicht zugewiesen hat3. Ob die Argumentation des BAG zur Berücksichtigung eines vorhandenen Sachgrundes nach § 14 Abs. 1 TzBfG auch auf die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 und 3 TzBfG übertragen werden kann, ist noch ungeklärt. Teilweise wird im Sinne eines Erst-recht-Schlusses argumentiert, die Befristung einer einzelnen Arbeitsbedingung dürfte nicht an höhere Voraussetzungen geknüpft sein als die Befristung des einzelnen Arbeitsvertrages4. Ob allerdings ohne Vorliegen eines Sachgrundes von einem grundsätzlichen Überwiegen des Befristungs- vor dem Bestandsschutzinteresse ausgegangen werden kann, erscheint zweifelhaft5. Die Entscheidung eine Befristung unter gewissen Bedingungen auch ohne Sachgrund zuzulassen, beruht wohl vielmehr auf beschäftigungspolitischen Erwägungen6. Zudem während auch die für die sachgrundlose Befristung geltenden zeitlichen Grenzen einzuhalten (dazu Rz. 413). Für die Vertragsgestaltung ist jedenfalls zu raten, einzelne Arbeitsbedingungen möglichst nur dann zu befristen, wenn sich dies mit einem der in § 14 Abs. 1 TzBfG genannten Sachgründe begründen lässt. Dass der Grund für die Befristung im Vertrag nicht genannt wird, führt nach Ansicht des BAG, jedenfalls bei einer kalendermäßigen Befristung, nicht zu einem Verstoß gegen das in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verankerte Transparenzgebot7. Die herrschende Auffassung im Schrifttum hält die Angabe des Befristungsgrundes in der Vertragsklausel generell für nicht erforderlich8.
684
Eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB ist nur durchzuführen, wenn von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, vgl. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Für sonstige Regelungen gilt nur das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Daraus ergibt sich für die Befristung von Arbeitsbedingungen zunächst, dass eine solche keinen Bedenken begegnet, sofern die Arbeitsbedingung der Ausgestaltung im Rahmen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts unterliegt. Könnte der Arbeitgeber die Arbeitsbedingung durch eine einseitige Weisung einführen oder ändern, so kann er dies auch befristet tun. Es handelt sich insofern nicht um eine Abweichung von einer gesetzlichen Regelung, solange die Weisung von § 106 GewO gedeckt ist.
685
1 2 3 4 5 6
Vgl. BAG v. 8.8.2007 – 7 AZR 855/06, NZA 2008, 229 ff., 231. BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 ff., 1255 f. BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 ff., 1256 f. Vgl. Lunk/Leder, NZA 2008, 504 ff., 507; Thüsing, RdA 2005, 257 ff., 265. Ebenfalls ablehnend Maschmann, RdA 2005, 212 ff., 215. So Schramm/Naber, NZA 2009, 1318 ff., 1321; Preis/Bender, NZA-RR 2005, 337 ff., 342. 7 BAG v. 2.9.2009 – 7 AZR 233/08, NZA 2009, 1253 ff., 1254; dazu auch Schramm/ Naber, NZA 2009, 1318 ff.; a.A. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 75. 8 So Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 8.; Maschmann, RdA 2005, 212 ff., 224; a.A. ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rz. 75.
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Teil 3 Rz. 686 686
Typische Vertragsklauseln
Betrifft die Befristung einen Entgeltbestandteil, ist bei der Angemessenheitskontrolle insbesondere der Anteil des Entgeltbestandteils an der Gesamtvergütung zu berücksichtigen. Je gewichtiger der Entgeltbestandteil ist, desto höhere Anforderungen sind auch an die Gewichtigkeit des Befristungsgrundes zu stellten1. Insofern dürfte auch weiterhin die für Widerrufsvorbehalte relevante Grenze von 25–30 % eine bedeutende Rolle spielen und einen gewissen Orientierungspunkt bilden. Die weitere Entwicklung in der Rechtsprechung lässt sich allerdings noch schwerlich vorhersehen und bleibt abzuwarten. Auch die Frage nach weitergehenden Befristungsmöglichkeiten bei Führungskräften, sprich Spitzenverdienern, ist noch ungeklärt2. Einiges dürfte allerdings dafür sprechen, bei ihnen eine weitergehende Flexibilisierung zuzulassen, um dem Arbeitgeber zu ermöglichen, befristet verstärkte Leistungsanreize zu setzen und diese an die jeweilige wirtschaftliche Situation etwa jährlich neu anpassen zu können3. Eine solche turnusmäßige Überprüfung und Anpassung ist im Bankenbereich sogar gesetzlich durch die Instituts-VergV (vgl. § 3 Abs. 11 InstitutsVergV) vorgegeben.
1 Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 6. 2 Siehe dazu bereits im Rahmen von Widerrufsklauseln, Rz. 53. 3 Vgl. Willemsen/Jansen, RdA 2010, 1 ff., 7.
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K. Fiktionsklauseln Unter der Bezeichnung Fiktionsklauseln lassen sich im Wesentlichen drei Klauseltypen verstehen. Fingiert werden können zunächst Tatsachen, an die Rechtsfolgen geknüpft werden. Bekanntestes Beispiel aus dem Zivilrecht dürfte wohl die Abnahmefiktion im Werkvertragsrecht sein. Im Arbeitsrecht spielt etwa die Fiktion des Zugangs von Willenserklärungen eine Rolle. Daneben ist es möglich, dass an ein bestimmtes (Erklärungs-)Verhalten Rechtsfolgen geknüpft werden sollen. Praktische Relevanz besitzt diese Fallgruppe insbesondere dann, wenn bereits einem Schweigen – abweichend von den allgemeinen Grundsätzen – rechtsgeschäftliche Bedeutung zugemessen werden soll. Schließlich können auch beide Klauseltypen miteinander verknüpft werden1.
687
Werden Fiktionsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, so sind die Vorgaben der §§ 305 ff. BGB zu beachten. Klauseln, die eine Willenserklärung bei einem bestimmten Verhalten – oftmals bei einem Schweigen – fingieren sollen, fallen zwar unter § 308 Nr. 5 BGB, sind aber dann nicht unwirksam, wenn dem Vertragspartner eine angemessene Frist zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eingeräumt wird und sich der Verwender verpflichtet, den Vertragspartner bei Beginn der Frist auf deren Bedeutung hinzuweisen. Die Hinweispflicht muss bereits in die Vertragsklausel aufgenommen worden sein, ansonsten ist die Klausel unwirksam2.
688
Als angemessene Frist werden mindestens etwa zwei Wochen angesehen3. Im Einzelfall kann jedoch auch eine Frist von über einem Monat erforderlich sein4. Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot wird es auch erforderlich sein, die Frist in der Klausel genau – etwa nach Wochen bestimmt – anzugeben. Nicht ausreichend ist es jedenfalls lediglich von einer „angemessenen Frist“ zu sprechen5. Daran gemessen dürfte folgende Klausel zulässig sein:
689
Formulierungsmuster Schweigt der Arbeitnehmer auf einen Antrag des Arbeitgebers zur Änderung des Arbeitsvertrages, so gilt dies als Zustimmung, wenn der Arbeitnehmer dem Antrag nicht binnen drei Wochen (alternativ um sicher zu gehen: ein Monat) ab Zugang widerspricht und der Arbeitgeber bei Fristbeginn auf die Bedeutung des Schweigens ausdrücklich hingewiesen hat.
1 Übersicht bei Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz.1688 f. 2 BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08, NZA 2009, 601 ff., 603; Boemke/Ulrici in: Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, BGB, § 308 Rz. 63. 3 Vgl. Palandt/Heinrich, § 308 Rz. 23; Kieninger in: MüKoBGB, § 308 Nr. 5 Rz. 13 m.w.N. 4 Vgl. den Überblick bei Kieninger in: MüKoBGB, § 308 Nr. 5 Rz. 13. 5 Becker in: BeckOK BGB, § 308 Nr. 5 Rz. 17.
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Teil 3 Rz. 690
Typische Vertragsklauseln
690
Soll dagegen nicht eine Willenserklärung, sondern eine Tatsache fingiert werden, ist das Klauselverbot des § 312 Nr. 12 Buchst. b BGB einschlägig. Es liegt in der Regel eine unzulässige Veränderung der Beweislast zu Gunsten des Verwenders vor. Zulässig ist allerdings eine sog. Vollständigkeitsklausel, nach der keine abweichende Nebenabreden zum geschlossenen Vertrag bestehen, solange dem Vertragspartner die Möglichkeit eines Gegenbeweises offengehalten wird1.
691
Eine entsprechende Klausel könnte etwa folgendermaßen formuliert werden2: Nebenabreden zu diesem Vertrag existieren nicht. Der Gegenbeweis bleibt beiden Parteien vorbehalten.
692
Enthält eine Allgemeine Geschäftsbedingung eine Bestimmung, nach der der Zugang einer Willenserklärung beim Vertragspartner fingiert werden soll, kann dies gegen § 308 Nr. 6 BGB verstoßen. § 308 Nr. 6 BGB gilt für alle Erklärungen von besonderer Bedeutung, insbesondere solche, an die für den Vertragspartner negative Rechtsfolgen geknüpft sind3. Dies kann bei Erklärungen der Fall sein, durch die weitergehende Pflichten begründet werden, aber auch bei einer Kündigung4. Wird etwa vereinbart, dass ein Kündigungsschreiben drei Tage nach dessen Aufgabe zur Post als zugegangen gelten soll, verstößt die Regelung gegen § 308 Nr. 6 BGB und ist damit unwirksam5.
1 BGH v. 19.6.1985 – VIII ZR 238/84, NJW 1985, 2329 ff., 2330 f.; vgl. auch Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1703. 2 Vgl. auch Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1702. 3 Vgl. Becker in: BeckOK BGB, § 308 Nr. 6 Rz. 16 ff. m.w.N. 4 Vgl. Becker in: BeckOK BGB, § 308 Nr. 6 Rz. 17. 5 Vgl. Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Rz. 1701.
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L. Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten I. Arbeitsrecht 1. Arbeitnehmer-Führungskräfte a) Allgemeines Die laufenden Fortentwicklungen insbesondere im technischen Bereich, machen es erforderlich, dass sich auch Führungskräfte etwa mit neuer Software, neuen Qualitätssicherungssystemen oder neuen Arbeitsmethoden vertraut machen. Dies kann im Wege von unternehmensinternen oder externen Schulungsmaßnahmen geschehen. Sowohl Arbeitgeber als auch die Führungskraft haben ein erhebliches Interesse am Besuch von Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen. Dem Arbeitnehmer kommen die erworbenen Kenntnisse bei seiner weiteren beruflichen Entwicklung zu gute, während der Arbeitgeber ein erhebliches Interesse daran hat, dass seine Mitarbeiter mit der technologischen Entwicklung Schritt halten und das Unternehmen vom erworbenen Know-how profitiert und dieses über einen gewissen Zeitraum für sich nutzbar machen kann.
693
Den Streitpunkt bildet zumeist die Kostentragung, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer nach Teilnahme einer vom Arbeitgeber finanzierten Fortoder Weiterbildungsveranstaltung aus dem Unternehmen ausscheidet. Eine vertragliche Regelung, durch die der Arbeitnehmer verpflichtet wird, bei einem Ausscheiden innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem Besuch einer vom Arbeitgeber finanzierten Schulungsveranstaltung die Kosten zurückzuerstatten, ist daher für solche Fälle gängige Praxis. Bei der Vertragsgestaltung gilt es, die divergierenden Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Ausgleich zu bringen. Das BAG hat in einer Reihe von Einzelfallentscheidungen gewisse Leitlinien entwickelt, an denen sich die Praxis orientieren kann. Grundsätzlich hält das Gericht Rückzahlungsklauseln für zulässig1.
694
b) Inhaltskontrolle Da es sich bei ihnen aber in aller Regel um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, unterliegen sie einer Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB. Rückzahlungsklauseln müssen daher insbesondere eindeutig und transparent formuliert sein (§ 307 Abs. 2 BGB) sowie einer Angemessenheitskontrolle standhalten. Ob das Transparenzgebot auch dazu verpflichtet, die Höhe der zurückzuzahlenden Summe bereits in die Vertragsklausel aufzunehmen, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt2. Für die Praxis erscheint es allerdings empfehlenswert, eine möglichst genaue Regelung zu treffen. 1 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, NZA 2004, 1035 ff., 1036; v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/ 04, NZA 2006, 542 ff., 543 m.w.N. 2 Offengelassen von BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342 ff.
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Teil 3 Rz. 696
Typische Vertragsklauseln
aa) Geldwerter Vorteil 696
Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle sind die gegenläufigen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegeneinander abzuwägen. Das BAG1 hat dazu ausgeführt, dass eine Rückzahlungsklausel nicht zu beanstanden sei, wenn die Rückzahlungsverpflichtung bei verständiger Betrachtung einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht und der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten hat. Die Abwägung hat sich vor allem daran zu orientieren, ob dem Arbeitnehmer durch die Fort- oder Weiterbildung ein geldwerter Vorteil zufließt2. Ein solcher Vorteil kann sich für den Arbeitnehmer etwa dann ergeben, wenn die neuerworbenen Kenntnisse seine Höhergruppierung bedingen, ihm bessere Verdienstmöglichkeiten eröffnen oder ihm die Begründung des Arbeitsverhältnisses erst ermöglichen. Andererseits kann es auch Schulungsveranstaltungen geben, die lediglich der Auffrischung vorhandener Kenntnisse dienen oder Lehrinhalte vermitteln, die nur im Betrieb des Arbeitgebers von Nutzen sind. In solchen Fällen fehlt es an einem geldwerten Vorteil. Eine Rückzahlungsklausel wird im Hinblick auf entsprechende Schulungen unzulässig sein3.
697
In prozessualer Hinsicht liegt die Darlegungs- und Beweislast bzgl. des geldwerten Vorteils beim Arbeitgeber4. Ihm obliegt es darzulegen und zu beweisen, inwiefern sich die Chancen des Arbeitnehmers am Arbeitsmarkt durch die erworbenen Kenntnisse verbessert haben. Nach der Rechtsprechung kommt dem Arbeitgeber allerdings eine Beweiserleichterung zu Gute: Er muss zunächst darlegen und beweisen, dass ein beruflicher Vorteil mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Nach Ansicht des BAG genügt der Arbeitgeber dem, wenn er substantiiert vorträgt, dass der Arbeitnehmer durch die Weiterbildung eine anerkannte Qualifikation erworben und ihm diese auch innerbetriebliche Vorteile gebracht hat, wobei diese Vorteile auch in der Einstellung selbst liegen können5.
698
Gelingt dem Arbeitgeber eine entsprechende Darlegung und ggf. der entsprechende Beweis, so ist es Sache des Arbeitnehmers darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass ein solcher geldwerter Vorteil in seinem Fall nicht eingetreten ist6.
bb) Anlass für das Rückzahlungsverlangen 699
Verschafft die Fortbildung der Führungskraft einen geldwerten Vorteil, ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, welcher Anlass eine Rückzahlungspflicht auslösen soll. Allgemein ist festzuhalten, dass eine Klausel nur dann der Ange1 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 ff., 108. 2 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, NZA-RR 2008, 107 ff., 108. 3 Vgl. BAG v. 19.2.2004 – 6 AZR 552/02, BeckRS 2004, 41231; vgl. auch Lingemann in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 8 Rz. 13. 4 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937 ff., 941 f.; Mengel in: Hümmerich/ Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 751. 5 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937 ff., 941. 6 BAG v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92, NZA 1994, 937 ff., 941.
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Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten
Rz. 701 Teil 3
messenheitskontrolle standhalten kann, wenn der Arbeitnehmer es selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungspflicht zu entgehen1. Unzulässig ist danach etwa eine Klausel, die den Arbeitnehmer auch dann zu Rückzahlung verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen beendet wird2. Keinen Bedenken begegnet dagegen die Vereinbarung einer Rückzahlungspflicht für den Fall einer verhaltensbedingten Kündigung3 oder einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers, sofern diese nicht durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers bedingt ist4. Auch für den Fall eines Auflösungsvertrages kann, jedenfalls wenn diesem verhaltensbedingte Ursachen zu Grunde liegen oder er auf Verlangen des Arbeitnehmers abgeschlossen wird, eine Rückzahlungspflicht wirksam vereinbart werden5. Schwierigkeiten können auch bereits während der Dauer der Fortbildungsveranstaltung auftreten. So ist es etwa möglich, dass der Arbeitnehmer die Schulung vorzeitig eigenmächtig abbricht oder die abschließende Prüfung nicht besteht. Auch für solche Fälle kann grundsätzlich eine Rückzahlungspflicht vereinbart werden. Sofern es um den Abbruch der Fortbildung geht, wird dem Arbeitnehmer aber in der Regel eine angemessene Überlegungsfrist eingeräumt werden müssen, innerhalb derer er die Fortbildung kennenlernen und sie ohne das Risiko eines Rückzahlungsverlangen abbrechen kann6. In einer aktuellen Entscheidung hat das BAG auch eine Klausel gebilligt, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung verpflichtete, wenn er auf eigenen Wunsch vor Abschluss der Weiterbildung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, sofern die erfolgreiche Weiterbildung für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist. Dies gelte grundsätzlich sogar dann, wenn die Weiterbildung in mehreren zeitlich voneinander getrennten Ausbildungsschritten absolviert werde7.
700
Beim Nichtbestehen der Prüfung sind die Ursachen für das Scheitern maßgeblich. Eine Rückzahlungsklausel ist etwa für den Fall zulässig, dass der Arbeitnehmer sein eigenes Leistungspotential nicht abruft, weil er beispielsweise nicht für die Prüfung lernt8. Ist der Arbeitnehmer dagegen intellektuell überfordert, liegt das Auswahlrisiko insofern beim Arbeitgeber9.
701
! Praxishinweis Für die Vertragsgestaltung ergibt sich die Schwierigkeit, dass sämtliche Gründe, die nicht zu einer Rückzahlung führen dürfen, ausdrücklich in der Klausel ausgenommen werden müssen. Werde diese Ausschlusstat1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 ff., 1044; vgl. allgemein Schmidt, NZA 2004, 1002 ff., 1005. 2 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 ff., 1045; LAG Hessen v. 20.10.2009 – 13 Sa 1235/09; Lingemann in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 8 Rz. 16. 3 BAG v. 24.6.2004 – 6 AZR 383/03, NZA 2004, 1035 ff. 4 LAG Hamm v. 18.2.2009 – 2 Sa 1138/08. 5 BAG v. 5.7.2000 – 5 AZR 883/98, NZA 2001, 394 ff., 395. 6 Vgl. BAG v. 20.2.1975 – 5 AZR 240/74, DB 1975, 1659 f., 1660; Stück, DStR 2008, 2020 ff., 2020. 7 BAG v. 19.1.2011 – 3 AZR 621/08. 8 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 439. 9 Vgl. Schmidt, NZA 2004, 1002 ff., 1005; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 439.
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Teil 3 Rz. 702
Typische Vertragsklauseln
bestände nicht aufgeführt, so bedingt dies die Unwirksamkeit der gesamten Rückzahlungsklausel1.
cc) Angemessene Bindungsdauer 702
Ist eine Klausel nach diesen Grundsätzen nicht zu beanstanden, darf sie, um der Angemessenheitskontrolle zu genügen, den Arbeitnehmer nicht unangemessen lange an das Unternehmen binden. Auch in diesem Zusammenhang sind die Vorteile der Schulung für den Arbeitnehmer und das Interesse des Arbeitgebers, möglichst lange von den vermittelten Kenntnissen zu profitieren gegeneinander abzuwägen. Im Ansatzpunkt lässt sich davon ausgehen, dass eine längere Fortbildung auch größere Vorteile für den Arbeitnehmer mit sich bringt und somit auch eine längere Bindung des Arbeitnehmers an das Unternehmen rechtfertigt. Die Länge der zulässigen Bindungsfrist hat sich nach der Rechtsprechung des BAG deshalb an der Dauer der Schulung zu orientieren. Aus der folgenden Übersicht lassen sich die von der Rechtsprechung diesbezüglich entwickelten Orientierungswerte entnehmen2: Lehrgangsdauer
Bindungsdauer
bis zu 1 Monat
bis zu 6 Monaten3
bis zu 2 Monaten
bis zu 12 Monaten4
zwischen 3 und 4 Monaten
bis zu 24 Monate5
Zwischen 5 und 12 Monaten
Bis zu 36 Monaten6
bei 24 und mehr Monaten
maximal 60 Monate7
703
Das BAG hat wiederholt darauf hingewiesen, dass diese Richtwerte nur einen Anhaltspunkt darstellen, der in der Praxis einer Überprüfung im Einzelfall bedarf8. So können bei einer außerordentlich teuren Fortbildung und/oder überdurchschnittlichen beruflichen Vorteilen des Arbeitnehmers auch längere Bindungsfristen angemessen sein9.
704
Die Orientierungswerte der Rechtsprechung haben jedoch in einem gewissen Maß zur Rechtsicherheit beigetragen. Für die Praxis ist in der Regel zu empfeh1 BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 ff., 1045 f.; vgl. auch Lingemann in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 8, Rz. 16. 2 Zu Einzelfällen siehe: Reinecke in: Küttner, Rückzahlungsklausel, Rz. 11. 3 BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559 ff. 4 BAG v. 15.12.1993 – 5 AZR 279/93, NZA 1994, 835 ff. 5 BAG v. 6.9.1995 – 5 AZR 241/94, NZA 1996, 314 ff. 6 BAG v. 5.6.2007 – 9 AZR 604/06, ZTR 2008, 48 ff.: jedenfalls bei vollständiger Freistellung und Erwerb der Voraussetzungen für eine höhere Eingruppierung. 7 BAG v. 12.12.1979 – 5 AZR 1056/77, AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 4. 8 BAG v. 15.9.2009 – 3 AZR 173/08, NZA 2010, 342 ff., 345; v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542 ff. 9 Vgl. BAG v. 5.12.2002 – 6 AZR 539/01, NZA 2003, 559 ff.; v. 21.7.2005 – 6 AZR 452/04, NZA 2006, 542 ff.; Lingemann in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kapitel 8 Rz. 15.
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Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten
Rz. 707 Teil 3
len, sich an den genannten zeitlichen Grenzen zu orientieren, da der Arbeitgeber insoweit das Prognoserisiko trägt. Legt die Rückzahlungsklausel eine unangemessen lange Bindungsfrist zu Lasten des Arbeitnehmers fest, so nahm das BAG in seiner früheren Rechtsprechung eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf das noch zulässige Maß vor. Inzwischen hat es diese Rechtsprechung aufgegeben und lehnt eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich ab1. Eine Ausnahme besteht nur für Verträge aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform 2002. Hier gewährt das BAG Vertrauensschutz zu Gunsten des Arbeitgebers2. Zudem erwägt das BAG im Einzelfall eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, wenn die Bestimmung der zulässigen Bindungsfrist auf Grund der Umstände des Einzelfalls für den Arbeitgeber schwierig ist und es demzufolge unangemessen erscheint, ihm das Prognoserisiko aufzubürden3. Da das BAG aber – soweit ersichtlich – in allen vorliegenden Entscheidungen die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung vereint hat und die Hürden entsprechend hoch sein dürften, muss für die Praxis davon abgeraten werden, sich auf eine ergänzende Vertragsauslegung zu verlassen.
705
Eine Rückzahlungsklausel könnte nach dem Vorstehenden etwa folgendermaßen formuliert werden: (1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die nach § X vom Arbeitgeber tatsächlich übernommenen Kosten an diesen zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von (Monaten/Wochen) nach Beendigung der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen, auf Wunsch des Arbeitnehmers oder durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst, im gegenseitigen Einvernehmen, beendet wird. Insbesondere besteht keine Rückzahlungspflicht im Falle einer betriebsbedingten Kündigung.
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(2) Für jeden vollen Beschäftigungsmonat nach Beendigung der Fortbildung vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/… (3) Der Arbeitnehmer ist auch dann zur Rückzahlung nach Abs. 1 verpflichtet, wenn er die Fortbildung ohne wichtigen Grund vorzeitig abbricht oder schuldhaft das Ziel der Fortbildung nicht erreicht. (4) Der jeweilige Rückzahlungsbetrag ist in voller Höhe zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis fällig.
2. Organ-Führungskräfte Rückzahlungsklauseln für Weiterbildungskosten spielen bei Organ-Führungskräften regelmäßig keine praktische Rolle, so dass sie auch in den üblichen 1 BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666 ff., 668 f.; vgl. auch zu einer zu weit gefassten Klausel: BAG v. 11.4.2006 – 9 AZR 610/05, NZA 2006, 1042 ff. 2 Vgl. BAG v. 12.1.2005 – 5 AZR 364/04, NZA 2005, 465 ff. 3 Vgl. BAG v. 14.1.2009 – 3 AZR 900/07, NZA 2009, 666 ff., 668 f.
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Teil 3 Rz. 708
Typische Vertragsklauseln
Vertragsmustern keine Berücksichtigung finden1. Dies dürfte insbesondere daran liegen, dass es sich bei Organ-Führungskräften in der Regel um hochqualifizierte Personen handelt, so dass Weiterbildungen – jedenfalls solche auf Veranlassung der Gesellschaft – keine praktische Bedeutung haben.
II. Steuerrecht 1. Lohnsteuer 708
Die Rückzahlungsklausel selbst ist steuerlich ohne Bedeutung. Ein steuerlicher Sachverhalt wird erst verwirklicht, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer aufgrund der Rückzahlungsklausel Kosten an den Arbeitgeber erstattet. Die steuerliche Beurteilung der Rückzahlung hängt davon ab, ob die Übernahme der Kosten für die Fort- bzw. Weiterbildung durch den Arbeitgeber als Betriebsausgabe oder als steuerpflichtiger Arbeitslohn des Angestellten qualifiziert worden ist.
a) Steuerliche Behandlung beim Arbeitgeber 709
Die Übernahme von Fort- oder Weiterbildungskosten sind beim Arbeitgeber Betriebsausgaben, wenn die Fort- bzw. Weiterbildung im überwiegenden Eigeninteresse des Arbeitgebers erfolgte; ansonsten handelt es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn. Nach den Lohnsteuerrichtlinien ist ein überwiegendes betriebliches Eigeninteresse des Arbeitgebers anzunehmen, wenn durch die Fortoder Weiterbildung die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers im Betrieb erhöht werden soll. Ein Indiz ist die Anrechnung der Maßnahme auf die Arbeitszeit2.
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Ein überwiegendes betriebliches Eigeninteresse des Arbeitgebers dürfte ebenfalls anzunehmen sein, wenn die Maßnahme dazu dient, den Arbeitnehmer für andere Aufgaben im Betrieb vorzubereiten. Bei Führungskräften kommt insbesondere Sprachunterricht in Betracht. Die Finanzverwaltung erkennt sprachliche Bildungsmaßnahmen an, wenn der Arbeitgeber Sprachkenntnisse für die Tätigkeit verlangt3. Eine betriebliche Veranlassung wird daher immer dann anzunehmen sein, wenn die Sprachkenntnisse für die innerbetriebliche Organisation notwendig sind, etwa wenn regelmäßige Besprechungen in einer Fremdsprache abgehalten werden4. Ein überwiegendes Eigeninteresse des Arbeitgebers dürfte selbst dann anzunehmen sein, wenn die Sprachkurse einen 1 Vgl. etwa die Muster bei Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 878 f. und § 3 Rz. 453 f. oder Lücke in: Hümmerich/Lücke/Mauer, § 1 Rz. 506 ff. und 498 ff. 2 R 19.7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 2 LStR 2011. 3 R 19.7 Abs. 2 Satz 4 LStR 2011. 4 BFH v. 10.4.2002 – VI R 46/01, BStBl. 2002 II, 579; in dieser Entscheidung ging es um die Anerkennung von Kosten für den Sprachunterricht als Werbungskosten des Arbeitnehmers. Die Grundsätze dieser Entscheidung können aber auch auf den Fall übertragen werden, dass der Arbeitgeber die Kosten des Sprachunterrichts übernimmt, damit der Arbeitnehmer an regelmäßigen Sitzungen teilnehmen kann, die in einer anderen Sprache geführt werden.
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Rückzahlungsvereinbarungen für Fort- und Weiterbildungskosten
Rz. 716 Teil 3
Auslandseinsatz des Arbeitnehmers vorbereiten sollen. Die Rechtsprechung des BFH zu Werbungskosten, die im Zusammenhang mit nicht steuerbaren Einnahmen im Ausland stehen (regelmäßig aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens)1, spricht nicht dagegen. Das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers hat nichts mit dem Veranlassungszusammenhang zu tun, der für die Zuordnung von Werbungskosten zu steuerfreien Einnahmen relevant ist. Erstattungsfähig sind sämtliche Kosten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Fort- bzw. Weiterbildungsmaßnahme stehen; jedenfalls Kurs- und Prüfungsgebühren, Reisekosten, Fachliteratur, Schreibmaterial sowie die Aufwendungen des Arbeitnehmers, soweit der Arbeitgeber diese Kosten aus seiner Auswärtstätigkeit gemäß § 3 Nr. 16 EStG übernehmen kann2.
711
Handelt es sich bei den Kosten um anerkennungsfähige Betriebsausgaben des Arbeitgebers, können die Fort- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen auf dreierlei Wegen erfolgen3:
712
– als Sachleistung, indem der Arbeitgeber die Fortbildungsmaßnahme selbst durchführt und finanziert; – durch Übernahme der Kosten gegenüber einem Drittunternehmen, das die Maßnahme durchführt; – durch Erstattung der Kosten des Arbeitnehmers. Besteht kein überwiegendes Eigeninteresse des Arbeitgebers, liegt Arbeitslohn in Form von Sachbezug gemäß § 8 Abs. 2 EStG vor. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer auf diesen Sachbezug nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln, einzubehalten und abzuführen.
713
b) Steuerliche Behandlung beim Arbeitnehmer Erstattet der Arbeitnehmer aufgrund einer Rückzahlungsklausel dem Arbeitgeber Kosten für Fort- bzw. Weiterbildungsmaßnahmen, handelt es sich beim Arbeitgeber immer um steuerpflichtige Betriebseinnahmen. Bei dem Arbeitnehmer richtet sich die Qualifikation nach dem vorherigen Ansatz beim Arbeitgeber.
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Handelte es sich bei den Kosten des Arbeitgebers um Betriebsausgaben, liegen beim Arbeitnehmer entweder (ggf. nachträgliche) Werbungskosten oder negative Einnahmen vor4.
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Die Rückzahlung von Arbeitslohn führt zu negativen Einnahmen. Bei der Erstattung von Fort- bzw. Weiterbildungskosten durch den Arbeitnehmer, die auf
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BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. 2007 II, 756. Küttner/Macher, Personalbuch, 15. Aufl., „Fortbildung“ Rz. 35. Küttner/Macher, Personalbuch, 15. Aufl., „Fortbildung“ Rz. 34. Bei negativen Einnahmen wird der Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 920 Euro nicht berührt. Hat der Arbeitnehmer daher keine nennenswerten Werbungskosten bzw. bleiben diese unter dem Pauschbetrag von 920 Euro, kann der Arbeitnehmer sowohl den Pauschbetrag von 920 Euro als auch die negativen Einnahmen steuermindernd berücksichtigen.
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Teil 3 Rz. 717
Typische Vertragsklauseln
der Ebene des Arbeitgebers Betriebsausgaben (und eben keinen Arbeitslohn) darstellten, liegen beim Arbeitnehmer Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 EStG vor. Bei der Rückzahlung von Arbeitslohn besteht ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Lohnzahlung des Arbeitgebers sowie der Erstattung des Arbeitnehmers. Die ursprüngliche Lohnzahlung stellt sich im Nachhinein nicht als dauerhaft heraus. Der Arbeitnehmer soll so gestellt werden, als wenn die ursprüngliche Lohnzahlung nicht erfolgt wäre. Bei der Erstattung von Kosten, die nicht zu Arbeitslohn beim Arbeitnehmer geführt haben, fehlt dieser Zusammenhang zwischen der Lohnzahlung des Arbeitgebers und der Rückzahlung des Arbeitnehmers1. 717
Handelte es sich bei den Kosten für die Fort- bzw. Weiterbildung um steuerpflichtigen Arbeitslohn, gelten die allgemeinen Grundsätze zur Rückzahlung von Arbeitslohn2. Der gezahlte Arbeitslohn gilt weiterhin als zugeflossen. Die Rückzahlung des Arbeitnehmers führt zu negativen Einnahmen3.
2. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführer 718
Fehlt bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Rückzahlungsklausel und übernimmt die Gesellschaft trotzdem Fort- und Weiterbildungskosten des Gesellschafter-Geschäftsführers, liegen im Regelfall verdeckte Gewinnausschüttungen vor. Da Rückzahlungsklauseln bei Arbeitnehmern üblich sind, ist das Fehlen einer Rückzahlungsvereinbarung bei Gesellschafter-Geschäftsführern ein Indiz für die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Gleiches gilt für die Übernahme von Fort- und Weiterbildungskosten von nahen Angehörigen des Gesellschafter-Geschäftsführers4. Das FG Niedersachsen hat allerdings entschieden, dass bei geringfügigen Beträgen (in der Entscheidung 2 000 DM) sowie geringen Zeitaufwand (9 Werktage über einen Zeitraum von 18 Monaten) eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht vorliegt, selbst wenn die Gesellschaft keine Bindungsfrist oder Rückzahlungsverpflichtung mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer vereinbart hat5.
1 Ebenso auch BFH v. 7.12.2005 – I R 34/05, BFH/NV 2006, 1068 zu Vertragsstrafen bei einem Wettbewerbsverbot; Vertragsstrafen bei einem Wettbewerbsverbot können Werbungskosten darstellen, wenn ein neuer Arbeitgeber die Vertragsstrafe jedenfalls anteilig bei Abwerbung des Arbeitnehmers übernimmt. 2 Bundeseinheitliche Verwaltungsregelungen der Länder; z.B. OFD Frankfurt, Verfügung v. 25.7.2000 – S 2399 A-1-St II 30, FR 2000, 1237. 3 OFD Frankfurt, Verfügung v. 25.7.2000 – S 2399 A-1-St II 30, FR 2000, 1237 Tz. 2. 4 Ständige Rechtsprechung BFH v. 14.12.1990 – III R 92/88, BStBl. 1991 II, 305; v. 14.12.1994 – X R 215/93, BFH/NV 1995, 671; v. 29.10.1997 – X R 129/94, BStBl. 1998 II, 149 – jeweils zur Berücksichtigung von Werbungskosten bei dem Arbeitgeber; speziell zur verdeckten Gewinnausschüttung, FG Köln v. 11.5.2000 – 13 K 765/00, EFG 2000, 811. 5 FG Niedersachen v. 27.6.1996 – X 68/91, EFG 1997, 523.
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M. Sonstige Klauseln I. Freistellungsklauseln Insbesondere Anstellungsverträge von Organ-Führungskräften enthalten häufig sog. Freistellungsklauseln. Diese sehen im Wesentlichen vor, dass die Führungskraft mit Beendigung des Organverhältnisses von einer weiteren Tätigkeit für die Gesellschaft freigestellt werden kann. Es handelt sich im Regelfall um eine einseitige Suspendierung der Hauptleistungspflicht der Führungskraft. Relevant wird eine solche Vertragsgestaltung als Alternative zur Kopplungsklausel (vgl. Rz. 662 ff.), um einen annähernden Gleichlauf von Anstellungsund Organverhältnis zu erreichen. Ohne eine solche Vertragsklausel bestünde die Pflicht zur Dienstleistung aus dem Anstellungsverhältnis grundsätzlich auch bei einer Beendigung der Organstellung, etwa auf Grund eines Widerrufs, ohne Einschränkungen fort.
719
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte Freistellungsklauseln sind aber nicht nur in Anstellungsverträgen von Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern anzutreffen, sondern unter Umständen auch in Arbeitsverträgen. Dort begegnen sie aber bereits erheblichen Bedenken im Hinblick auf eine Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Zwar greift keines der speziellen Klauselverbote aus §§ 308, 309 BGB ein. Es ist jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob die Klausel eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellt. Dies wird dann der Fall sein, wenn das Recht zur einseitigen Freistellung des Arbeitnehmers, nicht an das Vorliegen einer unabweislichen Notwendigkeit geknüpft ist1. Dagegen dürfte es auch unter Berücksichtigung der §§ 307 ff. BGB zulässig sein, für den Fall der Kündigung ein einseitiges Freistellungsrecht des Arbeitgebers in den Arbeitsvertrag aufzunehmen2. Das ArbG Stralsund hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass dies nur im Falle einer gleichzeitigen Weitergewährung der Vergütung gelten kann3. Der Arbeitgeber gerät durch die Freistellung von der Arbeitspflicht in der Regel auch ohne ein weiteres Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer in Annahmeverzug, sofern der Arbeitnehmer leistungsfähig ist, vgl. §§ 293, 297 BGB. Die Beweislast für die fehlende Leistungsfähigkeit des Arbeitneh-
1 Vgl. Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1750 ff.; LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03; LAG Baden-Württemberg v. 5.1.2007 – 7 Sa 93/06, NZA-RR 2007, 406 ff., 411. 2 Vgl. dazu LAG Köln v. 20.2.2006 – 14 (10) Sa 1394/05, NZA-RR 2006, 342 f.; ArbG Stralsund v. 11.8.2004 – 3 Ga 7/04, NZA-RR 2005, 23 f.; Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1756 ff.; Melms in: Moll, Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, § 8 Rz. 76a; Bauer, NZA 2007, 409 ff., 412; a.A. ArbG Frankfurt a.M. v. 19.11.2003 – 2 Ga 251/03, NZA-RR 2004, 409 ff., 410; enger auch ErfK/Preis, § 611 Rz. 658 f.; differenzierend Kreitner in: Küttner, Freistellung von der Arbeit, Rz. 17 ff. 3 ArbG Stralsund v. 11.8.2004 – 3 Ga 7/04, NZA-RR 2005, 23 f.; vgl. auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 658.
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Teil 3 Rz. 721
Typische Vertragsklauseln
mers trägt der Arbeitgeber1. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass sich der Arbeitnehmer gem. § 615 Satz 2 BGB anderweitigen Verdienst ggf. anrechnen lassen muss2. 721
Nach Auffassung des LAG Köln kann bei einer formularmäßigen Freistellung nach einer Kündigung sogar die automatische Anrechnung der Freistellung auf Resturlaubsansprüchen vereinbart werden3. Dies wird jedenfalls im Fall einer unwiderruflichen Freistellung für zutreffend erachtet, wenn die Anrechnung hinreichend deutlich erklärt wurde4. Erfolgt eine solche Anrechung, kann während der Urlaubszeit eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes gem. § 615 Satz 2 BGB wegen §§ 1, 11 BUrlG nicht erfolgen5.
722
Will man als Arbeitgeber ganz sicher gehen, dass die Freistellungsklausel einer gerichtlichen Überprüfung stand hält, sollte man die Freistellung auch für den Fall der Kündigung des Arbeitsverhältnisses an sachliche Gründe knüpfen. Diese können bei Verstößen des Arbeitnehmers gegen die Verschwiegenheitspflicht oder der Aufnahme einer Konkurrenztätigkeit vorliegen6.
723
Durch eine Freistellungsklausel nicht ausgeschlossen werden kann der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch bei offensichtlicher Unwirksamkeit der Kündigung oder Obsiegen des Arbeitnehmers in der ersten Instanz7. Gleiches gilt für den kollektiv-rechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Es erscheint ratsam, dies auch im Rahmen der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen.
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Ist die Freistellungsklausel auch an den Maßstäben der §§ 307 ff. BGB gemessen wirksam, so unterliegt die konkrete Ausübung des Freistellungsrechts noch einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB8.
1 Vgl. BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595 f.; Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1742. 2 Vgl. BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 ff., 38; Kreitner in: Kütter, Freistellung von der Arbeit, Rz. 24; Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1740 jeweils m.w.N. 3 LAG Köln v. 22.2.2006 – 14 (10) Sa 1394/05, NZA-RR 2006, 342f.; Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1756 f.; vgl. auch ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 671. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 671 m.w.N., vgl. auch Bauer/Günther, DStR 2008, 2422 ff., 2423. 5 Vgl. Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1740. 6 Vgl. Bauer/Günther, DStR 2008, 2422 ff., 2425. 7 LAG Baden-Württemberg v. 5.1.2007 – 7 Sa 93/06, NZA-RR 2007, 406 ff., 411; ErfK/ Preis, § 611 BGB Rz. 659; zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch vgl. grundlegend BAG (Großer Senat) v. 27.2.1985 – GS 1/84, NZA 1985, 702 ff. 8 Vgl. LAG München v. 7.5.2003 – 5 Sa 297/03; LAG Hamm v. 3.2.2004 – 19 Sa 120/04, NZA-RR 2005, 358 ff., 362; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 568; Reichold in: Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 37 Rz. 25.
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Rz. 727 Teil 3
Sonstige Klauseln
Forulierungsmuster Im Fall einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts unwiderruflich freigestellt werden, wenn ein sachlicher Grund für die Freistellung vorliegt. Ein solcher liegt insbesondere vor, wenn – der Arbeitnehmer gegen die Verschwiegenheitspflicht oder das Wettbewerbsverbot verstoßen hat – … Noch ausstehende Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers sind auf die Freistellungsdauer anzurechnen. Das Wettbewerbsverbot gilt weiterhin fort. Die Regelung des § 615 Satz 2 BGB findet keine Anwendung.
2. Besonderheiten bei Organ-Führungskräften Im Unterschied zu Arbeitnehmern haben Organ-Führungskräfte keinen allgemeinen, alleine aus dem Anstellungsvertrag resultierenden Beschäftigungsanspruch1. Eine Freistellungsklausel für den Fall der Beendigung der Organstellung begegnet deshalb aus diesem Blickwinkel keinen Bedenken2. Sie wird sogar für rein deklaratorisch gehalten, so dass keine Abweichung vom Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung vorliege3. Jedenfalls dürfte aber mangels eines Beschäftigungsanspruches auch keine unangemessene Benachteiligung vorliegen4. Besteht eine Zielvereinbarung mit dem Organmitglied, ist es ratsam für den Fall einer Freistellung eine ausdrückliche Regelung im Hinblick auf die Zielerreichung zu treffen.
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Möglich ist auch eine Vereinbarung – ähnlich der Freistellungsklausel im Arbeitsvertrag – die der Gesellschaft ein einseitiges Freistellungsrecht nach der ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages einräumt. Praktisch relevant wird eine solche Gestaltung allerdings nur für den GmbH-Geschäftsführer, da der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitglieds ohnehin in der Regel nicht ordentlich kündbar ist, sofern er – wie üblich – auf bestimmte Zeit geschlossen wurde (vgl. näher Rz. 657), und bei einer außerordentlichen Kündigung die Verpflichtung zur Dienstleistung mit sofortiger Wirkung entfällt.
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Wird das Organmitglied von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt, kann es in der Regel auf Grund Annahmeverzugs der Gesellschaft gem. § 615 Satz 1 BGB seine Vergütung verlangen. Allerdings findet auch hier die Anrechnungs-
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1 Vgl. BGH v. 28.10.2002 – II ZR 146/02, NZG 2003, 84 f.; v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, NZG 2011, 112 f.; Kania in: Küttner, Geschäftsführer, Rz. 24; Tebben in: Michalski, GmbHG, § 6 Rz. 200. 2 Ausführlich Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2341. 3 Bauer/Arnold, ZIP 2337 ff., 2342. 4 Bauer/Arnold, ZIP 2337 ff., 2342.
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Teil 3 Rz. 728
Typische Vertragsklauseln
vorschrift des § 615 Satz 2 BGB Anwendung, sofern sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden ist1. 728
Eine Freistellung kann mit und ohne Fortzahlung der Bezüge erfolgen. Wird eine Führungskraft mit Fortzahlung der Bezüge freigestellt, ändert sich lohnsteuerrechtlich nichts. Die Bezüge sind Arbeitslohn und unterliegen der Lohnsteuer. Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und/oder Nachtarbeit sind für den Zeitraum der Freistellung nicht gem. § 3b EStG steuerfrei. Bei GesellschafterGeschäftsführern ist zusätzlich zu beachten, dass Zuschläge für Sonntags- Feiertags- und/oder Nachtarbeit regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.
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Wird ein Arbeitnehmer ohne Fortzahlung der Bezüge freigestellt, gibt es lohnsteuerrechtlich nichts zu veranlassen; ohne Lohn keine Lohnsteuer.
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Muss der Arbeitnehmer während des Zeitraums der Freistellung Schadensersatz an den Arbeitgeber entrichten, kann es sich um Werbungskosten gemäß § 9 EStG handeln. Umgekehrt sind Schadensersatzzahlungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer, steuerfrei, soweit diese auf gesetzlichen Ansprüchen des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber beruhen. Leistet der Arbeitgeber Schadensersatz wegen vertraglichen Ansprüchen handelt es sich im Regelfall um Arbeitslohn, der dem Lohnsteuerabzug unterliegt. Bei Zahlungen durch Dritte (im Regelfall bei Haftungsfällen durch den Schadensversursacher) werden die Zahlungen im Schätzungswege aufgeteilt in steuerpflichtigen Lohnersatz, steuerfreies Schmerzensgeld und Ersatz für Sachschäden. Letzerer ist wiederum (lohn)steuerpflichtig, wenn die Schadensersatzleistung auf vertraglichen Ansprüchen beruht. Wird Schadensersatz wegen gesetzlicher Ansprüche geleistet, ist auch dieser Schadensersatz steuerfrei.
II. Vertragsstrafen 731
Sowohl Arbeitsverträge als auch Verträge mit Organführungskräften beschränken sich in der Regel nicht darauf, Verpflichtungen aufzustellen oder zu konkretisieren, sondern sehen für den Fall eines Verstoßes gegen eine der genannten Pflichten eine Vertragsstrafe vor. Hierdurch soll zum einen der Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen angehalten werden, zum anderen die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen im Falle eines Verstoßes erleichtert werden. Letzteres wird dadurch erreicht, dass die Vertragsstrafenabrede das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung genügen lässt und ein Nachweis hinsichtlich des entstandenen Schadens nicht erforderlich ist2. Werden Vertragsstrafen formularmäßig vereinbart, ist § 309 Nr. 6 BGB zu beachten. Danach ist eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder 1 Vgl. BGH v. 9.10.2000 – II ZR 75/99, NZA 2001, 36 f., 37; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 34. 2 Vgl. Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 816 ff.
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Rz. 733 Teil 3
Sonstige Klauseln
für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, die Zahlung einer Vertragsstrafe verspricht.
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte Nach der Rechtsprechung des BAG gilt dieses Klauselverbot allerdings auf Grund der Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses (§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB) nicht für Arbeitsverträge1. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Ausschluss der Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung2. Entsprechende Klauseln unterliegen daher in der Regel mangels einschlägigen Klauselverbots nur einer Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB. Die Unangemessenheit einer Vertragsstrafenklausel kann sich etwa aus der Höhe der Vertragsstrafe ergeben3. Zudem stellt auch das Transparenzgebot die Praxis bei der Gestaltung von Vertragsstrafenklauseln immer wieder vor Herausforderungen4. Nach Ansicht des BAG müssen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Vertragsstrafe so genau festgelegt werden, dass keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen5. Die verwendete Klausel muss eindeutig erkennen lassen, durch welches pflichtwidrige Verhalten eine Vertragsstrafe verwirkt sein soll, damit der Arbeitnehmer sich darauf einstellen kann6. Globale Absicherungen aller Pflichtverletzungen sind unzulässig7. Es reicht also keinesfalls aus zu formulieren, durch jedes pflichtwidrige Verhalten, das den Arbeitgeber zu einer außerordentlichen Kündigung veranlasst, sei eine Vertragsstrafe in Höhe von X verwirkt8.
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Die Vertragsstrafe muss auch ihrer Höhe nach angemessen sein. Insbesondere darf sie keine Übersicherung des Arbeitgebers darstellen. Eine solche lässt sich noch relativ einfach annehmen, wenn dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von mehreren Bruttomonatsgehältern für den Fall der Nichtaufnahme der Tätigkeit versprochen wird, der Arbeitnehmer sich aber ohnehin mit einer Frist von einem Monat vom Arbeitsvertrag lösen könnte9. Im Einzelfall bereitet die Beurteilung, ob eine Vertragsstrafe auch der Höhe nach angemessen ist, erhebliche Schwierigkeiten. Einige Leitlinien sind der Rechtsprechung des BAG allerdings zu entnehmen. So hat es etwa entschieden, dass es für Vertragsstrafen jedenfalls keine absolute Höchstgrenze von einem Bruttomonatsgehalt gibt10. Das BAG berücksichtigt – bei einer typisierenden Betrachtungsweise im Zeitpunkt des Vertragsschlusses – die wechselseitigen Interessen der Beteilig-
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff., 729 ff. BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff., 729, 731 f. So im Fall BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff. Vgl. Diller, NZA 2008, 574 ff. Vgl. BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 973/06, NZA 2008, 170 ff.; 171 f.; dazu Schramm, NJW 2008, 1494 ff. Vgl. BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053 ff., 1055; Schramm, NJW 2008, 1494 ff., 1494. Vgl. BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053 ff., 1055. So im Fall BAG v. 21.4.2005 – 8 AZR 425/04, NZA 2005, 1053 ff. Eine ähnliche Fallgestaltung lag der Entscheidung BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff. zu Grunde; vgl. auch Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3420. BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff., 375.
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Teil 3 Rz. 734
Typische Vertragsklauseln
ten und bewertet diese1. So hielt es eine Vertragsstrafe von bis zu drei Bruttomonatsgehältern für jeden Fall eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot für unangemessen2. Besondere Bedeutung misst das BAG den aus dem Pflichtenverstoß typischerweise entstehenden Schäden bzw. Nachteilen für den Arbeitgeber sowie den persönlichen Eigenschaften des Vertragspartners, dessen Verhandlungsstärke, aber auch atypischen Sonderinteressen bei3. Bei einer Vertragsstrafe wegen vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer, ist die für den Arbeitnehmer bestehende Kündigungsfrist ein ganz erheblicher abwägungsrelevanter Gesichtspunkt4. Das für diesen Zeitraum zu zahlende Gehalt spiegelt nach Ansicht des BAG das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Erbringung der Arbeitsleistung wieder, denn in ihr komme zum Ausdruck, welche Mittel der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Marktverhältnisse einsetzen müsse, um den Gegenwert der Arbeitsleistung zu erhalten5. Nicht zu einer Unangemessenheit der Höhe der Vertragsstrafe führt es alleine, wenn diese nach billigem Ermessen vom Arbeitgeber fest gesetzt werden soll. So lag dem Urteil des BAG vom 18.8.2005 eine Klausel zugrunde, nach der der Arbeitnehmer für jeden Einzelfall eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot eine Vertragsstrafe von ein bis drei Bruttomonatsgehältern verwirken sollte. Die konkrete Höhe soll von der Arbeitgeberin festgesetzt werden, wobei insbesondere der entstandene Schaden Berücksichtigung finden sollte6. Das BAG hielt die Klausel nicht deshalb für unwirksam, weil die Höhe in das Ermessen der Arbeitgeberin gestellt war, sondern weil sie für jeden einzelnen Verstoß eine Vertragsstrafe vorsah, was nach Ansicht des BAG zu einer unangemessenen Übersicherung der Arbeitgeberin führte7. 734
Ist die Höhe der Vertragsstrafe unangemessen, so konnte diese vor der Schuldrechtsreform gem. § 343 BGB vom Gericht auf ein angemessenes Maß herabgesetzt werden. Dies ist nach geltender Rechtslage nicht mehr möglich. § 306 Abs. 2 BGB schließt eine geltungserhaltende Reduktion auch von Vertragsstrafenklauseln aus8.
735
Im Hinblick auf das Verbot überraschender Klauseln in § 305c Abs. 1 BGB empfiehlt es sich, Vertragsstrafenklauseln im Vertragstext deutlich hervorzuheben und nicht etwa unter harmlosen Überschriften (etwa „Sonstiges“) zu verstecken9.
736
Bei der Vertragsgestaltung bestehen verschiedene Möglichkeiten Vertragsstrafen zu implementieren. Die Vertragsstrafenklausel könnte entweder unter ei1 2 3 4 5 6 7
Vgl. BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff., 375 f. Vgl. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34 ff. BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff. BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 717/07, NZA 2009, 370 ff. BAG v. 19.8.2010 – 8 AZR 645/09. Vgl. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34 ff. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 65/05, NZA 2006, 34 ff.; vgl. auch Schiefer in: Hümmerich/ Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 823. 8 BAG v. 4.3.2004 – 8 AZR 196/03, NZA 2004, 727 ff. 9 Vgl. dazu Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3402 ff.
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Rz. 737 Teil 3
Sonstige Klauseln
ner eigenen Überschrift aufgenommen werden und dort sämtliche Pflichtverstöße aufzählen, die eine Vertragsstrafe nach sich ziehen oder die Vertragsstrafe wird im Rahmen der Regelung zur entsprechenden Pflicht, etwa der Regelung zum Wettbewerbsverbot aufgenommen. Im Folgenden wird die erstere Variante zu Grund gelegt. Danach ließe sich etwa wie folgt formulieren1: Formulierungsmuster (1) Verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerbsverbot, die Verschwiegenheitspflicht, (..) oder nimmt er schuldhaft seine Tätigkeit nicht oder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt auf oder kündigt er ohne Grund fristlos, so verwirkt er eine Vertragsstrafe nach Maßgabe der folgenden Absätze. (2) Verstößt der Arbeitnehmer gegen das Wettbewerberverbot, wird für jede Verletzungshandlung eine Vertragsstrafe in Höhe von … fällig. Beteiligt sich der Arbeitnehmer pflichtwidrig an einem Wettbewerbsunternehmen oder geht er pflichtwidrig ein Dauerschuldverhältnis wie etwa ein Arbeits-, Dienst-, Handelsvertreteroder Beraterverhältnis, wird die Vertragsstrafe für jeden angefangenem Monat in dem der Verstoß fortbesteht, neu verwirkt. Mehrere Verletzungshandlungen lösen jeweils gesonderte Vertragsstrafen aus, es sei denn es handelt sich um einen Dauerverstoß i.S.v. Satz 2. (3) Verstößt der Arbeitnehmer gegen die Verschwiegenheitspflicht, so verwirkt er eine Vertragsstrafe in Höhe von … Euro bzw. … Bruttomonatsgehalt/Bruttomonatsgehältern. (4) Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme oder der verspäteten Aufnahme der Arbeit oder der fristlosen Kündigung ohne Grund, bemisst sich die Vertragsstrafe nach der Höhe des Bruttoentgelts, das bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gezahlt worden wäre. Sie beträgt aber maximal ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt (5) Das Recht des Arbeitgebers, weitergehende Schäden geltend zu machen, bleibt von einer Vertragsstrafe unberührt. Dies gilt auch für sonstige gesetzliche Ansprüche, insbesondere Unterlassungsansprüche, und den Wegfall der Karenzentschädigung für die Dauer des Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot.
Bemisst sich die Vertragsstrafe nach dem Bruttomonatsgehalt, sollte noch vereinbart werden, wie sich dieses errechnet. Es könnte etwa auf das Durchschnittsgehalt der letzten zwölf Monate oder – bei einer kürzeren Beschäftigungsdauer – das bisher verdiente Durchschnittsgehalt Bezug genommen werden. Klarstellend könnte zudem daraufhin gewiesen werden, ob etwaige Zuschläge oder Sonderzahlungen berücksichtigt werden sollen oder nicht.
1 Siehe auch die Klauselvorschläge von Diller, NZA 2008, 574 ff.; Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3426 ff.
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Teil 3 Rz. 738
Typische Vertragsklauseln
2. Organ-Führungskräfte 738
Findet sich die Vertragsklausel in einem Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers oder eines Vorstandsmitglieds, ist § 309 Nr. 6 BGB anzuwenden. Die Besonderheiten des Arbeitsrechts nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB können insofern keine Rolle spielen1. § 309 Nr. 6 BGB schließt jedoch nicht jede Art der Vertragsstrafe aus, sondern nur für die dort aufgezählten Vertragsverstöße. Danach scheidet etwa die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für die Nichtaufnahme der Geschäftsführer- oder Vorstandstätigkeit nach dem Wortlaut des § 309 Nr. 6 BGB aus. Bauer/Arnold weisen jedoch zu recht auf den an dieser Stelle drohenden Widerspruch zur Behandlung von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen hin2. Der Hinweis des BAG auf die fehlende Vollstreckbarkeit der Arbeitsleistung gilt ohne Einschränkungen auch für die Dienstleistungspflicht eines Geschäftsführers bzw. eines Vorstandsmitglieds, vgl. § 888 Abs. 3 ZPO. Es vermag nicht recht einzuleuchten, warum die Gesellschaft im Hinblick auf die Aufnahme der Tätigkeit ihres Organmitglieds weniger schutzwürdig sein soll als ein Arbeitgeber im Hinblick auf die Erbringung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers. Für die Praxis bleibt aber die Entwicklung der Rechtsprechung abzuwarten. Der Vorsicht halber sollte auf Grund des klaren Wortlautes des § 309 Nr. 6 BGB auf eine Vertragsstrafenvereinbarung für die dort genannten Pflichtverletzungen verzichtet oder darauf geachtet werden, dass die Regelung als Individualvereinbarung aus dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB herausfällt.
739
Dagegen fällt die Absicherung von vertraglichen Wettbewerbsverboten durch eine Vertragsstrafenregelung nicht unter § 309 Nr. 6 BGB. Eine entsprechende formularmäßige Klausel unterliegt daher grundsätzlich nur der Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB.
740
Insbesondere die Anforderungen des Transparenzgebotes werden bei Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern niedriger anzusetzen sein. Teilweise wird deshalb in den entsprechenden Anstellungsverträgen auch eine weit gefasste Generalklausel, die jeden Verstoß gegen den Vertrag sanktioniert, für zulässig gehalten3. Auf Grund der bisher fehlenden Rechtsprechung, erscheint es jedoch ratsam, die Pflichtverletzungen aufzuführen, die zu einer Vertragsstrafe führen sollen.
741
So kann etwa folgende Klausel empfohlen werden: Verstößt der Geschäftsführer gegen das Wettbewerbsverbot, (die Verschwiegenheitspflicht) oder…, so verwirkt er eine Vertragsstrafe in Höhe von… Euro.
1 Vgl. Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 821; Bauer/Arnold, ZIP 2006, 2337 ff., 2343. 2 ZIP 2006, 2337 ff., 2344. 3 Etwa Schiefer in: Reufels/Hümmerich, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 822.
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Rz. 746 Teil 3
Sonstige Klauseln
Als Alternative könnte wie folgt formuliert werden:
742
Der Geschäftsführer verpflichtet sich, für jede der folgenden Pflichtverletzung eine Vertragsstrafe in folgender Höhe zu zahlen: – Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot: … Euro/alternativ: … Bruttomonatsgehalt/Bruttomonatsgehälter – Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht: … Euro/alternativ: … Bruttomonatsgehalt/Bruttomonatsgehälter – …
Für den Fall eines Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot kann, um Dauerverstößen zu begegnen, noch die folgende Formulierung aufgenommen werden:
743
Verstößt der Geschäftsführer dauerhaft gegen das Wettbewerbsverbot, so verwirkt er für jeden angefangenen Monat eine neue Vertragsstrafe.
Empfehlenswert ist zudem, um weitergehende Schadensersatzansprüche nicht zu verwirken, etwa den nachfolgenden Satz aufzunehmen:
744
Die Geltendmachung eines weitergehenden Schadens bleibt vorbehalten.
Zu den steuerrechtlichen Folgen wird auf die Ausführungen unter Rz. 716 verwiesen.
745
III. Abfindungsklauseln Bei Abfindungen handelt es sich in der Regel um Zahlungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrages, die noch ausstehende Gehaltszahlungen bis zum Ende der Laufzeit des Anstellungsvertrages oder das Risiko eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung abgelten sollen1. Teilweise wird eine Abfindung allerdings auch schon im Anstellungsvertrag festgelegt. Insbesondere kann ihre Höhe dort bereits beschränkt werden. Wurde die Vereinbarung von Abfindungsobergrenzen (sog. „Abfindungs-Caps“) in Vorstandsverträgen früher durch den DGCK lediglich angeregt, so enthält er nunmehr seit 2008 in Nr. 4.2.3. eine Empfehlung, die Höhe der Abfindung bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses ohne wichtigen Grund auf zwei Jahresvergütungen zu beschränken2. Börsennotierte Aktiengesellschaften müssen 1 Vgl. Spindler, DStR 2004, 36 ff., 44; Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 3 Rz. 195 m.w.N. 2 Dazu etwa Lutter, BB 2009, 1874 ff.; Bauer/Arnold, BB 2007, 1793 ff. und BB 2008, 1692 ff.
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Teil 3 Rz. 747
Typische Vertragsklauseln
daher in ihrer Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG angeben, inwieweit die Verträge ihrer Vorstandsmitglieder Abfindungs-Caps enthalten. 747
Während in Geschäftsführer-Anstellungsverträgen Abfindungen weitgehend frei vereinbart werden können, gilt bei der Anstellung von Vorstandsmitgliedern § 87 Abs. 1 AktG (siehe dazu oben Rz. 67 ff.). Die Abfindung muss daher angemessen sein. Anhaltspunkte für die Bemessung der Höhe der Abfindung können etwa die Höhe der Vergütung oder der verbleibende Zeitraum bis zum Ablauf des Anstellungsvertrages sein. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats (vgl. § 84 AktG) im Hinblick auf eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags nicht eingeschränkt werden kann. Die Vereinbarung einer Abfindung für den Fall einer außerordentlichen Kündigung ist daher nach Auffassung des BGH unzulässig1.
748
Unter Berücksichtigung der Empfehlung des DCGK käme etwa folgende Klauselformulierung in Frage: Im Falle der vorzeitigen Beendigung der Vorstandsbestellung sowie dieses Dienstvertrages ist eine ggf. zu zahlende Abfindung auf zwei Jahresvergütungen einschließlich Nebenleistungen oder auf die Abgeltung der Restlaufzeit begrenzt. Maßgebend ist der geringere Betrag. Die Berechnung der maximalen Abfindung erfolgt gemäß den Vorgaben von Nr. 4.2.3. des Deutschen Corporate Governance Kodex.
749
Die Vereinbarung einer solchen, an die Empfehlung des DCGK angelehnten Abfindungsklausel begegnet allerdings nicht unerheblichen AGB-rechtlichen Bedenken. Die Abfindungsklausel führt im Ergebnis dazu, dass die Vergütungsabrede nachträglich geändert wird und gerät so mit § 308 Nr. 4 BGB in Konflikt. Zudem bestehen auch aktienrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Trennungsprinzip insofern als das Abfindungs-Cap auch bei einer vorzeitigen Beendigung ohne wichtigen Grund gelten soll2. Es wird daher zutreffend darauf hingewiesen, dass eine gewisse Rechtsunsicherheit bei Verwendung einer der Empfehlung des DGCK nachgebildeten Klausel verbleiben wird3.
750
In Anbetracht dessen, dass Vorstandsverträge mehrheitlich befristet und damit grundsätzlich nicht ordentlich kündbar sind, es sei denn eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit ist ausdrücklich vereinbart, dürfte in der Praxis der Anwendungsbereich für eine solche Klausel bereits deutlich eingeschränkt sein. Eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit kann in einem Vorstandsvertrag auch nur für den Fall einer Abberufung aus wichtigem Grund vereinbart werden (vgl. Rz. 665)4. Wurde zudem keine Kopplungsklausel vereinbart, bleibt nur die einvernehmliche Beendigung des Anstellungsvertrages als Anwendungsfall. Auf eine solche muss sich das Vorstandsmitglied allerdings nicht 1 2 3 4
BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NJW 2000, 2983 ff., 2984. Vgl. zu den Bedenken ausführlich Bauer/Arnold, BB 2007, 1793 ff., 1793 f. Dörrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846 ff., 848. Vgl. Wiesner in: MünchHdb GesR IV, § 21 Rz. 87.
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Rz. 754 Teil 3
Sonstige Klauseln
einlassen. Ist die Restlaufzeit noch länger als zwei Jahre, kann das Vorstandsmitglied daher weiterhin seine Dienstleistung anbieten und seine Vergütung beanspruchen, so dass die Abfindungsobergrenze ins Leere laufen würde1. Ist im Vertrag ein ordentliches Kündigungsrecht oder eine Kopplungsklausel vereinbart, kommt etwa folgende Formulierung bezüglich der Abfindungsregelung in Betracht:
751
Widerruft die Gesellschaft aus wichtigem Grund gem. § 84 Abs. 3 AktG die Bestellung und kündigt die Gesellschaft den Anstellungsvertrag gem. (Verweis auf die Kündigungsregelung bzw. die Kopplungsklausel), so hat das Vorstandsmitglied Anspruch auf eine Abfindung. Die Abfindung darf zwei Jahresgehälter nicht überschreiten. Ist die Restlaufzeit des Vertrages geringer, so richtet sich die Obergrenze für die Abfindung nach der Höhe der Abgeltung der Restlaufzeit. Die Abfindung setzt sich zusammen aus (…) % der Summe der aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht mehr zur Entstehung und Auszahlung gelangten Gehälter (Festgehalt und variable Erfolgsvergütungen auf Basis einer unterstellten 100%igen Zielerreichung) und der zusätzlichen Zahlung i.H.v. (…) Euro. Der Abfindungsanspruch wird mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses fällig.
IV. Urlaubsregelungen In Anstellungsverträgen sind regelmäßig Regelungen zum Urlaubsanspruch der Führungskraft zu finden. Während die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten bei Arbeitnehmern im Hinblick auf den Urlaubsanspruch auf Grund des einseitig zwingenden Charakters des BUrlG recht gering sind, sind Organ-Führungskräfte in urlaubsrechtlicher Hinsicht weniger geschützt.
752
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte Für Arbeitnehmer – auch in leitenden Positionen – findet das BUrlG Anwendung. Dem Arbeitnehmer ist damit der gesetzliche Mindesturlaub zu gewähren. Dieser beträgt bei einer Sechs-Tage-Woche 24 Werktage und bei einer Fünf-Tage-Woche 20 Werktage2. Einzelvertraglich kann nur zu Gunsten des Arbeitnehmers vom gesetzlichen Mindesturlaub abgewichen werden, vgl. § 13 Abs. 1 BUrlG.
753
Der Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, vgl. § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Nur bei dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen, kann eine Übertragung des Urlaubsanspruchs auf das nächste Kalenderjahr erfolgen, § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG. Hiervon kann in Arbeits- oder Tarifverträgen insoweit ab-
754
1 Vgl. dazu Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 206 f.; Dörrwächter/Trafkowski, NZG 2007, 846 ff., 848 f. 2 Vgl. zur Berechnung: ErfK/Dörner/Gallner, § 3 BUrlG Rz. 4 ff.
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Teil 3 Rz. 755
Typische Vertragsklauseln
gewichen werden, als der Übertragungszeitraum verlängert und eine Übertragung nicht an besondere Gründe gebunden wird. Formulierungsmuster1 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von X Arbeitstagen pro Kalenderjahr. Darüber hinaus wird ihm ein vertraglicher Urlaubsanspruch von X Arbeitstagen gewährt. Wird Urlaub gewährt, sind die gewährten Urlaubstage zuerst auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch anzurechnen. Der Arbeitnehmer ist erst dann berechtigt, den Urlaub anzutreten, wenn dieser vom Arbeitgeber schriftlich gewährt oder festgelegt ist. Der Urlaubsanspruch kann nur dann ins nächste Kalenderjahr übertragen werden, wenn dies aus dringenden betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen erforderlich ist. Wird der Urlaubsanspruch übertragen, ist er bis zum 31.3. des Folgejahres zu gewähren und zu nehmen. Andernfalls verfällt der Urlaubsanspruch. Dies gilt nicht für den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub krankheitsbedingt nicht in Anspruch nehmen konnte. Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist nur dann abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubsanspruchs ist ausgeschlossen.
755
Zum Urlaubsabgeltungsanspruch noch unten unter Rz. 766.
756
Vom Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch zu unterscheiden, ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsgeld. Beim Urlaubsgeld handelt es sich um eine auf Grund des Urlaubs zusätzlich zur Vergütung gewährte Leistung. Ein gesetzlicher Anspruch auf Urlaubsgeld existiert nicht. Zumeist findet sich die Rechtsgrundlage im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag2.
2. Organ-Führungskräfte 757
Für Organmitglieder existiert keine gesetzliche Regelung im Hinblick auf den Urlaubsanspruch3. Das BUrlG ist ein Arbeitnehmerschutzgesetz und findet keine Anwendung auf Organführungskräfte4. Eine vertragliche Konturierung des Urlaubsrechts ist für Organmitglieder daher von erheblich größerer Bedeutung als für Arbeitnehmer. Hinsichtlich des Urlaubsanspruchs entspricht es allerdings überwiegender Meinung, dass die Grundsätze des Urlaubsrechts ent1 Vgl. auch die Klauselbeispiele bei Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3185 ff. und Gaul/Bonanni/Ludwig, DB 2009, 1013 ff., 1017. 2 Vgl. ErfK/Dörner/Gallner, § 11 BUrlG Rz. 28; Düwell in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BUrlG, § 11 Rz. 54. 3 Ausführlich zum Urlaubsanspruch des GmbH-Geschäftsführers: Haase, GmbHR 2005, 265 ff., 338 ff. 4 Vgl. Haase, GmbHR 2005, 265 ff., 266 ff.
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Rz. 760 Teil 3
Sonstige Klauseln
sprechend heranzuziehen sind1. Die Anwendbarkeit des BUrlG kann aber durch eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag oder in der Satzung herbeigeführt werden. Organ-Führungskräften wird nahezu ausschließlich im Anstellungsvertrag ein Urlaubsanspruch zugestanden. Die vertraglichen Regelungen sehen regelmäßig einen Urlaubsanspruch von 4–8 Wochen vor2. Ist eine ausdrückliche Regelung im Dienstvertrag oder auch in der Satzung nicht vorhanden, kann die Fürsorgepflicht des Dienstnehmers gegenüber dem Dienstverpflichteten als Anspruchsgrundlage herangezogen werden3. Dem Organmitglied ist damit Freizeit zum Zwecke der Erholung unter Fortzahlung der Vergütung zu gewähren4. Auch kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung in Betracht, wenn das Organmitglied fristlos gekündigten worden ist oder seinen Erholungsurlaub aus betriebsbedingten Gründen nicht nehmen konnte (näher dazu unter Rz. 766)5. Bezüglich der Abgeltung des Urlaubsanspruchs hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass eine Abgeltung auch ohne vertragliche Regelung in Betracht kommt, wenn der Urlaub wegen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses oder auf Grund der Verantwortung für das Unternehmen und des Umfangs der geleisteten Arbeit im laufenden Kalenderjahr nicht genommen werden kann6. Auch hier ist eine vertragliche Klarstellung allerdings anzuraten.
758
Eine Aussage über die Dauer des Urlaubs und ggf. die Höhe der Urlaubsabgeltung ist damit aber noch keineswegs getroffen. Ob die Mindeststandards des BUrlG einzuhalten sind, ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Es scheint jedoch empfehlenswert sich an den Vorgaben zu orientieren sofern man kein Risiko eingehen will7. Dies gilt sowohl für den Umfang des Urlaubsanspruchs als auch für dessen Übertragung in das folgende Kalenderjahr. In der Praxis dürfte eine recht großzügige Handhabung die Regel sein. Allerdings dürfte wohl keine strikte Bindung an den gesetzlichen Mindesturlaub nach dem BUrlG existieren, so dass dem Organmitglied auch ggf. nur ein geringerer Urlaubsanspruch zustehen kann8.
759
Das Organmitglied ist nicht berechtigt sich quasi selbst den Urlaub zu gewähren. Eine solche eigenmächtige Urlaubsgewährung bzw. ein eigenmächtiger Urlaubsantritt, können ggf. zu einer Abberufung führen9. Außerdem kann es die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht des Organmitglieds gebieten, den Ur-
760
1 Vgl. BGH v. 24.11.1980 – II ZR 183/80, NJW 1981, 2465 f., 2466; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rz. 33. 2 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 681. 3 Vgl. Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, § 84 Rz. 33; Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 85; Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 77. 4 Vgl. Spindler in: MüKoAktG, § 84 Rz. 85. 5 Vgl. Lücke in: Lücke/Schaub, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 2 Rz. 206; vgl. auch die Rechtsprechung zum GmbH-Geschäftsführer, etwa BGH v. 3.12.1963 – II ZR 201/61, NJW 1963, 535 ff.; zurückhaltender OLG Düsseldorf v. 23.12.1999 – 6 U 119/99, NZG 2000, 377 ff. 6 OLG Düsseldorf v. 23.12.1999 – 6 U 119/99, NZG 2000, 377 f. 7 Vgl. Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 681. 8 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 76. 9 Haase, GmbHR 2005, 338 ff., 340 m.w.N.
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Teil 3 Rz. 761
Typische Vertragsklauseln
laub zu unterbrechen oder abzubrechen, wenn dies zum Wohl der Gesellschaft erforderlich ist. Das Organmitglied ist verpflichtet, auch während des Urlaubs an bedeutenden Entscheidungen des Vorstands bzw. der Geschäftsführung mitzuwirken1. Auch diesbezüglich erscheint eine vertragliche Klarstellung sinnvoll.
! Praxishinweis Es ist für die Praxis unbedingt zu empfehlen, die Grundsätze der Urlaubsgewährung und -abgeltung im Dienstvertrag des Organmitglieds zu regeln, da die Rechtslage insofern wenig klare Konturen aufweist. So kann etwa eine Wartezeit für das Entstehen des Anspruchs oder eine anteilige Gewährung bei Ein- oder Austritt im laufenden Kalenderjahr festgelegt werden. Zudem sollte die Zuständigkeit und das Verfahren für die Gewährung des Urlaubsanspruchs geregelt werden. Auch an einen etwaigen Abgeltungsanspruch sollte bereits gedacht und dessen Berechnungsmodalitäten sowie ggf. seine Voraussetzungen konkretisiert werden. Formulierungsmuster für Vorstandsmitglied Dem Vorstand steht (ggf. nach einer Wartezeit von X Monaten) ein Urlaubsanspruch von X Tagen zu. Der Urlaub ist im laufenden Kalenderjahr zu gewähren und zu nehmen. Wird er im laufenden Kalenderjahr nicht genommen, so kann er ins nächste Kalenderjahr übertragen werden (wenn … ggf. Sachgründe aufführen). Er ist dann bis zum (… Datum) des Folgejahres zu gewähren und zu nehmen. Kann der Urlaubsanspruch ganz oder teilweise nicht gewährt werden, weil das Anstellungsverhältnis beendet wird oder der Umfang der geleisteten Arbeit und die Verantwortung für das Unternehmen die Gewährung von Freizeit ausgeschlossen haben, so ist der Anspruch abzugelten. Der Abgeltungsanspruch berechnet sich wie folgt: …
1. Lohnsteuer 761
Die Regelungen über Urlaubsdauer, -zeitraum oder -antritt sind lohnsteuerrechtlich irrelevant. Unter lohnsteuerrechtlichen Gesichtspunkten relevant sind: – Abgrenzung bezahlter/unbezahlter Urlaub; – zusätzliches Urlaubsgeld; – Urlaubsabfindung.
762
Wird das Entgelt während des Urlaubs fortgezahlt (Regelfall), liegt Arbeitslohn vor; Lohnsteuer ist einzubehalten und abzuführen. Die Steuerfreiheit gemäß § 3b EStG für Sonn-, Feiertags- oder Nachtzuschlägen kann nicht in Anspruch genommen werden, auch wenn diese Zuschläge im Arbeitslohn enthalten sind. Die Steuerfreiheit gem. § 3b EStG kann nur für tatsächliche Tätigkeiten in die1 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rz. 77.
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Rz. 766 Teil 3
Sonstige Klauseln
sen Zeiträumen in Anspruch genommen werden. Befindet sich der Arbeitnehmer im Urlaub, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Bei unbezahltem Urlaub entfällt der Anspruch auf Arbeitslohn. Steuerliche Einnahmen liegen nicht vor; Lohnsteuer kann daher auch nicht abgeführt werden. Gewährt der Arbeitgeber neben dem laufenden Arbeitsentgelt noch zusätzliches Urlaubsgeld führt dies zu steuerbaren Einnahmen. Es handelt sich um einen sonstigen Bezug gemäß § 39b EStG.
763
Urlaubsabgeltung ist steuerpflichtiger Arbeitslohn1. Es handelt sich um einen sonstigen Bezug gemäß § 39b Abs. 3 EStG. Die Urlaubsabgeltung ist keine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG und kann nicht begünstigt gemäß § 34 EStG besteuert werden. Ist die Urlaubsabgeltung Bestandteil einer Gesamtabfindung, kommt eine Aufteilung in einzelne begünstigte oder nicht begünstigte Teile der Abfindung nicht in Betracht. Dies kann – je nach Fallkonstellation – zum Vorteil oder zum Nachteil des Steuerpflichtigen sein2. Die Urlaubsabgeltung kann pauschal nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 EStG unter den dort genannten Voraussetzungen besteuert werden. In der Praxis relevant ist die Pauschalierung, wenn bei einer Mehrzahl der Arbeitnehmer eine Pauschalierung der Lohnsteuer notwendig geworden ist.
764
3. Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern Die Vereinbarung eines Urlaubsanspruchs des Gesellschafter-Geschäftsführers im Anstellungsvertrag führt nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung. Gleiches gilt für die Zahlung eines Urlaubsgeldes. Der Urlaubsanspruch sowie das Urlaubsgeld sind Entgeltbestandteil und werden bei der Angemessenheit der Gesamtausstattung (dazu oben Rz. 171 ff.) überprüft3. Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern gelten die allgemeinen Grundsätze zur Vergütungsvereinbarung. Der Urlaubsanspruch bzw. das Urlaubsgeld müssen im Vorhinein zivilrechtlich wirksam, schriftlich, klar und eindeutig im Anstellungsvertrag geregelt sein (allgemein dazu Rz. 760).
765
Eine Besonderheit zu Gunsten des Geschäftsführers besteht bei der Abgeltung des Urlaubsanspruchs. Bei Arbeitnehmern ergibt sich aus dem Gegenschluss zu § 7 Abs. 4 BUrlG, dass der Urlaub nur in Geld abgefunden werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis beendet worden ist. Bei laufenden Arbeitsverhältnissen kann Urlaub nur dann abgefunden werden, wenn es eine tarifvertragliche Regelung gibt; ansonsten ist die Urlaubsabgeltung keine Erfüllung des Urlaubsanspruches des Arbeitnehmers4. Bei Organmitgliedern gilt das gesetzliche Verbot nicht5. Kann der Geschäftsführer den Urlaub in einem Kalenderjahr aus
766
1 R 19.3 Abs. 1 Nr. 2 LStR 2011. 2 Einerseits FG Köln v. 10.8.1999 – 14 K 1049/97, EFG 2000, 173 zu Gunsten des Arbeitsnehmers, anderseits FG Rheinland-Pfalz v. 2.3.2001 – 3 K 1601/97 – zu Ungunsten des Arbeitnehmers, kritisch Schmidt/Seeger, EStG, § 24 Rz. 27 „Urlaub“, Aufteilung notwendig. 3 Gosch, KStG, § 8 Rz. 1341. 4 Küttner/Röller, Personalbuch, 15. Aufl., „Urlaubsabgeltung“ Rz. 3. 5 BGH v. 3.12.1962 – II ZR 201/61, NJW 1963, 535 für den Geschäftsführer einer GmbH; für Organe anderer Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaft, Genossenschaft) gilt entsprechendes.
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Teil 3 Rz. 767
Typische Vertragsklauseln
betrieblichen Gründen nicht in Anspruch nehmen, wandelt sich der Urlaubsanspruch in einen Abgeltungsanspruch. Die Änderung der Leistung der GmbH (vom Urlaub als „bezahlte Freizeit“ in einen Geldanspruch) ergibt sich unmittelbar aus der vertraglichen Vereinbarung eines Urlaubsanspruchs. Die Gesellschaft kann für diesen Abgeltungsanspruch Rückstellungen bilden und ggf. auch für mehrere Kalenderjahre den Abgeltungsbetrag an den Geschäftsführer auszahlen1. 767
Die Urteile betrafen Geschäftsführer einer GmbH. Für Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften oder Genossenschaften gilt der Schutzgedanke des BUrlG ebenso wenig wie für Geschäftsführer einer GmbH. Der Urlaubsanspruch wandelt sich daher ebenfalls in einen Abgeltungsanspruch. Die Aktiengesellschaft bzw. die Genossenschaft kann den Abgeltungsanspruch erfüllen oder Rückstellungen für das jeweilige Kalenderjahr bilden, in dem der Abgeltungsanspruch entstanden ist.
V. Krankheit 768
Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeitnehmer-Führungskräfte unterliegen den Regelungen des EFZG, während dieses auf Organ-Führungskräfte nicht anzuwenden ist. Auch an dieser Stelle ist der Schutz der Organmitglieder wieder weniger stark ausgeprägt als derjenige der Arbeitnehmer.
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte 769
Die Regelungen des EFZG sind grundsätzlich einseitig zwingendes Recht. Von ihnen kann nur zu Gunsten des Arbeitnehmers oder ausnahmsweise – vgl. § 4 Abs. 4 EFZG – in Tarifverträgen auch zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden, vgl. § 12 EFZG. Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, so steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG für die Dauer von sechs Wochen zu. Die Erkrankung muss monokausal für die Arbeitsunfähigkeit sein2. Andere Ursachen für den Ausfall der Arbeitsleistung dürfen nicht vorliegen3. Voraussetzung ist zunächst, dass das Arbeitsverhältnis bereits vier Wochen ununterbrochen bestanden hat, § 3 Abs. 3 EFZG. Wird der Arbeitnehmer während der Wartezeit arbeitsunfähig krank, so entsteht der Entgeltfortzahlungsanspruch mit Ablauf der Wartezeit für die Dauer von sechs Wochen. Die in der Wartezeit liegenden Krankheitstage sind nicht anzurechnen4. Bei Führungskräften wird die Dauer 1 BFH v 8.1.1969 – I R 21/68, BStBl. 1969 II, 327; v. 10.1.1973 – I R 119/70, BStBl. 1973 II, 322; v. 28.1.2004 – I R 50/03, BStBl. 2005 II, 524; v. 6.10.2006 – I B 28/06, BFH/NV 2007, 275. 2 Griese in: Küttner, Entgeltfortzahlung, Rz. 3; ausführlich Müller-Glöge, RdA 2006, 105 ff., 106 ff. 3 Vgl. BAG v. 26.6.1996 – 5 AZR 872/94, NZA 1996, 1087 ff.; Vossen in: Dornbusch/ Fischermeier/Löwisch, EFZG, § 3 Rz. 17. 4 BAG v. 26.5.1999 – 5 AZR 476/98, NZA 1999, 1273 ff.; HWK/Schliemann, EFZG, § 4 Rz. 115.
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Rz. 772 Teil 3
Sonstige Klauseln
der Entgeltfortzahlung häufig auf drei oder sechs Monate verlängert – insbesondere, wenn der Mitarbeiter nicht in einer gesetzlichen Krankenkasse pflichtoder freiwillig versichert ist1. Zudem darf den Arbeitnehmer an seiner Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden treffen. Das Verschulden i.S.v. § 3 EFZG ist als grobes Verschulden gegen sich selbst zu verstehen. Es ist damit nicht der Verschuldensmaßstab des § 276 BGB zu Grunde zu legen2. Schuldhaft handelt der Arbeitnehmer nur dann, wenn er in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt3. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung scheidet grundsätzlich auch dann aus, wenn der Arbeitnehmer wegen einer bestimmten Krankheit bereits sechs Wochen Lohnfortzahlung erhalten hat und wegen derselben Krankheit innerhalb eines Jahres seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit erneut erkrankt (sog. Fortsetzungserkrankung). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn zwischen der erstmaligen Arbeitsunfähigkeit und der Fortsetzungserkrankung ein Zeitraum von sechs Monaten liegt, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EFZG. Eine Fortsetzungserkrankung liegt immer dann vor, wenn die Arbeitsunfähigkeit auf dasselbe Grundleiden zurückzuführen ist, das seit der ersten Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeheilt war sondern latent weiter bestand4. Die Entgeltfortzahlung kann auch über den Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses hinaus zu leisten sein, wenn der Arbeitgeber aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit das Arbeitsverhältnis kündigt, vgl. § 8 Abs. 1 EFZG. Dazu muss die Arbeitsunfähigkeit wesentliche Bedingung und objektive Ursache der Kündigung gewesen sein5. Sie muss den entscheidenden Anstoß für die Kündigung gegeben haben6.
770
Für die Höhe der Lohnfortzahlung gilt das Entgeltausfallprinzip. Danach ist die volle Vergütung inklusive etwaiger Zuschläge fortzuzahlen. Dies gilt aber nur für die individuelle Arbeitszeit. Die regelmäßige tarifliche oder betriebliche Arbeitszeit spielt keine Rolle7. Ausgenommen sind die Überstundenvergütung sowie Überstundenzuschläge, § 4 Abs. 1a EFZG. Sondervergütungen, die der Arbeitgeber neben dem laufenden Entgelt erbringt, können für die Zeit der Entgeltfortzahlung gekürzt werden, vgl. § 4a EFZG. Erforderlich ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten. Unter die Sonderzahlungen i.S.v. § 4a Satz 1 EFZG fallen insbesondere Anwesenheitsprämien und Jahressondervergütung wie etwa eine Weihnachtsgratifikation8.
771
Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber grundsätzlich unverzüglich – d.h. ohne schuldhaftes Zögern – über eine bestehende Arbeitsunfähigkeit zu unterrich-
772
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Schiefer in: Reufels/Hümmerich, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1647. Griese in: Küttner, Entgeltfortzahlung, Rz. 6; HWK/Schliemann, EFZG, § 3 Rz. 51. BAG v. 30.3.1988 – 5 AZR 42/87, DB 1988, 1403. Vgl. Müller-Glöge, RdA 2006, 105 ff., 109. BAG v. 22.8.2001 – 5 AZR 699/99, NZA 2002, 610 ff., 611. Vgl. Müller-Glöge, RdA 2006, 105 ff., 111. Vgl. Müller-Glöge, RdA 2006, 105 ff., 110. Vossen in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, EFZG, § 4a Rz. 3 m.w.N.
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Teil 3 Rz. 773
Typische Vertragsklauseln
ten, § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Da der Arbeitgeber disponieren können muss, bezieht sich die Unterrichtungspflicht auch auf das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit über den bereits mitgeteilten Zeitraum hinaus1. Bei einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als drei Kalendertage dauert, hat der Arbeitnehmer gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG dem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie dessen voraussichtliche Dauer spätestens am darauf folgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber kann die Bescheinigung gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG auch schon früher verlangen, sogar schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit. Eine entsprechende Vertragsklausel ist zulässig2. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als angegeben, so ist eine neue Anschlussbescheinigung vorzulegen, § 5 Abs. 1 Satz 4 EZFG. 773
Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums steht dem Arbeitnehmer gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld gegen seine Krankenversicherung in Höhe von 70 % der Nettovergütung. Formulierungsmuster3 Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber eine bestehende Arbeitsunfähigkeit unverzüglich unter Angabe der Gründe – möglichst telefonisch – mitzuteilen. Dabei hat er auch auf anstehende dringliche Arbeiten hinzuweisen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber spätestens am dritten Kalendertag nach Eintritt der Erkrankung unaufgefordert eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen, die auch Angaben über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit enthält. Der Arbeitgeber ist berechtigt die Bescheinigung auch schon am ersten Tag der Erkrankung zu verlangen.
774
Soll der Entgeltfortzahlungszeitraum ggf. verlängert werden, so bietet sich folgende Formulierung an: Der Arbeitgeber gewährt dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung bei unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit für einen Zeitraum von drei (bzw. sechs) Monaten. Krankengeldleistungen, die der Arbeitnehmer von einem gesetzlichen oder privaten Versicherungsträger erhält, sind auf das Nettoentgelt anzurechnen.
2. Organ-Führungskräfte 775
Das Organmitglied hat nicht nur ein erhebliches Interesse an einer Fortzahlung der Vergütung während des Erholungsurlaubs. Noch wichtiger dürfte die Absi1 LAG Köln v. 9.2.2009 – 5 Sa 926/08; Vossen in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, EFZG, § 5 Rz. 5 m.w.N. 2 Vgl. BAG v. 1.10.1997 – 5 AZR 726/96, NZA 1998, 369 ff. 3 In Anlehnung an Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, Teil 1 Rz. 1664.
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Rz. 778 Teil 3
Sonstige Klauseln
cherung im Falle einer Krankheit sein. Auch hier stellt sich die Problematik, dass das EFZG auf Vorstandsmitglieder und GmbH-Gechäftsführer mangels Arbeitsvertrags nicht anwendbar ist1. Dies gilt selbst dann, wenn neben dem Organverhältnis noch ein ruhendes Arbeitsverhältnis besteht2. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht3. Nichtsdestotrotz wird zu Recht darauf hingewiesen, dass eine mögliche Erkrankung in der Zukunft bei der Vertragsgestaltung nur zu gern außer acht gelassen wird, da man sich mit derartigen Eventualitäten nicht befassen möchte4. Zwar verhindert § 616 Satz 1 BGB, dass das Organmitglied seinen Vergütungsanspruch verliert, wenn es für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Es handelt sich insofern um eine Ausnahme vom Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Allerdings bestehen insbesondere bei der Feststellung, ob es sich im konkreten Fall um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit handelt, gravierende Unsicherheiten. Nach der überwiegenden Ansicht sind insofern die gesamten Umstände des Einzelfalls heranzuziehen5. Die Dauer der Dienstverhinderung ist dabei in Beziehung zu setzen zur bereits verstrichenen und noch zu erwartenden Gesamtdauer des Dienstverhältnisses6. Teilweise wird erwogen, bei einer Erkrankung von Dienstverpflichteten in Anlehnung an das EFZG eine Zeitdauer von bis zu sechs Wochen für verhältnismäßig nicht erheblich anzusehen7.
776
In die Höhe der Entgeltfortzahlung sind grundsätzlich sämtliche Leistungen an das Organmitglied einzubeziehen einschließlich Tantiemen und Nebenleistungen, sofern nicht etwas anderes vereinbart worden ist8. Anrechnen lassen muss sich der Dienstverpflichte aber den Betrag, der ihm für die Zeit seiner Dienstverhinderung aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversicherung zusteht, § 616 Satz 2 BGB.
777
Die Regelung des § 616 BGB ist dispositives Recht und damit auch einzelvertraglich abdingbar, arg. ex. § 619 BGB. Die Gesellschaft und das Organmitglied haben daher weitgehende Gestaltungsfreiheit bei der Vereinbarung von Entgeltfortzahlungsregelungen. Aber auch die Satzung kann einen Entgeltfortzahlungsanspruch des Geschäftsführers dem Grund nach oder auch bereits konkretisiert festschreiben9.
778
1 Vgl. hierzu Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1260 f.; Confurius in: Hansen/Kelber/Zeißig/ Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 1590. 2 Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1262 m.w.N. 3 Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1263 f. 4 Fleischer, NZG 2010, 561 ff., 561. 5 Vgl. dazu näher HWK/Krause, § 616 BGB Rz. 40 ff. 6 BAG v. 18.12.1959 – GS 2/59, NJW 1960, 741 ff.; 743; Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1266; Joussen in: BeckOK Arbeitsrecht, § 616 Rz. 16; siehe auch Henssler in: MüKoBGB, § 616 Rz. 59 f. 7 So etwa ErfK/Dörner, § 616 BGB Rz. 10a; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 6 Rz. 107; Wimmer, DStR 1997, 247 ff., 249; ablehnend Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1266. 8 Vgl. Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1267 m.w.N. 9 Vgl. Haase, GmbHR 2005, 1260 ff., 1270.
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Teil 3 Rz. 779
Typische Vertragsklauseln
! Praxishinweis Auch für den Fall der Entgeltfortzahlung bei Krankheit, sollte der Dienstvertrag des Vorstandsmitglieds oder Geschäftsführers eine ausdrückliche Regelung enthalten. 779
Eine entsprechende Klausel könnte in Anlehnung an Reufels1 wie folgt formuliert werden: Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit, die durch Krankheit, Unfall oder aus einem anderem vom Vorstand/Geschäftsführer nicht verschuldeten Grund eintritt, werden die Bezüge für die Dauer von sechs Monaten, längstens aber bis zum Ende des Anstellungsvertrages, in unveränderter Höhe weitergewährt.
780
Praktische Relevanz besitzt zudem die Frage nach der Mitteilungspflicht des Organmitglieds, wenn es erkrankt. Eine analoge Anwendung der recht strengen Mitteilungspflichten nach dem EFZG scheidet aus. Allerdings kann sich eine Mitteilungspflicht aus der organschaftlichen Treuepflicht ergeben. Die Gesellschaft hat ein berechtigtes Interesse daran über einen drohenden Ausfall ihres Organmitglieds informiert zu werden, um ggf. organisatorische Maßnahmen ergreifen zu können. Dagegen ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Organmitglieds in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Abwägung zu bringen. Im Ergebnis dürfte jedenfalls dann eine Mitteilungspflicht anzunehmen sein, wenn das Organmitglied in einem absehbaren Zeitraum seine Diensttauglichkeit einbüßen wird2. Ein berechtigtes Interesse der Gesellschaft daran die genaue Diagnose zu erfahren, wird jedoch abzulehnen sein3.
781
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist steuerpflichtiger Lohn. Bei Organmitgliedern, insbesondere Gesellschafter-Geschäftsführern, ist die Lohnfortzahlung im Dienstvertrag zu regeln. Ohne Regelung liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, da für Organmitglieder das EFZG keine Anwendung findet. Ohne eine einzelvertragliche Regelung könnte zwar auf § 616 Satz 1 BGB zurückgegriffen werden; die Dauer der berechtigten Dienstverhinderung ist allerdings unklar (siehe dazu oben unter Rz. 776).
782
Wegen des Zeitraums der Lohnfortzahlung gibt es wenig gesicherte Erkenntnisse. Unproblematisch ist die Sechs-Wochen-Regelung nach EFZG. Üblicherweise werden in den Dienst- bzw. Anstellungsverträgen allerdings längere Lohnfortzahlungszeiträume geregelt, regelmäßig bis sechs Monate. Die Rechtsprechung hat sich bisher explizit – soweit ersichtlich – mit der sechsmonatigen Lohnfortzahlung noch nicht auseinander gesetzt. Die Lohnfort-
1 Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 3 Rz. 396. 2 Fleischer, NZG 2010, 561 ff., 564. 3 Fleischer, NZG 2010, 561 ff., 564.
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Rz. 786 Teil 3
Sonstige Klauseln
zahlung ist „lediglich“ Indiz für die Qualifikation als (steuerrechtlicher) Arbeitnehmer1. Eine Lohnfortzahlung über einen noch längeren Zeitraum – etwa für einen Zeitraum bis zu zwölf Monaten – könnte ebenfalls noch angemessen sein. Voraussetzung ist allerdings, dass das Organmitglied über keine weiteren Ersatzleistungen, etwa Krankengeld verfügt, und von den Bezügen abhängig ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Organträger noch anderen Personen – Ehegatten, Kindern – unterhaltsverpflichtet ist und diese letztlich auch von den Bezügen abhängen.
783
VI. Freizeitverhaltensklauseln Freizeitverhaltensklauseln umfassen Regelungen im Hinblick auf das außerdienstliche Verhalten von Führungskräften. Da diese oftmals – insbesondere, wenn sie vertretungsbefugt sind – in erhöhtem Maße mit dem Unternehmen assoziierte werden, kann dieses auch ein Interesse daran haben, Einfluss auf das Freizeitverhalten der Führungskraft zu nehmen. Es muss aber nicht nur die Wahrung eines positiven Ansehens in der Öffentlichkeit im Mittelpunkt stehen. Andere Klauseln befassen sich etwa mit der Erhaltung der Arbeitskraft durch das Verbot des Drogenkonsums oder einer Pflicht zu einem gesundheitsfördernden Verhalten.
784
1. Arbeitnehmer-Führungskräfte Der Arbeitgeber ist grundsätzlich weder Sittenwächter noch Gesundheitscoach des Arbeitnehmers. Ein Anspruch auf Einflussnahme auf das Freizeitverhalten ist dem Arbeitgeber grundsätzlich nicht zuzugestehen2. Einem solchen Anspruch stünde insbesondere das verfassungsrechtlich geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers entgegen3.
785
Freizeitverhaltensklauseln können aber im Einzelfall eine zulässige Erweiterung der ordentlichen Kündigungsgründe darstellen. Ihre Zulässigkeit ist auf Grund einer Abwägung im Einzelfall vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung haben sich gewisse Leitlinien etabliert. So ist zu berücksichtigen, dass ein außerdienstliches Verhalten nur dann eine ordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, wenn das Arbeitsverhältnis durch das Verhalten konkret beeinträchtigt wird4. Als Paradebeispiel für eine solche Berührung mit dem Arbeits-
786
1 Vgl. aus jüngerer Zeit nur BFH v. 23.4.09 – VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1611 = GmbHR 2009, 833; das FG Berlin hat in dem Urteil v. 6.3.2006 – 9 K 2574/03 – (insoweit nicht in DStRE 2006, 1055 abgedruckt), ebenfalls keine Bedenken gegen eine 6-monatige Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geäußert. Die Regelung für diesen Geschäftsführer wurde vielmehr als Abgrenzung angeführt, dass für den anderen Geschäftsführer – um den es in dieser Entscheidung letztlich ging – keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorlagen. 2 Vgl. Schäfer, NZA 1992, 529 ff., 530; Kaiser in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, KSchG, § 1 Rz. 65; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rz. 348. 3 Vgl. Schäfer, NZA 1992, 229 ff., 530. 4 BAG v. 21.6.2001 – 2 AZR 325/00, NZA 2002, 1030 ff., 1031; vgl. auch Fischermeier in: KR, BGB, § 626 Rz. 414.
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Teil 3 Rz. 787
Typische Vertragsklauseln
verhältnis wird der Kraftfahrer angeführt, dem die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Straßenverkehr bei einer privaten Fahrt entzogen wird1. Zwar gehört der Alkoholkonsum eines Arbeitnehmers in dessen Privatsphäre. Eine Grenze ist jedoch dort zu ziehen, wo der Alkoholkonsum dazu führt, dass der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht mehr ordnungsgemäß nachkommt. Außerdem ist der Arbeitnehmer grundsätzlich auch nicht verpflichtet, seine Arbeitsfähigkeit zu erhalten und gesundheitsgefährdendes Verhalten zu unterlassen2. 787
Führungskräfte unterliegen dagegen nach allgemeiner Auffassung auf Grund ihrer exponierten Stellung und Nähe zum Arbeitgeber einer gesteigerten Loyalitätspflicht. Sie müssen daher auch in ihrer Freizeit in weit größerem Maße auf die Belange des Arbeitgebers und das Arbeitsverhältnis Rücksicht nehmen als andere Arbeitnehmer3. Dies gebietet ihnen ihre Vorbildfunktion und die erforderliche Autorität gegenüber den ihnen unterstellten Arbeitnehmern4. Sie sind jedenfalls verpflichtet, bei Äußerungen, die dem Arbeitsverhältnis nicht dienlich sind, Zurückhaltung zu üben5. Erhöhte Anforderungen an das Freizeitverhalten von Arbeitnehmern in exponierter Stellung können insbesondere im Hinblick auf ein gesundheitsbewusstes Verhalten gestellt werden. Die Einschränkungen in der Privatsphäre werden bei Führungskräften regelmäßig durch ein erhöhtes Gehalt ausgeglichen6. Je höher und exponierter die Position der Führungskraft ist, desto umfangreichere Einschränkungen des Freizeitverhaltens sind zulässig7. Formulierungsmuster Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, bei seinem außerdienstlichen Verhalten angemessen Rücksicht auf die Interessen des Arbeitgebers und das Arbeitsverhältnis zu nehmen, sofern dieses durch das außerdienstliche Verhalten berührt wird. Das Unternehmen bietet dem Arbeitnehmer ein von ihm finanziertes Fitnessprogramm für Manager an. Dieses ist Teil der Unternehmensphilosophie. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, außer bei Urlaub und Krankheit, zwei Mal pro Woche an dem Programm teilzunehmen.8
2. Organ-Führungskräfte 788
Auch bei Organ-Führungskräften geraten Freizeitverhaltensklauseln grundsätzlich in Konflikt mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Organmitglieds. 1 Nach BAG v. 20.5.1978 – 2 AZR 630/76, DB 1978, 1790 ff. 2 Vgl. Kaiser in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, KSchG, § 1 Rz. 67; ausführlich dazu Schäfer, NZA 1992, 529 ff. 3 Vgl. Kaiser in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, KSchG, § 1 Rz. 69. 4 Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 110. 5 Kelber in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 110. 6 Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1817. 7 Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1817. 8 Vgl. Schiefer in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 1822.
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Rz. 789 Teil 3
Sonstige Klauseln
Möglicherweise könnte bei Organmitgliedern die organschaftliche Treuepflicht zu einer gesteigerten Rücksichtnahmepflicht auf die eigene Gesundheit im Interesse der Gesellschaft führen1. Zutreffend ist dagegen aber davon auszugehen, dass auch bei Organmitgliedern das Recht auf Wahrung der Privatsphäre grundsätzlich zu beachten ist. Nur in Ausnahmefällen kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht von der organschaftlichen Treuepflicht überlagert werden2. Jedenfalls bedarf es auch hier einer Beeinflussung des Anstellungsverhältnisses durch das Freizeitverhalten. So wird etwa ein generelles Verbot risikobehafteter Sportarten einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB nicht standhalten. Das Vorstandsmitglied darf grundsätzlich auch in seiner Freizeit gefährliche Sportarten ausüben3. Eine Grenze dürfte aber dort zu ziehen sein, wo der Ausfall des Vorstandsmitglieds für die Gesellschaft existenzbedrohend sein kann. Hier gebietet es die Treuepflicht dem Vorstandsmitglied – soweit möglich –, außergewöhnliche Gefahrensituationen zu vermeiden4. Möglich dürfte es dagegen sein, das Organmitglied dazu zu verpflichten, sich in regelmäßigen Abständen auf Kosten der Gesellschaft einer Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen5. Allerdings ist noch nicht abschließend geklärt, ob das Ergebnis der Untersuchung innerhalb der Gesellschaft – etwa dem Aufsichtsrat – mitzuteilen ist. Von einer entsprechenden Vertragsgestaltung dürfte – insbesondere auf Grund des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – abzuraten sein. Formulierungsmuster6 Das Vorstandsmitglied/Der Geschäftsführer ist verpflichtet, bei seinem außerdienstlichen Verhalten angemessen Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaft und das Organverhältnis zu nehmen, sofern dieses durch das außerdienstliche Verhalten berührt wird. Das Vorstandsmitglied/Der Geschäftsführer ist verpflichtet, sich einmal jährlich einer ärztlichen Vorsorgeuntersuchung auf Kosten des Unternehmens zu unterziehen. Das Unternehmen hat keinen Anspruch auf Mitteilung des Untersuchungsergebnisses.
1 2 3 4 5 6
So etwa Raiser/Veil, Kapitalgesellschaftsrecht, § 14 Rz. 91. Vgl. Fleischer, NZG 2010, 561 ff., 562; Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 96. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 96. Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 96. Fleischer, NZG 2010, 561 ff., 563; Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 14 Rz. 6. Ähnliche Klausel bei Baumann in: Oppenländer/Trölitzsch, § 14 Rz. 6.
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Teil 3 Rz. 790
Typische Vertragsklauseln
VII. Wohnsitzklauseln und Umzugskosten 1. Arbeitsrecht a) Wohnsitzklausel 790
Gerade von Führungskräften wird heute eine erhebliche Flexibilität verlangt (zur Änderung des Arbeitsortes vgl. Rz. 300 ff., zum Auslandseinsatz vgl. Rz. 319). Ihre Tätigkeit bringt es mit sich, dass oft kurzfristig ihr Dienst aufgenommen werden muss. Dies ist u.E. nur dann möglich, wenn die Führungskraft nicht allzu weit vom Dienstort entfernt wohnt. Der Dienstgeber hat daher ein erhebliches Interesse daran, dass die Führungskraft ihren Wohnsitz in der Nähe des Dienstortes nimmt. In Anstellungsverträgen findet sich deshalb ggf. eine Regelung, nach der die Führungskraft zu einer entsprechenden Wahl des Wohnsitzes verpflichtet ist. Ob eine solche Wohnsitzklausel – insbesondere nach einer Angemessenheitskontrolle nach §§ 307 ff. BGB – als zulässig anzusehen ist, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Eine solche Klausel greift erheblich in die Privatsphäre der Führungskraft ein. Sowohl für Arbeitnehmer als auch für Organ-Führungskräfte wird deshalb jedenfalls vorauszusetzen sein, dass für die Vereinbarung der Wohnsitzklausel ein sachliches praktisches Bedürfnis besteht1. Dies kann etwa der Fall sein, wenn es sich um eine Tätigkeit im Bereich des Katastrophenschutzes handelt2. Fehlt ein konkreter Bezug der Verpflichtung den Wohnsitz am Firmensitz zu nehmen zum Arbeits- bzw. Dienstverhältnis und kommt die Führungskraft dieser Verpflichtung nicht nach, kommt eine Kündigung des Anstellungsverhältnisses nicht in Betracht3.
b) Umzugskostenklauseln 791
Zudem kann sich der Dienstgeber – auch unabhängig von einer etwaigen Wohnsitzklausel – dazu verpflichten, die Kosten des Umzugs der Führungskraft zu übernehmen. Solche Leistungen sind weitgehend üblich. Es handelt sich bei ihnen um einen Teil der Vergütung. Die Klausel kann eine Umzugskostenpauschale oder auch volle Umzugskostenübernahme vorsehen4. Da der Dienstgeber die Kosten in der Regel freiwillig übernimmt und dementsprechend auch ein Interesse daran haben wird, dass die Führungskraft auch über einen gewissen Zeitraum hinweg für das Unternehmen tätig wird, wird regelmäßig im Anstellungsvertrag auch eine Rückzahlungspflicht für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens vereinbart. Die Ausgestaltung folgt im Wesentlichen der Gestaltung von Rückzahlungsklauseln bei Fort- und Weiterbildungen. Auch hier ist ein besonderes Augenmerk auf die ausdrückliche und eindeutige Formulierung der die Rückzahlungspflicht auslösenden Tatbestände zu legen5. Parallel zur Rechts1 Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 621 f.; für weitergehende Zulässigkeit LAG München v. 9.1.1991 – 5 Sa 31/90, NZA 1991, 821. 2 Vgl. LAG München v. 9.1.1991 – 5 Sa 31/90, NZA 1991, 821 (Feuerwehrmann eines Kernkraftwerkes). 3 Vgl. LAG Nürnberg v. 9.12.2003 – 6 Sa 676/02, NZA-RR 2004, 298 ff., 299. 4 Vgl. Stoffels in: Preis, Arbeitsvertrag, II U 10 Rz. 1. 5 Vgl. dazu Stoffels in: Preis, Arbeitsvertrag, II U 10 Rz. 10 ff.
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Rz. 793 Teil 3
Sonstige Klauseln
lage bei Fort- und Weiterbildungskosten wird auch für Umzugskosten eine Rückzahlungspflicht nur dann in Betracht kommen, wenn der Auslöser für die Rückzahlungsverpflichtung im Einflussbereich der Führungskraft liegt. Nur wenn sie es in der Hand hat, durch eigenes Verhalten die Rückzahlung zu vermeiden, ist eine solche Klausel zulässig (vgl. zu den einzelnen Tatbeständen Rz. 699 ff.)1. Daneben stellt sich auch bei der Rückforderung von Umzugskosten die Frage nach der zulässigen Bindungsdauer. Diese ist im Wege einer Interessenabwägung zu ermitteln, wobei neben der Länge der Bindungsdauer auch die Höhe der Rückzahlungslast und der, von der Führungskraft durch den Ortswechsel erlangte, berufliche Vorteil ein Rolle spielen. Regelmäßig dürfte eine Bindungsdauer von drei Jahren einer gerichtlichen Überprüfung stand halten. Formulierungsmuster (1) Der Arbeitgeber trägt die Kosten eines Umzugs des Arbeitnehmers von … nach … (ggf. … bis zur Höhe von X Euro) gegen Vorlage entsprechender Quittungen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, vor dem Umzug Vergleichsangebote von mindestens zwei Umzugsunternehmen einzuholen. Die Auftragserteilung bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. (2) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die vom Arbeitgeber tatsächlich übernommenen Umzugskosten an diesen zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von (Monaten/Wochen) ab Beginn des Monats, in den der Umzug fällt, aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen, auf Wunsch des Arbeitnehmers oder durch dessen vertragswidriges Verhalten veranlasst im gegenseitigen Einvernehmen, beendet wird. Insbesondere besteht keine Rückzahlungspflicht im Falle einer betriebsbedingten Kündigung. (3) Für jeden vollen Beschäftigungsmonat nach Beginn des Monats, in den der Umzug fällt, vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/…
c) Organ-Führungskräfte Die vorstehenden Ausführungen dürften auf Organ-Führungskräfte weitgehend übertragbar sein, zumal auch ihre Anstellungsverträge zumeist einer AGBKontrolle unterliegen. Folglich muss auch bei ihnen die Rückzahlungsklausel insbesondere angemessen sein. Andererseits werden bei Organ-Führungskräften mit befristeten Verträgen als Rückzahlungstatbestände nur eine außerordentliche Kündigung und ein Aufhebungsvertrag in Betracht kommen.
792
2. Steuerrecht a) Werbungskosten/steuerfreie Einnahmen Bei einem beruflich veranlassten Wohnungswechsel sind Umzugskosten, soweit der Arbeitnehmer diese selbst getragen hat, Werbungkosten gemäß § 9 1 Näher Stoffels in: Preis, Arbeitsvertrag, II U 10 Rz. 12 f., der zusätzlich die krankheitsbedingte Kündigung als Rückzahlungsauslöser für zulässig hält.
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Teil 3 Rz. 794
Typische Vertragsklauseln
EStG. Soweit die Umzugskosten als anerkennungsfähige Werbungskosten zu qualifizieren sind, kann der Arbeitgeber diese dem Arbeitnehmer gemäß § 3 Nr. 16 EStG steuerfrei erstatten. Für Führungskräfte bestehen insoweit keine Besonderheiten im Vergleich zu normalen Arbeitnehmern. 794
Die Finanzverwaltung erkennt den Werbungskostenabzug an, soweit die Umzugskosten nach dem Gesetz über die Umzugskostenvergütung für die Bundesbeamten, Richter im Bundesdienst und Soldaten (BUKG) erstattungsfähig wären. Bei Umzügen in das Ausland oder von dem Ausland in das Inland gilt zusätzlich die Auslandsumzugskostenverordnung (AUV). Nicht anerkannt werden lediglich der Ausstattungsbeitrag bzw. Einrichtungsbeitrag gem. §§ 12, 13 AUV sowie Maklergebühren für die Vermittlung einer eigenen Wohnung1.
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Voraussetzung für die Anerkennung der Umzugskosten ist die berufliche Veranlassung des Wohnungswechsels. Eine berufliche Veranlassung ist gegeben bei: – Verkürzung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte um mindestens eine Stunde, wobei Hin- und Rückfahrt zusammengerechnet werden (demnach mindestens 30 Minuten für die einfache Strecke)2; – wenn der Umzug im ganz überwiegenden betrieblichen Eigeninteresse des Arbeitgebers durchgeführt wird, insbesondere beim Beziehen einer Dienstwohnung3; – wenn der Umzug auf Anlass der erstmaligen Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, des Wechsels des Arbeitgebers oder im Zusammenhang mit einer Versetzung durchgeführt wird4; – wenn der eigene Hausstand zur Beendigung einer doppelten Haushaltsführung an den Beschäftigungsort verlegt wird5.
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Umzugskosten sind abzugsfähig, soweit diese nach BUKG erstattungsfähig sind; nach Finanzverwaltung mit Ausnahme der Maklergebühren. Nach BUKG sind abzugsfähig: – Beförderungsauslagen gemäß § 6 BUKG; – Reisekosten gemäß § 6 BUKG; – Reisekosten gemäß § 7 BUKG; – Mietentschädigung gemäß § 8 BUKG; – andere Auslagen gemäß § 9 BUKG; – Pauschvergütung für sonstige Umzugsauslagen gemäß § 10 BUKG; – Auslagen nach § 11 BUKG. 1 R 9.9 Abs. 2 Satz 1 LStR 2011. 2 Ständige Rechtsprechung, vgl. BFH v. 6.11.1986 – VI R 106/85, BStBl. 1987 II, 81 zu weiteren Einzelfällen H 9.9 „erhebliche Fahrzeitverkürzung“ LStR 2011. 3 BFH v. 28.4.1988 – IV R 42/86, BStBl. 1988 II, 777. 4 H 9.9 „berufliche Veranlassung“ LStR 2011. 5 BFH v. 21.7.1988 – VI R 129/86, BStBl. II, 1989, 917.
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Rz. 800 Teil 3
Sonstige Klauseln
Für die sonstigen Umzugsauslagen gemäß § 10 Abs. 1 BUKG werden von der Finanzverwaltung für Umzüge ab 1. Januar 2009 folgende Pauschbeträge anerkannt:
797
– für Verheiratete bei Beendigung des Umzugs ab 1. Januar 2009
204,00 Euro
ab 1. Juli 2009
256,00 Euro
ab 1. Januar 2010
271,00 Euro
ab 1. Januar 2011
279,00 Euro
ab 1. August 2011
283,00 Euro
– für Ledige bei Beendigung des Umzugs ab 1. Januar 2009
602,00 Euro
ab 1. Juli 2009
628,00 Euro
ab 1. Januar 2010
636,00 Euro
ab 1. Januar 2011
640,00 Euro
ab 1. August 2011
641,00 Euro
Für in BUKG im Einzelnen genannten weiteren Personen (Kinder, Stief- und Pflegekinder, Verwandte bis zum vierten Grade, Verschwägerte bis zum zweiten Grade und Pflegeeltern, soweit aus gesetzlichen oder sittlichen Gründen Unterhalt gewährt wird), können zusätzliche Pauschbeträge geltend gemacht werden; zuletzt ab 1. August 2011 in Höhe von 283,00 Euro1.
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b) Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern Besonderheiten bei Gesellschafter-Geschäftsführern bestehen nicht. Beruflich veranlasste Umzüge – etwa im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gesellschaftsanteils sowie dem Beginn der Geschäftsführertätigkeit – sind Werbungskosen bzw. können gemäß § 3 Nr. 16 EStG von der Gesellschaft steuerfrei erstattet werden.
799
VIII. Ausschlussklauseln 1. Arbeitnehmer-Führungskräfte Unter Ausschlussklauseln versteht man typischerweise Regelungen, die bestimmen, dass Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis binnen einer gewissen Frist geltend gemacht werden müssen. Ohne eine frist- und formgerechte Geltendmachung verfällt der Anspruch2. Sie begründen eine rechtsvernichtende Einwendung gegen den vertraglichen Anspruch, so dass sie nicht erst auf die Einrede einer Partei, sondern von Amts wegen zu berücksichtigen sind3. In 1 BMF, Schr. v. 5.7.2011 – IV C 5 - S 2353/08/10007, BStBl. 2011 I, 736. 2 Ausführlich zu Ausschlussklauseln Preis/Roloff, RdA 2005, 144 ff. 3 Kamanabrou in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, BGB, § 611 Rz. 257.
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800
Teil 3 Rz. 801
Typische Vertragsklauseln
der Praxis verbreitet sind sog. zweistufige Ausschlussklauseln. Danach muss der Anspruch nicht nur innerhalb einer bestimmten Frist beim Vertragspartner geltend gemacht werden, sondern bei Zurückweisung oder fehlender Reaktion binnen einer weiteren Frist auch gerichtlich verfolgt werden. 801
Bedenklich erscheinen allerdings einseitige Ausschlussfristen, die alleine zu Lasten des Arbeitnehmers wirken. Bei ihnen dürfte es sich um überraschende Klauseln i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB handeln. Zudem wird überwiegend davon ausgegangen, dass sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB1.
802
Ausschlussklauseln dürfen grundsätzlich in einem – auch formularmäßigen – Anstellungsvertrag vereinbart werden2. Sie dienen der baldigen Rechtssicherheit und sind grundsätzlich keine überraschenden oder ungewöhnlichen Regelungen i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB.
803
Allerdings unterliegen sowohl einstufige als auch zweistufige Ausschlussklauseln in formularmäßigen Anstellungsverträgen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB3. Als besondere Klauselverbote wurden insbesondere § 309 Nr. 7 und Nr. 13 BGB thematisiert.
a) Einstufige Ausschlussfrist 804
Ausschlussfristen umfassen regelmäßig alle Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen. Die Reichweite der Ausschlussklausel ist grundsätzlich im Wege der Auslegung zu ermitteln, die insbesondere Wortlaut und Regelungszusammenhang zu berücksichtigen hat4.
805
Eine Vielzahl von Ansprüchen ist aber auch bei einer weiten Klausel schon generell nicht von der Ausschlussfrist erfasst. Insbesondere können einzelvertragliche Ausschlussfristen keine Wirkung für kollektiv-vertragliche Ansprüche entfalten5. Auch Ansprüche, die im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzeln – wie etwa der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte –, Ansprüche auf Stammrechte aus der betrieblichen Altersversorgung6 oder Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche fallen nicht unter die Ausschlussklausel7. So ist etwa eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 13 Abs. 1 BUrlG8 unzulässig. Gleiches gilt für Ansprüche auf vertragsgemäße Beschäftigung9. Teilunwirksam sind auch Ausschlussklauseln, die eine Haftung für vorsätzliche Schädigungen des Arbeitgebers nicht ausschließen. Dies ergibt sich nach Auffassung 1 BAG, Urt. v. 31.8.2005 – 5 AZR 545/04; Krause, RdA 2004, 36. 2 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 ff., 700. 3 Vgl. ErfK/Preis, § 218 BGB Rz. 44; Krause in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 64 Rz. 32. 4 Vgl. ErfK/Preis, § 218 BGB Rz. 48. 5 Krause in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 64 Rz. 19. 6 Vgl. BAG v. 27.2.1990 – 3 AZR 216/88, NZA 1990, 627. 7 Umfassende Übersicht bei Preis in: Preis, Arbeitsvertrag, II A 150 Rz. 43. 8 Vgl. BAG v. 18.11.2003 – 9 AZR 95/03, NZA 2004, 651 ff. 9 Vgl. BAG v. 15.5.1991 – 5 AZR 271/90, NZA 1991, 979 ff.
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Rz. 809 Teil 3
Sonstige Klauseln
des BAG aus §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB1. Möglich bleibt aber die Vereinbarung einer Ausschlussfrist bezüglich dem Arbeitgeber zurechenbarer vorsätzlicher Schädigungen Dritter2. Generell erscheint es fraglich, ob Ausschlussklauseln auch grundsätzlich unabdingbare Ansprüche erfassen können3. Davon ist das BAG in einer Einzelfallentscheidung zum Urlaubsrecht scheinbar ausgegangen4. Die Entscheidung widerspricht jedoch der vorhergehenden Rechtsprechung5 und war den Besonderheiten des Urlaubsrechts geschuldet6. Das BAG geht auch in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass die Ausschlussfrist nicht den Anspruch an sich betrifft, sondern nur seine Geltendmachung7.
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Handelt es sich bei einer Ausschlussklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, ist zunächst grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich nicht um eine überraschende oder ungewöhnliche Klausel i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB handelt. Ausschlussfristen sind im Arbeitsrecht weit verbreitet und üblich. Ein Verstoß gegen § 305c Abs. 1 BGB kann aber in einer ungewöhnlichen, versteckten Platzierung der Klausel im vertraglichen Regelwerk zu erblicken sein8.
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Formularmäßig vereinbarte Ausschlussfristen unterliegen einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Zu beachten ist deshalb auch das Klauselverbot des § 309 Nr. 7 BGB, da Ausschlussfristen auch Ansprüche auf Schadensersatz erfassen können. Nach § 309 Nr. 7 BGB ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung wegen Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit sowie bei grober Fahrlässigkeit unwirksam. Kontrovers diskutiert wird, ob eine Ausschlussklausel eine Haftungsbeschränkung in diesem Sinne darstellt. Das BAG hat sich mittlerweile auf den Standpunkt gestellt, dass eine Ausschlussfrist nicht als Haftungsbeschränkung anzusehen sei, da sie den Anspruch unberührt lasse und ihn lediglich zeitlich beschränke9. Diese Rechtsprechung sieht sich ernstzunehmender Kritik ausgesetzt. Dies gilt insbesondere für die unterschiedliche Behandlung von Ausschlussfristen im Arbeitsrecht und im allgemeinen Zivilrecht10.
808
Ist kein Klauselverbot der §§ 308, 309 BGB einschlägig, erfolgt eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Ausschlussklauseln müssen deshalb insbesondere im Hinblick auf die einzuhaltende Ausschlussfrist angemessen sein. Für die Beurteilung der angemessenen Frist ist auch zu berück-
809
1 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 ff., 1112 dazu Bayreuther, NZA 2005, 1337 ff.; v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1154 ff., 1158. 2 BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 709/06, NZA 2007, 1154 ff., 1158. 3 Vgl. dazu ErfK/Preis, § 218 BGB Rz. 41; Krause, RdA 2004, 36 ff., 42 f. 4 Vgl. BAG v. 5.4.1984 – 6 AZR 443/81, NZA 1984, 257. 5 Etwa BAG v. 30.3.1962 – 2 AZR 101/61, NJW 1962, 1460 f. 6 Vgl. umfassend Krause, RdA 2004, 36 ff., 42 f. 7 BAG v. 16.1.2002 – 5 AZR 430/00, DB 2002, 797 ff.; v. 24.3.1988 – 2 AZR 630/87, NZA 1989, 101 f. 8 Vgl. Krause in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 64 Rz. 32. 9 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2006, 149 ff., 152; v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 ff., 1113. 10 Vgl. Matthießen, NZA 2007, 361 ff., 363 m.w.N. auch zu abweichenden Auffassungen im Zivilrecht; a.A. auch Preis/Roloff, RdA 2005, 144 ff., 146; ErfK/Preis, § 218 Rz. 45.
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Teil 3 Rz. 810
Typische Vertragsklauseln
sichtigen, dass gerade im Arbeitsrecht kurze Ausschlussfristen dem Interesse beider Parteien an einer baldigen Planungssicherheit entgegen kommen. Hinsichtlich der angemessenen Dauer geht die Rechtsprechung davon aus, dass Fristen von drei Monaten und mehr für eine schriftliche Geltendmachung den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht unangemessen benachteiligen1. 810
Bei der Überprüfung von Ausschlussfristen kann aber nicht nur deren Dauer von Bedeutung sein, sondern auch ihr Beginn und die Art der erfassten Ansprüche2. So kann der Beginn der Frist etwa an die Entstehung des Anspruchs oder an die Kenntnis des Arbeitnehmers von den anspruchsbegründenden Tatsachen anknüpfen. Es wird etwa davon ausgegangen, dass die Ausschlussfrist bei Erfüllungsansprüchen kürzer bemessen sein kann als für Schadensersatzansprüche. Bei Erfüllungsansprüchen kennt der Arbeitnehmer regelmäßig die Voraussetzungen, während er das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs oftmals nicht sofort beurteilen kann3.
b) Zweistufige Ausschlussfrist 811
Da das Klauselverbot des § 309 Nr. 13 BGB eine Erklärung voraussetzt, die dem Verwender gegenüber abzugeben ist und das Gericht kaum als Verwender der AGB angesehen werden kann, wird zu recht vertreten, dass zweistufige Ausschlussfristen in AGB nicht an § 309 Nr. 13 BGB scheitern4. Das BAG verweist insofern auf die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, die es geböten eine zweistufige Ausschlussfrist zuzulassen, wobei auch tatsächliche Besonderheiten Berücksichtigung finden müssten5. Allerdings muss die Ausschlussfrist auch auf der zweiten Stufe angemessen sein. Auch für die gerichtliche Geltendmachung wird eine Frist von drei Wochen (sog. 3+3-Regel)6 zu veranschlagen sein. Formulierungsmuster Sämtliche beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnisses und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen, müssen innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Werden sie nicht form- und fristgerecht geltend gemacht, verfallen sie. Ausgenommen sind Ansprüche bei Haftung wegen Vorsatzes. Lehnt die Gegenseite den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. 1 2 3 4
BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 ff., 701. Vgl. Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 849. Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 849. BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 ff., 1114; Preis/Roloff, RdA 2005, 144 ff., 148 f. ablehnend Deinert in: Däubler/Bonin/Deinert, AGB-Kontrolle, § 310 Rz. 95. 5 BAG v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04, NZA 2005, 1111 ff., 1114. 6 Vgl. ErfK/Preis, § 218 BGB Rz. 46.
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Rz. 816 Teil 3
Sonstige Klauseln
c) Rechtsfolgen Sieht eine einstufige Ausschlussklausel eine zu kurze Ausschlussfrist vor, so ist die Klausel insgesamt unwirksam1. Der Verwender kann sich dann nicht auf den Verfall des Anspruchs berufen. Geht es um den Verfall von Ansprüchen des Verwenders gegenüber dem Vertragspartner, gilt der Grundsatz, dass sich der Verwender nicht zu seinen Gunsten auf die Unwirksamkeit der Klausel berufen kann.
812
Liegt eine zweistufige Ausschlussfrist vor und sind beide Fristen unangemessen kurz, so ergeben sich keine Unterschiede zur einstufigen Ausschlussklausel. Die Klausel ist insgesamt unwirksam. Ist dagegen nur die Frist auf der zweiten Stufe unangemessen kurz, kann im Wege des sog. Blue-Pencil-Tests die erste Stufe sozusagen „gerettet“ werden, da eine Ausschlussklausel auch ohne die zweite Stufe in der Regel noch eine sinnvolle Regelung enthält und damit teilbar ist2.
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2. Organ-Führungskräfte Ausschlussfristen sind auch in Anstellungsverträgen von Organ-Führungskräften zu finden. Im Wesentlichen gelten auch für Organ-Führungskräfte die vorstehenden Ausführungen.
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Zu beachten ist aber, dass das BAG eine Unwirksamkeit der zweistufigen Ausschlussfrist nach § 309 Nr. 13 BGB insbesondere wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten ablehnt. Diese können bei Geschäftsführern und Vorständen nicht herangezogen werden. Es besteht folglich aus praktischer Sicht die Gefahr, dass eine zweistufige Ausschlussfrist in einem entsprechenden Dienstvertrag gem. § 309 Nr. 13 BGB als unwirksam angesehen werden könnte3.
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Eine Problematik ergibt sich zudem aus der Organstellung des Geschäftsführers bzw. Vorstandsmitglieds. Eine einschränkungslos formulierte Klausel erfasst grundsätzlich sowohl schuldrechtliche Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis als auch Ansprüche aus dem Organverhältnis. Das Gesellschaftsrecht sieht aber teilweise vor, dass die Gesellschaft auf Ansprüche gegenüber ihren Organmitgliedern nur nach Ablauf einer gewissen Zeit verzichten kann, vgl. §§ 43 Abs. 3, 9b GmbHG, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Damit können solche Ansprüche auch nicht von einer Ausschlussfrist erfasst werden.
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1 BAG v. 28.9.2005 – 5 AZR 52/05, NZA 2006, 149 ff., 153. 2 BAG v. 12.3.2008 – 10 AZR 152/07, NZA 2008, 699 ff., 701. 3 Für Unwirksamkeit etwa: Mengel in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 375.
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Teil 3 Rz. 817 817
Typische Vertragsklauseln
Nach Auffassung des LAG Hessen hält folgende Klausel im Anstellungsvertrag eines Fremdgeschäftsführers einer AGB-Kontrolle stand1: Alle Ansprüche aus diesem Dienstvertrag und solche, die mit dem Dienstvertrag in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind. Lehnt die andere Vertragspartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von vier Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder den Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
1 LAG Hessen v. 11.9.2008 – 14/6 Sa 665/08, dem das BAG in der Revisionsentscheidung nicht entgegen getreten ist, BAG v. 19.5.2010 – 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939 ff.
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Teil 4 Beendigung des Anstellungsverhältnisses A. Ordentliche Kündigung I. Allgemeines 1. Einleitung Die Anstellungsverträge von Führungskräften sind stets Dienstverträge, unabhängig davon, ob es sich um Arbeitsverträge als Unterfall des Dienstvertrages handelt oder um sonstige Dienstverträge, beispielsweise die von GmbH-Geschäftsführern oder AG-Vorständen. Ein jeder unbefristet geschlossene Dienstvertrag ist, wie sich aus § 624 BGB ergibt, grundsätzlich ordentlich kündbar. Der Abschluss eines Dienstvertrages auf Lebenszeit bzw. die Vereinbarung einer ordentlichen Unkündbarkeit ist zwar möglich, führt jedoch nur für die Anstellungsgesellschaft zu einer wirksamen Kündigungsbeschränkung. Für den Dienstverpflichteten gilt § 624 BGB, wonach die maximale Bindungsfrist ohne Zulassung einer Kündigung fünf Jahre beträgt. Befristet abgeschlossene Verträge sind nur dann ordentlich kündbare, wenn der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht.
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Bestand oder Beendigung des Anstellungsvertrages sind zu trennen von der Amtsstellung. Die Beendigung des Anstellungsvertrages führt nicht grundsätzlich zum gleichzeitigen Ende der Amtsstellung, das Ende der Amtsstellung nicht per se auch zur Beendigung des Anstellungsvertrages. Dieses Trennungsprinzip kann dazu führen, dass eine Führungskraft wirksam aus der Organstellung abberufen wird, der Anstellungsvertrag jedoch fortbesteht. Je nach anwendbarer Kündigungsfrist kann dies für eine lange Zeit dazu führen, dass die Gesellschaft die Führungskraft unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges fortbezahlen muss, die Dienste jedoch infolge der Abberufung aus dem Amt nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Auf den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit kann sich die Anstellungsgesellschaft zur Vermeidung von Verzugslohnansprüchen nicht berufen, denn diesen Wegfall hat die Gesellschafterversammlung – wenn auch in Ausübung legitimer Rechte – selbst herbeigeführt. Die Weiterbeschäftigung der Führungskraft in einem solchen Fall mit anderen Aufgaben innerhalb der Gesellschaft ist zum einen vertraglich in der Regel nicht zulässig und führt zum anderen unter Umständen zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses und damit einer weiteren Verlängerung des unerwünschten Zustandes. Das Trennungsprinzip kann also insbesondere für die Anstellungsgesellschaft missliebige Folgen haben, weshalb es kein Wunder ist, dass die typische Auseinandersetzung zwischen Führungskraft und Anstellungsgesellschaft sich um mögliche vorzeitige Beendigung des Anstellungsvertrages sowie die Höhe der sich hieraus ergebenden Restansprüche dreht.
2
Der Dienstvertrag kann den Bestand des Anstellungsvertrages untrennbar mit der Amtsstellung verbinden und somit die Trennung aufheben. Es kann in zulässiger Weise vereinbart sein, dass die Abberufung aus einer gesetzlichen Or-
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Teil 4 Rz. 4
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
ganstellung zugleich als Kündigung des Anstellungsvertrages gilt (vgl. hierzu Rz. 42). Eine solche Klausel hält das Trennungsprinzip grundsätzlich aufrecht, erleichtert aber das Kündigungsprocedere. Des Weiteren kann auch vereinbart sein, dass der Anstellungsvertrag automatisch mit dem Wirksamwerden der Abberufung aus der Organstellung endet. Hierbei handelt es sich dann um eine auflösende Bedingung des Anstellungsvertrages. Die Trennung von Vertrag und Amt wird hierdurch faktisch aufgehoben, das Schicksal von Amt und Vertrag untrennbar miteinander verknüpft. Aus Sicht der Gesellschaft unliebsame Folgen wie z.B. der langfristige Fortbestand des Anstellungsvertrages bei gleichzeitiger Unmöglichkeit, die bereits wirksam aus dem Amt abberufene Führungskraft weiterhin vertragsgemäß einzusetzen, werden hierdurch vermieden.
2. Anzuwendende Vorschriften 4
Auf den Anstellungsvertrag, der ein Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB ist, finden grundsätzlich alle Vorschriften des BGB über gegenseitige Verträge sowie im Speziellen die §§ 611 ff. BGB Anwendung.
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Handelt es sich bei der Führungskraft nicht um ein Organmitglied oder um ein solches Organmitglied, das im Ausnahmefall als Arbeitnehmer zu beurteilen ist (vgl. hierzu Teil 1 B Rz. 69 f.), gelten alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen und somit auch alle besonderen Kündigungsverbote (z.B. SGB IX, BEEG) und Kündigungsschutzbestimmungen, insbesondere das KSchG. Auf die für leitende Angestellte geltenden Besonderheiten ist gesondert einzugehen (Rz. 114 ff.).
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Handelt es sich bei der Führungskraft um ein gesetzliches Organ einer Gesellschaft, so ist die Führungskraft nicht Arbeitnehmer (vgl. Teil 1 B Rz. 68 ff.), sondern sonstiger Dienstnehmer. Es gelten daher diejenigen Vorschriften nicht, die ausdrücklich für Arbeitsverhältnisse vorgesehen sind. Dies sind insbesondere die §§ 613a, 619a, 620 Abs. 3, 622 Abs. 2, 623 BGB. Soweit dies für die Frage der Kündigung des Anstellungsvertrages von Relevanz ist, gelten des Weiteren nicht die besonderen kündigungsbeschränkenden Bestimmungen des KSchG (§ 14 Abs. 1 KSchG) sowie die besonderen Kündigungsverbote des MuSchG, des SGB IV, des BEEG sowie des PflegeZG.
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Innerhalb des Systems des Gesellschaftsrechts gelten allerdings spezielle, insbesondere die Kündigungsmöglichkeiten einschränkende Bestimmungen.
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In der Aktiengesellschaft wird der Vorstand gemäß § 84 Abs. 1 AktG stets auf Zeit, höchstens auf fünf Jahre, bestellt. § 84 Abs. 1 Satz 5 sieht insoweit eine Koppelung des Anstellungsvertrages an die Amtszeit vor. Sieht der Anstellungsvertrag des Vorstandes daher keine gesonderte Kündigungsmöglichkeit vor, so ist die ordentlichen Kündigung gemäß § 620 Abs. 1 BGB, § 84 Abs. 1 AktG ausgeschlossen. Auch wenn allerdings der Anstellungsvertrag ausdrücklich eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht, ist die Ausübung dieses Rechtes durch die Gesellschaft nur dann zulässig, wenn zuvor oder gleichzeitig auch die Bestellung in das Amt aus wichtigem Grund widerrufen wurde1. 1 Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, § 21 Rz. 80; a.A.: Geßler/Hefermehl/Hefermehl, AktG, § 84 Rz. 85.
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Rz. 13 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Denn würde man der Gesellschaft die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages ermöglichen, ohne dass zugleich auch die Amtsstellung gemäß den gesetzlichen Bestimmungen widerrufen würde, so bestünde die faktische Möglichkeit, die Widerrufsbeschränkung des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG durch Entzug der wirtschaftlichen Grundlage (Anstellungsvertrag) zu unterlaufen. Für den Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers gilt grundsätzlich keine entsprechende Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechtes, es sei denn, es handelt sich um eine mitbestimmte Gesellschaft nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes. Für diese gelten gemäß §§ 25, 31 MitbestG die Maßgaben der §§ 84, 85 AktG. Der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers in einer solchen mitbestimmten GmbH ist somit nach denselben Maßgaben zu behandeln wie der Anstellungsvertrag des Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft1.
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3. Person des Kündigenden Die Kündigung des Anstellungsvertrages muss durch den jeweiligen Vertragspartner erfolgen. Wird der Dienstvertrag durch die Führungskraft gekündigt, stellen sich keine Probleme hinsichtlich der Person des Kündigenden. Kündigt indes die Gesellschaft, so muss diese zum Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß organschaftlich vertreten werden. Bei leitenden Angestellten, die Arbeitnehmer sind, gelten dabei keine Besonderheiten: Jedenfalls diejenigen Personen, die die Anstellungsgesellschaft gesetzlich vertreten (Geschäftsführer, Vorstand) sind originär kündigungsberechtigt. Bei einer Kündigung durch andere Personen kommt es auf die Stellung im Unternehmen sowie eine mögliche (gewillkürte) Bevollmächtigung an. Bei Organen ist hinsichtlich der richtigen Vertretung nach der Gesellschaftsform zu trennen. Vorbehaltlich der weiteren Ausführungen hierzu (Rz. 28 ff.) ist mangels anderweitiger Zuweisung der Zuständigkeit für die Beendigung des Anstellungsvertrages stets das gleiche Organ zuständig, das auch für den Abschluss des Anstellungsvertrag zuständig ist, sog. Annexkompetenz2.
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Da die Kündigung des Anstellungsvertrages ein Rechtsgeschäft ist, kommt es für ihre Wirksamkeit nicht auf die ordnungsgemäße Beschlussfassung im Innenverhältnis an, sondern auf die Zuständigkeit für die rechtsgeschäftliche Vertretung gegenüber der Führungskraft/dem Organmitglied.
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Zu trennen von der ordnungsgemäßen organschaftlichen Vertretung der Anstellungsgesellschaft ist die Möglichkeit einer gewillkürten Vertretung. Zwar ist die Vornahme einer Kündigung grundsätzlich ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft, eine rechtsgeschäftliche Vertretung ist indes zulässig. Hierbei muss der Vertreter ordnungsgemäß bevollmächtigt sein.
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Die Erteilung einer solchen Vollmacht bedarf zwar gemäß § 167 BGB keiner Form. Allerdings kann der Kündigungsempfänger die Kündigung gemäß § 174
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1 Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, Rz. 2100. 2 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – I-15 U 225/02, DB 2004, 920; Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, Rz. 2103; Pauly/Osnabrügge/Peter, Handbuch Kündigungsrecht, § 14 Rz.11 ff.
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Teil 4 Rz. 14
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
BGB zurückweisen, wenn die Vollmacht zum Ausspruch der Kündigung nicht gleichzeitig mit der Kündigung durch Original-Urkunde nachgewiesen wird, es sei denn, das Bestehen einer solchen Vollmacht war dem Empfänger der Kündigung bekannt. Weist der Kündigungsempfänger die Kündigung unter Berufung auf § 174 BGB zurück, wird die Kündigung hiermit unwirksam. Auch die nachträgliche Vorlage einer der Formvorschrift des § 174 BGB entsprechenden Vollmacht heilt nicht mehr das zuvor unwirksam gewordene Rechtsgeschäft. In der Konsequenz kann es dann dazu kommen, dass Kündigungstermine verpasst werden und der Neuausspruch der Kündigung nur zu einem – u.U. erst weit in der Zukunft liegenden – Termin zulässig ist. 14
Die Zurückweisung gemäß § 174 BGB muss unverzüglich erfolgen. Unverzüglichkeit bedeutet „ohne schuldhaftes Zögern“. Die Rechtsprechung setzt regelmäßig eine Maximalfrist von ca. einer Woche1. Die Zurückweisung ist ihrerseits ein einseitiges empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, auf das § 174 BGB Anwendung findet. Erfolgt die Zurückweisung durch einen Vertreter, z.B. einen Rechtsanwalt, kann die Zurückweisung zurückgewiesen werden, wenn die Bevollmächtigung hierzu nicht ihrerseits durch gleichzeitige Vorlage einer Original-Vollmacht nachgewiesen wird.
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Gemäß § 174 Satz 2 BGB ist die Zurückweisung ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den Empfänger der Kündigung von der Bevollmächtigung zuvor in Kenntnis gesetzt hat. Gerade in Anstellungsverträgen mit Führungskräften empfiehlt es sich daher, eine entsprechende Bevollmächtigung schon im Anstellungsvertrag zu fixieren. Spricht dann der insoweit Bevollmächtigte die Kündigung aus, besteht nicht mehr die Gefahr der Zurückweisung gemäß § 174 BGB. Wird im Vertrag die Kündigungsberechtigung einer bestimmten Funktion zugewiesen, muss über deren Inhaber jeweils gesondert informiert werden.2 Dabei hindert die vertragliche Erwähnung eines „jedenfalls“ Bevollmächtigten nicht die Bestellung weiterer Bevollmächtigter, über deren Vollmacht dann aber gesondert zu informieren ist oder zur Vermeidung einer Zurückweisung durch Vorlage der Vollmachtsurkunde im Original Nachweis zu führen ist.
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Formulierungsmuster: Vertragliche Festlegung der Bevollmächtigung Zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist stets der jeweilige Vorsitzende/die Vorsitzende des Aufsichtsrates bevollmächtigt, ohne dass es gesonderten Nachweises dieser Bevollmächtigung bedürfte. Die Zurückweisung einer durch den jeweiligen Vorsitzenden/die Vorsitzende des Aufsichtsrates abgegebenen Willenserklärung gemäß § 174 BGB ist somit ausgeschlossen.
1 LAG Rheinland-Pfalz v. 6.2.2001 – 2 Sa 1416/00; Pauly/Osnabrügge/Osnabrügge, Handbuch Kündigungsrecht, § 1 Rz. 27. 2 BAG v. 14.4.2011 – 6 AZR 727/09, BB 2011, 2236.
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Rz. 19 Teil 4
Ordentliche Kündigung
a) Aktiengesellschaft In der Aktiengesellschaft ist für den Abschluss und die Kündigung des Anstellungsvertrages gem. § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Denn gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG gilt § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG sinngemäß auch für den Anstellungsvertrag. § 112 AktG bestimmt nur die Zuständigkeit des Aufsichtsrates, regelt aber nicht, wie die Vertretung ausgeübt wird. Der Aufsichtsrat wird nicht schon von Gesetzes wegen durch den Aufsichtsratsvorsitzenden vertreten, und auch § 78 Abs. 2 Satz 1 AktG, wonach Erklärungen der Gesellschaft gegenüber in Ermangelung eines Vorstandes jedem Aufsichtsratsmitglied gegenüber abgegeben werden können, enthält keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz. Wer zur Kundgabe des durch den Aufsichtsrat gebildeten Willens und zur Ausübung der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern befugt ist, ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der Natur der Sache. Der Aufsichtsratsvorsitzende ist gemäß § 107 AktG zwar in Ausübung der Regelung der „inneren Ordnung des Aufsichtsrates“ gewählt. Seine Aufgaben sind aber primär interner Natur innerhalb des Aufsichtsrates. Hiermit ist keine automatische Befugnis zur Kundgabe des Willens im Außenverhältnis verbunden oder zur Vertretung der Gesellschaft. Es bleibt daher auch hinsichtlich der Kundgabe des im Aufsichtsrat gebildeten Willens sowie der Vertretung der Gesellschaft gegenüber den Vorständen, nämlich z.B. dem Ausspruch einer Kündigung, bei der Gesamtzuständigkeit des Aufsichtsrates.
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Da der Aufsichtsrat gesetzlich nicht durch eine bestimmte Person im Willen nach außen vertreten wird, bedarf es zur rechtsgeschäftlichen Umsetzung eines Aufsichtsratsbeschlusses stets der gesonderten Ermächtigung gerichtet an eine bestimmte Person, den Aufsichtsratsbeschluss umzusetzen, also z.B. die Kündigung des Vorstandes auch auszusprechen. Dabei ist die vom Aufsichtsrat ermächtigte Person (in der Regel der Aufsichtsratsvorsitzende) nicht im eigentlichen Sinne Stellvertreter i.S.d. §§ 164 ff. BGB. Denn der Stellvertreter bildet einen eigenen rechtsgeschäftlichen Willen in Vertretung des Vertretenen. Wer aber lediglich den Aufsichtsratsbeschluss umsetzt, bildet keinen eigenen Willen. Umgekehrt ist der vom Aufsichtsrat Bevollmächtigte aber auch nicht bloßer Bote des Aufsichtsrates, weil die Geschäftswirkungen nicht infolge beliebiger Kundgabe der Erklärung eintreten, sondern die dafür zuständigen Organmitglieder die Beschlusslage willentlich in Geltung gesetzt haben1. Die notwendige Beauftragung seitens des Aufsichtsrates zur rechtsgeschäftlichen Umsetzung des Kündigungsbeschlusses ist daher Beauftragung sui generis, auf die aber die Vertretungsregeln der §§ 164 ff. BGB, insbesondere auch § 174 Abs. 1 BGB analoge Anwendung finden2.
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Folglich muss in einer AG bei jeder Kündigung des Anstellungsvertrages eines Vorstandes stets derjenige, der den Beschluss des Aufsichtsrates in die rechtsgeschäftliche Realität umsetzt, zur Vermeidung einer Zurückweisung gemäß § 174 BGB analog die Ermächtigung zur Umsetzung dieses Beschlusses urkundlich nachweisen. Notwendig aber auch ausreichend hierzu ist die auszugsweise Mitteilung des Wortlautes des vom Aufsichtsrat gefassten Beschlusses.
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1 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – E-15 U 225/02, DB 2004, 920. 2 OLG Düsseldorf v. 17.11.2003 – E-15 U 225/02, DB 2004, 920.
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X:/OSV-2/BHF-001/BHF1_04.3d – Seite 371/512 | 7.11.2011 | 8:17 |
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Teil 4 Rz. 20
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Hinsichtlich der Form gelten die Bestimmungen der Satzung der Gesellschaft, sofern diese nichts vorsieht, gelten die Regeln des § 107 Abs. 2 AktG. Die Niederschrift, die den Formvorschriften entspricht, muss dabei zur Vermeidung einer Zurückweisung gemäß § 174 BGB im Original vorgelegt werden. 20
Der Aufsichtsrat ist berechtigt, die Regelung des Anstellungsverhältnisses einem aus seiner Mitte gebildeten Ausschuss zu übertragen. Der Ausschlusskatalog des § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG verweist nicht auf § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG. Existiert eine solche Übertragung der Zuständigkeit auf einen Ausschuss, ist hiermit grundsätzlich auch das Recht zum Ausspruch der Kündigung auf diesen Ausschuss übertragen.
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Gemäß § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG dürfen indes Bestellung und Widerruf der Bestellung des Vorstandes nicht auf einen Ausschuss übertragen werden, bleiben also zwingend in der Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrates. Um ein faktisches Aushöhlen dieser Bestimmung zu verhindern ist das Recht zum Ausspruch einer Kündigung durch den beauftragten Ausschuss Grenzen unterworfen, die nicht nur das Innenverhältnis betreffen, sondern auch das Außenverhältnis. Der Ausschuss darf wirksam über die Kündigung des Anstellungsvertrages nur und erst dann entscheiden, wenn zuvor der Gesamtaufsichtsrat über den Widerruf entschieden hat. Genauso wenig nämlich, wie der Ausschuss durch voreiligen Abschluss eines Anstellungsvertrages der Entscheidung des übergeordneten Gesamtorgans über die Bestellung vorgreifen darf1, gilt dies auch für die Kündigung des Dienstvertrages. Für die Umsetzung der Willensentscheidung des Ausschusses gelten die obigen Ausführungen zur Umsetzung der Willensentscheidung des Aufsichtsrates entsprechend. Aus den dargestellten Gründen muss derjenige, der die Willensentscheidung des Ausschusses übermittelt, zur Vermeidung einer Zurückweisung entsprechend § 174 BGB ebenfalls den Beschluss des Aufsichtsrates zur Übertragung der Aufgaben auf den Ausschuss sowie – zwingend – den Beschluss des Aufsichtsrates über den Widerruf der Bestellung übermitteln. Nur dann ist der entsprechende „Vertreter“ ordnungsgemäß berechtigt, die Kündigung auszusprechen, eine Zurückweisung der Kündigung durch den Kündigungsempfänger also ausgeschlossen.
b) GmbH 22
In einer GmbH ist für die Regelung der Rechtsbeziehungen gegenüber dem Geschäftsführer im Rahmen einer Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung zuständig. Die Gesellschafterversammlung entscheidet in der internen Willensbildung durch Mehrheitsbeschluss. Das Handeln gegenüber dem Geschäftsführer ist hingegen nicht bloß Ausübung gesellschaftsinterner Willensbildung, sondern ein rechtsgeschäftlicher Akt, der eine ordnungsgemäße Vertretung erfordert. Auch für diese rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft ist die Gesellschafterversammlung zuständig2.
1 BGB v. 24.11.1980 – II ZR 182/97, NJW 1981, 757. 2 Vgl. nur OLG Düsseldorf v. 10.10.2003 – I-17 U 35/03, NZG 2004, 478; Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 46 Rz. 36.
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Rz. 27 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Notwendig ist, dass innerhalb des zuständigen Organs wirksam nicht nur über die Abberufung entschieden wird, sondern auch über die Beendigung des Anstellungsvertrages. Zwar kann der Anstellungsvertrag eine Klausel enthalten, wonach die Abberufung zugleich als Kündigung zum nächst möglichen Zeitpunkt gilt1, ist dies jedoch nicht der Fall, reicht die Beschlussfassung über die Beendigung der Organstellung regelmäßig nicht auch zur Beschlussfassung über die Beendigung des Anstellungsvertrages aus, geschweige denn dazu, hierin zugleich auch eine Kündigung des Anstellungsvertrages zu sehen2.
23
Sieht der Anstellungsvertrag keine Kopplung zwischen der gesellschaftsinternen Willensbildung (Beschluss über die Abberufung) und der rechtsgeschäftlichen Wirkung „Beendigung des Anstellungsvertrages“ vor, bedarf es zur Umsetzung der internen Willensbildung einer Vertretungshandlung nach außen. Zuständig hierfür ist die Gesellschafterversammlung als Ganzes. Bevollmächtigung eines Vertreters der Gesellschafterversammlung ist zulässig.
24
Handelt es sich um eine mitbestimmte GmbH, gelten die §§ 84, 85 AktG entsprechend, § 31 MitbestG. Zuständig für die Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer ist in diesem Falle der Aufsichtsrat. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen zur AG verwiesen werden (Rz. 17 ff.).
25
c) GmbH & Co. KG Geschäftsführerin der GmbH & Co. KG ist gesetzlich die Komplementärin, also die Komplementär-GmbH (§ 164 HGB). Der häufig als „Geschäftsführer der GmbH & Co. KG“ auftretende Geschäftsführer ist in Wirklichkeit nicht deren Geschäftsführer, sondern der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Zum Ausspruch der Kündigung des Anstellungsvertrages dieses Geschäftsführers ist somit auch nicht die Gesellschafterversammlung der GmbH & Co. KG zuständig, sondern die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen zur GmbH verwiesen werden (Rz. 22 ff.).
26
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Geschäftsführer nicht nur idealtypisch über einen Geschäftsführungsvertrag mit der Komplementär-GmbH verfügt, sondern (in der Praxis häufig) alleine oder zusätzlich über einen Geschäftsführungsvertrag mit der GmbH & Co. KG selber. Die KG wird zur Kündigung eines solchen Anstellungsvertrages gesetzlich durch die Komplementär-GmbH vertreten. Ist der zu kündigende Geschäftsführer zugleich der einzige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, erwächst auch zur Vertretung der KG die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH. Gegenüber diesem Geschäftsführer/Leitenden Angestellten der KG wird die GmbH & Co. KG dann vertreten durch die Komplementär-GmbH, diese vertreten durch ihre Gesellschafterversammlung. Diese ist dann das zuständige Organ zur Willensbildung über die Kündigung des Vertrages sowie zur Vertretung gegenüber dem Geschäftsführer.
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1 OLG Düsseldorf v. 24.6.1999 – 6 U 144/97, NZG 2000, 209. 2 OLG Düsseldorf v. 10.10.2003 – I-17 U 35/03, NZG 2004, 478.
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Teil 4 Rz. 28
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
d) Sonstige Gesellschaftsformen 28
In der Kommanditgesellschaft ist kein gesondertes Geschäftsführungsorgan entsprechend dem Vorstand der AG oder dem Geschäftsführer der GmbH vorgesehen. Die Geschäfte der KG führen die Komplementäre (§ 164 HGB). Ob diese zusätzlich über einen Dienstvertrag verfügen oder nicht ist gesetzlich nicht vorgegeben.
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Existiert ein Dienstvertrag zwischen der Gesellschaft und einem geschäftsführenden Komplementär, sind für dessen Kündigung die übrigen Komplementäre, gibt es solche nicht, die Gesellschafterversammlung unter Ausschluss des betroffenen Komplementärs, zuständig.
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Der Fremdgeschäftsführer einer OHG ist nicht gesetzliches Organ, sondern Angestellter der OHG. Ob er Arbeitnehmer, leitender Angestellter oder sonstiger Dienstnehmer ist, richtet sich nach dem Maß seiner Entscheidungsfreiheit im Innenverhältnis. Zuständig für den Ausspruch der Kündigung ist jeder einzelne Gesellschafter in Einzelvertretung, sofern nicht im Gesellschaftsvertrag eine Gesamtvertretung vereinbart ist (§ 125 HGB).
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Der Fremdgeschäftsführer einer GbR ist ebenfalls nicht Organ, sondern Angestellter der Gesellschaft. Zum Zwecke der Kündigung des Vertrages wird die Gesellschaft durch alle Gesellschafter vertreten, es sei denn, der Gesellschaftsvertrag beschränkt die Berechtigung zur Geschäftsführung und/oder Vertretung auf einzelne Gesellschafter oder weist diesen das alleinige Recht zu (§ 714 BGB).
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Der Fremdgeschäftsführer einer Partnerschaftsgesellschaft ist nicht deren Organ, sondern steht lediglich in einem Anstellungsverhältnis. Für dessen Kündigung ist die Gesellschafterversammlung der Gesellschaft zuständig. Vertreten wird die Partnerschaftsgesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer durch jeden Partner in Einzelvertretung, es sei denn, der Partnerschaftsvertrag sähe etwas anderes vor (§§ 7 Abs. 3 PartGG, 125 Abs. 1, 2 HGB).
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Der Fremdgeschäftsführer eines Vereins nach bürgerlichem Recht oder eines Verbandsvereins ist nicht Organ des Vereins, es sei denn, die Satzung des Vereins würde die Geschäftsführerposition mit einem Vorstandsamt verbinden. Zuständig für die Entscheidung über die Kündigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers ist der Vorstand des Vereins. Vertreten wird der Verein zum Zwecke des Ausspruches der Kündigung durch die Mehrheit der Vorstandsmitglieder (§ 26 Abs. 2 BGB), soweit nicht die Satzung ausdrücklich etwas anderes vorsieht. Üblicherweise sieht die Satzung von größeren Vereinen oder Verbänden die Vertretung durch zwei oder mehr Vorstandsmitglieder gemeinsam vor. Der Ausspruch der Kündigung muss daher auch durch zwei oder mehrere Vorstandsmitglieder gemäß den Regelungen der Satzungen erfolgen.
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Die Vertretung einer Limited gegenüber einem dort angestellten Fremdgeschäftsführer richtet sich nach dem Recht des Registerlandes der Limited. Handelt es sich um eine Limited nach englischem Recht wird diese nach den Companies Acts von 1985 und 1989 durch die Mehrheit der Directors vertreten. Eine Einzelvertretungsbefugnis ist bei einer solchen Limited nicht möglich, was in der Praxis aber häufig dadurch umgangen wird, dass sich die Directors gegenseitig eine notarielle Vertretungsvollmacht erteilen. 374
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Rz. 38 Teil 4
Ordentliche Kündigung
4. Form der Kündigung a) Gesetzliche Formbestimmungen § 623 BGB, der die Schriftform für die Kündigung vorschreibt, gilt ausdrücklich nur für Arbeitsverhältnisse. Hiernach bedarf seit Inkrafttreten des § 623 BGB zum 1.5.2000 jede Kündigung der Schriftform. § 623 BGB gilt sowohl für arbeitgeber- als auch für arbeitnehmerseitige Kündigungen und insbesondere auch für leitende Angestellte, sofern sie Arbeitnehmer sind. Die Erfordernisse der Schriftform richten sich nach § 126 BGB. Hiernach muss zur Wahrung der Schriftform die Kündigungserklärung vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift (oder mittels notariell beglaubigtem Handzeichen) unterzeichnet werden. Zu ihrer Wirksamkeit muss die Kündigung in dieser Form zugehen.
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Für Organmitglieder und alle Beschäftigten, die keine Arbeitnehmer sind, gilt § 623 BGB nicht, auch nicht entsprechend. Die Kündigung eines Geschäftsführers einer GmbH oder eines AG-Vorstandes ist daher nicht an ein gesetzliches Schriftformerfordernis gebunden. Gegenüber einem GmbH-Geschäftsführer oder einem AG-Vorstand ist auch die mündliche Kündigung zulässig, es sei denn, die Parteien hätten gewillkürt eine andere Form vereinbart.
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b) Gewillkürte Schriftformerfordernis Die Parteien eines Dienstvertrages sind im Rahmen der Vertragsfreiheit gemäß § 127 BGB frei darin, förmliche Voraussetzungen der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäftes zu vereinbaren. Ein etwaiger Formverstoß führt dann gemäß § 125 Satz 2 BGB im Zweifel ebenfalls zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes.
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Ist vertraglich vereinbart, dass die Kündigung schriftlich zu erfolgen hat, so gelten für die Kündigung die Maßgaben des § 126 BGB, sofern sich nicht aus dem Vertrag ein anderweitiger Wille der Parteien ergibt. Auch in diesem Falle muss also die Kündigung im Zweifel durch eigenhändige Namensunterschrift auf der Originalurkunde und deren Zugang ausgesprochen werden. Abweichend von § 126 BGB ist zur Wahrung der (nur) durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form allerdings auch die telekommunikative Übermittlung eines Kündigungsschreibens ausreichend, sofern nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, § 127 Abs. 2 BGB. Während es also für die Wahrung der gesetzlichen Schriftform nicht ausreicht, die Kündigung per Telefax zu übermitteln, ist diese Übermittlungsart im Falle einer gewillkürten Schriftform zulässig und ausreichend. Nach umstrittener Ansicht genügt auch eine E-Mail den Erfordernissen des § 127 Abs. 2 BGB „telekommunikative Übermittlung“1. Denn der Gesetzgeber des „Gesetzes zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften in dem modernen Rechtsgeschäftsverkehr“ beabsichtigte, die Formvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches, die seit über 100 Jahren Bestand hatten, an die Entwicklung im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologien anzupassen. Der Bundestag beabsichtigte, eine gegenüber der Schriftform erleichterte Form zu schaffen, die „die eigen-
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1 A.A.: LG Köln v. 7.1.2010 – 8 O 120/09, GWR 2010, 68.
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Teil 4 Rz. 39
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
händige Unterschrift entbehrlich macht und deshalb sowohl für ein herkömmliches Papierdokument als auch für ein elektronisches Dokument geeignet ist“1. Gegen das Ausreichen der E-Mail spricht auch nicht der Wortlaut des § 127 Abs. 2 BGB („Übermittlung“). Der Gesetzgeber hat hierbei den vorherigen Wortlaut „telegrafische Übermittlung“ lediglich ausgetauscht. Nicht beabsichtigt war hiermit aber eine Einschränkung der Erleichterung auf den bloßen Übermittlungsvorgang. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung2. Entscheidend für die Wahrung der gewillkürten Schriftform ist bei Ausspruch einer Kündigung durch E-Mail lediglich, dass diese den Absender eindeutig erkennen lässt und – z.B. durch Ausdruck – materiell verkörpert werden kann. 39
§ 127 BGB lässt die telekommunikative Form nur dann ausreichen, wenn ein anderer Wille nicht anzunehmen ist. Dies kann sich aus dem Vertrag selber, aus dem gelebten Vertragsverhältnis oder auch aus den Modalitäten der Kündigung ergeben. Soll von der Möglichkeit der telekommunikativen Form Gebrauch gemacht werden, sollte also alles verhindert werden, das auf einen anderen Willen hindeutet als denjenigen, dass diese Form für ausreichend erachtet wird. Beispielsweise der Hinweis in der per Fax oder Mail übersandten Kündigung, das das Original auf dem Postwege folgen werde, kann bereits als ein solcher anderweitiger Wille gedeutet werden.
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! Praxishinweis Auch wenn eine E-Mail ein gewillkürtes Schriftformerfordernis gemäß § 127 Abs. 2 BGB grundsätzlich erfüllt, eignet sie sich in der Praxis gleichwohl nicht zum rechtssicheren Ausspruch einer Kündigung. Denn neben der Wahrung der vereinbarten Form hat der Kündigende auch den Zugang der Kündigung nachzuweisen. Ein Zugangsnachweis lässt sich aber bei einer E-Mail schlechterdings nicht führen, es sei denn, der Empfänger der E-Mail bestätigt den Zugang gesondert oder nutzt die eingegangene E-Mail durch die Funktion „Antworten“ und dokumentiert solchermaßen in einer eigenen Mail den Empfang der Kündigung. Es empfiehlt sich daher auch bei einem gewillkürten Schriftformerfordernis die Fixierung der Kündigungserklärung in Urkundsform gemäß § 126 BGB und die rechtssichere Übermittlung dieser Originalurkunde entweder durch Boten oder (unter Nutzung der Möglichkeiten des § 127 Abs. 2 BGB) durch Telefax.
c) Weitere gewillkürte Formerfordernisse 41
Die Parteien vereinbaren häufig neben dem Erfordernis der „Schriftform“ auch weitere Kündigungsvoraussetzungen wie z.B. die Übermittlung der Kündigung durch Einschreiben. Während die Vereinbarung der Schriftform gemäß § 127 Abs. 1 BGB zu engen Formvorschriften führt, ist die Vereinbarung weiterer Formerfordernisse stets darauf zu prüfen, ob tatsächlich ein Formerfordernis aufgestellt werden sollte oder das Erfordernis einen anderen Zweck erfüllt, der gegebenenfalls auch auf einem anderen Weg gewahrt werden kann. Vereinbaren die Parteien beispielsweise zusätzlich zur Schriftform die Übersendung per 1 BT-Drucks. 14/4987, 10. 2 BT-Drucks. 14/4987, 20 f.
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Rz. 44 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Einschreiben, so hat zwar die Schriftform konstitutive Bedeutung i.S.v. § 125 Satz 2 BGB. Das Erfordernis einer Einschreibesendung soll aber im Zweifel nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern bzw. belegen, dass der Absender der Kündigung das Seine getan hat, um die Kündigung auf den Weg zu bringen1. Dabei lässt sich die Qualifizierung eines weiteren Formerfordernisses „Einschreibesendung“ als nicht konstitutives Formerfordernis nicht durch den Hinweis ablehnen, dass mit einer „Einschreibesendung“ niemals der Nachweis des Zuganges erbracht werden kann (sondern nur der Nachweis der Absendung), weshalb es nicht der Wille der Parteien gewesen sein kann, hierüber die Sicherung des Zuganges beabsichtigt zu haben. Denn mit einbezogen werden muss das allgemeine Verständnis einer Einschreibesendung als „sichere Übersendungsart“ sowie die weitreichende Unkenntnis darüber, dass durch ein Einschreiben nicht der Zugang nachgewiesen werden kann. Richtigerweise sieht deshalb das OLG Düsseldorf in einer entsprechenden Klausel lediglich eine auch anders zu wahrende Vorgabe für die Übersendungsart und lässt beispielsweise in Ersetzung der Versendung per Einschreiben auch die Übersendung des Originals per Boten ausreichen2.
d) Kündigung durch Abberufung Ist im Vertrag bestimmt, dass durch den Abruf vom Amt des Geschäftsführers/ Vorstandes zugleich der Dienstvertrag als ordentlich gekündigt gilt, bedarf die Kündigungserklärung als solche keiner besonderen Form. Trifft die Gesellschafterversammlung dann in Anwesenheit des Geschäftsführers die Entscheidung, den Geschäftsführer vom Amt abzuberufen, reicht diese Kenntniserlangung auch für den formgerechten Zugang der Kündigung des Anstellungsvertrages aus.
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5. Inhalt der Kündigungserklärung Die Kündigung muss die Anforderungen an eine Willenserklärung im Allgemeinen wahren, insbesondere also hinreichend bestimmt sein und deutlich zu erkennen geben, dass mit ihr beabsichtigt ist, den Anstellungsvertrag zu beenden. Maßgeblich ist, wie der Kündigungsempfänger die Erklärung unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste3.
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Die Kündigung muss erkennen lassen, ob sie die Beendigung des Dienstverhältnisses unter Wahrung der geltenden Kündigungsfrist („ordentliche Kündigung“) oder fristlos erreichen soll. Wird eine fristlose Kündigung ausgesprochen, lässt sich diese nicht in eine ordentliche Kündigung umdeuten. Wird indes mit Ausspruch der Kündigung der zutreffende Kündigungstermin verfehlt, gilt die Kündigung im Zweifel als auf den nächst zulässigen Zeitpunkt ausgesprochen4. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Auslegung der Kündigung
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Vgl. OLG Düsseldorf v. 27.10.2009 – I-24 U 38/09, MDR 2010, 616. Vgl. OLG Düsseldorf v. 27.10.2009 – I-24 U 38/09, MDR 2010, 616. Vgl. BAG v. 15.3.1991 – 2 AZR 107/91, NZA 1992, 449. BAG v. 18.4.1985 – 2 AZR 197/84, NZA 1986, 229.
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Teil 4 Rz. 45
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
erkennen lässt, dass der Dienstherr die Kündigung zwingend zu dem genannten Termin, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt aussprechen wollte. In einem solchen Fall scheidet eine anderweitige Auslegung der Kündigungserklärung aus1.
6. Zeit und Ort der Kündigung 45
Die Kündigung kann zu jeder Zeit und an jedem Ort erfolgen. Die Kündigung kann somit auch an einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag ausgesprochen werden2. Die Unzulässigkeit einer Kündigung wegen des Zeitpunkts des Ausspruches kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die Kündigung zur Unzeit erfolgt. Zwar ist in verschiedenen gesetzlichen Regelungen die Kündigung zur Unzeit ausdrücklich angesprochen (§ 627 Abs. 2 BGB, § 671 Abs. 2 BGB, § 773 Abs. 2 BGB), so dass das Verbot der Kündigung zur Unzeit einen allgemeinen Rechtsgrundsatz widergibt, der letztlich aus § 242 BGB resultiert. Die Qualifizierung „zu Unzeit“ resultiert jedoch in den angesprochenen Normen jeweils aus der Besonderheit der sich durch die Kündigung ergebenden Situation. So darf gemäß § 627 Abs. 2 BGB die Kündigung durch den Dienstverpflichteten (also die Führungskraft) nicht zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Dienstberechtigte nicht in der Lage ist, sich die Dienste anderweitig zu beschaffen3. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dergestalt, dass jede „Ungehörigkeit“ einer Kündigung auch zu ihrer Unwirksamkeit führt, lässt sich dem aber nicht entnehmen4. Die Kündigung zur Unzeit setzt vielmehr neben der rein zeitlichen Komponente weitere Umstände voraus, die die Kündigung in besonderer Weise sittenwidrig und damit auch als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lässt. Dies lässt sich nur unter Berücksichtigung des Einzelfalles entscheiden5. Regelmäßig ist jedenfalls eine Kündigung an Heilig Abend (24.12.) nicht „zur Unzeit“6. Auch der Kündigungszugang während der Erkrankung der Führungskraft ist nicht „zur Unzeit“7, genauso wenig wie eine Kündigung im engen nahen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod eines nahen Angehörigen8.
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Auch die Kündigung vor Dienstantritt ist grundsätzlich nicht zur Unzeit und zulässig. Die Parteien können allerdings vereinbaren, dass die ordentliche Kündigung vor Aufnahme der tatsächlichen Beschäftigung ausgeschlossen sein soll.
7. Zugang der Kündigung 47
Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die deshalb zu ihrer Wirksamkeit gemäß § 130 Abs. 1 BGB dem Empfänger zugehen muss. 1 2 3 4 5 6 7 8
BAG v. 15.12.2005 – 2 AZR 148/05, NZA 2006, 791. BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97. Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 628 BGB Rz. 6. Vgl. BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97; BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00, NZA 2001, 890. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00. BAG v. 14.11.1984 – 7 AZR 174/83, NZA 1986, 97. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00, NZA 2001, 890. BAG v. 5.4.2001 – 2 AZR 185/00, NZA 2001, 890.
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Rz. 51 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Unter Anwesenden geht die Kündigung unmittelbar zu. Zwar regelt das BGB diese Zugangsform nicht, der Zugang ergibt sich aber aus der Natur der Sache. Wird die Kündigung beispielsweise im Rahmen einer Gesellschafterversammlung, an der der Geschäftsführer teilnimmt, ausgesprochen, ist sie in diesem Moment zugegangen. Eine schriftliche Kündigung geht dem gegenüber erst dann zu, wenn der Empfänger in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Es kommt dabei weder auf die tatsächliche Kenntnisnahme noch darauf an, ob der Empfänger die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt hat. Wird also z.B. eine Kündigungserklärung in schriftlicher Form der Führungskraft persönlich übergeben, so ist sie in dem Moment zugegangen, in dem die Führungskraft in der Lage ist, die Kündigungserklärung an sich zu nehmen. Ob sie dies tatsächlich tut oder die Kündigung beim Dienstherren liegen lässt, ist für den Zugang unerheblich. Eine Annahmeverweigerung vor Ort hindert also nicht den Zugang der Kündigung. Der Adressat einer persönlich übergebenen schriftlichen Kündigungserklärung kann somit deren Zugang nicht dadurch hinauszögern oder gar verhindern, indem er den Brief ungeöffnet an den Überbringer zurückgibt oder vernichtet1.
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Unter Abwesenden geht die Kündigung dann zu, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass bei gewöhnlichen Verhältnissen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist2. Notwendig, aber auch ausreichend, ist die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme. Ob der Kündigungsempfänger tatsächlich in der Lage ist, von der Kündigung Kenntnis zu nehmen oder nicht, hindert nicht den Zugang. Deshalb geht eine Kündigung, die durch Einwurf in den Wohnungsbriefkasten zugestellt wird, auch während des Urlaubs des Kündigungsempfängers bereits am Tag des Einwurfes zu. Die sich daraus für den Kündigungsempfänger ergebenden Probleme werden in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung durch die Möglichkeit einer verspäteten Klagezulassung gemäß § 5 KSchG aufgefangen3, bei Organmitgliedern, die nicht Arbeitnehmer i.S.d. KSchG sind, stellt sich ohnehin keine Fristproblematik.
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Ist die Kündigung nicht an eine andere Form gebunden, kann sie auch per Telefax ausgesprochen werden. Ein Telefax geht dann zu, wenn die elektronischen Signale vollständig auf dem Empfängergerät eingegangen sind4. Es kommt deshalb auch nicht darauf an, ob das Telefax vollständig und fehlerfrei auf dem Empfängerapparat ausgedruckt wird. Scheitert ein solcher Ausdruck infolge technischer Störungen auf der Empfängerseite (z.B. Papierstau), so ist das Telefax dann zugegangen, wenn der Gesamtinhalt des Schreibens elektronisch übermittelt ist5.
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Kommt es für den Zugang der Kündigung auf den exakten Zeitpunkt an, ist ein vor 24.00 Uhr abgesandtes Telefax, das erst vollständig nach 24.00 Uhr auf der Empfängerseite ausgedruckt worden ist, dann noch rechtzeitig, also noch vor 24.00 Uhr zugegangen, wenn die elektronischen Signale abschließend zu die-
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Sächsisches LAG v. 11.2.2003 – 7 Sa 292/02. Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG v. 25.4.1996 – 2 AZR 13/95, NZA 1996, 1227. BAG v. 16.3.1988 – 7 AZR 587/87, NZA 1988, 875. BGH v. 14.3.2001 – XII ZR 51/99, NJW 2001, 1581; Musielak/Ball, § 519 ZPO Rz. 22. BGH v. 14.3.2001 – XII ZR 51/99, NJW 2001, 1581; Musielak/Ball, § 519 ZPO Rz. 22.
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Teil 4 Rz. 52
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
sem Zeitpunkt auf dem Empfängerfax eingegangen waren. Auf den Zeitpunkt des Ausdruckes auf dem Empfängergerät kommt es indes nicht an1. 52
Wird ein Kündigungsschreiben per Boten übersandt, ist für den Zugang entscheidend, dass der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Bei einem Einwurf in den Briefkasten kommt es auf den Einwurfzeitpunkt an. Dabei muss es sich um den Briefkasten handeln, der dem Empfänger auch konkret zugeordnet ist. Handelt es sich um einen einheitlichen Hausbriefkasten, in dem die Post gesammelt angenommen wird und geht die Sendung dann überhaupt nicht zu, lässt sich der Zugangsnachweis auf diese Weise nicht führen. Anders ist dies bei einem Einwurf in den Wohnungsbriefkasten.
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Bei einem Einwurf in den Briefkasten kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein vor 24.00 Uhr eingeworfenes Schreiben an demselben Tag (also mit Einwurf) zugeht. Lässt sich nicht nachweisen, dass der Empfänger von dem Schreiben noch tatsächliche Kenntnis erlangt hatte, so kommt es für die Frage des Zuganges auf den Zeitpunkt des Einwurfs in den Wohnungsbriefkasten an. Ungeachtet einer tatsächlich nachweisbaren Kenntnis erfolgt der Zugang am Tag des Einwurfs nur dann, wenn der Einwurf bis zu dem Zeitpunkt erfolgte, zu dem üblicherweise noch Postzustellungen erfolgen. Nur dann kann nämlich redlicherweise damit gerechnet werden, dass der Empfänger den Briefkasten noch an demselben Tag leert. Als Anhalt kann genommen werden, dass jedenfalls in Großstädten noch bei Einwurf bis 14.00 Uhr eines Werktages mit Kenntnisnahme noch am selben Tag gerechnet werden kann2.
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Versendet der Absender die Kündigung per Post, so ist hinsichtlich des Zugangsnachweises und des Zugangs an sich nach der Versendeart zu differenzieren. Zugehen muss die Kündigungserklärung, aus der sich der Wille der Vertragspartei ergibt, den Vertrag zu beenden. Wird deshalb die Kündigungserklärung per Einschreibesendung mit Rückschein verschickt, trifft der Briefträger den Empfänger nicht an und legt lediglich den Benachrichtigungszettel in den Hausbriefkasten ein, so geht hierdurch die Kündigung grundsätzlich nicht zu. Der Zugang tritt erst dann ein, wenn der Kündigungsempfänger den Brief auch tatsächlich abholt3.
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Wird die Sendung trotz Benachrichtigungszettel nicht abgeholt, ist auch die Kündigung nicht zugegangen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob dann möglicherweise eine Zugangsfiktion wegen Zugangsvereitelung in Betracht kommt; dies ist eine Frage der Umstände des Einzelfalls.
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Die Übersendeart Einschreiben ohne Zusatz belegt lediglich die Abgabe der Sendung bei der Post oder dem Transportunternehmen. Über die entscheidende Frage des Zuganges lässt sich keine Aussage treffen, so dass von dieser Übersendeart in jedem Falle abzuraten ist.
1 Musielak/Ball, § 519 ZPO Rz. 22. 2 LAG Berlin v. 22.1.1999 – 6 Sa 106/98, AuA 1999, 326. 3 BAG v. 25.4.1996 – 2 AZR 13/95, NZA 1996, 1227.
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Rz. 60 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Rechtssicher lässt sich der Zugang nur durch die Versendeart Einwurf-Einschreiben herbeiführen. Hierbei wird der Brief durch den Postboten nachweisbar und zu einer auch nachträglich noch festzustellenden Zeit in den Briefkasten des Empfängers eingeworfen, und zwar unabhängig davon, ob der Empfänger anwesend ist und ob er den Zugang wünscht. Damit ist sichergestellt, dass die Kündigungserklärung als solche tatsächlich auch zugeht. Der Nachweis des Zugangs lässt sich allerdings nach der Rechtsprechung nicht durch Urkundsbeweis mittels Vorlage des Nachverfolgungsbeleges führen. Zwar ermöglichen die Versandunternehmen in der Regel eine internetgestützte Recherche über den Zeitpunkt des Zuganges. Hierbei handelt es sich aber nach der Rechtsprechung nicht um eine Urkunde i.S.d. §§ 415 Abs. 1, 418 Abs. 1 ZPO1. Folglich müsste im Bestreitensfalle der Zeugenbeweis durch Vernehmung des Briefzustellers geführt werden.
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Unter bestimmten Umständen kann eine Zugangsfiktion eintreten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kündigungsempfänger den Zugang der Kündigung in treuwidriger Weise verweigert. Dieser Fall kann z.B. eintreten bei Übermittlung der Kündigung durch Einschreiben/Rückschein und Nichtabholung des Briefes nach Erhalt des Benachrichtigungszettels2. Treuwidriges Verhalten liegt auch dann vor, wenn der Kündigungsempfänger seine Anschrift ändert, ohne dies dem Vertragspartner mitzuteilen. In diesem Falle muss der Kündigungsempfänger sich so behandeln lassen, als ob die an die bekannte Anschrift gesandte Kündigung zugegangen wäre3.
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Derjenige, der sich auf den Zugang der Kündigung berufen möchte, trägt prozessual die Beweislast hierfür. Bei einer Übersendung per Boten kann der Zugangsbeweis durch Zeugnis des Boten geführt werden. Der Bote hat dabei sowohl zu bezeugen, dass er einen Briefumschlag eingeworfen hat, als auch was sich darin befand. Bei Einschreibesendungen kann der Beweis nur durch Privaturkunde (Auslieferungsschein) oder durch Zeugenbeweis (Postzusteller) geführt werden. Hierbei ist aber streng genommen jeweils nur der Zugang des Umschlages bewiesen, nicht, dass dessen Inhalt auch die Kündigung war. Hierzu muss also ein separater Beweis geführt, werden, z.B. durch Zeugnis desjenigen, der die Kündigungserklärung in den Umschlag eingetütet hat.
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8. Kündigungsfristen und Kündigungstermine a) Gewillkürte Fristbestimmung In der Regel enthält der Dienstvertrag eine Kündigungsregel. Eine solche Kündigungsregel setzt sich üblicherweise aus einer Kündigungsfrist (z.B. sechs Monate) und einem Kündigungstermin (z.B. zum Ende eines Kalendermonats) zusammen. Kündigungsfrist und Kündigungstermin stellen dabei eine Einheit dar und sind nicht voneinander trennbar.
1 LAG Hamm v. 22.5.2002 – 3 Sa 847/01. 2 BAG v. 7.11.2002 – 2 AZR 475/01, NZA 2003, 719. 3 BAG v. 22.9.2005 – 2 AZR 366/04, NZA 2006, 204.
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Teil 4 Rz. 61
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
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Enthält der Vertrag eine entsprechende Bestimmung, so ist diese dahingehend auszulegen, ob sie für beide Seiten gelten soll (Regelfall) oder nur bei einer Kündigung durch den Dienstgeber (Ausnahmefall). Ist Letzteres der Fall, gilt für den Dienstnehmer die subsidiär eingreifende gesetzliche Kündigungsfrist (vgl. dazu Rz. 68 ff.).
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Kündigungsfristen und Kündigungstermine berechnen sich nach §§ 186 ff. BGB. Nach § 187 Abs. 1 BGB wird der Tag, an dem die Kündigung zugeht, nicht mitgerechnet. Die Frist beginnt somit um 00:00 Uhr des auf den Zugang folgenden Tages. Die Kündigungsfrist endet gemäß § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB mit Ablauf des Tages, der durch seine Benennung dem Tag des Zugangs der Kündigung entspricht. Da am Tag des Ablaufs der Kündigung keine Willenserklärung abzugeben ist, findet § 193 BGB keine Anwendung. Die Kündigungsfrist läuft also auch dann ordnungsgemäß ab, wenn der letzte Tag der Kündigungsfrist auf einen Sonn- oder Feiertag oder einen Samstag fällt.
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Ist als Kündigungsfrist eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Ende des Kalendermonats vereinbart, so muss eine Kündigung, die zum z.B. 30.9. des Jahres wirken soll, spätestens bis zum letzten Tag des Monats März desselben Jahres beim Empfänger zugegangen sein. Nur dann liegen zwischen dem Tag des Zugangs der Kündigung und dem beabsichtigten Ende des Dienstverhältnisses die vertraglich geforderten sechs Monate. Wird die Kündigungsfrist nach Wochen bestimmt und endet der Kündigungstermin zum Ende eines Monats, so müssen zwischen dem Ablauf des letzten Tages des Dienstverhältnisses und dem Tag des Kündigungszuganges die angegebene Zahl von Wochen liegen. Für den Fristbeginn ist in sinngemäßer Anwendung des § 187 Abs. 2 BGB der Tag entscheidend, an dem die Wochen-Frist vollendet sein muss, also der erste Tag des auf das Ende des Dienstverhältnisses folgenden Monats. Dieser Tag wird in die Frist nicht mehr mit eingerechnet. Das Fristende der (rücklaufenden) Frist bemisst sich nach § 188 Abs. 2 BGB. Es fällt auf den Ablauf desjenigen Tages, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
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Beispiel: Die Kündigung soll unter Wahrung einer Frist von sechs Wochen zum 30.6. eines Kalenderjahres erfolgen. Fristbeginn der (rückläufigen) Frist ist in sinngemäßer Anwendung des § 187 Abs. 2 BGB der 1.7. des Kalenderjahres um 00:00 Uhr. Das Fristende der (rücklaufenden) Frist fällt gemäß § 188 Abs. 2 BGB auf den entsprechenden Tag sechs Wochen zuvor, also den 19.5. Für die Ausübung des Gestaltungsrechtes ist gemäß § 188 Abs. 2 BGB der Ablauf des diesem Tag zuvor gehende Tag entscheidend, also der Ablauf des 18.5. Im Ergebnis muss also zur Wahrung der Kündigungsfrist von sechs Wochen zum 30.6.2011 die Kündigung den Kündigungsempfänger spätestens am 18.5. des jeweiligen Jahres erreicht haben.
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Für die Fristberechnung ist auch insoweit § 193 BGB nicht anzuwenden. Läge also im vorgenannten Beispiel der 18.5.2011 auf einem Sonntag, so wäre gleichwohl dieser Tag derjenige, an dem die Kündigungserklärung spätestens abzuge382
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Rz. 69 Teil 4
Ordentliche Kündigung
ben wäre. Zu beachten ist allerdings, dass bei einer Übersendung durch Boten oder per Post ein Zugang an einem Sonntag nicht gewährleistet werden kann, es sei denn, das Kündigungsschreiben wird persönlich übergeben. Bei vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen handelt es sich – genauso wie bei gesetzlichen Kündigungsfristen – um Mindestkündigungsfristen. Eine vorzeitige Kündigung zu einem Termin, der nicht der nächst erreichbare Kündigungstermin ist, ist also jederzeit zulässig und möglich.
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Wird eine Kündigung ohne Beachtung der Kündigungsfrist ausgesprochen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich um eine außerordentliche Kündigung oder um eine ordentliche Kündigung handeln soll. Steht nach dem Ergebnis der Auslegung fest, dass eine ordentliche Kündigung, also eine solche unter Wahrung der Kündigungsfrist beabsichtigt war, so ist es für die Kündigung unschädlich, wenn Kündigungsfrist oder Kündigungstermin falsch benannt worden sind. Die Kündigung ist dann als jeweils zum nächst zulässigen Termin wirkend anzusehen.
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b) Gesetzliche Kündigungsfrist Für Leitende Angestellte, die Arbeitnehmer sind, gelten mangels besonderer Festlegung im Vertrag die gesetzlichen Fristen des § 622 BGB. Die verlängerten Fristen des § 622 Abs. 2 BGB gelten nur für eine Kündigung durch den Dienstgeber, nicht auch für eine Kündigung durch den Dienstnehmer, es sei denn, im Anstellungsvertrag ist anderes vereinbart. Die Bestimmung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach für die Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt werden, ist unwirksam1.
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Für Organmitglieder gilt § 622 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung. Die unmittelbare Geltung des § 622 Abs. 1 BGB würde voraussetzen, dass die Führungskraft in einem Arbeitsverhältnis steht, was bei Organen (Geschäftsführern/Vorständen) regelmäßig nicht der Fall ist. Gleichwohl gilt nach der mittlerweile feststehenden Rechtsprechung nicht § 621 BGB. Dienstverträgen von Organmitgliedern ist es spezifisch, dass die Führungskraft ihre Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung stellt. Diese Tatsache macht Führungskräfte (Geschäftsführer/Vorstände), die nicht Arbeitnehmer sind, eher den Arbeitnehmern vergleichbar als den freien Dienstnehmern gemäß § 621 BGB. Dies führt zu einer entsprechenden Anwendung des § 622 BGB2. Die vom BGH herangezogene Begründung, dass der Gesetzgeber bei der Gesetzesfassung nicht bedacht habe, dass höhere Dienstnehmer, die früher unter § 622 fielen, nunmehr von diesem nicht mehr erfasst seien, ist nach der Neuregelung des § 622 BGB durch das Gesetz zur Vereinheitlichung der Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten v. 7.10.19933 eigentlich gegenstandslos, da der Gesetzgeber ausreichend Gelegenheit hatte, die Kündigungsfristen von Organmitgliedern
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1 EuGH v. 19.1.2010 – C 555/07; BAG v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09, NJW 2010, 3740. 2 BGH v. 29.1.1981 – II ZR 92/80, DB 1981, 982; BGH v. 26.3.1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528; BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, NJW 1981, 2748. 3 BGBl. I S. 1668.
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Teil 4 Rz. 70
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
zu regeln. Gleichwohl entspricht es der absolut herrschenden Meinung, § 622 auf Organmitglieder anzuwenden1. 70
Etwas anderes gilt auch nicht dann, wenn das Organmitglied aufgrund seiner Kapitalbeteiligung maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. Der BGH verweist darauf, dass auch ein solches Organmitglied möglicherweise hauptberuflich für die Gesellschaft tätig ist und damit mehr oder weniger von ihr wirtschaftlich abhängig ist. Ebenso braucht er bei der Kündigung des Anstellungsverhältnisses ausreichend Zeit, sich anderweitig hauptberuflich zu orientieren, wie die Gesellschaft im Falle seiner Kündigung einen gewissen Zeitraum nötig hat, einen neuen qualifizierten Geschäftsführer zu finden2.
9. Folgen der Kündigung 71
Durch eine ordnungsgemäß ausgesprochene Kündigung endet der Anstellungsvertrag mit Ablauf des Tages, zu dessen Ablauf der Vertrag gekündigt ist. Hiervon unbenommen bleibt eine etwaige organschaftliche Stellung. Mit Beendigung des Anstellungsvertrages entfällt aber die vertragliche Verpflichtung zur Ausübung einer Organtätigkeit. Die sich aus der fortdauernden Organstellung ergebende gesetzliche Verantwortlichkeit entfällt hierdurch nicht, so dass nach dem Ende des Anstellungsvertrages bei fortdauernder Organstellung zwar keine vertragliche Pflicht mehr zum Tätigwerden besteht, wohl aber eine aus der Amtsstellung sich ergebende Obliegenheit.
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Bis zum Beendigungstag bleibt die Führungskraft aus dem (wenn auch gekündigten) Vertrag weiterhin leistungsverpflichtet. Es besteht weder infolge der Kündigung ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung noch besteht das Recht auf Selbstbeurlaubung infolge des Ausspruchs der Kündigung.
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Ungeachtet des Ausspruchs einer ordentlichen Kündigung besteht auch weiterhin die Möglichkeit zum Ausspruch einer außerordentlichen Gleichwohl-Kündigung, die das Dienstverhältnis dann auch schon vor dem Tag, zu dem ursprünglich gekündigt worden war, beenden kann. Insoweit ist auf die Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu verweisen (Rz. 180 ff.).
10. Abwicklungsvertrag 74
Verträge, die den Dienstvertrag einvernehmlich beenden sollen, bezeichnet man als Aufhebungsverträge. Dem gegenüber werden Verträge, die den Bestand des Dienstvertrages unberührt lassen, jedoch davon ausgehen, dass der Dienstvertrag aufgrund anderweitiger Gestaltung zu einem Ende kommt und nun die abzuwickelnden Angelegenheiten regeln, als Abwicklungsvertrag bezeichnet. Der Abschluss eines solchen Abwicklungsvertrages bleibt allen Parteien unbenommen. Er ist in der Regel auch zu empfehlen, um für alle offenen Fragen bei1 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 621 BGB Rz. 4 m.w.N., § 622 BGB Rz. 7. 2 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 120/83, NJW 1984, 2528; a.A.: ErfK/Müller-Glöge, § 622 BGB Rz. 7.
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Rz. 79 Teil 4
Ordentliche Kündigung
derseitige Rechtssicherheit zu schaffen. Der empfehlenswerte Inhalt eines Abwicklungsvertrages kann sich an den Inhalten eines Aufhebungsvertrages orientieren, reduziert um diejenigen Klauseln, die zum Inhalt haben, das Dienstverhältnis zu beenden (vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 295 ff.).
II. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte 1. GmbH-Geschäftsführer a) Entschlusszuständigkeit Für die Beschlussfassung über die Kündigung des Anstellungsvertrages des GmbH-Geschäftsführers ist die Gesellschafterversammlung zuständig. Diese Zuständigkeit ergibt sich aus einer Annexkompetenz zu § 46 Nr. 5 GmbHG1.
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b) Vertretungsbefugnis Hat die Gesellschafterversammlung den Beschluss, den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zu kündigen, gefasst, muss dieser Beschluss ordnungsgemäß dem Geschäftsführer mitgeteilt werden. Die Beschlussfassung als solche reicht nicht aus. Die Gesellschafterversammlung wird gesetzlich nicht durch ein bestimmtes Mitglied der Versammlung vertreten. Sie handelt daher insgesamt als Organ. Erfolgt die Umsetzung durch einen schriftlichen Akt (Kündigungserklärung), müssen also alle Gesellschafter unterzeichnen. Zur Vermeidung der damit einhergehenden praktischen Schwierigkeiten ist es zulässig, dass die Gesellschafterversammlung eine bestimmte Person damit beauftragt, den gefassten Beschluss in die Rechtswirklichkeit umzusetzen.
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Reicht nach dem Anstellungsvertrag die Mitteilung des Beschlusses dazu aus, zugleich den Anstellungsvertrag zu kündigen, sind also Abberufungsbeschluss und Kündigung zwingend miteinander gekoppelt, reicht es aus, wenn die Gesellschafterversammlung eines ihrer Mitglieder oder einen Dritten damit beauftragt, die Beschlusslage als Bote zu übermitteln.
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Formulierungsmuster
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Die Gesellschafterversammlung beauftragt den Gesellschafter … damit, Herrn … unverzüglich über den gefassten Beschluss über seine Abberufung sowie die damit einhergehende Beendigung des Anstellungsvertrages zu informieren.
Sind dagegen die Abberufung sowie die Beendigung des Anstellungsvertrages nicht miteinander gekoppelt, muss über die Vertragsbeendigung gesondert Beschluss gefasst werden und diese Beschlussfassung ist danach durch Ausspruch einer Kündigung in die rechtsgeschäftliche Realität umzusetzen. Die bloße 1 Hoffmann/Liebs, Der GmbH-Geschäftsführer, Rz. 2103; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 38 GmbHG Rz. 14, § 6 GmbHG Rz. 43.
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Teil 4 Rz. 80
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Mitteilung der Beschlussfassung reicht hierzu nicht aus. Der Gesellschafterbeschluss als solcher entfaltet grundsätzlich nur innergesellschaftliche Wirkung und bindet die Gesellschaftsorgane intern. Rechte und Pflichten im Außenverhältnis entstehen erst durch Ausführung des Beschlusses1. 80
Formulierungsmuster Die Gesellschafterversammlung beauftragt hiermit den Gesellschafter Herrn …, alle nötigen Maßnahmen zur Umsetzung des getroffenen Gesellschafterbeschlusses zur Kündigung des Anstellungsvertrages des Geschäftsführers einzuleiten und umzusetzen und die hiermit verbundenen rechtlichen Erklärungen für die Gesellschaft abzugeben.
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Das Vorliegen des Gesellschafterbeschlusses ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Fehlt bei Abgabe der Kündigungserklärung ein wirksamer Kündigungsbeschluss der Gesellschafter, so ist die Kündigung unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung ist nicht möglich2.
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Die durch den von der Gesellschafterversammlung beauftragten Vertreter ausgesprochene Kündigung kann gemäß § 174 BGB zurückgewiesen werden, wenn dieser Vertreter nicht bei Ausspruch der Kündigung seine Vertretungsvollmacht ordnungsgemäß nachweist. Der Nachweis kann nur durch Vorlage des Beschlusses erfolgen, durch den der Vertreter bevollmächtigt wird, die entsprechende rechtsgeschäftliche Wirkung herbeizuführen. Dieser Beschluss muss nicht zwingend auch die Abberufung sowie die Entscheidung zur Kündigung des Anstellungsvertrages enthalten. Denn zwar ist es zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung, dass die Gesellschafterversammlung über die Kündigung beschlossen hat. Um die Form beim Ausspruch der Kündigung zu wahren, bedarf es jedoch gemäß § 174 BGB ausschließlich des schriftlichen Nachweises der Vollmacht, nicht des zugrunde liegenden Beschlusses.
83
Zum Nachweis der Bevollmächtigung bedarf es gemäß § 174 BGB der Vorlage einer Vollmachtsurkunde. Eine solche Urkunde ist gemäß § 172 BGB ein unterschriebenes oder mit notariell beglaubigtem Handzeichen versehenes Schriftstück, das die Person des Bevollmächtigten und den Inhalt der Vollmacht bezeichnet. Für die zur Vermeidung einer Zurückweisung gemäß § 174 BGB erforderliche Form kommt es daher nicht auf die gemäß GmbHG notwendige Form eines Gesellschafterbeschlusses an (formlos!), sondern auf die nach § 174 BGB gebotene Form. Es reicht daher nicht aus, wenn der durch die Gesellschafterversammlung beauftragte Gesellschafter die Kündigung verfasst und zum Nachweis seiner Vollmacht einen in satzungsgemäßer Form protokollierten Gesellschafterbeschluss seine Beauftragung betreffend vorlegt. Vielmehr bedarf es in diesem Fall der Erstellung einer Vollmachtsurkunde, die durch alle Gesellschafter unterzeichnet wird. 1 Vgl. Wolf in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 39 Rz. 92. 2 Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 43 Rz. 81.
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Rz. 89 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Sieht der Vertrag demgegenüber vor, dass der Anstellungsvertrag automatisch mit dem Beschluss über die Abberufung als gekündigt gilt, was grundsätzlich zulässig ist1, so bedarf es keines gesonderten rechtsgeschäftlichen Aktes mehr. Der von der Gesellschafterversammlung hiermit beauftragte Vertreter überbringt dann lediglich den Nachweis des Beschlusses. Er handelt hierbei als Bote und nicht als Vertreter, so dass eine Zurückweisung nach § 174 BGB ausscheidet. Lediglich muss der Beschluss über die Abberufung dem Geschäftsführer dann in ordnungsgemäßer Form, also gemäß den näheren Bestimmungen der Satzung protokolliert, zugehen.
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Die Zurückweisung der rechtsgeschäftlichen Erklärung des von der Gesellschafterversammlung beauftragten Vertreters gemäß § 174 BGB ist dann ausgeschlossen, wenn dem Kündigungsempfänger die Beauftragung bekannt war, § 174 Satz 2 BGB. Dies ist dann der Fall, wenn der Geschäftsführer in der fraglichen Gesellschafterversammlung anwesend war. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn sich aus der Natur der Sache die Bevollmächtigung ergibt. Hierzu genügt, dass der Vertreter eine Stellung bekleidet, mit der üblicherweise eine Vollmacht verbunden ist, die auch das konkrete Rechtsgeschäft umfasst. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Kündigende der alleinige gesetzliche Vertreter der einzigen Gesellschafterin der GmbH ist2.
85
c) Formalia der Kündigung Die Kündigung des GmbH-Geschäftsführers, der als Fremd-Geschäftsführer regelmäßig kein Arbeitnehmer ist, bedarf nicht der schriftlichen Form. § 623 BGB ist auf den GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht anwendbar, es sei denn, er ist ausnahmsweise Arbeitnehmer3.
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Sieht der Anstellungsvertrag eine bestimmte Form der Kündigung vor, so gelten die oben unter Rz. 37 f. dargestellten Grundsätze zur gewillkürten Schriftform.
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d) Kündigungsgründe Die Gesellschafterversammlung der GmbH bedarf grundsätzlich keiner Gründe für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages. Das KSchG findet keine Anwendung.
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e) Kündigungsausschluss Während die außerordentliche Kündigung eines Dienstvertrages niemals ausgeschlossen werden kann, kann die ordentliche Kündigung vertraglich oder gesetzlich ausgeschlossen oder beschränkt sein. Dies ist jeweils eine Frage des individuellen Einzelfalls.
1 BGH v. 21.6.1999 – II ZR 27/89, NJW 1999, 3263. 2 BGH v. 20.10.2008 – II ZR 107/07, NJW 2009, 293. 3 BGH v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, NZA 2003, 439; ErfK/Müller-Glöge, § 623 BGB Rz. 2.
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Teil 4 Rz. 90
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
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Ein Kündigungsausschluss ergibt sich nicht aus der Natur der Sache vor Dienstantritt. Vielmehr kann der Anstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers grundsätzlich auch schon vor Beginn des Dienstverhältnisses gekündigt werden, es sei denn, die Parteien hätten etwas anderes vereinbart1. Alleine aus der Tatsache, dass es sich um einen Geschäftsführervertrag handelt, ergibt sich nicht der regelmäßige Wille der Parteien, das Kündigungsrecht vor Dienstantritt auszuschließen2. Auch aus der Vereinbarung einer Probezeit im Geschäftsführer-Vertrag lässt sich nicht herleiten, dass vor Dienstantritt die Kündigung ausgeschlossen sein soll3. Die Vereinbarung einer Probezeit belegt, dass die Parteien sich die Möglichkeit vorbehalten wollten, sich auch kurzfristig voneinander zu trennen und begründet somit gerade kein besonderes und schützenswertes Vertrauen einer der Parteien auf eine langfristige Geltung des Vertrages oder – argumentum a maiore ad minus – auf Geltung bis Dienstantritt. Wollen die Parteien also eine Kündigung vor Dienstantritt ausschließen, z.B. weil der neue Geschäftsführer aus einer festen Stellung abgeworben wurde und deshalb eine besondere Rechtssicherheit möchte, so müssen sie dies ausdrücklich vereinbaren. Eine andere Frage ist die Länge der dann anzuwendenden Kündigungsfrist. Es ist kein rechtlicher Grund ersichtlich, bei einer Kündigung vor Dienstantritt eine kürzere Kündigungsfrist für anwendbar zu halten als bei einer Kündigung (unmittelbar) nach Dienstantritt.
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Ausgeschlossen ist die ordentliche Kündigung grundsätzlich dann, wenn der Anstellungsvertrag befristet ist, § 620 Abs. 1 BGB. Diese Norm ist allerdings dispositiv, kann also durch Parteivereinbarung abbedungen werden. Dabei kann der Vorbehalt eines (ordentlichen) Kündigungsrechtes sich ausdrücklich aus dem Vertrag ergeben oder aus dem Sachzusammenhang. Eine Vereinbarung beispielsweise, wonach der Geschäftsführer eine Abfindung für den Fall erhält, dass der Vertrag von Seiten der Gesellschaft vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit aus einem anderen als den als Voraussetzung für eine fristlose Kündigung genannten wichtigen Gründen beendet wird, spricht eindeutig für den Willen der Parteien, eine ordentliche Kündigungsmöglichkeit (wenn auch gegen Abfindungszahlung) zuzulassen4. Ist in einem befristeten Vertrag keine Kündigungsmöglichkeit vorbehalten, so ist er ordentlich nicht kündbar und endet mit Zeitablauf. Eine Gegenausnahme gilt nur dann, wenn die Befristung auf längere Zeit als fünf Jahre vereinbart ist. In diesem Falle kann der Geschäftsführer den Vertrag gemäß § 624 BGB mit einer Frist von sechs Monaten kündigen. Für die Gesellschaft verbleibt es demgegenüber bei der ordentlichen Unkündbarkeit. Auch im Falle der ordentlichen Unkündbarkeit infolge der Vereinbarung einer Befristung steht es den Parteien als Ausdruck der Vertragsfreiheit jederzeit offen, sich nachträglich auf die Vereinbarung eines Kündigungsrechtes zu verständigen5. 1 KG Berlin v. 13.7.2009 – 13 U 50/09, GmbHR 2010, 37; a.A. OLG Hamm v. 8.10.1984 – 8 U 265/83, BB 1984, 2214; Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 43 Rz. 93; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rz. 249. 2 Anders ohne Begründung: OLG Hamm v. 8.10.1984 – 8 U 265/83, BB 1984, 2214. 3 So aber: OLG Hamm v. 8.10.1994 – 8 U 265/83, BB 1984, 2214. 4 OLG Hamm v. 17.2.1999 – 8 U 239/97, NZG 1999, 836. 5 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 78.
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Rz. 95 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Durch vertragliche Vereinbarung kann die Gesellschaft jederzeit auf das Recht zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung verzichten. Diese Frage ist streng von der Frage zu trennen, ob die Gesellschaft sich im Anstellungsvertrag auch/oder dazu verpflichten kann, die Bestellung zum Geschäftsführer nicht oder nur aus wichtigem Grund zu widerrufen1. Während der Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechtes des Anstellungsvertrages lediglich die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit der Gesellschaft betrifft, greift ein etwaiger Ausschluss des Widerrufs des Bestellungsaktes in die Organisation der Gesellschaft ein.
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Eine Grenze findet die Vertragsfreiheit der Parteien des Geschäftsführervertrages in § 624 BGB. Wird der Vertrag – auflösend bedingt – auf die Lebenszeit des Geschäftsführers oder – befristet – für längere Zeit als fünf Jahre geschlossen, so liegt hierin zwar der gleichzeitige Ausschluss des Kündigungsrechtes. Er ist jedoch nur zu Lasten der Gesellschaft verbindlich. Der Geschäftsführer kann in jedem Falle nach Ablauf von fünf Jahren den Vertrag jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen.
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Der Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechtes ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass der Geschäftsführer selber Geschäftsanteile hält. Auch der Anstellungsvertrag des Gesellschafter-Geschäftsführers kann ordentlich gekündigt werden. Denn die Position des Gesellschafters verlangt nicht zwingend auch die Existenz eines Anstellungsvertrages, insbesondere auch dann nicht, wenn es sich um einen geschäftsführenden Gesellschafter handelt. Dieser kann die Geschäftsführung auch ohne Anstellungsvertrag lediglich in Ausübung seiner gesellschaftsrechtlichen Funktion übernehmen. Bei der Entscheidung innerhalb der Gesellschafterversammlung über die Kündigung des Anstellungsvertrages eines Gesellschafter-Geschäftsführers besteht kein Stimmrechtsausschluss. Der Geschäftsführer darf also über die Kündigung seines eigenen Vertrages mit abstimmen.
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In einer mitbestimmten GmbH ergibt sich der Grundsatz des Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechtes aus §§ 31 Abs. 1 MitbestG, 84 Abs. 1 Satz 5 AktG. Es gelten über die Verweisung des § 31 MitbestG die §§ 84, 85 AktG. Nach § 84 AktG ist der Vertrag auf eine Laufzeit von bis zu maximal fünf Jahren zu befristen. Demzufolge ist der Vertrag gemäß § 620 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht ordentlich kündbar. Die Frage, ob die Parteien des Anstellungsvertrages in diesem Falle gleichwohl ein ordentliches Kündigungsrecht ausdrücklich vereinbaren können, stellt sich in der Praxis nicht: Aufgrund der Verweisung des § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG auf die Regeln zum Widerruf der Bestellung gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG darf der Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer mitbestimmten GmbH jedenfalls nur dann gekündigt werden, wenn zuvor die Bestellung widerrufen worden ist. Dies ist nur aus wichtigem Grund möglich, so dass in diesem Falle in der Regel auch ein wichtiger Grund zur Kündigung des Anstellungsvertrages vorliegt. Unabhängig von dieser fehlenden Praxisrelevanz ist nach hiesiger Ansicht die Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechtes im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers einer mitbestimm-
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1 Verneinend: Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 38 GmbHG Rz. 5.
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Teil 4 Rz. 96
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
ten GmbH unwirksam. Denn hierdurch würden faktisch (nämlich durch Entzug der wirtschaftlichen Existenzgrundlage) die Widerrufsbeschränkungen des § 84 Abs. 1 AktG unterlaufen. 96
Die arbeitsrechtlichen Kündigungsbeschränkungen gelten für den GmbH-Geschäftsführer grundsätzlich nicht. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG. Auch andere arbeitsrechtliche Schutzregeln wie z.B. Kündigungsverbote aus dem BEEG, dem MuSchG, dem SGB IX etc. sind auf den GmbH-Geschäftsführer nicht anwendbar.
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Die Auflösung der Gesellschaft stellt weder ein besonderes Kündigungshindernis dar noch würde sie den Anstellungsvertrag des Geschäftsführers ihrerseits beenden. Im Falle der Auflösung werden die Geschäftsführer zu Liquidatoren, wenn nicht diese Funktion durch Gesellschaftsvertrag oder Beschluss der Gesellschafter anderen Personen übertragen wird, § 66 Abs. 1 GmbHG. Der zu diesem Zeitpunkt bestehende Anstellungsvertrag bleibt von der Umwandlung der Funktion des Geschäftsführers in die des Liquidators unbenommen.
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! Praxishinweis Es empfiehlt sich für den Fall der Auflösung der Gesellschaft in jedem Fall, durch Gesellschafterbeschluss nicht nur die Person des Liquidators zu benennen, sondern auch zu diesem Zeitpunkt bestehende Anstellungsverträge schnellstmöglich zu beenden und auflösend bedingte Anstellungsverträge für die Funktion des Liquidators zu schließen.
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Auch die Insolvenz der Gesellschaft ist weder ein Grund für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages noch würde sie den Anstellungsvertrag ohne Kündigung beenden. Im Vorprüfungsverfahren (Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters) führen die Geschäftsführer ohnehin die Geschäfte weiter, wenn ihnen auch möglicherweise Verfügungsbeschränkungen durch das Insolvenzgericht auferlegt sind. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht der Anstellungsvertrag fort. Er kann gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Diese Frist verdrängt längere Kündigungsfristen und einen etwaigen Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit, lässt aber kürzere Kündigungsfristen bestehen. Bezüge aus dem Anstellungsvertrag für die Zeit nach der Insolvenzeröffnung sind Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 InsO. Für die letzten drei Monate vor Eröffnung besteht auch für den Fremdgeschäftsführer ein Insolvenzgeldanspruch nach Maßgabe der §§ 183 ff. SGB III. Sonstige Lohnrückstände sind Insolvenzforderungen, § 108 Abs. 2 InsO. Zum Schicksal des Anstellungsvertrages des Beherrschenden (Unternehmer-)Geschäftsführers s. Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 84.
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Im Betriebsübergang gelten die Kündigungsbeschränkungen des § 613a BGB für den Geschäftsführer nicht. Dessen Anstellungsvertrag geht auch nicht auf einen Betriebserwerber über. Auch in der Umwandlung, die ebenfalls zu einem Betriebsübergang führen kann und deshalb für Arbeitnehmer zu einem Kündigungsausschluss führt, ist der Einstellungsvertrag des GmbH-Geschäftsführers kündbar. Die Umwandlung der Gesellschaft kann sich zwar unterschiedlich auf die Organstellung auswirken, lässt aber den Anstellungsvertrag unbenommen. 390
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Rz. 103 Teil 4
Ordentliche Kündigung
So führt beispielsweise der Formwechsel einer GmbH zwar stets zur Beendigung der Organstellung, lässt den Bestand des Anstellungsvertrages aber unberührt1. Ist die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, führt dies zur Unwirksamkeit der Rechtsausübung, §§ 134, 138 BGB.
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Kündigt die Gesellschaft unter Umgehung eines Kündigungsausschlusses, ist die Kündigung unwirksam, §§ 134, 138 BGB. Der Geschäftsführer hat weiterhin einen Erfüllungsanspruch. Wird die Annahme der Dienste durch die Gesellschaft abgelehnt, kann der Geschäftsführer gemäß § 615 Satz 1 BGB für die Dauer des Annahmeverzuges die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich gemäß § 615 Satz 2 BGB jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt2.
102
Kündigt der Geschäftsführer unter Umgehung eines Kündigungsverbotes, so ist die Kündigung ebenfalls unwirksam. Die Gesellschaft kann die ihr obliegende Gegenleistung (Vergütungszahlung) verweigern, da sie wegen § 614 Satz 1 BGB nicht zur Vorleistung verpflichtet ist (§ 320 Abs. 1 BGB). Die Erbringung der Dienstleistung ist ein Fix-Geschäft und kann nur im jeweiligen Bezugsmonat erbracht werden. Wird sie nicht erbracht, entfällt die Leistungspflicht der Gesellschaft endgültig. In der Praxis kann damit aber dem Interesse der Gesellschaft an Vertragstreue nicht ausreichend Rechnung getragen werden. Entfiele lediglich die Gegenleistungspflicht der Gesellschaft, könnte der dienstverpflichtete Geschäftsführer den Vertrag entschädigungsfrei ohne Wahrung der Fristen kündigen. Deshalb hat die Gesellschaft des Weiteren einen Schadenersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB. Diesen zu realisieren gestaltet sich allerdings in der Praxis schwierig: Die Kosten der Suche eines Nachfolgers (Zeitungsannonce, Headhunter etc.) sind sog. „Sowieso-Kosten“. Sie wären auch bei ordnungsgemäßer Pflichterfüllung durch den Geschäftsführer entstanden, wenn auch später. Zum Ersatz ist daher der Geschäftsführer insoweit regelmäßig nicht verpflichtet. Anderes kann nur dann gelten, wenn bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung die Aufwendungen nicht in derselben Weise oder in derselben Höhe erfolgt wären wie infolge der unberechtigten Kündigung. Die Beweislast dafür, dass der Schaden der Gesellschaft auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, trägt der Geschäftsführer. Er muss darlegen und beweisen, dass die der Gesellschaft durch die vorzeitige Vertragsbeendigung entstandenen Kosten auf jeden Fall auch bei ordentlicher Vertragsbeendigung angefallen wären. Die Rechtsprechung des BAG zur Beweislastverteilung bei sog. „Verfrühungsschäden“ findet auf eine derartige Fallkonstellation keine Anwendung3.
103
1 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 35 GmbHG Rz. 257. 2 Vgl. zu den weiteren Einzelheiten: ErfK/Preis, § 615 BGB Rz. 75 ff. 3 OLG Köln v. 18.9.1996 – 26 U 4/96, NJW-RR 1997, 542; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 86; Baumbach/Hueck, § 35 GmbHG Rz. 249.
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Teil 4 Rz. 104
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
f) Rechtsfolgen der Kündigung 104
Die ordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages lässt die Bestellung des Geschäftsführers und die vertraglichen Pflichten bis zum Vertragsende unbenommen. Der Geschäftsführer ist also für die Dauer der Kündigungsfrist nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt, das Amt des Geschäftsführers weiter auszuüben. Die Vergütungsansprüche bleiben bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erhalten. Während der Dauer der Kündigungsfrist hat die Gesellschaft dem Geschäftsführer Freizeit zur Stellensuche in angemessenem Umfang gemäß § 629 BGB zu gewähren. Der Anspruch richtet sich nur auf die Freistellung von der Leistungspflicht und beschränkt sich auf den Zweck des „Aufsuchens eines anderen Dienstverhältnisses“. Die Einschränkung „angemessene Zeit“ führt dazu, dass keine Freizeit z.B. für das Erstellen von Bewerbungen zu gewähren ist, sondern typischerweise nur für die Teilnahme an Bewerbungsgesprächen, Assessment-Centern etc. Der Vergütungsanspruch des Geschäftsführers ist in § 629 BGB nicht geregelt. Es findet § 616 BGB Anwendung, sofern dieser nicht vertraglich ausgeschlossen ist. Hiernach ist die Vergütung grundsätzlich fortzuzahlen.
105
Mit Beendigung des Dienstverhältnisses hat der Geschäftsführer Anspruch auf Erteilung eines schriftlichen Zeugnisses über das Dienstverhältnis und seine Dauer, das auf Verlangen auf Leistung und Führung zu erstrecken ist, § 630 BGB. Hinsichtlich des Inhaltes des Zeugnisses finden die Grundsätze des Arbeitsrechtes Anwendung1.
106
Die Kündigung des Anstellungsvertrages durch die Gesellschaft berechtigt den Geschäftsführer nicht zur Amtsniederlegung zu einem früheren Zeitpunkt als dem Ablauf der Kündigungsfrist. Denn die Ausübung des vertraglich zulässigen ordentlichen Kündigungsrechtes ist zulässige Rechtsausübung und stellt keine Vertragsverletzung dar. Nimmt der Geschäftsführer die Ausübung des Kündigungsrechtes zum Anlass, um seinerseits das Amt niederzulegen, setzt er hierdurch einen wichtigen Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung seines Anstellungsvertrages. Eine solche ist – anknüpfend an Tatsachen, die nach Ausspruch der ordentlichen Kündigung entstanden sind oder erst zu diesem Zeitpunkt bekannt geworden sind – jederzeit zulässig.
107
Hat der Geschäftsführer das Dienstverhältnis gekündigt, bleibt er ebenfalls für die Dauer der Kündigungsfrist leistungsverpflichtet. Die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses gewährt der Gesellschaft kein Recht zur Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund. Ist das Recht zur Abberufung des Geschäftsführers allerdings nicht hieran gebunden, was in der GmbH die Regel ist, bleibt die Abberufung möglich und zulässig. Die Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechtes durch den Geschäftsführer berechtigt die Gesellschaft auch nicht ihrerseits zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages. Die ordentliche Kündigung ist, sofern sie nicht vertraglich ausgeschlossen ist, zulässige Rechtsausübung.
1 Vgl. z.B. Schleßmann, Das Arbeitszeugnis, 19. Aufl., 36 f.
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Rz. 110 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Unabhängig davon, wer das Dienstverhältnis ordentlich gekündigt hat, besteht nach Ausübung dieses Gestaltungsrechtes jedenfalls seitens der Gesellschaft das Recht, den Geschäftsführer von der Verpflichtung zur Arbeit freizustellen. Der aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) resultierende Beschäftigungsanspruch des Geschäftsführers tritt jedenfalls nach Ausspruch der Kündigung hinter die berechtigten Interessen der Gesellschaft zurück. Die herausgehobene Stellung des Geschäftsführers berechtigt das Interesse der Gesellschafterversammlung, diesen nur dann sein Amt weiterführen zu lassen, wenn die auch zukünftige Loyalität nicht infrage steht. Ist das Dienstverhältnis aber gekündigt, steht fest, dass es keine zukünftige Zusammenarbeit mehr geben wird. Erfolgt die Freistellung widerruflich, kann die Gesellschaft den Geschäftsführer jederzeit – unter Gewährung einer angemessenen Reaktionsfrist – in den aktiven Dienst zurückrufen, solange das Vertragsverhältnis in der Zwischenzeit noch nicht durch Ablauf der Kündigungsfrist beendet ist. Vertraglich vereinbarte Urlaubsansprüche allerdings werden dann durch die Freistellung auch nicht erledigt. Erfolgt die Freistellung demgegenüber unwiderruflich, ist ein Rücktritt der Gesellschaft von dieser Freistellung nicht möglich. Durch die Freistellung werden dann aber auch alle vertraglich vereinbarten Urlaubsansprüche mit erledigt, sofern der Zeitraum der Freistellung nicht kürzer ist als der Zeitraum des Urlaubsanspruches.
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Mit dem Ende des Anstellungsvertrages hat der Geschäftsführer alle Ämter niederzulegen, die er aufgrund der Ausübung der Geschäftsführertätigkeit inne hatte, z.B. Ämter in verbundenen Gesellschaften1. Die Verpflichtung zur Übernahme solcher Ämter ergibt sich nicht aus der Amtsstellung als Geschäftsführer, sondern aus dem Anstellungsvertrag. Sie ist daher auch an die Laufzeit des Anstellungsvertrages gebunden. Sämtliche Eigentumsgegenstände der Gesellschaft sind spätestens am letzten Tag des Anstellungsvertrages an diese in ordnungsgemäßem Zustand herauszugeben. Diese Verpflichtung erstreckt sich selbstverständlich auch auf einen privat genutzten Dienstwagen.
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2. AG-Vorstand Die ordentliche Kündigung des AG-Vorstandes ist in der Praxis kein relevantes Thema, und zwar sowohl die Kündigung der Gesellschaft als auch die Kündigung des Vorstandes betreffend. Grund sind die Regelungen des § 84 AktG, aus denen nach allgemeiner Ansicht zu entnehmen ist, dass der Anstellungsvertrag zwingend auf die Laufzeit der Berufung zu befristen ist, längstens auf die Dauer von fünf Jahren. Selbst eine Abrede, dass der Dienstvertrag nach Fristablauf inhaltsgleich als Arbeitsvertrag weitergelten soll, ist wegen einer Umgehung des § 84 Abs. 1 Satz 5 gemäß § 134 BGB nichtig2. Der Abschluss eines unbefristeten Vertrages ist selbst dann nicht zulässig, wenn die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung vorgesehen wird3. Als befristeter Vertrag ist der Dienstvertrag 1 Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, § 43 Rz. 104. 2 BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205. 3 BAG v. 26.8.2009 – 5 AZR 522/08, NZA 2009, 1205.
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Teil 4 Rz. 111
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
des AG-Vorstandes dann allerdings gemäß § 620 Abs. 1 BGB grundsätzlich ordentlich unkündbar. 111
Die vertragliche Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechtes kollidiert mit der Regelung des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG, wonach die Bestellung zum Vorstandsmitglied nur dann widerrufen werden kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, namentlich grobe Pflichtverletzungen, Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung. Insoweit man vor diesem Hintergrund die vertragliche Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechtes überhaupt zulassen möchte, kann ein solches Kündigungsrecht jedenfalls nur dann durch die Gesellschaft ausgeübt werden, wenn zuvor oder gleichzeitig die Bestellung aus wichtigem Grund widerrufen worden ist1. In einem solchen Fall liegt dann allerdings auch ein wichtiger Grund zur (stets zulässigen) außerordentlichen fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages vor, so dass es auf ein ordentliches Kündigungsrecht der Gesellschaft nicht mehr ankommt.
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Auch aus Sicht des Vorstandsmitgliedes ist die Vereinbarung des ordentlichen Kündigungsrechtes nicht praxisrelevant. Der Vorstand kann sein Amt nur aus wichtigem Grund niederlegen2. Selbst wenn vertraglich zugunsten des Vorstandsmitgliedes ein ordentliches Kündigungsrecht des Anstellungsvertrages vereinbart ist, darf hiervon deshalb nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn zugleich ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung vorliegt. Ansonsten hat der Vorstand seinen Anstellungsvertrag entsprechend dem von ihm übernommenen Amt zu erfüllen.
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Probleme können sich ergeben, wenn ein Fall der Drittanstellung vorliegt. Jedenfalls im Rahmen eines Konzernverhältnisses wird man dessen Zulässigkeit bejahen müssen, da sich in einem Konzernverhältnis keine Probleme zwischen der Eigenverantwortlichkeit des Vorstandes gemäß § 76 AktG und den dienstvertraglichen Bindungen gegenüber dem herrschenden Unternehmen ergeben3. Besteht der Anstellungsvertrag nicht mit der AG, dessen Vorstandsamt ausgeübt wird, so ist zu prüfen, ob der Anstellungsvertrag sich ausschließlich auf die Ausübung des Vorstandsamtes in der (Konzerntochter-)Gesellschaft richtet oder darüber hinaus noch eigenständige Bedeutung hat. Dient er ausschließlich der dienstvertraglichen Ausgestaltung des Vorstandsamtes in der Konzerngesellschaft, gelten die obigen Ausführungen entsprechend. Aufgrund der Regelungen des § 84 AktG gelten die mittelbaren Bindungen ebenfalls für die dienstvertragliche Beziehung zwischen dem Vorstand und der KonzernmutterGesellschaft. Übt hingegen der Vorstand in der Konzerngesellschaft, mit der das Anstellungsverhältnis besteht, auch noch sonstige Tätigkeiten aus, ist der dortige Dienstvertrag gesondert zu betrachten. Es wird sich regelmäßig um den Dienstvertrag eines sonstigen Leitenden Angestellten handeln mit der Konsequenz, dass dann auch ein Arbeitsverhältnis zwischen der Konzerngesell1 Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, § 21 Rz. 80. 2 Heidel/Oltmanns/Unger, § 84 AktG Rz. 30; Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, § 20 Rz. 55; Hüffer, § 84 AktG Rz. 36. 3 Zum Streitstand: Hüffer, § 84 AktG Rz. 14.
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Rz. 116 Teil 4
Ordentliche Kündigung
schaft und dem Vorstand der Tochtergesellschaft vorliegt. Gesellschaftsrechtliche Veränderungen auf Seiten der Tochtergesellschaft haben dann keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Anstellungsverhältnis. Für dieses gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. dazu Rz. 114 ff.)1. In keinem Fall dürfen die besondere gesellschaftsrechtliche Stellung des Vorstandes sowie die Bestimmungen der §§ 84, 85 AktG durch die Ausgestaltung dienstrechtlicher Bestimmungen faktisch/wirtschaftlich unterlaufen werden. Entsprechende Gestaltungen sind im Zweifel gemäß §§ 138, 134 BGB nichtig.
3. Leitende Angestellte Anders als Organmitglieder, die gesetzlich zur Vertretung der Gesellschaften berufen sind, sind Leitende Angestellte Arbeitnehmer der jeweiligen Anstellungsgesellschaft. Es gelten für sie insoweit, als die Gesetze nicht ausdrücklich Ausnahmevorschriften aufstellen, sämtliche arbeitsrechtlichen Regeln (vgl. im Einzelnen Teil 1 B Rz. 119 ff.). Die nachfolgende Darstellung kann nicht das gesamte Recht der Beendigung von Arbeitsverträgen erfassen, so dass lediglich ein Überblick gegeben werden soll. Zu den Details wird auf die entsprechenden Darstellungen verwiesen2.
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a) Entscheidungszuständigkeit Anders als bei Geschäftsführern und Vorständen, bei denen der vorherige Beschluss der Gesellschafterversammlung Wirksamkeitsvoraussetzung für den ordnungsgemäßen Ausspruch der nachfolgenden Kündigung ist, stellt sich diese Frage bei sonstigen Leitenden Angestellten nicht in demselben Maße. Zur Entscheidung über die Kündigung eines Leitenden Angestellten ist derjenige aufgerufen, der innerhalb der betrieblichen Hierarchie über den Stellenplan sowie die Stellenbesetzung zu entscheiden hat. Dies kann die Geschäftsführung sein, ein Mitglied der Geschäftsführung oder auch ein Linienvorgesetzter dann, wenn Leitende Angestellte nicht nur in der zweiten Hierarchieebene des Unternehmens platziert sind.
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Während das ordnungsgemäße Entscheidungsprocedere keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch der Kündigung ist, spielen die vorbereitenden Entscheidungen im Kündigungsrechtsstreit eine wesentliche Rolle. Dies ist insbesondere bei der betriebsbedingten Kündigung aus innerbetrieblichen Ursachen der Fall, wenn es darum geht, die Entscheidung der Unternehmensleitung darzulegen. Unter diesem Aspekt ist also vor Ausspruch einer jeden Kündigung seitens der Gesellschaft eine Überprüfung der notwendigen Handlungsschritte angeraten und geboten.
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1 Vgl. Pauly/Osnabrügge/Peter, Handbuch Kündigungsrecht, § 14 Rz. 39. 2 Vgl. z.B. Pauly/Osnabrügge, Handbuch Kündigungsrecht, §§ 1 ff.; Stahlhacke/Preis/ Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Aufl., Rz. 1 ff.
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Teil 4 Rz. 117
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
b) Vertretungsbefugnis 117
Der Ausspruch der Kündigung ist rechtsgeschäftliches Handeln im Außenverhältnis, weshalb es zur Abgabe der Kündigungserklärung einer ordnungsgemäßen Vertretung der Gesellschaft bedarf. Stets zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind diejenigen, denen aufgrund entsprechender gesetzlicher Bestimmungen die Vertretungsmacht übertragen ist. Dies sind in einer GmbH die Geschäftsführer, in einer Aktiengesellschaft die Vorstände, in einer GmbH & Co. KG die Geschäftsführer der Komplementär-Gesellschaft, in einer GbR alle Gesellschafter gemeinschaftlich handelnd und in einer OHG jeder einzelne Gesellschafter alleine handelnd. Daneben sind auch diejenigen kündigungsberechtigt, denen eine sonstige Vertretungsmacht kraft Gesetzes eingeräumt ist, namentlich Prokuristen.
118
Über die Fälle der gesetzlichen Vertretung hinaus ist die gewillkürte Vertretung jederzeit zulässig und statthaft. Da es sich bei der Kündigung um ein einseitiges, empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft handelt, besteht beim Handeln eines Vertreters stets die Gefahr der Zurückweisung der Kündigungserklärung gemäß § 174 BGB, vgl. oben Rz. 82. Das Handeln eines Vertreters ohne Nachweis der Vertretungsmacht ist damit grundsätzlich zulässig, statthaft und wirksam, jedoch im Rahmen der Möglichkeiten des § 174 BGB angreifbar. Wird die Kündigungserklärung nicht zurückgewiesen, ist sie daher rechtsgültig und wirksam. Voraussetzung ist lediglich, dass die Kündigung dem Schriftformgebot entspricht (vgl. hierzu noch Rz. 123), das heißt also derjenige, der die Kündigung unterzeichnet hat, tatsächlich auch als Vertreter handeln möchte und nicht nur als Bote einer anderweitigen (formunwirksamen) Erklärung. Der Bevollmächtigte muss folglich das Vertretungsverhältnis zum Ausdruck bringen, was z.B. durch Voranstellung eines die Vertretung anzeigenden Zusatzes wie „i.V.“ geschehen kann. Ist die Erklärung mit dem Zusatz „i.A.“ (im Auftrag) unterschrieben, kann dies im Einzelfall dafür sprechen, dass der Unterzeichner nicht selbst handeln und deshalb nicht als Vertreter auftreten möchte. Denn anders als ein Erklärungsbote übernimmt ein Vertreter selbst die Erklärung und steht für deren Inhalt als Vertreter ein. Allerdings ist der Zusatz im rechtlichen Zusammenhang auszulegen, wobei insbesondere auch zu berücksichtigen ist, dass im nichtjuristischen Sprachgebrauch nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird. Die Zusätze „i.V.“ und „i.A.“ werden dann auch häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken1. Deshalb folgt auch nicht allein aus dem Zusatz „i.A.“ zwingend, dass der Erklärende lediglich als Bote und nicht als Vertreter handeln wollte. Vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalles entscheidend. Ergibt sich hieraus, dass der Unterzeichner die Erklärung in Vertretung für die Gesellschaft als eigene Erklärung abgeben wollte, ist von Vertretungsmacht auszugehen2.
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Die Zurückweisung einer Kündigung gemäß § 174 BGB ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Kündigungsempfänger Kenntnis von der Bevollmächtigung des Unterzeichners hatte. Dies ist hinsichtlich solcher Mitarbeiter, aus deren 1 Vgl. Hess. LAG v. 17.11.2010 – 2 Sa 1035/10. 2 Vgl. Hess. LAG v. 17.11.2010 – 2 Sa 1035/10.
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Rz. 123 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Position sich regelmäßig eine Kündigungsberechtigung ergibt, der Fall, ohne dass es einer weiteren Darlegung bedarf. Insoweit bedeutet die Stellung als „Leiter der Personalabteilung“, z.B. in der Regel, dass eine Kündigungsberechtigung gegeben ist, weshalb es auch keiner besonderen Information gemäß § 174 Satz 2 BGB bedarf. Entscheidend sind allerdings stets die Umstände des Einzelfalles und die Frage, wie sich die Position des Erklärenden für einen objektiven Betrachter darstellt, ob also mit einer derartigen Stellung in der betrieblichen Hierarchie regelmäßig die Kündigungsbefugnis verbunden ist oder nicht1. Handelt ein Vertreter, der nicht über eine Vollmachtsurkunde verfügt, und wird die Kündigungserklärung nicht zurückgewiesen, wird die Kündigung wirksam. Wird indes die Kündigungserklärung gemäß § 174 BGB unverzüglich und zu Recht zurückgewiesen, ist die Kündigung gemäß § 180 BGB nichtig. Diese Nichtigkeit ist auch nicht heilbar. Vielmehr muss die Kündigung erneut ausgesprochen werden.
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Auch der Leitende Angestellte kann sich zum Ausspruch der Kündigung vertreten lassen, z.B. durch seinen Rechtsanwalt. Auch in diesem Falle gelten allerdings die Regeln des § 174 BGB, so dass die Anstellungsgesellschaft die Kündigung zurückweisen kann, wird eine entsprechende Original-Vollmacht nicht spätestens zusammen mit dem Ausspruch der Kündigung vorgelegt.
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! Praxishinweis
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Es kommt häufig vor, dass Leitende Angestellte Kündigungen durch Rechtsanwälte aussprechen lassen und diese Kündigungen dann „vorab per Telefax“ an die Anstellungsgesellschaft übermittelt werden. Selbst wenn diesem Telefax eine per Telefax übermittelte Vollmacht beiliegt, wird hierdurch die Kündigung nicht wirksam ausgesprochen. Die Telefax-Übermittlung verfehlt sowohl die Schriftform gemäß § 623 BGB als auch die nach § 174 BGB zur Vermeidung einer Zurückweisung gebotene Form der Original-Vollmacht. Der Kündigung, die ein Rechtsanwalt für den Leitenden Angestellten ausspricht, muss eine Original-Vollmacht beigefügt sein, die zur umfassenden außergerichtlichen Interessenvertretung oder zumindest konkret zum Ausspruch einer Kündigung bevollmächtigt. Ansonsten kann der gesetzliche Vertreter der Gesellschaft die Kündigungserklärung zurückweisen und somit unter Umständen eine nicht gewollte Vertragsverlängerung herbeiführen.
c) Formalia Für Leitende Angestellte, die sich in einem Arbeitsverhältnis befinden, gilt § 623 BGB. Die Kündigung muss daher der Schriftform gemäß § 126 BGB entsprechen. Dies bedeutet, dass die Kündigungserklärung im Original durch den Aussteller unterzeichnet sein und in dieser Form auch zugehen muss. Die Verwendung von Faksimile-Unterschriften scheidet daher aus, genauso wie die Übersendung einer Kündigungserklärung durch Telefax (Zugang nur der Kopie) 1 LAG Rheinland-Pfalz v. 29.10.2008 – 8 Sa 265/08.
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Teil 4 Rz. 124
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
oder per E-Mail. § 127 Abs. 2 BGB, der die telekommunikative Form zulässt, ist nicht anwendbar, da § 623 BGB ein gesetzliches Formerfordernis ist. 124
Daneben muss die Kündigung auch zugehen. Insoweit ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber den Kündigungserklärungen bei Organmitgliedern (vgl. Rz. 47 ff.). Im Falle der Kündigung durch den Leitenden Angestellten ist die Kündigung an die Gesellschaft, vertreten durch die gesetzlichen Vertreter (Geschäftsführer, Vorstände etc.) zu richten. Ist es betrieblich üblich, dass andere Personen, z.B. der Leiter der Personalabteilung, Kündigungen entgegennimmt, kann die Kündigung auch an die Gesellschaft, vertreten durch den Personalleiter, gerichtet werden. Der Zugang ist bereits dann bewirkt, wenn die Kündigung unter der Anschrift der Gesellschaft zugegangen und damit aufgrund der betrieblichen Organisation des Posteinganges so in den Empfangsbereich des Adressaten gelangt ist, dass dieser unter regelmäßigen Umständen Kenntnis nehmen kann.
d) Kündigungsfristen/Kündigungstermine 125
Für die Kündigung des Vertrages eines Leitenden Angestellten seitens der Gesellschaft findet § 622 BGB in vollem Umfange Anwendung. Danach beträgt die Grundkündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats, § 622 BGB. In den Schritten des § 622 Abs. 2 BGB verlängert sich die durch die Gesellschaft zu wahrende Kündigungsfrist. Ab dem zweiten Jahr der Betriebszugehörigkeit ist der Kündigungstermin zwingend für das Ende eines Kalendermonats.
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Für die Kündigung seitens des Leitenden Angestellten finden die Verlängerungen des § 622 Abs. 2 BGB nur dann Anwendung, wenn dies vertraglich ausdrücklich vereinbart ist. Ist dies nicht der Fall, kann der Leitende Angestellte unabhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit jederzeit mit der Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB, also mit vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats kündigen. Gibt es eine Vereinbarung, ist § 622 Abs. 6 BGB zu beachten.
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Gerade bei Leitenden Angestellten ist die vertragliche Vereinbarung vom Gesetz abweichender Kündigungsfristen und -termine die Regel. Solange die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist günstiger ist als die ansonsten gesetzlich geltende Kündigungsfrist, gilt der Vertrag, und zwar sowohl hinsichtlich der Kündigungsfrist als auch des Kündigungstermins.
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Findet § 622 Abs. 2 BGB Anwendung, so ist für die Berechnung der Kündigungsfrist auf den ununterbrochenen rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Unterbrechungen sind nur dann von Relevanz, wenn aufgrund der Unterbrechungen kein enger sachlicher Zusammenhang mehr zwischen den Arbeitsverhältnissen besteht. Das Gesetz sieht hierzu keine klare rechtliche Regelung vor. Jedenfalls aber eine Unterbrechung von fünf Monaten ist zu lang, um einen engen sachlichen Zusammenhang annehmen zu können1. Geht das Arbeitsverhältnis gemäß § 613a BGB auf einen anderen Arbeitgeber über, ist 1 BAG v. 22.9.2005 – 6 AZR 607/04, NZA 2006, 429.
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Rz. 133 Teil 4
Ordentliche Kündigung
die beim Betriebsveräußerer erbrachte Beschäftigungszeit anzurechnen1. Die Bestimmung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach Zeiten, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit angerechnet werden, ist mit Europarecht unvereinbar und für Kündigungen, die nach dem 2. Dezember 2006 erklärt werden, nicht mehr anzuwenden2. Zwischen der nach diesen Grundsätzen ermittelten gesetzlichen Kündigungsfrist und der vertraglichen Kündigungsfrist ist ein Günstigkeitsvergleich anzustellen. Denn von den zwingenden Bestimmungen des § 622 BGB darf nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden. Im Rahmen des Günstigkeitsvergleiches sind Kündigungsfrist und Kündigungstermin regelmäßig als Einheit zu betrachten. Für den Günstigkeitsvergleich zwischen vertraglicher und gesetzlicher Regelung ist daher ein Gesamtvergleich vorzunehmen3. Ein Vermischen von Kündigungsfrist und Kündigungstermin je danach, welche Kombination zu einer für den Arbeitnehmer günstigsten Lösung führt, ist damit ausgeschlossen.
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Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die für den Leitenden Angestellten längere Kündigungsfrist auch die günstigere ist. Der Günstigkeitsvergleich ist dabei abstrakt-generell. Auf die individuelle Bedarfslage des konkreten Leitenden Angestellten ist dabei nicht einzugehen.4
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Sowohl die vertraglichen als auch die gesetzlichen Kündigungsfristen verstehen sich jeweils individuell als Mindestkündigungsfristen. Mit einer längeren als der vorgegebenen Frist kann daher jederzeit gekündigt werden.
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e) Kündigungsgründe § 14 KSchG schließt die Geltung des gesetzlichen Kündigungsschutzes lediglich für Organmitglieder juristischer Personen aus. Auf Geschäftsführer, die nicht Organmitglied sind, Betriebsleiter und ähnliche Leitende Angestellte finden indes die Vorschriften des KSchG mit Ausnahme einiger weniger Vorschriften Anwendung. Aus der Anwendung vollständig herausgenommen ist die Vorschrift des § 3 KSchG, der ein besonderes, in der Praxis allerdings wenig relevantes Vermittlungsverfahren seitens des Betriebsrates vorsieht. Darüber hinaus gilt für Angestellte in leitender Stellung § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG mit der Modifikation, dass der Auflösungsantrag des Arbeitgebers keiner Begründung bedarf. Diese Bestimmung ist ausgesprochen praxisrelevant, vgl. dazu noch Rz. 154 ff. Leitende Angestellte i.S.d. § 14 sind allerdings nur solche Arbeitnehmer, die zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt sind. Die Qualifizierung als „Leitender Angestellter“ i.S.v. § 5 BetrVG reicht demgegenüber nicht für die Anwendung des § 14 Abs. 2 KSchG.
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Die Grundvoraussetzungen der Geltung des KSchG ergeben sich aus §§ 1, 23 KSchG. Zum einen muss das Arbeitsverhältnis des individuellen Arbeitneh-
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1 2 3 4
BAG v. 18.9.2003 – 2 AZR 330/02, NZA 2004, 319. BAG v. 9.9.2010 – 2 AZR 714/08, NZA 2011, 343. BAG v. 4.7.2001 – 2 AZR 469/00, NZA 2002, 380. Zu den weiteren Fragen des Günstigkeitsvergleiches vgl. Pauly/Osnabrügge/Osnabrügge, Handbuch des Kündigungsrechts, § 1 Rz. 85 ff.
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Teil 4 Rz. 134
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
mers länger als sechs Monate bestehen, § 1 KSchG, zum anderen darf es sich nicht um einen „Kleinbetrieb“ handeln, § 23 KSchG. 134
Arbeitnehmer – auch Leitende Angestellte –, deren Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate besteht, sind vom Geltungsbereich des KSchG ausgeschlossen. Abzustellen ist dabei auf das aktuelle Arbeitsverhältnis sowie alle anderen Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber, die in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dem aktuellen Arbeitsverhältnis stehen. Liegen zwischen einem möglichen Vorarbeitsverhältnis und dem aktuellen Arbeitsverhältnis mehr als fünf Monate, kann von einem sachlichen Zusammenhang allerdings nicht mehr ausgegangen werden. Entscheidend für die Anwendung des KSchG und damit das Überschreiten der SechsMonats-Frist ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Auch eine Kündigung, die am letzten Tag des Sechs-Monats-Zeitraums den Arbeitnehmer erreicht, ist der Kontrolle des KSchG entzogen. Darauf, wann das Arbeitsverhältnis infolge dieser Kündigung endet, kommt es demgegenüber nicht an.
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In Kleinbetrieben findet das KSchG darüber hinaus ebenfalls keine Anwendung. Ein Kleinbetrieb liegt nach § 23 KSchG vor, wenn in dem Betrieb ausschließlich der Auszubildenden regelmäßig fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind. Dabei kommt es nicht auf die reine Kopfzahl an, sondern auf die Zähler gemäß § 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG. Hiernach zählen bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden mit 0,5 und von nicht mehr als 30 Stunden mit 0,75. Beschäftigt der Betrieb solchermaßen mehr als fünf Arbeitnehmer, kommt es trotzdem für die Geltung des KSchG noch darauf an, wie viele Arbeitnehmer es insgesamt sind und wann diese eingestellt worden sind. Erst ab Überschreiten der absoluten Grenze von zehn Arbeitnehmern kann sicher von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes ausgegangen werden. Beschäftigt der Betrieb zwar mehr als fünf, jedoch weniger als 10,25 Mitarbeiter, kommt es darauf an, wann die Mitarbeiter ihr Arbeitsverhältnis begonnen haben. Denn Arbeitsverhältnisse, die nach dem 31.12.2003 begonnen haben, zählen so lange nicht auf die Quote der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, bis insgesamt die Grenze von zehn Arbeitnehmern überschritten ist. Die am 31.12.2003 im Betrieb bereits beschäftigten Arbeitnehmer, die zu diesem Zeitpunkt bereits Kündigungsschutz besaßen, behalten diesen Kündigungsschutz allerdings so lange, bis ihre Zahl unter die Grenze von 5,25 sinkt.
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Die Geltung des KSchG führt dazu, dass jede Kündigung, die durch den Dienstherren ausgesprochen wird, einer sozialen Rechtfertigung bedarf, § 1 KSchG. Demgegenüber kann der Leitende Angestellte eine ordentliche Kündigung auch ohne soziale Rechtfertigung und ohne weitere Begründung aussprechen.
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Sozial gerechtfertigt i.S. § 1 KSchG ist eine Kündigung nur dann, wenn ihr verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigungsgründe zugrunde liegen1.
1 Zu den Details s. z.B. Pauly/Osnabrügge/Ruge, Handbuch Kündigungsrecht, § 3 Rz. 1 ff.
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Rz. 141 Teil 4
Ordentliche Kündigung
Verhaltensbedingte Gründe sind dabei solche Gründe, die an ein vorwerfbares und steuerbares Verhalten des Leitenden Angestellten anknüpfen. Ein solches Verhalten ist dann tatbestandlich, wenn es zu vorwerfbaren, also schuldhaften Verletzungen von Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis führt. Anerkannte Vertragspflichtverletzungen, die grundsätzlich zum Ausspruch einer Kündigung führen können, sind z.B. Alkohol- und Drogenmissbrauch, Arbeitsverweigerung, Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers, in bestimmtem Umfang außerdienstliches Verhalten, Beleidigungen der Vorgesetzten, erhebliche Verstöße gegen die betriebliche Ordnung sowie Fehl-, Schlechtoder Minderleistungen, sofern sie steuerbar sind. Weitere Voraussetzungen für den Ausspruch einer verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung ist eine vorhergehende Abmahnung, die sich auf im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte erstrecken muss. Darüber hinaus ist stets eine Gesamtabwägung aller Umstände sowie eine Abwägung der gegenseitigen Interessen vorzunehmen, bevor eine Kündigung ausgesprochen werden kann1.
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Personenbedingte Kündigungsgründe knüpfen an Eigenschaften, Fähigkeiten oder Eignungen an, die in der Person des Arbeitnehmers liegen und von diesem nicht steuerbar sind. Gründe, die für die personenbedingte Kündigung ausreichen können, sind typischerweise langfristige Erkrankungen oder häufige Kurzerkrankungen, dauernde Leistungsminderung, der Verlust von für das Arbeitsverhältnis vorausgesetzten Eigenschaften, wie z.B. der Verlust der Arbeitserlaubnis, eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit etc. Darüber hinaus müssen die festgestellten Gründe die Vermutung einer Negativprognose für die Zukunft tragen. Einer gesonderten Abmahnung bedarf es nicht, da nicht das Verhalten des Arbeitnehmers sanktioniert wird, sondern Umstände die durch den Arbeitnehmer nicht steuerbar sind. Auch in der Systematik der personenbedingten Kündigungsgründe schließt sich eine umfassende Interessenabwägung an, insbesondere die Frage, ob dem Dienstherren das Festhalten am Arbeitnehmer zumutbar ist.
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Der häufigste aller Kündigungsgründe ist die Kündigung aus betrieblichen Gründen. Sie knüpft an entweder außerbetriebliche Umstände oder innerbetriebliche Entscheidungen an, infolge derer der konkrete Arbeitsplatz verloren geht. Voraussetzung ist des Weiteren, dass es innerhalb des Unternehmens keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen freien Arbeitsplatz gibt und der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers im Vergleich des Arbeitnehmers zu anderen, vergleichbaren Arbeitnehmern, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und etwaige Schwerbehinderungen angemessen berücksichtigt hat (Sozialauswahl).
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Stützt der Dienstherr seine Kündigungsentscheidung auf eine innerbetriebliche Organisationsentscheidung, so hat er diese Organisationsentscheidung im Einzelnen darzulegen. In diesem Zusammenhang kommt es wiederum auf die innerbetriebliche Organisations- und Entscheidungsstruktur an. Trifft die Geschäftsleitung eine entsprechende Organisationsentscheidung, die dazu führt, dass ein bestimmter Arbeitsplatz eines Leitenden Angestellten entfällt, so ist
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1 Zu den Details s. Pauly/Osnabrügge/Ruge, Handbuch Kündigungsrecht, § 3 Rz. 212 ff.
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Teil 4 Rz. 142
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
diese Organisationsentscheidung, die durch das hierfür zuständige Organ getroffen sein muss, im Streitfalle durch die Gesellschaft nachzuweisen. Dem Leitenden Angestellten darf allerdings selbst dann nur gekündigt werden, wenn es keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem horizontal vergleichbaren freien Arbeitsplatz gibt und eine Sozialauswahl stattgefunden hat. In diese Sozialauswahl sind alle vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen. Vergleichbar ist ein Arbeitnehmer in diesem Sinne nur dann, wenn der Arbeitgeber den Leitenden Angestellten einseitig kraft Direktionsrechtes auf dessen Arbeitsplatz versetzen kann. Es muss sich also um einen horizontal gleich geordneten Arbeitsplatz handeln. Ein Verdrängungswettbewerb der Beschäftigung „nach unten“ findet nicht statt. Genauso wenig gibt es einen Anspruch auf Überlassung einer Beförderungsstelle. Auch die Sozialauswahl findet nur unter den horizontal vergleichbaren Arbeitnehmern statt. 142
Findet das KSchG keine Anwendung auf das individuelle Arbeitsverhältnis, sei es, dass die Dauer der Betriebszugehörigkeit nicht ausreicht, sei es, dass es sich um einen Kleinbetrieb handelt, so ist die Kündigung nur den allgemeinen Grenzen der Rechtsausübung unterworfen. Diskriminierende Kündigungen, sittenwidrige Kündigungen sowie Kündigungen, die Sanktionen auf ein legitimes Verhalten darstellen, sind danach gemäß §§ 134, 138, 242 BGB ausgeschlossen und unwirksam. Der Maßstab für die Darlegung und Begründung eines solchen Kündigungsverbotes ist allerdings hoch und in der Regel jedenfalls dann nicht zu nehmen, wenn der Dienstherr klug agiert. Denn weder eine Kündigung, die unter Geltung des KSchG ausgesprochen werden muss, noch eine Kündigung, die außerhalb dessen Geltungsbereiches ausgesprochen wird, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Angabe von Kündigungsgründen im Kündigungsschreiben. Der Dienstherr kann sich – genau wie der Leitende Angestellte bei einer Eigenkündigung – darauf beschränken, seinen rechtsgeschäftlichen Gestaltungswillen zum Ausdruck zu bringen.
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Formulierungsmuster: Kündigung Sehr geehrter …, hiermit kündigen wir das zwischen uns bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich fristgerecht zum …, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Wir weisen der guten Ordnung halber darauf hin, dass Sie sich unverzüglich bei der für Sie zuständigen Agentur für Arbeit arbeitssuchend melden müssen, um Nachteile beim Arbeitslosengeld zu vermeiden. Zwecks Erstellung der Arbeitspapiere und Abwicklung des Arbeitsverhältnisses setzen Sie sich bitte mit der Personalabteilung in Verbindung. Mit freundlichen Grüßen
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Zu den Besonderheiten, die sich für Leitende Angestellte unter Geltung des KSchG ergeben, insbesondere die Möglichkeit des Auflösungsantrages, vgl. unten Rz. 154 ff. 402
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Rz. 149 Teil 4
Ordentliche Kündigung
f) Kündigungsausschluss Die Kündigungsmöglichkeit seitens der Gesellschaft gegenüber dem Leitenden Angestellten kann unter verschiedenen Aspekten ausgeschlossen sein. Dasselbe gilt für die Kündigungsmöglichkeit des Leitenden Angestellten gegenüber der Gesellschaft.
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Gesetzlich ausgeschlossen ist das Kündigungsrecht gemäß § 620 Abs. 1 BGB dann, wenn es sich um einen befristeten Arbeitsvertrag handelt. Dieser Kündigungsausschluss gilt beiderseits. Das Anstellungsverhältnis endet mit Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist, ohne dass es zuvor kündbar wäre. Diese Bestimmung ist allerdings dispositiv. Die Parteien können also im Vertrag etwas anderes vereinbaren. Ist das Kündigungsrecht ausdrücklich vorbehalten, gelten die allgemeinen Regelungen auch in einem befristeten Arbeitsvertrag.
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Für Leitende Angestellte, die nicht Organmitglieder sind, können Tarifverträge Anwendung finden. Abhängig ist dies vom persönlichen Geltungsbereich der Tarifverträge, der sich aus dem Vertrag selber ergibt. Daneben kommt die individualvertragliche Inbezugnahme der Tarifverträge in Betracht. Eine solche Inbezugnahme muss sich aus dem jeweiligen Anstellungsvertrag ergeben. In größeren Unternehmen sind Haustarifverträge zwischen dem Sprecherausschuss und dem Arbeitgeber verbreitet. Unabhängig davon, aufgrund welcher Bestimmungen der Tarifvertrag Anwendung auf das jeweilige Anstellungsverhältnis findet, kann sich aus dem Tarifvertrag die ordentliche Unkündbarkeit des Anstellungsvertrages ergeben, gegebenenfalls gekoppelt an bestimmte Voraussetzungen (Dauer des Anstellungsverhältnisses, Alter des Arbeitnehmers …).
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Ist die Führungskraft Mitglied des Sprecherausschusses, so genießt sie gleichwohl keinen besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 KSchG. Denn Mitglieder des Sprecherausschusses sind nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 KSchG nicht vom absoluten Kündigungsverbot erfasst. Gleichwohl ist eine Kündigung gegen ein Mitglied des Sprecherausschusses dann nichtig, wenn sie wegen dessen Tätigkeit als Sprecherausschussmitglied erfolgt1. Denn in einer solchen Kündigung liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Behinderungs- und Benachteiligungsverbot des § 2 Abs. 3 SprAuG, was zur Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB führt2. Der betroffene Leitende Angestellte muss darlegen, dass und warum die Kündigung in einem inhaltlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Sprecherausschuss steht. Gelingt dies schlüssig, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für die Ursächlichkeit der Kündigung aufgrund der Mitgliedschaft im Sprecherausschuss3.
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g) Kündigungsschutzprozess Die Führungskraft, die Arbeitnehmer ist, kann und muss sich gegen eine ausgesprochene Kündigung im Wege des Kündigungsschutzprozesses wehren, soll die Kündigung nicht akzeptiert werden. Auch dann, wenn sich der Leitende 1 Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 2 SprAuG Rz. 1. 2 Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 2 SprAuG Rz. 1; ErfK/Oetker, § 2 SprAuG Rz. 19. 3 Ascheid/Preis/Schmidt/Linck, § 2 SprAuG Rz. 1.
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Teil 4 Rz. 150
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Angestellte in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber über eine einvernehmliche Trennung befindet, muss der Zugang einer Kündigung zum Anlass für eine Kündigungsschutzklage genommen werden. Denn wird gegen die Kündigung nicht innerhalb der dreiwöchigen Frist des § 4 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, wird die Kündigung nach Ablauf von drei Wochen unanfechtbar und wirksam, § 7 KSchG. Auch zu diesem Zeitpunkt noch andauernde Verhandlungen über eine einvernehmliche Trennung, gegebenenfalls auch eine Abfindungszahlung, erübrigen sich dann und werden in der Praxis häufig abgebrochen. Der Leitende Angestellte verliert jegliche Rechte gegen die Kündigung, unabhängig davon, ob er deren Unwirksamkeit hätte geltend machen können oder nicht. 150
Hat der Leitende Angestellte rechtzeitig, das heißt innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist, Kündigungsschutzklage zum zuständigen Arbeitsgericht erhoben, bestimmt das Arbeitsgericht einen Gütetermin. Der Gütetermin wird in der Regel innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Klage terminiert. In diesem Gütetermin geht es um die gütliche Einigung, in der Regel also die Möglichkeit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung unter Regelung aller anderen noch offenen Fragen. Scheitert der Gütetermin, folgt in einem gesonderten Termin der Kammertermin, an dessen Ende dann in der Regel das erstinstanzliche Urteil steht. Außergerichtliche Gespräche über eine gütliche Einigung können jederzeit geführt werden, selbst noch nach dem erstinstanzlichen Urteil1.
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Der Kündigungsschutzprozess ist grundsätzlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung gerichtet. Wird er durch Urteil beendet, so lautet dieses entweder auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung oder auf Klageabweisung, woraus sich im Gegenschluss die Wirksamkeit der Kündigung ergibt. Die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung ist im deutschen Kündigungsschutzrecht grundsätzlich nicht vorgesehen. Es besteht auch materiell-rechtlich kein Anspruch auf eine solche Abfindung, es sei denn, es fände ein Sozialplan Anwendung, der einen solchen Anspruch enthielte.
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Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz enthalten §§ 9, 10 KSchG. Hiernach hat das Arbeitsgericht ausnahmsweise die Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis durch Urteil aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen. Grundsätzliche Voraussetzung ist, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, die Kündigung also sozialwidrig war. Stellt der Arbeitnehmer den Auflösungsantrag, so ist weitere Voraussetzung, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses objektiv nicht zumutbar ist. Stellt der Arbeitgeber den Auflösungsantrag, so ist weitere Voraussetzung, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Seitens des Arbeitgebers ist ein entsprechender Auflösungsantrag 1 Hinsichtlich des Ablaufs des Kündigungsschutzprozesses im einzelnen ist auf die entsprechenden Darstellungen an anderen Orten verwiesen, vgl. z.B. Stahlhacke/Preis/ Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 10. Aufl., Rz. 1810 ff. sowie Pauly/Osnabrügge/Friedhofen, Handbuch Kündigungsrecht, §§ 20 bis 24.
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Rz. 156 Teil 4
Ordentliche Kündigung
ausschließlich nach einer ordentlichen Kündigung zulässig und auch nur dann, wenn die Kündigung aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG gescheitert ist. Für den Arbeitnehmer ist indes ein Auflösungsantrag auch nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung zulässig, § 13 Abs. 1 KSchG. In der Praxis scheitern Auflösungsanträge regelmäßig an den hohen Hürden der Begründung, namentlich der Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Für Leitende Angestellte enthält aber § 14 Abs. 2 Satz 2 KSchG eine maßgebliche Modifizierung. Der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch einer ordentlichen, jedoch sozialwidrigen Kündigung bedarf keiner Begründung.
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aa) Auflösungsantrag des Leitenden Angestellten § 14 Abs. 2 KSchG enthält für den Auflösungsantrag seitens des Arbeitnehmers keine Privilegierung. Der Leitende Angestellte muss also, möchte er, dass das Anstellungsverhältnis im Rahmen einer Kündigungsschutzklage durch Urteil und gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wird, eine Begründung vortragen. Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB, der den Leitenden Angestellten zur fristlosen Kündigung berechtigt hätte, macht stets auch die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar1. Gründe, die die Unzumutbarkeit seitens des Leitenden Angestellten unterhalb der Schwelle der fristlosen Kündigungsmöglichkeit begründen, können zum Beispiel unzutreffende ehrverletzende Behauptungen des Arbeitgebers sein, schikanöses Verhalten, Einschüchterungen des Leitenden Angestellten etc. Die Tatsache indes, dass sich der Arbeitgeber gegen die Kündigungsschutzklage verteidigt, begründet keine Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit. Unzutreffende Rechtsausführungen im Rahmen der Verteidigung der Kündigungsschutzklage begründen keine Unzumutbarkeit, unzutreffende Tatsachenausführungen indes sind grundsätzlich geeignet, eine Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit zu begründen. Dasselbe gilt für die Modalitäten des Kündigungsausspruchs2.
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Stellt das Gericht fest, dass die Kündigung sozialwidrig war und hat der Leitende Angestellte einen Auflösungsantrag gestellt, löst das Gericht auf diesen Antrag hin das Arbeitsverhältnis durch Urteil auf, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte, § 9 Abs. 2 KSchG. Zugleich setzt das Gericht eine vom Arbeitgeber zu zahlende angemessene Abfindung fest, §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 10 KSchG. Die Höhe der Abfindung ergibt sich zum einen aus den Maximalbeträgen des § 10 KSchG. Hiernach sind maximal zwölf Monatsverdienste festzusetzen. § 10 Abs. 3 KSchG legt fest, was als Monatsverdienst gilt. Danach sind alle Geld- und Sachbezüge des Endmonats des Anstellungsverhältnisses (§ 9 Abs. 2 KSchG) zugrunde zu legen. Maßgeblich ist der Bruttoverdienst.
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Hat der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden, erhöht sich die Höchstgrenze auf 15 Monats-
156
1 Pauly/Osnabrügge/Rinck, Handbuch Kündigungsrecht, § 25 Rz. 17. 2 Ascheid/Preis/Schmidt/Biebel, § 9 KSchG Rz. 40 ff.
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Teil 4 Rz. 157
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
verdienste. Hat der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet und hat das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden, erhöht sich die Höchstgrenze auf 18 Monatsverdienste. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auflösung des Anstellungsverhältnisses das für die Regelaltersrente nach SGB IX maßgebliche Alter erreicht hat. 157
Im Rahmen der Höchstgrenze nach § 10 KSchG hat das Gericht einen angemessenen Betrag für den Einzelfall festzusetzen. Die Gerichte orientieren sich zur Bemessung am Lebensalter des Arbeitnehmers, an der Dauer des Arbeitsverhältnisses und am Maß der Sozialwidrigkeit der Kündigung. Im Rahmen der Höchstgrenzen gehen viele Arbeitsgerichte dabei vom sog. „Regelsatz“ aus, wonach pro Jahr der Betriebszugehörigkeit ein halbes Bruttomonatsgehalt gemäß § 10 Abs. 2 KSchG zugrunde gelegt wird, höchstens insgesamt jedoch die Höchstgrenze gemäß § 10 Abs. 1 KSchG.
bb) Auflösungsantrag des Arbeitgebers 158
Handelt es sich bei der Führungskraft um einen Leitenden Angestellten gemäß § 14 Abs. 2 KSchG (Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern), so privilegiert § 14 Abs. 2 KSchG den Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Während ein Auflösungsantrag nach Kündigung eines nicht leitenden Angestellten hohen Hürden begegnet und nur dann begründet ist, wenn eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit unter keinen Umständen zu erwarten ist, bedarf der Auflösungsantrag im Falle eines Leitenden Angestellten keiner Begründung. Der Arbeitgeber hat also die Möglichkeit, eine weitere Zusammenarbeit, die das Gesetz grundsätzlich als zumutbar ansieht, die durch den Dienstherren aber subjektiv als unzumutbar empfunden wird, auch gegen den Willen der Führungskraft zu beenden. Diese gesetzliche Wertentscheidung ist Ausfluss der besonders herausgehobenen vertrauensvollen Stellung der Führungskraft, die sich typisierend darin zeigt, dass Leitender Angestellter in diesem Sinne nur ist, wer berechtigt ist, selbständig Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen.
159
Stellt der Dienstherr gegenüber einem Leitenden Angestellten einen solchen Auflösungsantrag, so ist gleichwohl Grundvoraussetzung, dass die Kündigung ausschließlich aufgrund ihrer Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG unwirksam ist. Leidet die Kündigung unter anderen Unwirksamkeitsgründen, erfolgte z.B. nicht schriftlich, kann auch der Auflösungsantrag keinen Erfolg haben.
160
Wird ein zulässiger Auflösungsantrag gegenüber einem Leitenden Angestellten gestellt, löst das Gericht das Arbeitsverhältnis des Leitenden Angestellten zum Zeitpunkt des Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist auf, § 9 Abs. 2 KSchG. Zugleich wird der Arbeitgeber zur Zahlung einer Abfindung verurteilt, §§ 9 Abs. 1, 10 KSchG.
161
Obwohl das KSchG keine abweichenden Bestimmungen zur Höhe der Abfindung für den Fall des Auflösungsantrags gegenüber einem Leitenden Angestellten enthält, kompensieren die Gerichte in ständiger Übung gleichwohl die Besonderheit des begründungslos zulässigen Auflösungsantrages dadurch, dass 406
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Rz. 162 Teil 4
Ordentliche Kündigung
sie den Höchstbetrag der Abfindung nach §§ 10 Abs. 1, 2 KSchG festsetzen1. Vereinzelt wird auch eine Abfindung in Höhe von einem Monatsverdienst pro Beschäftigungsjahr, also dem doppelten Regelsatz, für angemessen erachtet2.
! Praxishinweis
162
Auflösungsgründe des Arbeitgebers werden durch die Gerichte nur dann zur Bemessung der Abfindung mit herangezogen, wenn sich der Arbeitgeber nicht in erster Linie auf die Stellung des Angestellten als Leitenden Angestellten gemäß § 14 Abs. 2 KSchG bezieht. Im Rahmen der Begründung des Auflösungsantrages sollte der Arbeitgeber daher gestaffelt vorgehen: In erster Linie sollte sich der Arbeitgeber auf Auflösungsgründe gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG berufen. Hilfsweise sollte sich der Arbeitgeber dann auf die Stellung als Leitender Angestellter gemäß § 14 Abs. 2 KSchG berufen.
1 Vgl. zur Praktischen Handhabung z.B. Ascheid/Preis/Schmidt/Biebel, § 14 KSchG Rz. 30. 2 LAG Hamm v. 14.12.2000 – 8 Sa 1234/00, LAGE § 9 KSchG Nr. 35.
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B. Außerordentliche Kündigung I. Allgemeines 1. Praktische Bedeutung 163
Aufgrund der Tatsache, dass Dienstverträge von Führungskräften in der Regel – auch zur Kompensation des nicht gegebenen oder stark eingeschränkten Kündigungsschutzes – mit längeren Kündigungsfristen für den Ausspruch der ordentlichen Kündigung ausgestattet sind, bildet das Recht der außerordentlichen Kündigung einen Schwerpunkt in der rechtlichen Betrachtung der Anstellungsverhältnisse von Führungskräften. Während zudem im Bereich des allgemeinen Arbeitsrechtes die außerordentliche, fristlose Kündigung infolge der durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte aufgestellten hohen Anforderungen eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist dies jedenfalls bei Führungskräften, die Organstellung innehaben, anders. Aufgrund der herausgehobenen Stellung und der gesellschaftsrechtlich weitreichenden Kompetenzen lässt die Rechtsprechung der hierfür zuständigen ordentlichen Gerichte die außerordentliche Kündigung zu im Vergleich mit Arbeitnehmern erleichterten Bedingungen zu. Die besondere Interessenlage der Gesellschafterversammlung gegenüber Organmitgliedern, die mit der besonderen beruflichen Stellung einhergehende besondere Qualifizierung von Vorständen und Geschäftsführern sowie schließlich die im Vergleich zu sonstigen Arbeitnehmern weniger ausgeprägte soziale Schutzbedürftigkeit rechtfertigen diese Kündigungserleichterung. In der Konsequenz stellt sich stets dann, wenn eine Gesellschaft aus Gründen, die im Verhalten der Organmitglieder liegen, das Amt als solches infrage stellen, auch die Frage nach der Begründung einer außerordentlichen fristlosen Kündigung.
164
Das Recht der außerordentlichen, fristlosen Kündigung von Organmitgliedern ist ein eigener rechtlicher Bereich, der sich nur in Grenzen mit dem Recht der außerordentlichen fristlosen Kündigung von Arbeitnehmern vergleichen lässt. Es bedarf daher insbesondere hinsichtlich der Organmitglieder einer besonderen Betrachtung. Demgegenüber richtet sich das Recht der außerordentlichen, fristlosen Kündigung von Leitenden Angestellten, die nicht Organmitglieder sind, nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Die praktische Bedeutung der außerordentlichen, fristlosen Kündigung von Leitenden Angestellten mit Arbeitnehmerstatus ist im Vergleich zur außerordentlichen Kündigung von Organmitgliedern eher gering: Zum einen sind für die Entscheidung entsprechender Rechtssachen die Arbeitsgerichte zuständig, die die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze anwenden. Diese sind stark vom Gedanken der sozialen Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber geprägt und stellen hohe Hürden für die Begründung einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung auf. Zum anderen begibt sich der Arbeitgeber, der einen Leitenden Angestellten außerordentlich, fristlos kündigt, der einzigen Privilegierung, die es ihm ermöglicht, den Dienstvertrag auch gegen den Willen des Leitenden Angestellten zu lösen, nämlich der Möglichkeit des Auflösungsantrages. Ein solcher Auflösungsantrag ist – gestellt durch den Arbeitgeber – nur nach Ausspruch einer ordentlichen Kündigung möglich und zulässig, nicht 408
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Rz. 168 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
hingegen nach Ausspruch nach einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Jedenfalls bei Leitenden Angestellten mit Arbeitnehmerstatus ist es daher aus Sicht der Anstellungsgesellschaft unabdingbar notwendig, jede außerordentliche, fristlose Kündigung mit einer zusätzlich ausgesprochenen vorsorglichen ordentlichen Kündigung zu verbinden.
2. Anwendbare Vorschriften Da sowohl die Anstellungsverträge von Organmitgliedern als auch die von Leitenden Angestellten Dienstverträge sind, richtet sich die außerordentliche, fristlose Kündigung in erster Linie nach § 626 BGB. § 626 Abs. 1 BGB regelt die grundsätzliche Zulässigkeit der außerordentlichen, fristlosen Kündigung und ist nicht abdingbar. Dasselbe gilt für § 626 Abs. 2 BGB, der eine zweiwöchige Ausschlussfrist regelt, innerhalb derer derjenige, der sich zum Ausspruch der Kündigung berufen fühlt, diese ausgesprochen haben muss.
165
§ 627 BGB ist auf Organmitglieder und Leitende Angestellte nicht anwendbar. Die dortige Kündigungserleichterung setzt voraus, dass es sich um Dienste höherer Art handelt, die aufgrund besonderen Vertrauens übertragen werden, und es sich dabei nicht um ein dauerndes und mit festen Bezügen ausgestattetes Dienstverhältnis handelt. Das letztgenannte Abgrenzungsmerkmal ist bei Organmitgliedern und Leitenden Angestellten naturgemäß nicht gegeben.
166
§ 314 BGB wird grundsätzlich durch § 626 BGB verdrängt1. § 626 BGB ist lex specialis zu § 314 BGB. Allerdings enthält § 626 BGB keine ausdrückliche Regelung, die der des § 314 Abs. 2 BGB, dem Erfordernis einer vorherigen Abmahnung, entspräche. Für den arbeitsrechtlichen Bereich hat die Rechtsprechung des BAG das Erfordernis einer Abmahnung vor Ausspruch der außerordentlichen, fristlosen Kündigung aus den allgemeinen Grundsätzen des Kündigungsschutzrechtes entwickelt2. Mit dem im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung eingeführten § 314 Abs. 2 BGB ist nunmehr eine positiv gesetzliche Regelung hierzu geschaffen. Da allerdings die vom BAG entwickelten Grundsätze identische Anforderungen aufstellen wie sie auch durch §§ 314 BGB, § 323 Abs. 2 BGB begründet werden, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob § 314 Abs. 2 BGB unmittelbare oder nur entsprechende Anwendung auf Arbeitsverhältnisse findet3. Zur Bedeutung des Abmahnerfordernisses bei Organmitgliedern vgl. unten Rz. 190.
167
Gesellschaftsrechtliche Bestimmungen, insbesondere die Beschlussfassung über den Abberufungs- oder Kündigungsentschluss betreffend, haben Einfluss auf die für das Recht der außerordentlichen fristlosen Kündigung geltenden Normen. So ist in mitbestimmten Gesellschaften ein in § 31 MitbestG beschriebenes Verfahren einzuhalten, falls eine Beschlussfassung über die Bestellung und Abberufung eines Vorstandsmitgliedes nicht zustande kommt. Es wird deshalb erwogen, die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB als gehemmt
168
1 Palandt/Grüneberg, § 314 BGB Rz. 4; Palandt/Weidenkaff, § 626 BGB Rz. 3. 2 Ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG v. 28.10.1971 – 2 AZR 15/71, BB 1972, 1189. 3 Vgl. hierzu Hase, NJW 2002, 2278.
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Teil 4 Rz. 169
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
anzusehen, solange das gesellschaftsrechtlich vorgesehene Verfahren gemäß § 31 MitbestG noch nicht abgeschlossen ist, vgl. hierzu noch unten Rz. 171.
3. Regelungen im Anstellungsvertrag 169
Anders als bei der ordentlichen Kündigung (vgl. hierzu Rz. 1, 60 f.) sind im Anstellungsvertrag Regelungen das außerordentliche Kündigungsrecht betreffend nur sehr eingeschränkt zulässig. § 626 BGB ist nach allgemeiner Ansicht zwingend und nicht abdingbar. Dasselbe gilt für § 626 Abs. 2 BGB. Das Recht zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung eines Dienstvertrages darf nicht beseitigt oder beschränkt werden1.
170
Vertragliche Erschwerungen des außerordentlichen Kündigungsrechtes sind ebenfalls unzulässig und damit unwirksam. Dies erstreckt sich sowohl auf Erschwerungen, die unmittelbar die Ausübung des Kündigungsrechtes betreffen (zusätzliche Formalia, Anordnung von zwingenden Auslauffristen nach Ausspruch einer fristlosen Kündigung etc.) als auch auf solche Bestimmungen, die nur eine mittelbare Erschwernis dadurch entfalten, dass sie belastende Rechtsfolgen an den Ausspruch einer fristlosen Kündigung knüpfen. Die Vereinbarung einer Abfindungszahlung in einem Dienstvertrag mit dem Vorstand für den Fall der außerordentlichen Kündigung durch den Dienstherren ist daher unwirksam, weil sie das Recht zur Kündigung aus einem wichtigen Grund unzumutbar erschwert2.
171
Ob Kündigungserleichterungen zulässig sind, ist streitig. Eine solche Kündigungserleichterung liegt typischerweise in einer Regelung des Anstellungsvertrages, wonach bestimmte Tatsachen bzw. Verhaltensweisen zum wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung erklärt werden. Ein praktisches Bedürfnis würde für die Zulässigkeit solcher Regelungen sprechen, um Abberufungs- und Kündigungsvoraussetzungen zu harmonisieren: Der Maßstab des wichtigen Grundes nach § 626 BGB ist nicht identisch mit dem Maßstab des wichtigen Grundes zur Abberufung eines Vorstandsmitgliedes einer Aktiengesellschaft bzw. eines Geschäftsführers einer mitbestimmten GmbH nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 31 Abs. 1 MitbestG. Ein wichtiger Grund zur Kündigung des Anstellungsvertrages stellt zwar stets auch einen wichtigen Grund zum Widerruf der Bestellung dar3. Umgekehrt stellt aber ein wichtiger Grund zur Abberufung gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG nicht auch stets einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB dar4. Es besteht daher ein praktisches Bedürfnis der Parteien, die Anforderungen für den Widerruf aus wichtigem Grund mit denen an eine Kündigung aus wichtigem Grund zu harmonisieren, um zu vermeiden, dass zwar eine Abberufung aus dem Amt aus wichtigem Grunde zulässig ist, der Dienstvertrag aber fortbesteht. Notwendig wäre hierzu die Absenkung der 1 Vgl. statt aller Palandt/Weidenkaff, § 626 BGB Rz. 2. 2 BGH v. 3.7.2000 – II ZR 282/98, NZA 2000, 945; BGH v. 17.3.2008 – II ZR 239/06, NZG 2008, 471. 3 Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktienrecht, § 21 Rz. 73. 4 BGH v. 23.10.1995 – II ZR 130/94, NJW-RR 1996, 156; Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktienrecht, § 21 Rz. 73.
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Rz. 174 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
Anforderungen an einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB auf die Anforderungen des § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG. Ob dies zulässig ist oder nicht ist weniger eine Frage der Unabdingbarkeit des § 626 BGB, denn das außerordentliche Kündigungsrecht wird ja hierdurch nicht eingeschränkt, sondern erweitert. Es ist vielmehr eine Frage der Unabdingbarkeit der Mindestkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB1, die durch eine Erweiterung des Rechts zur außerordentlichen fristlosen Kündigung unterschritten würde. Nach einer Ansicht ist eine entsprechende Regelung im Anstellungsvertrag grundsätzlich zulässig. Werden dort Gründe für wichtig erklärt, die es nach § 626 Abs. 1 BGB eigentlich nicht wären, soll dies einen wichtigen Grund gemäß § 626 Abs. 1 begründen und eine außerordentliche fristlose Kündigung ermöglichen. Diese soll dann aber nur mit der Frist des § 622 BGB für die ordentliche Kündigung ausgesprochen werden können2. Nach anderer Ansicht gibt es grundsätzlich keine absoluten Kündigungsgründe, weshalb Bestimmungen in Arbeits- oder Dienstverträgen, die Kündigungsgründe aufzählen, allenfalls als Willensbekundungen der Parteien gewertet werden können, die im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind, jedenfalls aber keine absoluten Kündigungsgründe aufstellen3.
172
Richtigerweise wird man zu differenzieren haben: Soll die Vertragsklausel für Fälle, in denen kein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorliegt, eine außerordentliche fristlose Kündigung ermöglichen, so ist diese Klausel unwirksam. Die Unwirksamkeit ergibt sich nicht aus der Unabdingbarkeit des § 626 BGB, sondern aus der Unabdingbarkeit der Mindestkündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 1 BGB, die durch die Erweiterung des außerordentlichen fristlosen Kündigungsrechtes unterschritten würde. Eine teleologische Reduzierung solcher Klauseln wie von Wiesner vorgeschlagen dahingehend, dass dann eine außerordentliche fristlose Kündigung unter Gewährung (zumindest) der Mindestfrist des § 622 Abs. 1 BGB, ggf. auch der verlängerten Kündigungsfrist des § 622 Abs. 2 BGB zulässig sein soll, ist abzulehnen. Dienstverträge mit Führungskräften unterliegen der Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB. Dabei kommt es nicht auf die Differenzierung danach an, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt (dann § 310 Abs. 4 BGB) oder nicht. Jedenfalls sind Bestimmungen, die zum Nachteil einer der Vertragsparteien von einer gesetzlichen Regelung abweichen, eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, was zur Unwirksamkeit der Norm gemäß § 306 Abs. 1 BGB führt. Eine geltungserhaltende Reduktion ist gemäß § 306 BGB unzulässig. Entsprechende Vertragsklauseln lassen sich also entgegen Wiesner nicht auf eine alternativ eingreifende Mindest-Kündigungsfrist zurückführen, sondern sind unwirksam.
173
Für Organmitglieder ist die Erweiterung des außerordentlichen Kündigungsrechtes des Anstellungsvertrages gemäß § 626 Abs. 1 BGB durch entsprechende vertragliche Regelungen somit unzulässig. Ob die dann alternativ auszuspre-
174
1 OLG Düsseldorf v. 10.10.2003 – I-17 U 35/03. 2 Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktienrecht, § 21 Rz. 73. 3 Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz. 40; Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, Kündigungsrecht, § 626 BGB Rz. 56.
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Teil 4 Rz. 175
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
chende Kündigung eine außerordentliche Kündigung unter Gewährung einer sozialen Frist entsprechend der ordentlichen Kündigungsfrist ist oder eine ordentliche Kündigung, anknüpfend an das Verhalten des Organmitgliedes, ist unerheblich. Da die ordentliche Kündigung eines Organmitgliedes keiner inhaltlichen Rechtfertigung bedarf (vgl. Rz. 6), kommt es auf diese Frage nicht an. Umgekehrt ist der „wichtige Grund“ gemäß § 626 Abs. 1 BGB aber ein unbestimmter Rechtsbegriff, der stets der Auslegung zugänglich ist und in der Praxis oft mit Aspekten der Interessenabwägung vermischt wird. Es kann daher für die Parteien sinnvoll sein, im Anstellungsvertrag ungeachtet der vorstehenden rechtlichen Zusammenhänge zu regeln, welche Verhaltensweisen beide Parteien einvernehmlich als vertragsgefährdend definieren. Jedenfalls in die Interessenabwägung der beiden Parteien (die aber voraussetzt, dass ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB vorliegt) kann dann eine solche vertragliche Festlegung der von den Parteien für wichtig gehaltenen Gründe mit einfließen.
4. Tat- und Verdachtskündigung 175
Die außerordentliche, fristlose Kündigung des Dienstvertrages kann sowohl wegen eines für erwiesen erachteten Tatvorwurfes ausgesprochen werden als auch wegen des dringenden Verdachtes einschlägiger strafbarer Handlungen bzw. sonstiger schwerer dienstvertraglicher Verfehlungen. Insoweit sind die im Arbeitsrecht entwickelten und allgemein anerkannten Grundsätze zur Verdachtskündigung entsprechend heranzuziehen1. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Berechtigung zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung ist stets der unrettbare Verfall des Vertrauens in die Lauterkeit und ordnungsgemäße Amtsführung des Organs. Ein solcher Vertrauensverfall kann nicht nur durch den Nachweis einer Tat begründet sein, sondern durchaus auch dann, wenn konkrete, faktenbasierte Anhaltspunkte den dringenden Verdacht nahelegen, dass entsprechende Pflichtverletzungen begangen sein könnten. Möchte der Dienstherr seine Kündigung auf den Verdacht stützen, so hat er sämtliche Tatsachen zu beweisen, aus denen sich der dringende Verdacht ergibt. Vernünftige Zweifel an der Begründetheit des Verdachts dürfen nicht bleiben. Sämtliche Ermittlungsmöglichkeiten müssen ausgeschöpft sein. Die Anhörung des Betroffenen stellt daher eine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung dar, vgl. unten Rz. 198 f.
5. Kündigungskompetenz 176
Die Kündigungskompetenz unterscheidet sich nicht gegenüber der Kompetenz zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Wie auch bei der ordentlichen Kündigung ist bei Organmitgliedern der vorherige Beschluss der zuständigen Gesellschafterversammlung zur Kündigung des Anstellungsvertrages Wirksamkeitsvoraussetzung zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung2. Im Übrigen kann auf die obigen Ausführungen unter Rz. 10 ff. verwiesen werden. 1 LAG Berlin v. 30.6.1997 – 9 Sa 43/97, NZA-RR 1997, 424; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 95. 2 OLG Nürnberg v. 22.12.2000 – 6 U 1604/00, NZG 2001, 810.
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Rz. 180 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
6. Auslegung/Umdeutung Die Kündigungserklärung ist grundsätzlich der Auslegung und Umdeutung zugänglich, § 140 BGB. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Umdeutung der außerordentlichen Kündigung eines Dienstverhältnisses in eine ordentliche Kündigung dann vorgenommen werden kann, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, dass die ordentliche Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung für den Empfänger der Kündigung erkennbar zum Ausdruck kommt1.
177
Voraussetzung einer Umdeutung ist stets, dass die ordentliche Kündigung dem vermuteten Willen des Kündigenden entspricht, hätte dieser die Nichtigkeit der außerordentlichen Kündigung erkannt. Da der vorherige Gesellschafterbeschluss Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch der Kündigung ist, darf zum einen der tatsächlich gefasste Beschluss der Auslegung als Beschluss (auch) zum Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht entgegen stehen. Zum anderen muss die Annahme berechtigt sein, dass die Gesellschafterversammlung bei Kenntnis der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung auch ausdrücklich über den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung abgestimmt hätte.
178
Grundsätzlich wird man bei der Kündigung eines Fremdgeschäftsführers in der Regel davon ausgehen können, dass der Wille des Kündigenden dahin geht, im Zweifel zumindest unter Wahrung der Kündigungsfrist das Dienstverhältnis zu beenden2. Demgegenüber ist dies bei Gesellschafter-Geschäftsführern in der Regel nicht der Fall. Denn anders als bei der Abstimmung über eine außerordentliche, fristlose Kündigung hat der Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Abstimmung über eine ordentliche Kündigung seines Anstellungsvertrages keinen Stimmrechtsausschluss, darf also mitbestimmen3. Ergibt sich nun entweder aus dem Gesellschaftsvertrag, dass bei Mitstimmen des betroffenen Geschäftsführers eine einfache Mehrheit nicht erreichbar gewesen wäre oder ergibt sich dies aus der tatsächlich durchgeführten Abstimmung, scheidet eine Umdeutung der außerordentlichen, fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung bereits aus diesem Grunde aus4.
179
II. Kündigungsvoraussetzungen 1. Wichtiger Grund Die außerordentliche, fristlose Kündigung eines Dienstverhältnisses ist gemäß § 626 Abs. 1 BGB nur dann möglich, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und 1 BGH v. 8.9.1997 – II ZR 165/96, NJW 1998, 76; BGH v. 14.2.2000 – II ZR 285/97, NZA 2000, 430. 2 Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 103. 3 Vgl. zum Stimmverbot bei der Abstimmung über die außerordentliche fristlose Kündigung gemäß § 47 Abs. 4 GmbHG: Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 104. 4 BGH v. 14.2.2000 – II ZR 285/97, NZA 2000, 430.
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180
Teil 4 Rz. 181
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Grundvoraussetzung für den Ausspruch einer Kündigung ist das Vorliegen eines wichtigen Grundes. 181
Entsprechend der Entwicklung der Rechtsprechung zum „wichtigen Grund“ ist danach zu differenzieren, ob es sich bei Führungskraft um ein Organmitglied oder um einen Leitenden Angestellten handelt, der zugleich Arbeitnehmer ist.
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Handelt es sich um ein Organmitglied, ist für die Festlegung des Maßstabes für das Vorliegen eines wichtigen Grundes wesentlich, dass ein Organmitglied eine herausgehobene Funktion hat, die wirtschaftliche Interessen der Gesellschaft lenkt und somit treuhänderisch die Interessen der Gesellschafter verwaltet. Zugleich ist die soziale Komponente bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei einem Arbeitnehmer. Wer sich als Organmitglied einer Gesellschaft bestellen lässt, dem sind die sich daraus ergebenden Risiken für seine soziale Absicherung durchaus bekannt. Bereits aufgrund der Tatsache, dass das KSchG keine Anwendung findet und somit der Vertrag jederzeit mit den vertraglich gegebenen Fristen ordentlich gekündigt werden kann, stellt ein wesentliches Unterscheidungskriterium zum Arbeitnehmer dar. Zudem ist zu berücksichtigen, dass das Organmitglied regelmäßig die Arbeitgeberfunktion ausübt, was es angemessen erscheinen lässt, besonders hohe Anforderungen an Integrität und Verhalten zustellen. Insoweit ist die Interessenslage der Parteien bei der Bewertung eines Sachverhaltes anders als im Arbeitsverhältnis. Die Tendenz in der Rechtsprechung geht daher auch zu einer weniger starken – an den sozialen Interessen orientierten – Ausdifferenzierung eines „wichtigen Grundes an sich“ sowie der umfangreichen Interessenabwägung im Einzelfall. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung lässt sich daher nicht ohne weiteres auf die Beurteilung eines Sachverhaltes im Rahmen eines Dienstverhältnisses eines Organmitgliedes übertragen. Beispielsweise ist die unberechtigte Amtsniederlegung eines Organmitgliedes nach ständiger Rechtsprechung stets ein wichtiger Grund i.S. einer gröblichen Pflichtverletzung, der zur sofortigen außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrages berechtigt1. Demgegenüber stellt die Arbeitsverweigerung eines Arbeitnehmers nicht ohne weiteres einen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung dar. Vielmehr muss es sich um eine in besonderer Weise beharrliche Arbeitsverweigerung handeln, die auch dann noch fortgesetzt wird, nachdem dem Arbeitnehmer durch wiederholte Aufforderung zum vertragsgemäßen Verhalten mögliche Konsequenzen seines Tuns konkret vor Augen gestellt worden sind. Eine einmalige Pflichtverletzung reicht in der Regel nicht aus2. Ein weiteres Beispiel: Leistet ein Organmitglied schlecht, verstößt z.B. gegen die interne Kompetenzordnung oder informiert das Aufsichtsgremium nicht über relevante Vorgänge, so rechtfertigt dies in der Regel eine fristlose Kündigung des Anstellungsvertrages, und zwar auch ohne vorhergehende Abmahnung oder Anhörung3. Demgegenüber stellt 1 Vgl. Hüffer, § 84 AktG Rz. 40. 2 Vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 1447. 3 OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166.
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Rz. 186 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
Schlechtleistung bei einem Arbeitnehmer typischerweise keinen Grund zur fristlosen Kündigung dar. Es handelt sich um den typischen Fall einer ordentlichen Kündigung. Selbst dann sind aber vorherige Abmahnungen zwingend notwendig, und das Maß der Schlechtleistung muss in Abwägung der sozialen Interessen des Arbeitnehmers so groß sein, dass eine Kündigung gerechtfertigt ist1. Es bedarf grundsätzlich keines Verschuldens des Organmitgliedes, um einen wichtigen Grund bejahen zu können2.
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Zudem ist bei Organmitgliedern zu berücksichtigen, dass die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Gesetze Regelungen enthalten, die den Widerruf der Amtsstellung betreffen und somit mittelbar auch auf die Beurteilung des wichtigen Grundes für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages Einfluss haben. So darf einerseits nicht durch einen zu hohen Prüfungsmaßstab die Gesellschafterversammlung infolge der sich ergebenden desaströsen wirtschaftlichen Konsequenzen mittelbar davon abgehalten werden, ein gesetzlich gegebenes Recht auf Abberufung aus dem Amt auszuüben. Andererseits darf auch nicht durch einen zu niedrigen Prüfungsmaßstab eine gesetzlich gegebene Erschwerung der Abberufung aus dem Amt (vgl. z.B. § 84 AktG) dadurch unterlaufen werden, dass der Gesellschafterversammlung die außerordentliche fristlose Kündigung des Dienstvertrages ermöglicht wird, ohne dass ein Grund zur Abberufung vorliegt und somit der Vorstand „durch die Hintertür“ wirtschaftlich ausgetrocknet wird. Für die Beurteilung dessen, was einen wichtigen Grund darstellen kann, ist daher nach den einzelnen Organstellungen zu differenzieren. Ganz allgemein sind aber an den wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung eines Organmitgliedes geringere Anforderungen zu stellen als an die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers.
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Demgegenüber richtet sich die außerordentliche, fristlose Kündigung eines Leitenden Angestellten, der nicht Organmitglied ist, nach der allgemeinen arbeitsrechtlichen Dogmatik. Sonderregelungen für Leitende Angestellte gelten nicht. Die Funktion des Leitenden Angestellten innerhalb des Betriebes sowie seine Verantwortung sind allenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen3.
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Zur Kündigung eines Leitenden Angestellten mit Arbeitnehmerstatus muss somit zunächst ein „an sich“ zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Kündigungsgrund gegeben sein. Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Es kommt allein auf das objektive Vorliegen entsprechender Tatsachen an, ohne dass der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden relevant wäre. „Absolute Kündigungsgründe“ gibt es nicht. Außerdienstliches Verhalten stellt grundsätzlich keinen Grund für den Ausspruch einer Kündigung dar, es sei denn, es hätte unmittelbare Auswirkun-
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1 Vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 442. 2 BGB v. 21.4.1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 93. 3 Vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 442 unter Verweis auf die Pflichtverletzung eines Co-Piloten aufgrund dessen gehobener Stellung.
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Teil 4 Rz. 187
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
gen auf das Arbeitsverhältnis. Auch die Verletzung von Drittinteressen stellt keinen wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung dar1. 187
Für die Systematisierung des wichtigen Grundes zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses findet eine Orientierung an § 1 KSchG statt. Danach ist zwischen personen-, betriebs- und verhaltensbedingten Störungen zu unterscheiden. Ein personenbedingter Grund kann zum Beispiel ein Alkoholismus sein. In der Regel werden personenbedingte Gründe aber für den Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ausscheiden. Dasselbe gilt für dringende betriebliche Gründe. Hintergrund ist die Verteilung des Wirtschaftsrisikos im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitgeber trägt das volle wirtschaftliche Betriebsrisiko, wozu auch die Einhaltung der vertraglich vereinbarten oder zumindest gesetzlich geltenden Kündigungsfristen gehört2. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die ordentliche Kündigung tarifvertraglich oder vertraglich ausgeschlossen ist.
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Den Schwerpunkt in der Dogmatik des außerordentlichen, fristlosen Kündigungsrechtes sowohl des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers stellen verhaltensbedingte Gründe dar. Dabei setzt der wichtige Grund ein vorwerfbares Verhalten voraus, das rechtswidrig und schuldhaft ist. Zwar reicht neben dem Vorwurf des Vorsatzes auch Fahrlässigkeit aus3. In der Regel wird aber ein gesteigertes Maß an Verschulden erforderlich sein, das sich bereits daraus ergibt, dass der Arbeitnehmer trotz einer vorherigen ausdrücklichen Warnung (Abmahnung) das Verhalten fortsetzt. Das Maß des Verschuldens ist in der Interessenabwägung zu berücksichtigen4.
2. Ultima Ratio 189
Aus der Bestimmung des § 626 Abs. 1 BGB, wonach die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Begründung eines außerordentlichen Kündigungsrechtes nicht zumutbar sein darf, wird für das allgemeine Arbeitsrecht hergeleitet, dass die außerordentliche fristlose Kündigung nur die unausweichlich letzte Maßnahme (Ultima Ratio) im Arbeitsverhältnis ist. Ist zwar das Kündigungsinteresse aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers nachvollziehbar und rechtlich gerechtfertigt, ist jedoch im Rahmen einer Interessenabwägung dem Arbeitgeber die Vertragserfüllung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar, scheitert bereits hieran die außerordentliche, fristlose Kündigung. Diese Grundsätze fließen in der allgemeinen arbeitsrechtlichen Dogmatik an zwei Stellen in das Prüfungsschema ein: Zum einen darf es kein milderes Mittel geben, das gerügte Verhalten abzustellen, um das Dienstverhältnis dann fortsetzen zu können. Ein solches milderes Mittel ist regelmäßig der Ausspruch einer Abmahnung. Sie ist im Arbeitsverhältnis sowohl bei einer Kündigung durch den Arbeitgeber als auch bei einer Kün1 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 63. 2 Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 65. 3 Vgl. LAG Schleswig-Holstein v. 24.7.2001 – 1 Sa 78e/01, LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78. 4 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 73; Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Rz. 625 ff.
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Rz. 192 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
digung durch den Arbeitnehmer grundsätzlich Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung. Nur unter engen Ausnahmeumständen ist eine vorherige Abmahnung verzichtbar1. Dogmatisch lässt sich das Abmahnerfordernis seit 2002 aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 314 Abs. 2 BGB herleiten2. Das Ultima-Ratio-Prinzip hat des Weiteren Auswirkungen auf die Interessenabwägung, bei der insbesondere zu überprüfen ist, ob und wie stark die Interessen des Arbeitgebers eingeschränkt würden, würde keine fristlose, sondern eine ordentliche Kündigung ausgesprochen. Demgegenüber gilt für die außerordentliche, fristlose Kündigung eines Organmitgliedes grundsätzlich kein Abmahnerfordernis. Das Institut der Abmahnung ist im Arbeitsrecht im Hinblick auf die soziale Schutzbedürftigkeit abhängig Beschäftigter entwickelt worden. Dieser Schutzgesichtspunkt ist bei Leitungsorgangen und Organmitgliedern von Gesellschaften, Genossenschaften und öffentlich-rechtlichen Körperschaften oder vergleichbaren juristischen Personen nicht ausschlaggebend. Dieser Personenkreis ist nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft, sondern hat eine organschaftliche Aufgabe wahrzunehmen. Zu den Leitungsaufgaben des Organmitgliedes gehört es, dass es für die Ordnungsgemäßheit und Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und der für sie handelnden Personen nach außen die Verantwortung trägt und im Innenverhältnis die Arbeitgeberfunktion erfüllt. Demgemäß bedarf es keiner Hinweise der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrates, sich an die Gesetze, an die Satzung und an die im Dienstvertrag niedergelegten Pflichten zu halten. Vielmehr hat sich ein Organ stets und von sich aus im Rahmen seines Pflichtenkreises gemäß dem Standard eines ordentlichen Geschäftsmannes zu verhalten3.
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Unabhängig davon wird in der Rechtsprechung – gleichfalls als alternative Begründung – stets darauf hingewiesen, dass eine Abmahnung (auch) dann nicht erforderlich ist, wenn Pflichtenverstöße so gravierend sind, dass sie zur Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu den Gesellschaftern oder anderen Organen der Gesellschaft geführt haben4.
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Sowohl die Hauptbegründung als auch die Hilfsbegründungen zum Fehlen des Abmahnerfordernisses bei Organmitgliedern stehen mit § 314 BGB sowie den Besonderheiten des Anstellungsverhältnisses eines Organmitgliedes im Einklang. § 314 Abs. 2 BGB erfordert zwar grundsätzlich vor dem Ausspruch einer Kündigung eine zur Abhilfe bestimmte Frist oder eine erfolglose Abmahnung. § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB indes verweist auf § 323 Abs. 2 BGB. Hiernach ist die Abmahnung dann nicht erforderlich, wenn entweder eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung vorliegt oder die Leistung zu einem im Vertrag
192
1 Vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 256 ff. 2 Vgl. KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 256 ff. 3 BGH v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, NZA 2000, 543; BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173; OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166; Roth/Altmeppen/Altmeppen, § 6 GmbHG Rz. 92; a.A. Lutter/Hommelhoff/Hommelhoff/ Kleindiek, Anh. § 6 Rz. 61a m.w.N. 4 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173; OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166.
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Teil 4 Rz. 193
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt wurde und der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hatte oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen. Im Falle der Vertragsverletzung eines Organmitgliedes einer Gesellschaft liegt regelmäßig ein besonderer Umstand vor, der eine sofortige fristlose Kündigung rechtfertigt. Diese besonderen Umstände liegen in der herausgehobenen Stellung des Organmitgliedes, die das Wohl und Wehe der Gesellschaft an das ordnungsgemäße Funktionieren des vertretungsberechtigten Organs knüpfen.
3. Interessenabwägung 193
In der arbeitsrechtlichen Dogmatik – entscheidend für Leitende Angestellte, die nicht Organmitglied sind – stellt die Interessenabwägung der am Arbeitsvertrag beteiligten Parteien den Schwerpunkt der Prüfung dar. Die Rechtsprechung verlangt, ausgehend vom Wortlaut des § 626 Abs. 1 BGB, eine umfassende Interessenabwägung, die alle vernünftigerweise in Betracht zu ziehenden Umstände des Einzelfalles berücksichtigt. Um Raum für die Interessenabwägung zu lassen, hat die Rechtsprechung des BAG die Qualifizierung des wichtigen Grundes (s. oben Rz. 181) vom Einzelfall abgelöst und auf die Feststellung reduziert, ob das jeweilige Verhalten einen „wichtigen Grundes an sich“ darstellt, also fallunabhängig betrachtet überhaupt als wichtiger Grund in Betracht kommt. Ein Präjudiz für die Entscheidung, ob dieser grundsätzlich geeignete Kündigungsgrund dann im konkreten Fall auch einen berechtigten Kündigungsgrund darstellt, beinhaltet dieser Prüfungsschritt aber nicht. Die Rechtsprechung ist bei der Feststellung eines „wichtigen Grundes an sich“ durchaus großzügig, was alleine aus der Tatsache resultiert, dass die eigentliche Beurteilungsleistung dann unter dem Prüfungspunkt der Interessenabwägung stattfindet. Dies führt im Ergebnis dazu, dass sich die Dogmatik des wichtigen Grundes einer abschließenden und rechtssicheren Beurteilung losgelöst vom Einzelfall vollständig entzieht und die arbeitsrechtliche Literatur allenfalls i.S. eines „Case Law“ Wertungsebenen abbilden kann, auf denen sich die Beurteilungen der Gerichte vollziehen. Eine solche Systematisierung gebiete das „Gebot der Rechtssicherheit“1, wobei indes verkannt wird, dass die Versuche der arbeitsrechtlichen Literatur zur Systematisierung der Fallkonstellationen bloße Reaktion auf die von der Rechtsprechung in die – im Wesentlichen kontrolllose – Interessenabwägung verlagerte Beurteilung des Einzelfalles sind und hierdurch nur mehr als deutlich wird, dass Rechtssicherheit gerade nicht existiert. Nicht ohne Grund enden die meisten Kündigungsschutzprozesse gegen eine außerordentliche, fristlose Kündigung mit der Umwandlung der Kündigung in eine ordentliche Kündigung und Zahlung einer Abfindung. Die Rechtsprechung zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird daher in der arbeitsrechtlichen Literatur auch zu Recht kritisiert2.
1 ErfK/Müller-Glöge, § 626 BGB Rz.15. 2 Vgl. Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 111 ff.
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Rz. 196 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
In die Interessenabwägung der Arbeitsgerichte werden – auch bei Leitenden Angestellten – umfassend die Besonderheiten des Einzelfalles auf Seiten des Arbeitnehmers eingestellt. Zu berücksichtigende Umstände sind: Die Dauer der bisherigen Betriebszugehörigkeit1, das Lebensalter des Arbeitnehmers2, das Gewicht und die Auswirkungen der Vertragsverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und ihre wirtschaftlichen Folgen3, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers4, eine mögliche Wiederholungsgefahr5, der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses6, die Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer7, die Aussichten des Arbeitnehmers, eine andere Anstellung zu finden8, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen, z.B. die Meinungs- und Gewissensfreiheit9. Dabei fällt auf, dass die zu berücksichtigenden Interessen im Wesentlichen „kollidierende Interessen“ sind, die zugunsten des Arbeitnehmers ausschlagen. Das Interesse des Arbeitgebers an einer Trennung wird typisiert in die Interessenabwägung eingestellt, sozusagen als Ausgangspunkt einer Prüfungsreihenfolge, bei der im Folgenden dann alle diesem Interesse entgegensprechenden Aspekte gelistet werden. Die Interessenabwägung in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung führt dann am Ende zu einer einzelfallorientierten Bewertung des Kündigungsgrundes, weniger der Abwägung der beteiligten Interessen.
194
Der gesetzlichen Vorgabe des § 626 Abs. 1 BGB folgend, postuliert auch die für die Dienstverhältnisse, die nicht Arbeitsverhältnisse sind, zuständige ordentliche Gerichtsbarkeit bei der Kündigung von Organmitgliedern das Erfordernis einer Interessenabwägung. Dabei werden alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalles daraufhin abgewogen, ob es dem Kündigenden unzumutbar ist, das Dienstverhältnis bis zum Ablauf der Frist für die ordentliche Kündigung fortzusetzen. Bei der Prüfung einer fristlosen Kündigung sind dabei die Interessen der Gesellschaft an der fristlosen Entlassung gegenüber den Interessen des Organmitgliedes an der Fortsetzung und vertragsgemäßen Beendigung des Anstellungsverhältnisses sorgsam abzuwägen10. Bei langjährigen Dienstverhältnissen sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen11.
195
In der Praxis findet eine entsprechende Interessenabwägung zwar statt. Allerdings indiziert das Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Ausspruch einer Kündigung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch regelmäßig das Ergebnis
196
1 BAG v. 13.12.1984 – 2 AZR 454/83, NZA 1985, 288; BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 „Emmely“. 2 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 102. 3 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 „Emmely“. 4 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 „Emmely“. 5 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 „Emmely“. 6 BAG v. 10.6.2010 – 2 AZR 541/09, NZA 2010, 1227 „Emmely“. 7 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 Rz. 106. 8 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 Rz. 106. 9 Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 Rz. 106. 10 OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166; OLG Oldenburg v. 28.6.2001 – 1 U 133/00. 11 OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166; OLG Oldenburg v. 28.6.2001 – 1 U 133/00.
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Teil 4 Rz. 197
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
der Interessenabwägung. Nur dann, wenn besondere, den Einzelfall vom Regelfall deutlich unterscheidende Gründe vorliegen, scheitert eine fristlose Kündigung trotz Vorliegen eines wichtigen Grundes. Das Interesse der Gesellschaft, das durch die besonders herausgehobene Position des Organmitgliedes geprägt wird, überwiegt regelmäßig die Interessen des Organmitgliedes.
4. Anhörung 197
Die Anhörung des Kündigungsgegners vor Ausspruch der Kündigung ist weder im Arbeitsverhältnis eines Leitenden Angestellten noch bei einem Organmitglied Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung1.
198
Etwas anderes gilt dann, wenn es sich um eine Verdachtskündigung handelt, also eine Kündigung, die sich nicht auf den vom Dienstherren für erwiesen erachteten Vorwurf stützen möchte, sondern auf den Verdacht des Vorwurfes. Bei einer Verdachtskündigung ist jedenfalls ein Arbeitgeber gehalten, die Tatsachen so weit auszurecherchieren, bis eine weitere Recherchemöglichkeit nicht mehr besteht. Hierzu gehört in jedem Falle auch die Anhörung des Arbeitnehmers zu den gegen ihn erhobenen Verdachtsmomenten. Die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht und damit die Durchführung der Anhörung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer Verdachtskündigung2. Danach muss dem Arbeitnehmer der Verdacht anhand der vorhandenen Tatsachenbasis vorgehalten werden. Der Verdacht muss so weit konkretisiert werden, dass sich der Arbeitnehmer darauf substanziiert einlassen kann. Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer grundsätzlich keine Erkenntnisse vorenthalten, die er im Anhörungszeitpunkt bereits gewonnen hat, weil anderenfalls die Verteidigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unzulässig beschnitten würden3. Die Anhörung darf daher auch erst am Ende des Erkenntnisvorgangs durchgeführt werden. Bestreitet der Arbeitnehmer dabei den Verdacht pauschal, bedarf es keiner weiteren Aufklärung. Der Arbeitgeber darf zu Recht davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer nicht an einer weiteren Aufklärung interessiert ist4. Lässt der Arbeitnehmer sich hingegen konkret ein und ergeben sich weitere Ermittlungsmöglichkeiten, muss der Arbeitgeber diesen nachgehen5.
199
Die oben dargestellte Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist vollständig auch auf Organmitglieder übertragbar. Die Gründe, die an anderer Stelle (wichtiger Grund, Abmahnerfordernis) ein Abweichen von den durch die Arbeitsgerichte entwickelten Grundsätze sinnvoll und erforderlich machen, gelten nicht in derselben Weise auch für das Anhörungserfordernis bei einer Verdachtskündigung. Das Anhörungserfordernis bei der Verdachtskündigung ist Ausdruck des 1 Für Arbeitnehmer: Stahlhacke/Preis/Vossen/Preis, Rz. 537; KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 31. Für Organmitglieder: OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166; OLG Oldenburg v. 28.6.2001 – 1 U 132/00. 2 BAG v. 11.4.1985 – 2 AZR 239/84, NZA 1986, 674; BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 587/94, NZA 1996, 81. 3 BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 587/94, NZA 1996, 81. 4 BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 587/94, NZA 1996, 81. 5 BAG v. 13.9.1995 – 2 AZR 587/94, NZA 1996, 81.
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Rz. 204 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Die Ermöglichung der Kündigung wegen eines Verdachts trägt dem Umstand Rechnung, dass der Wegfall bzw. die Zerstörung des schutzwürdigen Vertrauens, das bei einem Organmitglied über das normale Grundvertrauen des Arbeitsverhältnisses hinausgehen muss, für die Kündigung ausreicht. Um die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 BGB aber nicht vollständig dem subjektiven Empfinden des Dienstherren zu überlassen, ist zwingend erforderlich, dass der Dienstherr alles in seiner Macht Stehende tut, um den Sachverhalt aufzuklären und dem Vertragspartner die Möglichkeit zu geben, den Verdacht zu entkräften. Dies gilt in demselben Maße für Dienstverhältnisse, die keine Arbeitsverhältnisse sind1.
5. Ausschlussfrist, § 626 Abs. 2 BGB § 626 Abs. 2 sieht vor, dass die außerordentliche, fristlose Kündigung nicht mehr ausgesprochen werden kann, wenn die zur Kündigung berechtigenden Tatsachen länger als zwei Wochen bekannt waren. Die Frist beginnt gemäß § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Das Kriterium der zweiwöchigen Ausschlussfrist gilt sowohl für alle Arbeitsverhältnisse als auch für die Dienstverhältnisse der Organmitglieder.
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Die Frist berechnet sich gemäß §§ 187 ff. BGB. Der Tag, an dem die abschließende Kenntnis erlangt worden ist, zählt gemäß § 187 Abs. 1 BGB nicht mit. Die Frist beginnt um 00:00 Uhr des darauf folgenden Tages. Die Frist endet gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des Tages, der dem Tag der Kenntniserlangung zwei Wochen später entspricht.
201
Beispiel:
202
Abschließende Kenntniserlangung am Mittwoch, dem 8. Juni 2011, 14:00 Uhr Fristbeginn gemäß § 187 Abs. 1 BGB: Donnerstag, 9. Juni 2011, 00:00 Uhr Fristende gemäß § 188 Abs. 1 BGB: Mittwoch, 22. Juni 2011, 24:00 Uhr.
§ 193 BGB findet Anwendung. Fällt also der letzte Tag der Frist auf seinen Sonn- oder Feiertag, kann die Kündigung noch am darauf folgenden Tag ausgesprochen werden. Für die Fristwahrung ist erforderlich, dass die Kündigung spätestens am letzten Tag der Frist dem Kündigungsempfänger zugeht. Es ist nicht ausreichend, dass die Kündigung auf den Weg gebracht worden ist.
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Die Frist beginnt erst, wenn der zur Kündigung Berechtigte ausreichende Sachverhaltskenntnis erlangt hat. Solange noch Ermittlungen notwendig sind und auch durchgeführt werden, ist der Fristbeginn gehemmt, und zwar sowohl bei einer Tat- als auch bei einer Verdachtskündigung. Erheblich ist grundsätzlich nur die positive Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen, die auch grob-fahrlässige Unkenntnis reicht nicht aus2. Ermittlungen, die die Frist hemmen, müssen sinnvoll geboten sein, um den Sachverhalt aufzuklären. Sie müssen mit hinreichender Eile durchgeführt werden, zügig und ohne Verzögerungstendenz.
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1 LAG Berlin v. 30.6.1997 – 9 Sa 43/97, NZA-RR 1997, 424. 2 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 319.
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Teil 4 Rz. 205
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Die Aufklärung muss aus verständigen Gründen veranlasst sein und darf nicht willkürlich erfolgen, z.B. um den Lauf der Frist bewusst zu verzögern1. Die Anhörung des Betroffenen ist grundsätzlich stets ein zulässiges Ermittlungsmittel. Zwar ist sie nur bei Verdachtskündigungen Wirksamkeitsvoraussetzung. Auch bei Tatkündigungen hemmt aber die Anhörung die Frist, sofern sie aus verständlichen Gründen veranlasst ist. Allerdings hat die Rechtsprechung eine Regelfrist für die Dauer der Anhörung des Arbeitnehmers von maximal einer Woche festgelegt2. Für zusätzliche Ermittlungen besteht kein Anlass mehr, wenn der Sachverhalt bereits geklärt oder vom Gekündigten sogar zugestanden worden ist3. 205
Den Ausgang eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bzw. eines Strafverfahrens darf der Kündigungsberechtigte grundsätzlich abwarten. Entschließt er sich aber hierzu, dann kann er nicht zu einem beliebigen, willkürlich gewählten Zeitpunkt außerordentlich kündigen. Für den gewählten Zeitpunkt zur Kündigung bedarf es dann eines sachlichen Grundes, etwa der Kenntniserlangung von neuen Tatsachen oder Beweismitteln, der Erhebung der Anklage oder der Verkündung des Urteils4.
206
Bei Organmitgliedern kommt es für die Kenntnis auf das Organ an, das für den Ausspruch der Kündigung zuständig ist. Dabei ist das Plenum entscheidend und nicht etwa ein einzelnes Mitglied des Gremiums, selbst dann nicht, wenn es sich um den Vorsitzenden handelt5. Allerdings muss derjenige, der für die Einberufung des Gremiums zuständig ist, mit der ihm billigerweise zuzumutenden Beschleunigung vorgehen. Bei unangemessener Verzögerung muss sich der Dienstherr unter Umständen nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre das entscheidungsrelevante Gremium rechtzeitig geladen und informiert worden6.
207
Bei sonstigen Leitenden Angestellten, die Arbeitnehmer sind, kommt es auf die Kenntnis eines jeden an, der kündigungsberechtigt ist. Entscheidend ist in erster Linie die interne Ordnung des Arbeitgebers, wobei gesetzmäßig zur Vertretung berufene Personen stets relevante Kenntnis erlangen können. Ist die Kündigungsberechtigung anderen Personen (z.B. Personalleiter) zugewiesen, reicht dessen Kenntnis aus, die Frist in Gang zu setzen. Anders als in der Rechtsprechung zu Organmitgliedern stellen die Arbeitsgerichte indes bei Arbeitgebern, bei denen nur mehrere Personen gemeinsam vertretungsberechtigt sind, für die zurechenbare Kenntnis auf die Regeln zum Empfang von Willenserklärungen ab. Hiernach beginnt die Ausschlussfrist schon dann, wenn auch nur einer von mehreren Gesamtvertretern Kenntnis vom Kündigungsgrund hat7. Diese Diffe1 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 331; LAG Berlin v. 30.6.1997 – 9 Sa 43/97, NZA-RR 1997, 424. 2 BAG v. 2.3.2006 – 2 ARZ 46/05, NZA 2006, 1211. 3 BAG v. 17.3.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101. 4 BAG v. 17.3.2005 – 2 AZR 245/04, NZA 2006, 101. 5 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173; OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. 6 Vgl. OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. 7 KR/Fischermeier, § 626 BGB Rz. 349.
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Rz. 212 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
renzierung ist rechtlich zutreffend. Denn während es bei Organmitgliedern einer Entscheidung des gesellschaftsrechtlichen Organs zur Kündigung bedarf, ist dies bei Arbeitnehmern nicht der Fall. Grundsätzlich können zwar zur Begründung der Kündigung nur solche Tatsachen herangezogen werden, die noch nicht länger als zwei Wochen bekannt waren. Ausnahmen hierzu gibt es aber bei Dauerdelikten. Die Rechtsprechung zu Organmitgliedern lässt sogar das wiederholte Auftreten von vergleichbaren Pflichtverletzungen ausreichen, so lange ein innerer Zusammenhang zwischen den Pflichtverletzungen besteht1.
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III. Besonderheiten der einzelnen Führungskräfte Die vorgestellten allgemeinen Grundsätze gelten sowohl für Organmitglieder (GmbH-Geschäftsführer, Vorstände von Aktiengesellschaften, Vorstände von Genossenschaften) als auch für Leitende Angestellte, die nicht Organmitglieder sind.
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Für die Leitenden Angestellten, die nicht Organmitglieder sind, ergeben sich gegenüber den sonstigen arbeitsrechtlichen Maßgaben zum Recht der fristlosen Kündigung keine Besonderheiten. Allenfalls kann das Gewicht von den Vertrauensbereich betreffenden Pflichtverletzungen umso höher sein, als die Stellung des Leitenden Angestellten selbständiger und unternehmenswesentlicher ist. Dies ist indes eine Frage des Einzelfalls. Zur allgemeinen Dogmatik kann auf die umfassenden Kommentierungen zum Recht der außerordentlichen fristlosen Kündigung von Arbeitnehmern verwiesen werden2.
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Dem gegenüber gibt es hinsichtlich der Organmitglieder Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese ergeben sich aus den unterschiedlichen Pflichtenbindungen und Stellungen der jeweiligen Organmitglieder innerhalb der Verfassung der Gesellschaften. Während der Geschäftsführer einer GmbH gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG einem umfassenden und auch situativ gebundenen Weisungsrecht der Gesellschafter unterliegt, ist dies für Vorstände von Aktiengesellschaften sowie Genossenschaften nicht der Fall. Demgemäß ergibt sich auch eine unterschiedliche Kasuistik zum Recht der außerordentlichen fristlosen Kündigung.
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1. GmbH-Geschäftsführer Der GmbH-Geschäftsführer unterliegt gemäß § 37 Abs. 1 einem umfassenden Weisungsrecht durch die Gesellschafterversammlung. Ungeachtet dessen ist er nach dem GmbHG noch weiteren gesetzlichen Verpflichtungen unterworfen, deren Verletzung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Anstellungsverhältnisses führen kann. So hat der GmbH-Geschäftsführer beispielsweise ein allgemeines Wettbewerbsverbot zu wahren3, gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 1 BGB v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173, 174. 2 Z.B. Ascheid/Preis/Schmidt/Dörner, § 626 BGB Rz. 180 ff.; KR/Fischermeier, Rz. 128 ff. 3 Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 45 Rz. 3.
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Teil 4 Rz. 213
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
AktG analog stets Stillschweigen über alle vertraulichen Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft zu wahren sowie allgemeine Treuepflichten zu beachten, in deren Konsequenz es ihm beispielsweise untersagt ist, seine Organstellung im eigenen Interesse auszunutzen1. Der Geschäftsführer hat gemäß § 41 GmbHG den Buchführungspflichten der Gesellschaft (§§ 238 Abs. 1, 242 HGB) nachzukommen; er hat nach § 42a Abs. 1 GmbHG den Jahresabschluss und den Lagebericht der Gesellschaft unverzüglich nach Aufstellung den Gesellschaftern vorzulegen. Gemäß § 51a GmbHG haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht in die Bücher und Schriften zu gestatten. Falls die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat, muss dieser zur Wahrnehmung seiner Überwachungs- und Beratungsfunktion ausreichend und zeitgerecht unterrichtet werden. Zwar sind die Geschäftsführer nicht zu einer regelmäßigen Berichterstattung verpflichtet (arg. e. § 52 Abs. 1 GmbHG, § 90 Abs. 1, Abs. 2 AktG), haben aber zumindest jederzeit auf Verlangen Bericht zu erstatten. Schließlich hat der GmbH-Geschäftsführer nach § 49 Abs. 3 GmbHG die Gesellschafterversammlung unverzüglich einzuberufen, wenn aus der Jahresbilanz oder aus einer im Laufe des Geschäftsjahres aufgestellten Bilanz ersichtlich ist, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Weitergehend formuliert § 15a InsO die Verpflichtung der Geschäftsführer, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen. Sämtliche genannten Pflichten können bei Verletzung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages führen, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sie in der Regel gemäß § 43 GmbHG bzw. § 64 Satz 1, 2 GmbHG auch zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen können. 213
Besonderheiten hinsichtlich des GmbH-Geschäftsführers ergeben sich sowohl hinsichtlich des wichtigen Grundes als auch hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB.
a) Wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung 214
Das Anstellungsverhältnis kann von beiden Seiten aus wichtigem Grunde gemäß § 626 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Grund für eine solche Kündigung können sowohl ein vorwerfbares Verhalten des jeweils anderen Vertragspartners sein als auch betrieblich bedingte Gründe. Allgemein sind an die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers sowie an die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch den GmbH-Geschäftsführer erheblich niedrigere Anforderungen zu stellen als an entsprechende Kündigungen in einem Arbeitsverhältnis, vgl. Rz. 180 ff. Die folgende Aufzählung soll einen Überblick über die Kasuistik zu den wichtigen Gründen zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Anstellungsverhältnisses geben, und zwar differenziert nach der Kündigung durch die Gesellschaft und der Kündigung durch den Geschäftsführer. Die Aufzählung erhebt freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ebenso kann ein Urteil, in dem ein bestimmtes 1 Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 45 Rz. 6.
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Rz. 216 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
Verhalten beschrieben wird, nicht als zwingendes Indiz für die Berechtigung oder Nichtberechtigung einer Kündigung in einem anderen Fall herangezogen werden. Entscheidend sind stets alle Umstände des Einzelfalles, aufgrund derer dann die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen sind. Von Bedeutung sind vor allem die Schwere der Pflichtverletzung und ihre Folgen für die Gesellschaft, die Dauer der Tätigkeit des Geschäftsführers und seine Verdienste sowie die Folgen der Kündigung für den Betroffenen1.
aa) Kündigung durch die Gesellschaft Im Folgenden sollen exemplarisch Kündigungsgründe aus der Rechtsprechung wiedergegeben werden. Da es für die Berechtigung zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung stets auch auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, sind solche Umstände, sofern sie für die Entscheidung prägend waren, stichpunktweise wiedergegeben.
215
(1) Gründe im Verhalten des Geschäftsführers – „Unberechtigte“ Amtsniederlegung durch den Geschäftsführer: Hier: Geschäftsführer befürchtet bei Umsetzung einer an ihn gerichteten Weisung der Gesellschafter eine negative Entwicklung mit drohendem Zusammenbruch des Unternehmens und legt deshalb sein Amt nieder. Qualifizierung als unberechtigt, da der Geschäftsführer auch in solchen Fällen verpflichtet bleibt, seine Aufgabe mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen2. – Beschleunigung des Niedergangs der Gesellschaft, hier: Veranlassung eines Dritten, der ein Darlehen mit eigenkapitalersetzendem Charakter gegeben hatte, zum Abzug des Darlehens bei drohender Insolvenz3. – Unvollständige Information der Gesellschafterversammlung. Verschweigen wesentlicher Informationen aus dem Kerngeschäftsfeld der Gesellschaft, hier: Verschweigen des Preises zum Verkauf von Wohnungen bei der Privatisierung eines Wohnungsbestandes4. – Grobe Überschreitung der Kompetenzen und Unterlaufen der vorgeschriebenen Kontrollen sowie daraus resultierender Vermögensgefährdung der Gesellschaft, hier: Nichtbeachtung eines vertraglichen und satzungsgemäßen Zustimmungserfordernisses der Gesellschafterversammlung bei außergewöhnlichen Geschäften5. – Missachtung eines vertraglichen Zustimmungsvorbehaltes bei Nebentätigkeiten6. 1 Marsch-Barner/Diekmann in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 43 Rz. 82. 2 OLG Celle v. 4.2.2004 – 9 U 203/03, GmbHR 2004, 425. 3 OLG Frankfurt v. 3.7.2008 – 15 U 3/07, GmbHR 2009, 825. 4 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173. 5 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173. 6 BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173.
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Teil 4 Rz. 216
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
– Verschweigen der fristlosen Kündigung eines Mitarbeiters, wenn möglicherweise durch die Kündigung das zuvor beschlossene Personal-Budget einer Revision bedurft hätte oder eine solche Revision durch die Gesellschafterversammlung zumindest im Bereich des Möglichen gelegen hätte1. – Manipulation von OP-Listen (Liste offener Forderungen) durch Selektierung von Ausdrucken (Ausblendung einzelner Kunden) gegenüber der Gesellschafterversammlung2. – Verweigerung der Auskunft nach § 51a GmbHG, hier: Beharrliche Weigerung einer Auskunft darüber, wo ein Geldbetrag von erheblicher Höhe – 90 000,00 DM – verblieben ist, den der Geschäftsführer bar von einem Gesellschaftskonto abgehoben hatte3. – Unterlassen der Information über den Verlust von Stammkapital gemäß § 49 Abs. 3 GmbHG4. – Unterlassen der Einrichtung einer entsprechenden innergesellschaftlichen Organisation (Geschäftsführungspflicht) zur Überwachung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft, damit bei Anzeichen einer krisenhaften Entwicklung durch Aufstellung einer Zwischenbilanz oder eines Vermögensstatus ein Überblick über den Vermögensstand geschaffen werden kann und hiermit der Verpflichtung nach § 49 Abs. 3 GmbHG, § 15a InsO nachgekommen werden kann, es sei denn, der die GmbH beherrschende Gesellschafter hat den Geschäftsführer im Innenverhältnis von seiner Überwachungsaufgabe freigestellt5. – Vorenthalten wichtiger Informationen, die zur ordnungsgemäßen Buchführung der Gesellschaft notwendig sind, gegenüber einem Mitgeschäftsführer6. – Illoyales Verhalten des Geschäftsführers, das geeignet ist, den Alleingesellschaftern das Vertrauen in eine gute, reibungslose, sachorientierte und für das Unternehmen positive Zusammenarbeit verlieren zu lassen. Hier: Äußerungen des Geschäftsführers über den Alleingesellschafter gegenüber Angestellten, Bezeichnung des Alleingesellschafters als „Wurzel allen Übels“ und einen „ganz einfachen Mann, nicht besonders gebildet“. Äußerungen über den Alleingesellschafter gegenüber Bewerberinnen um einen Arbeitsplatz, Bezeichnung des Alleingesellschafters als „Choleriker“ oder „als schwierigen Menschen“. Äußerungen gegenüber Bewerbern, die Gesellschaft und die Alleingesellschafter hätten einen schlechten Ruf und damit einhergehend der Ratschlag, an der Bewerbung nicht festzuhalten7. – Verschweigen einer Globalzession gegenüber der Gesellschafterversammlung sowie der sich daraus verändernden Beziehung zur Hausbank8. 1 2 3 4 5 6 7 8
OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. OLG Frankfurt v. 24.11.1992 – 5 U 67/90, NJW-RR 1994, 498. BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, NJW-RR 1995, 669. BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, NJW-RR 1995, 669. BGH v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850. BGH v. 14.2.2000 – II ZR 218/98, NZA 2000, 543. OLG Oldenburg v. 28.6.2001 – U 132/00.
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Rz. 217 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
– Unberechtigte Abrechnung von Spesen. Hier: Abrechnung von Benzinkosten für eine Privatfahrt nach Überlassung eines Pkw auch zu Privatfahrten ohne gleichzeitige Übernahme der Kosten des Benzins für Privatfahrten1. – Missbräuchliche Nutzung der Geschäftschancen der GmbH zu eigenen Zwecke: Hier: Tätigen eigener Grundstücksgeschäfte statt diese der GmbH zu überlassen2. – Zugriff auf das Gesellschaftskonto und Überführung von Beträgen in das Privatvermögen, auch dann, wenn dieses Vorgehen dazu dient, die Befriedigung zukünftiger eigener Ansprüche gegen die GmbH zu sichern3. – Schlechterfüllung der gesetzlichen Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses, hier: Unterlassen der Überprüfung erheblicher Bewertungsdivergenzen in den Zahlenwerken mit der Konsequenz, dass fälschlich erheblich höhere Ergebnisse als berechtigt ausgewiesen worden sind4. – Andienen an einen Wettbewerber, diesem gegen Anstellung und Zahlung einer stattlichen Vergütung mit seinem Wissen zur Seite zu stehen, wenn sich die Gesellschaft mit diesem Mitbewerber in einer rechtlichen Auseinandersetzung befindet5. – Unrettbares Zerwürfnis mit einem Mitgeschäftsführer, sofern auch der gekündigte Geschäftsführer hierzu beigetragen hat. Hier: Unberechtigte Vorwürfe der Misswirtschaft gegenüber dem Mitgeschäftsführer „Die Schlamperei muss aufhören – letzte Warnung“6. – Vorwerfbare Kompetenzüberschreitung, hier: Mehrfacher Abschluss von Verträgen jenseits der Volumengrenze des Anstellungsvertrages ohne die deshalb notwendige Einholung der Zustimmung der Gesellschafterversammlung7. – Geschäftliches Versagen je nach Einzelfall. Hier: Versagen über längere Zeit hinweg ohne Angabe der Details8.
(2) Betriebliche Gründe – Wirtschaftlicher Niedergang des Betriebes, wenn für eine echte Geschäftsführertätigkeit in der vereinbarten Art kein Raum mehr ist, hier: Verlust des Hauptkunden, Gesellschaft tätigt praktisch keine Umsätze mehr. Ausdrückliche Ablehnung der arbeitsrechtlichen Betriebsrisikolehre, Erwägung, ob in einem solchen Fall eine außerordentliche Kündigung nur unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist i.S. einer „kurzen Übergangszeit“ zulässig ist9. 1 2 3 4 5 6 7 8 9
KG Berlin v. 10.11.2000 – 14 U 9587/99, NZG 2001, 325. BGH v. 13.2.1995 – II ZR 225/93, NJW 1995, 1358. OLG Köln v. 28.6.1995 – II U 97/94, GmbHR 1996, 92. OLG Bremen v. 20.3.1997 – 2 U 110/96, NZA-RR 1998, 61. KG Berlin v. 6.1.1990 – 23 U 8694/96, NZG 1999, 764. BGH v. 24.2.1992 – II 79/91, NJW-RR 1992, 993. KG Berlin v. 17.12.2004 – 14 U 226/03, GmbHR 2005, 477. BGH v. 29.1.1976 – II ZR 3/74, DB 1976, 859. BGH v. 21.4.1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761.
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Teil 4 Rz. 218
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
– Teilweiser Aufgabenwegfall durch Eingliederung in einen Konzern. Hier: Geschäftsführer ist nach Konzerneingliederung nicht mehr vollständig ausgelastet und verweigert die Übernahme anderer, nicht vertragskonformer Tätigkeiten zur Ausfüllung dieser Lücke1.
bb) Kündigung durch den Geschäftsführer 218
Die Frage, wann der Geschäftsführer einer GmbH sein Anstellungsverhältnis außerordentlich fristlos kündigen kann, stellt sich häufig dann, wenn er zuvor durch die Gesellschaft von seinem Amt abberufen worden ist. Bleibt der Anstellungsvertrag ungekündigt, ist der Geschäftsführer an der Ausübung einer anderweitigen Tätigkeit zunächst gehindert, hat umgekehrt aber einen Vergütungsanspruch gegen die Gesellschaft. Möchte der Geschäftsführer nun eine anderweitige Tätigkeit aufnehmen, muss er das Anstellungsverhältnis seinerseits kündigen. In der Regel wird dies nicht zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft führen. Verlangt der Geschäftsführer dann allerdings gemäß § 628 Abs. 1 BGB Schadenersatz für die ihm entgangene Vergütung, so hängt der Anspruch davon ab, ob die Kündigung durch den Geschäftsführer durch vertragswidriges Verhalten der Gesellschaft veranlasst war oder nicht.
219
Die Freistellung des Geschäftsführers durch die Gesellschaft ist nicht stets ein Grund für eine fristlose Kündigung durch den Geschäftsführer. Sie kann dies dann sein, wenn der Geschäftsführer infolge der Freistellung erhebliche wirtschaftliche Nachteile zu vergegenwärtigen hat, weil er infolge der Freistellung den Tantiemeanspruch verliert und zudem infolge des vertraglichen Wettbewerbsverbotes gehindert ist, den Verlust zu kompensieren2. Grundsätzlich wird man indes davon ausgehen müssen, dass der abberufene Geschäftsführer kein existenzielles Interesse an einer tatsächlichen faktischen Weiterbeschäftigung hat, weil er aufgrund des fortbestehenden Anstellungsvertrages in Verbindung mit § 615 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts hat. Er hat nur insoweit ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung, als die Nichtbeschäftigung von ihm als Ansehensverlust oder Minderung der Lebensfreude empfunden wird3. Dieses Interesse überwiegt in der Regel nicht die Interessen der Gesellschaft. Ist das Festhalten am Anstellungsvertrag zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist solchermaßen für den Geschäftsführer zumutbar, liegt folglich auch kein wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung durch den Geschäftsführer vor.
220
Werden einem Geschäftsführer durch einen Mitgeschäftsführer fortwährend wichtige Informationen vorenthalten, die dieser zur Ausführung seiner gesetzlichen Pflichten benötigt, z.B. notwendige Buchhaltungsunterlagen, so berechtigt dies den Geschäftsführer zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung4. 1 2 3 4
OLG Nürnberg v. 9.6.1999 – 12 U 4408/98, NZA-RR 2000, 637. LG Lüneburg v. 3.2.2011 – 7 O 4/11, n.v.; OLG Celle v. 24.2.2011 – 9 U 16/11, n.v. BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, NJW 2011, 920. BGH v. 26.6.1995 – II ZR 109/94, NJW 1995, 2850.
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Rz. 223 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
Wird die Kompetenz eines Geschäftsführers durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages in einem Kernbereich (zustimmungsbedürftige Geschäfte) weitgehend eingeschränkt, stellt dies einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den Geschäftsführer dar. Der Geschäftsführer ist dann berechtigt, Schadenersatz nach § 628 BGB zu verlangen, obwohl die Änderung des Gesellschaftsvertrages als solche legitimes gesellschaftliches Handeln ist1. Die Berechtigung dieser Rechtsprechung darf angezweifelt werden: Legitimes gesellschaftsrechtliches Verhalten kann keinen wichtigen Grund zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung darstellen. Die Möglichkeit der Änderung des Gesellschaftsvertrages durch die Gesellschafterversammlung und damit die Veränderung von Umgebungsvariablen des Anstellungsverhältnisses ist in jeder Gesellschaft jederzeit möglich. Diese Möglichkeit ist also auch jedem Anstellungsvertrag immanent. Dem Geschäftsführer wird durch die Veränderung des Gesellschaftsvertrages nicht die Möglichkeit genommen, den Pflichten seines Anstellungsvertrages nachzukommen. Die Einschränkung des Handlungsspielraumes als solche mag das Amt unattraktiv machen. Eine Unzumutbarkeit der Erfüllung des Vertrages zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist ist hiermit aber nicht verbunden.
221
Sieht ein Anstellungsvertrag vor, dass der Geschäftsführer erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zum Geschäftsführer berufen wird und unterbleibt diese Bestellung zum Geschäftsführer, berechtigt dies den „Geschäftsführer“ zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung und zur Geltendmachung des Schadensersatzes nach § 628 BGB. Dies gilt jedenfalls dann, wenn den verhinderten Geschäftsführer an der unterbliebenen Bestellung kein Verschulden trifft bzw. keine objektiven Eignungsmängel vorliegen2.
222
Werden einem Geschäftsführer nachhaltig Pflichtverletzungen vorgeworfen und wird er des geschäftsschädigenden Verhaltens beschuldigt, kann dies zum Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den beschuldigten Geschäftsführer berechtigen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn Form oder Inhalt der Anschuldigung nicht ausschließlich sachorientiert sind. Im konkreten Fall enthielt ein langes, von einem Geschäftsführer an den anderen Geschäftsführer gerichtetes Schreiben, Wendungen wie „Hast du mich … in der übelsten Weise hintergangen“, „es ist längst nicht nur mir klar, dass du …. lügst“, „deine mangelnde Liebe zur Wahrheit …“, „hast du nicht nur mich, sondern auch meine Frau belogen“, „schämst du dich eigentlich nicht, so viel Geld für eine Tätigkeit zu erhalten …“ usw. Die Gesellschaft hat in einem solchen Fall die Konsequenzen des Verhaltens des schuldhaft handelnden Geschäftsführers zu vertreten und haftet deshalb unmittelbar auf Schadenersatz gemäß § 628 BGB3.
223
1 OLG Frankfurt v. 17.12.1992 – 26 U 54/92, NJW-RR 1993, 1259. 2 BAG v. 8.8.2002 – 8 AZR 574/01, NZA 2002, 1323. 3 BGH v. 9.3.1992 – II ZR 102/91, NJW-RR 1992, 992.
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Teil 4 Rz. 224
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
b) Ausschlussfrist 224
Die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte, also die Gesellschafterversammlung, eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat. Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis ist ohne Bedeutung1. Die Kenntnis von ersten Verdachtsmomenten reicht grundsätzlich nicht aus, die Ausschlussfrist in Gang zu setzen. Selbst wenn solche Anhaltspunkte für einen Sachverhalt vorliegen, der zur fristlosen Kündigung berechtigen könnte, darf der Kündigungsberechtigte bis zu der Grenze, die ein verständig handelnder Arbeitgeber beachten würde, Ermittlungen anstellen und den Betroffenen oder Zeugen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Erst wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind und der Kündigende die zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes hat, beginnt die Ausschlussfrist zu laufen2.
225
Ermittlungen müssen allerdings mit einem zumutbaren Maß an Beschleunigung geführt werden. Besteht die einzige Ermittlung in der Anhörung des betroffenen Geschäftsführers, ist der Lauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB in der Regel nicht länger als eine Woche gehemmt.
226
Für die die Zwei-Wochen-Frist in Lauf setzende Kenntnis kommt es alleine auf den Wissensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündigung berufenen und bereiten Gremiums der Gesellschaft an3. Dies ist bei einer GmbH die Gesellschafterversammlung oder, sofern gebildet, ein Aufsichtsrat. Auf die Kenntnis einzelner Personen des Gremiums kommt es nicht an, selbst dann nicht, wenn es sich um den Vorsitzenden handelt4. Welcher Umfang der Kenntnis notwendig ist, ist Frage des Einzelfalls. Aufgrund der Tatsache, dass in der Regel der Geschäftsführer aufgrund seiner weitgehenden Informationspflicht die Verantwortung dafür trägt, was das entscheidungsrelevante Gremium weiß, tendiert die Rechtsprechung aber zu Recht dazu, die Grenzen der nicht vollständigen Kenntnis weit zu ziehen und somit den Lauf der Zwei-Wochen-Frist spät anzusetzen5.
227
Bedarf es einer Einberufung des zuständigen Gremiums, müssen die satzungsgemäß zur Einberufung verantwortlichen Personen mit der ihr billigerweise zuzumutenden Beschleunigung vorgehen und das Gremium in angemessen kurzer Zeit einberufen. Eine Regelfrist gilt insoweit nicht, bei unangemessener Verzögerung muss sich aber die Gesellschaft nach Treu und Glauben so behandeln lassen, als wäre die zuständige Versammlung zeitgerecht geladen und informiert worden. Den tatsächlichen Lauf der Frist löst allerdings auch hier nur die vollständige Kenntnis aller Tatsachen aus6. Diese Differenzierung macht 1 2 3 4 5
OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. OLG Düsseldorf v. 2.7.2007 – I-9 U 3/07, AG 2008, 166. BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173. BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173. Vgl. z.B. BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NJW-RR 2002, wo es Sache des Klägers war, den Aufsichtsrat zu informieren und so lange, wie dies nicht erfolgt war, die Frist auch nicht lief. 6 OLG Düsseldorf v. 2.7.2009 – I-9 U 307/AG 2008, 166.
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Rz. 230 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast einen Unterschied: Für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ist die Gesellschaft darlegungs- und beweisbelastet. Für alle Umstände, die die Wertung tragen sollen, dass die Gesellschaft sich nach § 242 BGB so zu behandeln lassen hat, als hätte das entscheidungserhebliche Gremium vorher Kenntnis gehabt, als dies tatsächlich erfolgte, ist hingegen der Geschäftsführer darlegungs- und beweisbelastet. Umstände, die dem entscheidungserheblichen Gremium länger als zwei Wochen bekannt sind, scheiden grundsätzlich als Kündigungsgründe aus. Knüpft allerdings die Kündigung an eine lange Folge von vergleichbaren Verhaltensweisen an, so ist auf den letzten der vergleichbaren Sachverhalte abzustellen. Voraussetzung ist allerdings ein innerer Zusammenhang zwischen den verschiedenen Fällen, zumindest also eine sachliche Vergleichbarkeit1.
228
Für die Bestimmung des Fristbeginns bei Verdachtskündigung ist darauf abzustellen, wann dem Kündigungsberechtigten diejenigen Tatsachen bekannt geworden sind, die ihn in den Stand versetzten, die notwendige Bewertung vorzunehmen, ob er die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für unzumutbar hielt. Fristbeginn ist damit der Eintritt der abschließenden Bewertung der Verdachtsgründe und des dadurch ausgelösten Vertrauenswegfalls2. Aufgrund der Tatsache, dass der Zeitpunkt der Kenntnisnahme in der Regel durch Hinauszögern, Unterbrechen und Wiederaufnehmen der Ermittlungen manipulierbar ist, verlangt insbesondere auch bei der Verdachtskündigung die Rechtsprechung eine zügige Ermittlung. Bei nicht gerechtfertigtem Untätigbleiben oder Verzögern beginnt der Fristlauf3.
229
c) Rechtsfolgen der außerordentlichen fristlosen Kündigung Mit Zugang der außerordentlichen fristlosen Kündigung erlischt der Gehaltsanspruch aus dem Anstellungsvertrag. Erachtet der Kündigungsempfänger die Kündigung als nicht berechtigt, muss er den anderen in den Annahmeverzug setzen. Hat beispielsweise die Gesellschaft dem Geschäftsführer gekündigt und möchte der Geschäftsführer das hierdurch entgangene Gehalt geltend machen, ist dies nur dann möglich, wenn er der Kündigung widerspricht und seine Dienste anbietet, §§ 615, 293 ff. BGB4. Allerdings wird auch hinsichtlich des Geschäftsführers der arbeitsrechtliche Grundsatz zu beachten sein, dass ein wörtliches Angebot (§ 285 BGB) dann entbehrlich ist, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass eine Weiterbeschäftigung durch die Gesellschaft nicht erfolgen soll. In der Regel wird sich dies bereits aus der Tatsache einer außerordentlichen fristlosen Kündigung ergeben, jedenfalls aber daraus, dass die Gesellschaft einen neuen Geschäftsführer bestellt und somit die Position des bisherigen Geschäftsführers unwiederbringlich besetzt5.
1 2 3 4 5
BGH v. 10.9.2001 – II ZR 14/00, NRW-RR 2002, 173. LAG Berlin v. 30.6.1997 – 9 SA 43/97, NZA-RR 1997, 424. LAG Berlin v. 30.6.1997 – 9 SA 43/97, NZA-RR 1997, 424. OLG Koblenz v. 7.10.1993 – 6 U 547/91, NJW-RR 1994, 1058. BGH v. 9.10.2000 – II ZR 75/99, NJW 2001, 287.
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Teil 4 Rz. 231
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
231
Hat die Gesellschaft das Dienstverhältnis – unwirksam – außerordentlich fristlos gekündigt, ist dies grundsätzlich kein vertragswidriges Verhalten gemäß § 628 Abs. 1 BGB. Der Geschäftsführer erlangt also hierdurch kein eigenes fristloses Kündigungsrecht, sondern ist auf die Geltendmachung der Verzugslohnansprüche oder der Ansprüche nach § 628 BGB verwiesen.
232
Eine Klagefrist entsprechend den Regelungen des KSchG gibt es für GmbHGeschäftsführer nicht. Eine Ausnahme hierfür gilt aber für Gesellschafter-Geschäftsführer. Wird dessen Anstellungsvertrag gekündigt und möchte er die Kündigung zur Fortsetzung der Tätigkeit bzw. Erhaltung der Position innerhalb der Gesellschaft beseitigen, bedarf es als Folge der Gesellschafterposition der unverzüglichen Anfechtung des der Kündigung zugrunde liegenden Gesellschafterbeschlusses. Hierzu gilt die starre Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG nicht. Gleichwohl ist die Anfechtungsklage innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden angemessenen Frist zu erheben, die in der Regel zwar nicht kürzer sein wird als einen Monat ab Beschlussfassung, jedoch auch nicht wesentlich länger1.
2. AG-Vorstand/Vorstand einer Genossenschaft 233
Der Vorstand einer Aktiengesellschaft hat – genauso wie der Vorstand einer Genossenschaft – eine wesentlich freiere Position innerhalb der Gesellschaft als der GmbH-Geschäftsführer. Weder der AG-Vorstand noch der GenossenschaftVorstand unterliegen Einzelweisungen der Gesellschafter, vgl. § 76 AktG, 27 Abs. 1 GenG. Mit dieser freien Stellung einher geht auch eine höhere Anforderung an Integrität und Vertrauen der Führungskraft. Diese Wertung fließt in die Frage des wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB mit ein.
234
§ 84 Abs. 3 AktG regelt, dass ein Vorstand aus wichtigem Grunde, namentlich einer groben Pflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung oder einem Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung aus dem Amt abberufen werden kann. § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG regelt, dass für Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag die allgemeinen Vorschriften gelten. Hieraus folgt, dass das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB selbständig oder unabhängig von der Frage der Amtsstellung zu prüfen ist. Wird die Amtsstellung aus wichtigem Grunde widerrufen, so reicht dies alleine nicht zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung auch des Dienstvertrages aus2.
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Die Verweisung in § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG auf die allgemeinen Vorschriften führt dazu, dass Sondervorschriften des AktG zur Beurteilung des wichtigen Grundes keine Anwendung finden. So ist die Beweislastumkehr des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, die die Beweislast im Schadenersatzprozess regelt, nicht auf die Darlegung der eine Kündigung tragenden Gründe anwendbar, und zwar auch nicht analog3. 1 Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, § 47 Rz. 144. 2 OLG Karlsruhe v. 28.4.2004 – 7 U 62/03, NZA 2005, 300; Hüffer, § 84 AktG Rz. 39. 3 OLG Stuttgart v. 23.12.2008 – 1 U 110/08.
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Rz. 236 Teil 4
Außerordentliche Kündigung
Hinsichtlich des Vorliegen eines wichtigen Grundes lassen sich die obigen Ausführungen zum GmbH-Geschäftsführer (vgl. oben Rz. 214 ff.) entsprechend heranziehen. Die Rechtsprechung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung von Dienstverhältnissen von AG-Vorständen ist rar gesät. Die einschlägigen Kommentierungen verweisen in der Regel auf die GmbH-Geschäftsführer betroffenen Fälle1. Aufgrund der erhöhten Rechenschafts-, Prüfungs-, Wahrnehmungs- und Überwachungspflichten sowie der Wahrnehmung der ArbeitgeberFunktion können sich bereits verhältnismäßig kleine Dienstverfehlungen im Rahmen der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung zu Lasten des Vorstandes auswirken. Eine Schlechterfüllung der dienstvertraglichen Pflichten kann bereits ein wichtiger Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Vorstandes sein2. Aus der Rechtsprechung sind folgende Fälle bekannt: – Private Entgegennahme unentgeltlicher Dienstleistungen eines Vertragspartners der Anstellungsgesellschaft unter Inanspruchnahme des „Großkundenrabatts“. Dabei kommt es nicht maßgeblich auf die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils an, weil das Geschehen an sich angesichts der Interessenskollision und der herausgehobenen Position des Vorstandes geeignet ist, die sofortige Beendigung der Anstellung als Vorstandsvorsitzenden zu rechtfertigen. Denn der Vorstand hat unentgeltliche Vorteile in Anspruch genommen und hat hiermit das Vertrauen in die Amtsintegrität beschädigt3. – Ausübung einer Vertretungsbefugnis entgegen einer Vertretungsbeschränkung, konkret Alleinvertretung trotz Anordnung der zwingenden Gesamtvertretung. Gegenstand der geschäftlichen Handlung war die Kündigung von Dienstleisterverträgen4. – Die Ankündigung, über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren zu beantragen, kann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung sein, es sei denn, es lägen tatsächlich eine Überschuldung oder Illiquidität vor. Im nachfolgenden Prozess muss die Gesellschaft zur Wirksamkeit der Kündigung darlegen und beweisen, dass tatsächlich kein Insolvenzgrund vorlag5. – Gefährdung der Vermögensinteressen der Gesellschaft. Erfährt ein Vorstandsmitglied eines Kreditinstituts, das für den Fondsvertrieb zuständig ist, als privater Anleger von der finanziellen Schieflage eines Fonds und hat er zudem Kenntnis von Beanstandungen eines Steuerberaters gegenüber diesem Fonds, ist er im wohlverstandenen wirtschaftlichen Interesse des Kreditinstituts gehalten, den gesamten Vorstand hierüber zu unterrichten. Unterlässt er dies, begeht er eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die eine fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages rechtfertigt6.
1 Vgl. z.B. Wiesner in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Aktiengesellschaft, § 21 Rz. 75 m.w.N.; Hüffer, § 84 AktG Rz. 40. 2 OLG Oldenburg v. 28.6.2001 – 1 U 132/00. 3 OLG Celle v. 11.11.2009 – 9 U 31/09, AG 2010, 210. 4 OLG Frankfurt v. 29.7.2008 – 5 U 151/05, AG 2009, 335. 5 BGH v. 12.2.2007 – II ZR 308/05, AG 2007, 446. 6 KG Berlin v. 11.3.2005 – 14 U 137/03, AG 2005, 737.
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Teil 4 Rz. 237
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
– Verdacht von Straftaten. Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung eines Anstellungsverhältnisses zumindest eines für Finanzen und Steuern zuständigen Vorstandsmitgliedes ist gegeben, wenn gegen dieses Vorstandsmitglied der begründete Verdacht der versuchten Steuerhinterziehung besteht1. Mit „begründeter Verdacht“ kann lediglich gemeint sein, dass objektive Tatsachen vorhanden sind, die aus Sicht eines objektiven Dritten den Verdacht stützen. Der vorherigen strafrechtlichen Verurteilung bedarf es indes nicht. – Verfehlen gesetzlicher Anforderungen, denen die Gesellschaft unterworfen ist. Hier: Unterlassen bestimmter Maßnahmen zum Risikomanagement und zur Kreditrisikosteuerung durch den zuständigen Vorstand2. 237
Kein Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages ist es hingegen, wenn der Vorstand ein Aufsichtsratsmandat in einer anderen Gesellschaft annimmt, ohne zuvor die Einwilligung seines Aufsichtsrates hierzu eingeholt zu haben, tatsächlich jedoch ein Anspruch auf Einwilligung bzw. Genehmigung durch den Aufsichtsrat bestand3.
238
Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ist auch die Eingehung geschäftlicher Risiken kein Grund zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Vorstand hat bei der Leitung der Geschäfte einen weiten Handlungsspielraum, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen4.
239
Hinsichtlich der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB kann ebenfalls auf die Ausführungen zum GmbH-Geschäftsführer verwiesen werden. Ermittelt der Aufsichtsratsvorsitzende einer Aktiengesellschaft vor Einberufung des Aufsichtsrates zur Entscheidungsfindung über die fristlose Kündigung, so ist die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn zwischen Kenntniserlangung des Aufsichtsratsvorsitzenden von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen und der Einberufung des Aufsichtsrats zur Entscheidung über den Fortbestand des Vorstandsdienstvertrages ein Zeitraum von 2,5 Monaten liegt5.
1 2 3 4 5
LG Köln v. 21.11.2003 – 87 U 182/02, AG 2004, 570. LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682. KG Berlin v. 3.5.2007 – 23 U 102/06, AG 2007, 745. OLG München v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04, AG 2005, 776. OLG München v. 14.7.2005 – 6 U 5444/04, AG 2005, 776.
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C. Änderungskündigung Das Rechtsinstitut der Änderungskündigung ist eine Besonderheit des Arbeitsrechtes. Allgemein gilt der Grundsatz „pacta sunt servanda“, einmal geschlossene Verträge sind also einzuhalten. Ein einseitiger Eingriff in die Rechte und Pflichten eines Anstellungsvertrages ist keiner der Parteien zugestanden. Möchte eine der Vertragsparteien den Vertrag ändern, ist dies grundsätzlich nur durch Ausspruch einer Kündigung und Abschluss eines neuen Vertrages zulässig.
240
Da im Arbeitsrecht die Kündigung des Dienstvertrages ultima ratio ist, kommt sie dann nicht in Betracht, wenn die Fortsetzung des Anstellungsvertrages möglich ist. Ist sie jedoch nur unter veränderten Bedingungen möglich und kündigt der Dienstberechtigte deshalb den Vertrag, stünde der Arbeitsvertrag ohne zwingenden Grund insgesamt zur Disposition. Aus diesem Grunde hat die arbeitsrechtliche Dogmatik das Rechtsinstitut der „Änderungskündigung“ entwickelt. Eine jede Änderungskündigung beinhaltet stets zwei Regelungsinhalte, nämlich zum einen die unbedingte Beendigungskündigung des Arbeitsvertrages und – als Ausdruck des Ultima-ratio-Prinzips – zum anderen das Angebot auf Fortsetzung des (gekündigten) Vertrages zu unveränderten Arbeitsbedingungen. Die Änderungskündigung ist damit eine echte Beendigungskündigung und in erster Linie auf Beendigung des Anstellungsvertrages gerichtet. Zulässig wird die Kündigung unter dem Gesichtspunkt des Ultima-ratio-Prinzips nur deshalb, weil mit ihr zugleich auch eine Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses zu veränderten Bedingungen angeboten wird. Wird dieses Angebot dann abgelehnt, obwohl der Arbeitnehmer es billigerweise hätte annehmen müssen, führt dies zur Wirksamkeit der Beendigungskündigung.
241
Inhalt des Änderungsangebotes kann die Fortsetzung unter jeglicher geänderten Bedingung sein. Allerdings müssen im Änderungsangebot die Bedingungen hinreichend konkret umschrieben sein.
242
Der Arbeitgeber kann eine Änderungskündigung nicht ohne jegliche Überlegungsfrist zur Annahme oder Ablehnung des Angebots aussprechen. Da ein Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, die Berechtigung einer Änderungskündigung nach § 2 Satz 2 KSchG überprüfen zu lassen, lehnt die Rechtsprechung die notwendige Überlegungsfrist an die Klagefrist des § 2 KSchG an. Es gilt daher eine Mindest-Überlegungsfrist von drei Wochen, die zur Annahme des Angebotes gesetzt werden muss1. Setzt der Arbeitgeber keine Annahmefrist, gilt § 147 Abs. 2 BGB, was zu einer Mindestannahmefrist von drei Wochen, je nach Einzelfall auch deutlich länger, führt.
243
Keine Änderungskündigung liegt vor, wenn zunächst eine Beendigungskündigung ausgesprochen und dann ein Änderungsangebot nachgeschoben wird. Es muss stets ein innerer Zusammenhang zwischen der Beendigung des Anstellungsvertrages und dem Angebot auf Neuabschluss eines Vertrages zu geänderten Bedingungen existieren. Aus diesem Grunde muss das Änderungsangebot
244
1 BAG v. 18.5.2006 – 2 AZR 230/05, NZA 2006, 1092.
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Teil 4 Rz. 245
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
spätestens zeitgleich mit der Kündigungserklärung zugehen. Ein nach diesem Zeitpunkt unterbreitetes Änderungsangebot ist nicht mehr zu berücksichtigen1. 245
Hat der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung erhalten, gibt es folgende Handlungsoptionen: Er kann das Änderungsangebot vorbehaltlos annehmen. Infolge dessen werden dann die Bedingungen des Anstellungsvertrages entsprechend dem Angebot modifiziert und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt.
246
Der Arbeitnehmer kann alternativ das Angebot auch unter dem Vorbehalt annehmen, dass sich die Änderung der Arbeitsbedingungen als sozial gerechtfertigt erweist. In diesem Falle muss der Arbeitnehmer zunächst zu den geänderten Bedingungen weiterarbeiten und dann eine Klage darauf anstreben, dass die Änderungskündigung unwirksam ist. Gewinnt er die Klage, wird das Arbeitsverhältnis zu unveränderten (früheren) Bedingungen fortgesetzt. Verliert er die Klage, gelten die mit der Änderungskündigung verbundenen neuen Arbeitsbedingungen.
247
Schließlich kann der Arbeitnehmer das Angebot auch ablehnen. In diesem Falle wird die Kündigung wie eine normale Beendigungskündigung behandelt, auf den Inhalt des abgelehnten Änderungsangebotes kommt es nicht mehr an.
248
Prüfen die Gerichte im Rahmen des § 2 KSchG auf eine Klage des Arbeitnehmers hin die Sozialwidrigkeit der Änderungskündigung, so erfolgt dies zweistufig: Zunächst wird geprüft, ob für die Vertragsänderung ein Grund in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers vorhanden ist oder ob dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot nach § 1 Abs. 2 KSchG bedingen. Liegt ein Kündigungsgrund vor, so ist im zweiten Schritt zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, nur solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen musste. Geht der Arbeitgeber mit seinem Angebot hierüber hinaus, versucht also, Vertragsänderungen herbeizuführen, die aufgrund der zuvor geprüften Kündigungsgründe nicht zwingend erforderlich waren, führt dies ebenfalls zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung als solcher.
249
Die vorstehenden Grundsätze gelten für Arbeitnehmer, also auch für Leitende Angestellte, solange diese Arbeitnehmereigenschaft haben. Für Organmitglieder gibt es keine vergleichbare Systematik der Änderungskündigung. Das KSchG findet keine Anwendung, so dass es auch keine Überprüfbarkeit der sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung bzw. des möglicherweise eine ordentliche Kündigung begleitendes Änderungsangebot gibt. Weder ist der Dienstherr verpflichtet, mit der Kündigung geänderte Vertragsbedingungen anzubieten, noch hätte das Organ die Möglichkeit ein solches Angebot auf seine soziale Rechtfertigung hin überprüfen zu lassen.
250
Berücksichtigt man demgegenüber die Tatsache, dass auch das Kündigungsrecht in einem Dienstvertrag eines Organmitgliedes unter dem grundsätzlichen Vorbehalt des Ultima-ratio-Prinzips steht, so sind unter sehr engen Ausnahmebestimmungen Änderungskündigungen denkbar. Allerdings steht einer Änderungskündigung eines Geschäftsführers oder Vorstandes grundsätzlich entgegen, dass der Anstellungsvertrag sich genau über diese Geschäftsführer1 BAG v. 17.5.2011 – 2 AZR 460/00, EzA § 620 BGB Kündigung Nr. 3.
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Rz. 251 Teil 4
Änderungskündigung
oder Vorstandstätigkeit verhält und folglich ein Herauskündigen aus dieser Stellung im Ergebnis zu einer Arbeitnehmereigenschaft innerhalb der Gesellschaft führen würde. Es darf dabei unterstellt werden, dass es für jeden Geschäftsführer/Vorstand grundsätzlich unzumutbar ist, entgegen seinem eigentlichen Anstellungsvertrag nicht nur mit anderen Arbeitsinhalten betraut zu werden, sondern auch den Status als freier Dienstnehmer zu verlieren. Von Seiten der Rechtsprechung liegt lediglich ein einziges Urteil vor, das nach dem Grundsatz des Ultima-ratio-Prinzips den Geschäftsführer verpflichtet sieht, einer partiellen Vertragsänderung zuzustimmen. Es handelt sich allerdings um einen Sonderfall der Eingliederung einer Gesellschaft in einen Konzern und der mit der Verlagerung der Aufgaben „nach oben“ verbundenen und einhergehenden Sinnlosigkeit des Geschäftsführer-Dienstvertrages. In einem solchen Fall erachtete das Gericht den Geschäftsführer einer kleinen GmbH, der infolge der Eingliederung der GmbH in einen Konzern durch seine Geschäftsführertätigkeit nicht mehr ausgelastet war, dazu verpflichtet, sachbearbeitende Tätigkeiten für die herrschende Gesellschaft neben der verbleibenden reduzierten Geschäftsführertätigkeit zu übernehmen. Als sich dieser Geschäftsführer weigerte, solchermaßen Sachbearbeitungsaufgaben zu übernehmen, wurde ihm die fristlose Kündigung des Dienstvertrages ausgesprochen. Das OLG Nürnberg erachtete diese Kündigung als berechtigt, da der Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, Sachbearbeiteraufgaben zu übernehmen1. Auch wenn selbstverständlich die Gesellschafterversammlung berechtigt ist, durch Änderungen des Gesellschaftsvertrages die tatsächlichen Befugnisse des GmbH-Geschäftsführers einzugrenzen, kann hieraus doch nicht der Grundsatz gefolgert werden, dass ein jeder Geschäftsführer zugleich auch verpflichtet ist, Sachbearbeitungstätigkeiten zu übernehmen, wenn dies anders unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft geboten ist. In einem solchen Fall muss das Dienstverhältnis des Geschäftsführers eben gekündigt werden. Es ist einem Geschäftsführer nicht grundsätzlich zuzumuten, anstelle seiner bisherigen Geschäftsführertätigkeit oder parallel dazu Sachbearbeiteraufgaben zu übernehmen.
1 OLG Nürnberg v. 9.6.1999 – 12 U 4408/98, NZA-RR 2000, 637.
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D. Aufhebungsvertrag I. Allgemeines 1. Einleitung 252
Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages wird das Dienstverhältnis einvernehmlich zwischen den Parteien beendet. Es handelt sich um einen Vertrag, der zwischen den Arbeitsvertrags-/Dienstvertragsparteien abgeschlossen wird und die einseitige Ausübung eines Gestaltungsrechtes („Kündigung“) ersetzt.
253
Vom Aufhebungsvertrag zu unterscheiden ist der sogenannten Abwicklungsvertrag. Beim Abwicklungsvertrag handelt es sich um eine vertragliche Regelung, die jedoch nicht der Beendigung des Anstellungsverhältnisses dient, sondern der Regelung aller mit der Beendigung im Zusammenhang stehenden Rechtsfragen. Der Abwicklungsvertrag läuft daher zeitlich stets einem vorherigen Beendigungsakt nach, gleichwohl er in der Regel die – deklaratorische – Erklärung beider Parteien enthält, dass der vorherige Beendigungsakt beiderseits als rechtswirksam anerkannt wird.
254
Der Abwicklungsvertrag ist aus der arbeitsrechtlichen Praxis namentlich von Hümmerich1 entwickelt worden, und zwar aus einem sozialversicherungsrechtlichen Bedürfnis heraus. Der Aufhebungsvertrag ist stets die willentliche Beendigung des Anstellungsverhältnisses auch durch den Arbeitnehmer/Dienstnehmer. Arbeitsförderungsrechtlich hat dies gemäß § 144 SGB III eine zwölfwöchige Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zur Konsequenz, da es sich bei dem Abschluss des Aufhebungsvertrages um eine Arbeitsaufgabe handelt. Der Abwicklungsvertrag sollte daher die Vorteile des Aufhebungsvertrages (verbindliche Regelung aller relevanten Fragen und Schaffung von Rechtsfrieden) aufrecht erhalten, dessen Nachteile (Sperrzeit beim Arbeitslosengeld) aber verhindern. Die dargestellten sozialversicherungsrechtlichen Vorteile des Abwicklungsvertrages existieren nicht mehr. Das BSG hat den Unterschied zwischen Aufhebungsvertrag und Abwicklungsvertrag mit der Begründung aufgehoben, beim Abwicklungsvertrag liege regelmäßig eine Vorfeldabsprache zwischen den Arbeitsvertragsparteien über den Ausspruch der Kündigung und den späteren Abschluss eines Abwicklungsvertrages vor2. Nach neuerer Rechtsprechung löst ein Aufhebungsvertrag dann keine Sperrzeit aus, wenn anderenfalls eine wirksame Kündigung gedroht hätte3. Dann muss aber auch der Abschluss eines Abwicklungsvertrages sperrzeit-unerheblich bleiben, wenn die im Nachgang oder 1 Bauer/Hümmerich, NZA 2003, 1076; Hümmerich, Acht aktuelle Vorteile beim Abwicklungsvertrag, BB 1999, 1868; Hümmerich, Abwicklungsvertrag contra Aufhebungsvertrag, NJW 1996, 2081; Hümmerich, Plädoyer für den arbeitsrechtlichen Abwicklungsvertrag, ArbuR 1994, 256. 2 BSG v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661; s. dazu Hümmerich, … denn sie wissen nicht, was sie tun, Anm. zum Urteil des BSG v. 18.12.2003, AE 2004, 147. 3 BSG v. 12.7.2006 – B 11a AL 47/05 R, NZA 2006, 1359; BSG v. 8.7.2009 – B 11 AL 17/08 R, BB 2010, 443.
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Rz. 259 Teil 4
Aufhebungsvertrag
im Vorfeld des Abwicklungsvertrages ausgesprochene Kündigung wirksam ist. Während allerdings die Hinnahme einer nicht offensichtlich unwirksamen Kündigung unabhängig von einer Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung nicht zu einer Sperrzeit führt, wird man beim Abschluss eines Abwicklungsvertrages nur dann das Sperrzeitrisiko ausschließen können, wenn die Wirksamkeit der Kündigung positiv festzustellen ist. Insgesamt bringt daher der Abschluss eines Abwicklungsvertrages nach wie vor ein sehr hohes Risiko einer nachfolgenden Sperrzeit beim Arbeitslosengeld mit sich.
2. Praktische Relevanz Im Bereich der Arbeitsverhältnisse Leitender Angestellter sowie der Dienstverhältnisse von Organen hat der Aufhebungsvertrag eine sehr hohe praktische Relevanz.
255
a) Leitende Angestellte mit Arbeitnehmerstatus Die Vorteile eines Aufhebungsvertrages sind vielfältig: Für den Arbeitnehmer ermöglicht der Abschluss eines Aufhebungsvertrages eine Einigung über das Zeugnis sowie den Zeugnisinhalt, häufig wichtig für den weiteren Lebensweg. Er ermöglicht des Weiteren ein „gutes Einvernehmen“ mit dem bisherigen Arbeitgeber, was für Leitende Angestellte stets ein erhebliches Kriterium auch im Hinblick auf zukünftige Arbeitgeber sowie mögliche Rückfragen beim bisherigen Arbeitgeber darstellt. Für den Arbeitnehmer besteht darüber hinaus die Möglichkeit, im Vertrag eine sogenannte „Turboklausel“ (dazu unten Rz. 324 ff.) zu vereinbaren, die einen flexiblen Ausstieg, häufig verbunden mit einer Erhöhung der Abfindung, ermöglicht. Meistens im Interesse des Arbeitnehmers, der sich nach dem „Bruch“ mit dem bisherigen Arbeitgeber der Zukunftsgestaltung zuwenden möchte, liegt auch die Möglichkeit, im Rahmen des Aufhebungsvertrages eine Freistellung der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung zu erlangen.
256
Aus Sicht der Anstellungsgesellschaft schafft ein Aufhebungsvertrag in erster Linie Rechtssicherheit und vermeidet Kündigungsschutzprozesse. Er bietet darüber hinaus die Chance auf eine geordnete Abwicklung des Anstellungsverhältnisses, häufig auf eine strukturierte Übergabe sowie eine vorherige Beendigung noch laufender Projekte. Der Arbeitgeber muss keine innerbetriebliche Beteiligung z.B. des Betriebsrates beachten, vor allem aber auch keine außerbetriebliche Beteiligung, z.B. bei Kündigung eines schwerbehinderten Menschen. Schließlich bietet der Aufhebungsvertrag die Möglichkeit, eventuelle lange Kündigungsfristen einvernehmlich abzukürzen, auch wenn dies häufig mit einer Teilkompensation der für diesen Zeitraum eigentlich zu zahlenden Arbeitsentgelte einhergeht.
257
Für beide Parteien bietet der Aufhebungsvertrag den Vorzug, dass alle offenen Fragen ohne spätere gerichtliche Auseinandersetzung und ohne Rechtsunsicherheit bereinigt werden können, z.B. Fragen der Tantieme, Stock Options, Zeugnis etc.
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Für den Arbeitnehmer bringt der Aufhebungsvertrag aber auch Nachteile mit sich: Zwingende Konsequenz eines Aufhebungsvertrages ist die Hinnahme ei-
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Teil 4 Rz. 260
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
ner Sperrzeit beim nachfolgenden Arbeitslosengeld im Umfang von zwölf Wochen (vgl. dazu noch unten Rz. 292). Der Arbeitnehmer verzichtet auf das Druckmittel der Kündigungsschutzklage und somit u.U. auf die Möglichkeit des Heraushandelns weiterer Vorteile gegen Aufgabe einer Rechtsposition, die häufig im Vorfeld der Kündigung und in der Eile einer Verhandlungssituation nicht abschließend zu beurteilen sind. Damit einhergehen kann auch der Verzicht auf eine Abfindung oder Abfindungsbestandteile. Gerade für den Arbeitnehmer ist daher die Inanspruchnahme einer qualifizierten anwaltlichen Beratung durch einen Experten, der beurteilen kann, wie sich die Dinge erfahrungsgemäß entwickeln könnten, welche Vor- und Nachteile drohen und welche Verhandlungsposition bei welcher taktischen Entscheidung erreicht werden kann, unabdingbar!
b) Organmitglieder 260
Die Vorteile des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages entsprechen denen in einem Arbeitsverhältnis (vgl. oben Rz. 254 ff.). Der Aspekt der Rechtssicherheit tritt in der Regel beiderseits zurück, da Organmitglieder nicht über einen Kündigungsschutz verfügen und eine Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Beendigung allenfalls im Hinblick auf Kündigungsfristen und Kündigungstermine bestehen kann. Umgekehrt tritt der Aspekt des guten Einvernehmens zwischen dem bisherigen Dienstherren und dem Organmitglied in den Vordergrund. Erbitterte Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Anstellungsverhältnisses stellen selten eine gute Empfehlung an den zukünftigen Dienstherren dar. Bei Organmitgliedern ist auch die informelle Nachfrage über die Art der Dienstausübung und die Bewertung der Persönlichkeit des Vorstandes weiter verbreitet als bei der Neuanstellung von Arbeitnehmern.
261
Die Nachteile des Aufhebungsvertrages treten bei Organmitgliedern häufig vollständig in den Hintergrund. Zwar haben auch sozialversicherungspflichtige Organmitglieder, z.B. Fremd-Geschäftsführer, eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vergegenwärtigen, wenn sie das Dienstverhältnis durch Aufhebungsvertrag beenden. Sie werden allerdings gegenüber der Arbeitsverwaltung mit dem nicht existenten Kündigungsschutz argumentieren können, so dass bei Wahrung der ansonsten geltenden Kündigungsfrist eine gute Chance darauf besteht, die Sperrzeit zu vermeiden. Da kein Kündigungsschutz besteht, verzichtet das Organmitglied mit Abschluss des Aufhebungsvertrags auch nicht auf ein Druckmittel gegen die Anstellungsgesellschaft.
262
Insgesamt bringt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages für Organmitglieder daher nur Vorteile mit sich. Dem entspricht dann auch die praktische Bedeutung des Aufhebungsvertrages im Falle von Organmitgliedern. Selbst wenn aber das Anstellungsverhältnis eines Organmitgliedes durch einseitige Kündigung beendet wird, folgt dieser in der Regel der Abschluss eines Abwicklungsvertrages nach.
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Rz. 265 Teil 4
Aufhebungsvertrag
3. Formvorschrift Der Aufhebungsvertrag eines Leitenden Angestellten, der Arbeitnehmer ist, bedarf gemäß § 623 BGB der Schriftform. Die Schriftform erfordert gemäß § 126 BGB die beiderseitige Unterschrift auf einem gemeinsamen Dokument, zumindest jedoch den Austausch eines im Original von der Gegenseite unterschriebenen Dokuments. Der Austausch eines Telefaxes reicht zur Wahrung der Schriftform nicht aus1.
263
Die gesetzliche Schriftform kann durch die notarielle Beurkundung (wenig praxisrelevant) oder den gerichtlichen Vergleich ersetzt werden. Letzteres ist sehr praxisrelevant, da der gerichtliche Vergleich zugleich einen vollstreckbaren Titel schafft und daher gegenüber dem Abschluss eines privatschriftlichen Aufhebungsvertrages eine erhebliche Verfahrenserleichterung mit sich bringt. Der gerichtliche Vergleich kann auch nach § 278 Abs. 6 ZPO im schriftlichen Verfahren geschlossen werden, erfordert also keinesfalls stets eine vorherige streitige mündliche Verhandlung.
264
Die Aufhebung des Anstellungsvertrages muss ausdrücklich erfolgen, zumindest aber aus dem Dokument deutlich zu erschließen sein. Streitig ist dies häufig bei Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages im Anschluss an ein Arbeitsverhältnis. Wird das Arbeitsverhältnis, in der Regel als Leitender Angestellter, nicht im Rahmen des Geschäftsführer-Dienstvertrages beendet, besteht es als ruhendes Anstellungsverhältnis fort und lebt nach Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrages wieder auf. Dies führt insbesondere aus Sicht der Gesellschaft zu unliebsamen Überraschungen. Nach wie vor knüpft die Frage, ob durch den Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages auch zugleich die Beendigung des vorherigen Anstellungsverhältnisses gewollt gewesen ist, an die Umstände des Einzelfalles an und bringt somit stets ein rechtliches Risiko mit sich, auch wenn bei Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages vermutet wird, dass der vorherige Arbeitsvertrag beendet werden sollte2. Grundvoraussetzung dafür, dass das vorherige Arbeitsverhältnis durch den Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages beendet wird, ist allerdings stets, dass dieser Dienstvertrag schriftlich abgeschlossen wird. Sieht ein Dienstvertrag vor, dass ein Geschäftsführer – i.S. einer Probezeit – zunächst als Leitender Angestellter beschäftigt wird, bevor – im Falle der Bewährung – dann die Berufung zum Geschäftsführer erfolgen soll, so führt die Berufung zum Geschäftsführer im Rahmen dieses Vertrages nicht zur Beendigung des vorherigen Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsverhältnis, das durch tatsächliche Invollzugsetzung begründet wird, besteht in diesem Falle ruhend fort und muss bei Beendigung der Amtsstellung durch Kündigung des Geschäftsführer-Dienstvertrages gesondert gekündigt werden. Im Rahmen dieses Anstellungsverhältnisses gilt dann auch der gesetzliche Kündigungsschutz, wobei sich allenfalls die Frage stellen kann, ob die Zeit als Geschäftsführer eine anrechenbare Dienstzeit im Rahmen der Wartefrist des § 1 KSchG darstellt.
265
1 LAG Düsseldorf v. 29.11.2005 – 16 Sa 1030/05. 2 Vgl. BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095; BAG v. 3.2.2009 – 5 AZR 100/08, NZA 2009, 669.
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Teil 4 Rz. 266 266
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Für Organmitglieder gilt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB nicht. Ein Aufhebungsvertrag kann – wenig praxisrelevant – auch mündlich geschlossen werden, jedenfalls aber auch per Austausch eines Vertragsdokumentes per Telefax oder gegenseitige Bestätigung der gewollten Inhalte durch E-Mail. Aus Beweiserleichterungsgründen ist allerdings für Organmitglieder stets die Schriftform anzuraten.
4. Hinweis- und Aufklärungspflichten 267
Grundsätzlich treffen den Arbeitgeber/Dienstherren bei dem Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung keine Hinweis- und Aufklärungspflichten. Jeder der Vertragspartner hat selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu sorgen. Hinweis- und Aufklärungspflichten können sich allenfalls aus den Umständen des Einzelfalles ergeben und sind dann Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung1.
268
Ein Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer unaufgefordert über die arbeitsförderungsrechtlichen Auswirkungen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unterrichten. Erst dann, wenn die Initiative für den Abschluss des Aufhebungsvertrages durch den Dienstherren ausgeht und auf Seiten des Arbeitnehmers ein hoher Schaden durch den Abschluss des Aufhebungsvertrages droht, besteht eine Aufklärungspflicht. Typischerweise ist dies in Fällen mit einem Bezug zur Altersvorsorgeleistung gegeben, z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer die vollständige oder teilweise Altersvorsorge durch Abschluss des Aufhebungsvertrages verliert. Ob der Arbeitgeber/Dienstherr insoweit eine Aufklärungspflicht hat und ob der Arbeitnehmer redlicherweise eine sachgerechte Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erwarten durfte, ist allerdings stets eine Frage des Einzelfalles2.
5. Unwirksamkeitsgründe 269
Der Aufhebungsvertrag ist grundsätzlich keine Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes und nicht schon deshalb gemäß §§ 138, 134 BGB nichtig.
270
Nichtigkeitsgründe können sich aber aus den Umständen des Einzelfalles ergeben, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit gemäß § 138 BGB oder eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB vorliegen. Verstöße gegen ein gesetzliches Verbot können z.B. Betrugstatbestände zum Nachteil der Finanzverwaltung oder von Sozialversicherungsträgern sein. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn es zwei unterschiedliche Exemplare der Aufhebungsvereinbarung gibt, von welchen das eine die Vertragsbeendigung auf „Veranlassung des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen“ ausweist, das andere hingegen ausdrücklich auf die „eingehend erörterten“ Kündigungsgründe Bezug nimmt, bei denen es sich um verhaltensbedingte Gründe handelt 1 BAG v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/00, NZA 2002, 1150. 2 Vgl. BAG v. 16.11.2005 – 7 AZR 86/05, NZA 2006, 535; BAG v. 12.12.2002 – 8 AZR 497/01, AP Nr. 25 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitgebers; BAG v. 11.12.2001 – 3 AZR 339/00, NZA 2001, 1150.
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Rz. 273 Teil 4
Aufhebungsvertrag
und festzustellen ist, dass diese Gestaltungsweise dazu dient, eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu verhindern1. Stets ist jedoch zu prüfen, ob aus der Nichtigkeit einzelner Abreden oder der Umstände des Vertrages auch die Gesamtnichtigkeit des Vertrages gemäß § 139 BGB folgt. Zu einer Umgehung zwingenden Arbeitnehmer-Schutzrechtes durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages kommt es häufig im Rahmen von Betriebsübergängen gemäß § 613a BGB. § 613a BGB gewährt Schutz vor einer Veränderung der Arbeitsvertragsinhalte im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang. Eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Betriebsveräußerer oder dem in Aussicht genommenen Betriebserwerber, die bezweckt, zu verhindern, dass der künftige Betriebserwerber in sämtliche bestehende Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis eintritt, ist daher gemäß § 134 BGB wegen Umgehung des § 613a Abs. 1 BGB unwirksam2. Entsprechendes gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und bestehende Arbeitsplatzangebote des Betriebserwerbers veranlasst wird, sein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer selbst zu kündigen oder mit diesem einen Auflösungsvertrag zu schließen und sich somit des Schutzes des § 613a BGB begibt3. Allerdings kann hieraus nicht gefolgert werden, dass der Abschluss von Aufhebungsverträgen im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang gänzlich unzulässig ist. Durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages mit zeitgleichem Abschluss eines neuen Vertrages mit dem Betriebserwerber zu den alten Konditionen und unter ausdrücklicher Anerkennung der früheren Betriebszugehörigkeit sowie aller Rechte schaffen die Arbeitsvertragsparteien nämlich legitimerweise Rechtssicherheit. Der betroffene Arbeitnehmer akzeptiert den Übergang des Anstellungsverhältnisses und verzichtet legitimerweise auf das ihm zustehende Widerspruchsrecht. Wenn eine solche Vertragsgestaltung nicht den Zweck hat, bestehende Rechte zu umgehen, gibt es auch keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit nach § 134 BGB.
271
Grundsätzlich unterliegt ein Aufhebungsvertrag nicht der Befristungskontrolle. Der Aufhebungsvertrag ist auf die alsbaldige Beendigung der arbeitsvertraglichen Beziehungen gerichtet, nicht auf die befristete Fortsetzung. Dagegen bedarf ein Vertrag, dessen Regelungsgehalt nicht auf die Beendigung, sondern auf eine befristete Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses gerichtet ist, zu seiner Wirksamkeit eines sachlichen Grundes. Für das Eingreifen einer Befristungskontrolle ist nicht die von den Parteien gewählte Vertragsbezeichnung entscheidend, sondern der Regelungsgehalt der getroffenen Vereinbarung. Besteht dieser in der befristeten Fortsetzung eines Dauerarbeitsverhältnisses, kann eine funktionswidrige Verwendung der in § 620 BGB gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, einen befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, vorliegen4.
272
Eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages kann sich daher mittelbar daraus ergeben, dass es sich bei dem Aufhebungsvertrag bei richtiger Qualifizie-
273
1 LAG Hamm v. 27.11.1997 – 8 Sa 1263/97. 2 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091. 3 BAG v. 19.3.2009 – 8 AZR 722/07, NZA 2009, 1091; BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06, NZA-RR 2008, 367. 4 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348.
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Teil 4 Rz. 274
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
rung nicht um einen Aufhebungsvertrag, sondern den Abschluss eines Vertrages über die befristete Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses handelt. In diesem Falle kann sich die Unwirksamkeit dann aus der Befristungskontrolle nach dem TzBfG ergeben. Entscheidend ist, ob sich die Vereinbarung im Einzelfall auf die Beendigung oder auf die befristete Fortsetzung des Anstellungsverhältnisses richtet1. Jedenfalls dann, wenn der Aufhebungsvertrag keine wesentlich über der ohnehin anzuwenden Kündigungsfrist liegende Auslaufzeit vorsieht, ggf. eine Freistellung für die restliche Anstellungszeit anordnet und auch sonstige Beendigungsfolgen regelt, handelt es sich um einen Aufhebungsvertrag und nicht um eine nachträgliche Befristung. Umgekehrt sprechen ein weit in die Zukunft geschobenes Vertragsende, eine Arbeitsverpflichtung für die verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie das Fehlen jeglicher weiterer Regelungen eher für das Vorliegen einer nachträglichen Befristungsabrede2.
6. Beseitigung des Vertrages 274
Ein nicht bereits durch gesetzliche Nichtigkeitsfolge unwirksamer Vertrag kann jedoch unter Umständen durch einseitige rechtsgestaltende Erklärung (Kündigung, Zurückweisung, Widerruf) nachträglich beseitigt werden. Grundsätzlich unterliegt ein Aufhebungsvertrag nicht dem ordentlichen Kündigungsrecht. Es handelt sich nicht um ein Dauerschuldverhältnis, so dass eine „Kündigung des Aufhebungsvertrages“ ausscheidet.
275
§ 174 BGB ist auf den Aufhebungsvertrag nicht anwendbar, da es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft handelt. Selbst dann, wenn ein nicht bevollmächtigter Vertreter des Arbeitgebers oder des Dienstnehmers den Aufhebungsvertrag schließt, ergibt sich hieraus keine Unwirksamkeit. Lediglich ist der andere Teil des Vertrages berechtigt, den Vertretenen zur Erklärung über die Genehmigung gemäß § 177 BGB aufzufordern. Wird der Vertrag genehmigt, wird er wirksam. Die Genehmigung kann grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Empfang der Aufforderung erklärt werden; wird sie nicht erklärt, gilt sie als verweigert, § 177 Abs. 2 BGB.
276
Im Falle einer widerrechtlichen Drohung oder eines Irrtumstatbestandes gemäß § 119 BGB kommt eine Anfechtung in Betracht. Während der Fall eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums in der Regel bei einem Aufhebungsvertrag nicht vorstellbar ist, kommt eine Anfechtung wegen vorgeblicher oder tatsächlicher Drohung in der Praxis häufiger vor. Grundsätzlich stellt die Androhung eines Arbeitgebers/Dienstherrn, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, wenn der Arbeitnehmer nicht einen Aufhebungsvertrag abschließt, eine Drohung i.S.v. § 123 Abs. 1 BGB dar. Diese muss allerdings um zur Anfechtung zu berechtigen, widerrechtlich sein. Widerrechtlich ist die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung nur dann, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann 1 BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718. 2 BAG v. 12.1.2000 – 7 AZR 48/99, NZA 2000, 718; BAG v. 15.2.2007 – 6 AZR 286/06, NZA 2007, 614.
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Rz. 281 Teil 4
Aufhebungsvertrag
sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Nicht erforderlich ist, dass sich die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. Von dem Arbeitgeber kann nicht verlangt werden, dass er bei seiner Abwägung generell die Beurteilung des Tatsachengerichtes trifft. Nur wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles davon ausgehen muss, die angedrohte Kündigung werde im Falle ihres Ausspruches einer arbeitsgerichtlichen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhalten, darf er die außerordentliche Kündigung nicht in Aussicht stellen, um damit den Arbeitnehmer zum Abschluss einer Beendigungsvereinbarung zu veranlassen1. Liegt eine rechtswidrige Drohung vor, so wird die Widerrechtlichkeit nicht durch eine vom Arbeitgeber/Dienstherrn eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert die Einräumung einer Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrages2. Umgekehrt ist die Gewährung einer Bedenkzeit vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht zwingende Voraussetzung, um eine Anfechtung zu verhindern.
277
Ein Widerrufsrecht nach §§ 312, 355 BGB besteht nicht. Es handelt sich bei einem am Arbeitsplatz abgeschlossenen Aufhebungsvertrag nicht um ein Haustürgeschäft i.S.d. § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB3. Im Übrigen widerspricht es der Gesetzessystematik, § 312 BGB auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge anzuwenden. Das Haustür-Widerrufsrecht nach §§ 312 ff. BGB ist vertragstypenbezogenes Verbraucherschutzrecht, das nur auf besondere Vertriebsformen Anwendung findet. Auf Verträge, die – wie der Arbeitsvertrag und der arbeitsrechtliche Aufhebungsvertrag sowie der Dienstvertrag – keine Vertriebsgeschäfte sind, findet das gesetzliche Widerrufsrecht keine Anwendung4.
278
Ein Aufhebungsvertrag kann infolge der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unwirksam sein. Denn auch Aufhebungsverträge unterliegen grundsätzlich der AGB-Kontrolle, sofern es sich um vorformulierte Klauseln handelt5.
279
Die Hauptleistungspflichten des Aufhebungsvertrages, die Beendigung sowie ggf. die Abfindungszahlung, unterliegen allerdings nur der Transparenzkontrolle nach § 305c Abs. 1 BGB sowie § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Einer Angemessenheitskontrolle i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen die Hauptleistungspflichten nicht6.
280
Alle anderen Klauseln des Aufhebungsvertrages unterliegen grundsätzlich einer vollständigen AGB-Kontrolle unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Häufig Gegenstand dieser Kontrolle sind Ausgleichs- und Ab-
281
1 BAG v. 15.12.2005, NZA 2006, 841; BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348. 2 BAG v. 28.11.2007 – 6 AZR 1108/06, NZA 2008, 348. 3 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 135/03, NZA 2004, 597. 4 BAG v. 27.11.2003 – 2 AZR 177/03, b. b. 2004, 1858. 5 BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148. 6 BAG v. 8.5.2008 – 6 AZR 517/07, NZA 2008, 1148.
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Teil 4 Rz. 282
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
geltungsklauseln. So ist nach § 307 Abs. 1 BGB eine formularmäßige Vertragsbestimmung unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorne herein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm angemessenen Ausgleich zuzugestehen1. Für Ausgleichsquittungen gilt dies, wenn keine kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers vorliegt2. Eine Unwirksamkeit nach § 307 kommt auch dann in Betracht, wenn durch die Ausgleichsquittung unverzichtbare Ansprüche miterledigt werden sollen3. 282
In der Praxis ist ein Aufhebungsvertrag, ist er einmal beiderseits unterzeichnet, in der Regel nicht mehr nachträglich zu beseitigen. Die zugrunde liegenden Umstände müssten derart außergewöhnlich sein, dass die Unwirksamkeit dem Aufhebungsvertrag auf die Stirn geschrieben steht. Dies ist in der Praxis ausgesprochen selten der Fall. Insbesondere wird der Arbeitgeber/Dienstherr in der Regel vernünftige Gründe dafür angeben können, warum er im Falle der Nichtunterzeichnung eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen hätte und diese jedenfalls nicht offenkundig rechtswidrig gewesen wäre.
7. Gleichwohl-Kündigung 283
Jeder Aufhebungsvertrag steht in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird. Ein Verzicht auf das ansonsten zusätzlich noch bestehende ordentliche Kündigungsrecht liegt im Aufhebungsvertrag in der Regel nicht. Ein Verzicht auf ein außerordentliches Kündigungsrecht wäre ohnehin unwirksam.
284
Spricht einer der am Aufhebungsvertrag beteiligten Parteien eine ordentliche Gleichwohl-Kündigung zu dem Zeitpunkt aus, zu dem auch nach dem Aufhebungsvertrag das Dienstverhältnis geendet hätte, kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Aufhebungsvertrag ausgegangen werden4. Spricht eine der Parteien eine Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt aus, führt dies zum Wegfall der Regelungen des Aufhebungsvertrages, da die konkludente Bedingung, dass das Anstellungsverhältnis bis zu dem im Aufhebungsvertrag beschriebenen Ende fortbesteht, nicht mehr gegeben ist. Ein faktisches Wiederaufleben der Bedingungen des Aufhebungsvertrages lässt sich durch die andere beteiligte Seite dann nur noch über § 158 Abs. 2 BGB erzielen, nämlich dann, wenn die Verhinderung des Bedingungseintrittes im Einzelfall unbillig war. Liegt jedoch ein Grund zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung vor, ist deren Ausspruch auch dann, wenn bereits ein Aufhebungsvertrag existiert, nicht treuwidrig. 1 BGH v. 30.1.2004 – X ZR 133/03, NJW 2005, 422. 2 LAG Schleswig-Holstein v. 24.9.2003 – 3 Sa 6/03, NZA-RR 2004, 74; LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08. 3 Vgl. z.B. LAG Niedersachsen v. 9.10.2009 – 10 Sa 1692/08; LAG Berlin-Brandenburg v. 5.6.2007 – 12 Sa 524/07. 4 BAG v. 29.1.1997 – 2 AZR 292/96, NZA 1997, 813.
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Rz. 289 Teil 4
Aufhebungsvertrag
8. Steuer- und Sozialversicherungsrecht a) Steuerrecht Die frühere Steuerbegünstigung des § 3 Nr. 9 EStG ist mit dem 31.12.2005 weggefallen. Abfindungen, die in Aufhebungsverträgen vereinbart werden, unterliegen daher keinem Steuerfreibetrag mehr.
285
Allerdings finden Abfindungen unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 24, 34 EStG eine steuerliche Begünstigung in Gestalt der „Fünftelungsregelung“. Die Details dieser Regelung sind komplex; sie führt im Ergebnis dazu, dass die Steuer so berechnet wird, als sei die Abfindung verteilt auf fünf Jahre zugeflossen. Entgegen einem weit verbreiteten Irrglauben bedeutet die Fünftelungsregel aber nicht, dass die Abfindung in fünf Tranchen bzw. über einen Zeitraum von fünf Jahren zu versteuern ist. Die Versteuerung erfolgt in einem Zuflusszeitraum, jedoch unter der hypothetischen Annahme des gefünftelten Zugangs progressionsbevorteilt.
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Um die Fünftelungsregel in Anspruch nehmen zu können, ist es zwingend notwendig, dass es sich um eine Entschädigung infolge einer durch den Arbeitgeber/Dienstherrn veranlassten Änderung des Arbeitsverhältnisses bzw. Aufhebung handelt. Des Weiteren müssen die Einnahmen zusammengeballt zufließen. Eine solche Zusammenballung liegt vor, wenn die Abfindung in einem Veranlagungszeitraum zufließt. Grundsätzlich ist von der Auszahlung einer Abfindung in Raten abzuraten; wird sie jedoch in Raten bezahlt, so dürfen sich diese Raten nur auf ein Kalenderjahr verteilen. Werden eine oder mehrere Raten in einem anderen Kalenderjahr gezahlt, sind die §§ 24, 34 EStG grundsätzlich unanwendbar1.
287
b) Sozialversicherungsrecht Abfindungen aus Aufhebungsverträgen sind grundsätzlich sozialversicherungsfrei, da es sich bei ihnen nicht um Arbeitsentgelt handelt2. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei der Abfindung nicht um ein in einer Einmalzahlung gebündeltes Arbeitsentgelt handelt, sondern tatsächlich um eine Entlassungsentschädigung, die wegen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gezahlt wird.
288
c) Arbeitsförderungsrecht Eine Anspruchsüberleitung der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach § 115 Abs. 1 SGB X erfasst nur Arbeitsentgelt und folglich nicht Ansprüche auf eine Abfindung. Was Arbeitsentgelt i.S.d. § 115 SGB IV ist, ergibt sich aus § 14 SGB IV. Abfindungen aus Aufhebungsvereinbarungen sind nur dann und nur insoweit Arbeitsentgelt, als sie das Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 143a SGB III bewirken können, also die ordentliche Kündigungsfrist im Rahmen des Aufhebungsvertrages nicht eingehalten ist. Ist dies der Fall, erfasst die An1 BFH v. 3.7.2002 – XI R 80/00, NJW 2003, 991. 2 BSG v. 21.2.1990 – 12 RK 20/88, NZA 1990, 751.
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Teil 4 Rz. 290
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
spruchsüberleitung auch den auf die tatsächliche oder fiktive Kündigungsfrist (§ 143a SGB III) entfallenden Anteil des Arbeitsverhältnisses. Wird demgegenüber mit dem Aufhebungsvertrag die geltende Kündigungsfrist gewahrt, ist die Abfindung kein Arbeitsentgelt und deshalb auch nicht vom Anspruchsübergang erfasst. 290
Vorsicht ist angebracht, wenn der Aufhebungsvertrag einer zuvor ausgesprochenen außerordentlichen fristlosen Kündigung folgt und – in Abweichung hiervon – die ordnungsgemäße Beendigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelt. In einem solchen Fall darf das ggf. aufgrund des Aufhebungsvertrages nachzuzahlende Arbeitsentgelt nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt werden, wenn ein Anspruchsübergang seitens der BA vorliegt. Die ggf. zusätzlich vereinbarte Abfindung allerdings kann vollständig ausgezahlt werden, da die Voraussetzungen des § 143a SGB III nicht erfüllt sind.
291
Die Vereinbarung der Aufhebung eines Anstellungsverhältnisses/Dienstvertrages kann im Zusammenspiel mit der Vereinbarung einer Entlassungsentschädigung zu einem Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 143a SGB III führen, wenn die ordentliche Kündigungsfrist nicht gewahrt wird. Bei ordentlich unkündbaren Anstellungsverhältnissen gilt eine fiktive Kündigungsfrist. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht längstens für die Dauer eines Jahres, zu den Details siehe § 143a SGB III. Konsequenz des Ruhens des Anspruches ist eine Verschiebung des Anspruchszeitraumes auf Arbeitslosengeld. Das Ruhen führt also nicht zu einem wirtschaftlichen Verlust, sondern lediglich zu einer Verschiebung. Allerdings sind die weiteren sozialversicherungsrechtlichen Nachteile zu beachten, insbesondere das Nichtbestehen einer gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung während des Zeitraums des Ruhens.
292
Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages führt in der Regel zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld gemäß § 144 SGB III. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt eine Arbeitsaufgabe dar, die gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sperrzeitbegründend ist. Die Dauer der Sperrzeit beträgt zwölf Wochen. Während dieser Zeit wird kein Arbeitslosengeld gezahlt. Gleichzeitig vermindert sich die Gesamtdauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld um diesen Zeitraum, § 128 Abs. 1 Nr. 4 SGB III. Die Verhängung einer Sperrzeit liegt nicht im Ermessen der BA. Allerdings gehört zu den Voraussetzungen der Verhängung einer Sperrzeit zusätzlich auch, dass kein wichtiger Grund zur Aufhebung vorlag. Solche wichtigen Gründe können z.B. bei erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers gegeben sein. Für die Praxis empfiehlt sich stets die vorherige Absprache mit der zuständigen Agentur für Arbeit.
293
Die Abfindung wird grundsätzlich nicht auf ein später gezahltes Arbeitslosengeld angerechnet. Sie verbleibt vollständig beim Empfänger. Anders stellt sich dies allerdings nach Ablauf der Anspruchsdauer des § 127 SGB III dar. Auf etwaig nachfolgende Leistungen aus der Grundsicherung werden verbleibende Abfindungsbeträge angerechnet.
294
Die Vereinbarung einer Freistellung im Aufhebungsvertrag hat früher zur Verhängung einer Sperrzeit geführt, da die zuständige Agentur für Arbeit im Falle der Freistellung das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis (bei 448
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Rz. 298 Teil 4
Aufhebungsvertrag
formaler Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses) als beendet ansah. Die Hinnahme einer solchen Sperrzeit war deshalb die Mitwirkung bei der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Dem hat das Bundessozialgericht mittlerweile eine Absage erteilt und festgestellt, dass auch im Falle der Freistellung bei Fortzahlung des Arbeitsentgelts das sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis aufrecht erhalten bleibt1. Die Vereinbarung einer Freistellung ist daher unter sozialversicherungsrechtlichen Aspekten unbedenklich, ebenso unter arbeitsförderungsrechtlichen Aspekten.
II. Klauseln 1. Aufhebung des Anstellungsvertrages Die Kernregelung des Aufhebungsvertrages ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Dienstverhältnisses. Die Klausel muss die folgenden Inhalte enthalten:
295
– Tatsache der Beendigung – Datum der Beendigung. Die Klausel sollte darüber hinaus die folgenden weiteren Inhalte enthalten:
296
– Veranlassung der Kündigung durch wen – Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Die Frage der Veranlassung spielt unter arbeitsförderungsrechtlichen Aspekten eine Rolle. Erfolgt der Abschluss des Aufhebungsvertrages auf arbeitgeberseitige Veranlassung, ist dies die Mindestvoraussetzung dafür, unter Umständen eine Sperrzeit nach § 144 SGB III verhindern zu können. Ausreichend ist eine solche Formulierung allerdings alleine nicht. Die Veranlassung ist des Weiteren relevant für die steuerliche Bewertung. Die Steuerbegünstigungen der §§ 24, 34 EStG setzen eine arbeitgeberseitige Veranlassung der Beendigung voraus.
297
Die Tatsache der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist ist für die Frage eines möglichen Ruhens des Arbeitslosengeldes gemäß § 143a SGB III genauso wichtig für die Frage der Sperrzeitandrohung nach § 144 SGB III. Nur dann, wenn die ordentliche Kündigungsfrist gewahrt ist, sind die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der Arbeitslosengeldanspruch nicht ruht und ggf. keine Sperrzeit verhängt wird. Allerdings reicht die bloße Erwähnung im Aufhebungsvertrag nicht aus: Zwischen dem Tag der Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages und dem Ende des Anstellungsverhältnisses muss die tatsächlich geltende Kündigungsfrist auch wirklich gewahrt sein.
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1 BSG v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, NZA-RR 2009, 272.
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Teil 4 Rz. 299 299
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Formulierungsmuster: Aufhebung 1 Das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis wird auf Veranlassung des Arbeitgebers unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist einvernehmlich zum … [Datum] beendet.
300
Formulierungsmuster: Aufhebung 2 (z.B. für Organmitglieder) Das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis wird einvernehmlich zum … [Datum] beendet.
301
Vor der Rückdatierung eines Aufhebungsvertrages mit dem Ziel, die Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist zu erreichen, ist zu warnen. Der Beendigungssachverhalt wird erst mit der tatsächlichen Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages geschaffen, unabhängig davon, welches Datum auf dem Aufhebungsvertrag angegeben wird (falsa demonstratio non nocet). Wird ein Aufhebungsvertrag rückdatiert, kann dies nur den Sinn haben, die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu suggerieren, was wiederum nur den Sinn haben kann, Träger der Sozialversicherung/Arbeitsförderung zu täuschen. Dies kann zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nach §§ 138, 134 BGB führen.
2. Weitere Abwicklung/Freistellung 302
Der Aufhebungsvertrag sollte die grundsätzliche Regelung enthalten, dass das Anstellungsverhältnis bis zum rechtlichen Ende ordnungsgemäß abgewickelt wird. Ausnahmen hiervon – z.B. die Höhe einer Tantieme, der Entfall der Arbeitspflicht, eine veränderte Höhe des Gehaltes etc. – sind im Vertrag gesondert zu regeln. Enthält der Vertrag keine Regelung, gilt infolge einer allgemeinen Abwicklungsklausel im Zweifel der Dienstvertrag.
303
Eine Bestimmung zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Anstellungsverhältnisses ist für sich alleine nicht einklagbar und vollstreckbar. Die Klausel beinhaltet aber eine Auslegungsregelung dazu, was im Zweifel gelten soll.
304
Zu der allgemeinen Abwicklungsregelung gehört eine Regelung dazu, ob das Anstellungsverhältnis bis zum Ende der Kündigungsfrist durch den Arbeitnehmer/Dienstnehmer weiterhin vollzogen werden soll oder ob eine Freistellung beabsichtigt ist. Ist – wie häufig – eine Freistellung des Arbeitnehmers/Dienstnehmers beabsichtigt, müssen die folgenden Regelungen enthalten sein: – Beginn der Freistellung – Ende der Freistellung – unwiderrufliche oder widerrufliche Freistellung – beabsichtige Verrechnung mit Urlaubs-/Freistellungsansprüchen? – wenn Verrechnung: Reihenfolge 450
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Rz. 308 Teil 4
Aufhebungsvertrag
– Wettbewerbsverbot während der Freistellung? – Anrechnung von anderweitigem Verdienst während der Freistellung. Beginn und Ende der Freistellung sind aus Gründen der Rechtsklarheit zwingend notwendig. Enthält der Vertrag keine Regelung, gilt die Freistellung im Zweifel ab dem Tag der Unterzeichnung des Vertrages bis zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses. Die Regelung zur Freistellung beinhaltet grundsätzlich nur die Feststellung, dass sich der Dienstherr/Arbeitgeber in den Annahmeverzug begibt, also der Anspruch auf Zahlung der Vergütung erhalten bleibt, obwohl die Arbeitsleistung nicht abgeliefert wird. Zugleich ist hiermit geregelt, dass es keines tatsächlichen Arbeitsangebotes des Arbeitnehmers/ Dienstnehmers mehr bedarf, um die Annahmeverzugslohnansprüche zu erhalten.
305
Ohne weitere Bestimmung hierzu bleiben die Annahmeverzugslohnansprüche während der Freistellung allerdings nur dann erhalten, wenn der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung auch tatsächlich fähig ist (§ 257 BGB). Erkrankt der Arbeitnehmer während der Dauer der Freistellung, erhält er für die Dauer des Entgeltfortzahlungszeitraumes den Annahmeverzugslohn weiter. Mit dem Ende des Entgeltfortzahlungszeitraumes erlischt der Entgeltanspruch „im Zweifel“. Denn regelmäßig beabsichtigen die Parteien nicht, eine Zahlungspflicht des Arbeitgebers unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers zu begründen. Eine von der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers unabhängige Vergütungspflicht des Arbeitgebers würde allein die Sozialversicherungsträger entlasten1.
306
Sollen durch die Freistellung zusätzlich auch alle anderen Freistellungsansprüche (Urlaub, Überstundenabgeltung etc.) erledigt werden, bedarf dies einer gesonderten und hinreichend klaren Regelung. Wird Urlaub miterledigt, ist eine solche Abgeltung nur dann möglich, wenn es sich um eine unwiderrufliche Freistellung handelt. Im Falle der widerruflichen Freistellung muss der Arbeitnehmer jederzeit damit rechnen, vom Arbeitgeber (bis längstens zum Beendigungszeitpunkt) wieder an den Arbeitsplatz zurückgerufen zu werden. Da der Urlaub allerdings eine im Voraus gewährte feststehende Freistellung beinhaltet, sind eine widerrufliche Freistellung sowie eine Urlaubsanrechnung nicht miteinander vereinbar. Eine unwiderrufliche Freistellung bedeutet dann aber auch, dass der Arbeitgeber sich unwiderruflich in den Annahmeverzugslohn begibt. Ein Rückruf des Arbeitnehmers an den Arbeitsplatz – selbst wenn es sich um zwingend notwendige Abwicklungsarbeiten oder auch nur die Weitergabe von Informationen handelt – ist ausschließlich noch mit Einwilligung des Arbeitnehmers möglich. Daher will eine Freistellungsklausel insbesondere dann wohl überlegt sein, wenn eine geordnete Übergabe des Arbeitsplatzes notwendig ist.
307
Sollen Urlaubs- und Freistellungsansprüche mit durch die Freistellung erledigt werden, ist dies grundsätzlich nur dann möglich, wenn die Dauer der Freistellung die noch bestehenden Ansprüche überschreitet. Sind sich beide Parteien hierüber nicht sicher und wollen Rechtsunsicherheiten vermeiden, empfiehlt
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1 BAG v. 23.1.2008 – 5 AZR 393/07, NZA 2008, 595.
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Teil 4 Rz. 309
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
es sich, keine Anrechnung der Freistellung auf den Urlaub vorzusehen, sondern eine gesonderte Klausel dazu, dass Urlaub nicht mehr besteht. Es handelt sich dann um einen Tatsachenvergleich (s. unten Rz. 312). Soll allerdings mit der Freistellung der Urlaub abgegolten werden, ist es zusätzlich sinnvoll, zu regeln, in welcher Reihenfolge Freistellung und Urlaub zueinander stehen. Es kann ansonsten zu der Situation kommen, dass der Arbeitnehmer im Laufe der Freistellung erkrankt und deshalb unklar ist, zu welchen Zeiten Urlaub genommen werden konnte und zu welchen nicht. Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nicht die Festlegung des auf den Urlaub entfallenden Zeitraums überlassen und deshalb riskieren, dass der Arbeitnehmer sich entscheidet, den Urlaub ans Ende des Freistellungsraumes zu legen und dann bedauerlicherweise genau in diesem Zeitraum erkrankt (mit der Konsequenz eines fortbestehenden Urlaubsabgeltungsanspruches!), sollte im Aufhebungsvertrag bereits festgelegt werden, wann der Urlaub zu nehmen ist. Dieser Zeitraum sollte sinnvollerweise zu Beginn der Freistellung liegen, um nach hinten Spielraum für den Fall einer Erkrankung des Arbeitnehmers zu belassen. Enthält der Vertrag keine Regelung, ist er so auszulegen, dass der Arbeitnehmer den Urlaub frei festlegen darf1. 309
Folge des Annahmeverzuges des Arbeitgebers ist gemäß § 615 Satz 2 BGB auch die Anrechnung des Verdienstes, den der Arbeitnehmer infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erwirbt. Ohne weitere Regelung findet § 615 Satz 2 BGB daher Anwendung, und der Arbeitnehmer ist verpflichtet, anderweitigen Verdienst mitzuteilen, damit er angerechnet werden kann2. Allerdings hat das BAG in früheren Entscheidungen den Annahmeverzugslohnanspruch infolge Freistellung verneint und daher auch eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes abgelehnt3. Das BAG hat in dieser Entscheidung den Aufhebungsvertrag als Erlassvertrag i.S.v. § 397 BGB oder Abschluss eines Änderungsvertrages i.S.v. § 305 BGB (Entfall der Arbeitspflicht) gewertet. Um Auslegungsunsicherheiten zu vermeiden, sollte daher im Aufhebungsvertrag geregelt werden, dass anderweitiger Verdienst anrechenbar bleibt.
310
Geregelt werden sollte auch, ob der Arbeitgeber für die Dauer der Freistellung auf dem vertraglichen Wettbewerbsverbot besteht oder auf dieses Wettbewerbsverbot verzichtet. Ist es konkret dem Arbeitnehmer gestattet, bereits während der Beschäftigung eine vergleichbare andere Tätigkeit bei einem Mitbewerber aufzunehmen, solange nur das Gehalt angerechnet wird? Die Rechtsprechung geht im Grundsatz von einem Entfallen des Wettbewerbsverbotes während der Dauer der Freistellung aus. Der Arbeitnehmer kann in der Regel aufgrund seiner Ausbildung einen anderweitigen Verdienst nur durch eine Tätigkeit erzielen, die im Wettbewerb zum Geschäftsfeld des Arbeitgebers steht. Wenn der Arbeitgeber gleichwohl den Annahmeverzug mit der Möglichkeit der Verdienstanrechnung herbeiführt, macht er deutlich, dass ihn Wettbewerbshandlungen des Arbeitnehmers in der Zeit der Freistellung nicht stören. Einen abweichenden Willen hat der Arbeitgeber in der Freistellungserklä1 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36. 2 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36; BGH v. 9.10.2000, NZA 2001, 36 (für einen GmbH-Geschäftsführer). 3 BAG v. 19.3.2002 – 9 AZR 16/01, BB 2002, 1703.
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Rz. 312 Teil 4
Aufhebungsvertrag
rung zum Ausdruck zu bringen1. Ist demgegenüber die Freistellungserklärung des Arbeitgebers dahingehend auszulegen, dass abweichend von § 615 Satz 2 BGB eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes nicht erfolgen soll, kann der Arbeitnehmer allerdings redlicherweise nicht ohne ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers annehmen, dieser verzichte auf das Wettbewerbsverbot. Denn wenn der Arbeitgeber einen weiteren Verdienst nicht anrechnen will, kann er regelmäßig erwarten, der Arbeitnehmer erziele diesen Verdienst nicht durch eine Wettbewerbstätigkeit2. Im Ergebnis empfiehlt sich also eine ausdrückliche Regelung sowohl zu der Frage der Anrechnung anderweitigen Verdienstes als auch zum Wettbewerbsverbot. Es übervorteilt den Arbeitnehmer im Übrigen nicht, wenn der Arbeitgeber – in Optimierung seiner Situation – auf das Wettbewerbsverbot besteht, gleichwohl jedoch anderweitigen Verdienst anrechnen möchte. Denn diese Lage perpetuiert lediglich die bereits während des ungekündigten Anstellungsverhältnisses bestehende Situation. Formulierungsmuster: Abwicklungsklausel/Freistellung
311
Bis zum rechtlichen Ende wird das Anstellungsverhältnis ordnungsgemäß mit der Maßgabe abgewickelt, dass der Arbeitnehmer ab dem … [Datum] unwiderruflich und unter Anrechnung auf alle Urlaubs- und Freistellungsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeit freigestellt wird. Die Anrechnung auf die Urlaubsansprüche erfolgt dergestalt, dass ab dem ersten Tag der Freistellung zunächst alle gesetzlichen Urlaubsansprüche, dann alle tariflichen/vertraglichen überschießenden Urlaubsansprüche und schließlich alle Freistellungsansprüche erfüllt werden. Für die Dauer der Freistellung findet § 615 Satz 2 BGB Anwendung. Auf das vertragliche Wettbewerbsverbot wird ausdrücklich nicht verzichtet. Für eventuelle Nebentätigkeiten während der Dauer der Freistellung gelten weiterhin die vertraglichen Anzeige- und Genehmigungspflichten.
3. Tatsachenfeststellung Möchten die Parteien Probleme im Zusammenhang mit der Festlegung/Abgeltung des Urlaubes und von Freistellungsansprüchen vermeiden, besteht auch die Möglichkeit, im Aufhebungsvertrag einvernehmlich festzulegen, wie es um Urlaubs- und Freistellungsansprüche steht. Kommen die Parteien darin überein, dass es solche Ansprüche nicht mehr gibt, sollte dies im Aufhebungsvertrag ausdrücklich festgestellt werden. Mit einer solchen Feststellung steht auch fest, dass die Freistellung nicht mehr mit Urlaubsansprüchen verrechnet werden muss, dass es zum Ende des Arbeitsverhältnisses unabhängig von der Frage, ob der Arbeitnehmer während der Dauer der Freistellung erkrankt oder nicht, keine Urlaubsabgeltungsansprüche mehr gibt und auch Überstundenkonten nicht mehr abzugelten sind.
1 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36. 2 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36.
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312
Teil 4 Rz. 313 313
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Formulierungsmuster: Tatsachenvergleich Urlaub Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass alle Urlaubs- und Freistellungsansprüche in natura erfüllt sind.
4. Abfindung 314
Regelmäßig ist die Gegenleistung des Arbeitgebers dafür, dass der Arbeitnehmer durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrages Rechtssicherheit schafft, das Versprechen einer Abfindung. Die Höhe der Abfindung liegt im freien Ermessen beider vertraglichen Parteien, es sei denn, es gibt bereits bestehende Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers (in der Regel aus einem Sozialplan), auf die im Wege des Aufhebungsvertrages nicht ohne Zustimmung des Betriebsrates verzichtet werden kann.
315
Notwendige und sinnvolle Regelungen im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Abfindung sind: – Höhe der Abfindung – Brutto- oder Nettoabfindung – Entstehen des Abfindungsanspruchs – Fälligkeit des Abfindungsanspruchs – Zahlung der Abfindung „wegen Beendigung des Anstellungsverhältnisses“
316
Darüber hinaus kann die Frage des Schicksals der Abfindung im Falle einer Gleichwohl-Kündigung geregelt werden.
317
Neben der Höhe der Abfindung sollte die Abfindungsklausel ausdrücklich vorsehen, ob es sich um eine Brutto- oder Nettoabfindung handelt. Enthält die Klausel keine Regelung, ist stets von einer Brutto-Abrede auszugehen. Für den Fall, dass die Parteien eine Netto-Abrede treffen, treten erhebliche Konsequenzen zu Lasten des Arbeitgebers ein: Sämtliche Steuern auf die Abfindung sind vom Arbeitgeber zu tragen. Da die Übernahme der Steuer wiederum einen geldwerten Vorteil darstellt, ist der übernommene Steuerbetrag erneut zu Lasten des Arbeitgebers zu versteuern, der sich hieraus ergebende Betrag erneut bis zur 3. Regression. Sozialabgaben hingegen fallen auf die Abfindung ohnehin nicht an.
318
Die Abfindungsvereinbarung sollte den Tag des Entstehens des Anspruches regeln. Erst dann, wenn der Anspruch entstanden ist, ist er auch vererblich. Gerade bei älteren Arbeitnehmern und einer längeren Frist zwischen Abschluss des Aufhebungsvertrages und Ende des Arbeitsverhältnisses kann dies aus Sicht des Arbeitnehmers erheblich sein. Umgekehrt muss der Arbeitgeber entscheiden, ob er den Zahlungsanspruch von Beginn an vererblich stellen möchte oder nicht. Regelt die Vereinbarung, dass der Anspruch sofort entstanden, jedoch erst später fällig ist, ist von einer Vererblichkeit auszugehen. Regelt die Vereinbarung hingegen, dass der Anspruch erst mit dem rechtlichen Ende des 454
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Rz. 323 Teil 4
Aufhebungsvertrag
Anstellungsverhältnisses entsteht und dann auch fällig wird, ist der Anspruch auch erst zu diesem Zeitpunkt vererblich. Der Fälligkeitszeitpunkt sollte im Aufhebungsvertrag ausdrücklich geregelt werden. Wird die Fälligkeit nicht geregelt, ist die Abfindung erst zum vertraglich vereinbarten Beendigungszeitpunkt fällig, es sei denn, aus dem Zusammenhang des Aufhebungsvertrages ergibt sich etwas anderes. Eine eindeutige Regelung verhindert eventuelle spätere Rechtsunsicherheiten.
319
Der Aufhebungsvertrag sollte des Weiteren regeln, dass die Abfindung wegen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses gezahlt wird. Diese ursprünglich aus dem Wortlaut des § 3 Nr. 9 EStG stammende Formulierung ist allerdings auch nach dessen Außerkrafttreten sinnvoll, um dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, die Steuererleichterungen gemäß §§ 24, 34 EStG in Anspruch zu nehmen. Denn jedenfalls dann, wenn die Abfindung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird, liegt ein Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gemäß § 34 EStG vor.
320
Kündigt eine der Parteien das Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages und dem rechtlichen Ende (GleichwohlKündigung), so stellt sich stets die Frage nach dem Schicksal einer vereinbarten Abfindung. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass im Falle einer außerordentlichen fristlosen Gleichwohl-Kündigung die mit dem Aufhebungsvertrag verbundene konkludente aufschiebende Bedingung des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zum angegebenen Beendigungszeitpunkt nicht mehr erfüllt werden kann und deshalb auch der Anspruch auf die Abfindung entfällt. Besser ist es jedoch, wenn die Parteien hierzu im Aufhebungsvertrag eine ausdrückliche Regelung treffen.
321
Formulierungsmuster: Abfindung 1
322
Der Arbeitnehmer erhält wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von … Euro brutto. Der Anspruch auf die Abfindung ist sofort entstanden und vererblich, jedoch erst mit dem rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses fällig. Im Falle einer wirksamen Gleichwohl-Kündigung entfällt der Abfindungsanspruch.
Formulierungsmuster: Abfindung 2 (mit Anrechnung auf Sozialplanansprüche) Der Arbeitnehmer erhält wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von … Euro brutto. Der Anspruch auf die Abfindung ist sofort entstanden und vererblich, jedoch erst mit dem rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses fällig. Die vorstehend vereinbarte Abfindung wird auf etwaige anderweitige Abfindungsansprüche des Arbeitnehmers aus Sozialplan o.Ä. angerechnet.
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Teil 4 Rz. 324
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
5. Turboklausel 324
Es entspricht regelmäßig den beiderseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien, dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, das Arbeitsverhältnis auch vorzeitig zu beenden. Der Arbeitnehmer erhält eine Flexibilität bei der Arbeitssuche und kann Arbeitsvertragsinteressenten einen kurzfristigen Einstieg zusagen. Der Arbeitgeber erspart die ansonsten während der Dauer einer Freistellung zu erbringenden Verzugslohnansprüche. Ohne eine gesonderte Regelung allerdings gelten weiterhin die Kündigungsbedingungen des Anstellungsvertrages, so dass zumeist eine vorzeitige Beendigung nicht möglich ist.
325
Wird eine solche Klausel, in der Praxis gemeinhin als „Turboklausel“ bezeichnet, vereinbart, sollten mindestens die folgenden Regelungen getroffen werden: – Möglichkeit des vorzeitigen Ausstieges – Ankündigungsfrist – Ankündigungsmodalitäten/Schriftform? – Vorzeitige Beendigung liegt auch im Interesse des Arbeitgebers – Schicksal aller anderen Regelungen des Aufhebungsvertrages im Falle der Ausübung – ggf.: Abfindungserhöhung.
326
Die Ankündigungsfrist sowie die Ankündigungsmodalitäten sind zur Schaffung von Rechtssicherheit zwingend erforderlich. Es liegt nicht immer im Interesse beider Parteien, auf eine Ankündigungsfrist vollständig zu verzichten. Aus Sicht des Arbeitgebers ist es regelmäßig egal, ob die vorzeitige Beendigung zu einem Monatsendtermin erfolgt oder nicht. Aus Sicht des Arbeitnehmers allerdings besteht ein erhebliches Interesse daran, einen „runden Abschluss“ zu finden. Denn der solchermaßen vorzeitig eintretende Beendigungstermin wird auch derjenige sein, der im Zeugnis auftaucht. Ein Tag während eines Monats legt für den unbefangenen Zeugnisleser stets die Beendigung durch eine außerordentliche fristlose Kündigung nahe und muss deshalb unter allen Umständen vermieden werden.
327
Die Festlegung der Ankündigungsmodalitäten ist aus Gründen der Beweisführung sinnvoll. Vereinbart werden sollte eine schriftliche einseitige Ankündigung.
328
Geregelt werden sollte, welches Schicksal alle anderen Regelungen des Aufhebungsvertrages im Falle der vorzeitigen Beendigung erfahren. Ist nichts geregelt, werden alle anderen Konsequenzen zum neuen Enddatum eintreten. Insbesondere wenn eine Abfindung vereinbart ist und auf eine Ankündigungsfrist zur Geltendmachung der Turboklausel verzichtet wird, kann dies aber für den Arbeitgeber missliche Folgen mit sich bringen. Die spontane Auszahlung der Abfindung ist häufig aus Gründen, die in der Buchhaltung liegen, nicht möglich. Deshalb kann beispielsweise festgelegt werden, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen im Falle der vorzeitigen Beendigung sofort zu erfüllen hat (z.B. Rückgabe des Dienstwagens, Rückgabe von Arbeitgebereigentum), die Verpflichtungen des Arbeitgebers aber erst mit dem auf den Beendigungstag 456
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Rz. 331 Teil 4
Aufhebungsvertrag
folgenden Monatsletzten eintreten. Eine solche Regelung ist aus Abwicklungsgründen zulässig und angemessen. Häufig vereinbaren die Parteien für den Fall der vorzeitigen Beendigung eine Erhöhung der Abfindung. Unter steuerlichen Gesichtspunkten ist eine solche Erhöhung der Abfindung unschädlich. Der Arbeitnehmer begibt sich durch die Geltendmachung der Turboklausel nicht der Steuerbegünstigungen gemäß §§ 34, 24 EStG. Zwar setzt die Anwendung der dortigen Steuerbegünstigungen grundsätzlich voraus, dass die Beendigung auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgt. Eine vorzeitige Beendigung liegt allerdings regelmäßig auch im Interesse des Arbeitgebers. Um welchen Betrag die Abfindung im Falle der vorzeitigen Beendigung erhöht wird, ist Verhandlungssache. Der Arbeitnehmer wird damit argumentieren, dass die Abfindung um den vollen Betrag zu erhöhen ist, den der Arbeitgeber durch die vorzeitige Beendigung erspart. Denn insoweit handelt es sich ja um „Sowieso-Kosten“. Dies ist der volle Bruttolohn zuzüglich der Arbeitgeber-Beiträge, die der Arbeitgeber solchermaßen erspart. Der Arbeitgeber wird demgegenüber damit argumentieren, dass es der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge im Falle der vorzeitigen Beendigung ja nicht bedarf, da der Arbeitnehmer dann regelmäßig eine andere Anstellung gefunden hat, in der er sozial abgesichert ist. Auch der auf das hypothetische Arbeitsentgelt zu zahlende Steuerbetrag ist nicht vollständig zu erstatten, da der Arbeitnehmer ja Steuervorteile auf die Abfindung in Anspruch nehmen wird und deshalb Steuern einspart. Aus diesem Grunde wird der Arbeitgeber regelmäßig nur die Erhöhung der Abfindung um einen Netto-Betrag zuzüglich ggf. eines Steueraufschlages anbieten. Die Wahrheit liegt in der Praxis häufig in der Mitte, da es sich letztlich um ein für beide Parteien günstiges Geschäft handelt. Es empfiehlt sich jedenfalls, in der Vereinbarung den Erhöhungsbetrag konkret anzugeben, um später Diskussionen zu vermeiden. Auch die Frage, ob im Falle des Austrittes während eines Monates eine anteilige Erhöhung erfolgt, sollte geregelt werden.
329
Regelt der Vergleich eine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub, kann es im Falle des vorzeitigen Ausstieges dazu kommen, dass am Ende des Anstellungsverhältnisses noch Urlaubsabgeltungsansprüche bestehen. Auch dies spricht gegen eine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaub und für eine die Freistellung begleitende tatsächliche Verständigung darüber, dass Urlaubsansprüche nicht mehr bestehen (vgl. oben Rz. 312).
330
Formulierungsmuster: Turboklausel
331
Dem Arbeitnehmer wird vorbehalten, das Arbeitsverhältnis auch schon zu einem früheren Zeitpunkt durch einseitige, empfangsbedürftige Auflösungserklärung mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche zu beenden. Eine solche vorzeitige Beendigung läge auch im Interesse des Arbeitgebers. Im Falle der vorzeitigen Beendigung treten alle nach dieser Vereinbarung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen zu dem dann früheren Zeitpunkt ein. Für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens erhöht sich die nach Ziffer … dieser Vereinbarung vereinbarte Abfindung um … Euro brutto, für anteilige Monate Osnabrügge
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Teil 4 Rz. 332
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
anteilig, wobei je Monat 30 Tage zugrunde gelegt werden. Die Fälligkeit der Abfindung tritt im Falle der vorzeitigen Beendigung nicht mit dem Datum der rechtlichen Beendigung ein, sondern erst mit dem auf diesen Tag folgenden Monatsletzten.
6. Dienstwagen 332
Ist ein Dienstwagen auch zur Privatnutzung überlassen, sollte der Aufhebungsvertrag das Schicksal der Dienstwagenüberlassung regeln. Ohne weitere Regelung ist davon auszugehen, dass der Dienstwagen dem Arbeitnehmer bis zum rechtlichen Ende zur Verfügung steht, also auch während der Dauer der Freistellung weitergenutzt werden kann. Möglich und zulässig ist aber auch eine vorzeitige Rückgabepflicht, da mit der endgültigen Freistellung des Arbeitnehmers die dienstliche Veranlassung der Überlassung wegfällt.
333
Regelt der Aufhebungsvertrag die Rückgabe des Dienstwagens, so wird er in der Regel auch die Frage der Kompensation der hierdurch entgangenen Privatnutzung regeln. Üblich ist ein Ausgleich des Entfalls der Privatnutzungsberechtigung in Höhe des zu versteuernden Wertes, also in Höhe von 1 % des Brutto-Listenpreises pro Monat. Dieser Betrag erhöht dann das während der Freistellung zu zahlende Arbeitsentgelt und unterliegt selbstverständlich der vollen Versteuerung sowie der Sozialversicherungspflicht.
334
Formulierungsmuster: Dienstwagen 1 Der dem Arbeitnehmer überlassene Dienstwagen kann vom Arbeitnehmer weiterhin bis zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses genutzt werden. Er ist spätestens am letzten Tag des Anstellungsverhältnisses in einem ordnungsgemäßen und unbeschädigten Zustand am Sitz des Arbeitgebers einschließlich sämtlichen überlassenen Zubehöres zurückzugeben. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich in diesem Zusammenhang, während der Dauer der Freistellung das Fahrzeug auch weiterhin nur in dem Maße privat zu nutzen, wie dies durchschnittlich während der Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt ist.
335
Formulierungsmuster: Dienstwagen 2 Der dem Arbeitnehmer überlassene Dienstwagen wird spätestens am … vollständig, mit allem überlassenen Zubehör sowie unbeschädigt am Sitz des Arbeitgebers zurückgegeben. Für den Verlust der Privatnutzungsberechtigung zahlt der Arbeitgeber ab dem Tag der Rückgabe bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses eine Entschädigung in Höhe von … Euro brutto/Monat, die das während der Dauer der Freistellung zu zahlende Arbeitsentgelt erhöht.
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Rz. 338 Teil 4
Aufhebungsvertrag
7. Boni/Tantieme Im Zusammenhang mit der Beendigung eines Anstellungsverhältnisses wird häufig die Frage der Bonuszahlung bzw. die Höhe einer Tantieme streitig. Ein solcher Streitpunkt sollte unbedingt bereits im Aufhebungsvertrag mit geregelt werden.
336
Zu berücksichtigen ist, dass im Falle der Freistellung dem Arbeitnehmer die Möglichkeit genommen wird, positive Ergebnisse zu erzielen und somit die Bemessungsgrundlage für seine Tantiemeansprüche zu beeinflussen. Des Weiteren können sich die Tantieme beeinflussende Tatsachen durchaus antizyklisch während des Jahres entwickeln, so dass unter Umständen bei einem unterjährigen Ausscheiden eine Auszahlung Pro-rata-temporis zu unbilligen Ergebnissen führt. All dies ist Grund genug, die Höhe der Tantieme im Aufhebungsvertrag zu regeln, und zwar am besten in einer absoluten Summe.
337
Hat der Arbeitnehmer mit einer Konzernmuttergesellschaft eine Regelung über Aktienoptionen abgeschlossen (Stock Options), so ist zu berücksichtigen, dass dieser Anspruch grundsätzlich gegenüber der sich verpflichtenden Muttergesellschaft weiterbesteht. Auch hierzu sollte dann also im Anstellungsvertrag eine Regelung getroffen werden. Wird der Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossen, kann in diesem Vertrag keine Verpflichtung zu Lasten der Konzernmuttergesellschaft eingegangen werden (kein Vertrag zu Lasten Dritter). Allerdings könnte der Arbeitgeber selbständig in die Verpflichtung der Muttergesellschaft eintreten, was aus steuerlichen Gründen allerdings meistens nicht sinnvoll ist. Aus diesem Grunde empfiehlt sich regelmäßig, die Frage der Stock Options ausdrücklich von Erledigungsklauseln auszunehmen und einer gesonderten Vereinbarung zwischen der zusagenden Gesellschaft sowie dem Arbeitnehmer vorzubehalten1. Der Arbeitnehmer muss sich allerdings in diesem Falle klar darüber sein, dass er in Gesprächen mit der Konzernmuttergesellschaft bzw. demjenigen, der sich in dem Stock Options-Plan verpflichtet hat, nicht mehr das Druckmittel der Beendigung des Anstellungsvertrages vorhält. In der Regel bedeutet dies aber kein Problem, da die Aktienoptionspläne schlicht vertragskonform abgewickelt werden. Möchte der Arbeitnehmer den Stock Options-Plan zum Verhandlungsgegenstand machen, bietet sich als Lösung an, dass der Vertragsarbeitgeber sich im Aufhebungsvertrag verpflichtet, dem Arbeitnehmer zusätzliche Ansprüche aus diesem Plan zu verschaffen. Wie dann der Vertragsarbeitgeber die Dinge intern mit der Muttergesellschaft abwickelt, braucht im Aufhebungsvertrag nicht geregelt zu werden.
338
1 Vgl. zu den gegenseitigen Rechtsbeziehungen: BAG v. 12.3.2003 – 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487.
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Teil 4 Rz. 339 339
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Formulierungsmuster: Abwicklungsvereinbarung zur Tantieme Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass die Bonus-/Tantiemeansprüche des Arbeitnehmers für das Jahr … mit einem Anspruch in Höhe von … Euro brutto erfüllt werden, für das Rumpfjahr … mit einem Anspruch in Höhe von … Euro brutto. Mit Auszahlung dieser Beträge sind alle Ansprüche aus bestehenden Tantieme-/ Bonusvereinbarungen erfüllt. Die Auszahlung erfolgt zu den folgenden Terminen:…
340
Formulierungsmuster: Zusatzregelung bei Stock Options Die Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem Stock Options-Plan vom … sind von der vorstehenden Regelung ausdrücklich ausgenommen. Sie ergeben sich im Einzelnen aus dem Plan und werden ordnungsgemäß zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses abgewickelt.
8. Betriebsrentenansprüche 341
Grundsätzlich unterliegen Betriebsrentenansprüche dem gesetzlichen Schutz des BetrAVG. Über unverfallbar gewordene Ansprüche kann nicht verfügt werden. Eine Regelung empfiehlt sich lediglich dann, wenn die Ansprüche noch nicht unverfallbar sind oder aber der Entzug der Betriebsrentenansprüche aufgrund erheblicher Vertragspflichtverletzungen im Raume steht. In diesem Falle sollte eine positive Regelung dazu getroffen werden, ob die Betriebsrentenansprüche erhalten bleiben oder ob auf die Geltendmachung aus ihnen seitens des Arbeitnehmers verzichtet wird.
342
Geregelt werden sollte allerdings, dass zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses eine verbindliche Auskunft über die Höhe der Anwartschaften erfolgt sowie der Arbeitgeber (je nach Durchführungsweg) ggf. die notwendigen Erklärungen abgibt, um die Altersversorgung zu übertragen.
343
Formulierungsmuster: Altersvorsorge Die Ansprüche des Arbeitnehmers auf betriebliche Altersversorgung sind von den Regelungen dieser Vereinbarung nicht betroffen. Der Arbeitgeber wird spätestens bis zum … eine schriftliche Auskunft über die bei Beendigung des Anstellungsvertrages erreichten unverfallbaren Versorgungsanwartschaften aus der Versorgungszusage vom … geben. Der Arbeitgeber wird des Weiteren alle notwendigen Erklärungen dafür abgeben, um die Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung nach Wahl des Arbeitnehmers auf diesen oder einen Dritten zu übertragen. Etwaige durch die Übertragung anfallende Kosten trägt der Arbeitgeber.
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Rz. 348 Teil 4
Aufhebungsvertrag
9. Zeugnis Der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses als solcher braucht im Aufhebungsvertrag nicht geregelt zu werden, da er gesetzlich besteht. Gleichwohl ist dringend anzuempfehlen, eine ausführliche Regelung über das Arbeitszeugnis zu treffen. Eine solche Regelung sollte die folgenden Komponenten enthalten:
344
– Erteilung des Endzeugnisses wann – Note des Endzeugnisses – Aufnahme von Schlussformeln – ggf. Beifügung eines vollständigen Entwurfs – sonst: Entwurfserstellung durch wen? – Abweichung vom Entwurf wann? – Erstellung eines Zwischenzeugnisses. Der Arbeitnehmer ist in einem Rechtsstreit um Erteilung eines Zeugnisses auf der rechtlich komfortablen Seite, in dem dann aber folgenden Rechtsstreit um die Abänderung des Zeugnisses wegen der dortigen Beweislastregeln in einer ausgesprochen defensiven Position. Verlangt werden kann regelmäßig nur die Erteilung eines Zeugnisses auf der Note „befriedigend“. Möchte der Arbeitnehmer eine bessere Schlussnote haben, muss er die hierfür notwendigen Tatsachen beweisen. Erteilt der Arbeitgeber ein schlechteres Zeugnis als „befriedigend“, hat er die hierfür notwendigen Tatsachen zu beweisen. Weder der eine noch der andere Beweis gelingt vor Gericht erfahrungsgemäß, so dass schon aus diesem Grunde eine finale Einigung auf die Zeugnisinhalte zu erfolgen hat. Eine allgemeine Zeugnisklausel, wonach der Arbeitgeber sich verpflichtet, ein Arbeitszeugnis zu erteilen, ist demgegenüber für beide Seiten wertlos.
345
Die Zeugnisklausel sollte eine finale Regelung dazu enthalten, wann das Arbeitszeugnis erteilt wird. Das Ausstellungsdatum kann streitig werden, da ein weit vom Ende des Anstellungsverhältnisses entfernt liegendes Datum eine Zeugnisauseinandersetzung andeutet und daher aus Sicht des Arbeitnehmers zu vermeiden ist.
346
Die Einigung sollte unbedingt die Schlussnote hinsichtlich Führung und Leistung enthalten. Sie sollte des Weiteren regeln, dass die sonstigen Zeugnisinhalte dieser Schlussnote zu entsprechen haben.
347
Auf die Aufnahme einer Schlussformulierung besteht grundsätzlich kein Anspruch. Aus diesem Grunde sollte diese Frage bereits im Vergleich mitgeregelt werden. Eine vollständige Schlussformulierung besteht aus Dank für die geleisteten Dienste, Bedauern über das Ausscheiden und guten Wünschen für den weiteren Lebensweg. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für ein Zeugnis der Notenstufe „gut“, was aktuell für die Praxis häufig empfohlen wird, kann zur Wahrung der Schlüssigkeit des gesamten Zeugnisinhaltes auch auf das Bedauern über das Ausscheiden verzichtet werden. Es wirkt ohnehin häufig aufgesetzt und unecht.
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Teil 4 Rz. 349
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
349
Besser als die Detailformulierungen dem späteren Spiel der Kräfte nach Abschluss des Aufhebungsvertrages zu überlassen ist es, bereits im Aufhebungsvertrag einen vollständigen Entwurf beizulegen, der dann Grundlage des Arbeitszeugnisses ist. Ist dies aus Zeitgründen nicht machbar, sollte zumindest geregelt werden, wer den Zeugnisentwurf erstellt. Wird die Erstellung dem Arbeitnehmer überlassen, muss geregelt werden, ob und wenn ja unter welchen Maßgaben der Arbeitgeber von dem solchermaßen vorgegebenen Zeugnisinhalt abweichen darf. Eine Abweichungsmöglichkeit ist zumindest aus Gründen der Zeugniswahrheit dringend zu empfehlen. Eine Klausel hingegen, wonach der Arbeitgeber nur aus „wichtigen Gründen“ abweichen darf, lässt alle Türen für spätere Auseinandersetzungen offen.
350
Formulierungsmuster: Zeugnisklausel Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses ein auf den letzten Tag des Anstellungsverhältnisses datierendes wohlwollendes, qualifiziertes Endzeugnis erteilen, das auf der Schlussnote „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ hinsichtlich der Leistung sowie auf der Schlussnote „stets einwandfrei“ hinsichtlich der Führung enden wird und auch hinsichtlich aller übrigen Formulierungen diesen Schlussnoten entsprechen wird. Das Zeugnis wird auf einer adäquaten Schlussformulierung enden, die den Dank für die geleisteten Dienste, das Bedauern über das Ausscheiden sowie die besten Wünsche für die Zukunft zum Ausdruck bringen wird. Das Zeugnis wird durch … unterzeichnet werden und ist dem Arbeitnehmer in ordnungsgemäßem formalen Zustand bis spätestens zum … per Post oder per Boten zu übersenden.
351
Formulierungsmuster: mit Formulierungsvorbehalt Der Arbeitgeber wird dem Arbeitnehmer zum rechtlichen Ende des Anstellungsverhältnisses ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis erteilen, das auf dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses datieren wird. Der Arbeitnehmer ist berechtigt, einen Entwurf für dieses Zeugnis vorzulegen. Von diesem Entwurf wird der Arbeitgeber ausschließlich aus Gründen der Zeugniswahrheit abweichen, wobei Einigkeit darüber besteht, dass Leistungen und Führung des Arbeitnehmers jeweils mit Prädikaten der Notenstufe „sehr gut“ enden werden und das Zeugnis eine adäquate Schlussformel (Dank, Bedauern und Wunsch) enthalten wird.
10. Herausgabe von Gegenständen 352
Der Vertrag sollte das Schicksal aller dem Arbeitnehmer überlassenen Gegenstände regeln, einschließlich Speichermedien sowie dem Verbleib von Dateien etc. Erfahrungsgemäß nicht notwendig ist eine Aufzählung aller Gegenstände in einer Anlage zum Aufhebungsvertrag. Geregelt werden sollte allerdings der Zeitpunkt der Herausgabe sowie der Erfüllungsort der Herausgabe. Darüber hi462
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Rz. 357 Teil 4
Aufhebungsvertrag
naus sollte geregelt werden, dass es kein Zurückbehaltungsrecht an den Gegenständen gibt. Formulierungsmuster: Herausgabepflicht
353
Der Arbeitnehmer wird alle in seinem Besitz befindlichen Gegenstände des Arbeitgebers einschließlich etwaiger Speichermedien, Kopien etc. spätestens am … am Betriebssitz des Arbeitgebers gegen Erstellung einer entsprechenden Quittung in unbeschädigtem Zustand herausgeben. Er verpflichtet sich, alle in seinem Besitz befindlichen Dateien, die Ergebnis der Arbeitsleistung sind oder dem Arbeitgeber zuzurechnen sind, rückstandslos zu löschen. Es besteht Einigkeit, dass weder hinsichtlich der herauszugebenden Gegenstände noch hinsichtlich der Dateien ein Zurückbehaltungsrecht seitens des Arbeitnehmers besteht.
11. Geheimhaltung Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Verschwiegenheit über Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse seines Arbeitgebers zu bewahren, besteht nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung unabhängig von Regelungen im Aufhebungsvertrag1. Allerdings gibt es zwischen der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung und der der Zivilgerichtsbarkeit einen Dissens über den Umgang der nachvertraglichen Treuepflicht. Der BGH geht davon aus, dass der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis in der Weitergabe und Verwertung der dort redlich erlangten Betriebsgeheimnisse grundsätzlich frei ist. Er begründet dies damit, dass eine sichere Abgrenzung von Geheimnis und Erfahrungswissen nur schwer möglich sei2.
354
Für den Aufhebungsvertrag bedeutet dies vor allem, dass zur Schaffung von Rechtssicherheit der Umfang der Geheimhaltungsverpflichtung – je nach rechtlicher Ausgangsposition ggf. konstitutiv – im Vertrag festgelegt werden sollte.
355
Formulierungsmuster: Geheimhaltung
356
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich zu nachvertraglichem Stillschweigen hinsichtlich aller ihm während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zur Kenntnis gelangten Betriebsgeheimnisse sowie vertraulicher geschäftlicher Details, insbesondere Kundendaten, Berechnungsgrundlagen für Produkte, Konditionen mit Zulieferern etc.
Da die vorstehend genannte Vereinbarung zwar eine konstitutive Verpflichtung zum Schweigen begründet, die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen im Nachgang aber schwierig ist, da sich die Höhe eines Schadens kaum 1 BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502. 2 BGH v. 3.5.2001 – I ZR 153/99, WM 2001, 1824.
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Teil 4 Rz. 358
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
bemessen lässt, bietet es sich ggf. an, die vorstehende Klausel mit einer Vertragsstrafenverpflichtung zu verbinden.
12. Erledigungsklausel 358
Da Sinn des Aufhebungsvertrages die Schaffung von Rechtsfrieden ist und im Rahmen des Aufhebungsvertrages alle offenen Rechtsfragen behandelt worden sein sollten, ist es unbedingt sinnvoll, den Aufhebungsvertrag mit einer Erledigungsklausel zu verbinden. Mit einer solchen Erledigungsklausel bzw. Abgeltungsklausel werden alle anderen Ansprüche erledigt, so dass feststeht, dass es nicht noch zu Auseinandersetzungen zwischen den Parteien kommt. Sind hingegen einzelne Punkte zwischen den Parteien offen, können diese aus einer Erledigungsklausel auch ausgespart werden.
359
Für Auslegungsklauseln gilt die allgemeine Auslegungsregel, dass diese im Interesse klarer Verhältnisse grundsätzlich weit auszulegen sind. In einem Aufhebungsvertrag wollen die Parteien in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend bereinigen und alle Ansprüche erledigen. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn die Vergleichsverhandlungen zugleich Quelle neuer, über den beurkundeten Inhalt hinausgehende Ansprüche und damit neuen Parteistreits sein könnten1. Darauf zu achten ist allerdings bei der Klauselgestaltung, dass nicht alle Ansprüche Gegenstand der Abgeltung sein können, z.B. nicht Urlaubsansprüche, Anspruch auf Zeugniserteilung, Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung etc. Für beide Parteien ist im Zusammenhang mit der Vereinbarung einer Ausgleichsklausel allerdings Vorsicht geboten: Je konkreter die Ausgleichsklausel formuliert ist, desto eher spricht die Vermutung dafür, dass alle anderen, nicht konkret genannten Ansprüche, erledigt sein sollen2.
360
Nicht miterledigt sind selbstverständlich die in dem Aufhebungsvertrag selbst erst festgestellten Ansprüche, z.B. auf Abwicklung und Zahlung der Abfindung. Gleichwohl trägt man diesem Gedanken in der Regel durch eine entsprechende Formulierung in der Ausgleichsklausel Rechnung.
361
Formulierungsmuster: Erledigungsklausel Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt. Dies gilt ausdrücklich auch für alle Ansprüche aus Vereinbarungen, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis geschlossen worden sind.
1 BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 617/07, NZA 2009, 139. 2 Vgl. BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896.
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Rz. 367 Teil 4
Aufhebungsvertrag
III. Besonderheiten bei Organen Grundsätzlich gelten die vorstehenden Ausführungen auch für Organmitglieder. Lediglich einige wenige Regelungen sind spezifisch für Organmitglieder und sollen deshalb gesonderte Erwähnung finden:
362
1. Amtsniederlegung Sofern der Geschäftsführer bzw. Vorstand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages noch nicht aus seinem Amt abberufen worden ist, empfiehlt es sich, im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag sogleich die Amtsniederlegung zu regeln. Dabei ist in der Formulierung darauf zu achten, dass der Adressat der Amtsniederlegung (die Gesellschaft vertreten durch die Gesellschafterversammlung) und die vertragsschließende Partei auf Seiten der Gesellschaft identisch sind, so dass die entsprechende Niederlegungserklärung des Geschäftsführers/Vorstandes zugleich auch zugeht.
363
Soll die Amtsniederlegung nicht sofort erklärt werden, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, kann der Vertrag eine entsprechende Verpflichtung des Geschäftsführers enthalten. Da allerdings die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer einer GmbH stets abberufen kann, macht eine solche Regelung keinen rechtspraktischen Sinn.
364
Im Falle eines AG-Vorstandes allerdings ist eine Abberufung aus dem Amt nur aus wichtigem Grunde möglich. Es liegt deshalb im elementaren Interesse der Gesellschaft, bereits im Aufhebungsvertrag auch die Beendigung der Amtsstellung zu regeln. Die bloße Verpflichtung, später das Amt nieder zu legen, sichert die Gesellschaft aber nicht so ab wie die sofortige Niederlegung. Es sollte deshalb eine sofortige Amtsniederlegung zu einem späteren Wirksamkeitszeitpunkt vorgesehen werden, so dass durch den Aufhebungsvertrag als solchen abschließend Rechtssicherheit geschaffen wird.
365
Formulierungsmuster 1: Sofortige Amtsniederlegung
366
Der Geschäftsführer legt hiermit mit sofortiger Wirkung sein Amt als Geschäftsführer nieder. Diese Erklärung des Geschäftsführers gilt der Gesellschaft als mit beiderseitiger Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages zugegangen und wirksam.
Formulierungsmuster 2: Spätere Amtsniederlegung Herr … erklärt, dass er hiermit sein Amt (Geschäftsführer/Vorstand) mit Wirkung zum … niederlegt. Diese Erklärung gilt dem Dienstherren mit beiderseitiger Unterzeichnung des Vertrages zugegangen. Die Amtsniederlegung wird erst mit dem angegebenen Datum wirksam.
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367
Teil 4 Rz. 368
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
368
Darüber hinaus haben insbesondere der Geschäftsführer und der Vorstand ein elementares Interesse daran, dass die Gesellschaft unverzüglich die Änderung zum Handelsregister anmeldet, damit der äußere Haftungstatbestand beendet wird. Eine solche Verpflichtung der Gesellschaft kann wie folgt formuliert werden:
369
Formulierungsmuster: Amtsniederlegung/Anmeldung Die Gesellschaft verpflichtet sich, das Ausscheiden des Herrn … aus dem Amt als Geschäftsführer/Vorstand unverzüglich zum Handelsregister anzumelden. Die Gesellschaft wird für alle Schäden eintreten, die dem Vorstand aus einer verspäteten Erfüllung dieser Verpflichtung erwachsen werden.
370
Darüber hinaus kommt es häufig vor, dass Organe Ämter auch in verbundenen Gesellschaften ausüben. Die Niederlegung dieser Amtsstellung kann zwar im Rahmen eines Aufhebungsvertrages erfolgen, regelmäßig aber der hiervon betroffenen Gesellschaft nicht zugehen. Denn verbundene Gesellschaften sind nicht Partei des Aufhebungsvertrages zwischen der Anstellungsgesellschaft und dem Geschäftsführer/Vorstand. Aus diesem Grunde weicht die Praxis üblicherweise auf entweder eine Verpflichtung des Geschäftsführers zur Niederlegung der Ämter in verbundenen Gesellschaften aus oder eine gesonderte Niederlegungserklärung, die dem Aufhebungsvertrag beigefügt und durch die Gesellschafterversammlung der Anstellungsgesellschaft dann als Bote übermittelt wird.
371
Formulierungsmuster: Verpflichtung zur Amtsniederlegung in verbundenen Gesellschaften Herr … verpflichtet sich, auch seine Ämter in den nachfolgend aufgeführten Gesellschaften unverzüglich niederzulegen und die entsprechenden Erklärungen gegenüber den jeweiligen Gesellschafterversammlungen abzugeben:
372
Formulierungsmuster: Niederlegung durch Anlage Herr … legt zugleich auch seine gesellschaftlichen Ämter in den verbundenen Gesellschaften nieder. Die Niederlegungserklärungen, die auf gesonderter Urkunde erfolgen, werden als Anlage zu diesem Vergleich genommen. Der Dienstherr ist unwiderruflich beauftragt, diese Erklärungen den zuständigen Gesellschafterversammlungen zuzuleiten, um die Amtsniederlegung zur Durchsetzung zu bringen. Zugleich wird die Gesellschaft veranlassen, dass die entsprechenden Veränderungen unverzüglich zum Handelsregister angemeldet werden.
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Rz. 376 Teil 4
Aufhebungsvertrag
Die vorstehende Formulierung stellt häufig deshalb ein Problem dar, weil die Gesellschafterversammlung in den verbundenen Gesellschaften durch den Geschäftsführer der Muttergesellschaft gebildet wird, häufig also denjenigen, um dessen Vertragsaufhebung es geht. In einem solchen Fall wird allerdings die Gesellschafterversammlung der verbundenen Gesellschaft gebildet durch die Gesellschafterversammlung der Muttergesellschaft. Die Amtsniederlegung kann dann nach dem obigen Muster durch unmittelbare Erklärung gegenüber den Vertragspartnern erfolgen.
373
2. Entlastung Die Tätigkeit des Geschäftsführers/Vorstandes ist in der Gesellschafterversammlung zu entlasten. Die Entlastung hat dabei die Wirkung des Verzichts einer Inhaftungnahme. Wird die Tätigkeit nicht entlastet, hat dies zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen, belässt aber der Gesellschaft die Möglichkeit, den Vorstand für die Amtsausführung später in eine Schadenersatzhaftung zu nehmen. Im Rahmen eines Aufhebungsvertrages soll in der Regel Rechtsfrieden geschaffen werden. Aus diesem Grunde wird häufig im Rahmen des Aufhebungsvertrages die Entlastung erteilt. Demgegenüber ist eine Verpflichtung der Gesellschafterversammlung, bei der nächsten Sitzung Entlastung zu erteilen, für das Organ wenig rechtssicher. Denn werden in der Zwischenzeit Tatsachen bekannt, die der Entlastung entgegen stehen, ist eine solche Verpflichtung nicht durchsetzbar. Umgekehrt: Dass zum Zeitpunkt der Entlastung im Aufhebungsvertrag Tatsachen noch nicht bekannt waren, die später haftungsrelevant werden könnten, müsste im Streitfalle die Gesellschaft beweisen.
374
Formulierungsmuster: Entlastung
375
Die Gesellschafterversammlung, zum Abschluss dieser Vereinbarung als Vertreter der Gesellschaft beteiligt, erklärt die Entlastung der Amtstätigkeit des Geschäftsführers/Vorstandes für das Geschäftsjahr …
3. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot Ist mit dem Geschäftsführer/Vorstand ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vertraglich vereinbart, sollte dessen Schicksal im Aufhebungsvertrag Erwähnung finden. Entweder halten die Parteien am Wettbewerbsverbot fest. In diesem Falle macht es Sinn, bereits im Aufhebungsvertrag die Höhe der Karenzentschädigung zu benennen. Alternativ kann im Aufhebungsvertrag das Wettbewerbsverbot auch jederzeit einvernehmlich aufgehoben werden mit der Konsequenz, dass sich der Geschäftsführer/Vorstand nicht des Wettbewerbs zu enthalten braucht, umgekehrt aber auch keine Verpflichtung zur Karenzentschädigung mehr besteht.
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Teil 4 Rz. 377 377
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Formulierungsmuster: Aufhebung Wettbewerbsverbot Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß §… des Anstellungsvertrages vom … wird hiermit aufgehoben und entfaltet für keine der beteiligten Parteien Pflichten bzw. Rechte.
378
Formulierungsmuster: Fortbestand Wettbewerbsverbot Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot gemäß § … des Anstellungsvertrages vom … bleibt ungeachtet des Abschlusses dieses Aufhebungsvertrages für beide Seiten wirksam bestehen. Es besteht Einigkeit, dass die Karenzentschädigung, zahlbar ab … E brutto/Monat beträgt. Der Geschäftsführer verpflichtet sich, über Einnahmen, die der Anrechnung im Rahmen der Karenzentschädigung unterliegen können, regelmäßig, spätestens jedoch alle drei Monate rückwirkend, ohne weitere Aufforderung Auskunft zu geben und im Falle ernsthafter Zweifel seitens der Gesellschaft die Richtigkeit der Auskunft an Eides statt zu versichern.
4. Sprachregelung 379
Im Falle der Beendigung des Anstellungsverhältnisses von Organen besteht in der Regel ein praktisches Bedürfnis dafür, eine Sprachregelung festzulegen, die das Ausscheiden des Vorstandes/Geschäftsführers erklärt. Eine solche Sprachregelung dokumentiert den guten Willen beider Parteien, sich vertragskonform zu verhalten und der anderen Partei nicht unnötig Erschwerungen für die Zukunft mitzugeben.
380
Auch wenn eine verbindliche Sprachregelung im Vertrag eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung begründet, sind praktische Konsequenzen nahezu ausgeschlossen. Denn in der Regel wird es keiner der Parteien gelingen, nachzuweisen, dass die andere Seite von der Sprachregelung abgewichen ist (haftungsbegründender Tatbestand) und genau hieraus dem anderen ein Schaden entstanden ist (haftungsausfüllender Tatbestand). Aus diesem Grunde kann überlegt werden, eine solche Klausel mit einer Vertragsstrafenabrede abzusichern.
381
Formulierungsmuster: Sprachregelung Beide Parteien verpflichten sich, jedem Dritten gegenüber das Ausscheiden des Herrn … wie folgt darzustellen: Herr … verlässt die Gesellschaft in bestem gegenseitigen Einvernehmen mit der Gesellschafterversammlung. Die Trennung hat Gründe, die vor allem in der strategischen Neuausrichtung der Gesellschaft liegen. Die Gesellschaft bedauert, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit endet. [Inhalte können beliebig modifiziert werden.]
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E. Befristung Den gesetzlichen Vorschriften zu Dienstverhältnissen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Befristung von Dienst- und damit auch Arbeitsverhältnissen als Regelfall angesehen hat. Sie sollen grundsätzlich mit Ablauf der Zeit enden, für die sie eingegangen sind (§ 620 Abs. 1 BGB). Diese Wertung kollidiert zum einen mit der Erwartungshaltung der Dienstverpflichteten und Arbeitnehmer, die schon zur eigenwirtschaftlichen Absicherung auf eine unbefristete Anstellung drängen. Zum anderen trifft die Möglichkeit zur Befristung auf zwingende Schutzvorschriften, insbesondere solche des KSchG. Hier gilt es, einer Umgehung entgegenzuwirken. Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber an die Befristung von Arbeitsverhältnissen weitgehende Anforderungen gestellt. Das TzBfG enthält dazu detaillierte Bestimmungen. Sie führen in der Regel zu erheblichen formalen und materiellen Hürden. Gleichwohl wird die überwiegende Zahl von Arbeitsverträgen heute zunächst befristet geschlossen. Denn jede Befristung ermöglicht eine Beendigung des Vertragsverhältnisses ohne Kündigung und die damit verbundenen Schwierigkeiten.
382
I. Organ-Führungskräfte 1. Materielle Anforderungen an die Befristungsabrede Bei der Kündigung einer Organ-Führungskraft stellen sich die Schwierigkeiten des KSchG nicht. Folgerichtig findet auch das TzBfG auf sie keine Anwendung. Befristungen sind mit Organ-Führungskräften daher weitgehend frei vereinbar. Das AktG legt indes eine Höchstdauer für die Bestellung zum Vorstand von fünf Jahren fest, die um höchstens fünf Jahre verlängert werden kann, § 84 Abs. 1 AktG. Das Gesetz geht somit davon aus, dass die Tätigkeit eines Vorstandsmitglieds von vorneherein nur von begrenzter Dauer ist. Dies gilt in der mitbestimmten GmbH – mit Ausnahme der nach dem DrittelbG mitbestimmten GmbH – auch für den GmbH-Geschäftsführer. In diesen Fällen wird zumeist auch der Anstellungsvertrag befristet für die Dauer der Bestellung der geschlossen, um einen Gleichlauf zu gewährleisten. Gilt die Regelung des § 84 Abs. 1 AktG mangels einschlägiger mitbestimmungsrechtlicher Vorschriften nicht, ist es trotzdem üblich, die Bestellung nur für bestimmte Dauer vorzunehmen und die Laufzeit des Anstellungsverhältnisses daran anzupassen.
383
2. Formelle Anforderungen an die Befristungsabrede Auch die formalen Hürden des TzBfG sind bei einer Befristung von Dienstverhältnissen nicht zu beachten. Denn § 620 Abs. 1 BGB schreibt – anders als § 14 Abs. 4 TzBfG – keine strenge Schriftform für Befristungsabreden vor. Daher genügt auch eine ggf. nur mündliche Vereinbarung über ein hinreichend bestimmtes oder bestimmbares Beendigungsdatum für den Vertrag. Von einer derartigen Bestimmung ist insbesondere auszugehen, wenn der Beendigungstermin kalendermäßig festgehalten ist1. 1 Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 999.
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Teil 4 Rz. 385
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
3. Regelungsmöglichkeiten 385
Regelungsbedarf kann im Organ-Anstellungsvertrag hinsichtlich § 625 BGB bestehen. Nach dieser Bestimmung gilt ein Dienstverhältnis, das nach Ablauf der Dienstzeit mit Wissen des anderen Teils fortgesetzt wird, als auf unbestimmte Zeit verlängert. § 625 BGB kann allerdings vertraglich abbedungen werden1. Zudem findet § 625 BGB in all den Fällen keine Anwendung, in denen der Aufsichtsrat eine Entscheidung über die Bestellung des Organmitglieds treffen muss. Ansonsten läge bei einer automatischen Verlängerung des Anstellungsverhältnisses ein Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Aufsichtsrats vor2.
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In der nicht mitbestimmten GmbH können Anstellungsverträge mit Geschäftsführern auch auf Lebenszeit geschlossen oder der Beendigungszeitpunkt auf das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze festgelegt werden. Die Festlegung einer Altersgrenze, die unterhalb der gesetzlichen Regelaltersgrenze liegt, begegnet jedoch diskriminierungsrechtlichen Bedenken. Sie bedarf einer Rechtfertigung nach § 10 Satz 1 AGG, d.h. sie muss objektiv angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sein3. Die Anforderungen an einen derart legitimierenden Grund sind hoch. Denn das Erreichen eines bestimmten Alters kann hierfür als alleiniges Argument ebenso wenig herangezogen werden wie die Möglichkeit des Rentenbezuges. Die Altersbefristung muss aufgrund anderer Umstände angemessen sein4. Ist in dem Dienstvertrag eine über fünfjährige Bindung, also Vertragslaufzeit, vorgesehen, kann das Anstellungsverhältnis vom Verpflichteten auch ohne Absprachen nach Ablauf von fünf Jahren mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden (§ 624 BGB).
387
In der Praxis verbreitet sind auch sog. Verlängerungsklauseln, nach denen sich das auf bestimmte Dauer eingegangene Dienstverhältnis automatisch verlängert, wenn der Vertrag nicht innerhalb einer bestimmten Frist vor Ablauf des Vertrages von einer Partei gekündigt wird. Solche Klauseln begegnen keinen rechtlichen Bedenken5. Indes ist ihr Charakter ohnehin weniger auf die Befristung als vielmehr eine unbeschränkte Laufzeit mit begrenzten Kündigungsmöglichkeiten ausgelegt.
II. Arbeitnehmer-Führungskräfte 388
Wie bereits erwähnt, wird die überwiegende Zahl der Arbeitsverhältnisse zunächst befristet eingegangen. Das Befristungsrecht spielt damit in der arbeitsrechtlichen Praxis eine erhebliche Rolle. Die Zulässigkeit einer Befristung richtet sich für Arbeitnehmer nach den Vorschriften des TzBfG. Diese enthalten für den Arbeitgeber eine erhebliche Anzahl an Fallstricken6. Die Folge ei1 Vgl. BGH v. 25.11.1963 – VII ZR 29/62, NJW 1964, 350; ErfK/Müller-Glöge, § 625 BGB Rz. 8 m.w.N. 2 HWK/Bittner, § 625 BGB Rz. 16; ErfK/Müller-Glöge, § 625 BGB Rz. 2. 3 Vgl. dazu Lutter, BB 2007, 725 ff. 4 Vgl. BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09. 5 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 1000. 6 Dazu Bauer, NZA 2011, 241 ff.
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Rz. 391 Teil 4
Befristung
nes Verstoßes gegen die Bestimmungen es TzBfG ist regelmäßig die Entstehung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses (§ 16 TzBfG). Der Arbeitgeber läuft damit Gefahr, den Arbeitnehmer über das vereinbarte Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus weiterbeschäftigen zu müssen.
1. Allgemeines a) Begriff Eine Legaldefinition der Befristung enthält § 3 Abs. 1 TzBfG. Danach ist ein Arbeitsverhältnis dann befristet, wenn es auf bestimmte Zeit eingegangen wurde. Möglich ist sowohl eine Zeit- als auch eine Zweckbefristung. Bei der Zeitbefristung ist die Dauer des Vertrages kalendermäßig bestimmt. Dagegen liegt eine Zweckbefristung vor, wenn sich die Dauer der Befristung aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 TzBfG1.
389
Nach Ansicht des BAG stellt auch eine im Arbeitsvertrag festgelegte Altersgrenze eine Befristungsregelung dar, die einer sachlichen Rechtfertigung bedarf2. Ein sachlicher Grund liegt insbesondere dann vor, wenn der Vertrag auf das Erreichen der Regelaltersgrenze (derzeit noch 65 Jahre) befristet und von der Möglichkeit eines Rentenbezugs abhängig gemacht wird. Der Rentenbezug alleine rechtfertigt jedoch nach Ansicht des BAG nicht die Wirksamkeit einer auf das Erreichen der Regelaltersrente getroffenen Befristungsabrede. Denn hierin liege regelmäßig eine unzulässige Altersdiskriminierung, die einer sachlichen Rechtfertigung nach Maßgabe des AGG bedürfe. Hier könne die wirtschaftliche Absicherung des Mitarbeiters für den Fall des Ausscheidens zwar ein Argument im Rahmen der Interessenabwägung darstellen; zu prüfen sei jedoch vor allem, ob die Benachteiligung des Ausscheidens durch sachliche Gründe legitimiert sei. In Bezug auf die Altersgrenze des TVöD wurde dies durch den zuständigen Senat bejaht. In Anknüpfung an frühere Entscheidungen des EuGH3, hat das BAG insbesondere auf die Interessen des Arbeitgebers an einer ausgewogenen Personalstruktur sowie des Mitgliedsstaates an einer hohen Beschäftigungsquote, die vor allem durch Eröffnung des Arbeitsmarktes durch jüngere Mitarbeiter gewährleistet sei, abgestellt. Das BAG ist damit von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer tariflichen Befristung auf das Rentenalter ausgegangen4. Ob diese Rechtsprechung auch auf Arbeitsverträge anzuwenden ist, die tarifliche Bestimmungen nicht einmal in Bezug nehmen, bleibt abzuwarten.
390
Ab 2012 wird die Regelaltersgrenze schrittweise von derzeit 65 Jahren auf das vollendete 67. Lebensjahr angehoben, vgl. § 235 Abs. 2 SGB VI. Sehen Arbeitsverträge eine Befristung auf das 65. Lebensjahr vor, obwohl die Regelaltersgrenze für den Arbeitnehmer von der Anhebung betroffen ist und somit von der vertraglichen Festlegung abweicht, könnte sich dies auf die Wirksamkeit
391
1 Vgl. dazu etwa Natzel in: Hümmerich/Spirolke, § 3 Rz. 442. 2 BAG v. 14.8.2002 – 7 AZR 469/01, NZA 2003, 1397 ff.; BAG v. 19.11.2003 – 7 AZR 296/03, NZA 2004, 1336 ff. 3 Vgl. EuGH v. 12.10.2010 – C-45/09. 4 BAG v. 8.12.2010 – 7 AZR 438/09; vgl. auch ArbG Hamburg v. 25.1.2011 – 21 Ca 351/08.
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Teil 4 Rz. 392
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
der Befristung auswirken. Jedenfalls Arbeitsverträge, die vor Inkrafttreten des Rentenversicherungsanpassungsgesetz zum 1. Januar 2008 abgeschlossen wurden und in denen noch bestimmt ist, dass das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres enden soll, werden dann wohl so auszulegen sein, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erst mit Erreichen der jeweiligen individuellen Altersgrenze eintreten soll1.
b) Anwendung sonstiger gesetzlicher Bestimmungen 392
Die Vorschriften des TzBfG gelten nur für die Befristungsabrede als solche. Ansonsten finden die übrigen Vorschriften des Arbeitsrechts Anwendung, so dass auch im befristeten Arbeitsverhältnis die Vereinbarung einer Probezeit mit erleichterter Kündigungsmöglichkeit in Betracht kommt2. Wichtig ist indes, dass die Befugnis zur ordentlichen Kündigung im befristeten Arbeitsvertrag vereinbart wird. Denn andernfalls ist dieses Recht während der Befristungsdauer ausgeschlossen, § 15 Abs. 3 TzBfG.
c) Schriftform 393
Die Befristung des Arbeitsvertrages bedarf gem. § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Das Schriftformerfordernis bezieht sich nicht auf den gesamten Arbeitsvertrag oder den Befristungsgrund, sondern ausschließlich auf die Befristungsabrede3. Der befristete Arbeitsvertrag muss grundsätzlich vor Arbeitsantritt, spätestens aber am Tag der Arbeitsaufnahme, in schriftlicher Form vorliegen und damit von beiden Parteien unterzeichnet sein. Wird die Schriftform erst später gewahrt, so wird die gem. §§ 14 Abs. 4 TzBfG, 125 Satz 1 BGB unwirksame Befristungsabrede regelmäßig nicht rückwirkend geheilt4.
394
Hiervon hat das BAG eine Ausnahme gemacht. Übersendet der Arbeitgeber vor der Arbeitsaufnahme dem Arbeitnehmer einen unterschriebenen Arbeitsvertrag mit der Bitte, diesen unterschrieben zurückzusenden und unterschreibt der Arbeitnehmer den Vertrag erst nach der Arbeitsaufnahme, so ist die Schriftform nach Ansicht des BAG jedenfalls bei sachgrundbefristeten Verträgen auch dann gewahrt, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar war, dass der Arbeitgeber den Vertrag nur bei Wahrung der Schriftform geschlossen haben würde5. Alleine die tatsächliche Arbeitsaufnahme führt noch nicht zum Vertragsschluss, wenn der Arbeitergeber noch die Rücksendung der unterschriebenen Vertragsurkunde wartet6.
395
Eine nur mündlich vereinbarte Befristungsabrede ist gem. § 125 Satz 1 BGB stets (form-)unwirksam. Die Rechtswirksamkeit des Arbeitsvertrages im Übrigen wird dadurch grundsätzlich nicht berührt. Er gilt allerdings als auf unbe1 Vgl. ErfK/Rolfs, § 41 SGB VI Rz. 9a; ähnlich HWK/Ricken, § 41 SGB VI Rz. 9. 2 BAG v. 24.1.2008 – 6 AZR 519/07, NZA 2008, 521 ff.; BAG v. 4.7.2001 – 2 AZR 88/00, NZA 2002, 288. 3 BAG v. 26.7.2006 – 7 AZR 515/05, NZA 2007, 34 ff. 4 Vgl. Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff., 114. 5 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184 ff. 6 BAG v. 16.4.2008 – 7 AZR 1048/06, NZA 2008, 1184 ff.
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Rz. 398 Teil 4
Befristung
stimmte Zeit geschlossen1. Ist die Befristungsabrede nur wegen Nichteinhaltung der Schriftform unwirksam, so können beide Parteien, den Vertrag zu einem Zeitpunkt vor dem vereinbarten Ablauf der Befristung ordentlich kündigen, vgl. § 16 Satz 2 TzBfG.
2. Befristungsformen Für die rechtliche Behandlung und die Zulässigkeit einer Befristung ist die Unterscheidung zwischen einer Befristung mit Sachgrund und einer Befristung ohne Sachgrund von erheblicher Bedeutung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Parteien die Befristung als sachgrundlos bezeichnet oder Sachgründe angeführt haben. Entscheidend – sofern tariflich nichts anderes bestimmt ist – ist alleine das objektive Vorliegen eines Sachgrundes. Dieser muss grundsätzlich nicht im Arbeitsvertrag genannt werden2.
396
a) Befristung mit Sachgrund Obgleich § 620 Abs. 1 BGB die Befristung von Dienstverhältnissen als Regelfall ansieht, musste der Gesetzgeber einer Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes entgegenwirken. Aus diesem Verständnis heraus sollen Befristungen nur in den Fällen schrankenlos vereinbart werden können, in denen jedenfalls der Arbeitgeber bei Vertragsschluss die gesicherte Prognose aufstellen kann, dass der Beschäftigungsbedarf nach Ablauf der Zeit, für das das Arbeitsverhältnis eingegangen wurde, entfallen wird. Eine derartige Erwartung setzt der Natur der Sache nach einen rechtfertigenden Anlass für die Befristungsabrede voraus. § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG enthält katalogartig eine Reihe von anerkannten Sachgründen. Die Aufzählung ist jedoch, wie sich aus dem Wortlaut („insbesondere“) ergibt, nicht abschließend. Im Folgenden stellen wir die für Führungskräfte wesentlichen Befristungsgründe vor:
397
aa) Vorübergehender Bedarf (Nr. 1) Eine Befristung ist unter anderem dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitsbedarf nur vorübergehender Natur ist. Dies setzt die gesicherte Prognose im Zeitpunkt des Vertragsschlusses voraus, dass für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers nach Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit kein Bedarf mehr besteht. Die bloße Unsicherheit über eine zukünftige Entwicklung reicht nicht aus, da es dem Arbeitgeber nicht erlaubt ist, das unternehmerische Risiko auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Es muss zukünftig wieder mit einiger Sicherheit mit einem absinkenden Personalbedarf zu rechnen sein. Dies kann unter anderem auch bei einer Projektbefristung der Fall sein, wenn die Beendigung des Projektes absehbar ist. Ein nur vorübergehend erhöhter Bedarf liegt dagegen nicht vor, wenn der betroffene Arbeitsplatz in Zukunft mit einem Leiharbeitnehmer besetzt werden soll3. Denn dann ist gerade 1 Vgl. Bayreuther in: BeckOK Arbeitsrecht, § 16 TzBfG Rz. 1; Backhaus in: Ascheid/ Preis/Schmidt, Kündigungsrecht, § 16 TzBfG Rz. 4 f. 2 Heidl, RdA 2009, 297 ff., 297. 3 BAG v. 17.1.2007 – 7 AZR 20/06, NZA 2007, 566 ff.
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398
Teil 4 Rz. 399
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
wegen der künftigen Beschäftigung von einem dauerhaften Arbeitsbedarf auszugehen.
bb) Vertretungsbefristung (Nr. 3) 399
Ein anderer anerkannter Sachgrund für Befristungsabreden ist die Vertretung eines anderen Arbeitnehmers. Auch diese Fallgruppe setzt die prognostisch vorübergehende Natur des Vertretungsbedarfs voraus. Weiß der Arbeitgeber vor Abschluss der Befristungsabrede, dass der zu vertretende Arbeitnehmer nicht zurückkehren wird, oder hat er aufgrund der ihm vorliegenden Informationen erhebliche Zweifel an dem Wiederantritt des Arbeitsplatzes, so kann die Befristung unzulässig sein1. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer bereits vor Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages seine Rückkehr verbindlich ausgeschlossen hat2.
400
Der befristet zur Vertretung eingestellte Arbeitnehmer muss nicht zwingend denselben Arbeitsplatz übernehmen wie der Vertretene. Auch eine mittelbare Vertretung (Vertretungskette) ist möglich, wenn andere Arbeitnehmer ganz oder teilweise mit den Aufgaben des Vertretenen betraut werden und ihr eigener Arbeitsplatz durch einen befristet eingestellten Arbeitnehmer eingenommen wird3. Hiervon kann indes nur ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber den vertretenen Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts auf den Arbeitsplatz hätte versetzen können, den der befristet eingestellte Arbeitnehmer einnimmt4. Um insbesondere in größeren Organisationseinheiten der Gefahr einer unerkannten Doppelvertretung (mit einer daraus folgenden unwirksamen Befristung) entgegenzuwirken, wird zusätzlich eine erkennbare Zuordnung zwischen der Befristung auf der einen und dem Vertretungsfall auf der anderen Seite gefordert. Diese gedankliche Zuordnung muss zwar nicht im Arbeitsvertrag fixiert werden; sie muss jedoch hinreichend zum Ausdruck kommen. Üblich ist hierbei eine Mitteilung an den Betriebsrat über den Vertretungsfall und die Beschäftigung eines befristet eingestellten Arbeitnehmers im Rahmen der Beteiligung nach § 99 Abs. 1 BetrVG. Bei leitenden Angestellten kommt diese Information an den Betriebsrat mangels Beteiligungsrecht häufig nicht in Betracht. Solange daher kein Sprecherausschuss gebildet ist, der über die Vertretungskette informiert wird, sollte die Zuordnung ggf. im Vertrag dokumentiert werden.
401
Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Vertretungsbedarfs ist der Arbeitgeber. Ob die Arbeitsbefreiung des vertretenen Mitarbeiters rechtmäßig ist, wird allerdings nicht geprüft. Bei einer mittelbaren Vertretung ist insbesondere Wert auf eine konkrete Darlegung der umorganisierten Aufgabenverteilung wertzulegen.
402
Besteht bei einem Arbeitgeber ständiger Vertretungsbedarf, ist es nach derzeitiger Rechtsprechung des BAG möglich, hintereinander mehrere befristete Arbeitsver1 2 3 4
BAG v. 2.7.2003 – 7 AZR 529/02, NZA 2004, 1055 ff. BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08, NZA 2010, 34 ff. Vgl. Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff. BAG v. 15.2.2006 – 7 AZR 232/05, NZA 2006, 781 ff.; BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08, NZA 2010, 34 ff.
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Rz. 406 Teil 4
Befristung
hältnisse zu vereinbaren1. Die zeitlichen Höchstgrenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG gelten für sachgrundbefristete Verträge grundsätzlich nicht. In einer neuen Entscheidung hat das BAG jedoch Bedenken angemeldet, ob dies mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist und die Sache dem EuGH vorgelegt2. Auch das LAG Köln hat den EuGH mit Blick auf Kettenbefristungen und einen letztlich dauerhaften Arbeitsbedarf um eine Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit des TzBfG mit den europäischen Richtlinien gebeten. Der Termin vor dem EuGH hat im Mai 2011 stattgefunden; die Entscheidung steht noch aus. Es ist davon auszugehen, dass sie zu einer erheblichen Einschränkung der Fälle einer mittelbaren Vertretung führen wird.
cc) Haushaltsbefristung (Nr. 7) Wird der Arbeitnehmer aus öffentlichen Haushaltsmitteln vergütet, sieht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG eine weitergehende Befristungsmöglichkeit vor. Die Haushaltsmittel müssen mit einer konkreten Sachregelung auf Grundlage einer nachvollziehbaren Zwecksetzung versehen sein. Eine nur allgemeine Bereitstellung der Mittel für die befristete Anstellung von Arbeitnehmern reicht demzufolge nicht aus. Es bedarf vielmehr einer konkreten Bereitstellung von Mitteln für eine Aufgabe von befristeter Dauer3. Ebenso scheidet der Befristungsgrund aus, wenn der Arbeitnehmer Daueraufgaben des öffentlichen Arbeitgebers übernehmen soll4. Eine Kongruenz von Befristung und Bereitstellungsdauer der Haushaltsmittel ist dagegen nicht erforderlich5.
403
Zudem muss der Arbeitnehmer zumindest überwiegend zur Wahrnehmung der genannten Aufgabe eingesetzt werden. Dabei kommt es auf die Umstände bei Vertragsschluss ankommt6. Wird der Tätigkeitsbereich später geändert, kann dies ein Indiz dafür sein, dass der Befristungsgrund nur vorgeschoben war7.
404
Auch im Bereich der Haushaltsbefristung wird sich der EuGH im Rahmen der o.g. Entscheidung zu der europarechtlichen Zulässigkeit von sogenannten Kettenbefristungen äußern müssen8.
405
dd) Sonstige Sachgründe in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG Die übrigen in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG aufgezählten Sachgründe sollen hier aufgrund ihrer eher geringen praktischen Relevanz im Bereich der Führungskräfte nur kurz erwähnt werden. Neben der Befristung zur Erleichterung des 1 BAG v. 25.3.2009 – 7 AZR 34/08, NZA 2010, 34 ff. 2 BAG v. 17.11.2010 – 7 AZR 443/09, NZA 2011, 34 ff. 3 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, NZA 2007, 871 ff.; BAG v. 17.3.2010 – 7 AZR 843/08, NZA-RR 2010, 549 ff.; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 71; Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff., 120 m.w.N. 4 BAG v. 18.10.2006 – 7 ARZ 640/08, NZA 2007, 332 ff.; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, NZA 2007, 871 ff. 5 BAG v. 15.1.2003 – 7 AZR 616/01, NZA 2003, 1167. 6 BAG v. 18.10.2006 – 7 AZR 419/05, NZA 2007, 332 ff.; BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, NZA 2007, 871 ff. 7 BAG v. 14.2.2007 – 7 AZR 193/06, NZA 2007, 871 ff.; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 71. 8 Vgl. Vorlagebeschluss des LAG Köln v. 27.5.2010 – 7 Sa 1224/09, ZTR 2010, 427 ff.
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406
Teil 4 Rz. 407
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Übergangs von einem Berufsausbildungsverhältnis oder einem Studium in eine Anschlussbeschäftigung (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TzBfG) kann auch die Eigenart der Tätigkeit eine Befristung mit Sachgrund rechtfertigen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG). Hierunter fallen insbesondere befristete Verträge mit Rundfunkmitarbeitern oder Schauspielern1. Als Parallele zur Vereinbarung einer Probezeit i.S.v. § 622 Abs. 2 Satz 3 BGB kann die Erprobung des Mitarbeiters einen Sachgrund für die Befristung seines Arbeitsverhältnisses darstellen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG). Dies soll bei Führungskräften sogar dann der Fall sein, wenn bereits vorher ein Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien bestanden hat2. Hiervon ist jedoch nur auszugehen, wenn sich die Umstände der Arbeitsleistung erheblich ändern. Bei einer nur geringen Anpassung der bislang arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung dürfte eine Befristung des gesamten Arbeitsverhältnisses ebenso wenig in Betracht kommen wie die Vereinbarung einer erneuten Probezeit. Dies gilt umso mehr, weil auch die Wartezeit des § 1 KSchG in diesen Fällen nicht neu beginnt und deshalb die Gefahr einer Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes real ist. 407
Gründe in der Person des Arbeitnehmers sind durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG ebenfalls als Sachgrund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses anerkannt. Sie liegen bspw. im Falle einer befristeten Arbeitserlaubnis vor und sind darüber hinaus gegeben, wenn die Befristung des Arbeitsverhältnisses ausschließlich auf dem Wunsch des Mitarbeiters basiert, d.h. er ohne die Befristung den Vertrag nicht eingegangen wäre.
408
Beruht die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich stellt auch dies einen anerkannten Sachgrund dar (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 TzBfG).
409
Aber nicht nur das TzBfG zählt Sachgründe für eine Befristung auf. Auch in anderen Gesetzen finden sich zum Teil spezielle Regelungen, bspw. in § 21 BBiG, § 6 PflegeZG.
ee) Unbenannte Sachgründe 410
Da der Katalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht abschließend ist, kommen auch darüber hinausgehende Sachgründe in Betracht. Voraussetzung ist, dass sie den in Nr. 1 bis 8 genannten Gründen gleichwertig sind. Als unbenannter Sachgrund wurde bspw. die Sicherung einer kontinuierlichen Betriebsratsarbeit angesehen, wenn der Arbeitgeber mit einem Betriebsratsmitglied, dessen befristeter Arbeitsvertrag ausläuft, einen weiteren befristeten Vertrag geschlossen hat3.
411
Als unbenannter Sachgrund gewinnt immer mehr die Prozessbeschäftigung an praktischer Relevanz. Hier ist aus Sicht des Arbeitgebers insbesondere verstärkt auf die Einhaltung der Schriftform zu achten. Denn während eines Kündigungsschutzprozesses gerät dies mitunter schnell aus dem Blickfeld. 1 Vgl. dazu BAG v. 8.11.2006 – 5 AZR 706/05, NZA 2007, 321 ff.; Bayreuther in: BeckOK Arbeitsrecht, § 14 TzBfG Rz. 52 f. 2 Vgl. Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff., 120. 3 Vgl. näher BAG v. 23.1.2002 – 7 AZR 611/00, NZA 2002, 986 ff.; ErfK/Müller-Glöge, § 14 TzBfG Rz. 78.
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Rz. 414 Teil 4
Befristung
b) Befristung ohne Sachgrund Neben der Befristung mit Sachgrund erlaubt das Gesetz auch Befristungen ohne Sachgrund (§ 14 Abs. 2, 2a und 3 TzBfG). Diese Variante ist jedoch auf Zeitbefristungen beschränkt, da § 14 Abs. 2 TzBfG ausdrücklich von einer kalendermäßigen Befristung spricht. Der Grund hierfür ergibt sich nicht zuletzt aus der Natur der Sache. Denn bei Befristungen ohne Sachgrund fehlt es im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an einem vorhersehbaren Datum oder Ereignis, das zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen soll. Der Beschäftigungsbedarf wird mit anderen Worten nicht von vorübergehender Dauer sein. Hieraus resultiert die erhöhte Gefahr, dass zwingender Kündigungsschutz umgangen wird. Deshalb sind an die Zulässigkeit sachgrundloser Befristungen deutlich höhere formale Anforderungen geknüpft als im Fall von Befristungen mit Sachgrund.
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So dürfen sachgrundlose Befristungen nach § 14 Abs. 2 TzBfG die Gesamtdauer von zwei Jahren nicht überschreiten. Die Höchstfrist von zwei Jahren beginnt nicht mit Abschluss des Arbeitsvertrages, sondern am Tag des vereinbarten Beginns des Arbeitsverhältnisses1. Diese Zeitdauer kann, muss aber nicht durch einen befristeten Arbeitsvertrag ausgeschöpft werden. Vielmehr kann die Gesamtdauer von maximal zwei Jahren auch durch einen für kürzere Zeitdauer befristeten Grundarbeitsvertrag und dessen (maximal) dreimalige Verlängerung erreicht werden. Von einer Verlängerung des bestehenden Arbeitsvertrages ist nur auszugehen, wenn sich der weitere befristete Arbeitsvertrag unmittelbar und ohne Zäsur an die bisherige Befristungsdauer anschließt2. Es darf nicht ein arbeitsfreier Tag zwischen dem Ablauf des alten und dem Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses liegen3. Die Verlängerung muss vor Ablauf der ursprünglichen Befristung erfolgen4. Darüber hinaus setzt die Verlängerung des bestehenden Arbeitsvertrages voraus, dass sich die Arbeitsbedingungen durch die Verlängerungsabsprache nicht ändern. Eine Verlängerungsabrede genügt damit nur dann den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 TzBfG, sofern sie sich auf eine Veränderung des Beendigungsdatums beschränkt. Selbst Vertragsänderungen zu Gunsten des Arbeitnehmers sind befristungsschädlich5. Das BAG begründet dies mit dem Gesetzeswortlaut, der nur die Verlängerung des bestehenden Vertrages erlaubt. Diese strenge Ansicht ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen, entspricht aber der ständigen Rechtsprechung des BAG6.
413
Prägend für sachgrundlose Befristungen ist weiter das sogenannte Anschlussverbot. Es schließt nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sachgrundlose Befristungen aus, sofern zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien in der Vergangenheit ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Auf den zeitlichen Umfang, die wahrgenommene Aufgabe oder das
414
1 2 3 4 5 6
Vgl. Heidl, RdA 2009, 297 ff. BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 ff. Heidl, RdA 2009, 297 ff. BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 ff. BAG v. 23.8.2006 – 7 AZR 12/06, NZA 2007, 204 ff.; vgl. Heidl, RdA 2009, 297 ff. Vgl. Studt in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltskommentar Arbeitsrecht, § 14 TzBfG Rz. 89 m.w.N.
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Teil 4 Rz. 415
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
hierfür bezogene Entgelt kommt es nicht an. Schon eine geringfügige Beschäftigung i.S.v. § 8 SGB IV kann dadurch einer sachgrundlosen Befristung entgegenstehen1. Die Vereinbarung einer (unwirksamen) sachgrundlosen Befristung wegen eines zuvor bestehenden Arbeitsverhältnisses hat in der Vergangenheit stets dazu geführt, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstand. Von einem „Zuvor-Arbeitsverhältnis“ ging die Rechtsprechung bis vor kurzem nur dann nicht aus, wenn zwischen den Vertragsparteien früher ein Berufsausbildungsverhältnis bestanden hatte. Denn dieses wurde nicht als Arbeitsverhältnis und damit befristungsschädlich angesehen2. Darüber hinaus achtet das BAG in der Vergangenheit sehr strikt darauf, ob es sich tatsächlich um dieselben Arbeitsvertragsparteien handelte. Hierbei kommt es entscheidend auf die Identität der Vertragsarbeitgeber an3. Der Arbeitsort oder die Betriebszugehörigkeit spielen keine Rolle. Führen mehrere Vertragsarbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb, so werden sie nicht als derselbe Arbeitgeber angesehen, solange keine missbräuchliche Umgehung des Anschlussverbots vorliegt4. Das Anschlussverbot wurde dadurch in der Vergangenheit sehr formal geprüft. Dies galt auch für das Merkmal „bereits zuvor“, dass die vorherrschende Meinung sehr weitgehend verstand. Nach allgemeinem Verständnis erfasste es die gesamte Vergangenheit, so dass keine zeitliche Begrenzung mehr bestand5. Hiervon ist künftig nicht mehr auszugehen. Ein Zuvor-Arbeitsverhältnis soll nicht mehr vorliegen, sofern zwischen dem Ende des früheren und dem Beginn des neuen befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens drei Jahre verstrichen sind6.
c) Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses 415
Folge einer Befristungsabrede ist die automatische Vertragsbeendigung mit Ablauf der Befristungsdauer. Einer Kündigung bedarf es nicht, vgl. § 15 Abs. 1 TzBfG. Ist eine Zweckbefristung vereinbart, ist allerdings zuvor die schriftliche Unterrichtung des Arbeitnehmers über die Zweckerreichung erforderlich, um den Vertrag zu beenden. Das zweckbefristete Arbeitsverhältnis endet frühestens zwei Wochen nach Zugang dieser Unterrichtung, vgl. § 15 Abs. 2 TzBfG. Es kann sich verlängern, wenn Erklärungen oder Verhaltensweisen des Arbeitgebers als Zusage für eine Fortsetzung zu verstehen sind.
416
Relevant und für den Arbeitgeber risikoträchtig ist dies, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf der Befristung oder nach Zweckerreichung mit Wissen des Arbeitgebers tatsächlich weiterarbeitet, § 15 Abs. 5 TzBfG. Widerspricht der Arbeitgeber nicht unverzüglich oder teilt er ihm die Zweckerreichung nicht unverzüglich mit, so gilt das Arbeitsverhältnis nach § 15 Abs. 5 TzBfG als auf unbestimmte Zeit verlängert. An den Widerspruch sind allerdings keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, so dass er bereits vor Ablauf der Befristung 1 Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff. 2 LAG Baden-Würtemberg v. 9.10.2008 – 10 Sa 35/08; Heidl, RdA 2009, 297 ff.; Bruns, NZA-RR 2010, 113 ff. 3 BAG v. 16.7.2008 – 7 AZR 278/07, NZA 2008, 1347 ff. 4 BAG v. 25.4.2001 – 7 AZR 376/00, NZA 2001, 1384 ff.; Heidl, RdA 2009, 297 ff. 5 Heidl, RdA 2009, 297 ff. m.w.N. 6 Heidl, RdA 2009, 297 ff.
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Rz. 420 Teil 4
Befristung
bzw. der Zweckerreichung und sowohl mündlich als auch konkludent erklärt werden kann1. Liegt ein rechtzeitiger Widerspruch vor, so entsteht kein – auch faktisches Arbeitsverhältnis – mit dem Arbeitnehmer2. Gewährte Leistungen sind nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren3. Grundsätzlich kann ein Verlängerungsanspruch auch nicht über den Umweg des Schadensersatzes hergeleitet werden. Eine Ausnahme wird allerdings dann angenommen, wenn die Nichtverlängerung ihren Grund in einer Schwangerschaft der Arbeitnehmerin hat4.
417
d) Prozessuales Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Befristung geltend machen, so muss er eine sog. Entfristungsklage erheben, § 17 TzBfG. Es handelt sich dabei um einen Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht beendet ist. § 17 TzBfG ist im Wesentlichen der Kündigungsschutzklage nachgebildet. Auch für die Entfristungsklage gilt eine kurz bemessene Frist. Der Arbeitnehmer muss sie innerhalb von drei Wochen nach dem vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses erheben. Die Frist kann sich allerdings dann verlängern, wenn das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung fortgesetzt wird. Dann beginnt die Frist nach § 17 Satz 3 TzBfG erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung beendet sei.
418
Die Rechtsfolge einer zu spät erhobenen Klage ergeben sich aus § 7 KSchG, der gem. § 17 Satz 2 TzBfG entsprechend gilt. Danach ist die Befristung von Anfang an als rechtswirksam anzusehen. Es handelt sich ebenso so wie bei der Frist aus § 4 KSchG um eine materielle Ausschlussfrist, die – im Unterschied zu § 4 KSchG – sämtliche Unwirksamkeitsgründe und damit auch eine fehlende Schriftform umfasst5.
419
e) Befristungen nach § 14 Abs. 2a, 3 TzBfG Der Gesetzgeber hat die strengen Anforderungen des § 14 Abs. 2 TzBfG für zwei Konstellationen leicht modifiziert. – So ist in Unternehmen, die neu gegründet wurden, die zeitliche Maximalgrenze für befristete Arbeitsverträge auf bis zu vier Jahre ausgeweitet, § 14 Abs. 2a TzBfG. Innerhalb dieser Zeitspanne sind beliebig viele Verlängerungsabreden zulässig. Von dieser deutlich großzügigeren Möglichkeit kann innerhalb der ersten vier Jahre seit der Neugründung Gebrauch gemacht werden. 1 Vgl. Worzalla in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltskommentar Arbeitsrecht, § 15 TzBfG Rz. 24. 2 Worzalla in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltskommentar Arbeitsrecht, § 15 TzBfG Rz. 29. 3 Worzalla in: Hümmerich/Boecken/Düwell, Anwaltskommentar Arbeitsrecht, § 15 TzBfG Rz. 29. 4 Vgl. Bruns, RdA 2010, 113 ff. 5 ErfK/Müller-Glöge, § 17 TzBfG Rz. 11.
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Teil 4 Rz. 420
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Wegen der geringen praktischen Relevanz dieser Bestimmung, insbesondere für Führungskräfte, verweisen wir im Übrigen auf den Gesetzeswortlaut und Spezialliteratur zum Befristungsrecht. – Ein Sonderfall für die Befristung ohne Sachgrund ist in § 14 Abs. 3 TzBfG geregelt. Die Bestimmung soll Beschäftigungsanreize geben und mögliche Vorbehalte von Arbeitgebern bei der Einstellung älterer Mitarbeiter beseitigen. Hierzu wird die sachgrundlose Befristung älterer Arbeitnehmer auch über die strengen formalen Grenzen des § 14 Abs. 2 TzBfG hinaus zugelassen. Die Norm hat in der Vergangenheit eine wechselhafte Geschichte erfahren. Die Voraussetzungen an die Wirksamkeit einer Befristung aus Altersgründen wurden geändert. Nach der aktuellen Fassung ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn der Arbeitnehmer bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos i.S.d. § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III war, Transferkurzarbeitergeld bezogen oder an einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme nach dem 2. oder 3. Sozialgesetzbuch teilgenommen hat. In der Literatur wird die europarechtliche Zulässigkeit von § 14 Abs. 3 TzBfG ebenso wie bei der Vorgängernorm in Zweifel gezogen. In der Praxis ist es deshalb keinem Arbeitgeber zu empfehlen, auf dieser Basis befristete Arbeitsverhältnisse einzugehen.
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F. Typische Regelungsinhalte von Beendigungsvereinbarungen I. Allgemeines Anstellungsverhältnisse können bekanntlich insbesondere durch den Tod des Dienstverpflichteten, den Ablauf einer Befristungsabrede, Kündigung oder Aufhebungsvertrag enden.
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Ist eine Befristungsabrede oder eine Kündigung rechtswirksam, beendet sie das Arbeitsverhältnis, ohne dass es auf das Einvernehmen mit dem Dienstverpflichteten ankommt. Ein Entgegenkommen des Dienstgebers ist in diesen Fällen regelmäßig nicht erforderlich. Für einen Aufhebungsvertrag bedarf es hingegen der Bereitschaft des Angestellten zur Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses. In diesem Zusammenhang spielen vor allem Kompensationsleistungen für den Verlust des Dienstvertrages in Form von Abfindungen eine Rolle. Sie kommen überdies vor allem in Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede oder Kündigung zum Tragen. Denn in diesen Fällen kaufen sich Dienstgeber häufig von den prozessualen Risiken der Auseinandersetzung frei.
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Die Konditionen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses werden regelmäßig in einem (gerichtlichen oder außergerichtlichen) Vergleich festgelegt. Ein solcher Vergleich hat häufig die Qualität eines Abwicklungsvertrages. Denn er zielt nicht für sich genommen darauf ab, die Beendigung des Anstellungsvertrages herbeizuführen, sondern enthält lediglich Absprachen darüber, wie das aufgrund anderer Umstände (nämlich Befristung oder Kündigung) endende Arbeitsverhältnis abzuwickeln ist. Während der Aufhebungsvertrag also selbst einen Beendigungstatbestand darstellt und zeitgleich die Konditionen der Vertragsbeendigung regelt, befasst sich der Abwicklungsvertrag nicht mit dem Ende des Anstellungsverhältnisses, sondern nur den daraus resultierenden Folgefragen1.
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Derartige Abwicklungsvereinbarungen enthalten in aller Regel ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis2. Denn auch wenn die Beendigung selbst nicht Gegenstand des Abwicklungsvertrages ist, ergibt sich hieraus ein ausdrücklicher oder konkludenter Verzicht auf ein gerichtliches Vorgehen gegen die Kündigung oder Befristungsabrede, die dann jeweils dem Streit entzogen wird. In der Literatur wird darüber hinaus zwischen dem echten und unechten Abwicklungsvertrag unterschieden. Während der echte einem bereits geschaffenen Beendigungstatbestand nachgeht, regelt die unechte Abwicklungsvereinbarung, dass das Arbeitsverhältnis durch eine noch zu erklärende Kündigung enden soll3.
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1 Vgl. Rolfs in Ascheid/Preis/Schmidt, Aufhebungsvertrag, Rz. 25; Hesse in: BeckOK Arbeitsrecht, § 620 BGB Rz. 86; Dörrwächter/Trafkowski in: Hümmerich/Spirolke, § 11 Rz. 12 ff. 2 Kroeschell, NZA 2008, 560 ff. 3 Vgl. dazu Rolfs in: Ascheid/Preis/Schmidt, Aufhebungsvertrag, Rz. 26.
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Teil 4 Rz. 425 425
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
Während Aufhebungsverträge nach § 623 BGB einem strengen Schriftformerfordernis unterliegen, können Abwicklungsverträge grundsätzlich auch formfrei geschlossen werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich aber auch hier die zumindest eine textliche Fixierung. Abwicklungsvereinbarungen zeichnen sich durch ein gegenseitiges Geben und Nehmen um der Rechtssicherheit Willen aus. Der Arbeitnehmer bringt zum Ausdruck, die Kündigung zu akzeptieren1. Handelt es sich um eine vorformulierte Abwicklungsvereinbarung, so wird für ihre Wirksamkeit regelmäßig vorauszusetzen sein, dass der Arbeitnehmer eine kompensatorische Gegenleistung erhält, die auch in der Vereinbarung zum Ausdruck gebracht werden muss. Es muss also tatsächlich von einem Geben und Nehmen ausgegangen werden können. Fehlt eine solche kompensatorische Gegenleistung insbesondere für einen Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage, so hält die Vereinbarung der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB nicht stand (näher unter Rz. 494)2.
II. Typische Regelungsinhalte von A–Z 1. Abfindung 426
Gegenstand eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags sind in aller Regel auch Bestimmungen über Abfindungszahlungen. Diese können zwar schon im Anstellungsvertrag vereinbart werden (vgl. Teil 3 Rz. 746), sind dort aber atypisch. In jedem Fall sind die Parteien bei ihrer Entscheidung über die Höhe der Abfindung grundsätzlich frei. Eine AGB-Kontrolle findet nicht statt, da es sich um eine Regelung der Hauptleistungspflichten handelt3. Bei gerichtlichen Abfindungsvergleichen hat sich überwiegend die Richtlinie durchgesetzt, dass die Abfindungshöhe primär von der Beschäftigungsdauer beeinflusst wird. Im Regelfall erhöht sich die Abfindungsforderung pro Beschäftigungsjahr um 0,5 Bruttomonatsgehälter4. Abweichungen nach oben oder unten können sich aus den Erfolgsaussichten der Bestandsschutzklage ergeben. Hält die Kündigung einer gerichtlichen Überprüfung mit großer Wahrscheinlichkeit stand, so wird die Abfindung geringer ausfallen. Ist sie dagegen wahrscheinlich unwirksam, so kann auch eine höhere Abfindung geboten sein. Ist die Kündigung des Angestellten (zeitlich befristet) ausgeschlossen, wird während der Abfindungsverhandlungen meist nicht auf die übliche Regelsatzformel abgestellt; vielmehr orientieren sich die Verhandlungen an dem „Restwert“ des Dienstverhältnisses und damit der bis dahin noch anfallenden Vergütung.
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Die Fälligkeit der Abfindung können die Parteien individuell vereinbaren. Fehlt eine Absprache zur Fälligkeit, ist sie mit Beendigung des Anstellungsverhältnisses fällig. Stirbt der Arbeit- bzw. Dienstnehmer vor dem Beendigungszeitpunkt, geht die Abfindungsforderung aus einem außergerichtlichen Vertrag ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht auf seine Erben über5. Für gerichtliche Verglei1 2 3 4 5
Dörrwächter/Trafkowski in: Hümmerich/Spirolke, § 11 Rz. 4. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 ff. Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 138. Vgl. Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 137. BAG v. 26.8.1997 – 9 AZR 227/96, NZA 1998, 643 ff.
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Rz. 429 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
che gilt etwas anderes: Dort soll die Vererblichkeit grundsätzlich bestehen1. Der Abfindungsanspruch kann abgetreten2 und nach Maßgabe der §§ 850a bis 850k ZPO gepfändet werden3. Wird über das Vermögen des Abfindungsschuldners ein Insolvenzverfahren eröffnen, handelt es sich beim Abfindungsanspruch grundsätzlich um eine einfache Insolvenzforderung, unabhängig davon, wann der Anspruch entstanden ist4. Zahlt der Arbeitgeber eine zugesagte Abfindung nicht, kommt – gerade im Fall einer (drohenden) Insolvenz – nach umstrittener Auffassung ein Rücktritt vom Abwicklungsvertrag in Betracht, wenn sich die Führungskraft damit wieder den Weg einer Bestandsschutzklage eröffnet und diese Aussicht auf Erfolg hat. Wird der Bestandsschutzklage stattgegeben, besteht das Anstellungsverhältnis fort. Die Vergütungsansprüche aus der Zeit nach der Insolvenzeröffnung sind dann Masseforderungen, wenn der Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch genommen hat, vgl. § 55 Abs. 2 InsO. Ist eine solche Inanspruchnahme zu erwarten, kann ist die rechtliche Position der Führungskraft unter Umständen besser sein als bei einer Abfindung, die als Insolvenzforderung kaum durchgesetzt werden könnte. In sozialrechtlicher Hinsicht ist Folgendes zu beachten: Auch wenn der echte Abwicklungsvertrag an sich nicht zur Lösung des Anstellungsverhältnisses führt, geht das BSG davon aus, dass der Abschluss eines Abwicklungsvertrag grundsätzlich eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III für das Arbeitslosengeld zur Folge hat5. Eine Sperrzeit scheidet nur dann aus, wenn ein wichtiger Grund i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III vorliegt. Ein solcher ist nach der Durchführungsanweisung 9.1.2. (Stand 10/2007) dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebsbedingte Kündigung in Aussicht stellt, diese zeitgleich mit oder vor dem vereinbarten Ende des Anstellungsverhältnisses wirksam geworden wäre, die Kündigungsfrist eingehalten wäre und dem Arbeitnehmer eine Abfindung zwischen 0,25 und 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr gezahlt wird6.
428
2. Freistellung Im Zusammenhang mit der Beendigung eines Anstellungsvertrages wird häufig auch die Frage der Freistellung des Dienstverpflichteten diskutiert. Ihr kommt bei Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen regelmäßig ebenso eine Bedeutung zu wie in gerichtlichen Vergleichen. Denn in Trennungssituationen haben beide Vertragsparteien oft kein Interesse an einer weiteren aktiven Zusammenarbeit. Auf Seiten des Dienstnehmers spielen hierbei häufig einerseits die Verärgerung über das Vertragsende und andererseits der Wunsch nach Zeit für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz eine Rolle. Der Dienstgeber wird demgegenüber häufig darauf bedacht sein, die Führungskraft durch die tatsäch1 BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 250/02, BB 2004, 894 f. 2 Vgl. LAG Düsseldorf v. 29.6.2006 – 11 Sa 291/06, DB 2006, 2691 ff. 3 Vgl. BAG v. 20.8.1996 – 9 AZR 964/94, NZA 1997, 563 ff.; Ehrich in: Weber/Ehrich/ Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 141. 4 Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 144. 5 BSG v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R, NZA 2004, 661 ff.; dazu Bauer/Krieger, NZA 2004, 640 ff.; kritisch ErfK/Rolfs, § 144 SGB III Rz. 8. 6 Vgl. ausführlich Lipinski/Kumm, BB 2008, 162 ff.
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Teil 4 Rz. 430
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
liche Trennung von einer Position zu lösen, deren Wahrnehmung erhebliches Vertrauen voraussetzt. Denn in aller Regel haben Führungskräfte Zugriff auf vertrauliche Informationen über das Unternehmen oder dessen Entwicklungen sowie wertvolle Kundenkontakte. Wegen der meist gleichgerichteten Interessenlage erfolgen Freistellungen überwiegend einvernehmlich. Sie können jedoch auch einseitig angeordnet werden. In diesen Fällen ist häufig festzustellen, dass sich die Beschäftigten nicht gegen die Entscheidung des Dienstgebers wenden; vereinzelt wehren sich Beschäftigte jedoch dagegen, um entweder dem Recht auf Beschäftigung Gehör zu verschaffen oder Druck auf den Dienstgeber auszuüben. Pekuniäre Interessen spielen hierbei jedenfalls hinsichtlich der Vergütung keine Rolle, da diese sowohl während einer einvernehmlichen als auch einseitigen Freistellung grundsätzlich weiter zu gewähren ist. 430
Die Freistellung führt dazu, dass die Führungskraft von ihrer Hauptleistungspflicht aus dem Arbeits- bzw. Dienstverhältnis entbunden wird1. Die Nebenpflichten bestehen aber grundsätzlich fort. So ist die Führungskraft in der Regel auch weiterhin an ein vertragliches Wettbewerbsverbot gebunden. Allerdings ist zu beachten, dass das BAG bei einer Freistellung mit gleichzeitiger Anrechnung des anderweitigen Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB von einem Verzicht auf das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 60 HGB ausgeht2. Eine Anrechnung erfolgt bei Arbeitnehmern nur dann, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist3. Die Rechtsprechung des BGH geht bei Organ-Führungskräften demgegenüber davon aus, dass auch ohne ausdrückliche Vereinbarung eine Anrechnung nach § 615 Satz 2 BGB zu erfolgen hat4.
431
Der Arbeit- bzw. Dienstgeber sollte deshalb klarstellend in einer Abwicklungsvereinbarung bzw. der Freistellungserklärung ausdrücklich auf die Fortgeltung des Wettbewerbsverbots hinweisen. Hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Ausgestaltung kann auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. (vgl. Teil 3 Rz. 516 ff.). Insbesondere sei nochmals auf die auf Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch für Freistellungsklauseln hingewiesen. Ohne eine ausdrückliche Regelung wird eine Freistellungsvereinbarung grundsätzlich als widerruflich anzusehen sein5.
432
Erfolgt eine – einvernehmliche oder einseitige – Freistellung, steht diese regelmäßig im Zusammenhang mit der Gewährung von Erholungsurlaub. Denn der Dienstgeber wird in aller Regel versuchen, einen etwaigen Resturlaub nicht zusätzlich zur Freistellung vergüten bzw. abgelten zu müssen. Deshalb erfolgen Freistellungen in aller Regel „unter Anrechnung auf Erholungsurlaub“. In der Praxis führt dies selten zum Streit. Rechtlich sind jedoch verschiedene Aspekte zu beachten, um eine derartige Anrechnung rechtswirksam vornehmen zu können. Denn während des Erholungsurlaubes ist der Mitarbeiter vollständig von jeglicher Dienstpflicht befreit. Er hat sich auch nicht arbeitsbereit zu halten. Die Anordnung einer widerruflichen Freistellung bei gleichzeitiger Anrech1 Lingemann/Groneberg, NJW 2010, 3496 ff. 2 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36 ff.; dazu Bauer/Günther, DStR 2008, 2422 ff. 3 Vgl. Dörrwächter/Trafkowski in: Hümmerich/Spirolke, § 11 Rz. 127 f. 4 Vgl. BGH v. 9.10.2000 – II ZR 75/99, NZA 2001, 36 f. 5 Vgl. BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05, NZA 2006, 1008.
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Rz. 435 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
nung von Erholungsurlaub ist deshalb ausgeschlossen. Nur die unwiderrufliche Freistellung kann mit Erholungsurlaub einher gehen. Zudem ist zu beachten, dass zwar die Gewährung des Erholungsurlaubes einem Dienstgeber obliegt; dessen Planung und Festlegung sind jedoch dem Dienstnehmer vorbehalten. Er allein kann Wünsche hinsichtlich der Lage des ihm zustehenden Erholungsurlaubs äußern. Erholungsurlaub kann deshalb grundsätzlich nicht einseitig durch den Dienstgeber angeordnet werden. Etwas anderes gilt ausschließlich für die Fälle, in denen der Erholungsurlaub aus rein tatsächlichen Gründen nicht mehr anders vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genommen werden kann, mithin in den letzten Tagen der Zusammenarbeit, wenn eine andere Lage des Urlaubes während des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr möglich ist. Da ein Dienstverpflichteter auch in diesem Fall die Gewährung von Erholungsurlaub durch Krankheit bei gleichzeitiger Entgeltfortzahlung Untermininieren könnte, finden derartige zeitliche Festlegungen häufig nicht statt. Dies führt – wie erwähnt – in der Praxis zu einer verbreiteten Akzeptanz der Anrechnung von Erholungsurlaub auf jegliche Freistellung. Begünstigt wird dies durch die jüngeren sozialversicherungsrechtlichen Entwicklungen. Denn das BSG geht in seiner jüngeren Rechtsprechung davon aus, dass auch die einvernehmlich unwiderrufliche Freistellung des Beschäftigten bei gleichzeitiger Fortzahlung des Arbeitsentgelts nicht zu einem Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinne führt1. Dies hat zur Folge, dass auch während der Dauer der Freistellung Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitnehmer abzuführen sind2.
433
Formulierungsmuster bei Arbeitnehmern3
434
Hiermit kündigen wir Ihr Arbeitsverhältnis ordentlich unter Einhaltung der für Sie geltenden Kündigungsfrist mit Ablauf des… Ihren vollständigen Resturlaub teilen wir Ihnen beginnend ab morgen zu. Nach Ablauf der Urlaubsdauer sind Sie für die Restdauer der Kündigungsfrist unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung von Ihrer Arbeitspflicht freigestellt. Anderweitiger Verdienst ist in (ggf. entsprechender) Anwendung von § 615 Satz 2 BGB auf den Vergütungsanspruch anzurechnen. Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist das vereinbarte (oder ggf. gesetzliche) Wettbewerbsverbot bestehen bleibt.
Formulierungsmuster für Organ-Führungskräfte bei befristetem Anstellungsvertrag ohne Kopplungsklausel Aufgrund Ihrer Abberufung aus dem Vorstand/der Geschäftsführung, stellen wir Sie für den Rest der Vertragslaufzeit unwiderruflich von Ihrer Pflicht zur Dienstleistung frei (ggf. Anrechnung offener Urlaubsansprüche wie vorstehend). 1 BSG v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, NZA-RR 2009, 272 ff.; dazu Bergwitz, NZA 2009, 518 ff. 2 Vgl. näher dazu Küttner/Schlegel, Freistellung von der Arbeit, Rz. 36 ff. 3 In Anlehnung an Bauer/Günther, DStR 2008, 2422 ff.
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Teil 4 Rz. 436
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
3. Altersversorgung 436
Aufmerksamkeit im Rahmen der Beendigung eines Anstellungsverhältnisses verdienen auch die Konsequenzen für eine betriebliche Versorgungsregelung.
a) Arbeitnehmer-Führungskräfte 437
Wird das Arbeitsverhältnis mit einer Arbeitnehmer-Führungskraft beendet, sollte zunächst geprüft werden, ob Anwartschaften aus einer betrieblichen Versorgungszusage bestehen und daraus resultierend, ob diese mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch verfallen. Ist die Anwartschaft des Arbeitnehmers verfallbar, so kommt im Rahmen einer Ausgleichsklausel ein Verzicht in Betracht. Hat die Versorgungszusage jedoch schon fünf Jahre bestanden und ist der Arbeitnehmer 25 Jahre oder älter, so ist die Versorgungsanwartschaft unverfallbar und ein Verzicht auf Grund des Abfindungsverbots (§ 3 BetrAVG) nicht mehr möglich. Hat der Arbeitnehmer bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden, so kommt eine Übertragung der Anwartschaft nach § 4 BetrAVG in Betracht. Soll der Wert einer bereits erworbenen unverfallbaren Anwartschaft übertragen werden, ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung außerdem, dass der neue Arbeitgeber eine mindestens wertgleiche Zusage erteilt (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG). Die Wertgleichheit bemisst sich nach dem Wertverhältnis im Zeitpunkt der Übertragung1. Die Vorschriften über die Entgeltumwandlung gelten für die Zusage des neuen Arbeitgebers entsprechend (§ 4 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG). Dies bedeutet auch, dass die Versorgungsanwartschaft dann sofort unverfallbar ist (vgl. § 1b Abs. 5 BetrAVG). Zudem kann der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses von seinem ehemaligen Arbeitgeber verlangen, dass der Übertragungswert der Versorgungsanwartschaft auf den neuen Arbeitgeber übertragen wird, wenn die betriebliche Altersversorgung über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt worden ist und der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG). Die Bestimmung des Übertragungswertes richtet sich nach § 4 Abs. 5 BetrAVG. Liegen diese Voraussetzungen vor, verpflichtet § 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG den neuen Arbeitgeber eine dem Übertragungswert entsprechende Zusage zu erteilen. Auch diese muss wiederum über einen Pensionsfond, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt werden vgl. § 4 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG. Für die neue Anwartschaft gelten auch hier die Regelungen über die Entgeltumwandlung entsprechend (§ 4 Abs. 3 Satz 4 BetrAVG). Konsequenz aus entsprechenden Anwendung ist, dass die Anwartschaft des Arbeitnehmers mit der Übertragung sofort unverfallbar wird (vgl. § 1b Abs. 5 Satz 1 BetrAVG).
438
Dem Arbeitnehmer steht zudem ein Auskunftsanspruch über die Höhe des Versorgungsanspruchs bei Erreichen der vorgesehenen Altersgrenze und des Übertragungswertes bei Übertragung der Anwartschaft nach § 4 Abs. 3 BetrAVG gegen den Arbeitgeber oder den Versorgungsträger zu. 1 ErfK/Steinmeyer, § 4 BetrVG Rz. 8.
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Rz. 442 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
b) Organ-Führungskräfte Unterschiede bei Organ-Führungskräften können sich dann ergeben, wenn für sie das BetrAVG nicht anwendbar ist (siehe dazu unter Teil 3 Rz. 392). Die Unanwendbarkeit des BetrAVG hat zunächst zu Folge, dass eine Versorgungsanwartschaft einer Organ-Führungskraft mit dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis ohne Eintritt des Versorgungsfalls grundsätzlich verfällt, wenn nicht die Unverfallbarkeit zugesagt worden ist1. Mangels Abfindungsverbots können Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder auf ihre Versorgungszusage verzichten oder sie in Geld abfinden lassen unabhängig davon, ob die Zusage verfallbar oder unverfallbar ist.
439
Folgt man allerdings der neueren Rechtsprechung des BAG, nach der zwischen einem Organmitglied und der Gesellschaft bei Anwendbarkeit des BetrAVG dessen Regelungen insoweit abbedungen werden können, als dies Tarifvertragsparteien möglich wäre (dazu bereits unter Teil 3 Rz. 393)2, so könnte das Abfindungsverbot auch bei Geltung des BetrAVG abbedungen werden (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG).
440
Formulierungsmuster
441
Das Vorstandsmitglied/der Geschäftsführer steht aufgrund der im Vertrag vom … erteilten Zusage ein Anspruch gegen die Gesellschaft auf betriebliche Altersversorgung zu. Die Gesellschaft verpflichtet sich, an das Vorstandsmitglied/den Geschäftsführer zur Abgeltung dieser Anwartschaft bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von … Euro zu zahlen. Damit sind sämtliche Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung abgegolten.3
4. Verschwiegenheitspflicht Die Verschwiegenheitspflicht von Führungskräften besteht grundsätzlich nicht nur während der Dauer des Anstellungsverhältnisses, sondern hat auch noch Auswirkungen nach dessen Beendigung. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des ehemaligen Arbeitgebers müssen daher auch ohne ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses hinaus gewahrt werden4. Dies gilt allerdings nur solange wie der Arbeitnehmer dadurch nicht in seiner Berufsausübung unzumutbar eingeschränkt wird5. Das BAG nimmt an dieser Stelle eine Einzelfallabwägung vor6. 1 Vgl. BGH v. 15.10.2007 – II ZR 236/06, NZA 2008, 648 f.; Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 2. 2 BAG v. 21.4.2009 – 3 AZR 285/07, NZA-RR 2010, 168 ff. 3 Vgl. Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 284. 4 ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 718; Natzel in: Hümmerich/Spirolke, § 5 Rz. 123. 5 BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502 ff.; ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 718; der BGH lehnt dagegen in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht eine nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht grundsätzlich ab, vgl. BGH v. 16.11.1954 – I ZR 180/53, NJW 1954, 463 f. 6 Vgl. etwa BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502 ff.
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Teil 4 Rz. 443
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
443
Zudem bewirkt die Strafvorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG einen nachvertraglichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Danach macht sich strafbar, wer zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, sich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis durch Anwendung technischer Mittel, Herstellung einer verkörperten Widergabe des Geheimnisses oder Wegnahme einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, unbefugt verschafft oder sichert.
444
Will ein Arbeitgeber sich darüber hinaus schützen, kommt eine Vereinbarung von sog. Kunden- bzw. Mandantenschutzklauseln in Betracht. Sie sollen verhindern, dass der Arbeitnehmer seine Beziehungen zu Kunden oder Mandanten ausnutzt und diese abwirbt. Solche Klauseln zeichnen sich allerdings durch ihre Nähe zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot aus, so dass die dazu entwickelten Grenzen einzuhalten sind (vgl. so unter Teil 3 Rz. 584)1. Eine Karenzentschädigung ließe sich nur durch eine Regelung vermeiden, nach der einzelne konkrete Informationen nicht weitergegeben oder für die eigene berufliche Tätigkeit genutzt werden dürfen2. Dabei ist allerdings die Grenze zwischen einer konkreten Geheimhaltungspflicht und einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot fließend. Je bedeutender die Einschränkung in wirtschaftlicher Hinsicht ist, desto eher wird man sie als entschädigungspflichtiges Wettbewerbsverbot einstufen müssen. Unwirksam dürfte etwa eine pauschale Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich aller betrieblichen und geschäftlichen Angelegenheiten des ehemaligen Arbeitgebers sein3.
445
Organ-Führungskräfte unterliegen auch nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses noch den gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten4. Diese werden in der Regel klarstellend vertraglich geregelt und auf die Zeit nach Beendigung der Tätigkeit als Organmitglied ausgedehnt5.
5. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot a) Allgemeines 446
Ein erhöhtes Regelungsbedürfnis nach Beendigung des Anstellungsvertrages und ggf. der Organstellung besteht im Hinblick auf eine Konkurrenztätigkeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Führungskräfte verfügen in der Regel über weitreichende personelle und wirtschaftliche Verbindungen im Tätigkeitsbereich des Unternehmens. Nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses unterliegt die Führungskraft jedoch ohne Vereinbarung keinem vertraglichen Wettbewerbsverbot mehr6. Das Unternehmen kann daher ein erhebli1 Vgl. BAG v. 15.12.1987 – 3 AZR 474/86, NZA 1988, 502 ff.; Salger/Breitfeld, BB 2005, 154 ff. 2 Vgl. BAG v. 19.5.1998 – 9 AZR 394/97, NZA 1999, 200 ff.; Salger/Breitfeld, BB 2005, 154 ff. 3 Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 93. 4 Vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rz. 7; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 94 f. 5 Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 95. 6 Küttner/Reinecke, Wettwerbsverbot, Rz. 1; Hunold, NZA-RR 2007, 617 ff.
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Rz. 449 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
ches Interesse daran haben, für eine bestimmte Zeit nach der Beendigung der Zusammenarbeit, zu verhindern, dass die Führungskraft zu einer Konkurrenz auf dem Markt wird. Oft besteht die – auch unausgesprochene – Befürchtung, Kenntnisse der betrieblichen Interna könnten in einer Wettbewerbssituation zu Lasten des Unternehmens verwertet werden oder Kunden aufgrund der persönlichen Beziehung zur Führungskraft verloren gehen.
aa) Wettbewerbsverbot während des Dienstverhältnisses Das Wettbewerbsverbot gilt grundsätzlich nur für den Zeitraum, währenddessen der Anstellungsvertrag besteht. Einer ausdrücklichen Vereinbarung dazu bedarf es nicht. Das Konkurrenzverbot ist vielmehr vertragsimmanent und Ausdruck der Loyalität eines Dienstnehmers. Dabei kommt es weder auf die tatsächliche Ausübung der Tätigkeit an noch auf eine Fortdauer der Bestellung zum Gesellschaftsorgan1. Erst wenn die vertragliche Bindung nicht mehr besteht, ist die Führungskraft grundsätzlich auch zur Konkurrenztätigkeit befugt. Soll dies für eine bestimmte Zeit nach Beendigung der vertraglichen Beziehungen verhindert werden, so bedarf es einer ausdrücklichen Regelung.
447
bb) Wettbewerbsverbot nach Vertragsende Während das vertragliche Wettbewerbsverbot in der Regel eine erhebliche Strenge gegenüber der Führungskraft entfaltet, muss der Arbeitgeber für die Zulässigkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes nicht unerhebliche Hürden überwinden. So lässt sich ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht bereits aus der organschaftlichen Treuepflicht von Organ-Führungskräften herleiten2. Auch arbeitsvertragliche Treuepflichten lösen ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nicht aus3. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gerät in Konflikt mit der Berufsausübungsfreiheit der Führungskraft. Seine Wirksamkeit ist daher allgemein an ihr zu messen.
448
Problematisch und nach wie vor nicht abschließend geklärt ist die Frage, inwieweit nachvertragliche Wettbewerbsverbote einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB unterliegen4. Die praktische Bedeutung des Problems, erschließt sich vor allem bei einem Blick auf die möglichen Rechtsfolgen eines unangemessenen nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Während § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich eine geltungserhaltende Reduktion zulässt, muss diese auf Grund von § 306 Abs. 2 BGB bei einem Verstoß gegen §§ 307 ff. BGB ausscheiden. Eine Rückführung der Klausel auf das angemessene Maß kommt daher grundsätzlich nur im Bereich der §§ 74 ff. HGB in Betracht5. Ist das im Anstellungsvertrag enthaltene nachvertragliche Wettbewerbsverbot – wie typischerweise – eine AGB i.S.v. § 305 BGB, so ist der An-
449
1 Vgl. Boecken in: Hümmerich/Spirolke, § 5 Rz. 768; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050 ff. 2 Vgl. van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050 ff. 3 Vgl. Boecken in: Hümmerich/Spirolke, § 5 Rz. 790. 4 Ausführlich dazu Koch, RdA 2006, 28 ff. 5 Vgl. Koch, RdA 2006, 28 ff.; Thüsing/Leder, BB 2004, 42 ff.
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Teil 4 Rz. 450
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
wendungsbereich der §§ 307 ff. BGB grundsätzlich eröffnet1. Allerdings bestehen auf Grund der Geltung der §§ 74 ff. HGB jedenfalls für Arbeitsverhältnisse bereits detaillierte Regelungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote. Der Gedanke liegt nahe, diese Vorschriften als Spezialregelung anzusehen, die die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB verdrängen. Nach Auffassung des LAG Hamm scheitert die Anwendbarkeit der Inhaltskontrolle bei einer, die gesetzlichen Regelungen nachbildenden Wettbewerbsklausel bereits daran, dass nicht von geltenden Rechtsvorschriften abgewichen werde, vgl. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB2. Folgt man dieser Ansicht, so wären nachvertragliche Wettbewerbsverbote gem. § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB nur – aber in jedem Fall – im Hinblick auf das Transparenzgebot und § 305c BGB zu kontrollieren3. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt man, wenn man auf Grund der Spezialität der §§ 74 ff. HGB der in § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB angesprochenen geltungserhaltenden Reduktion einer unwirksamen Klausel den Vorrang vor deren allgemeinem Verbot in § 306 Abs. 2 BGB und der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB einräumen würde4. Einigkeit dürfte mittlerweile jedenfalls dahingehend bestehen, dass bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten ist5. Der Arbeitgeber kann sich aber als Klauselverwender nicht mit Erfolg auf einen etwaigen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB berufen, da das Transparenzgebot ausschließlich den Schutz des Arbeitnehmers und nicht des Klauselverwenders bezweckt6. 450
Die Reichweite des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann mitunter recht unterschiedlich ausfallen. Umfasst sind in der Regel selbständige unternehmerische Tätigkeiten im Geschäftsbereich des ehemaligen Unternehmens dem die Führungskraft angehört hat. Aber auch die Beteiligung in einem Leitungsorgan eines Konkurrenzunternehmens wird regelmäßig ausgeschlossen. Daneben ist es der Führungskraft zumeist verboten, Kundendaten für sich zu verwerten.
451
Abgesichert werden sollte das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sinnvoller Weise durch eine Vertragsstrafenklausel (vgl. dazu unter Teil 3 Rz. 731)7.
b) Arbeitnehmer-Führungskräfte aa) Allgemeines 452
Für Arbeitnehmer gelten hinsichtlich eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB, vgl. § 110 Satz 2 GewO. § 110 1 Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3535. 2 LAG Hamm v. 14.4.2003 – 7 Sa 1881/02, NZA-RR 2003, 513 ff.; vgl. auch Stoffels in: Preis, Arbeitsvertrag, II W 10 Rz. 29. 3 Vgl. LAG Hamm v. 1.12.2009 – 14 SaGa 59/09, wobei das Gericht offen ließ, ob eine Inhaltskontrolle auch nach §§ 307 ff. BGB durchzuführen wäre; im Ergebnis ebenso LAG Baden-Württemberg v. 30.1.2008 – 10 Sa 60/07, NZA-RR 2008, 508 ff.; Diller, NZA 2005, 250 ff.; Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3536. 4 So etwa Thüsing/Leder, BB 2004, 42 ff. 5 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 ff. 6 BAG v. 28.6.2006 – 10 AZR 407/05, NZA 2006, 1157 ff. 7 Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3538 f.
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Rz. 456 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
GewO ist zwar grundsätzlich nur im bestehenden Arbeitsverhältnis anwendbar; die Vereinbarung des nachvertraglich in einem Aufhebungsvertrag oder einem gerichtlichen Vergleich ist indes zulässig1. Die §§ 74 ff. HGB regeln im Wesentlichen nur Mindestmaß und Grenzen von Wettbewerbsverboten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses2. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots der Schriftform bedarf, § 74 Abs. 1 Satz 2 HGB. Darüber hinaus muss dem Arbeitnehmer gem. § 74 Abs. 1 Satz 2 HGB auch eine Urkunde übergeben werden, die die vereinbarten Bestimmungen enthält. Ausreichend ist in diesem Zusammenhand bereits die Übergabe des unterschriebenen Arbeitsvertrages, sofern dieser die Bestimmungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot schon enthält3. Entsprechendes gilt für den Aufhebungsvertrag.
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Im Hinblick auf drohende Beweisprobleme ist einem Arbeitgeber dringend zu raten, sich den Erhalt der Urkunde vom Arbeitnehmer schriftlich bestätigen zu lassen oder Zeugen hinzuzuziehen4. Unterbleibt die Übergabe der Urkunde oder kann sie nicht bewiesen werden, so ist der Arbeitnehmer nicht gehindert, sich auf das Wettbewerbsverbot zu berufen, sofern jedenfalls die Schriftform gewahrt ist5. Die Übergabepflicht wird von der ganz überwiegenden Auffassung nicht als zwingende Formvorschrift, sondern als Dokumentationsregelung angesehen6. Der Arbeitnehmer kann dann die Karenzentschädigung beanspruchen. Verstößt er aber gegen das Wettbewerbsverbot, kann sich der Arbeitgeber auf Grund der mangelnden Übergabe nicht auf das Verbot berufen7.
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bb) Karenzentschädigung § 74 Abs. 2 HGB bestimmt, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur dann verbindlich ist, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, für die Dauer des Verbots eine Entschädigung zu zahlen, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der vom Arbeitnehmer zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistung erreicht.
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Die Höhe der Karenzentschädigung bemisst sich grundsätzlich nach dem letzten Monatslohn vor dem Ausscheiden8. Für variable Vergütungsbestandteile wie Prämien oder Tantiemen ist die Bildung des Durchschnittswertes aus den letzten drei Jahren (bei kürzerer Vertragslaufzeit dem Durchschnitt der Beschäftigungszeit) vor dem Ausscheiden notwendig, vgl. § 74b Abs. 2 HGB. Zu berücksichtigen sind sämtliche Einkommensbestandteile und damit alles, was
456
1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 434. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3526. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3530. Vgl. Diller in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 25 Rz. 3. Vgl. BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411 ff. BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411 ff.; Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3531. Vgl. BAG v. 23.11.2004 – 9 AZR 595/03, NZA 2005, 411 ff. Ausführlich zur Berechnung Borgmann in: Hümnmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3565 ff.
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Teil 4 Rz. 457
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung als Gegenleistung erhalten hat1. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf die Leistung hatte oder nicht2. Bei der konkreten Berechnung können sich erhebliche Schwierigkeiten ergeben – insbesondere bei der Berücksichtigung von Sachleistungen –, so dass die Fehleranfälligkeit sehr hoch ist. Es wird deshalb für die Vertragsgestaltung empfohlen, den Wortlaut des Gesetzes schlicht – unter Auslassung des Wortes „mindestens“ – abzuschreiben3. 457
Die Karenzentschädigung ist – sofern keine abweichende Vereinbarung vorliegt – regelmäßig monatlich zu zahlen4. Anderweitiger Verdienst ist nach Maßgabe des § 74c HGB auf die Karenzentschädigung anzurechnen. Dem Arbeitgeber steht insofern ein Auskunftsanspruch aus § 74c Abs. 2 HGB zu.
cc) Berechtigtes geschäftliches Interesse und unbillige Erschwerung des Fortkommens 458
§ 74a Abs. 1 HGB regelt das Spannungsfeld zwischen dem geschäftlichen Interesse des Arbeitgebers am Schutz vor Konkurrenztätigkeit durch den ehemaligen Arbeitnehmer und der Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Nach § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB bedarf es für ein verbindliches nachvertragliches Wettbewerbsverbot eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers. Ein berechtigtes Interesse kann etwa im Schutz von Kunden oder Lieferanten bzw. der Geheimhaltung des betrieblichen Know-hows liegen5. Nicht anzuerkennen ist dagegen der bloße Wunsch, von Konkurrenz – und sei es auch durch fähige ehemalige Arbeitnehmer – verschont zu werden6. Ein berechtigtes geschäftliches Interesse fehlt auch regelmäßig dann, wenn keine Beziehung mehr zur vorherigen Tätigkeit besteht oder die neue Tätigkeit auf einer anderen Handelsstufe stattfindet7. Kann sich der Arbeitgeber nicht auf berechtige Belange berufen, ist das Wettbewerbsverbot unverbindlich. Dem Arbeitnehmer steht dann das Wahlrecht zu, sich an das Verbot zu halten (und damit einen Anspruch auf Karenzentschädigung zu erwerben) oder sich davon ohne Einhaltung einer Frist loszusagen.
459
Ein Wettbewerbsverbot ist gem. § 74a Abs. 1 Satz 2 HGB ferner dann unverbindlich, wenn es unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers enthält. Die Dauer und Höhe der Entschädigung einerseits, sowie die Ausgestaltung des Verbots müssen in jeder Hinsicht einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen8. Bei der Beurteilung sind die Umstände zum 1 Vgl. BAG v. 22.10.2008 – 10 AZR 360/08, NZA 2009, 962 ff. 2 Vgl. ErfK/Oetker, § 74b HGB Rz. 3. 3 So Diller in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 25 Rz. 5. 4 BAG v. 16.11.2005 – 10 AZR 152/05, NJW 2006, 3227 ff.; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 74b Rz. 2. 5 Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, § 74a Rz. 1. 6 BAG v. 1.8.1995 – 9 AZR 884/93; BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff., 1176; Diller in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 25 Rz. 11. 7 Vgl. BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff., 1176 f. 8 Boecken in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 74a Rz. 11.
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Rz. 462 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Wettverbots zu Grunde zu legen1. Dabei stehen Satz 1 und Satz 2 nach Auffassung des BAG nicht beziehungslos nebeneinander. Fehlt ein berechtigtes geschäftliches Interesse, so liegt regelmäßig auch eine unangemessene Fortkommenserschwerung vor2. Wird kein räumlicher Geltungsbereich festgelegt, so gilt das Wettbewerbsverbot regelmäßig jedenfalls für ganz Deutschland. Das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers kann regelmäßig dann unangemessen beeinträchtigt sein, wenn der Arbeitnehmer seinen Beruf dadurch in ganz Deutschland nicht mehr ausüben kann3. Ein deutschlandweites Wettbewerbsverbot kann daneben auch dann unangemessen sein, wenn sich der Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers nur auf einen engen räumlichen Bereich erstreckt, etwa bei einem Taxiunternehmen, das nur in einem bestimmten Umkreis aktiv ist4. Dagegen ist bei einem weltweit agierenden Unternehmen unter Umständen auch ein berechtigtes Interesse an einem weltweiten Wettbewerbsverbot denkbar5. In zeitlicher Hinsicht statuiert das Gesetz für nachvertragliche Wettbewerbsverbote in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB eine Höchstgrenze von zwei Jahren. Im Einzelfall kann ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot aber auch bereits bei einer kürzeren Dauer unbillig sein6.
460
Hat der Arbeitnehmer bei seinem früheren Arbeitgeber verschiedene Tätigkeiten ausgeübt, so kann ein Wettbewerbsverbots dann unangemessen sein, wenn bereits die Versagung der Konkurrenz auf einem der ausgeübten Tätigkeitsgebiete genügen würde, um den Interessen des Arbeitgebers Rechnung zu tragen7.
461
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot ließe sich etwa wie folgt formulieren: Formulierungsmuster (1) Dem Arbeitnehmer ist es untersagt, während eines Zeitraums von … Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses als freier Mitarbeiter, arbeitnehmerähnlich, im Rahmen einer Beratertätigkeit oder auf sonstige Weise im Geschäftsbereich des Arbeitgebers tätig zu werden. (2) Tätigkeiten i.S.d. Abs. 1 sind insbesondere: … (3) Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer im vom Wettbewerbsverbot umfassten Zeitraum eine monatlich eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte (alternativ etwa 70 % bei einem sehr weitgehenden Wettbewerbsverbot) (4) Für die Anrechnung eines anderweitigen – auch unterlassenen – Erwerbs gilt § 74c HGB. 1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff., 1176. BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff., 1176. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3559. Vgl. van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050 ff. Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9 ff. Vgl. Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 3558. BGH v. 18.7.2005 – II ZR 159/03, NZG 2005, 843 f.
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462
Teil 4 Rz. 463
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
dd) Rechtsfolgen 463
Ist das Wettbewerbsverbot wirksam vereinbart, so kann der Arbeitgeber bei Verstößen des Arbeitnehmers Unterlassungsklage erheben und eine ggf. vereinbarte Vertragsstrafe geltend machen. Dem Arbeitgeber steht zudem – selbst für den Fall, dass dem Arbeitnehmer strafrechtliche Schritte drohen – ein Auskunftsanspruch über die pflichtwidrige Wettbewerbstätigkeit zu1.
464
Werden die Vorgaben aus § 74a Abs. 1 HGB nicht eingehalten, führt dies auf Rechtsfolgenseite regelmäßig nicht etwa zur Unwirksamkeit, sondern der Unverbindlichkeit der Regelung. Bleibt etwa die Höhe der Karenzentschädigung hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück, führt dies zur Unverbindlichkeit des gesamten Wettbewerbsverbots. Dem Arbeitnehmer steht dann ein Wahlrecht zu, ob er sich an das Wettbewerbsverbot halten will und dafür die – wenn auch zu niedrige – Karenzentschädigung annimmt oder ob er in Konkurrenz zum ehemaligen Arbeitgeber treten will2. Wird die Höchstgrenze von zwei Jahren überschritten, so ist das Wettbewerbsverbot nur für zwei Jahre verbindlich. Soweit es die Höchstgrenze überschreitet ist es unverbindlich3. Das zeitlich unbegrenzte Wettbewerbsverbot endet auch nicht mit Eintritt in den Ruhestand, so dass der Arbeitnehmer, wenn er sich an das Wettbewerbsverbot hält, weiterhin die Karenzentschädigung beanspruchen kann4.
465
Ein Wettbewerbsverbot kann auch nur teilweise verbindlich bzw. unverbindlich sein. Ist dies der Fall, steht dem Arbeitgeber nur hinsichtlich des verbindlichen Teils ein Unterlassungsanspruch zu. Beachtet der Arbeitnehmer den verbindlichen Teil des Wettbewerbsverbots, hat er insoweit einen Anspruch auf die Karenzentschädigung5. Der Anspruch des Arbeitnehmers hängt nach Ansicht des BAG auch nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer von seinem vorgenannten Wahlrecht bezüglich des gesamten Wettbewerbsverbots Gebrauch macht und sich auch insofern der Konkurrenztätigkeit enthält als das Wettbewerbsverbot für ihn unverbindlich ist6.
c) Organ-Führungskräfte 466
Organmitglieder repräsentieren das Unternehmen in noch stärkerem Maße nach außen als Arbeitnehmer-Führungskräfte. Sie stehen im Unternehmen an exponierter Stelle und werden daher auch in ungleich größerem Maße mit diesem assoziiert7. Zudem verfügen Organführungskräfte in der Regel über weit umfangreichere Kenntnisse der Unternehmensinterna. Die Gefahr eine Konkurrenztätigkeit zu Lasten des Unternehmens erscheint daher ungleich größer als bei Arbeitnehmern8. Dennoch unterliegen auch sie – wie bereits ausgeführt 1 Vgl. LAG Hamm v. 3.3.2009 – 14 Sa 1689/08. 2 Küttner/Reinecke, Wettbewerbsverbot, Rz. 11 m.w.N.; Diller in: Bauer/Lingemann/ Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 25 Rz. 7. 3 Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 438. 4 Vgl. Hunold, NZA-RR 2007, 617 ff., 622. 5 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff. 6 BAG v. 21.4.2010 – 10 AZR 288/09, NZA 2010, 1175 ff. 7 Vgl. van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050 ff. 8 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9 ff.
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Rz. 468 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
– nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses keinem automatischen Wettbewerbsverbot und sind daher regelmäßig in der Verwertung ihrer Arbeitskraft wieder frei. Etwas anderes gilt bei Vorliegen einer vertraglichen Regelung über nachvertragliche Wettbewerbsbeschränkungen. Liegt eine solche Abrede vor, stellt sich die Frage, ob diese auch den Vorgaben der §§ 74 ff. HGB unterliegt. Die handelsrechtlichen Vorschriften über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot sind allerdings nach Auffassung des BGH auf ehemalige Organmitglieder grundsätzlich nicht unmittelbar anzuwenden, wenn die Anwendbarkeit nicht vertraglich vorgesehen ist1. Die rechtlichen Grenzen ergeben sich damit regelmäßig aus § 138 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 und 12 GG2. Die Zulässigkeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten beurteilt der BGH anhand einer den § 74a Abs. 1 HGB nachempfundenen sog. Zwei-Stufen-Prüfung. Das Verbot muss danach zunächst ein billigenswertes Interesse des Unternehmens verfolgen. Zudem darf es nach Ort, Zeit und Gegenstand der Berufsausübung die wirtschaftliche Betätigung des Organmitgliedes nicht unbillig erschweren3. Insofern sind bei Organmitgliedern die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB entsprechend heranzuziehen4. Dies gilt insbesondere für den Grundsatz, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur dann verbindlich ist, wenn eine Karenzentschädigung gezahlt wird. Eine Ausnahme kann nach der Rechtsprechung nur dann in Betracht kommen, wenn sich die Vertragsklausel lediglich auf einen Kundenschutz bezieht5. Die Höhe der Karenzentschädigung ist grundsätzlich an § 74 Abs. 2 HGB zu orientieren. Andererseits wird in der Literatur davon ausgegangen, dass für Organmitglieder nicht derselbe Kompensationsbedarf besteht wie für Arbeitnehmer6. Um kein Risiko einzugehen, sollte aber die Untergrenze des § 74 Abs. 2 HGB beachtet werden. Auch die Anrechnungsvorschrift des § 74c HGB dürfte, sofern keine ausdrückliche abweichende Vereinbarung vorliegt, entsprechend heranzuziehen sein7.
467
Es ist somit im Rahmen einer Gesamtschau von Karenzentschädigung auf der einen Seite sowie sachlichem, zeitlichem und räumlichem Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots auf der anderen Seite festzustellen, ob im Einzelfall eine unangemessene Beeinträchtigung des beruflichen Fortkommens vorliegt. Zu berücksichtigen ist, dass ein Organmitglied ungleich leichter die Branche wechseln kann als eine Arbeitnehmer-Führungskraft, die beispielsweise auf ein bestimmtes Produkt spezialisiert ist. Ein branchenumfassendes Wettbewerbsverbot trifft ein Organmitglied daher oftmals weniger hart8.
468
1 BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 ff.; BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, NZG 2008, 753; vgl. auch Diller in: Bauer/Lingemann/Diller/Haußmann, Anwalts-Formularbuch Arbeitsrecht, Kap. 25 Rz. 1; Thüsing, NZG 2004, 9 ff.; Hopt in: Baumbach/ Hopt, HGB, § 74a Rz. 1 m.w.N. 2 Thüsing, NZG 2004, 9 ff. 3 Vgl. etwa BGH v. 14.7.1997 – II ZR 238/96, WM 1997, 1707. 4 Vgl. Menke, NJW 2009, 636 ff. 5 Vgl. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 ff.; auch Jäger, DStR 1995, 724 ff. 6 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9 ff. 7 So Thüsing, NZG 2004, 9 ff.; Menke, NJW 2009, 636 ff. 8 Vgl. Thüsing, NZG 2004, 9 ff.
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Teil 4 Rz. 469
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
469
Wird kein räumlicher Geltungsbereich des Wettbewerbsverbots vereinbart, so gilt dies als weltweites Wettbewerbsverbot und damit in aller Regel als unbillig1. Sind dagegen die räumlichen Grenzen (bewusst und ausdrücklich) unangemessen weit gezogen, so liegt nicht nur eine Unverbindlichkeit vor, sondern das Wettbewerbsverbot ist unwirksam2.
470
Ob auch die in § 74a Abs. 1 Satz 3 HGB geregelte Höchstfrist von zwei Jahren auf Organmitglieder übertragen werden kann, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Für die Praxis ist von einer Überschreitung abzuraten. Jedenfalls wird man außergewöhnliche Gründe verlangen müssen, um eine Überschreitung zu rechtfertigen3.
471
Unterschiedlich beurteilt werden die Rechtsfolgen, wenn dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot kein berechtigtes geschäftliches Interesse der Gesellschaft zu Grunde liegt oder das berufliche Fortkommen des Organmitglieds unangemessen beeinträchtigt wird. Der BGH hat bisher eine geltungserhaltende Reduktion nur bei einer überlangen Bindungsdauer angenommen4. Ob auch darüber hinaus bei einem gegenständlich oder räumlich zu weit gefassten Wettbewerbsverbot eine geltungserhaltende Reduktion auf das zulässige Maß in Betracht kommt, wird in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt5.
6. Zeugnis 472
Im Hinblick auf ihren weiteren beruflichen Werdegang hat die Führungskraft ein Interesse an der Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses. Dies gilt nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für Organführungskräfte. Der Anspruch auf Erteilung des Zeugnisses ergibt sich für Arbeitnehmer aus § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO. Bei Organ-Führungskräften wird § 630 BGB entsprechend herangezogen.
a) Arbeitnehmer-Führungskräfte 473
Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Trotz des insoweit etwas missverständlichen Wortlautes ist das Zeugnis nicht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist zu erteilen, sondern kann schon bei Ausspruch der Kündigung beansprucht werden. Das BAG weist insofern zu Recht darauf hin, dass der arbeitsuchende Arbeitnehmer das aktuelle Zeugnis für eine sinnvolle Bewerbung benötigt6. Macht der Arbeitnehmer den Anspruch während einer laufenden Kündigungsfrist geltend und erbringt er weiterhin seine Arbeitsleis1 Borgmann in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 852; Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 437. 2 OLG Düsseldorf v. 18.5.1989 – 8 U 143/88, DB 1990, 1960; van Kann/Keiluweit, BB 2010, 2050 ff. 3 So etwa wenn lediglich Kundenschutz vereinbart wird, vgl. Borgmann in: Hümmerich/ Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 2 Rz. 849; s. auch Thüsing, NZG 2004, 9 ff. 4 BGH v. 29.10.1990 – II ZR 241/89, DB 1990, 2588 f. 5 Vgl. die Übersicht bei Kelber/Busch in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil C Rz. 958. 6 Vgl. BAG v. 27.2.1987 – 5 AZR 710/85, NZA 1987, 628 ff.
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Rz. 477 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
tung, kann der Arbeitgeber auf Grund der weiterhin möglichen Änderungen an der Bewertung des Arbeitnehmers das Zeugnis als Zwischenzeugnis oder vorläufiges Zeugnis bezeichnen1. Zu unterscheiden ist zwischen einem einfachen und einem qualifizierten Zeugnis. Während sich das einfache Zeugnis nur auf Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit erstreckt, enthält das qualifizierte auch Angaben über Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis, vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GewO. Der Arbeitnehmer hat insofern ein Wahlrecht.
474
Das Zeugnis ist vom Arbeitgeber schriftlich zu erteilen. Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen, vgl. § 109 Abs. 3 GewO. Es ist damit auch eigenhändig vom Arbeitgeber oder dem für ihn handelnden Vertreter zu unterzeichnen2. Im Falle einer Insolvenz ist das Zeugnis durch den Insolvenzverwalter zu erstellen, unabhängig davon, wie lange das Arbeitsverhältnis noch in der Insolvenz bestanden hat3. Insbesondere bei Zeugnissen für Führungskräfte ist darauf zu achten, dass das Zeugnis von einer Person ausgestellt wird, die dieser gegenüber weisungsbefugt war. Die Weisungsbefugnis muss aus dem Zeugnis ersichtlich sein4. Aus dem Zeugnis muss zudem der Aussteller mit einer im Rechtsverkehr genügenden Sicherheit hervorgehen5.
475
Äußerlich ist darauf zu achten, dass das Zeugnis frei von Flecken, Knicken und nachträglichen Berichtigungen ist. Zudem ist das Zeugnis – jedenfalls wenn die Verwendung eines Briefbogens im Geschäftsbereich des Arbeitgebers üblich ist – auf dem Briefbogen des Arbeitgebers zu erstellen6.
476
Inhaltlich muss das Zeugnis – ganz allgemein gesehen – wahrheitsgemäß, vollständig und einheitlich sein7. Zwar liegt die Beurteilung des Arbeitnehmers im Ermessen des Arbeitgebers. Es besteht jedoch Einigkeit, dass insofern der wohlwollende Maßstab eines verständigen Arbeitgebers anzulegen ist8. Ein Zeugnis kann nicht auf bestimmte Tätigkeiten oder bestimmte Zeitabschnitte beschränkt werden. Es muss vielmehr ein ganzheitliches Gesamtbild des Arbeitnehmers ergeben und deshalb auch alle Angaben enthalten, die für eine Beurteilung des Arbeitnehmers erforderlich sind9. Dabei darf es sich nur auf Tatsachen, nicht aber auf Vermutungen oder Behauptungen stützen10. Ein Anspruch auf eine konkrete Formulierung steht dem Arbeitnehmer nicht zu11.
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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 8 m.w.N. Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 107. BAG v. 23.6.2004 – 10 AZR 495/03, NZA 2004, 1392 ff. Vgl. BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 392/00, NZA 2002, 34 ff.; Zeißig in: Hansen/Kelber/ Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 107. Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 11. BAG v. 3.3.1993 – 5 AZR 182/92, NZA 1993, 697 f. Vgl. ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 17 ff. Vgl. BAG v. 8.2.1972 – 1 AZR 189/71, NJW 1972, 1214 f.; ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 17 m.w.N. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 108. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 108. BAG v. 29.7.1971 – 2 AZR 250/70, NUW 1971, 2325.
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Teil 4 Rz. 478
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
478
Den Anspruch auf Erteilung eines (qualifizierten) Zeugnisses kann der Arbeitnehmer gerichtlich im Wege der Leistungsklage geltend machen. Ist er mit dem erteilten Zeugnis nicht einverstanden – sei es äußerlich oder inhaltlich – muss er eine Zeugnisberichtigung einfordern. Ist ein formell ordnungsgemäßes Zeugnis erstellt und geht es dem Arbeitnehmer noch um seine Beurteilung, so muss der Antrag, um dem Bestimmtheitserfordernis (§ 253 Abs. 2 ZPO) zu genügen, den angestrebten Zeugniswortlaut enthalten1.
479
Der Arbeitnehmer kann zwar nicht allgemein und ggf. schon im Arbeitsvertrag auf seinen Zeugnisanspruch verzichten. Möglich ist theoretisch aber ein Verzicht in einem Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrag2. Wegen der Bedeutung des Zeugnisses für den beruflichen Lebensweg wird ein solcher Verzicht praktisch nicht zum Tragen kommen. Häufiger sind im Abwicklungs- und Aufhebungsvertrag Klauseln über die zu erteilende Zeugnisnote anzutreffen. Die Bewertung der Leistungen obliegt zwar – wie erwähnt – dem Dienstgeber. Eine Absprache ist jedoch – auch auf dem Vergleichswege durch wechselseitiges Nachgeben – nicht ausgeschlossen.
b) Organ-Führungskräfte 480
Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses wird bei Organ-Führungskräften – wie erörtert – aus § 630 BGB hergeleitet3. Eine Ausnahme dürfte auch nicht für den Gesellschafter-Geschäftsführer zu machen sein4. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass auch Organ-Führungskräfte bei beruflichen Veränderungen ein Interesse daran haben, ihre Befähigung bei einem avisierten Arbeitgeber nachweisen zu können5. Die Zuständigkeit für die Zeugniserteilung entspricht derjenigen, die für den Abschluss des Anstellungsvertrages maßgeblich ist (vgl. dazu Teil 2 Rz. 86 ff.)6.
481
Bezüglich der äußerlichen und inhaltlichen Anforderung an ein ordnungsgemäßes Zeugnis, kann auf die bei Arbeitnehmer-Führungskräften geltenden Kriterien zurückgegriffen werden. Allerdings muss der herausgehobenen und vertrauensvollen Stellung von Organ-Führungskräften Rechnung getragen werden7.
7. Rückgabeklauseln 482
Nach dem Ausscheiden einer Führungskraft kann diese unter Umständen noch Gegenstände in ihrem Besitz haben, die dem Unternehmen gehören. Dabei wird es sich oft um den firmeneigenen Laptop oder das Diensthandy handeln. Aber auch Akten, Schlüssel oder ähnliches können in Betracht kommen. Brisanz haben hier insbesondere Unterlagen, die Unternehmensinterna enthal1 2 3 4
Vgl. ausführlich ErfK/Müller-Glöge, § 109 GewO Rz. 74. Vgl. Schaub/Linck, § 146 Rz. 14. Vgl. Hüffer, AktG, § 84 Rz. 17; Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, § 35 Rz. 358. Vgl. Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, § 35 Rz. 358; offen lassend BGH v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, NJW 1968, 396. 5 Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 111. 6 Vgl. Schneider/Sethe in: Scholz, GmbHG, § 35 Rz. 358. 7 KG v. 6.11.1978 – 2 U 2290/78, BB 1979, 988 f.
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Rz. 485 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
ten. Zudem besitzt die Regelung der Dienstwagenrückgabe bei Führungskräften praktische Relevanz1. Soweit das Unternehmen Eigentümer der fraglichen Gegenstände ist, ergibt sich der Herausgabeanspruch bereits aus § 985 BGB. Daneben wird die Herausgabepflicht als arbeits- bzw. dienstvertragliche Nebenpflicht angesehen. Auch die vom Arbeitnehmer gewonnenen Arbeitsergebnisse wie Urkunden, Dateien und andere Geschäftsunterlagen fallen unter die Herausgabepflicht2. In praktischer Hinsicht besteht für den Arbeitgeber oder Dienstherrn die Schwierigkeit, dass er oftmals nicht genau weiß, welche unternehmenseigenen Gegenstände sich noch im Besitz der Führungskraft befinden. Bestehen insofern noch Zweifel, kommt ein Auskunftsanspruch entsprechend § 666 BGB und ggf. die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Frage. Ein Zurückbehaltungsrecht kann dem Herausgabeverlangen regelmäßig nicht entgegengehalten werden3. Das Unternehmen wird nach Ausscheiden einer Führungskraft ein Interesse daran haben, die in seinem Besitz befindlichen Kundendaten zur eigenen Nutzungen zu erhalten. Dies gilt insbesondere für solche Kontakte, die durch Akquise der Führungskraft aufgebaut wurden. Wird der Kundenkontakt vom Mitarbeiter auch über soziale Netzwerke wie XING oder Facebook gepflegt, stellt sich die Herausgabe der Kundendaten oftmals schwierig dar. Jedenfalls Daten aus sozialen Netzwerken, die für das Unternehmen relevant sind, wird die Führungskraft herausgeben müssen.
483
Auf Grund der recht eindeutigen gesetzlichen Ausgangssituation sind Herausgabeklauseln in vielen Fällen lediglich deklaratorischer Art. Eine eigenständige Bedeutung erlangen sie jedoch, wenn der Arbeit- oder Dienstnehmer nicht – wie üblich – Besitzdiener im Hinblick auf die Arbeitsmittel, sondern selbst Besitzer ist. Denkbar ist dies insbesondere bei einer erlaubten Privatnutzung eines Geschäftswagens oder des Dienstlaptops4. Zwar bestehen auch hier hinsichtlich der Herausgabepflicht nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses keine Zweifel. Problematisch kann allerdings eine Herausgabepflicht während einer bezahlten Freistellung sein, da die Privatnutzung etwa eines Dienstwagen üblicherweise Bestandteil des Entgelts ist und damit eigentlich nicht entfällt (näher dazu unter Teil 3 Rz. 217 f.).
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8. Urlaubsregelungen Steht die Beendigung eines Anstellungsverhältnisses bevor, entsteht häufig Regelungsbedarf für den von der Führungskraft noch nicht genommenen Jahresurlaub.
1 Vgl. dazu von Bürck/Nussbaum, BB 2002, 2278 ff. 2 Vgl. dazu Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 2328 ff. 3 Vgl. ErfK/Preis, § 611 BGB Rz. 754. 4 Reufels in: Hümmerich/Reufels, Gestaltung von Arbeitsverträgen, § 1 Rz. 2334.
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Teil 4 Rz. 486
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
a) Arbeitnehmer-Führungskräfte 486
Handelt es sich um einen Arbeitnehmer, so sind die Regelungen des BUrlG zu beachten. Erfolgt keine Freistellung oder wird der Urlaubsanspruch nicht auf die Freistellungsdauer angerechnet, so ist der Urlaub noch zu gewähren oder gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Eine wirksame Urlaubsabgeltung während der Freistellung setzt allerdings voraus, dass die Freistellung unwiderruflich erfolgt. Nur so ist es der Führungskraft möglich, die ihm auf Grund des Erholungsurlaubs zustehende Freizeit uneingeschränkt zu nutzen1. Ist der Urlaubsanspruch danach noch nicht vollständig gewährt worden, ist er gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Die Umwandlung in den Urlaubsabgeltungsanspruch erfolgt dann bereits von Gesetzes wegen, ohne dass es dazu einer Handlung des Arbeitnehmers oder Arbeitgebers bedarf2.
487
Von bedeutender Aktualität ist der Abgeltungsanspruch bei dem Ausscheiden langfristig erkrankter Arbeitnehmer. In diesen Fällen können sich unter Umständen erhebliche Urlaubsansprüche ansammeln. Nach früherer, langjähriger Rechtsprechung des BAG verfiel auch in seinem solchen Fall der wegen Arbeitsunfähigkeit in das Folgejahr übertragene Urlaubsanspruch grundsätzlich mit Ablauf des Übertragungszeitraums am 31. März des Folgejahres. Diese Auslegung des BUrlG ist jedoch nach einer Entscheidung des EuGH vom 20. Januar 2009 unvereinbar mit europäischem Recht3. Seitdem gilt, dass ein Urlaubsanspruch auch dann nicht mehr verfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht nur im Urlaubsjahr, sondern auch im Übertragungszeitraum aufgrund Arbeitsunfähigkeit nicht in Anspruch nehmen konnte4. Dieser Rechtsprechung hat sich das BAG angeschlossen5. Sie gilt nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch für den Sonderurlaub schwerbehinderter Menschen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX6. Der Verfall des einzel- oder tarifvertraglichen Mehrurlaubs bleibt dagegen weiterhin möglich. Denn die Arbeitszeitrichtlinie, auf der die Rechtsprechung des EuGH beruht, bezieht sich nicht auf einen solchen Mehrurlaub. Deshalb ist in der entsprechenden Regelung ein Verfall des übergesetzlichen Mehrurlaubes zulässig7. Im Rahmen einer solchen Differenzierung kann vorgesehen werden, ob der übergesetzliche Mehrurlaub bereits mit Ablauf des Urlaubsjahres oder erst des Übertragungszeitraums verfallen soll. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob sämtliche Urlaubsansprüche dem Verfall unterliegen oder nur der Mehrurlaub. Nach Auffassung des BAG ergibt sich eine solche Differenzierung 1 BAG v. 14.3.2006 – 9 AZR 11/05, NZA 2006, 1008; Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 174. 2 Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 183. 3 EuGH v. 20.1.2009 – C 350/06, NZA 2009, 135 ff.; dazu Dornbusch/Ahner, NZA 2009, 180 ff. 4 EuGH v. 20.1.2009 – C 350/06, NZA 2009, 135 ff. 5 BAG v. 19.5.2009 – 9 AZR 477/07, DB 2009, 2051 f.; BAG v. 24.3.2009 – 9 AZR 983/07, NZA 2009, 538 ff.; BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 ff. 6 BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 ff. 7 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 19.8.2010 – 10 Sa 244/10 (Revision eingelegt unter 9 AZR 575/10).
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Rz. 492 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
mit der Folge des Verfalls des Mehrurlaubs aus einer Tarifregelung, die ein eigenständiges Urlaubsregime festlegt1. Allerdings hält das BAG daran fest, dass der Gleichlauf der Urlaubsansprüche die Regel, ein unterschiedliches rechtliches Schicksal im Rahmen einer Auslegung die Ausnahme sei2. Regelungen im Rahmen eines Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrages, die auf den Verzicht des Mitarbeiters auf den ihm zustehenden Erholungsurlaub hinaus laufen, sind wegen des zwingenden Charakters des gesetzlichen Mindesturlaubs ausgeschlossen (§ 13 Abs. 1 BurlG). Ein Verzicht auf übergesetzlichen Mehrurlaub ist hingegen zulässig. Ebenso können sich der Dienstgeber und der Arbeitnehmer darauf verständigen, dass ein etwaiger Anspruch auf Urlaubsabgeltung beim Vertragsende nicht besteht. Derartige Verzichtsregelungen waren in der Vergangenheit nach überwiegender Auffassung wegen der zwingenden Wirkungen des BUrlG ausgeschlossen. Das BAG hat jedoch ausdrücklich die Surrogationstheorie aufgegeben, nach der der Urlaubsabgeltungsanspruch ein Surrogat für den Erholungsurlaub darstellt und damit dessen fehlender Verzichtbarkeit unterworfen ist. In Ermangelung der Surrogationstheorie kommt heute ein Verzicht auf die Urlaubsabgeltung in Betracht.
488
! Praxishinweis
489
Gerade im Rahmen von gerichtlichen Abfindungsvergleichen wird regelmäßig im Hinblick auf den Urlaubsanspruch vereinbart, dass die Parteien sich einig sind, dass der Jahresurlaub gewährt wurde. Eine solche Regelung ist zulässig, da hierin kein Verzicht auf den Urlaubsanspruch zu sehen ist. Die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs legt § 11 BUrlG fest. Sie richtet sich grundsätzlich nach der Arbeitsvergütung der vorangangenen drei Monate. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist grundsätzlich nicht vererblich. Der Tod des Arbeitnehmers führt zum Erlöschen des Anspruchs, so dass er nicht mehr auf die Erben übergehen kann3.
490
b) Organ-Führungskräfte Auch für Organ-Führungskräfte spielt das Schicksal eines noch zu gewährenden Urlaubsanspruchs eine wichtige Rolle im Rahmen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses. Unter Umständen ist auch bei Organ-Führungskräften eine unwiderrufliche Freistellung unter Anrechnung des Resturlaubs bei gleichzeitiger Fortzahlung der Bezüge sinnvoll.
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Kann der Urlaubsanspruch nicht mehr gewährt werden, weil das Anstellungsverhältnis beendet wird, so kommt ein Urlaubsabgeltungsanspruch des Organmitglieds in Betracht4.
492
1 Vgl. BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 ff., 814 f.; s. auch LAG Rheinland-Pfalz v. 19.8.2010 – 10 Sa 244/10 zur Auslegung von § 26 TVöD sowie LAG Niedersachsen v. 4.10.2010 – 8 Sa 357/10 zu § 26 TV-L (n.rkr.). 2 BAG v. 23.3.2010 – 9 AZR 128/09, NZA 2010, 810 ff., 814 f. 3 Vgl. Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 190. 4 Vgl. hierzu OLG Düsseldorf v. 23.12.1999 – 6 U 119/99, NZG 2000, 377 f.
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Teil 4 Rz. 493
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
9. Klageverzichtsklauseln 493
Wesentlicher Bestandteil einer Abwicklungsvereinbarung kann – insbesondere für den Arbeitgeber bzw. die Gesellschaft – der Verzicht auf eine Bestandsschutzklage sein. Wie bereits angeklungen ist, soll hierdurch Rechtssicherheit über den Bestand des Anstellungsverhältnisses erzielt werden. In einer vorformulierten Abwicklungsvereinbarung kommt ein solcher Verzicht allerdings nur dann in Betracht, wenn der Führungskraft ein kompensatorischer Ausgleich gewährt wird1.
a) Arbeitnehmer-Führungskräfte 494
Während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer nicht auf seinen Kündigungsschutz verzichten2. Etwas anderes gilt jedoch für den Verzicht der Erhebung oder Durchführung einer Kündigungsschutzklage gegen eine bereits ausgesprochene Kündigung. Dieser wird grundsätzlich als zulässig angesehen3. Nach Auffassung des BAG weicht eine Verzichtsklausel allerdings von § 4 Abs. 1 KSchG und § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG ab und unterliegt daher der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Ist in der Vereinbarung der Verzicht des Arbeitnehmers auf eine Kündigungsschutzklage vorgesehen und wird dieser Verzicht nicht durch eine kompensatorische Gegenleistung ausgeglichen, so benachteiligt die Regelung den Arbeitnehmer unangemessen4. Als Gegenleistung sind insbesondere eine Abfindung, der Verzicht auf Gegenansprüche oder auch eine bestimmte günstigere Beendigungsart denkbar5. So kann etwa bereits die Umwandlung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung oder eine Verlängerung der ordentlichen Kündigungsfrist ein ausreichendes Entgegenkommen darstellen6. Die Gegenleistung muss bereits aus der Vereinbarung hervorgehen. Dies gebietet das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ausreichend dürfte insofern sein, dass die Vereinbarung eine Entschädigungszahlung an den Arbeitnehmer festlegt.
495
Zu beachten ist, dass das BAG bei einem Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage – jedenfalls im unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kündigung – von der Anwendbarkeit des Schriftformerfordernisses gem. § 623 BGB ausgeht7. Der Begriff des „Auflösungsvertrags“ i.S.v. § 623 BGB umfasst nach Auffassung des BAG sämtliche Vereinbarungen, die die Lösung der vertraglichen Bindungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien bewirken. Dies gelte auch für eine Klageverzichtsvereinbarung8. Die Vereinbarung ist daher von beiden Parteien auf derselben Urkunde zu unterzeichnen, § 126 Abs. 2 BGB. 1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 ff. Vgl. Bauer/Günther, NJW 2008, 1617 ff. m.w.N. Vgl. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 ff. m.w.N. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 ff. BAG v. 6.9.2007 – 2 AZR 722/06, NZA 2008, 219 ff. Bauer/Günther, NZA 2008, 1617 ff. BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227 ff.; kritisch dazu Bauer/Günther, NZA 2008, 1617 ff. 8 BAG v. 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227 ff.
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Rz. 498 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
b) Organ-Führungskräfte Ob diese Vorgaben der Rechtsprechung auch auf Organ-Führungskräfte übertragen werden können, erscheint zweifelhaft. Jedenfalls scheidet ein Abweichen der Vereinbarung von §§ 4 Abs. 1 KSchG und § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG mangels Anwendbarkeit das KSchG auf Organmitglieder aus. Die Folgen der Abrede bleiben jedoch letztendlich gleich. Das Organmitglied verzichtet mit der Klageverzichtsklausel auf die gerichtliche Überprüfung, ob der Beendigungstatbestand (Kündigung) wirksam erklärt wurde. Will ein Unternehmen daher sicher gehen, sollte es sich an den vorstehenden Vorgaben für ArbeitnehmerFührungskräfte orientieren.
496
10. Ausgleichklauseln a) Allgemeines Ausgleichklauseln werden häufig in eine sog. Ausgleichquittung aufgenommen. In einer solchen Urkunde erklärt der Arbeitnehmer bzw. Dienstnehmer den Verzicht auf weitere Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis1. Ausgleichsklauseln in Abwicklungsvereinbarungen regeln typischerweise, dass alle gegenseitigen Ansprüche mit dieser Vereinbarung als abgegolten gelten sollen. Dogmatisch betrachtet handelt es sich im Regelfall um ein konstitutives Schuldanerkenntnis, das die Unsicherheit über ein bestehendes bzw. nicht bestehendes Rechtsverhältnis beseitigen soll2. Die Parteien werden regelmäßig nicht mit Bestimmtheit wissen, ob und in welchem Umfang noch Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis bestehen und deshalb alle bekannten und unbekannten Ansprüche mit einbeziehen wollen. Gehen sie allerdings davon aus, dass keine Ansprüche mehr bestehen, liegt ein lediglich deklaratorisches Schuldanerkenntnis vor. Ein solches Schuldanerkenntnis unterliegt der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen3. Im Rahmen der Inhaltskontrolle misst das BAG dem vergleichsähnlichen Charakter der Ausgleichsklausel erhebliche Bedeutung zu. Sie ist daher nur dann angemessen, wenn von einem Geben und Nehmen der Vertragsparteien im Interesse der Rechtssicherheit gesprochen werden kann4. Dagegen ist eine Ausgleichsklausel weder überraschend noch ungewöhnlich i.S.v. § 305c BGB5.
497
Ausgleichsklauseln sind nach Auffassung des BAG grundsätzlich weit auszulegen6. Ihr Umfang ist durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Dabei sind sämtliche Begleitumstände wie etwa die Entstehungsgeschichte, das Verhalten der Parteien bei Abgabe der Erklärung sowie ihre Interessenlage zu berücksichtigen7. Deshalb sind solche Ansprüche nicht von einer Ausgleichsklau-
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1 2 3 4 5 6
Vgl. Küttner/Eisemann, Ausgleichsquittung, Rz. 2. Vgl. Kroeschell, NZA 2008, 560 ff. Kroeschell, NZA 2008, 560 ff. BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 502/03, NZA 2005, 682 ff. BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 ff. BAG v. 19.11.2008 – 10 AZR 671/07, NZA 2009, 318 ff.; Küttner/Eisemann, Ausgleichsquittung, Rz. 6. 7 Vgl. BAG v. 8.3.2006 – 10 AZR 349/05, NZA 2006, 854 ff.
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Teil 4 Rz. 499
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
sel umfasst, die außerhalb des von den Parteien bei Abschluss der Vereinbarung Vorgestellten lagen1. Gleiches gilt nach Ansicht der Rechtsprechung grundsätzlich auch für Ansprüche, die außerhalb des Anstellungsverhältnisses begründet sind2. Deshalb ist grundsätzlich auch ein vertragliches Wettbewerbsverbot von ihr umfasst. Allerdings sollte das Schicksal eines Wettbewerbsverbots in einer Ausgleichsklausel ausdrücklich geregelt werden. Die ansonsten vorzunehmende Auslegung der Klausel gem. §§ 133, 157 BGB führt sonst schnell zu Unsicherheiten3. Entsprechendes gilt für Ansprüche aus Aktienoptionen4. Beruht ein Anspruch allerdings auf einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder ist der Anspruch kraft Gesetzes unverzichtbar, so ist die Ausgleichsklausel insoweit unwirksam5. Dies gilt unter anderem für unverfallbare Anwartschaften aus der betrieblichen Altersvorsorge, da das Abfindungsverbot des § 4 BetrAVG auch für einen entschädigungslosen Verzicht gilt. Anderweitige Ruhegeldansprüche oder -anwartschaften, die nicht unter § 3 BetrAVG fallen, sind nur dann von einer Ausgleichsklausel umfasst, wenn dies ausdrücklich aus der Vereinbarung hervorgeht6. Nach Auffassung des LAG Hamm muss der Verzicht auf solche Anspruch vorher mit dem Betroffenen eingehend erörtert worden und dieser den Rechtsverlust erkennbar akzeptiert haben7. 499
Für den Betroffenen muss aus der Klausel oder den Begleitumständen unmissverständlich und eindeutig erkennbar sein wie weit der Verlust seiner Rechte reichen soll8. Ausgleichsklauseln müssen nicht nur inhaltlich, sondern auch äußerlich eindeutig sein. Sie müssen sich – etwa durch hervorgehobenen Druck – von den übrigen Bestimmungen abheben und dürfen nicht in anderen Regelungen versteckt werden9. Ein vorsichtiges Unternehmen wird deshalb die Ausgleichsquittung auf einem separaten Blatt vorlegen und unterschreiben lassen10. Ratsam dürfte auch sein, den Betroffenen auf die Bedeutung und den Umfang der Klausel hinzuweisen und sich die Information von diesem bestätigen zu lassen.
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Formulierungsmuster Ist diese Vereinbarung erfüllt, so gelten sämtliche Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, als erledigt.11
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff., 1074. Vgl. BAG v. 19.3.2009 – 6 AZR 557/07, NZA 2009, 896 ff. Hunold, NZA-RR 2007, 617 ff. Vgl. dazu BAG v. 28.5.2008 – 10 AZR 351/07, NZA 2008, 1066 ff. Küttner/Eisemann, Ausgleichsquittung, Rz. 4 f. BAG v. 17.10.2003 – 3 AZR 69/99, NZA 2001, 203 ff. LAG Hamm v. 15.1.1980 – 6 Sa 1166/79, DB 1980, 643 f. BAG v. 20.8.1980 – 5 AZR 759/78, NJW 1981, 1285 f. Vgl. Küttner/Eisemann, Ausgleichsquittung, Rz. 7. Vgl. Küttner/Eisemann, Ausgleichsquittung, Rz. 7. In Anlehnung an Ehrich in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 374.
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Rz. 504 Teil 4
Typische Regelungsinhalte
Ist das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht beendet, weil etwa die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, so sollte beachtet werden, dass die vorstehende allgemeine Ausgleichsklausel solche Ansprüche nicht umfasst, die nach Abschluss der Vereinbarung entstehen1.
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b) Besonderheiten bei Organ-Führungskräften Umfassende Ausgleichs- oder Erledigungsklauseln sind auch im Rahmen der Beendigung des Anstellungsverhältnisses mit einem Organmitglied möglich. Allerdings gilt es einige Besonderheiten zu beachten:
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Erhebliche Bedeutung hat hier etwa die Vorschrift des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG. Danach kann die Aktiengesellschaft auf Ersatzansprüche gegen den Vorstand erst nach Ablauf von drei Jahren seit Entstehung des Anspruchs verzichten oder sich über sie vergleichen2. Selbst eine Stundung ist nach § 94 Abs. 4 Satz 3 AktG ausgeschlossen3. Der Anspruch ist dann in diesem Sinne „entstanden“, wenn er mit einer Feststellungsklage zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden könnte4. Für den Ablauf der Frist ist der tatsächliche Abschluss der Verzichtsvereinbarung maßgeblich – unabhängig von ihrem rechtlichen Wirksamkeitszeitpunkt5. Nach Ablauf von drei Jahren bedarf es zudem immer noch eines Hauptversammlungsbeschlusses. Liegt zwar ein solcher Beschluss vor, bleibt ein Verzicht weiterhin dann unwirksam, wenn dem Hauptversammlungsbeschluss eine Minderheit zur Niederschrift widerspricht, deren Anteile zusammen mindestens 10 % des Grundkapitals erreichen6. Sind die drei Jahre noch nicht abgelaufen oder fehlt ein entsprechender Hauptversammlungsbeschluss, so ist die Verzichtserklärung nichtig7. Für die GmbH fehlt eine vergleichbare Regelung im GmbHG. Ein Verzicht der GmbH auf Ersatzansprüche bleibt daher grundsätzlich möglich8. Allerdings kann etwa auf Ersatzansprüche nach § 9a GmbHG nicht verzichtet oder ein entsprechender Vergleich geschlossen werden (§ 9b GmbHG). Auch auf einen Ersatzanspruch wegen eines Verstoßes gegen § 30 GmbHG oder § 64 Satz 1 GmbHG kann nicht verzichtet werden, § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG i.V.m. § 9b GmbHG (i.V.m. § 64 Satz 3 GmbHG).
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Zu beachten ist ferner, dass ein Verzicht auf einen Ersatzanspruch wie auch auf sonstige Ansprüche gegen einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied eines Gesellschafter- bzw. Aufsichtsratsbeschlusses bedarf. Dies ergibt sich im Bereich der GmbH aus einer analogen Anwendung von § 46 Nr. 8 GmbHG9.
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1 Vgl. Ehrich in Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 2 Rz. 377, der deshalb zu einem Verzicht auf eine Ausgleichsklausel in einem solchen Fall rät. 2 Ausführlich dazu Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248 ff.; Hasselbach, DB 2010, 2037 ff. 3 Vgl. Burmester in: Weber/Ehrich/Burmester/Fröhlich, Aufhebungsverträge, Teil 5 Rz. 223. 4 Hüffer, AktG, § 93 Rz. 28; Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248 ff. 5 Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248 ff. 6 Vgl. dazu Hasselbach, DB 2010, 2037 ff. 7 Vgl. Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 1121. 8 Hansen in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil D Rz. 1121. 9 Vgl. BGH v. 8.12.1997 – II ZR 236/96, NJW 1998, 1315 ff.; dazu Roth in: Altmeppen/ Roth, GmbHG, § 46 Rz. 63; Zöllner in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 46 Rz. 60.
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Teil 4 Rz. 505
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
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§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bzw. seine komplementären Vorschriften aus dem GmbHG haben nicht nur Auswirkungen auf einen Abwicklungsvereinbarung nach einer Kündigung, sondern auch auf einen bereits anhängigen Haftungsprozess gegen das Organmitglied. Hier führt das Verzichtsverbot dazu, dass weder ein Prozessvergleich noch ein Anerkenntnis der Gesellschaft zulässig sind, es sei denn der Ersatzanspruch besteht offensichtlich nicht1.
506
Ein Verstoß gegen das Verzichtsverbot – etwa in der Form, dass die Aktiengesellschaft oder die GmbH auf sämtliche Ansprüche gegen das Organmitglied verzichtet – führt über die Auslegungsregel des § 139 BGB im Zweifel zur Unwirksamkeit der gesamten Abwicklungsvereinbarung2. Eine Ausgleichsklausel könnte bei Organführungskräften wie folgt formuliert werden:
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Formulierungsmuster Mit der Erfüllung dieser Vereinbarung gelten sämtliche Ansprüche aus dem Dienstverhältnis sowie aus Anlass dessen Beendigung als erledigt, sofern die Gesellschaft ohne Verstoß gegen § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG (bzw. § 9b GmbHG oder andere Normen des GmbHG) wirksam auf sie verzichten kann.
1 Vgl. Mertens/Cahn in: KK-AktG, § 93 Rz. 187; Bauer/Krets, DB 2003, 811 ff. 2 Bauer/Krets, DB 2003, 811 ff.
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G. Altersteilzeit Nähert sich ein Arbeitnehmer allmählich der gesetzlichen Regelaltersgrenze, kann es sinnvoll sein, besondere Vereinbarungen im Hinblick auf einen schrittweisen Übergang in den Ruhestand zu treffen. Für Organmitglieder hat die Altersteilzeit – auch mangels Anwendbarkeit des ATZG und den damit verbundenen Vorteilen – keine praktische Relevanz. Diese Gruppe der Führungskräfte wird daher im Folgenden außer Betracht gelassen.
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I. Allgemeines Gesetzliche Bestimmungen enthält das Altersteilzeitgesetz (ATZG) aus dem Jahr 1996. Ziel des Gesetzes ist gem. § 1 Abs. 1 ATZG, dem Arbeitnehmer einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen. Das ATZG schafft hierzu Anreize, indem es Subventionen entsprechender Vereinbarungen vorsieht. Einen gesetzlichen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages gibt es aber nicht1, auch nicht für schwerbehinderte Arbeitnehmer2. Neben dem ATZG werden Altersteilzeitmodelle in einer Vielzahl von Fällen durch Tarifverträge gestaltet. Im öffentlichen Dienst gilt der bekannte Tarifvertrag zur Regelung der Altersteilzeit (TV ATZ)3. Für die Praxis war das ATZG insbesondere auf Grund der möglichen Förderung einer Altersteilzeit durch die Bundesagentur für Arbeit interessant. Die Förderung ist aber seit dem 1.1.2010 ausgelaufen. Förderleistungen werden nur noch Arbeitnehmern gewährt, die ihre Arbeitszeit vor dem 1.1.2010 verringert haben und damit die Einstellung eines sonst arbeitslosen Arbeitnehmers ermöglichen, § 1 Abs. 2 ATZG. Nach diesem Zeitpunkt sind die Bestimmungen des ATZG unanwendbar geworden, die sich ausschließlich mit der Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit befassen4. Dies gilt etwa für § 5 ATZG. Die §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 ATZG sind dagegen weiterhin von Bedeutung, da sie die Grundvoraussetzungen der Altersteilzeit regeln5. Auch die steuer- und beitragsrechtliche Besserstellung der Aufstockungsbeträge (vgl. § 3 Nr. 28 EStG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 SvEV) nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ATZG bleibt unverändert. Für den Arbeitnehmer hat eine Altersteilzeitvereinbarung nach dem ATZG zudem den Vorteil, dass er im Anschluss an eine mindestens 24-monatige Verminderung der Arbeitszeit nach §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 1 ATZG eine vorgezogene Altersrente beziehen kann, wenn er vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat, vgl. § 237 SGB VI.
1 2 3 4 5
ErfK/Rolfs, § 8 ATZG Rz. 1. S. BAG v. 26.6.2001 – 9 AZR 244/00, NZA 2002, 44. Ausführlich dazu Groeger/Laber, Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst, Teil 5 B Rz. 1 ff. Vgl. dazu Hanau, NZA 2009, 225 ff., 225. Hanau, NZA 2009, 225 ff., 225.
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Teil 4 Rz. 510
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
II. Voraussetzungen einer Altersteilzeit i.S.d. ATZG 1. Minderung der wöchentlichen Arbeitszeit 510
Das Vorliegen einer Altersteilzeit nach dem ATZG ist an detaillierte Voraussetzungen geknüpft. Will der Arbeitnehmer in den Genuss der sozial- und steuerrechtlichen Vorteile gelangen, müssen diese Voraussetzungen erfüllt sein1. Charakteristisch für eine Altersteilzeit und vom ATZG vorausgesetzt ist zunächst eine hälftige Minderung der wöchentlichen Arbeitszeit2. Gemäß § 6 Abs. 2 ATZG ist als bisherige wöchentliche Arbeitszeit die wöchentliche Arbeitszeit zu Grunde zu legen, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeit vereinbart war. Es findet damit auch keine Durchschnittsberechnung statt.
2. Modelle 511
Für die Verringerung der Arbeitszeit stehen zwei Modelle zur Verfügung: Das Kontinuitätsmodell und das Blockmodell. Beim Kontinuitätsmodell erfolgt die Verringerung der Arbeitszeit bereits zu Beginn der Altersteilzeit und bleibt bis zum Eintritt in den Ruhestand bestehen. Das übliche Blockmodell teilt dagegen die Altersteilzeit in zwei Phasen ein. In der Arbeitsphase arbeitet der Arbeitnehmer in einem unveränderten Umfang weiter. In der Freistellungsphase nach der Hälfte der Dauer der Altersteilzeit erfolgt dann eine vollständige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht. Das Blockmodell ist in § 2 Abs. 2 ATZG angelegt und wird durch die mögliche Verlängerung des Ausgleichszeitraums auf bis zu sechs Jahre ermöglicht. Eine solche Verlängerung kann jedoch grundsätzlich nur durch eine Regelung in einem anwendbaren Tarifvertrag oder auf Grund einer tariflichen Öffnungsklausel in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden, § 2 Abs. 2 Nr. 1 ATZG. Voraussetzung ist allerdings nach teilweise vertretener Auffassung, dass die Geltung des Tarifvertrages nicht lediglich auf seiner Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG beruht3. Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, fällt sein Betrieb aber unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages, kann die tarifvertragliche Regelung gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 ATZG durch Betriebsvereinbarung oder, wenn kein Betriebsrat existiert, durch schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber übernommen werden.
512
Das Blockmodell hat sich in der Praxis durchgesetzt, obwohl der Gesetzgeber vom Kontinuitätsmodell als Regelfall ausgegangen ist4. Es bietet den Vorzug, dass der Arbeitnehmer bereits vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheiden kann5.
1 2 3 4 5
Vgl. Hanau, NZA 2009, 225 ff., 226; ErfK/Rolfs, § 2 ATZG Rz. 1. Vgl. dazu BAG v. 20.8.2002 – 9 AZR 710/00, NZA 2003, 510 ff. Zwanziger, RdA 2005, 226 ff., 229. Vgl. Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 9; ErfK/Rolfs, § 2 ATZG Rz. 9. Vgl. Engesser Means/Clauss, NZA 2006, 293 ff., 294.
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Rz. 515 Teil 4
Altersteilzeit
3. Sozialversicherungspflicht Der Halbierung der Arbeitszeit muss eine nach dem 14.2.1996 mit dem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung zu Grunde liegen und der Arbeitnehmer muss auch während der Dauer der Altersteilzeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATZG. Zudem muss der Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ATZG das 55. Lebensjahr vollendet haben. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ATZG setzt weiter voraus, dass der Arbeitnehmer innerhalb der letzten fünf Jahre in vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1 080 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat. Es kommt allerdings nicht darauf an, dass die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung beim gleichen Arbeitgeber bestanden hat1. Wird der Arbeitnehmer dagegen bereits für die Arbeitsphase vollständig von der Arbeitspflicht freigestellt, liegt keine Altersteilzeit im Sinne des ATZG mehr vor und der Arbeitnehmer verliert seine sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Privilegien2.
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4. Rente im Anschluss Die Vereinbarung muss sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ATZG „auf die Zeit erstrecken (…), bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann“. Der Arbeitnehmer muss mit anderen Worten unmittelbar im Anschluss an die Altersteilzeit in Rente gehen3. Die Vereinbarung wird daher regelmäßig an die gesetzliche Regelaltersgrenze anknüpfen und ist somit als Befristungsabrede zu behandeln4. Folglich bedarf die Vereinbarung einer Altersteilzeit der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG5. Den sachlichen Grund für die Befristung erfasst § 8 Abs. 3 ATZG. Danach ist eine Vereinbarung über die Altersteilzeit, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung zu einem Zeitpunkt vorsieht, in dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Rente wegen Alters hat, zulässig6.
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5. Abweichende individuelle Vereinbarungen Die Vertragsparteien sind ungehindert, eine abweichende individuelle Vereinbarung über die Altersteilzeit zu treffen. Sie riskieren dann aber den Verlust der steuer- und sozialrechtlichen Besserstellung. Dies gilt auch für rückwirkende Vertragsschlüsse7. Es wird deshalb insbesondere im Interesse des Arbeitnehmers liegen, die Voraussetzungen des ATZG oder einschlägiger Tarifverträge einzuhalten.
1 2 3 4
Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 3. Vgl. BAG v. 10.2.2004 – 9 AZR 401/02, NZA 2004, 606 ff. Vgl. Zwanziger, RdA 2005, 226 ff., 228. Vgl. BAG v. 14.8.2002 – 7 AZR 469/01, NZA 2003, 1397 ff.; Zwanziger, RdA 2005, 226 ff., 228. 5 Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 3; Böck in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, § 2 ATZG Rz. 3. 6 Vgl. dazu Zwanziger, RdA 2005, 226 ff., 228. 7 BAG v. 15.9.2009 – 9 AZR 608/08, NZA 2010, 32.
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Teil 4 Rz. 516
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
III. Sonstige Anspruchsgrundlagen 516
Weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber haben grundsätzlich einen Anspruch auf Abschluss einer Altersteilzeitvereinbarung1. Ein solcher Anspruch eines Arbeitnehmers kann aber in einem Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden2. Die Gewährung von Altersteilzeit kann auch in das Ermessen des Arbeitgebers gestellt werden. Er hat dann unter Berücksichtigung von § 315 BGB über die Vertragsänderung zu entscheiden3. Bei seiner Entscheidung hat er die wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und die beiderseitigen Interessen angemessen zu wahren4. Berücksichtigungsfähig sind sämtliche sachlichen Gründe, die sich aus dem Wechsel des Arbeitnehmers in das Altersteilzeitverhältnis ergeben5. Der Arbeitgeber muss nach Auffassung des BAG den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen, wenn er mit 5 % seiner Belegschaft freiwillig Altersteilzeitvereinbarungen getroffen hat und ab einem in der Zukunft liegenden Stichtag weitere Anträge ablehnen will6.
IV. Insolvenz 517
Wird die Altersteilzeit im Wege des Blockmodells durchgeführt, sind die Vertragsparteien verpflichtet sicherzustellen, dass die Lohnansprüche auch in der Insolvenz (s. allgemein dazu auch Teil 5 Rz. 192 ff.) abgesichert sind. Dies ergibt sich aus § 8a ATZG7. Der Arbeitnehmer hat in der Arbeitsphase bereits seine vollständige Vorleistung erbracht und eine Insolvenz in der Freistellungsphase würde dazu führen, dass etwaige Zahlungsansprüche nicht realisierbar sind8.
V. Rechtsfolgen der Altersteilzeit für das Arbeitsverhältnis 1. Pflichten 518
Bei dem Altersteilzeitverhältnis handelt es sich auch bis zum Ende der Freistellungsphase um ein „vollwertiges“ Arbeitsverhältnis9. Insbesondere der Übergang von der Arbeits- in die Freistellungsphase, stellt keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Daraus folgt unter anderem, dass noch ausstehender Urlaub bei Eintritt in die Freistellungsphase nicht gem. § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten ist10. Urlaubsansprüche verfallen dann aber innerhalb der Übertragungs1 Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 5. 2 Vgl. BAG v. 3.12.2002 – 9 AZR 457/01, NZA-RR 2003, 613 ff.; Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 6. 3 Vgl. BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, NZA 2001, 1209 ff., 1210. 4 BAG v. 12.12.2000 – 9 AZR 706/99, NZA 2001, 1209 ff., 1210. 5 Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 5. 6 BAG v. 15. 4.2008 – 9 AZR 111/07, NZA-RR 2008, 547 ff., 550; vgl. Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 6. 7 Vgl. dazu ErfK/Rolfs, § 8a ATZG Rz. 1. 8 Vgl. Engesser Means/Clauss, NZA 2006, 293 ff., 295. 9 Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 3. 10 BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 143/04, NZA 2005, 994 ff., 995 f.
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Rz. 521 Teil 4
Altersteilzeit
zeiträume1. Zudem gelten die allgemeinen kündigungsrechtlichen Bestimmungen – wie das KSchG – auch während der Freistellungsphase fort2. Der Arbeitgeber ist während der gesamten Dauer der Altersteilzeit verpflichtet, das hälftige Arbeitsentgelt zu zahlen. Liegt der Altersteilzeit das Blockmodell zu Grunde, ist zu beachten, dass das hälftige Entgelt für den ersten Monat der Freistellung mit dem hälftigen Entgelt für den ersten Monat der Arbeitsphase korrespondiert3. Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer zudem die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ATZG für eine Altersteilzeit nach dem ATZG vorausgesetzten Aufstockungsbeträge zahlen. Wird der Arbeitnehmer während der Altersteilzeit arbeitsunfähig krank, so ist der Arbeitgeber unabhängig vom gewählten Modell der Altersteilzeit – auch wenn der Arbeitnehmer sich bereits in der Freistellungsphase im Blockmodell befinden sollte – zur Entgeltfortzahlung verpflichtet4.
2. Störfälle Endet das Arbeitsverhältnis nicht erst mit dem Eintritt in den Ruhestand im Anschluss an die Altersteilzeit, sondern vorzeitig, so kommen Ausgleichsansprüche des Arbeitnehmers in Betracht5. Insbesondere im Blockmodell kann es vorkommen, dass der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase vorzeitig ausscheidet oder stirbt. Sein Wertguthaben aus der Arbeitsphase ist dann noch nicht aufgebraucht. Liegt eine entsprechende Vereinbarung vor, etwa im Tarifvertrag, der auch die Altersteilzeit regelt, kann das Wertguthaben ausbezahlt werden6.
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Kommt es während der Altersteilzeit zu einem Betriebsübergang (s. Teil 5 Rz. 228 ff.), tritt der Erwerb in die Rechte und Pflichten aus der Altersteilzeitvereinbarung ein. Ist diese in einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag geregelt, werden die entsprechenden Regelungen grundsätzlich gem. § 613 Abs. 1 Satz 2 BGB Gegenstand des individuellen Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht nach Satz 3 abgelöst werden.
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VI. Kündigung Spezielle kündigungsrechtliche Vorschriften für Arbeitnehmer in Altersteilzeit enthält § 8 Abs. 1 ATZG. Danach rechtfertigt die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Inanspruchnahme von Altersteilzeit keine Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG; diese Möglichkeit darf auch nicht zu Lasten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, § 8 Abs. 1 Halbs. 2 ATZG. Ebenso wenig darf er aber wegen der Möglichkeit einer Altersteilzeitregelung bevorzugt werden7. Befindet sich der Arbeitnehmer bereits in der Freistellungsphase im Block1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 15.3.2005 – 9 AZR 143/04, NZA 2005, 994 ff., 995 f. Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 3. Vgl. näher Zwanziger, RdA 2005, 226 ff., 230. Vgl. Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 13; Debler, NZA 2001, 1285 ff., 1285 f. Schaub/Vogelsang, § 81 Rz. 12. Vgl. Engesser Means/Clauss, NZA 2006, 293 ff., 295. Böck in: Dornbusch/Fischermeier/Löwisch, § 8 ATZG Rz. 4.
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Teil 4 Rz. 521
Beendigung des Anstellungsverhältnisses
modell, ist eine betriebsbedingte Kündigung regelmäßig unzulässig1. In der Arbeitsphase bleibt eine betriebsbedingte Kündigung dagegen grundsätzlich möglich2. Eine verhaltensbedingte Kündigung während der Freistellungsphase wird nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht kommen. Berührt das Verhalten des Arbeitnehmers aber das Arbeitsverhältnis, ist eine verhaltensbedingte Kündigung weiterhin möglich3, z.B. bei Straftaten4.
1 BAG v. 5.12.2002 – 2 AZR 571/01, NZA 2003, 789 ff., 790; LAG Düsseldorf v. 27.5.2003 – 16 Sa 1439/02, NZA-RR 2003, 635 f., 636; ErfK/Rolfs, § 8 ATZG Rz. 20. 2 LAG Düsseldorf v. 27.5.2003 – 16 Sa 1439/02, NZA-RR 2003, 635 f., 636. 3 Vgl. Küttner/Kreitner, Altersteilzeit, Rz. 14. 4 LAG Schleswig-Holstein v. 18.1.2005 – 2 Sa 413/04, NZA-RR, 367 (Diebstahl).
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Teil 5 Die Führungskraft in besonderen Unternehmenssituationen A. Krise und Insolvenz Führungskräfte sehen sich in einem Unternehmen vielfältigen Herausforderungen ausgesetzt. Besonders hoch sind die Anforderungen, wenn das Unternehmen in die Krise gerät und die Führungskraft den turnaround bewerkstelligen muss. Daher sollte eine Führungskraft in der Unternehmenskrise frühzeitig die Frage beantworten können, welchen Handlungspflichten sie unterliegt, welche (persönliche) Haftung im Verletzungsfalle droht und welche Handlungsoptionen sich daraus ableiten lassen. Ist trotz allem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet worden, fragt sich die Führungskraft zu Recht, wie sich dies auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Position auswirkt. Auf diese Fragen wird der nachfolgende Beitrag Antworten geben.
1
Die gewählte Darstellung orientiert sich am Begriff „Führungskräfte“. Allerdings treffen viele insolvenzspezifische Normen nur auf die Geschäftsleitung (Geschäftsführung bei der GmbH, OHG, KG, GmbH & Co. KG oder Vorstand bei der AG) als gesellschaftsrechtliches Organ zu. Der folgende Beitrag verwendet die besondere Organbezeichnung, falls es sich um einen rechtsformspezifischen Tatbestand handelt. Ist die besprochene Haftungsnorm rechtsformunabhängig, wird der allgemeine Oberbegriff für Organe „Geschäftsleiter/Geschäftsleitung“ benutzt. Davon sind abzugrenzen die übrigen Führungskräfte ohne Organfunktion, also leitende Angestellte (einschließlich Prokuristen).
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Im Fokus der Praxis und daher am Beginn der Darstellung stehen die Insolvenzgründe (dazu I. Rz. 5 ff.) und die zwei daran anknüpfenden insolvenzrechtlichen Kardinalpflichten der Geschäftsleiter: Die Pflicht zur Insolvenzantragstellung. falls Insolvenzgründe vorliegen (hierzu II. Rz. 44 ff.), und das Verbot, bei Insolvenzreife Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu leisten (hierzu III. Rz. 57 ff.). Weitere Krisenpflichten werden in IV. Rz. 73 ff. besprochen. Der Sonderfall der Gesellschafterhilfen wird unter V. Rz. 90 ff. dargestellt.
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Im zweiten Teil (hierzu VI. Rz. 106 ff.) wird zunächst kurz der Ablauf eines Insolvenzverfahrens erläutert, bevor dargestellt wird, welche Auswirkungen ein Insolvenzverfahren auf die Rechtsstellung der Führungskraft hat, wie mit einem (vorläufigen) Insolvenzverwalter umzugehen ist und wie Ansprüche der Führungskraft gegen den Arbeitgeber in der Insolvenz behandelt werden.
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I. Insolvenzgründe und -antragspflicht Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, so sind die Mitglieder der Geschäftsleitung oder die Liquidatoren (Abwickler) nach § 15a Abs. 1 InsO verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei WoM. Liebscher
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Teil 5 Rz. 6
Besondere Unternehmenssituation
chen nach Eintritt der Insolvenzreife, einen Insolvenzantrag zu stellen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, treffen sie verschiedenen Haftungspflichten. Leitende Angestellte sowie der Prokurist werden nicht von der Insolvenzantragspflicht erfasst, solange sie nicht als faktische Geschäftsleiter tätig werden. Faktischer Geschäftsleiter ist1, wer die Geschäftsleitung mit Einverständnis der Gesellschafter ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen und ausgeübt hat2. Hierzu bedarf es intern einer überragenden Stellung und nach außen eines maßgeblichen In-Erscheinung-Tretens3. Ob eine überragende Stellung vorliegt, beurteilt die Rechtsprechung4 nach folgenden Merkmalen: – Unternehmensorganisation – Bestimmung der Unternehmenspolitik – Steuerung der Buchhaltung – Gestaltung von Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern – Einstellung/Kündigung von Mitarbeitern – Verhandlung mit Kreditgebern – Entscheidung der Steuerangelegenheiten – Bestimmung der Gehaltshöhe.
1. Insolvenzgründe 6
Insolvenzgründe sind Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit kann, muss aber nicht Insolvenzantrag gestellt werden, §§ 16 ff. InsO. Das Insolvenzgericht muss nach Stellung eines Eröffnungsantrages das Vorliegen von Insolvenzgründen, also z.B. der Zahlungsunfähigkeit, zu seiner eigenen Überzeugung feststellen, und der Insolvenzantragsteller trägt die Beweislast für das Vorliegen der Insolvenzeröffnungsgründe. Daher ist bei rechtlich zweifelhaften Forderungen ein Eröffnungsantrag eines Dritten abzulehnen, wenn die Eröffnungsgründe nur aus bestrittenen Forderungen abgeleitet werden5.
a) Zahlungsunfähigkeit 7
Gemäß § 17 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihre fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. In der Praxis ist dies mit Abstand der häufigste Insolvenzgrund. Nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zah1 Mit Einzelfallbeispielen Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 90 ff. 2 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, ZIP 1988, 771; BGH v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, ZIP 2005, 1550; BayObLG v. 20.2.1997 – 5St RR 159/96, GmbHR 1997, 453. 3 BGH v. 10.5.2000 – 3 StR 101/00, ZIP 2000, 1390. 4 BayObLG GmbHR 1997, 453 ff. 5 BGH v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, Rz. 13, ZInsO 2006, 828; BGH v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, Rz. 6, ZInsO 2006, 145; BGH v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, Rz. 11, ZInsO 2006, 824.
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Rz. 10 Teil 5
Krise und Insolvenz
lungen eingestellt hat. Die InsO und die dazu ergangene Rechtsprechung unterscheiden zwischen der Zahlungsunfähigkeit, der Zahlungseinstellung als Indikator für eine Zahlungsunfähigkeit, der Zahlungsstockung als kurzfristig behebbaren Mangel an Zahlungsmitteln und der subjektiven Zahlungsunfähigkeit.
aa) Liquidationsbilanz; Fälligkeit Zahlungsunfähigkeit ist das Unvermögen des Schuldners, seine Zahlungspflichten zu erfüllen1. Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit ist nach Ansicht des BGH in der Regel eine Liquiditätsbilanz aufzustellen. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten2. Vorzugsweise sollte die Liquiditätsentwicklung tagesweise, mindestens aber wochenweise über eine Zeitraum von drei Monaten analysiert werden.
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Dabei kommt es stets auf die insolvenzrechtliche Fälligkeit an, die nicht immer automatisch durch die zivilrechtliche Fälligkeit indiziert wird. Die zivilrechtliche Fälligkeit bestimmt sich vorrangig durch die getroffenen vertraglichen Vereinbarungen, gesetzliche Regelungen (z.B. § 271 BGB) oder ggf. einseitige (auch konkludente) Parteierklärungen. Fehlt es an einer vertraglichen Regelung zur Fälligkeit, so ist nach dem Gesetz die sofortige Fälligkeit zu unterstellen.
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Notwendig für Fälligkeit im insolvenzrechtlichen Sinne ist zusätzlich, dass die Gläubiger ihre Forderungen ernsthaft eingefordert haben. Der BGH stellt daran jedoch nur sehr geringe Anforderungen. Es reicht schon die Übersendung einer Rechnung, ein erneutes Zahlungsverlangen ist nicht notwendig3. Es bedarf also auch nicht einer Mahnung bzw. eines Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides. Etwas anderes gilt nur, wenn sich Gläubiger für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit einer späteren oder nachrangigen Befriedigung ausdrücklich einverstanden erklärt haben. Für die Praxis bedeutet das, dass bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit eine tatsächlich gestundete Forderung unberücksichtigt bleibt. Dies ist der Fall, wenn es am Rechtsbindungswillen oder einer erkennbaren Erklärung fehlt und nur ein tatsächliches Stillhalten vorliegt. Der freie Wille des Gläubigers muss aber erkennbar sein. Erzwungene Stundungen fallen nicht hierunter4. Damit fehlt es nur in besonderen Fällen an einem „ernsthaften Einfordern“. Bei Dauerschuldverhältnissen, wiederkehrenden Leistungen oder der ausdrücklichen vertraglichen Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunktes wird man sogar von der zivilrechtlichen auf die insolvenzrechtliche Fälligkeit automatisch schließen dürfen, da ein Einfordern nicht erwartet werden kann.
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BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134. BGH v. 12.10.2006 – IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222. BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939. BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZIP 2008, 420.
M. Liebscher
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Teil 5 Rz. 11
Besondere Unternehmenssituation
bb) Strittige Verbindlichkeiten 11
Bestehen Einwendungen oder Einreden gegen eine Verbindlichkeit (z.B. Verjährung, Zurückbehaltungsrecht) oder ist das Bestehen streitig, so ist die Verbindlichkeit bei der Zahlungsunfähigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen, wenn die Einwendungen nicht offensichtlich jeder Grundlage entbehren und der Schuldner sich auf diese auch berufen möchte. Ein Insolvenzantrag, in dem die Insolvenzgründe nur auf streitige Verbindlichkeiten gestützt werden, ist daher abzulehnen. Das Insolvenzgericht muss nach Stellung eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nämlich das Vorliegen von Insolvenzgründen, also z.B. der Zahlungsunfähigkeit, zu seiner eigenen Überzeugung feststellen. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass bei rechtlich zweifelhaften Forderungen ein Eröffnungsantrag abzulehnen ist, wenn die Eröffnungsgründe nur aus bestrittenen Forderungen abgeleitet werden1. Daher bedeutet Zahlungsverweigerung (also Zahlungsunwilligkeit aus sonstigen Gründen) auch nicht Zahlungsunfähigkeit2.
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Bei öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeiten bestehen Besonderheiten, wenn diese durch Verwaltungsakt tituliert oder sonst begründet werden. Denn durch den Bescheid sind sie wirksam begründet und nur in Ausnahmefällen nichtig, solange der Bescheid nicht durch die zuständige Behörde oder das zuständige Fachgericht aufgehoben wird3. Ist der Bescheid außer Vollzug gesetzt, so fehlt es an einem ernstlichen Einfordern4. Auf die bloßen Aussichten eines steuerlichen Erlassverfahrens sollte sich nicht verlassen werden5. Sind öffentlich-rechtliche Verbindlichkeiten gestundet (z.B. nach § 76 SGB IV), so sind sie nicht zu berücksichtigen6. Hierunter fallen auch (konkludente) Stillhaltevereinbarungen.
cc) Liquide Zahlungsmittel 13
Für die Zahlungen können die verfügbaren Finanzmittel sowie die erwarteten Einzahlungen/Einnahmen und weitere Finanzierungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Hierunter fallen auch liquide Mittel, die sich durch kurzfristige Verwertung von Vermögensbestandteilen oder Aufnahme von Krediten beschaffen lassen7. Nicht zu berücksichtigen sind Insolvenzanfechtungsansprüche8 und Ansprüche wegen persönlicher Gesellschaftermithaftung (z.B. aus § 128 HGB).
1 BGH v. 13.6.2006 – IX ZB 214/05, Rz. 13, ZInsO 2006, 828; BGH v. 14.12.2005 – IX ZB 207/04, Rz. 6, ZInsO 2006, 145; BGH v. 29.6.2006 – IX ZB 245/05, Rz. 11, ZInsO 2006, 824. 2 BGH v. 17.5.2000 – IX ZR 188/98, NZI 2001, 417. 3 BGH v. 24.7.2003 – IX ZB 4/03, ZInsO 2003, 848; LG Hamburg v. 6.11.2006 – 303 T 21/06, ZInsO 2006, 1338. 4 BGH v. 9.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939. 5 LG Hildesheim v. 8.1.2007 – 7 T 140/06, ZIP 2008, 325. 6 BGH v. 20.12.2007 – IX ZR 93/06, ZInsO 2008, 273. 7 BGH v. 9.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939. 8 BGH v. 9.7.2007 – IX ZB 36/07, ZInsO 2007, 939.
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Rz. 16 Teil 5
Krise und Insolvenz
dd) Geringfügige Liquiditätslücke; vorübergehende Zahlungsstockung Zahlungsunfähigkeit ist demnach der Mangel an liquiden Zahlungsmitteln, der es dem Schuldner unmöglich macht, alle wesentlichen und fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dabei ist es unbeachtlich, wenn die kurzfristige nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten ausmacht1. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass die Liquiditätslücke demnächst die 10 %-Grenze überschreiten wird. Eine Liquiditätslücke von mehr als 10 % ist nur dann ausnahmsweise nicht als Zahlungsunfähigkeit anzusehen, wenn „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist“2. Von einer vorübergehenden Zahlungsstockung (die kein Insolvenzgrund ist), ist auszugehen, wenn für die Beseitigung der Liquiditätslücke eine Frist von drei Wochen nicht überschritten wird3.
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b) Überschuldung Überschuldung ist neben der viel häufiger vorkommenden Zahlungsunfähigkeit der zweite Insolvenztatbestand. Dieser liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist überwiegend wahrscheinlich, § 19 InsO. Nach aktueller Gesetzeslage4 schließt also eine positive Fortführungsprognose die Überschuldung aus.
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aa) Positive Fortführungsprognose Eine positive Fortführungsprognose setzt voraus, dass auf Basis eines schlüssigen und plausiblen Unternehmenskonzepts und einer integrierten Unternehmensplanungsrechnung, bestehend aus Liquiditätsplanung, Erfolgsplanung (Gewinn- und Verlustrechnung) und Planbilanzen5, ein Finanzplan für das laufende und das nachfolgende Geschäftsjahr erstellt wird6. Dabei sollte mindestens ein Zeitraum von 18 Monaten abgedeckt werden. Die Fortführungsprognose ist positiv, wenn und soweit sich auf dieser Basis ergibt, dass das Unternehmen über ausreichende Finanzmittel für die Fortführung in diesem Zeitraum verfügt und spätestens am Ende dieses Zeitraumes nachhaltig ausgeglichene und positive Ergebnisse und Cashflows erwirtschaftet7. Können auch am Ende des Planungszeitraums keine positiven Ergebnisse und Cashflows erwirtschaftet werden, so 1 2 3 4 5 6
BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426. BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426. BGH v. 24.5.2005 – IX ZR 123/04, BGHZ 163, 134 = ZIP 2005, 1426. Diese gilt bis zum 31.12.2013. Thierhoff in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 4 Rz. 51 ff. In der Begründung zum RegE zu Art. 5 FMStG heißt es, dass eine positive Fortführungsprognose bestehe, wenn die Finanzkraft des Unternehmens mittelfristig zur Fortführung ausreicht, BT-Drucks. 16/10600. 7 BGH v. 9.10.2006 – II ZR 303/05, ZInsO 2007, 36; KG Berlin v. 1.11.2005 – 7 U 49/05, ZInsO 2006, 437; OLG Naumburg v. 20.8.2003 – 5 U 67/03, ZInsO 2004, 513.
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Teil 5 Rz. 17
Besondere Unternehmenssituation
ist der Zeitraum zu verlängern, bis sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit positive Ergebnisse und Cash-Flows erzielen lassen. Eine positive Fortführungsprognose setzt dann voraus, dass die zur Verfügung stehende Finanzierung ausreicht, um diesen Zeitraum zu überbrücken.
bb) Überschuldungsstatus 17
Fehlt es an einer positiven Fortführungsprognose, so ist ein Überschuldungsstatus zu erstellen. Dies ist eine Sonderbilanz zu einem Stichtag mit allen verwertbaren Vermögensgegenständen auf der Aktivseite sowie allen aus Sicht des Stichtags bestehenden und zu bedienenden Verbindlichkeiten und Verpflichtungen auf der Passivseite. Dies beinhaltet, dass auf der Grundlage der Handelsbilanz Ansatz und Bewertung von Aktiva und Passiva völlig neu zu erfolgen haben. Eine bilanzielle Überschuldung im handelsrechtlichen Jahresabschluss ist also nur ein (durchaus starkes) Indiz für eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne1.
cc) Bemessung der Liquidationswerte 18
Bei der Aufstellung des Überschuldungsstatus ist bei der Bemessung der Liquidationswerte von einer normalen Liquidation der Gesellschaft auszugehen, nicht von einer Zwangsliquidation durch ein Insolvenzverfahren. Für die Bewertung gilt das Prinzip der Verwertbarkeit, d.h. es dürfen lediglich dann Werte angesetzt werden, wenn diese selbständig ermittelt werden können und ein positiver Verwertungserlös zu erwarten ist.2 Handelsrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften können nicht herangezogen werden. Daher sind auch stille Reserven oder stille Lasten sowie handelsrechtlich nicht bilanzierungsfähige Vermögensgegenstände mit zu berücksichtigen, wenn sie einen Veräußerungswert haben. Unsicherheiten über den rechtlichen Bestand oder die wirtschaftliche Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes müssen mit Abschlägen in die Bewertung einfließen.
dd) Passiva-Bewertung: Streitige Verbindlichkeiten 19
Häufig bereitet auch die Bewertung einzelner Passiva Schwierigkeiten3. Ein typischer Fall sind streitige Verbindlichkeiten. Ausgangspunkt ist die handelsrechtliche Bilanz: Ist für eine Verbindlichkeit (deren Fälligkeit ist unerheblich) bilanzrechtlich gem. § 249 Abs. 1 HGB4 eine Rückstellung zu bilden, so ist sie wegen des Prinzips des Gläubigerschutzes im Überschuldungsstatus erst recht zu berücksichtigen. Handelt es sich um ungewisse Verbindlichkeiten, ist handelsrechtlich eine zweistufige Prüfung vorzunehmen. Ob eine Rückstellung zu bilden ist, bestimmt sich danach, ob das Bestehen der Verbindlichkeit (1) wahrscheinlich oder (2) möglich oder (3) abwegig ist5. Auf der zweiten Stufe ist die 1 BGH v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, ZInsO 2007, 1349; BGH v. 7.3.2005 – II ZR 138/03, ZInsO 2005, 486; BGH v. 2.4.2001 – II ZR 261/99, ZInsO 2001, 467. 2 IDW FAR 1/1996. 3 Ausführlich Uhlenbruck in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Rz. 5.175 ff. 4 Dazu Ballwieser in: MüKo HGB, § 249 Rz. 10 ff. 5 BFH v. 17.7.1980 – IV R 10/76, BStBl. 1981 II S. 669.
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Rz. 22 Teil 5
Krise und Insolvenz
Höhe einer etwaigen Rückstellung zu klären. Diese bestimmt sich danach, ob eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Sind das Bestehen der Forderung und eine Inanspruchnahme wahrscheinlich, so sollte für die Verbindlichkeit in Höhe ihres voraussichtlichen Nennwertes eine Rückstellung gebildet werden1. Ist das Bestehen der Verbindlichkeit möglich und eine Inanspruchnahme wahrscheinlich, so sollte eine Rückstellung gebildet werden, eventuell kann für die Chance, dass endgültig keine Inanspruchnahme erfolgen wird, ein prozentueller Abschlag auf den Nennwert erfolgen. Gleiches gilt, wenn das Bestehen wahrscheinlich, eine Inanspruchnahme aber nicht sehr wahrscheinlich ist. Ist das Bestehen einer Verbindlichkeit abwegig, so ist für sie keine Rückstellung zu bilden.
c) Drohende Zahlungsunfähigkeit Nach § 18 InsO hat der Schuldner das Recht, nicht jedoch die Pflicht, bei drohender Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Dies ist der Fall, wenn nach der Finanzplanung absehbar ist, dass die Zahlungsmittel nicht ausreichen, die fällig werdenden Zahlungspflichten zu erfüllen.2 Im Unterschied zur Zahlungsunfähigkeit wird also auf die künftige, nicht auf die gegenwärtige Liquiditätssituation abgehoben. In der Praxis spielt dieses Antragsrecht keine große Rolle.
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2. Antragspflichtige Gesellschaftsorgane Die Insolvenzantragspflicht trifft jeden Geschäftsleiter, nicht aber leitende Angestellte oder Prokuristen (solange sie nicht faktische Geschäftsleiter sind, hierzu Rz. 5). Auch wenn das gesellschaftsrechtliche Vertretungsorgan aus mehreren Mitgliedern besteht, ist zur Antragstellung jeder Geschäftsleiter alleine berechtigt3. Wegen § 15 Abs. 2 InsO ist es allerdings ratsam, dass ein etwaiger Eigeninsolvenzantrag von allen Mitgliedern des Organs gestellt wird. Jeder Geschäftsleiter hat unabhängig von seinem Ressort die Entwicklung der Gesellschaft in der Krise zu überwachen und zu entscheiden, ob ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Unzuständigkeit oder Nichtwissen befreien nicht von der Antragspflicht. Gegebenenfalls muss der Geschäftsleiter geeignete Berater (Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte) mit der Prüfung betrauen, ob ein Antrag gestellt werden muss4.
21
Die Antragspflicht trifft alle Mitglieder des Vertretungsorgans, also auch Geschäftsleiter der Vor-GmbH oder einer ausländischen Kapitalgesellschaft mit geschäftlichem Schwerpunkt im Inland5. Wird die Geschäftsleitung mit Einverständnis der Gesellschafter, aber ohne förmliche Bestellung faktisch übernommen und ausgeübt, so trifft die Insolvenzantragspflicht den faktischen Ge-
22
1 2 3 4 5
BFH v. 1.8.1984 – I R 88/80, BStBl. 1985 II, 44. IDW PS 800. BGH v. 1.3.1993 – II ZR 81/94, II ZR 61/92, ZIP 1994, 891. BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103. BT-Drucks. 16/6140, 55.
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Teil 5 Rz. 23
Besondere Unternehmenssituation
schäftsleiter (hierzu Rz. 5), in der Liquidation die Liquidatoren (§ 66 GmbHG) und in der Abwicklung die Abwickler (§§ 264, 265, 290 AktG). Die Geschäftsleiter werden von ihrer Pflicht nicht dadurch frei, dass ein Gläubiger einen Insolvenzantrag gestellt hat, denn ein solcher ist bis zu seiner gerichtlichen Bescheidung rücknehmbar1. 23
Handelt es sich um eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, so sind die organschaftlichen Vertreter der zur Vertretung ermächtigten Gesellschafter antragsverpflichtet. Dies betrifft vor allem die OHG und KG, z.B. die GmbH & Co. KG, die AG & Co. KG und die Ltd. & Co. KG oder die BGB-Gesellschaft, wenn keiner der Gesellschafter eine natürliche Person ist (z.B. ARGE).
24
Im Fall der Führungslosigkeit einer GmbH ist jeder Gesellschafter, bei einer Aktiengesellschaft jedes Mitglied des Aufsichtsrates insolvenzantragsverpflichtet. Führungslosigkeit bedeutet nach § 10 Abs. 2 Satz 2 InsO das Fehlen eines organschaftlichen Vertreters. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Aufenthalt des Geschäftsleiters unbekannt oder dieser untergetaucht ist.
25
Die Antragsverpflichtung fällt mit einer Amtsniederlegung oder Abberufung ex nunc, also ab dem Zeitpunkt der Amtsbeendigung weg. Dadurch erlischt aber nicht die Haftung wegen einer bereits erfolgten Verletzung der Antragspflicht.
3. Antragsfrist, Antragsinhalt 26
Die Geschäftsleitung hat den Antrag ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber binnen drei Wochen nach Eintritt des Insolvenzgrundes zu stellen. Die Rechtsprechung vertritt die Ansicht, dass die Frist zu laufen beginnt, wenn die Antragspflicht für die Geschäftsleitung erkennbar ist2. Die Geschäftsleitung darf sich allerdings erkennbaren Anhaltspunkten nicht verschließen und muss von sich aus tätig werden, um aufzuklären, ob Insolvenzgründe vorliegen. Das Unterlassen einer pflichtgemäßen Liquiditätsplanung befreit die Geschäftsleiter also nicht von der Antragspflicht.
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Vermag die Geschäftsleitung aufgrund mangelnder Erfahrung und der Schwierigkeit der Aufgabe nicht selbst das Vorliegen von Insolvenzgründen zu prüfen, ist die Erstellung eines Gutachtens durch externe Berater notwendig. Dann darf die Geschäftsleitung dieses zunächst abwarten, wenn sie die Beauftragung und Informationsversorgung des Sachverständigen (z.B. Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) nicht hinausgezögert hat3. Die Antragspflicht der Geschäftsleitung entsteht dann also nicht sofort mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sondern erst mit tatsächlicher Kenntnis vom Prüfungsergebnis.
28
Die Karenzfrist von drei Wochen ist der Geschäftsleitung nur zugestanden, um ernstlich die Durchführung von außergerichtlichen Sanierungsmaßnahmen zu 1 BGH v. 28.10.2008 – 5 StR 166/08, ZIP 2008, 2308. 2 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ, 143, 184. 3 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265.
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Rz. 33 Teil 5
Krise und Insolvenz
prüfen. Sie darf nicht überschritten werden, ungeachtet ob die Sanierungsverhandlungen Erfolg versprechen1. Dies bedeutet in der Praxis, dass regelmäßig sofort Insolvenzantrag gestellt werden muss, da drei Wochen nicht ausreichen, um ein durchführbares Sanierungskonzept zu entwickeln und in den wenigsten Fällen von Beginn an ernsthafte Sanierungschancen bestehen. Im Fall der Führungslosigkeit beginnt die Antragspflicht mit positiver Kenntnis des Antragsverpflichteten von der Führungslosigkeit und des Vorliegens des Insolvenzgrundes.
29
Die Geschäftsleitung muss darauf achten, dass der Insolvenzantrag den gesetzlichen Anforderungen genügt und z.B. das Vorliegen eines Insolvenzgrundes nachvollziehbar dartun. Ein nicht richtiger Insolvenzantrag unterliegt gleichfalls einer Strafandrohung, § 15a Abs. 4 InsO.
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Die Antragspflicht der Geschäftsleitung endet entweder mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, mit Ablehnung der Eröffnung mangels Masse2, mit Wegfall des Insolvenzgrundes3 oder mit der Neubestellung eines organschaftlichen Vertreters.
31
4. Instrumente zur Beseitigung von Insolvenzgründen Insolvenzreifen Unternehmen gelingt nach aller Erfahrung die Abwendung von Insolvenzgründen ohne die Einschaltung spezialisierter Berater u.a. wegen des nur dreiwöchigen Zeitraumes zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen nur sehr selten. In jedem Fall müssen die von der Geschäftsleitung angegangenen Maßnahmen schnell umsetzbar und wirksam sein. Die Möglichkeiten zur Beseitigung von Insolvenzgründen hängen immer von den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere von den wirtschaftlichen und finanziellen Kerndaten des Unternehmens und der von der Geschäftsleitung verfolgten Unternehmensstrategie ab. Da häufigster Insolvenzgrund die Zahlungsunfähigkeit ist, soll nachfolgend kurz dargestellt werden, welches die typischen Instrumente zur Behebung einer akuten Liquiditätskrise sind. Für diese gilt: Liquidität geht vor Rentabilität. Eine umfassende Darstellung aller Instrumente würde den hier verfügbaren Rahmen allerdings sprengen, so dass für Einzelheiten ein Rückgriff auf die einschlägige Fachliteratur empfohlen wird4.
32
Zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen während des Zeitraumes für die Erstellung eines positiven Sanierungsgutachtens sollte zunächst versucht werden, einen Überbrückungskredit zu erlangen oder Stillhaltevereinbarungen mit den wesentlichen Gläubigern zu erreichen.
33
1 BGH v. 9.7.1979 – II ZR 118/77, BGHZ 75, 96; BGH v. 2.10.2010 – II ZR 164/99, DStR 2001, 1537. 2 OLG Dresden v. 16.4.1997 – 1 Ws 100/97, GmbHR 1998, 830. 3 BGH v. 25.7.2005 – II ZR 390/03, ZIP 2005, 1734. 4 Buth/Hermanns, Restrukturierung – Sanierung – Insolvenz; von Leoprechting, Unternehmenssanierung; Hess, Sanierungshandbuch; Theiselmann, Praxishandbuch des Restrukturierungsrechts; K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz; Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Unternehmenssanierung.
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Teil 5 Rz. 34
Besondere Unternehmenssituation
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Es hat sich bewährt, für kurzfristige Liquiditätsbeschaffungen Personen oder Unternehmen anzusprechen, denen im Fall einer Insolvenz besondere Nachteile drohen. Dies sind in der Regel: die eigenen Gesellschafter, die wesentlichen Kreditgeber, Großkunden oder -lieferanten.
35
Zur Zufuhr von Liquidität bietet sich die Stärkung des Kapitals durch Gesellschafterleistungen, wie z.B. Einzahlungen in die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Ziff. 4 HGB oder Gesellschafterdarlehen (hierzu Rz. 90 ff.), Freistellungserklärungen oder harten Patronatserklärungen1 an. Diese bergen in der Insolvenz allerdings das Risiko, dass die hingegebene Leistung bei der Gesellschaft zu verbleiben hat (Nachrang einer Rückzahlungsforderung nach § 135 InsO) bzw. die versprochene Leistung an den Insolvenzverwalter zu erbringen ist. Gleiches gilt für Verlust- oder Schuldübernahmen nach §§ 414 f. BGB (unter Verzicht auf Regressforderungen) durch Gesellschafter2.
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Stillhaltevereinbarungen (stand-still)3, Zahlungsaufschub oder eine Stundung können die akute Zahlungsunfähigkeit beseitigen, um Zeit zu gewinnen. Bereits ausreichend ist ein tatsächliches Stillhalten, ohne Rechtsbindungswillen oder einer erkennbaren Erklärung4, allerdings wegen Beweisschwierigkeiten mit Risiken für die Geschäftsleitung verbunden, wenn sie sich z.B. in einem Haftungsprozess darauf berufen möchte.
37
Durch Rangrücktritte nach § 311 BGB kann bei einer negativen Fortführungsprognose die Überschuldung beseitigt werden, denn gemäß § 39 Abs. 2 InsO sind Forderungen, für die zwischen Gläubiger und Schuldner ein Nachrang im Insolvenzverfahren vereinbart ist, im Zweifel nach den Forderungen i.S.d. § 39 Abs. 1 InsO zu berücksichtigen5. Unsicherheiten über den Wert von Aktiva im Überschuldungsstatus können mit Werthaltigkeitsgarantien Dritter (Kaufverpflichtung des Vermögensgegenstands zum Buchwert auf erstes Anfordern oder Verpflichtung zur Zahlung der Ausfalldifferenz auf erzielten Erlös) beseitigt werden.
38
Durch einen Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB, der unter die auflösende Bedingung der Verbesserung der Finanzlage des Unternehmens gestellt ist oder der zugleich eine neue Verbindlichkeit aufschiebend bedingt bis zur Verbesserung der Finanzlage begründet (§ 158 BGB), kann mit einem Gläubiger ein Forderungsverzicht mit Besserungsschein vereinbart werden6.
39
Gegenüber Kunden sollte (wie sonst auch) ein systematisches und konsequentes Inkasso durchgesetzt werden oder auf kürzere Zahlungsfristen umgestellt werden oder es kann mittels Factoring kurzfristig Liquidität generiert werden. 1 OLG Celle v. 18.6.2008 – 9 U 14/08, NZG 2009, 309; Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche in: Theiselmann, Kap. 1 Rz. 118 ff. 2 Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche in: Theiselmann, Kap. 1 Rz. 212 ff. 3 Krumbholz in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 5 Rz. 56 ff.; Diem/Grell/Schormeier in: Theiselmann, Kap. 11 Rz. 4 ff., 12 ff. 4 BGH v. 19.7.2007 – IX ZB 36/07, NZI 2007, 579. 5 Krumbholz in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 5 Rz. 74 ff.; Arnold/Spahlinger/ Maske-Reiche in: Theiselmann, Kap. 1 Rz. 175 ff. 6 Krumbholz in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 5 Rz. 68 ff.; Arnold/Spahlinger/ Maske-Reiche in: Theiselmann, Kap. 1 Rz. 154 ff.
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Rz. 43 Teil 5
Krise und Insolvenz
Nicht betriebsnotwendiges Vermögen sollte verwertet werden und für betriebsnotwendige Vermögensgegenstände die Möglichkeit von Sale-and-Lease-BackGeschäften überprüft werden1.
5. Handlungsempfehlungen Ist die Geschäftsleitung zur Überzeugung gelangt oder kann sich schlechterdings dieser Überzeugung nicht mehr verschließen, dass ein Insolvenzgrund vorliegt, so hat sie Insolvenzantrag zu stellen. Die Geschäftsleitung darf zu keiner Zeit die Überwachung der Finanzplanung vernachlässigen (zu Krisenvorsorgepflichten unten Rz. 73 ff.) und sollte im normal laufenden Geschäftsbetrieb sich alle zwei Wochen die aktuelle Liquiditätsplanung vorlegen lassen. In der Krise sollten Geschäftsleiter unbedingt in angemessenen, d.h. ggf. sehr kurzen Abständen (täglich) anhand der aktuellen Gegebenheiten prüfen, ob Insolvenzantragsgründe vorliegen. Nach Ziff. 2 des IDW Prüfungsstandard PS 270 ist Grund für eine solche Überprüfung jede „nachhaltige Störung des finanziellen Gleichgewichts eines Unternehmens oder durch die aufgrund einer nachhaltigen Beeinträchtigung seiner Ertragskraft verursachten Aufzehrung des Eigenkapitals“. Wegen der Schwierigkeit und fehlender Erfahrung sollten versierte Berater mit dieser Prüfung beauftragt werden. Angesichts der nur dreiwöchigen Höchstfrist zur Stellung eines Insolvenzantrags hat die Beauftragung externer Berater unverzüglich zu erfolgen, wenn die Geschäftsleitung das Vorliegen von Insolvenzgründen nicht mehr positiv ausschließen kann. Bei der Prüfung der Überschuldung wird der Berater regelmäßig zunächst die positive Fortführungsprognose erarbeiten, da deren Vorliegen die Überschuldung hindert.
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Bei der Beauftragung von Beratern in Krisensituationen sollte die Geschäftsleitung ungeachtet des Zeitdrucks auf eine schriftliche Dokumentation des Prüfungsauftrags, der hierfür zur Verfügung gestellten Dokumente und der Prüfungsergebnisse sowie der sich hieraus für die Geschäftsleitung ergebenden Handlungsempfehlungen achten. Für den Berater notwendige Unterlagen sollten diesem von der Geschäftsleitung schnellstmöglich zur Verfügung gestellt werden. Die Geschäftsleitung sollte von ihrem Krisenberater eine klare und verständliche Sprache verlangen. Dies gilt insbesondere für das Prüfungsergebnis und die abgeleiteten Handlungsempfehlungen, denn diese können im Falle eines Prozesses gegen die Geschäftsleitung entscheidende Grundlage für deren Exkulpation sein. Voraussetzung ist dafür aber, dass die Geschäftsleitung dem Berater alle relevanten Informationen zur Auftragsdurchführung prompt übermittelt hat.
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Um über ihre Pflichten und die drohenden Haftungsrisiken in der Krise konkret informiert zu sein, sollte die Geschäftsleitung gegenüber den Anteilseignern darauf dringen, dass ihr unabhängige Berater ohne Interessenkonflikt zur Seite stehen.
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Die Gesellschaft wird nicht umhinkommen, die Beratervergütung als Vorkasse zu leisten. Dies wird zulässigerweise von Krisenberatern verlangt, um eine spä-
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1 Arnold/Spahlinger/Maske-Reiche in: Theiselmann, Kap. 1 Rz. 207 ff.
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Teil 5 Rz. 44
Besondere Unternehmenssituation
tere Anfechtung der an sie gezahlten Honorare durch den Insolvenzverwalter dadurch zu verhindern, dass die Honorarzahlung in den sicheren Bereich des Bargeschäfts nach § 142 InsO fällt.
II. Haftung wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht 44
Stellt der Geschäftsleiter nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag (sog. Insolvenzverschleppung), drohen ihm wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken1. Daneben sieht § 26 Abs. 4 RegEInsO2 die Einführung einer Pflicht des Geschäftsleiters vor, bei nicht kostendeckender Masse einen Kostenvorschuss für die Durchführung des Insolvenzverfahrens zu leisten. Nach der bisherigen Rechtslage kann lediglich ein Gläubiger, der einen Massekostenvorschuss geleistet hatte, vom Geschäftsleiter Erstattung des Vorschusses beanspruchen, § 26 Abs. 3 InsO3.
1. Haftung gegenüber Gläubigern aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO 45
Da § 15a Abs. 1 InsO Schutzgesetz ist, haftet nach § 823 Abs. 2 BGB jedes Mitglied der Geschäftsleitung gesamtschuldnerisch den Gläubigern der Gesellschaft auf Schadenersatz. Ausreichend ist ein fahrlässiger Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht, Verschulden wird widerleglich vermutet4.
a) Haftung gegenüber Neugläubigern 46
Neugläubiger haben Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie zu einer insolvenzreifen Gesellschaft in Rechtsbeziehungen getreten sind5. Neugläubiger haben ihre Gläubigerstellung also erst nach Eintritt der Insolvenzreife erlangt. Dies kann auch durch die Saldoerhöhung eines zuvor eingeräumten Kontokorrentkredites, durch den Abschluss eines Erweiterungs- oder Verlängerungsvertrages oder die Einräumung von zusätzlichem Kredit erfolgen6. Neugläubiger sind so zu stellen, als habe es mit der insolventen Gesellschaft nie einen Vertragsschluss gegeben. Ohne dass die Insolvenzquote von ihrer Forderung abzuziehen ist, haben sie Anspruch auf Ersatz des sog. Kreditgewährungsschadens7. Neugläubiger können ihre Ansprüche selbst geltend machen, die Rechtsstellung eines Insolvenzverwalters steht dem nicht entgegen8. 1 Ausführlich Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 50 ff. 2 Art. 1 Nr. 6 RegE für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) v. 25.1.2011 sowie Begründung des RegE-InsO zu Art. 1 Nr. 6, BTDrucks. 17/5712 v. 4.5.2011. 3 OLG Hamm v. 10.4.2002 – 11 U 180/01, NZI 2002, 437. 4 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184; BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676. 5 BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, ZIP 1994, 1103. 6 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676. 7 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676. 8 BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676; BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776.
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Rz. 51 Teil 5
Krise und Insolvenz
b) Haftung gegenüber Altgläubigern Gegenüber Altgläubigern ist nur der Quotenminderungsschaden zu ersetzen, also jener Betrag, um den sich infolge der Insolvenzantragsverschleppung die tatsächlich erzielte Insolvenzquote gegenüber der bei rechtzeitiger Insolvenzantragsstellung erzielbaren Quote verringert hat1. Altgläubiger sind demnach Gläubiger, die ihre Stellung schon zu dem Zeitpunkt innehatten, als eigentlich Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hätte gestellt werden sollen. Die Prozessführungsbefugnis für den in der Praxis wegen schwieriger Beweisbarkeit fast unbedeutenden Anspruch steht nach § 92 InsO dem Insolvenzverwalter zu2.
47
2. Haftung gegenüber Gläubigern aus § 826 BGB Voraussetzung einer Haftung der Geschäftsleiter wegen vorsätzlicher Insolvenzantragsverschleppung nach § 826 BGB ist die Hinauszögerung der als nicht abwendbar erkannten Insolvenz des Unternehmens bei gleichzeitiger billigender Inkaufnahme einer Gläubigerschädigung3. Der Geschäftsleiter kann sich mit dem Einwand wehren, er habe berechtigt von der Überwindbarkeit der Krise und einer erfolgversprechenden Unternehmenssanierung ausgehen dürfen4.
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Eine Haftung kommt ferner typischerweise in Frage, wenn der Geschäftsleiter gegenüber Geschäftspartnern die unmittelbar drohende Insolvenz trotz positiver Kenntnis verschweigt oder wenn der Bundesagentur für Arbeit dadurch ein Schaden entsteht, dass sie wegen der unterbliebenen Insolvenzantragstellung Insolvenzgeld an Arbeitnehmer zu bezahlen hat5.
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Eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB ist auch gegeben, wenn der Geschäftsleiter persönliches Vertrauen des Geschäftspartners bei Vertragsanbahnung oder -abschluss in Anspruch nimmt oder ein eigenes gesteigertes wirtschaftliches Interesse (Gesellschafter-Geschäftsführer) an dem für die Gesellschaft abgeschlossenen Vertrag hat6. Dann haftet der Geschäftsleiter gesamtschuldnerisch mit dem insolventen Unternehmen auf Erfüllung des abgeschlossenen Vertrages.
50
Bei der sog. planmäßigen Aufspaltung von Vor- und Nachteilen, also wenn die Geschäftsleitung risikoreiche Verträge abschließt, aufgrund derer überwiegend die Gläubiger das Risiko in der Insolvenz tragen, haften die Geschäftsleiter gleichfalls nach § 826 BGB auf Schadenersatz7. Mussten die Nachteile aus der
51
1 BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776. 2 BGH v. 22.4.2004 – IX ZR 128/03, ZIP 2004, 1218. 3 BGH v. 26.6.1989 – II ZR 289/88, ZIP 1989, 1341; BGH v. 16.3.1992 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694. 4 BGH v. 26.6.1989 – II ZR 289/88, ZIP 1989, 1341; BGH v. 1.7.1991 – II ZR 180/90, ZIP 1991, 1140. 5 BGH v. 26.6.1989 – II ZR 289/88, ZIP 1989, 1341. 6 BGH v. 17.9.1954 – V ZR 32/53, BGHZ, 14, 313; BGH v. 23.2.1983 – VIII ZR 325/81, ZIP 1983, 428; BGH v. 23.10.1985 – VIII ZR 210/84, ZIP 1986, 26. 7 BGH v. 16.3.1992 – II ZR 152/91, ZIP 1992, 694.
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Teil 5 Rz. 52
Besondere Unternehmenssituation
Geschäftstätigkeit notwendig die Gesellschaftsgläubiger treffen, z.B. da die Gesellschaft krass unterfinanziert ist oder offensichtlich nicht über eine ausreichende Eigenkapitalbasis verfügt (sog. Aschenputtel-Gesellschaft), kann der Geschäftsleiter entweder als Beteiligter mit den Gesellschaftern gesamtschuldnerisch haften (§ 830 Abs. 1 BGB) oder unmittelbar aufgrund § 826 BGB1.
3. Haftung gegenüber der Gesellschaft 52
Anders als bei der GmbH haften die Geschäftsleiter der OHG nach § 130a Abs. 2 HGB2 gesamtschuldnerisch im Wege der Masseauffüllung auf Ersatz des der Gesamtgläubigerschaft zugefügten Gesamtschadens. Das Recht, den Schaden geltend zu machen, liegt beim Insolvenzverwalter, § 92 InsO.
4. Verschulden, Exkulpation 53
Die Geschäftsleitung ist zum Schadenersatz verpflichtet, wenn wegen der verspäteten Insolvenzantragstellung den Gläubigern ein Schaden entstanden ist. Das Verschulden des Geschäftsleiters (Fahrlässigkeit reicht aus) wird widerleglich vermutet3. Deshalb sollte die Geschäftsleitung für eine Gesellschaftsorganisation sorgen, mit der sie die wirtschaftliche Entwicklung laufend beobachten und sich schnell einen aktuellen Überblick über den Vermögens- und Liquiditätsstand verschaffen kann.
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Beauftragt die Geschäftsleitung in einer Krisensituation einen ordnungsgemäß informierten, unabhängig und fachlich qualifizierten Berufsträger mit der Prüfung der Insolvenzreife, fehlt es bei der Geschäftsleitung am Verschulden (also an der Erkennbarkeit der Insolvenzreife), wenn der Berater die Insolvenzreife verneint4. Allerdings ist die eingesetzte Hilfsperson (Berater) sorgfältig auszuwählen und zu überwachen5.
5. Strafrechtliche Haftung, etc. 55
Gemäß § 15a Abs. 4, 5 InsO ist die fahrlässige oder vorsätzliche Verletzung der Insolvenzantragspflicht strafbar. Gleiches gilt, falls der Insolvenzantrag nicht richtig gestellt worden ist. Ferner können die Insolvenzstraftatbestände in §§ 283 ff. StGB greifen. Darüber hinaus kann der Geschäftsleiter aus § 263 StGB (Betrug zum Nachteil von Geschäftspartnern), § 266a StGB (Vorenthalten und Veruntreuung von Arbeitsgeld), § 265 StGB (Kreditbetrug) oder aus § 266 StGB (Untreue) strafbar sein. 1 BGH v. 3.11.1978 – II ZR 204/76, DB 1979, 585; BGH v. 25.4.1988 – II ZR 175/87, NJW-RR 1988, 1181; BGH v. 18.10.1993 – II ZR 255/92, ZIP 1993, 1785; BGH v. 28.4.2008 – II ZR 264/06 (GAMMA), ZIP 2008, 1232. 2 I.V.m. § 177a HGB für die KG und nach § 93 Abs. 6 AktG für die AG; hierzu Altmeppen, ZIP 2010, 1973. 3 BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, ZIP 2000, 184; BGH v. 5.2.2007 – II ZR 234/05, ZIP 2007, 676. 4 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265. 5 OLG Schleswig v. 11.2.2010 – 5 U 60/09, ZIP 2010, 516.
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Rz. 59 Teil 5
Krise und Insolvenz
Die Gefährdung von Abzugssteuern ist nach § 380 AO eine Ordnungswidrigkeit und auf Grundlage von § 6 Abs. 2 GmbHG (§ 76 Abs. 3 AktG bei der AG) kann eine Person für die Dauer von fünf Jahren nicht zum Mitglied eines Vertretungsorgans bestellt werden, wenn sie zu einer bestimmten Straftat verurteilt worden ist. Liegen Tatsachen vor, welche die Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragten Person dartun, so ist nach § 35 GewO die Gewerbeausübung zu untersagen.
56
III. Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, insbes. Auszahlungsverbot Der Geschäftsleiter hat die Pflicht, das Gesellschaftsvermögen zu erhalten, sog. Kapitalerhaltungspflicht. Das Vermögen des Insolvenzschuldners soll seinen Gläubigern nämlich ungeschmälert als Haftungsmasse zur Verfügung stehen. Daher greift in der Krise (wie sonst auch) die allgemeine Geschäftsleiterpflicht, das Stammkapital der Kapitalgesellschaft zu erhalten1. Diese allgemeine Pflicht wird hier nicht dargestellt. Darüber hinaus sind die Geschäftsleiter nach Insolvenzreife der Kapitalgesellschaft verpflichtet, keine Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr vorzunehmen (sog. Auszahlungsverbot). Darauf liegt nachfolgend der Schwerpunkt in der Darstellung.
57
1. Auszahlungsverbot Verstöße gegen das Auszahlungsverbot können für Geschäftsleiter ruinöse Folgen haben, da erfolgte Zahlungen ungeschmälert zu erstatten sind, es sei denn, diese sind nicht sorgfaltswidrig erfolgt2. Besonders von GmbH-Geschäftsführern wird diese Pflicht in der Krise zu häufig missachtet. Verstöße sind zudem für den Insolvenzverwalter einfach nachzuweisen, zumeist genügt schon die Addition aller nach Eintritt der Insolvenzantragspflicht und vor Antragstellung erfolgten Zahlungen, z.B. auf Grundlage der Bankkontounterlagen. Leitende Angestellte sind diesem Haftungsrisiko nicht ausgesetzt, solange sie nicht als faktische Geschäftsleiter zu qualifizieren sind (hierzu Rz. 5).
58
2. Beginn des Auszahlungsverbotes Das Auszahlungsverbot beginnt mit dem Vorliegen der Insolvenzgründe, nicht erst mit Kenntnis des Geschäftsleiters hiervon oder mit Ablauf der Drei-Wochen-Frist3. Auch wenn die Geschäftsleitung wegen laufender Sanierungsbemühungen innerhalb der längstens dreiwöchigen Frist des § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO noch keinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen muss, hat sie doch das Gesellschaftsvermögen für den Fall zu sichern, dass die 1 Dazu Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 16 ff.; ausführlich zur GmbH K. Schmidt/Uhlenbruck/K. Schmidt, 1.23 ff. 2 S. § 64 Satz 1, 2 GmbHG; §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6 AktG; §§ 99, 34 Abs. 3 Nr. 4 GenG; §§ 130a Abs. 1 und Abs. 2, 161 Abs. 2, 177a HGB. 3 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860.
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Teil 5 Rz. 60
Besondere Unternehmenssituation
Sanierungsbemühungen fehlschlagen und das Vermögen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu verteilen ist. Das bedeutet, dass ein Geschäftsleiter, der sachverständige Berater mit der Prüfung von Insolvenzgründen beauftragt hat, noch vor Kenntnis der Prüfungsergebnisse, von sich aus nur absolut notwendige, fällige Zahlungen erbringen und bei Vorliegen von Insolvenzgründen das Zahlungsverbot sodann uneingeschränkt beachten sollte.
3. Auszahlungen 60
Als Auszahlung werden alle aus dem Vermögen der Gesellschaft erbrachten Lieferungen, Dienstleistungen oder in sonstiger Weise erbrachten Leistungen, welche bei anderweitiger Verwendung zumindest verlustneutral, also zumindest kostendeckend hätten eingesetzt werden können, verstanden1. Da auch in der Einlösung von Lastschriften durch Vertragspartner mit Einzugsermächtigung eine Auszahlung zu sehen ist, sind Lastschriftermächtigungen zu widerrufen2. Erfasst sind auch von der Gesellschaft nicht höchstpersönlich weggegebene Leistungen, z.B. solche, die zum Teil von Dritten erbracht worden sind, bei denen die Insolvenzschuldnerin ihrerseits „Leistungen“ erkauft hatte3.
61
Die Teilnahme an einem Cash-Pool ist zu beenden, sobald bei der Gesellschaft Insolvenzgründe vorliegen und daher ist es ratsam, schon beim Beitritt zu einem Cash-Pool kurzfristige Austritts- oder Kündigungsmöglichkeiten ohne Zustimmungsvorbehalt des Hauptkontoinhabers zu vereinbaren4.
62
Findet der Vermögensabfluss durch Zwangsvollstreckung statt, so liegt keine Zahlung vor5.
63
Die Geschäftsleitung hat durch entsprechende Weisungen an ihre Mitarbeiter und deren Kontrolle sicherzustellen, dass das Zahlungsverbot eingehalten wird6.
a) Unbare Zahlungen 64
Unterhält die Gesellschaft ein Bankkonto, so ist zu unterscheiden, ob dies debitorisch oder kreditorisch geführt wird, falls die Zahlungen unbar erfolgen. Zahlungen von einem kreditorischen Konto sind unzulässig und es sollte versucht werden, etwaige Abbuchungen zu widerrufen. Zahlungen von einem debitorischen Konto fallen nicht unter den Auszahlungsbegriff und sind daher unproblematisch, es sei denn, die Bank kann sich wegen der Auszahlung an Gesellschaftssicherheiten schadlos halten7. 1 2 3 4 5
OLG Düsseldorf v. 19.1.1995 – 6 U 272/93, BB 1996, 1428. LG Köln v. 12.7.1989 – 9 S 43/89, GmbHR 1990, 136. OLG Düsseldorf v. 19.1.1995 – 6 U 272/93, Rz. 42, BB 1996, 1428. Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, 353. OLG München v. 19.1.2011 – 7 U 4342/10, GmbHR 2011, 248; BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, ZIP 2009, 956. 6 OLG Hamm v. 22.12.2008 – 8 U 65/01, NZG 2009, 1116; BGH v. 1.3.1993 – II ZR 81/94, II ZR 61/92, Rz. 13, BB 1994, 1163. 7 BGH v. 25.1.2010 – II ZR 258/08, NZG 2010, 346; BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, NZG 2007, 462.
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Rz. 68 Teil 5
Krise und Insolvenz
Werden Zahlungen an die Gesellschaft geleistet, so ist die Differenzierung andersherum: Zahlungen auf ein debitorisches Konto sind erstattungspflichtige Auszahlungen, wenn sie auf Veranlassung der Geschäftsführung erfolgt sind. Hierfür reicht schon die Angabe der Bankverbindung auf Geschäftsbriefen1.
65
Bei Vorliegen von Insolvenzgründen sollte die Geschäftsleitung daher sicherstellen, dass Gesellschaftsschuldner nicht auf ein debitorisches Bankkonto zahlen, sondern auf ein neu eingerichtetes Guthabenkonto. Daher sollte auch sichergestellt werden, dass etwaige Rechnungsformulare nicht mehr das im Debit geführte Konto angeben.
66
b) Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar2 Die Erstattungspflicht greift nicht, wenn die Auszahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar ist3. Das ist der Fall, wenn die Zahlung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes geleistet wird und dem Zweck dient, Sanierungsversuche und Veräußerungschancen nicht zu verringern oder wenn die Nichtzahlung haftungsbewehrt ist.
67
aa) Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes Dient die Auszahlung der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes und ist sie mit einem ernsthaften Sanierungsversuch verbunden, so ist sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns regelmäßig vereinbar. Die Auszahlung muss allerdings mit dazu beitragen, dass ein laufender Sanierungsversuch nicht scheitert und ein sofortiger Zusammenbruch des Unternehmens vermieden wird4. Die Geschäftsleitung sollte genau prüfen und dokumentieren, dass eine konkrete Zahlung für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes notwendig war und durch entsprechende Begutachtung erfahrener Berater die Ernsthaftigkeit des Sanierungsversuchs dokumentieren. Demgemäß sind Auszahlungen an Sanierungsberater ebenfalls mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar, solange sie nur einem Erfolg versprechenden Sanierungsversuch dienen, es sei denn, es besteht keine hinreichende Aussicht darauf, den Turnaround zu schaffen5.
1 OLG Düsseldorf v. 24.11.1994 – 6 U 2/94; BGH v. 29.11.1999 – II ZR 273/98, BB 2000, 267 (Scheckeinzug). 2 Ausführlich mit Checklisten, welche Zahlung unter Betriebsfortführungsgesichtspunkten noch zulässig ist Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 99 ff. 3 § 64 Satz 2 GmbHG; § 92 Abs. 2 AktG; § 99 Satz 2 GenG; §§ 130a Abs. 1 Satz 2, 161 Abs. 2, 177a HGB. 4 BGH v. 5.11.2007 – II ZR 262/06, NZG 2008, 75; OLG Celle v. 23.12.2003 – 9 U 176/03, GmbHR 2004, 568; eine detaillierte Checkliste ausführlich bei Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 41 ff. 5 OLG Koblenz v. 9.2.2006 – 6 U 607/05, NZG 2006, 583.
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Teil 5 Rz. 69
Besondere Unternehmenssituation
bb) Haftungsbewehrte Zahlungspflichten 69
Trotz Insolvenzreife und der Kapitalerhaltungspflicht muss die Geschäftsleitung bestimmte Zahlungen, für die eine Zahlungspflicht besteht, weiter leisten. Unterlässt sie dies, haftet sie1.
70
Werden Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung der Geschäftsleitung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt, so haftet diese gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO. Davon mitumfasst ist die Pflicht der Geschäftsleitung, die fristgerechte Anmeldung und Abführung der vom Arbeitgeber geschuldeten Lohnsteuer zu besorgen, § 41a Abs. 1 EStG. Ungeachtet der Insolvenzreife haftet ein Geschäftsleiter auch, wenn er aus noch vorhandenen liquiden Mitteln der Gesellschaft die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge nicht an die Einzugsstelle zahlt2. Diese Pflichten gehen auch wegen Stellung eines Insolvenzantrags nicht unter.
c) Fremdgelder 71
Verbotswidrige Auszahlungen liegen auch dann vor, wenn die Geschäftsleitung mit Geldern, die von anderen Konzerngesellschaften auf das Gesellschaftskonto gezahlt wurden, Verbindlichkeiten bezahlt. Dies gilt auch, wenn dieselben Zahlungen durch mehrere Gesellschaften gelaufen sind3. Nur ausnahmsweise ist eine Zahlung mit Fremdgeldern nicht sorgfaltswidrig, nämlich dann, wenn eine strafbewehrte Pflicht zur weisungsgemäßen Verwendung der Fremdgelder besteht und sich der Geschäftsleiter ansonsten wegen des Unterlassens der Zahlung nach § 266 StGB (Untreue) strafbar machen würde4.
4. Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters 72
Der Geschäftsleiter hat die unter Verletzung des Auszahlungsverbots geleisteten Zahlungen ungeschmälert zu erstatten und erhält im Gegenzug einen Gegenanspruch, welcher sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag deckt, welchen der begünstigte Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren erhalten hätte. Diesen Gegenanspruch kann der Geschäftsleiter gegen den Insolvenzverwalter verfolgen5. Der Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters gegen den Geschäftsleiter verjährt binnen fünf Jahren seit der Zahlung, § 43 Abs. 4, § 64 Satz 4 GmbHG. 1 § 43 Abs. 2 GmbHG für die GmbH; § 93 Abs. 1 AktG für die AG; § 114 HGB i.V.m. allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechts bei der OHG (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB für die KG); für die GmbH & Co. KG besteht zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und der GmbH & Co. KG eine organschaftliche Sonderrechtsbeziehung, wegen der § 43 Abs. 3 GmbHG analog anzuwenden ist. Daher haftet der GmbH-Geschäftsführer der GmbH & Co. KG (so Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rz. 39); § 43 Abs. 1 GenG bei der Genossenschaft. 2 § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB; § 28d Abs. 1 SGB IV. 3 OLG München v. 15.10.2008 – 7 U 4972/07, ZIP 2008, 2196; BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, NZG 2008, 508. 4 BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, NZG 2008, 508. 5 BGH v. 11.7.2005 – II ZR 235/03, BB 2005, 1869.
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Rz. 77 Teil 5
Krise und Insolvenz
IV. Weitere Haftungsrisiken für die Führungskraft in der Krise Für den Geschäftsleiter bestehen darüber hinaus Haftungsrisiken, wenn er seine spezifischen Krisenvorsorgepflichten verletzt oder die Insolvenz auslöst, z.B. indem er allgemeine (Krisen-)Sorgfaltspflichten verletzt oder Insolvenz auslösende Zahlungen an Gesellschafter erbringt.
73
1. Verletzung der Krisenvorsorgepflicht a) Einberufungspflichten Die Geschäftsleiter der GmbH bzw. AG sind verpflichtet, bei Verlust des hälftigen Stamm- bzw. Grundkapitals eine Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung einzuberufen1, sobald das Erreichen der auslösenden Kennzahlen erkennbar wird, um die rechtzeitige Inangriffnahme von Sanierungsmaßnahmen sicher zu stellen. Bei Zweifeln ist eine außerordentliche Zwischenbilanz zu erstellen. Deswegen haben die Geschäftsleiter für eine Gesellschaftsorganisation zu sorgen, mit der sie die wirtschaftliche Entwicklung laufend beobachten und sich einen Überblick über den Vermögens- und Liquiditätsstand verschaffen können2.
74
b) Risikofrüherkennungs- und -überwachungspflichten Daneben sind die Geschäftsleiter verpflichtet, ein Risikofrüherkennungs- sowie ein Risikoüberwachungssystem zu installieren.3
75
Aus § 91 Abs. 2 AktG folgt die rechtsformunabhängige4 Pflicht zum Risikomanagement, d.h. zum Ergreifen geeigneter Maßnahmen um Entwicklungen zu erkennen, die den Unternehmensfortbestand gefährden könnten. Ob ein Risikomanagementsystem eingerichtet wird, steht nicht zur Disposition des Geschäftsleiters, bei der Ausgestaltung hat er allerdings ein unternehmerisches Ermessen, welches von Größe, Branche, Struktur, dem Kapitalmarktzugang und weiteren Faktoren des jeweiligen Unternehmens gesteuert wird.
76
Als erste Stufe verlangt die Rechtsprechung ein Risikofrüherkennungssystem, mit dem umfassend und vorausschauend Informationen gewonnen, verarbeitet und mitgeteilt werden und das jederzeit einen Überblick über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft gestattet5. Dabei sind jene Informationen erheblich, die für den Unternehmensfortbestand wichtig sind und eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit haben6. Das System ist unternehmensintern zu kommunizieren und es müssen klare Zuständigkeiten begründet sein7.
77
1 § 49 Abs. 3 GmbHG; § 93 AktG; § 114 Abs. 1 bzw. §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1 HGB für die anderen Rechtsformen. 2 BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560. 3 Ausführlich Baetge/Hater/Schmidt in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 2 Rz. 92 ff. 4 Siehe § 43 GmbHG, §§ 114 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB; vgl. BT-Drucks. 13, 9712, 15. 5 BGH v. 20.2.1995 – II ZR 9/94, ZIP 1995, 560. 6 LG Berlin v. 3.7.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682. 7 LG München I v. 5.4.2007 – 5HK O 15964/06, 5 HKO 15964/06, NZG 2008, 319.
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Teil 5 Rz. 78
Besondere Unternehmenssituation
78
Auf der zweiten Stufe besteht die Pflicht zur Risikoüberwachung, also zur ständigen Beobachtung der Geschäftsprozesse. Dabei sind alle den Unternehmensbestand tatsächlich gefährdenden Risiken und Entwicklungen zu beobachten. Insbesondere betrifft dies die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens sowie ggf. andere Gesellschaften, die an einem gemeinsamen Cash-Pool beteiligt sind. Von der Unternehmensleitung hinab müssen alle Hierarchieebenen Kenntnis von vorhandenen Risiken erlangen, um geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu können1. Wegen der nur dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist in § 15a InsO hat die Geschäftsleitung Informationen über die Liquiditätsentwicklung mindestens in zweiwöchigem Abstand einzuholen, um einer etwaigen Insolvenzantragspflicht nachzukommen oder Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen2.
79
Die Risikomaßnahmen sollen sorgfältig schriftlich dokumentiert werden3 und es bedarf klarer Richtlinien und eines systematischen Berichtswesens.
80
Geschäftsleiter, welche diese Pflicht schuldhaft verletzen, haften gegenüber der Gesellschaft auf Ersatz des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens4. Die Schadenersatzansprüche verjähren bei der börsennotierten AG in zehn Jahren (§ 93 Abs. 6 AktG), bei allen anderen AG und bei der GmbH in fünf Jahren (§ 93 Abs. 6 AktG, § 43 Abs. 4 GmbHG). Es greift keine Außenhaftung nach § 823 Abs. 2 BGB, da es an einem Schutzgesetz fehlt.
2. Haftung wegen Insolvenzverursachung 81
Der Geschäftsleiter kann wegen Insolvenzverursachung haften, wenn er entsprechende Sorgfaltspflichten verletzt oder Insolvenz auslösende Zahlungen an Gesellschafter erbringt.
a) Verstoß gegen Sorgfaltspflichten 82
Verstößt ein Geschäftsleiter gegen seine allgemeinen Sorgfaltspflichten5 und bewegt er sich nicht mehr im Rahmen der Business Judgement Rule (hierzu oben Teil 1 Rz. 104), haftet der Geschäftsleiter der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Beruht die Insolvenz auf schuldhaftem Missmanagement, so haftet die Geschäftsleitung. Ratsam ist daher, stets zu prüfen, ob und wie 1 LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, NZG 2008, 319. 2 Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, 353. 3 LG Berlin v. 3.2.2002 – 2 O 358/01, AG 2002, 682; LG München I v. 5.4.2007 – 5 HK O 15964/06, NZG 2008, 319; VG Frankfurt am Main v. 8.7.2004 – 1 E 7363/03, WM 2004, 2157. 4 § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG; § 43 Abs. 2 GmbHG; § 114 Abs. 1 HGB i.V.m. § 708 BGB bei der OHG; §§ 161 Abs. 2, 114 Abs. 1 HGB i.V.m. § 708 BGB bei der KG. 5 § 114 HGB i.V.m. allgemeinen Grundsätzen des Schadenrechts für die OHG (i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB bei der KG); zwischen dem Geschäftsführer der Komplementär GmbH und der GmbH & Co. KG besteht eine organschaftliche Sonderrechtsbeziehung wegen der § 43 Abs. 3 GmbHG analog anzuwenden ist und der Geschäftsführer bei der GmbH & Co. KG haftet (Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rz. 39); § 34 Abs. 1 GenG.
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Rz. 88 Teil 5
Krise und Insolvenz
eine Finanz- und Liquiditätsplanung installiert werden sollte und wie ein Risikomanagement auszugestalten ist (dazu oben Rz. 75 ff.). Eine Haftung wegen Pflichtverletzung ist ausgeschlossen, wenn der Geschäftsleiter auf eine Weisung der Gesellschafter hin gehandelt hat oder alleiniger Gesellschafter-Geschäftsführer ist1. Es sei denn, er verstößt mit der Befolgung der Weisung gegen gesetzliche Pflichten2. Der Geschäftsleiter hat allerdings die Gesellschafter über den risikoreichen Charakter des Geschäfts zu informieren und zu warnen3. Ein Gesetzesverstoß, der das gesellschafterliche Weisungsrecht ausschließt liegt vor, wenn die Gesellschaft „sehenden Auges“ in die Insolvenz geführt und Gläubiger geschädigt werden4.
83
In analoger Anwendung des § 87 Abs. 2 AktG kann der Geschäftsführer einer GmbH in der Krise verpflichtet sein, sein Gehalt angemessen zu reduzieren, um eine Haftung aus § 43 GmbHG zu vermeiden5.
84
Der Geschäftsleiter hat der Gesellschaft den Schaden zu ersetzen, der durch die Pflichtverletzung kausal verursacht wurde. Der Schaden verjährt in fünf bzw. zehn Jahren, § 43 Abs. 4 GmbHG, § 93 Abs. 6 AktG (dazu Rz. 80).
85
b) Zahlungen an Gesellschafter Geschäftsleiter haften für Zahlungen an Gesellschafter, welche die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zur Folge haben mussten6. Unter den Zahlungsbegriff fallen alle Leistungen, welche die Aktiva der Gesellschaft vermindern7. Das Zahlungsverbot erfasst auch Dritte, die mit dem Gesellschafter rechtlich, wirtschaftlich oder persönlich eng verbunden sind.
86
Der Geschäftleiter muss eine Prognoseentscheidung treffen, ob die beabsichtigte Zahlung an den Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit führen wird. Der Geschäftsleiter sollte daher dokumentieren, dass er sich über die Liquidität der Gesellschaft zum Zahlungszeitpunkt und über die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben Klarheit verschafft hatte. Nur wenn der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich war, kommt eine Haftung in Betracht.
87
Problematisch für den Geschäftsleiter ist die Situation, wenn ein Gesellschafter von ihm Zahlung auf fällige Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft verlangt und eine Zahlung die Insolvenz auslösen würde. Spricht man der Gesellschaft kein Leistungsverweigerungsrecht zu8, bleibt dem Geschäftsleiter nur,
88
1 BGH v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, ZIP 2009, 2335; BGH v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, NZG 2000, 544; BGH v. 10.5.1993 – ZIP 1993, 917, ZIP 1993, 917. 2 BGH v. 26.10.2009 – II ZR 222/08, ZIP 2009, 2335; BGH v. 31.1.2000 – II ZR 189/99, NZG 2000, 544. 3 OLG Thüringen v. 1.9.1998 – 5 U 1816/97, NZG 1999, 121. 4 OLG Frankfurt v. 7.2.1997 – 24 U 88/95, ZIP 1997, 450. 5 OLG Köln v. 6.11.2007 – 18 U 131/07, ZIP 2009, 36. 6 § 64 Satz 3 GmbHG; §§ 130a Abs. 1 Satz 3, 161 Abs. 2 HGB für die OHG bzw. KG i.V.m. § 130a Abs. 3 für die GmbH & Co. KG; § 92 Abs. 3 Satz 3 AktG. 7 Bare und unbare Geldabflüsse, Aufrechnung, Leistungen an Erfüllung statt, Sachleistungen; nicht: Begründung von Verbindlichkeiten. 8 So OLG München v. 6.5.2010 – 23 U 1564/10, ZIP 2010, 1236.
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Teil 5 Rz. 89
Besondere Unternehmenssituation
sein Amt niederzulegen oder Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen. Richtigerweise sollte dem Geschäftsleiter ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen1. Höchstrichterlich ist diese Frage bislang nicht entschieden. Solange der BGH sich hierzu nicht äußert, sollte der Geschäftsleiter Folgendes bedenken: Ein Gesellschafter muss die Gesellschaft auf Zahlung in Anspruch nehmen und nur die Gesellschaft kann dann wiederum den Geschäftsleiter wegen einer Schaden verursachenden Geschäftsführung nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Anspruch nehmen. Beim Geschäftsleiter fehlt es dann aber am Verschulden, wenn die von ihm verlangte Zahlung nach § 64 Satz 3 GmbHG nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar gewesen wäre. Dann geht auch der Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsleiter wegen angeblich Schaden verursachender Nichtzahlung ins Leere2.
c) Cash-Management-Systeme 89
Wird im Konzern ein Cash-Pool unterhalten, so hat der Geschäftsleiter der Tochtergesellschaft zu beachten, dass Zahlungen in den von der Mutter verwalteten Cash-Pool nicht erbracht werden dürfen, soweit diese Gelder zur Sicherstellung der Liquidität der Tochter benötigt werden und andernfalls deren Insolvenzreife droht3. Deswegen muss der Geschäftsleiter die Liquidität im CashPool und seiner Teilnehmer ständig beobachten um bei Bedarf weitere Zahlungen an den Pool durch die Tochter auszuschließen4. Schließen Mutter und Tochter einen Ergebnisabführungsvertrag, hilft das zumeist nicht weiter. Denn im Insolvenzfall der Tochter scheitert die Verlustübernahme der Mutter zumeist daran, dass auch diese nicht mehr über ausreichend Liquidität verfügt5.
V. Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung 90
Nachfolgend soll kurz auf rechtliche Haftungsrisiken eingegangen werden, welche aus der Sondersituation herrühren, dass die betroffene Führungskraft in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter des Unternehmens in der Krise handelt6. Haftungsrisiken folgen dann aus der Stellung als Gesellschafter.
91
Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie Gesellschafterleistungen in der Insolvenz der Gesellschaft zu behandeln sind, denn häufig möchte ein Gesellschafter seiner Gesellschaft zusätzliche Finanzmittel zur Verfügung stellen, aber das Risiko eines Verlustes kleinhalten. Dies geschieht meist dadurch, dass der Gesellschafter einen Mittelrückfluss an sich veranlassen kann, z.B. dadurch, dass die zur Verfügung gestellten Finanzmittel rechtlich als Darlehen ausgestaltet sind. 1 So LG Berlin v. 16.12.2009 – 100 O 75/09, GmbHR 2010, 201. 2 Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 87 ff.; Haas, DStR 2010, 1991. 3 Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, 352. 4 Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, 353. 5 Willemsen/Rechel, GmbHR 2010, 353. 6 Ausführlich Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 107 ff.
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Rz. 95 Teil 5
Krise und Insolvenz
Seit der Geltung des MoMiG zum 1. November 2008 ist die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines solchen Darlehens oder die Forderung des Gesellschafters aus einer Rechtshandlung, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entspricht, nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nachrangig und sind darauf erfolgte Zahlungen der Gesellschaft anfechtbar nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO1.
92
1. Anwendungsbereich In den Anwendungsbereich fallen alle Gesellschaftsformen, die weder eine natürliche Person noch eine Gesellschaft als persönlich haftenden Gesellschafter haben, bei der eine natürliche Person Vollhafter im Außenverhältnis ist, §§ 39 Abs. 4 Satz 1, 135 Abs. 4 InsO2. Erfasst werden auch sonstige Rechtshandlungen eines Gesellschafters, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen, wenn diese Maßnahme der Finanzierung der Gesellschaft durch Zuführung oder Belassen von Finanzierungsmitteln dient. Dies sind z.B. Forderungsstundungen, Prolongationen und ähnliche Stillhalteabkommen, Einräumung einer Warenkreditlinie durch Duldung nachträglicher Forderungsbegleichung oder eine stille (gesplittete) Einlage3. Vorsicht ist bei Verwendung von Cash-Management-Systemen geboten, da absteigende Darlehen im Cash-Pool wohl unter den Begriff der anfechtbaren Gesellschafterhilfe fallen4.
93
2. Gesellschafterstellung Die Frage, ob das Darlehen von einem Gesellschafter gewährt wurde, bestimmt sich danach, ob die Darlehensforderung innerhalb der kritischen Fristen des § 135 InsO (bzw. § 6 AnfG) die eines Gesellschafters gewesen ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Zessionar die Darlehensforderung binnen der in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO vorgeschriebenen Jahresfrist erworben hat oder wenn ein früherer Gesellschafter in dieser Zeit seinen Gesellschaftsanteil überträgt oder wenn ein zunächst nicht an der Gesellschaft beteiligter Kreditgeber später einen Gesellschaftsanteil erwirbt5. Allerdings fehlt bislang Rechtsprechung zu diesem Thema.
94
3. Gesellschaftergleiche Dritte Der BGH hat sich noch nicht geäußert, nach welchen Zurechnungsgrundsätzen Dritte als Gesellschafter zu qualifizieren sind. Der MoMiG-Gesetzgeber 1 Das zuvor geltende Eigenkapitalersatzrecht (dazu Goette/Kleindiek; Stodolkowitz/ Kleindiek in: Schimanski/Bunte/Lwowski, § 84) ist für Altfälle noch anwendbar (dazu Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 154 f. 2 Diese sind haftungsbeschränkte UG, AG, KGaA, SE, OHG, KG, GbR, PartG, EBIV und GmbH. 3 K. Schmidt/Uhlenbruck/K. Schmidt, Rz. 2.91. 4 S. Willemsen/Rechel, BB 2009, 2215; Rönnau/Krezer, ZIP 2010, 2269; Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 160. 5 Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 64 Rz. 119 m.w.N.; Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 161.
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Teil 5 Rz. 96
Besondere Unternehmenssituation
hatte allerdings die Absicht, dass die eigentlich nicht mehr geltenden Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts für die Einbeziehung Dritter weiter anzuwenden sind1. Es kommt demnach darauf an, ob die Darlehensgewährung eines Dritten der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter entspricht und es (wie zum alten Recht) mit einer extensiven Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals durch die Rechtsprechung zu rechnen.
4. Sanierungs- und Kleinbeteiligtenprivileg 96
Fällt ein Gesellschafter unter das Sanierungs- oder Kleinbeteiligtenprivileg, so treffen ihn die ungünstigen Rechtsfolgen der Anfechtbarkeit und Nachrangigkeit nicht. So gewähren § 39 Abs. 4 Satz 2, § 135 Abs. 4 InsO ein Sanierungsprivileg für den Fall des Anteilserwerbs zum Zweck der Sanierung bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit oder bei Überschuldung. Dies gilt also nicht für Darlehen, die ein bereits an der Gesellschaft beteiligter Gesellschafter herauslegt. Der Gesellschafter sollte beachten, dass mit Eintritt der „nachhaltigen Sanierung“ das Sanierungsprivileg wegfällt und sich der Gesellschafter noch vor der Frist des § 135 InsO zum Abzug seiner Gesellschafterhilfe entschließen muss, um deren Nachrangigkeit nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO zu vermeiden2.
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Die nachteiligen Rechtsfolgen treffen solche Gesellschafter nicht, die binnen der Fristen des § 135 InsO die 10%ige Kapitalbeteiligungsschwelle nicht überschreiten. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Gesellschafter Geschäftsführerfunktion innehat. Da allein der kritische Zeitraum des § 135 InsO ausschlaggebend ist, gilt dies auch für Gesellschafterhilfen, bei denen die kritische Beteiligungsschwelle später überschritten wird3. Bei einer indirekten Beteiligung ist die „durchgerechnete“ Beteiligung maßgeblich4.
5. Rechtsfolgen 98
Gesellschafterdarlehen und gleichgestellte Leistungen sind nachrangig und anfechtbar.
a) Gesellschafterdarlehen 99
Nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die für eine Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen oder für eine wirtschaftlich gleichgestellte Forderung Befriedigung gewährt haben, anfechten, wenn sie im letzten Jahr vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach Antragstellung vorgenommen worden sind. Davon umfasst sind alle Erfüllungssurrogate, also auch Leistungen an Erfüllung statt oder 1 Zu Einzelfällen Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 162 ff. 2 Hirte in: Uhlenbruck, § 39 Rz. 67; Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 166 ff. 3 Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 64 Rz. 129 m.w.N.; Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 168 f. 4 Hirte in: Uhlenbruck, § 39 Rz. 73 m.w.N.; Gehrlein, BB 2008, 849.
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Rz. 102 Teil 5
Krise und Insolvenz
erfüllungshalber sowie die Aufrechnung oder Verwertung einer Sicherheit aus dem Gesellschaftsvermögen. Darüber hinaus sind auch Rechtshandlungen anfechtbar, mit denen für eine solche Gesellschafterforderung Sicherheit gewährt worden ist, wenn dies im Zeitraum von zehn Jahren vor Antragstellung oder danach erfolgte, § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Das anfechtbar Erlangte ist an die Insolvenzmasse zurückzugewähren und ggf. mit fünf Prozent über Basiszinssatz zu verzinsen1. Handelt es sich um die Anfechtung einer Sicherheitengewährung, so richtet sich der Anspruch auf Aufhebung der Sicherung. Nach erfolgter Rückgewähr lebt die Forderung des Gesellschafters wieder auf und nimmt als nachrangige Forderung am Insolvenzverfahren teil.
100
Noch nicht zurückgeführte Gesellschafterdarlehen sind in der Insolvenz nachrangig, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. Von der Gesellschaft gestellte Sicherheiten kann der Gesellschafter dann aufgrund der Nachrangigkeit gleichfalls nicht verwerten und hat diese an den Insolvenzverwalter herauszugeben, wenn feststeht, dass auf die nachrangige Insolvenzforderung keine Quote zu erwarten ist2.
101
b) Gesellschafterbesichertes Drittdarlehen Da die Gewährung einer Gesellschaftersicherheit für ein von einem Dritten an die Gesellschaft gewährtes Darlehen (sog. gesellschafterbesichertes Drittdarlehen) ebenfalls als eine Gesellschafterleistung zu qualifizieren ist, treffen auch in einem solchen Fall den Gesellschafter nachteilige Rechtsfolgen, falls die darlehensnehmende Gesellschaft in die Insolvenz fällt. Denn eine von der Gesellschaft vorgenommene Gläubigerbefriedigung ist dann nach § 135 Abs. 2 InsO mit der Rechtsfolge anfechtbar, dass der sicherungsgebende Gesellschafter die an den Darlehensgeber erfolgte Rückgewährleistung gemäß § 143 Abs. 3 InsO zur Masse erstatten muss. Dem Gesellschafter steht dann zwar ein Regressbzw. Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft zu, dieser ist in der Insolvenz aber nachrangig gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO. War die Rückgewährforderung noch nicht erfüllt und ist der Darlehensgeber bei der Inanspruchnahme der Gesellschaftersicherheit ausgefallen, so kann er anteilsmäßige Befriedigung aus der Insolvenzmasse verlangen3. Der Gesellschafter sollte beachten, dass im Bereich der gesellschafterbesicherten Drittdarlehen noch erhebliche Rechtsunsicherheit besteht und mit Vorsicht agieren4.
1 2 3 4
§ 143 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 288 Abs. 1 BGB. BGH v. 26.1.2009 – II ZR 213/07, ZIP 2009, 471. Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 175 ff. OLG Hamm v. 29.12.2010 – I-8 U 85/10, ZIP 2011, 343 (nicht rechtskräftig, BGH IX ZR 11/11) ist bspw. der Ansicht, dass ein Insolvenzverwalter nach Verwertung der dem Absonderungsrecht unterliegenden Gegenstände und Auskehr des Erlöses an den bereicherten Gläubiger gegenüber dem Gesellschafter keine Insolvenzanfechtung geltend machen kann. Genau gegenteilig hat aber zwischenzeitlich der 27. Zivilsenat des OLG Hamm entschieden, OLG Hamm v. 7.4.2011 – I-27 U 94/10, ZIP 2011, 1226. Dazu Mikolajczak, ZIP 2011, 1285.
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102
Teil 5 Rz. 103
Besondere Unternehmenssituation
c) Finanzplankredite 103
Gewährt ein Gesellschafter aufgrund einer privatautonom vereinbarten Verpflichtung Leistungen an die Gesellschaft (sog. Finanzplankredit oder gesplittete Einlage), kann der Insolvenzverwalter die Gewährung der versprochenen Leistung vom Gesellschafter zur Insolvenzmasse verlangen. Dies allerdings nur, wenn die zugrunde liegende Abrede nicht beendet ist. Daher ist für Gesellschafter von hohem Interesse, ihre Bindung durch eine einvernehmliche Aufhebung oder Kündigung jederzeit beenden zu können. Allerdings hat der BGH eine einvernehmliche Aufhebung nur außerhalb der Krise zulassen wollen1. Daher sollten Gesellschafter damit rechnen, dass die Aufhebung eines Finanzplankredites in der Krise rechtlich schwierig und wohl nach §§ 129 ff. InsO anfechtbar ist2.
6. Nutzungsüberlassungen 104
Gewährt der Gesellschafter anstatt einer Finanzhilfe die Nutzung eines Vermögenswertes (Nutzungsüberlassung), gibt § 135 Abs. 3 InsO dem Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Nutzung gegen Zahlung einer Vergütung fortzusetzen. Zu beachten ist, dass den Gesellschafter eine Überlassungspflicht trifft, wenn die Gegenstände für die Fortführung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter von erheblicher Bedeutung sind, § 135 Abs. 3 Satz 1 InsO. Dann kann der Gesellschafter den ihm eigentlich zustehenden Aussonderungsanspruch nach § 47 InsO für die Dauer von maximal einem Jahr seit Verfahrenseröffnung nicht geltend machen.
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Zwar steht dem Gesellschafter ein als Masseverbindlichkeit zu qualifizierender Vergütungsanspruch zu, § 135 Abs. 3 Satz 2 InsO. Dieser richtet sich aber nach dem Durchschnittswert der im letzten Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens tatsächlich geleisteten Vergütung. Gesellschafter sollten daher darauf achten, dass sie in der Krise des Unternehmens Gegenstände nicht unentgeltlich überlassen oder vereinbarte Nutzungsvergütungen stunden, da sich andernfalls der zu berechnende Durchschnittswert für die vom Insolvenzverwalter zu zahlende Vergütung vermindert3.
VI. Stellung der Führungskraft in der Insolvenz 106
Im nachfolgenden Teil werden die Situation der Führungskraft und das Schicksal ihrer Ansprüche in der Insolvenz des Arbeitgebers beschrieben und erläutert, wie die Führungskraft am besten vorgehen sollte.
107
Nach einer kurzen Darstellung des anwendbaren Rechts wird zunächst auf das Insolvenzverfahren eingegangen, unterschieden nach Eröffnungsverfahren und eröffnetem Insolvenzverfahren. Sodann werden die Auswirkungen für die Ge1 BGH v. 28.6.1999 – II ZR 272/98, ZIP 1999, 1263 ff.; BGH v. 1.3.2010 – II ZR 13/09, ZIP 2010, 1078 ff. (beide ergangen zum Eigenkapitalersatzrecht). 2 Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 178. 3 Müller/Liebscher in: Thierhoff/Müller/Illy/Liebscher, Kap. 8 Rz. 180 ff.
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Rz. 111 Teil 5
Krise und Insolvenz
schäftsleitung und die leitenden Angestellten beleuchtet (zu diesen Begriffen Teil 1 Rz. 2 ff.). Zuletzt wird das insolvenzrechtliche Schicksal der Ansprüche der Führungskraft gegen den insolventen Arbeitgeber dargestellt.
1. Das Insolvenzverfahren im Überblick Die Insolvenzordnung (InsO) vom 5. Oktober 19941 regelt das Insolvenzrecht. Das internationale Insolvenzrecht ist in §§ 335 ff. InsO normiert, wobei gemeinschaftsrechtlich die Verordnung (EG) des Rates über Insolvenzverfahren2 Vorrang genießt (sog. EuInsVO). Nach Art. 10 EuInsVO gilt für Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen Arbeitsvertrag und auf das Arbeitsverhältnis ausschließlich das Recht des Mitgliedsstaates, das auf den Arbeitsvertrag anzuwenden ist. Die Richtlinie über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers3 und die Änderungsrichtlinie4 enthalten darüber hinaus bedeutsames Gemeinschaftsrecht. Das Bundeskabinett hat ferner am 23. Februar 2011 den Regierungsentwurf des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (RegE-ESUG) beschlossen5.
108
Ein Insolvenzverfahren gliedert sich in zwei Teile: das Eröffnungsverfahren und das eigentliche Insolvenzverfahren.
109
a) Eröffnungsverfahren Das Eröffnungsverfahren beginnt mit der Insolvenzantragstellung und endet mit dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Eröffnungsbeschluss) oder über die Abweisung des Insolvenzantrages. Es dient der Prüfung des Vorliegens der Insolvenzgründe und ob voraussichtlich ausreichend Insolvenzmasse vorliegt, um die Insolvenzverfahrenskosten zu decken. Im Eröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht vorläufige Sicherungsmaßnahmen zum Erhalt des Schuldnervermögens treffen.
110
Das Insolvenzverfahren wird auf Antrag beim Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Insolvenzschuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§ 3 InsO), eingeleitet. Antragsberechtigt sind der Gläubiger (§ 14 InsO, sog. Fremdantrag) und der Insolvenzschuldner (§ 15 InsO, sog. Eigenantrag). Bis das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag rechtskräftig abgewiesen worden ist (§ 13 InsO), ist der Antrag zurücknehmbar. Gegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts findet – soweit in der InsO vorgesehen – die sofortige Beschwerde statt (§ 6 InsO). Der Insolvenzschuldner ist zu dem (Fremd-)Insolvenzantrag zu hören. Ist der Antrag zulässig, so hat der Insolvenzschuldner diejenigen Auskünfte zu erteilen, die für das Gericht zur Entscheidung über den Antrag notwendig sind (§ 20 InsO).
111
1 2 3 4 5
BGBl. I, 2866, am 1.1.1999 in Kraft getreten. Nr. 1346/2000 v. 29.5.2000, ABl. EG Nr. L160, S. 1. RL 80/987/EWG des Rates v. 20.10.1980, ABl. Nr. L283, S. 23. RL 2002/74/EG v. 23.9.2002, ABl. Nr. L270, S. 10. Regierungsentwurf für das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712 v. 4.5.2011. Synopse von RefE-ESUG und DiskE-ESUG in Beilage zu ZIP 6/2011; hierzu Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632.
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Teil 5 Rz. 112
Besondere Unternehmenssituation
112
Eröffnungsgründe sind (drohende) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung (hierzu oben Rz. 6 ff.). Darüber hinaus muss voraussichtlich ausreichend freie Masse (d.h. freies Vermögen des Insolvenzschuldners) zur Verfügung stehen, um mindestens die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) zu decken. Reicht das Vermögen des Insolvenzschuldners voraussichtlich nicht aus, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen (§ 26 InsO) oder sind die Insolvenzgründe nicht ausreichend glaubhaft gemacht, so weist das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag ab. Nach § 54 InsO sind die Kosten des Insolvenzverfahrens die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren und die Vergütung und Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.
113
Wenn das Gericht anhand der vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgehen kann, wird es im Eröffnungsverfahren einen Sachverständigen bestellen zu der Frage, ob Insolvenzgründe vorliegen und die voraussichtlichen Verfahrenskosten gedeckt sind. Dieser erstellt ein sog. Masse- oder Eröffnungsgutachten. Die Führungskräfte des Insolvenzschuldners sind gegenüber dem Sachverständigen zur Auskunfts- und Informationserteilung verpflichtet. Kommen sie dem nicht nach, so hat der Sachverständige die Möglichkeit, beim Insolvenzgericht die gerichtliche Anhörung anzuregen (§§ 20 Abs. 1, 97 Abs. 3, 98 Abs. 1 InsO).
114
Ferner kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen treffen, um im Eröffnungsverfahren eine für die Gesamtgläubigerschaft nachteilige Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners zu verhindern, § 21 InsO. Wichtigste Sicherungsmaßnahme ist die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (hierzu unten Rz. 146 ff.), der zumeist dann auch die Aufgaben des Sachverständigen übertragen erhält, § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 InsO. Das Insolvenzgericht wird regelmäßig einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, wenn beim Insolvenzschuldner Vermögenswerte in nicht nur geringfügigem Umfang vorhanden sind oder wenn sich aus dem Insolvenzantrag ergibt, dass der Schuldner einen laufenden Geschäftsbetrieb unterhält.
b) Eröffnetes Insolvenzverfahren 115
Kommt das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren aufgrund des Massebzw. Eröffnungsgutachtens zum Schluss, dass ein Insolvenzgrund vorliegt und die Masse die Verfahrenskosten voraussichtlich abdeckt, so eröffnet es das Insolvenzverfahren. Andernfalls wird der Eröffnungsantrag abgelehnt und der Antragsteller hat die Verfahrenskosten (Gerichts- und Sachverständigenkosten) zu tragen. Liegt ein Insolvenzgrund vor, reicht aber das prognostizierte freie Schuldnervermögen voraussichtlich nicht aus, um die Insolvenzverfahrenskosten vollständig zu decken, weist das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag gemäß § 26 Abs. 1 InsO mangels Masse ab und der Schuldner hat die Verfahrenskosten zu tragen.
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Das Insolvenzverfahren soll die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung im Wege einer möglichst gerechten Verteilung des Verwertungserlöses aus dem schuldnerischen Vermögen sicherstellen. Für juristische Personen gibt es nur 540
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Rz. 122 Teil 5
Krise und Insolvenz
die Alternative zwischen Liquidation und Reorganisation aufgrund eines sog. Insolvenzplanverfahrens. In einem solchen Insolvenzplan können zum Insolvenzverfahren und zur InsO abweichende Regelungen, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen werden. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Ablehnung des Antrags mangels Masse sind die AG, die KGaA und die GmbH aufgelöst1. Stiftungen und rechtsfähige Vereine verlieren mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Rechtsfähigkeit (§§ 42 Abs. 1, 86 BGB). Ferner gewährt das Insolvenzrecht natürlichen Personen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung (§§ 286 ff. InsO), für die bei juristischen Personen wegen der Abwicklung und Löschung und des damit einhergehenden Ausschlusses einer Nachhaftung keine Notwendigkeit besteht.
117
Das eigentliche Insolvenzverfahren wird mit dem Eröffnungsbeschluss eröffnet, der Name und Gewerbe des Insolvenzschuldners, Name und Anschrift des Insolvenzverwalters sowie die Stunde der Eröffnung angibt. Der Eröffnungsbeschluss ist öffentlich bekannt zu machen und ist den Gläubigern des Insolvenzschuldners sowie dem Insolvenzschuldner selbst zuzustellen. Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters hat das Insolvenzgericht gemäß § 56 Abs. 1 InsO ein weites Auswahlermessen.
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Im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Insolvenzgericht den Berichtstermin, der spätestens binnen drei Monaten stattfinden muss und in dem die Gläubigerversammlung über den Fortgang des Insolvenzverfahrens beschließt.
119
Eine wesentliche Rolle beim Verfahrensablauf kommt den Insolvenzgläubigern zu. Insolvenzgläubiger nach § 38 InsO ist, wer zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung einen begründeten Vermögensanspruch gegen den Insolvenzschuldner hat.
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Die InsO gewährt Aus- und Absonderungsberechtigten Rechte, die über diejenigen von einfachen Tabellengläubigern hinausgehen. Aussonderung (also Herausgabe an sich) eines Gegenstandes (§ 47 InsO) kann verlangen, wer geltend machen kann, dass ein Gegenstand nicht zur Vermögensmasse des Insolvenzschuldners gehört. Grundlage hierfür kann ein dingliches oder persönliches Recht sein. Im Falle einer unberechtigten Veräußerung des Gegenstandes kann Ersatzaussonderung am Surrogat geltend gemacht werden, soweit dieses noch vorhanden ist (§ 48 InsO). Bei der Geltendmachung von Aussonderungsansprüchen sind die Anforderungen an den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten.
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Pfandgläubiger und sonstige Sicherungsgläubiger sind zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Das bedeutet, dass ihre Forderung aus dem Erlös eines zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensrechts vorweg befriedigt wird. Die Verwertung erfolgt in der Regel durch den Insolvenzverwalter und der Absonderungsberechtigte hat dem Insolvenzverwalter einen Pauschalbetrag als Kostenersatz nach §§ 166–173 InsO zu zahlen.
122
1 §§ 289 Abs. 1, 262 Abs. 1 Nr. 3, 4 bzw. § 289 Abs. 2 AktG; § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG.
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Teil 5 Rz. 123 123
Besondere Unternehmenssituation
Im Eröffnungsbeschluss hat das Insolvenzgericht Termin für eine erste Gläubigerversammlung bestimmt, die auf der Grundlage eines Berichts des Insolvenzverwalters über die wirtschaftliche Lage des Insolvenzschuldners und ihrer Ursachen über den Fortgang des Insolvenzverfahrens zu beschließen hat. In diesem Bericht hat der Insolvenzverwalter auch die Aussichten zu beschreiben, ob das Unternehmen des Insolvenzschuldners erhalten werden kann und welche Möglichkeiten für einen Insolvenzplan bestehen. Auf dieser Grundlage hat die Gläubigerversammlung zu entscheiden, ob das Unternehmen des Insolvenzschuldners stillgelegt oder fortgeführt wird, § 157 InsO. Insbesondere kann der Insolvenzverwalter von der Gläubigerversammlung damit betraut werden, einen Insolvenzplan unter Zugrundelegung eines von der Gläubigerversammlung vorgegebenen Ziels auszuarbeiten. Ist ein Gläubigerausschuss bestellt, hat der Insolvenzverwalter dessen Zustimmung einzuholen, falls er den Geschäftsbetrieb schon vor dem Berichtstermin stilllegen möchte (§ 158 InsO). Andernfalls ist der Insolvenzschuldner zu unterrichten, der eine Aufschiebung der Stilllegung beim Insolvenzgericht beantragen kann.
c) ESUG-Reform 124
Zurzeit befindet sich der Regierungsentwurf des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (RegE-ESUG) in der parlamentarischen Beratung1, der Sanierungsmöglichkeiten und Gläubigerautonomie in der InsO stärken soll und einen Paradigmenwechsel im deutschen Insolvenzrecht einleiten würde. Mit dem Inkrafttreten wird zum 1.1.2012 gerechnet.
125
Der RegE-ESUG sieht Änderungen bei der Insolvenzverwalterauswahl vor. Danach hat bei einem Eigenantrag der Insolvenzschuldner ein Verzeichnis der wesentlichen Gläubiger und ihrer Forderungen beizufügen und Angaben zur Gläubigerstruktur einerseits und zu den finanz- und personalwirtschaftlichen Verhältnissen eines noch nicht eingestellten Geschäftsbetriebes andererseits zu machen. Auf Grundlage dieser Angaben ist der vorläufige Gläubigerausschuss zu besetzen, der einen einstimmigen, das Gericht grundsätzlich bindenden Vorschlag zur Person des vorläufigen Insolvenzverwalters machen kann. Damit wird den Gläubigern Einfluss auf die Auswahl des (vorläufigen) Insolvenzverwalters gewährt. Darüber hinaus kann der vorläufige Gläubigerausschuss dem Insolvenzgericht Anforderungen an die Person des Insolvenzverwalters aufgeben.
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Ferner soll das Insolvenzplanverfahren gestärkt werden. Vorgesehen ist, dass durch den Insolvenzplan in die gesellschaftsrechtliche Struktur des zu sanierenden Unternehmens eingegriffen werden kann. Dies zielt im Interesse der Unternehmenssanierung u.a. auf die Erleichterung der Durchführung von Debt-Equity-Swaps ab. Mit diesem Paradigmenwechsel ist eine Stärkung des Insolvenzplanverfahrens zu erwarten und soll das Ziel der Unternehmenssanierung noch stärker in den Vordergrund rücken. 1 Regierungsentwurf für das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, BT-Drucks. 17/5712 v. 4.5.2011. Synopse von RefE-ESUG und DiskE-ESUG in Beilage zu ZIP 6/2011; hierzu Hirte/Knof/Mock, DB 2011, 632.
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Rz. 132 Teil 5
Krise und Insolvenz
Der ESUG-Entwurf bedeutet zudem einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der sog. Eigenverwaltung (hierzu unten Rz. 191). Es ist vorgesehen, dass das Insolvenzgericht einen Antrag auf Eigenverwaltung nicht mehr mit der Begründung ablehnen kann, diese wirke sich nachteilig auf die Gläubiger aus, wenn der Gläubigerausschuss den schuldnerischen Antrag einstimmig unterstützt. Bei einer nicht offensichtlich aussichtslosen Sanierungsmöglichkeit und sofern noch kein Insolvenzgrund eingetreten ist, soll in Zukunft auf Antrag des Insolvenzschuldners Eigenverwaltung angeordnet werden und dem Insolvenzschuldner eine Frist von bis zu drei Monaten für die Vorlage eines Insolvenzplanes gewährt werden, ohne dass bereits die vollständigen Beschränkungen des Insolvenzverfahrens greifen (sog. Schutzschirm). Mit Inkrafttreten dieser Neuerungen ist Anfang April 2012 zu rechnen.
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2. Die Führungskraft bei Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen des Arbeitgebers Die Stellung eines Insolvenzantrages entbindet die Führungskräfte des Unternehmens weder von ihren Aufgaben noch von ihren Pflichten. Geschäftsleiter bleiben im Amt, Dienst- oder Anstellungsverträge bleiben wirksam. Allerdings werden im Eröffnungsverfahren sowie im eröffneten Insolvenzverfahren Aufgaben und Rechte der Geschäftsleitung in unterschiedlichem Maße von dem (vorläufig) bestellten Insolvenzverwalter wahrgenommen, der hierbei von den Führungskräften zu unterstützen ist.
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a) Unterscheidung zwischen Geschäftsleiter und leitenden Angestellten Betrachtet man die Rechtsstellung der Führungskraft nach Stellung eines Insolvenzantrags, so ist zwischen Geschäftsleitern (Geschäftsführer und Vorstand) und leitenden Angestellten einschließlich Prokuristen zu unterscheiden. Für Geschäftsleiter greifen wegen ihrer Organstellung vielfach Sonderregeln und sind die Sachverhalte der Praxis kompliziert und haftungsträchtig. Für leitende Angestellte ist das weit weniger der Fall, sie werden zumeist wie normale Arbeitnehmer behandelt. Daher wird in der nachfolgenden Darstellung immer zuerst auf die komplizierte Situation des Geschäftsleiters eingegangen und danach der leitende Angestellte beleuchtet.
129
Vorab ist klarzustellen: Geschäftsleiter (also Geschäftsführer und Vorstand) werden aufgrund eines Dienstvertrages für den Insolvenzschuldner tätig und fungieren darüber hinaus als gesetzliches Vertretungsorgan. Von dem Dienstverhältnis ist das Organverhältnis also streng zu unterscheiden (hierzu oben Teil 1 Rz. 2 ff.).
130
Für Rechtshandlungen in Bezug auf die Stellung als Organ einer juristischen Person ist immer das jeweilige Gesellschaftsorgan zuständig, nicht der Insolvenzverwalter. Zur Ausübung von Rechtshandlungen in Bezug auf den Dienstvertrag eines Geschäftsleiters ist der jeweilige Inhaber der Arbeitgeberfunktion berechtigt.
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Ein besonderes Organverhältnis gibt es bei leitenden Angestellten oder Prokuristen nicht. Deren Rechte und Pflichten bestimmen sich nur nach ihrem
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Teil 5 Rz. 133
Besondere Unternehmenssituation
Anstellungsvertrag. Zu Rechtshandlungen in Bezug auf den Anstellungsvertrag ist gleichfalls der jeweilige Inhaber der Arbeitgeberfunktion berechtigt.
b) Fortgeltung der zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse 133
Die Stellung eines Insolvenzantrags oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an sich sind ohne Auswirkungen auf Dienstverhältnis, Organverhältnis und Anstellungsverhältnis. Alle drei Rechtsverhältnisse bestehen fort, die Führungskräfte behalten ihren allgemeinen Beschäftigungsanspruch. Allerdings sollte die Führungskraft frühzeitig abklären, ob sie berechtigt ist, Insolvenzgeld zu beanspruchen (hierzu unten Rz. 221 ff.).
134
Die Insolvenz des Arbeitgebers hat insbesondere keinen Einfluss auf die Fortgeltung des allgemeinen Arbeitsrechts; ein besonderes Arbeitsrecht in der Insolvenz gibt es nicht, nur insolvenzspezifische Ausnahmebestimmungen mit dem Ziel, eine Unternehmenssanierung zu erleichtern1.
135
Es gibt typische Praxisbeispiele für die Fortgeltung des Arbeitsrechts in der Insolvenz: Der Abschluss von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen ist uneingeschränkt zulässig und wird von (vorläufigen) Insolvenzverwaltern gerne für Geschäftsleiter genutzt. Erfolgt im Eröffnungsverfahren ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB, gehen die Anstellungsverhältnisse der leitenden Angestellten, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen, auf den Erwerber über (ausgenommen hiervon sind die Dienstverhältnisse der Geschäftsleiter)2. Der Anspruch auf Zeugniserteilung besteht ungeachtet der Insolvenz3.
aa) Amtsniederlegung durch Geschäftsleiter 136
Fürchten Geschäftsleiter aufgrund ihrer Organstellung und der Unternehmenskrise ein Haftungsrisiko oder einen Rufschaden, haben sie oftmals den Wunsch, ihr Amt niederzulegen. Dies ist zwar grundsätzlich mit Wirksamkeit möglich, sollte aber nicht unüberlegt erfolgen. Denn gegen den Geschäftsleiter können dann Schadensersatzansprüche wegen Verletzung seines grundsätzlich weiterbestehenden Dienstvertrags in Frage kommen4. Die unberechtigte (wirksame) Amtsniederlegung ist zudem ein wichtiger Grund zur Kündigung des Dienstvertrags durch den Arbeitgeber. Dies ist nach der Rechtsprechung der Fall, wenn sich der Geschäftsleiter durch eine zwar wirksame, aber als unberechtigt zu qualifizierende Amtsniederlegung der Möglichkeit begibt, die Geschäftsführeraufgaben gerade im Außenverhältnis für die Gesellschaft wahrzunehmen und damit deren rechtsgeschäftlichen Handlungsbereich in für diese unzumutbarer Weise verengt5.
137
In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung die Amtsniederlegung eines Geschäftsleiters in der wirtschaftlichen Krise oder nach Einreichung eines Insol1 2 3 4 5
Küttner/Kania, Insolvenz des Arbeitgebers Rz. 3. BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NJW 2003, 2473. Ausführlich Stiller, NZA 2005, 330. Ausführlich Fichtelmann, GmbHR 2008, 76. OLG Celle v. 4.2.2004 – 9 U 203/03, GmbHR 2004, 425.
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Rz. 142 Teil 5
Krise und Insolvenz
venzantrags darüber hinaus für rechtsmissbräuchlich und sogar unwirksam gehalten. So bei einem alleinigen geschäftsführenden Gesellschafter einer GmbH, mit der Folge, dass ihn weiterhin seine Organpflichten treffen und er wegen deren Nichterfüllung haftet1. Liegt kein wichtiger Grund (die Insolvenzreife fällt hierunter nicht) für die Amtsniederlegung vor, so ist dem Geschäftsleiter daher zu raten, erst zum Wirksamkeitszeitpunkt seiner Dienstvertragskündigung das Amt niederzulegen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich unter Abwägung der berechtigten Belange der Gesellschaft sowie der berechtigten Interessen des Geschäftsleiters2.
138
bb) Kündigung des Dienst- bzw. Anstellungsvertrags durch die Führungskraft Für die Führungskraft (oder für den Arbeitgeber) ist die Unternehmenskrise oder die Stellung eines Insolvenzantrags für sich allein genommen kein Kündigungsgrund3.
139
Ob und zu welchem Zeitpunkt der Geschäftsleiter seinen Dienstvertrag kündigen kann, bestimmt sich nach allgemeinen Regeln (hierzu Teil 4 Rz. 1 ff.). Die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses bei erheblichem Lohnrückstand (hierzu sogleich unten) sind auf das Dienstverhältnis des Geschäftsleiters übertragbar.
140
Die Rechtsprechung4 hat entschieden, dass ein leitender Angestellter gemäß § 626 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt sein kann, wenn als wichtiger Grund erhebliche Lohnrückstände vorliegen. Dies gilt nach der Rechtsprechung jedenfalls dann, wenn der Lohnrückstand eine nicht unerhebliche Höhe erreicht oder der Verzug des Arbeitgebers mit der Lohnzahlung sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt und der Arbeitnehmer diesen Fehler abgemahnt hat oder wenn offensichtlich ist, dass die Insolvenzmasse zur Zahlung der Vergütung nicht ausreichen wird.
141
Der Arbeitgeber kann sich gegen die Kündigung wegen Lohnrückständen nicht auf die künftige Gewährung von Insolvenzgeld berufen (hierzu Rz. 221 ff.), denn dieses führt nicht zum Wegfall des Kündigungsrechts, weil sie das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitgebers nicht beseitigt. Ferner ist die vorherige Abmahnung des Arbeitgebers durch den leitenden Angestellten entbehrlich, wenn keine Aussicht auf Rückkehr des Arbeitgebers zum vertragskonformen Verhalten besteht, also wenn die Abmahnung aufgrund der wegen der Insolvenz unzureichenden Finanzmittel nicht erfolgversprechend ist5. Im Übrigen
142
1 BGH v. 8.10. 2009 – IX ZR 235/06 (Sonderfall des alleinigen geschäftsführenden Gesellschafters), GWR 2009, 430; OLG Dresden v. 20.10. 2004 – 3 W 966/04, NotBZ 2005, 112; offen gelassen in BGH v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, ZIP 1993, 430. 2 BGH v. 8.2.1993 – II ZR 58/92, GmbHR 1993, 216; v. 14.7.1980 – II ZR 161/79, GmbHR 1980, 270. 3 BAG v. 27.5.1993 – 2 AZR 601/92, NZA 1993, 845 für ein Ausbildungsverhältnis. 4 BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419, für ein Arbeitsverhältnis und Lohnrückstand von zwei bis drei Monatsgehältern. 5 BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419.
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Teil 5 Rz. 143
Besondere Unternehmenssituation
sei darauf hingewiesen, dass für den etwaigen Bezug von Arbeitslosengeld I keine Sperrzeit greift, weil für die Kündigung ein wichtiger Grund i.S.d. § 144 Abs. 1 Satz 3 SGB III vorliegt (hierzu Teil 4 Rz. 163 ff.).
c) Auswirkungen der Insolvenzantragstellung auf die Organkompetenzen der Geschäftsleitung 143
Im Unterschied zum Dienstverhältnis sind die Auswirkungen der Insolvenzantragstellung auf die organschaftlichen Kompetenzen eines Geschäftsleiters erheblich. Deren Inhalt und Umfang hängen in der Insolvenz ab von der Rechtsstellung des jeweiligen Insolvenzverwalters und von der jeweiligen Verfahrensart, dazu im Einzelnen später.
144
Der Geschäftsleitung stehen jedoch trotz Insolvenzantragstellung bis zur Verfahrenseröffnung weiterhin die gesellschaftsinternen Kompetenzen zu und sie hat die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Eintragungspflichtige Umstände sind also immer noch von der Geschäftsleitung zum Handelsregister anzumelden (z.B. bei der GmbH Satzungsänderungen, § 54 GmbHG, Einreichung der Gesellschafterliste, § 40 GmbHG, Änderung der Geschäftsleitung § 39 GmbHG) und ihr steht das Recht und die Pflicht zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung (§ 49 GmbHG) zu. Ein GmbH-Geschäftsführer hat also gemäß § 78 GmbHG weiterhin diese Pflichten zu erfüllen1.
145
Wurde z.B. ein zulässiger Fremdantrag eines Gläubigers auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, so hat das Insolvenzgericht die Geschäftsleitung nach § 14 Abs. 2 InsO als Vertretungsorgan des Schuldners zu hören. Das ist der Moment, in dem die Geschäftsleitung zu dem Insolvenzantrag Stellung nehmen kann: Will die Geschäftsleitung das Vorliegen des vom Gläubiger glaubhaft gemachten Insolvenzgrunds bestreiten, so hat sie dies schlüssig darzulegen und glaubhaft zu machen.
3. Führungskraft und vorläufiger Insolvenzverwalter: Die Ausgangslage 146
Nach dem Eingang eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet das Insolvenzgericht im nächsten Schritt gemäß § 21 InsO über Sicherungsmaßnahmen. Wie diese ausgestaltet sind, ist insbesondere für die Lage des Geschäftsleiters von Bedeutung. Dabei ist entscheidend, ob das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und wie es dessen Kompetenzen ausgestaltet. Hierzu hat das Insolvenzgericht mehrere Möglichkeiten. Je nachdem welche Möglichkeit es wählt, stellt sich die Situation des Geschäftsleiters unterschiedlich dar. Für leitende Angestellte ist dies von nachrangiger Bedeutung, denn für sie ändert sich allenfalls die Person, die ihnen gegenüber die Arbeitgeberfunktion wahrnimmt.
1 OLG Köln v. 11.7.2001 – 2 Wx 13/01, BB 2001, 2180.
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Rz. 150 Teil 5
Krise und Insolvenz
a) Auskunftspflicht aller Führungskräfte Der vorläufige Insolvenzverwalter wird in aller Regel unmittelbar nach seiner Bestellung Kontakt mit der Geschäftsleitung aufnehmen und persönlich im Unternehmen vorstellig werden. Die Geschäftsleitung und leitende Angestellte müssen dem vorläufigen Insolvenzverwalter aufgrund § 22 Abs. 3 InsO ermöglichen, die Geschäftsräume des Schuldners zu betreten und dort Nachforschungen anzustellen. Sie haben ihm Einsicht in alle (z.B. für die Entscheidung über den Insolvenzantrag) relevanten Unterlagen zu gewähren, ihm erforderliche Auskünfte zu erteilen und ihn zu unterstützen. Sie haben dem Verwalter von sich aus wahrheitsgemäß alle wesentlichen Sachverhalte, die dieser zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, mitzuteilen. Der Verwalter wird sein Auskunftsbegehren zumeist auf die Geschäftsleitung konzentrieren.
147
Im Erstgespräch mit dem Verwalter sollte die Geschäftsleitung kooperativ und offen sein und Konfrontationen vermeiden. Insolvenzverwalter haben häufig die Erfahrung gemacht, dass sie von der Geschäftsleitung umso engagierter unterstützt werden, je weniger Haftungsrisiken die Geschäftsleitung für sich befürchtet. Dies sollte genutzt werden, um einen positiven Eindruck zu vermitteln. Klar ist allerdings auch, dass der vorläufige Insolvenzverwalter Material suchen und sichten wird, um etwaige Haftungsansprüche gezielt gegen eine Führungskraft (in der Praxis sind dies die Geschäftsleiter) geltend zu machen. Darüber sollte sich insbesondere die Geschäftsleitung stets bewusst sein. Zwar hat ein Geschäftsleiter auch solche Tatsachen zu offenbaren, die zu seiner strafrechtlichen Verfolgung führen können. Im Gegenzug soll er aber durch § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO geschützt werden, der die Verwertung einer solchen Auskunft im Strafprozess verbietet. Die Reichweite dieses Beweisverwertungsverbots ist jedoch umstritten1, so dass die rückhaltlose Offenbarung eigenen Fehlverhaltens wohl überlegt sein sollte und die Einholung von Rechtsrat anzuraten ist. Zudem ist zu beachten, dass das Verwertungsverbot nicht für Auskünfte gilt, die einem Sachverständigen, der nicht vorläufiger Insolvenzverwalter ist, erteilt wurden2.
148
Kommen die Führungskräfte ihren Auskunftspflichten nicht nach, kann das Insolvenzgericht nach § 98 InsO den Geschäftsleiter zwangsweise vorführen lassen oder sogar in Haft nehmen. Die Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gelten gemäß § 101 Abs. 2 InsO auch für (frühere) Angestellte bzw. frühere Geschäftsleiter (§ 101 Abs. 1 Satz 2 InsO) des Schuldners, die nicht früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag ausgeschieden sind und sind sanktionsbewehrt3.
149
Im Übrigen ist für die Rechtsstellung von Führungskräften danach zu unterscheiden, ob ein sog. schwacher oder starker vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Die Bestellung eines schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters ist weitgehend der Regelfall.
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1 Hamburger Kommentar/Wendler, § 97 Rz. 9 ff. 2 Thür. OLG v. 12.8.2010 – 1 Ss 45/10, NJW 2010, 3673. 3 Ausführlich Uhlenbruck, NZI 2002, 401.
M. Liebscher
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Teil 5 Rz. 151
Besondere Unternehmenssituation
b) Kompetenzenabgrenzung zwischen vorläufigem Insolvenzverwalter und Geschäftsleitung 151
Zwar kann das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 22 InsO mit unterschiedlichen Kompetenzen ausstatten, doch grundsätzlich gilt immer: Im Innenverhältnis zum Insolvenzschuldner darf der vorläufige Insolvenzverwalter von der ihm eingeräumten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur im Rahmen des Sicherungszwecks Gebrauch machen. Rechtliches Können und rechtliches Dürfen sind also nicht deckungsgleich. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist grundsätzlich nicht berechtigt, das Vermögen des Insolvenzschuldners zu verwerten und ist ohne ausdrückliche insolvenzrichterliche Anordnung nicht befugt, die Unternehmensführung gegen ihren Willen zu bestimmten Handlungen zu zwingen1. Bei Meinungsunterschieden sollte die Geschäftsleitung daher nicht vorschnell auf ihre Position verzichten, sondern versuchen, eine für sie vorteilhafte Konsenslösung zu erreichen, es sei denn, der vorläufige Verwalter verfügt wegen der Möglichkeit der Kündigung des Dienstverhältnisses über Druckpotential.
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Die Geschäftsleitung ist grundsätzlich noch befugt, Anträge zum Handelsregister zu stellen oder gegen gerichtliche Entscheidungen im Anmeldeverfahren Rechtsmittel einzulegen. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist allerdings zur Anmeldung solcher Angelegenheiten berechtigt, die im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Rechte zur Sicherung (bzw. Verwaltung und Verwertung im eröffneten Verfahren) der Insolvenzmasse eintreten, z.B. die Anmeldung einer Firmenänderung im Falle der Veräußerung der bisherigen Firma, des Ausscheidens eines Kommanditisten oder des Ausscheidens eines Gesellschafters bei einer in Insolvenz befindlichen OHG. Der (vorläufige) Verwalter verdrängt also nur für den Bereich seiner Aufgaben in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Kompetenzen der Geschäftsleitung. Dies gilt nach Insolvenzeröffnung gleichermaßen2.
153
Weisungen der Gesellschafter sind für die Geschäftsleitung demgemäß nur bindend, wenn sie auch nach allgemeinen Regeln bindend gewesen wären und nicht in die Rechte des (vorläufigen) Insolvenzverwalters eingreifen oder den Zielen des Insolvenzverfahrens entgegenlaufen.
c) Motivation des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Kündigung von Anstellungs- und Dienstverträgen 154
In der Praxis ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter häufig geneigt, bereits im Eröffnungsverfahren die Kündigung von Anstellungsverträgen herbeizuführen (zur Frage der Kündigungsbefugnis Rz. 163 ff., 167, 173 ff.). Damit kann er nämlich die Entstehung vorrangig zu befriedigender Masseverbindlichkeiten (hierzu Rz. 202 ff.) verhindern und durch Kosteneinsparung die Sanierungschancen für das insolvente Unternehmen erhöhen. Typischerweise werden Anstellungsverträge im Eröffnungsverfahren gekündigt, wenn das Vertrauensver1 BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZInsO 2002, 819. 2 OLG Köln v. 11.7.2001 – 2 Wx 13/01, BB 2001, 2180.
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Rz. 159 Teil 5
Krise und Insolvenz
hältnis zum leitenden Angestellten gestört ist oder dieser für die schlechte Motivation der Belegschaft verantwortlich gemacht wird. Mit dem Ziel einer Kostenersparnis sind Kündigungen auf Führungsebene zudem häufig, wenn Übernahmeverhandlungen mit einem Erwerber aufgrund eines Sanierungskonzepts weit fortgeschritten sind und dieser Führungskräfte ersetzen oder einsparen möchte. Für die Dienstverträge der Geschäftsleitung sieht die Situation in den allermeisten Praxisfällen anders aus, denn die große Mehrheit der Dienstverträge ist befristet und ohne Kündigungsmöglichkeit geschlossen, so dass eine Kündigungsmöglichkeit für den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht eröffnet ist. Allenfalls durch einen Aufhebungsvertrag oder nach Insolvenzverfahrenseröffnung im Wege des Sonderkündigungsrechts nach § 113 InsO kann eine Beendigung herbeigeführt werden, dazu Rz. 186 ff.
155
4. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter Das Gericht bestellt einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter im Eröffnungsverfahren, wenn dem Insolvenzschuldner nicht gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO ein Verfügungsverbot auferlegt wird. Dies ist in der Praxis der Regelfall.
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a) Geschäftsleiter Die Geschäftsleitung kann und muss weiterhin den Schuldner wirksam vertreten, solange nicht bestimmte Handlungen der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedürfen (hierzu Rz. 160 ff.). Die Geschäftsleitung führt also das Unternehmen im vorläufigen Insolvenzverfahren fort, nicht der schwache vorläufige Insolvenzverwalter. Sie hat auch dafür Sorge zu tragen, dass Abführungspflichten (z.B. die Zahlung von Steuern und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen) pünktlich erfüllt werden, andernfalls haftet der Geschäftsleiter (hierzu Rz. 69 f.). Denn die Geschäftsleitung wird vom vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus ihrer Pflichtenstellung verdrängt und ist an einer Zahlung der abzuführenden Beiträge/Steuern nicht grundsätzlich gehindert1. Stehen nicht mehr ausreichend Finanzmittel zur Verfügung, sind die Abführungspflichten anteilig zu erfüllen.
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Auch die Arbeitgeberfunktion verbleibt beim Insolvenzschuldner. Dieser ist daher nach wie vor zur Kündigung des unverändert fortgeltenden Dienstvertrages befugt.
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b) Leitende Angestellte Für leitende Angestellte ergeben sich keine neuen Rechtsfolgen: Ihr Anstellungsvertrag gilt unverändert fort, kündigungsbefugt ist der Insolvenzschuldner.
1 BFH v. 3.12.2004 – VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665.
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Teil 5 Rz. 160
Besondere Unternehmenssituation
5. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt 160
Anders sieht die Situation aus, wenn das Insolvenzgericht einen sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt.
a) Geschäftsleiter 161
Verfügungen der Geschäftsleitung über Gegenstände des Vermögens des Insolvenzschuldners sind dann nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Verwalters wirksam. Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Abführungspflichten sind aber weiterhin von der Geschäftsleitung zu erfüllen – wenn auch nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters – und ggf. anteilig, falls die Mittel nicht ausreichen. Daher sollte die Geschäftsleitung den Insolvenzverwalter rechtzeitig schriftlich auffordern, jeder einzelnen Zahlung zuzustimmen und dies dokumentieren. Dann ist die Geschäftsleitung exkulpiert. So sollte auch verfahren werden, wenn ein Betrieb vorläufig fortgeführt wird, denn dies hat zur Folge, dass die Geschäftsleitung nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters Verträge abschließen, Bestellungen auslösen, Forderungen einziehen, über Bankguthaben verfügen oder Vermögensgegenstände verwerten kann.
b) Leitende Angestellte 162
Leitende Angestellte müssen beachten, dass für Rechtshandlungen des Insolvenzschuldners die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters notwendig ist.
c) Kündigungsbefugnis für Dienst- und Anstellungsverträge 163
Geschäftsleiter und leitende Angestellte sollten hinsichtlich der Kündigungsbefugnis für Dienst- und Anstellungsverträge beachten, dass trotz des Zustimmungsvorbehalts zugunsten des vorläufigen Insolvenzverwalters die Arbeitgeberfunktion beim Insolvenzschuldner verbleibt, dieser also kündigungsbefugt ist und nicht der schwache vorläufige Verwalter1.
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Wurde der Dienst- oder Anstellungsvertrag also vom schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter gekündigt und hat es dieser versäumt, gegenüber der Führungskraft seinen angeblichen Willen, als Vertreter zu handeln, erkennbar zu machen und im eigenen Namen gekündigt, ist die Kündigung wegen mangelnder Kündigungsbefugnis unwirksam und auch eine nachträgliche Genehmigung gemäß §§ 180, 177 BGB ausgeschlossen2.
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Ein zweiter Fallstrick für eine wirksame Kündigung ist, dass der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame rechtsgeschäftliche Verfügungen des Insolvenzschuldners durch Verweigerung seiner Zustimmung verhindern kann. Dies 1 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, NZA 2003, 909. 2 LAG Hamm v. 10.2.2003 – 2 Sa 1472/03, ZInsO 2004, 403.
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Rz. 169 Teil 5
Krise und Insolvenz
verkompliziert die Kündigung von Dienst- und Anstellungsverträgen und ist für Führungskräfte vorteilhaft. Denn bei der Kündigung eines Dienst- oder Anstellungsvertrags handelt es sich um eine Verfügung über das Vermögen des Insolvenzschuldners. Deswegen kann die Führungskraft die Kündigung analog §§ 174 Satz 1, 111 Satz 2 i.V.m. § 182 Abs. 3, 623 BGB unverzüglich zurückweisen, wenn der Insolvenzschuldner kündigt, ohne die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters in schriftlicher Form vorzulegen1. Wenn bevollmächtigte Unterzeicher (z.B. Rechtsanwälte aus der Sozietät des vorläufigen Insolvenzverwalters) namens des Verwalters der Kündigung zustimmen (dies ist in der Praxis häufig der Fall), ist die Vorlage der Einwilligung in schriftlicher Form für den bevollmächtigten Unterzeichner notwendig. Es kommt immer wieder vor, dass dies versehentlich unterbleibt. Weist die Führungskraft in einem solchen Fall die Kündigung unverzüglich zurück, ist diese unwirksam.
6. Führungskraft und schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter mit Einzelermächtigung Darüber hinaus greift die Praxis für aussichtsreiche Betriebsfortführungen häufig auf die Figur des sog. schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters mit Einzelermächtigung zurück. Der Verwalter wird dafür durch einen separaten Beschluss des Insolvenzgerichts im laufenden Eröffnungsverfahren ermächtigt, einzelne, vorweg festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen und damit im Ergebnis Masseverbindlichkeiten (hierzu Rz. 202 ff.) zu begründen, z.B. durch Vereinbarung eines vorrangig zu befriedigenden Massekredits, um die Unternehmensfortführung durch Liquiditätszufuhr unter Stellung von Sicherheiten zu ermöglichen2.
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Die Befugnisse der Geschäftsleitung hinsichtlich Rechtsgeschäften oder Verfügungen, für die dem vorläufigen Insolvenzverwalter Einzelermächtigung erteilt wurde, gehen auf diesen über. Die Geschäftsleitung verliert dann insoweit ihre Verfügungsbefugnis. Das Insolvenzgericht kann bspw. auch zur Kündigung von Dienst- und Anstellungsverhältnissen der Führungskräfte den schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter ermächtigen3, der dann in die Arbeitgeberfunktion eintritt und für Kündigungen allein zuständig ist.
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Die Geschäftsleitung sollte sich ausdrücklich versichern, ob die Abführungspflichten des Insolvenzschuldners, z.B. zugunsten der Sozialversicherungsträger und des Finanzamts von der Einzelermächtigung erfasst sind. Andernfalls hat die Geschäftsleitung für die Zahlungen zu sorgen und haftet bei deren Unterbleiben.
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7. Führungskraft und starker vorläufiger Insolvenzverwalter Die Bestellung eines sog. starken vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt, indem das Insolvenzgericht dem Insolvenzschuldner ein allgemeines Verfügungs1 BAG v. 10.10.2002 – 2 AZR 532/01, NZA 2003, 909. 2 Zur Ausgestaltung im Einzelnen Hamburger Kommentar/Schröder, § 22 Rz. 90 ff. 3 BGH v. 18.7.2002 – IX ZR 195/01, ZInsO 2002, 819.
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Teil 5 Rz. 170
Besondere Unternehmenssituation
verbot auferlegt und damit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf den vorläufigen Verwalter übergeht, § 80 InsO. Die Bestellung starker vorläufiger Verwalter erfolgt nur selten, denn gemäß § 55 Abs. 2 InsO begründet der starke vorläufige Insolvenzverwalter durch seine Handlungen Masseverbindlichkeiten, was ihn einem erheblichen Haftungsrisiko aussetzt (vgl. § 61 InsO).
a) Geschäftsleiter 170
Die Geschäftsleitung verliert bei Bestellung eines starken vorläufigen Insolvenzverwalters ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis für das Vermögen des Insolvenzschuldners vollständig und ist nicht mehr befugt, die Gesellschaft nach außen zu vertreten. Im Außenverhältnis erhält der vorläufige Insolvenzverwalter rechtlich die Stellung des Insolvenzverwalters wie im eröffneten Insolvenzverfahren nach § 80 bis § 82 InsO. Verfügungen der Geschäftsleitung für das Vermögen des Insolvenzschuldners sind gemäß §§ 24 Abs. 1, 81 InsO absolut unwirksam.
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Die Abführungspflichten der Geschäftsleitung (z.B. Zahlung von Steuern und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen) treffen nun den vorläufigen Insolvenzverwalter. Erfüllt dieser die Pflichten nicht, ist dies für die Geschäftsleitung unerheblich, sie braucht den starken vorläufigen Insolvenzverwalter auch nicht zu überwachen1.
b) Leitende Angestellte 172
Die Kompetenzen der leitenden Angestellten bleiben unverändert, ihr Anstellungsvertrag gilt unverändert fort.
c) Dienst- oder Anstellungsverhältnis 173
Für Rechtshandlungen in Bezug auf das Dienst- oder Anstellungsverhältnis von Führungskräften ist der starke vorläufige Insolvenzverwalter zuständig. Er rückt in die Arbeitgeberposition ein, § 22 InsO. Es greifen grundsätzlich die außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden vertraglichen Vereinbarungen und dienst- sowie arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Die besondere insolvenzrechtliche, verkürzte Sonderkündigungsfrist für Dienst- und Anstellungsverhältnisse (§ 113 InsO, hierzu Rz. 186 ff.) gilt für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter nicht, auch nicht analog2. Eine Zustimmung des Insolvenzgerichts zur Kündigung durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter ist nicht notwendig3.
1 BFH v. 3.12.2004 – VII B 178/04, BFH/NV 2005, 661. 2 BAG v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, ZInsO 2005, 1342. 3 BAG v. 27.10.2005 – 6 AZR 5/05, ZInsO 2006, 388.
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Rz. 179 Teil 5
Krise und Insolvenz
8. Klagen im Insolvenzeröffnungsverfahren gegen die Kündigung von Dienst- oder Anstellungsvertrag Im Insolvenzeröffnungsverfahren hat die Führungskraft ihre Feststellungsklage gegen die Kündigung des Dienstverhältnisses (Geschäftsleiter) bzw. die Kündigungsschutzklage wegen des Anstellungsverhältnisses (leitende Angestellte) gegen den Inhaber der Arbeitgeberstellung zu richten, d.h. gegen den Insolvenzschuldner, wenn das Insolvenzgericht hinsichtlich der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht etwas anderes angeordnet hat. Bei sog. starker vorläufiger Verwaltung muss die Führungskraft gegen den vorläufigen Verwalter klagen. Ist ein Kündigungsrechtsstreit bereits vor Insolvenzantragstellung anhängig und wurde starke vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet, so wird dieser Rechtsstreit gem. § 240 ZPO unterbrochen, hierzu Rz. 2011. Für die Frage, ob für die Geschäftsleitung oder für leitende Angestellte die auch in der Insolvenz grundsätzlich anwendbaren Kündigungsschutzregeln im konkreten Fall einschlägig sind, gelten die allgemeinen Regeln2, hierzu Teil 4 Rz. 1 ff.
174
9. Die Führungskraft im eröffneten Insolvenzverfahren Kommt das Insolvenzgericht auf Grundlage des Massegutachtens des Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass ein Insolvenzgrund vorliegt und ausreichend Masse vorhanden ist, um die voraussichtlichen Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, so wird das Insolvenzverfahren eröffnet und, sofern nicht Eigenverwaltung (hierzu Rz. 191) angeordnet wird, ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser ist aus Zweckmäßigkeitsgründen zumeist personenidentisch mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter.
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Die Informationsrechte des Insolvenzverwalters und Mitwirkungspflichten der (früheren) Geschäftsleitung und leitenden Angestellten sind gleich denen im Eröffnungsverfahren (hierzu Rz. 147 ff.).
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a) Situation des Geschäftsleiters Der Geschäftsleiter ist weiterhin Organ der Gesellschaft und einige wenige gesellschaftsinterne Kompetenzen und damit auch Pflichten verbleiben bei ihm und sind von ihm zu erfüllen (hierzu Rz. 152). Darüber hinaus hat die Geschäftsleitung aber keine Kompetenzen mehr, denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht vollständig auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO.
177
Eine Kündigung des Dienstvertrags des Geschäftsleiters durch den Insolvenzverwalter führt nicht zur Beendigung der Organstellung. Hierfür ist weiterhin die Abberufung durch das jeweils zuständige Gesellschaftsorgan notwendig, § 46 Nr. 5 GmbHG, § 104 GenG oder § 84 Abs. 3 AktG.
178
Weisungen der Gesellschafter an die Geschäftsleitung sind dann bindend, wenn sie auch nach allgemeinen Regeln bindend gewesen wären und nicht in
179
1 BAG v. 18.10.2006 – 2 AZR 563/05, ZIP 2007, 745. 2 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387.
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Teil 5 Rz. 180
Besondere Unternehmenssituation
die Rechte des Insolvenzverwalters eingreifen oder den Zielen des Insolvenzverfahrens entgegenlaufen. Sie können aber schlechterdings nur gesellschaftsinterne Kompetenzen der Geschäftsleitung betreffen oder Vermögen des Insolvenzschuldners, das nicht als Insolvenzmasse zu qualifizieren ist, also sog. freies Vermögen. 180
Der Dienstvertrag des Geschäftsleiters dauert fort. Dieser ist in den allermeisten Fällen befristet ohne eine Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung. Der Insolvenzverwalter wird daher oftmals versuchen, den Dienstvertrag durch einen Aufhebungsvertrag zu beenden, um nicht die dreimonatige Kündigungsfrist des Sonderkündigungsrechts aus § 113 InsO (hierzu Rz. 186 ff.) beachten zu müssen, was die Entstehung einer für den Verwalter ungünstigen Masseverbindlichkeit zur Folge hat. Sollte der Geschäftsleiter daher nach § 626 BGB Anlass für eine außerordentliche Kündigung geben, wird der Insolvenzverwalter diese Möglichkeit der Beendigung des Dienstvertrages zumeist nutzen.
181
Erfolgt in der Insolvenz ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB, geht der Dienstvertrag nicht auf den Erwerber über, denn Dienstverhältnisse der Geschäftsleiter werden von § 613a BGB nicht erfasst1.
b) Handlungsempfehlung für Geschäftsleiter 182
Der Geschäftsleiter hat nach Verfahrenseröffnung i.d.R. faktisch keine wesentlichen Zuständigkeiten mehr inne und wird vom Insolvenzverwalter nicht mehr benötigt, obwohl sein Dienstvertrag weiter wirksam ist. Hierüber sollte der Geschäftsleiter sich im Klaren sein und seine Leistungen tatsächlich und auch schriftlich dem Insolvenzverwalter anbieten, um diesen in Annahmeverzug zu setzen und hierdurch seine Vergütungsansprüche zu erhalten. Dadurch entstehen für den Verwalter ungewollte Kosten (also Masseverbindlichkeiten). Dies kann der Geschäftsleiter zur Durchsetzung eigener Interessen bei der Verhandlung über einen Aufhebungsvertrag nutzen und ggf. versuchen, durch die Vereinbarung einer Abgeltungsklausel eine Haftung z.B. wegen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht oder der Kapitalerhaltungspflicht auszuschließen.
183
Wesentlich besser ist die Verhandlungsposition des Geschäftsleiters, wenn er über bestimmtes Know-how verfügt, das der Insolvenzverwalter zur Betriebsfortführung unbedingt benötigt. Dies kann bspw. eine besonders enge Kundenbindung an den Geschäftsleiter sein oder besonderes, unentbehrliches technisches Wissen, über welches nur der Geschäftsleiter verfügt. Dann sind Insolvenzverwalter u.U. im Wege einer informellen, undokumentierten Absprache bereit, etwaige Haftungsansprüche nicht zu verfolgen, wenn im Gegenzug der Geschäftsleiter für längere Zeit (z.B. bis zum Antritt einer neuen Geschäftsleiterposition) bereit ist, unentgeltlich im insolventen Unternehmen mitzuarbeiten.
1 BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NJW 2003, 2473.
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Rz. 189 Teil 5
Krise und Insolvenz
c) Situation der leitenden Angestellten Für die leitenden Angestellten hat nun der Insolvenzverwalter die Arbeitgeberfunktion inne, sonst ändert sich für sie – abgesehen vom Sonderkündigungsrecht in § 113 InsO (siehe Rz. 186 ff.) – zunächst nichts. Erfolgt in der Insolvenz ein Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB, gehen die Anstellungsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehen, auf den Erwerber über. Dies gilt allerdings mit der Maßgabe, dass der Betriebserwerber nicht für Altschulden aus den Anstellungsverhältnissen haftet, die vor Insolvenzeröffnung verdient wurden1.
184
Den leitenden Angestellten ist anzuraten, die Weisungen des Insolvenzverwalters umzusetzen und möglichst konfliktfrei zu kooperieren.
185
d) Sonderkündigungsrecht für Dienst- und Anstellungsvertrag Mit Eröffnung stehen sowohl dem Insolvenzverwalter als auch der Führungskraft hinsichtlich des Dienstverhältnisses2 ein Sonderkündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende (falls keine kürzere Frist maßgeblich ist) zu, § 113 InsO. Diese Frist verdrängt alle tarif- oder individualvertraglich vereinbarten längeren Fristen oder eine festgelegte Unkündbarkeit. Die Kündigungsfristen berechnen sich ab dem wirksamen Zugang der Kündigung.
186
aa) Anwendungsbereich Das Sonderkündigungsrecht gilt auch für sog. Nachkündigungen, also wenn der Insolvenzschuldner der Führungskraft zwar schon zuvor gekündigt hatte, der Insolvenzverwalter nun aber erneut kündigen möchte, um den Vorteil der kürzen Frist des § 113 Satz 2 InsO zu nutzen3.
187
Handelt für den Insolvenzverwalter ein Bevollmächtigter (z.B. ein Sozius aus der Kanzlei des Verwalters), so ist § 174 Satz 1 BGB zu beachten. Die Führungskraft kann also eine Kündigung ihres Dienst- oder Anstellungsvertrag zurückweisen, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde des Insolvenzverwalters nicht vorlegt.
188
bb) Kündigungsschutz, Schadensersatz Für die Frage, ob für die Geschäftsleitung oder für leitende Angestellte die auch in der Insolvenz grundsätzlich anwendbaren Kündigungsschutzregeln im konkreten Fall einschlägig sind, gelten die allgemeinen Regeln4 (hierzu Teil 4 Rz. 1 ff.). Will ein leitender Angestellter gegen die Kündigung vorgehen, so hat 1 BAG v. 20.6.2002 – 8 AZR 459/01, BB 2003, 423. 2 Handelt es sich dagegen um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, so erlischt dieser nach §§ 115, 116 InsO mit Insolvenzeröffnung und muss vom Insolvenzverwalter nicht gekündigt werden. Liegt ein Werkvertrag vor, so kann der Insolvenzverwalter sich von diesem lösen indem er Nichterfüllung des Vertrags wählt nach § 103 InsO. 3 BAG v. 26.7.2007 – 8 AZR 769/06, Rz. 58, NZA 2008, 112. 4 BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, NZA 2007, 387.
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Teil 5 Rz. 190
Besondere Unternehmenssituation
er die Unwirksamkeit einer ausgesprochenen Kündigung gem. § 4 KSchG binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch Klage gegen den Insolvenzverwalter beim Arbeitsgericht geltend zu machen1. 190
Die Führungskraft kann den durch Verkürzung der Kündigungsfrist eingetretenen Verfrühungsschaden wegen vorzeitiger Beendigung des Dienst- oder Anstellungsverhältnisses ausschließlich als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden, § 113 Satz 3 InsO. Dabei ist die längste ordentliche Kündigungsfrist maßgeblich2. Da der Anspruch jedoch als Insolvenzforderung nur quotal befriedigt wird, ist er für die Führungskraft wirtschaftlich nicht sonderlich attraktiv. Schließt die Führungskraft mit dem Insolvenzverwalter einen Aufhebungsvertrag, so besteht kein Anspruch auf Ersatz des Verfrühungsschadens3.
e) Sonderfall Eigenverwaltung 191
Die Anordnung der Eigenverwaltung erfolgt gem. §§ 270 ff. InsO mit der Bestellung eines Sachwalters, wenn der Insolvenzschuldner (unter Zustimmung des Insolvenz beantragenden Gläubigers) dies beantragt hat und nicht zu erwarten ist, dass die Eigenverwaltung zu einer Verfahrensverzögerung oder sonstigen Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Die Situation der Führungskräfte bei Anordnung der Eigenverwaltung unterscheidet sich ganz wesentlich von der bei Bestellung eines Insolvenzverwalters. Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners verbleibt bei diesem, also bei der Geschäftsleitung. Die arbeitsrechtlichen Vorschriften (z.B. §§ 113, 120 ff. InsO) gelten nach § 279 InsO mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Insolvenzverwalters der Insolvenzschuldner tritt und dieser die Rechte aus §§ 120, 122 und 126 InsO nur mit Zustimmung des Sachwalters ausüben kann. Der Insolvenzschuldner behält also seine Arbeitgeberstellung gegenüber den Führungskräften, wobei das Sonderkündigungsrecht aus § 113 InsO im Einvernehmen mit dem Sachwalter auszuüben ist, § 279 Satz 2 InsO4. Die Eigenverwaltung wird in der Praxis nur selten angeordnet, soll aber nach dem ESUG verstärkt zum Einsatz kommen.
10. Vergütungsansprüche der Führungskraft 192
Die Führungskraft hat bis zum Wirksamwerden einer Kündigung Anspruch auf Vergütung und hat im Gegenzug ihre Dienste zur Verfügung zu stellen. Hinsichtlich des Vergütungsanspruchs ist zu unterscheiden, ob dieser die Zeit vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft. Vorab wird kurz auf die Gefahr der Anfechtbarkeit erhaltener Vergütungszahlungen eingegangen.
1 BAG v. 18.4.2002 – 8 AZR 347/01, ZInsO 2002, 1198. 2 BAG v. 16.5.2007 – 8 AZR 772/06, Rz. 27, ZIP 2007, 1829. 3 BAG v. 25.4.2007 – 6 AZR 622/06, Rz. 26, ZIP 2007, 1875. Zur Möglichkeit des Rücktritts vom Aufhebungsvertrag in der Insolvenz Besgen, NZA-RR 2010, 561. 4 Ausführlich Lakies, BB 1999, 1759.
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Rz. 197 Teil 5
Krise und Insolvenz
a) Anfechtbarkeit erfolgter Vergütungszahlungen Problematisch ist, ob die an die Führungskraft bereits erfolgte Zahlung von Vergütung nach §§ 129 ff. InsO vom Insolvenzverwalter angefochten werden kann. Folge der Anfechtung ist, dass die Führungskraft die anfechtbar gezahlte Vergütung an die Insolvenzmasse nach § 143 InsO zurückzahlen muss, obwohl sie ihrerseits die geschuldete Leitung erbracht hat1. Als Ausgleich erhält die Führungskraft zwar eine Insolvenzforderung auf Vergütungszahlung (hierzu Rz. 199 ff.). Diese ist aber zumeist wirtschaftlich unattraktiv.
193
In der Praxis ist für die Anfechtbarkeit oftmals entscheidend, ob die Führungskraft im Zeitpunkt der Vergütungszahlung wusste, dass der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist, bzw. Umstände kannte, die auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Liegen die Voraussetzungen für eine Anfechtung vor, so ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Vergütungszahlung anzufechten.
194
aa) Geschäftsleiter Schwierig ist die Situation für Geschäftsleiter. Der BGH hat z.B. die Anfechtbarkeit von Vergütungszahlungen an einen Bauleiter vor dem Hintergrund der Höhe aufgelaufener Vergütungsrückstände und seiner Kenntnis von den ökonomischen und wirtschaftlichen Hintergründen des Unternehmens aufgrund seiner langjährigen leitenden Stellung bejaht2. Der Bauleiter war demnach im Zeitpunkt der Vergütungszahlung in der Lage, sich ein eindeutiges Urteil über die Liquiditätsgesamtlage seines Arbeitgebers zu bilden. Liegen diese Voraussetzungen vor (dies wird bei Geschäftsleitern regelmäßig der Fall sein), bleibt nur die Stellung eines Insolvenzantrags und die Beschränkung auf den Insolvenzgeldzeitraum von drei Monaten.
195
Ein Entgegenkommen der Führungskraft im Wege des „Stillhaltens“ trotz ausstehender Vergütung in der Hoffnung, dass eine Insolvenz vermieden werden kann und rückständige Vergütung später gezahlt wird, ist in solchen Fällen also regelmäßig nur dann ratsam, wenn die Führungskraft trotz Insolvenz ihre Zukunft weiter im insolvenzreifen Unternehmen sieht. Die Gründe hierfür können ganz unterschiedlich sein, z.B. dass andere Anstellungsperspektiven nicht bestehen oder dass die Führungskraft das Unternehmen aus der Insolvenz übernehmen möchte.
196
Sieht die Führungskraft realistischerweise keine Perspektive im insolvenzreifen Unternehmen, sollte sie daher die Teilzahlungen annehmen, unverzüglich beim Arbeitgeber den ausstehenden Rest geltend machen, ggf. aus einem Titel vollstrecken und die so erlangten Gelder wirtschaftlich vorhalten bis sicher ist, dass ein Insolvenzverwalter keine Anfechtung geltend machen wird. Letzteres ist z.B. der Fall, wenn die Verjährung des Anfechtungsanspruchs nach Ablauf von drei Jahren seit Ende des Jahres der Insolvenzverfahrenseröffnung eingetreten ist, § 146 InsO.
197
1 Dies gilt auch, wenn der vorläufige Verwalter der Zahlung von (Alt-)Vergütung zugestimmt hatte. BAG v. 27.10.2004 – 10 AZR 123/04, NZA 2005, 473. 2 BGH v. 15.10.2009 – IX ZR 201/08, NZA-RR 2010, 198.
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Teil 5 Rz. 198
Besondere Unternehmenssituation
bb) Leitende Angestellte 198
Leitende Angestellte können gegen eine Anfechtung Folgendes einwenden: Für einfache Arbeitnehmer (konkret: Elektroinstallateur) hat der BGH1 entschieden, dass eine Anfechtung grundsätzlich nicht in Frage kommt, da diese die Liquiditätsgesamtlage des Unternehmens regelmäßig nicht kennen. Dies gilt nach Ansicht des BGH selbst dann, wenn ein Arbeitnehmer, dem der Arbeitgeber in der Krise noch Zahlungen auf rückständige Lohnforderungen erbringt, weiß, dass der Arbeitgeber außerdem noch anderen Arbeitnehmern Lohn schuldig ist. Denn diese Kenntnis allein rechtfertige nicht den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungseinstellung des Arbeitgebers. Diese Argumentation sollten sich leitende Angestellte zu Eigen machen.
b) Vergütungsanspruch als Insolvenzforderung 199
Offene Vergütungsansprüche der Führungskraft aus der Zeit vor Insolvenzverfahrenseröffnung sind Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO und von der Führungskraft binnen einer im Eröffnungsbeschluss bestimmten Frist zur Insolvenztabelle anzumelden (§ 174 InsO), unter Beifügung von Urkunden aus denen sich die Forderung ergibt. Regelmäßig ist dies eine Kopie des Dienst- bzw. Anstellungsvertrags sowie der Gehaltsrechnungen. Der Verwalter trägt die Forderung in die Insolvenztabelle ein, und in einem Prüfungstermin wird das Bestehen der Forderung geprüft, § 176 InsO. Nach Ablauf der Anmeldefrist (diese ist nach § 28 InsO keine Ausschlussfrist) sind Nachmeldungen bis zum Schluss des Insolvenzverfahrens gegen Zahlung zusätzlicher Kosten noch möglich, § 177 InsO2.
aa) Arbeits- oder Altersteilzeitverhältnis 200
Greift die seit dem 1. Juli 2004 bestehende Insolvenzsicherungspflicht nach § 8a ATZG nicht (dies ist z.B. für Altverträge der Fall), so werden Ansprüche der Führungskraft aus einem Arbeits- oder Altersteilzeitverhältnis3 gemäß § 108 Abs. 2 InsO Insolvenzforderungen, wenn es sich um solche „für“ die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens handelt. Die Abgrenzung erfolgt danach, wann die Führungskraft ihre Arbeitsleistung, die den Ansprüchen zugrunde liegt, erbracht hat. Hingegen kommt es nicht darauf an, wann der Arbeitnehmer die Zahlungen verlangen kann4. Der Anspruch der Führungskraft auf Altersteilzeitvergütung ist also eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO, wenn die Arbeitsphase des Blockmodells vor der Insolvenzeröffnung endet und somit die Vergütungsansprüche für die gesamte Altersteilzeit vollständig erarbeitet wurden5. 1 BGH v. 19.2.2009 – IX ZR 62/08, ZIP 2009, 526. 2 BGH v. 22.3.2007 – IX ZB 8/05, ZIP 2007, 876. 3 Näher Küttner/Kreitner, Altersteilzeit Rz. 15 f.; Kroth/Beck in: Braun, InsO, § 113 Rz. 38. 4 BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 672/03, DZWIR 2005, 428. 5 BAG v. 30.10.2008 – 8 AZR 54/07, Rz. 20, NZA 2009, 432.
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Rz. 204 Teil 5
Krise und Insolvenz
bb) Feststellungsklage Bestreitet der Insolvenzverwalter die von der Führungskraft angemeldete Vergütungsforderung nach Prüfung nicht nur vorläufig1, sollte die Führungskraft Klage auf Feststellung der Forderung zur Tabelle (nicht Zahlungsklage)2 gegen den Insolvenzverwalter erheben, § 180 Abs. 1 InsO. Bei einer von der Führungskraft wegen Vergütungsansprüchen vorinsolvenzlich erhobenen Klage wird der Rechtsstreit zunächst durch die Insolvenzverfahrenseröffnung gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Die Führungskraft hat dann ihre (ursprünglich klageweise geltend gemachte) Forderung beim Insolvenzverwalter anzumelden. Prüft und bestreitet dieser die Forderung, so kann die Führungskraft den unterbrochenen Rechtsstreit aufnehmen und hat ihren Klageantrag nach § 180 Abs. 2 InsO auf Feststellung der Forderung zur Tabelle umzustellen und gegen den Insolvenzverwalter (Parteiwechsel) zu richten.
201
c) Vergütungsanspruch als Masseverbindlichkeit Laufende Vergütungsansprüche der Führungskraft für die Zeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung sind Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Hierunter fallen auch vom Insolvenzverwalter neu begründete Dienstverhältnisse. Dies gilt auch für GmbH-Geschäftsführer, die nicht Gesellschafter sind3. Anderweitiger Verdienst ist anzurechnen4.
202
aa) Anwendungsfälle Die Führungskraft sollte dem Insolvenzverwalter ihre Dienste ausdrücklich anbieten und dies dokumentieren, um sich so ihren Vergütungsanspruch auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erhalten. Denn das Bestehen einer Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist nicht stets von der Erbringung der Arbeitsleistung abhängig. So bleibt der Insolvenzverwalter auch dann, wenn er den Betrieb unmittelbar mit Verfahrenseröffnung stilllegt, die Arbeitnehmer freistellt und damit ihre Dienste nicht mehr in Anspruch nimmt, nach § 615 BGB zur Vergütung verpflichtet, denn er befindet sich dann in Annahmeverzug5.
203
Nach der Sonderregel in § 55 Abs. 2 InsO sind Vergütungsansprüche aus einem vom starken vorläufigen Insolvenzverwalter (hierzu Rz. 169 ff.) begründeten Dienstverhältnis Masseverbindlichkeiten, wenn der Insolvenzverwalter für das von ihm verwaltete Vermögen die Dienstleistung der Führungskraft in Anspruch genommen hat6. War die Führungskraft also freigestellt, ist keine Masseverbindlichkeit entstanden.
204
1 Vorläufiges Bestreiten ist bei Vergütungsansprüchen oftmals der Fall, weil der Verwalter die Forderungsanmeldung der Arbeitsagentur wegen gezahltem Insolvenzgeld vor einer Feststellung der angemeldeten Vergütungsforderung abwartet. 2 BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, Rz. 15, ZIP 2006, 1366. 3 BGH v. 23.1.2003 – IX ZR 39/02, NZA 2003, 439. 4 BAG v. 22.11.2005 – 1 AZR 407/04, NZA 2006, 736. 5 BAG v. 6.9.2006 – 5 AZR 703/05, NZA 2007, 36. 6 BGH v. 18.7.2006 – IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625.
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Teil 5 Rz. 205
Besondere Unternehmenssituation
205
Ansprüche aus einem Altersteilzeitvertrag nach dem Blockmodell, die für die in der Insolvenz des Arbeitgebers liegende Arbeitsphase geschuldet werden, sind Masseverbindlichkeiten, denn die Arbeitsphase fällt in die Zeit nach Insolvenzeröffnung1.
206
Ansprüche der Führungskraft aus einem Sozialplan sind Masseforderungen, wenn der Plan nach Insolvenzverfahrenseröffnung aufgestellt worden war, § 123 Abs. 2 Satz 1 InsO2. War der Sozialplan nicht früher als drei Monate vor dem Insolvenzantrag aufgestellt worden, so greift § 124 InsO, der dem Insolvenzverwalter ein Widerrufsrecht einräumt. Unterbleibt ein Widerruf und war der Plan von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis i.S.v. § 55 Abs. 2 InsO abgeschlossen, so sind die Sozialplanansprüche Masseverbindlichkeiten, andernfalls Insolvenzforderungen nach § 38 InsO3.
bb) Rechtsfolge: Vorwegbefriedigung 207
Ist der Vergütungsanspruch eine Masseverbindlichkeit, so ist dies für die Führungskraft vorteilhaft, denn Masseverbindlichkeiten sind vor der Verteilung des aus der Verwertung der Insolvenzmasse erzielten Erlöses an die Insolvenzgläubiger vorweg aus der Masse zu berichtigen. Sie sind nicht zur Tabelle anzumelden. Die Führungskraft ist dann ein sog. Massegläubiger und berechtigt, ihre Ansprüche gerichtlich durch Leistungsklage gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen und aus einem Titel in die Insolvenzmasse zu vollstrecken.
cc) Sonderfall: Masseverbindlichkeiten bei Masseunzulänglichkeit 208
Komplizierter ist die Situation, wenn der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit (sog. „Muz“) anzeigt. Dann muss die Führungskraft hinsichtlich ihrer Vergütungsansprüche Vorsicht walten lassen, denn es greifen besondere Regeln.
209
Erweist sich, dass die Masse zwar zur Deckung der Insolvenzverfahrenskosten ausreicht, nicht aber zur Begleichung der Masseverbindlichkeiten, so hat der Insolvenzverwalter nach § 208 Abs. 1 InsO Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Die Masseverbindlichkeiten sind dann entsprechend der Rangordnung in § 209 InsO zu begleichen4. Für nicht erfüllbare Masseverbindlichkeiten haftet der Insolvenzverwalter gegenüber der Führungskraft auf Schadensersatz nach § 61 Satz 2 InsO, es sei denn er konnte bei Begründung der Verbindlichkeit nicht erkennen, dass die Masse zur Erfüllung voraussichtlich nicht ausreicht5. Für eine Schadensersatzklage der Führungskraft gegen den Insolvenzverwalter wegen der Begründung einer arbeitsrechtlichen Masseverbindlichkeit, die her1 2 3 4
BAG v. 23.2.2005 – 10 AZR 603/03, NZA 2005, 694. LAG Hamm v. 30.4.2010 – 10 TaBV 7/10, ZIP 2010, 2315. BGH v. 31.7.2002 – 10 AZR 275/01, NZA 2002, 1332. Zu Vollstreckung und Klageart wegen Masseverbindlichkeiten nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit Schaub/Linck, ArbR-Hdb., § 93 Rz. 38 ff. 5 BGH v. 6.5.2004 – IX ZR 48/03, NJW 2004, 3334.
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Rz. 214 Teil 5
Krise und Insolvenz
nach nicht aus der Masse erfüllt werden kann, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben1.
d) Vergütungsanspruch als Neumasse- bzw. nachrangige Masseverbindlichkeit Zeigt der Insolvenzverwalter Masseunzulänglichkeit an, wird er regelmäßig nicht gekündigte Dienst- oder Anstellungsverhältnisse beenden wollen, um die Entstehung weiterer Masseverbindlichkeiten zu verhindern. Die Vergütungsansprüche der Führungskraft werden dann unterschiedlich behandelt, je nachdem wann sie entstanden sind und ob die Führungskraft ihre Dienstleistung erbracht hat.
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Vergütungsansprüche der Führungskraft für die Zeit nach dem ersten Termin, zu dem der Insolvenzverwalter hätte kündigen können, nachdem die Masseunzulänglichkeit angezeigt war, sind gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO sog. Neumasseverbindlichkeiten des zweiten Ranges i.S.v. § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Eine spätere Kündigung/Freistellung ändert daran nichts2. Die Führungskraft sollte unnachgiebig die Erfüllung ihrer Ansprüche vom Verwalter verlangen. Zahlt der Verwalter nicht, sollte die Führungskraft ihr Zurückbehaltungsrecht an ihrer Arbeitsleistung schriftlich geltend machen und bei Vergütungsrückständen von mehr als einem Monat gegenüber dem Insolvenzverwalter ihr Anstellungs- bzw. Dienstverhältnis kündigen.
211
Aus Sicht des Verwalters bedeutet dies: Benötigt er die Führungskraft für die Abwicklung des masseunzulänglichen Verfahrens nicht mehr, hat er das Dienst- oder Anstellungsverhältnis mit Anzeige der Masseunzulänglichkeit unverzüglich zu kündigen, wenn er sich nicht schadenersatzpflichtig nach § 61 InsO machen will. Benötigt er die Führungskraft jedoch noch, um die Abwicklung des masseunzulänglichen Verfahrens fortzuführen, wird er so behandelt, als hätte er eine neue Masseverbindlichkeit begründet, denn es stand in seiner Macht, den Eintritt dieser Verbindlichkeit durch rechtzeitige Kündigung des Dienstvertrags zu verhindern.
212
Für die Frage der frühesten Kündigungsmöglichkeit ist die objektive Lage entscheidend. Gemeint ist nicht ein tatsächliches, sondern ein rechtliches Können und der Insolvenzverwalter hat zunächst die (formellen) Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung herbeizuführen3.
213
Kündigt der Verwalter zu dem in § 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO genannten Zeitpunkt und nimmt er die Leistung der Führungskraft nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit in Anspruch, so entsteht nach § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO eine Neumasseverbindlichkeit. Stellt der Verwalter die Führungskraft (zumeist unter Anrechnung von Urlaub) hingegen frei, sind Vergütungsansprüche der Führungskraft wegen Annahmeverzug nachrangige Masseforderungen nach § 209
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1 BGH v. 16.11.2006 – IX ZB 57/06, Rz. 9, ZIP 2007, 94. 2 BAG v. 25.1.2007 – 6 AZR 559/06, Rz. 4, 13 ff., ZIP 2007, 1169; BAG v. 31.3.2004 – 10 AZR 253/03, NZA 2004, 1093. 3 BAG v. 21.7.2005 – 6 AZR 592/04, Rz. 31, NZA 2006, 162.
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Teil 5 Rz. 215
Besondere Unternehmenssituation
Abs. 1 Nr. 3 InsO, denn eine Gegenleistung i.S.v. § 209 Abs. 2 Nr. 3 InsO hat die Führungskraft nicht erbracht1. 215
Vor dem Zeitpunkt der frühesten Kündigungsmöglichkeit begründete Forderungen der Führungskraft sind gleichfalls nachrangige Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
e) Aussonderungsrechte, Zurückbehaltungsrechte der Führungskraft 216
Die Führungskraft hat keinen Anspruch auf Aussonderung nach § 47 InsO von Geldern, die vom Arbeitgeber auf einem besonderen Bankkonto für die Abgeltung von Arbeitszeitguthaben der Arbeitnehmer bereitgestellt sind, wenn der Arbeitgeber selbst Inhaber des Kontos ist. Denn die Gelder fallen nach § 35 InsO entsprechend der Kontoinhaberschaft in das Vermögen des Insolvenzschuldners und sind damit der Insolvenzmasse zuzurechnen2.
217
Wegen nicht gezahlter Vergütungs- oder Abfindungsansprüche hat die Führungskraft ferner kein Zurückbehaltungsrecht am ihr zur Verfügung gestellten Dienstwagen3.
11. Sonstige Ansprüche, insbesondere aus betrieblicher Altersversorgung a) Führungskraft ist nicht Unternehmer 218
Die betriebliche Altersversorgung der Führungskraft, die nicht Unternehmer ist4, ist insolvenzgeschützt, §§ 7–15 BetrAVG5. Das bedeutet, dass die Insolvenz des Arbeitgebers entweder ohne Auswirkungen auf die betriebliche Altersversorgung ist (so z.B. bei Pensionskassen oder bei Direktversicherungen mit unwiderruflichem Bezugsrecht6) oder aber der Insolvenzschutz des PSVaG7 greift (z.B. bei Direktversicherungen mit widerruflichem oder vom Arbeitgeber beliehenem oder an einen Dritten abgetretenem oder verpfändetem Bezugsrecht, bei unmittelbarer Versorgungszusage bzw. Direktzusage, bei Unterstützungskassen oder bei Pensionsfonds). Im zweiten Fall geht bei Insolvenz des Arbeitgebers die Verbindlichkeit aus betrieblicher Altersversorgung auf den PSVaG als Träger der Insolvenzsicherung über gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG. Die Führungskraft behält also ihr Bezugsrecht aus dem ursprünglich abgeschlosse-
1 2 3 4
BAG v. 15.6.2004 – 9 AZR 431/03, NZA 2005, 354. BAG v. 24.9.2003 – 10 AZR 640/02, Rz. 64 ff., ZInsO 2004, 104. LAG Niedersachsen v. 8.7.2005 – 16 Sa 331/05, NZA-RR 2006, 40. Ausführlich Pluta/Heidrich in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 30; Hamcher in: Nerlich/Römermann, InsO, Vorb. § 113 Rz. 100 ff. 5 Zur Fortführung der betrieblichen Altersversorgung durch Insolvenzplan Bremer, DB 2011, 875. 6 Dann hat die Führungskraft ein Aussonderungsrecht an der Versicherung nach § 47 InsO, BAG v. 26.6.1990 – 3 AZR 651/88, NZA 1991, 60. Zur Beurteilung der Widerruflichkeit BAG v. 15.6.2010 – 3 AZR 31/07, ZIP 2010, 2260. 7 Die Webseite des PSVaG enthält viele nützliche Informationen, z.B. Merkblätter für Arbeitnehmer, www.psvag.de.
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Rz. 220 Teil 5
Krise und Insolvenz
nen Versorgungsvertrag, als Anspruch nunmehr gegen den PSVaG gerichtet, allerdings begrenzt der Höhe nach gem. § 7 Abs. 3 BetrAVG1.
b) Führungskraft ist Unternehmer Vom Insolvenzschutz des BetrAVG sind allerdings Unternehmer nach § 17 BetrAVG ausgenommen. Dies trifft auf solche Personen zu, die sowohl vermögens- als auch einflussmäßig mit dem Unternehmen, für das sie arbeiten, so sehr verbunden sind, dass sie es als ihr eigenes betrachten können und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Pensionssicherung dem Inhaber eines Einzelunternehmens gleichzusetzen sind2. Sog. Unternehmerpensionszusagen sind also nicht insolvenzgeschützt. Mitglieder gesellschaftsrechtlicher Organe, also die Geschäftsleitung, ohne Unternehmensbeteiligung fallen aber nicht unter den Unternehmerbegriff3, so dass der Insolvenzschutz bei Führungskräften ohne Unternehmensbeteiligung greift.
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c) Sonstige Ansprüche Für alle übrigen Ansprüche, die sich aus der Fortgeltung des Dienst- oder Anstellungsvertrags ergeben, gilt grundsätzlich die Differenzierung zwischen Insolvenz- und Masseforderung (siehe Rz. 199 ff., 202 ff.) nach dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung. Entscheidend ist, ob ein Entgelt im weitesten Sinne für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschuldet wird. Daher sind z.B. Urlaubs- oder Urlaubsabgeltungsansprüche, die auf den Zeitraum nach Insolvenzverfahrenseröffnung wirksam übertragen worden sind, Masseforderungen4. Eine Abfindungsvereinbarung ist hingegen Insolvenzforderung, wenn die die Forderung begründende Vereinbarung vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen worden war5. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot besteht fort, falls die Gesellschaft bzw. das Unternehmen vom Insolvenzverwalter oder von einem Erwerber fortgeführt wird. Für die Karenzentschädigung kommt es wie beim Vergütungsanspruch auf den Zeitpunkt der Insolvenzverfahrenseröffnung an: Karenzentschädigungsansprüche für Zeiträume davor sind Insolvenzforderungen, für Zeiträume danach Masseforderungen6. Auch Gratifikationen, die nur vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängen, sind Masseforderungen, sofern der Stichtag nach Verfahrenseröffnung liegt7.
1 Pluta/Heidrich in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 30, Rz. 102; Küttner/Schlegel, Betriebliche Altersversorgung Rz. 200. 2 BGH v. 28.4.1990 – II ZR 254/78, Rz. 18, BB 1980, 1046; BGH v. 13.7.2006 – IX ZR 90/05, NZA-RR 2006, 652; BAG v. 25.1.2001 – 3 AZR 769/98, Rz. 36, NZA 2001, 959. 3 Pluta/Heidrich in: Beck/Depré, Praxis der Insolvenz, § 30 Rz. 131. 4 BAG 15.2.2005 – 9 AZR 78/04, NZA 2005, 1124. 5 BAG v. 19.1.2006 – 6 AZR 529/04, ZIP 2006, 1366. 6 Fichtelmann, GmbHR 2008, 83 f. 7 BAG v. 27.9.2007 – 6 AZR 975/06, Rz.20, NZA 2009, 89.
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Teil 5 Rz. 221
Besondere Unternehmenssituation
12. Insolvenzgeld 221
Ein Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld durch die Arbeitsagentur1, wenn er für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, § 183 SGB III. Dies betrifft fast ausnahmslos den Zeitraum vor Verfahrenseröffnung, also das vorläufige Insolvenzverfahren. In aller Regel nutzt ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Zahlungen des Insolvenzgelds durch die Arbeitsagentur, um bis zur Insolvenzeröffnung Liquidität im Unternehmen zu halten. Denn das Unternehmen produziert im Eröffnungsverfahren (also vor Insolvenzeröffnung) weiter, ist aber wegen der Zahlung des Insolvenzgelds durch die Arbeitsagentur gleichzeitig von den Kosten der Gehaltszahlung für längstens drei Monate befreit. Daher beträgt die Zeitspanne der vorläufigen Insolvenzverwaltung in der Praxis regelmäßig drei Monate.
222
In der Praxis wird häufig durch eine Vorfinanzierung des Insolvenzgelds (§ 188 Abs. 4 SGB III) und unter Zustimmung der Arbeitsverwaltung die vorläufige Weiterarbeit der Arbeitnehmer sichergestellt und damit die Fortführung des Unternehmens ermöglicht. Hierzu treten die Arbeitnehmer (unter Vermittlung des vorläufigen Insolvenzverwalters) ihre Insolvenzgeldansprüche entgeltlich zumeist an ein Kreditinstitut ab, aus dessen Zahlung sodann die Vergütung der Arbeitnehmer beglichen wird (zum Arbeitnehmerbegriff beim Insolvenzgeld sogleich).
a) Sozialrechtlicher Arbeitnehmerbegriff 223
Ob eine Führungskraft Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld hat, hängt davon ab, ob sie Arbeitnehmer im sozialrechtlichen Sinne ist2, also aufgrund eines Vertrags und in persönlicher Abhängigkeit ihre Dienste erbringt. Für eine Führungskraft, die nicht der Geschäftsleitung angehört, aber eine Unternehmensbeteiligung hält, gilt, dass sie in ihrer Funktion als Kapitaleigner wegen ihrer Gesellschafterstellung nicht einen so großen Einfluss auf die Unternehmensführung haben darf, dass sie letztendlich die Leitungsmacht innehat3. Schwierig ist die Abgrenzung bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, im Grundsatz gilt: Verfügt dieser über mindestens die Hälfte des Stammkapitals, ist er Unternehmer und also nicht insolvenzgeldberechtigt4. Verfügt er über weniger als 50 %, ist er regelmäßig abhängig Beschäftigter und damit insolvenzgeldberechtigt5. Vorstandsmitglieder einer AG sind nicht insolvenzgeldberechtigt6. 1 Für grenzüberschreitende Sachverhalte s. EuGH v. 10.3.2011 – C-477/09, NJW 2011, 1791 (Zuständigkeit der Garantieeinrichtung am Sitz des Arbeitgebers). 2 Ausführlich Peters-Lange in: Gagel, SGB III, § 183 SGB III, Rz. 11. 3 BAG v. 6.5.1998 – 5 AZR 612/97, NZA 1998, 939. Zur Vereinbarkeit dieser Einschränkung des Insolvenzgeldanspruchs mit der Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers EuGH v. 10.2.2011 – C-30/10, NZA 2011, 286. 4 BSG v. 25.1.2006 – B 12 KR 30/04 R, GmbHR 2006, 645; LSG Thüringen v. 25.5.2005 – L 3 AL 469/03. 5 BSG v. 30.1.1997 – 10 RAr 6/95, GmbHR 1997, 696; LSG NRW v. 8.11.2006 – L 12 AL 203/05. 6 BSG v. 22.4.1987 – 10 RAr 5/86, NZA 1987, 614.
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Rz. 227 Teil 5
Krise und Insolvenz
b) Geschützte Ansprüche Durch Insolvenzgeld sind alle Ansprüche der Führungskraft aus dem Dienstbzw. Anstellungsverhältnis geschützt, die im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Leistung der Dienste erbracht werden oder sich dem zuordnen lassen1. Darunter fallen Ansprüche auf ein 13. Monatsgehalt sowie sonstige Jahressonderzahlungen, Auslösungen, Zuschläge, Weihnachtsgratifikationen, Gewinnbeteiligungen, Tantiemen, Anwesenheitsprämien, Urlaubsentgelt oder zusätzliches Urlaubsgeld. Ebenfalls erfasst sind Reisekosten und sonstige Spesen2, Kilometergeld für die Benutzung des eigenen Pkw für Geschäftsfahrten3 sowie Fahrgeldentschädigungen für Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstelle4. Nicht erfasst sind Auslagen für die Reparatur eines Dienstwagens, die die Führungskraft verauslagt hat5.
224
c) Stellung einer Führungskraft ohne Insolvenzgeldanspruch Erhält eine Führungskraft im vorläufigen Insolvenzverfahren kein Insolvenzgeld, da sie kein Arbeitnehmer im sozialrechtlichen Sinne ist, oder ist das von ihr zu erhaltende Insolvenzgeld wegen der Deckelung auf 5 500 Euro (§ 185 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 341 Abs. 4 SBG III) niedriger als die dienstvertraglich vereinbarte Vergütung, hat die Praxis Lösungswege gefunden, die insbesondere dem Geschäftsleiter weiterhelfen. Oftmals sagen die Anteilseigner des Unternehmens (Gesellschafter) zu, das Gehalt der Geschäftsleitung weiterzuzahlen, oder in Abstimmung mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter erbringt der insolvente Arbeitgeber die Differenzzahlungen, wenn den Gesellschaftern oder dem vorläufigen Insolvenzverwalter an einer Fortführung des Unternehmens gelegen ist und dies ohne die Führungskraft (also in der Regel ohne den Geschäftsleiter) aussichtslos erscheint. Eine andere Lösung ist, dass der Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren rückständige Vergütungsansprüche aus der Zeit der vorläufigen Verwaltung als Masseverbindlichkeiten bezahlt, da er diese im Wege der Einzelermächtigung vor Verfahrenseröffnung begründet hatte.
225
Andernfalls, also wenn die Führungskraft nicht die vereinbarte Vergütung erhält, kann sie die Leistung ihrer Dienste zurückbehalten und ihren Dienstbzw. Anstellungsvertrag kündigen. Handelt es sich um einen Geschäftsleiter, so hat dieser die ihn wegen seiner Organstellung treffenden Informations- und Mitwirkungspflichten (siehe Rz. 147 ff.) weiterhin zu erfüllen. Darauf sollte geachtet werden.
226
Daher sollte eine Führungskraft frühestmöglich abklären, ob sie insolvenzgeldberechtigt ist, ob die in ihrem Dienstvertrag vereinbarte Vergütung vom Insolvenzgeld abdeckt ist und falls dies nicht der Fall ist, offensiv auf den vorläufigen Insolvenzverwalter und die Gesellschafter mit der Frage nach der Vergütung zugehen.
227
1 BSG v. 30.11.1977 – 12 RAr 99/76, BB 1978, 1216; Peters-Lange in: Gagel, SGB III, § 183 SGB III, Rz. 11. 2 BSG v. 18.9.1991 – 10 RAr 12/9, NZA 1992, 329. 3 LAG Frankfurt v. 22.4.1953 – III/I LA - B - 7/53, NJW 1953, 1280. 4 Peters-Lange in: Gagel, SGB III, § 183 SGB III Rz. 90 f. 5 LSG NRW v. 1.10.2009 – L 9 AL 89/07, info also 2010, 187.
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B. Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen 228
Umstrukturierungen sind heute aus dem Arbeitsleben nicht mehr wegzudenken. Wichtige Ausformungen stellen dabei der Betriebsübergang und die Unternehmensumwandlung dar. Die Übertragung von Unternehmensteilen hat praktisch und ökonomisch eine enorme Bedeutung. Damit einher geht auch die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen von Umstrukturierungen auf die Arbeitsverhältnisse von Führungskräften und die Anstellungsverhältnisse von Organmitgliedern.
I. Gesetzlicher Schutz nur für Arbeitnehmer 229
§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet an, dass im Falle des rechtsgeschäftlichen Übergangs eines Betriebs- oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber, der Erwerber in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Damit stellt § 613a BGB die zentrale Arbeitnehmerschutzvorschrift bei Betriebsveräußerungen dar. Sie spricht allerdings nur von den Rechten und Pflichten aus bestehenden Arbeitsverhältnissen, so dass sie auch nur für Arbeitnehmer-Führungskräfte relevant wird. Die Vorschrift gilt also nicht für Geschäftsführer und Vorstände.
230
Die Auslegung der Vorschrift des § 613a BGB wird bedeutend durch die Rechtsprechung des EuGH geprägt, da sie auf mehrere europäische Richtlinien zurückgeht1. Die Begriffsbestimmung ist dabei keinesfalls abgeschlossen. Nach wie vor erscheinen eine Vielzahl von Entscheidungen aller Arbeitsgerichte, aber auch weiterhin des EuGH2. In Zweifelsfällen sollte man sich daher stets Sinn und Zweck der Vorschrift vor Augen führen: Die weitgehenden Rechtsfolgen des § 613a BGB sollen den Erwerber treffen, der das wirtschaftliche Substrat aus der übergegangenen Einheit zieht3.
II. Betriebsübergang: Voraussetzungen 1. Rechtsgeschäftlicher Übergang 231
§ 613a BGB findet nur Anwendung auf einen rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang. Weitgehend geklärt sind die Voraussetzungen, die an den Begriff des Rechtsgeschäfts i.S.v.§ 613a Abs. 1 BGB zu stellen sind. Es genügt bereits, wenn sich der Übergang aus einem Bündel von Rechtsgeschäften ergibt4. Maßgeblich ist, dass der Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht ein Rechtsgeschäft zu Grunde liegt5. Es werden damit alle Fälle erfasst, in denen eine 1 2 3 4
Vgl. die Aufstellung von Spirolke in: Hümmerich/Spirolke, § 8 Rz. 2. Zuletzt z.B. EuGH v. 20.1.2011 – C-463/09, NZA 2011, 148. So ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 6. Vgl. BAG v. 18.2.1999 – 8 AZR 485/97, NZA 1999, 648 ff., 649; Küttner/Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 27 m.w.N. 5 Hauck in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BGB, § 613a Rz. 84.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 233 Teil 5
wirtschaftliche Einheit im Rahmen vertraglicher oder sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen fortgeführt wird. Einer unmittelbaren vertraglichen Beziehung bedarf es dabei nicht zwingend. So kann etwa bereits ein Wechsel der Pächter genügen1. Lediglich eine Übertragung kraft Gesetzes oder durch Hoheitsakt fällt grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich von § 613a BGB heraus2. Eine Ausnahme kann sich nach der Neufassung des UmwG im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge nach Spaltung, Verschmelzung oder Vermögensübertragung ergeben. § 324 UmwG stellt nun klar, dass 613a Abs. 1, Abs. 4 bis 6 BGB durch die Wirkungen der Eintragung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt bleiben. Hieraus wird abgeleitet, dass es in einem solchen Fall jedenfalls ausreiche, wenn dem Übergang eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, etwa in Form der Spaltungs- oder Verschmelzungsvereinbarung zu Grunde liege3.
232
2. Inhaberwechsel a) Weiterführung der Geschäftstätigkeit Voraussetzung für einen Betriebsübergang ist weiter, dass ein Wechsel des Betriebsinhabers vorgelegen hat. Der Erwerber muss jedenfalls die tatsächliche Leitungsmacht über den Betrieb- oder den Betriebsteil übernehmen. Er muss nunmehr den Betrieb tatsächlich „führen“ und der Betriebsveräußerer seine wirtschaftliche Betätigung im Betrieb einstellen4. Einer gesonderten Übertragung der Leitungsmacht bedarf es dazu aber nicht5. Maßgeblich ist insofern der Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers, so dass auch bei einem Übergang von einer Konzerngesellschaft auf eine andere ein Betriebsübergang in Betracht kommen kann6. Selbst bei einem Verbleib des ursprünglichen Betriebsinhabers im Betrieb kann ein Wechsel des Betriebsinhabers i.S.v.§ 613a BGB vorliegen, wenn der neue Inhaber nunmehr die ausschließliche Weisungsbefugnis ausübt7. Wie lange der Erbwerber die Leitungsmacht übernimmt oder übernehmen will, spielt keine Rolle. Selbst wenn bereits bei Übergang der Leitungsmacht feststeht, dass der Betrieb eingestellt werden soll, so schließt dies einen Betriebsübergang nicht aus8. Die bloße rechtliche Möglichkeit, den Betrieb fortzuführen ist allerdings unzureichend. 1 BAG v. 26.2.1987 – 2 AZR 768/85, DB 1987, 991 ff. 2 So z.B. die Bestellung eines neuen Notars BAG v. 26.8.1999 – 8 AZR 827/98, NZA 2000, 371. 3 Vgl. BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 416/99, NZA 2000, 1115 ff., 1117; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 58. 4 Vgl. BAG v. 15.12.2005 – 8 AZR 202/05, NZA 2006, 597 ff., 600; Hunold, NZA-RR 2010, 281 ff., 282; Hauck in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BGB, § 613a Rz. 81; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 50 m.w.N. 5 BAG v. 25.10.2007 – 8 AZR 917/06, NZA-RR 2008, 367; Hunold, NZA-RR 2010, 281 ff., 282. 6 Vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 43 m.w.N. 7 Vgl. BAG v. 13.11.1986 – 2 AZR 771/85, NZA 1987, 458 ff.; Spirolke in: Hümmerich/ Spirolke, § 8 Rz. 8; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 50. 8 ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 52.
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Teil 5 Rz. 234
Besondere Unternehmenssituation
b) Gesellschafterwechsel/share deal 234
Der Betriebsübergang ist vom alleinigen Gesellschafterwechsel (so genannter share deal) abzugrenzen1. Werden lediglich Geschäftsanteile einer Kapitalgesellschaft veräußert, kommt es nur zu einem Wechsel des Inhabers der weiterbestehenden Gesellschaft, die ihrerseits mit den Arbeitnehmern als Arbeitgeber verbunden ist. Die Gesellschaft besteht damit trotz der Übertragung der Geschäftsanteile in ihrer bisherigen Identität fort. Da damit auch das Vermögen unverändert diesem weiter fortbestehenden Rechtsträger zugeordnet wird, bestehen auch die Arbeitsverträge zu diesem Rechtsträger fort. Dies schließt dann aber zwingend eine Anwendbarkeit von § 613a BGB aus, so dass ein anderer Arbeitgeber nicht in die Arbeitsverhältnisse eintreten kann. Mit anderen Worten: Der Arbeitgeber bleibt die fortbestehende Gesellschaft, deren Anteile lediglich verkauft werden2.
c) Zeitpunkt 235
Der Zeitpunkt der Übernahme der tatsächlichen Leitungsmacht ist zudem entscheidend für die Frage, zu welchem Zeitpunkt ein Betriebsübergang vorliegt und damit, ab wann die Arbeitsverhältnisse auf den Betriebsübernehmer übergehen. Insofern ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts irrelevant3. Ebenso unterliegt der Zeitpunkt des tatsächlichen Übergangs nicht der Disposition von Veräußerer und Erwerber4.
d) Betrieb und Betriebsteil 236
Insbesondere die Begrifflichkeiten Betrieb und Betriebsteil bereiten mangels einer gesetzlichen Definition erhebliche Schwierigkeiten. Auch ist die Abgrenzung zwischen einem Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang zur schlichten Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter nicht immer einfach. Während das BAG früher den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff heranzog, der die organisatorische Einheit in den Mittelpunkt rückt, verlangt der EuGH eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit (dazu sogleich)5. Als wirtschaftliche Einheit ist eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung anzusehen6.
237
Nach aktueller Ansicht des EuGH setzt das Vorliegen eines Betriebsübergangs nicht zwingend voraus, dass der übertragene Betriebsteil beim Erwerber seine Selbstständigkeit behält, sofern die Wechselbeziehungen und funktionellen
1 BAG v. 12.7.1990 – 2 AZR 39/90, NZA 1991, 63; BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 803/06, NZA 2007, 1428. 2 Ebenso Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 13. 3 Vgl. EuGH v. 26.5.2005 – C-478/03, NZA 2005, 681 ff. – John Astley; BAG v. 27.10.2005 – 8 AZR 568/04, NZA 2005, 668 ff., 671. 4 Vgl. Hunold, NZA-RR 2010, 281 ff., 282. 5 Vgl. EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433 f. – Ayse Süzen. 6 EuGH v. 29.7.2010 – C-151/09, NZA 2010, 1014 ff., 1015 – UGT-FSP; vgl. auch Bauer/ Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 6.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 238 Teil 5
Verknüpfungen der Betriebsmittel beibehalten werden1. Ein Betriebsübergang muss also auch dann angenommen werden, wenn die organisatorische Einheit im Rahmen der Übernahme der Produktionsfaktoren nicht gewahrt bleibt2. Bereits die Möglichkeit einer funktionswahrenden Fortführung sei ausreichend3. Es widerspräche dem intendierten Schutzzweck der Betriebsübergangsrichtlinie, wenn ihre Anwendbarkeit für den Fall ausgeschlossen wäre, dass der Erwerber sich entschließe, die Organisations- und Funktionszusammenhänge zu ändern4. Das BAG ging dagegen im Rahmen seiner Rechtsprechung zur sog. „identitätszerstörenden Eingliederung“ davon aus, dass die funktionelle wirtschaftliche Einheit beim Erwerber erhalten bleiben müsse5. In seiner neuen Rechtsprechung orientiert sich das BAG bereits an den Vorgaben des EuGH6. Eine gefestigte Rechtsprechung zu der Problematik existiert allerdings derzeit noch nicht.
e) Wirtschaftliche Einheit: 7-Punkte-Katalog Ein Übergang eines Betriebs- oder Betriebsteils liegt nur dann vor, wenn dessen Identität beim Erwerber gewahrt wird. Es kommt allerdings nicht vorwiegend auf die Übernahme der materiellen oder immateriellen Betriebsmittel an, sondern ein Betriebsübergang kann sich auch aus anderen Kriterien ergeben. Der Übergang der Betriebsmittel stellt nur noch eines unter mehreren Kriterien dar7. EuGH und BAG stellen bei der Prüfung, ob ein Betriebsübergang vorliegt oder nicht, im Wesentlichen auf folgende Identitätskriterien (7-Punkte-Katalog) ab8: – Art des Unternehmens Bei der Art des Unternehmens handelt es sich letztlich nicht um ein eigenständiges Prüfungskriterium. Die Art des Unternehmens ist vielmehr Gradmesser für die Bedeutung der übrigen nachfolgenden sechs Kriterien9. Maßgeblich ist daher der „Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs“ aus der Art des Unternehmens, der die wirtschaftliche Einheit begründet. Prüfungskriterien ergeben sich insoweit aus dem gesamten Punktekatalog der Rechtsprechung. – Übergang der materiellen Betriebsmittel Insbesondere bei Produktionsbetrieben stellen die materiellen Betriebsmittel regelmäßig den bedeutsamsten Faktor für die unternehmerische Tätigkeit 1 EuGH v. 12.2.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251 – Klarenberg, NZA 2009, 251 ff., dazu Wißmann/Schneider, BB 2010, 1126 ff.; Willemsen, NZA 2009, 289 ff.; bereits daran orientierend BAG v. 22.1.2009 – 8 AZR 158/07, NZA 2009, 905 ff. 2 EuGH v. 12 2.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251 – Klarenberg. 3 EuGH v. 12.2.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251 – Klarenberg. 4 EuGH v. 12.2.2009 – C-466/07, NZA 2009, 251 – Klarenberg. 5 Frühere Rechtsprechung zuletzt: BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431 ff., 1434. 6 BAG v. 17.12.2009 – 8 AZR 1019/08, NZA 2010, 499 ff.; BAG v. 7.4.2011 – 8 AZR 730/09, BB 2011, 2036. 7 Grundlegend EuGH v. 11.3.1997 – C-13/95, NZA 1997, 433 f. – Ayse Süzen. 8 Vgl. grundlegend BAG v. 22.1.1998 – 8 AZR 775/96, NZA 1998, 638 ff., 639; Aufstellung auch bei Schiefer, DB 2011, 54 ff., 54. 9 Vgl. HWK/Willemsen, § 613a BGB Rz. 100; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 12 m.w.N.
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238
Teil 5 Rz. 238
Besondere Unternehmenssituation
und Wertschöpfung dar. Daraus ergibt sich, dass die Übernahme von Maschinen, EDV-Anlagen etc. als wesentliches Indiz für eine Wahrung der Identität des Betriebs- oder Betriebsteils herangezogen werden kann. Allerdings ist nach der neueren Rechtsprechung ein Betriebsübergang auch dann nicht ausgeschlossen, wenn keine materiellen Aktiva übertragen werden1. Die Betriebsmittel müssen nicht im Eigentum des Erwerbers stehen oder von diesem eigenwirtschaftlich genutzt werden, sondern es genügt, dass sie in seine Arbeitsorganisation eingegliedert sind2. Dem Erwerber muss lediglich die tatsächliche Nutzungsbefugnis zustehen3. – Übergang der immateriellen Aktiva In die Gesamtbetrachtung ist auch ein etwaiger Übergang immaterieller Aktiva einzubeziehen. Gehen etwa Patente, Schutzrechte, Lizenzen oder Geschmacksmuster auf den Erwerber über, kann dies ein Indiz für einen Betriebsübergang sein. Entscheidend ist die Bedeutung des Immaterialgüterrechts für den Betrieb. Je wichtiger etwa das Patent für einen Produktionsbetrieb ist, desto mehr wird man zur Annahme eines Betriebsübergangs neigen. Auch die Übertragung eines Warenzeichens und des daran anknüpfenden „Goodwills“ kann einen wirtschaftlich derart bedeutenden Faktor darstellen, dass dies zur Annahme eines Betriebsübergangs führen kann4. – Übernahme der Hauptbelegschaft Gerade in betriebsmittelarmen Betrieben stellt die Belegschaft ein herausragendes Element der Tätigkeit dar. Insbesondere im Dienstleistungsbereich ist die Identität des Betriebs weniger mit den materiellen Gegenständen – etwa den Reinigungsmitteln bei einem Reinigungsbetrieb – als vielmehr mit den Mitarbeitern als eigentlichen Dienstleistungserbringern verknüpft. Daher kann in solchen Fällen die Übernahme der Hauptbelegschaft ein wesentliches Kriterium sein. Ob der übernommene Teil der Belegschaft zur Wahrung der Identität ausreichend ist, hängt von Zahl und Qualifikation des übernommenen Personals ab. Als Faustregel lässt sich dabei festhalten: Je komplexer und ausbildungsintensiver die Tätigkeit ist, desto weniger übernommenes Personal kann bereits ausreichen5. Allerdings kann auch bei Übernahme eines Großteils der Belegschaft im Einzelfall ein Betriebsübergang ausscheiden6. Bei einfachen Tätigkeiten (Reinigungsgewerbe) genügt nach Auffassung des BAG eine Übernahme von 60 % der Arbeitnehmer noch nicht, um von einer Identitätswahrung zu sprechen7. Daneben kommt der Übernahme der Führungskräfte und dem damit verbundenem Know-
1 EuGH v. 2.12.1999 – C-234/98, NZA 2000, 587 ff., 589 – Allen. 2 Vgl. Küttner/Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 16. 3 Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 13; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 20. 4 Vgl. BAG v. 16.2.1993 – 3 AZR 347/92, NZA 1993, 643 ff. 5 Vgl. Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A, Rz. 21. 6 Vgl. BAG v. 23.9.2010 – 8 AZR 567/09, NZA 2011, 197 ff., 199. 7 BAG v. 14.5.98 – 8 AZR 418/96, NZA 1999, 483 ff.; vgl. auch die Beispiele von Küttner/ Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 14.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 238 Teil 5
how eine wesentliche Bedeutung zu1. Für weitere Beispiele verweisen wir auf die weiterführende Literatur2. – Übergang der Kundschaft Allerdings wird ein Betrieb nicht nur durch die Betriebsmittel und die Mitarbeiter geprägt. Auch die bestehenden Kundenbeziehungen können eine wesentliche Rolle spielen. Zwar muss in einer freien Marktwirtschaft grundsätzlich die Kundschaft immer neu gewonnen werden. Allerdings kann die Übertragung einer bestehenden Kundenkartei oder der Übergang einer Vertriebsberechtigung erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben und damit die Identität eines Betriebs prägen3. – Grad der Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit Von einer Identität einer wirtschaftlichen Einheit kann dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die vor und nach dem Betriebsübergang ausgeführten Tätigkeiten in erheblichem Umfang differieren. Beispielhaft kann etwa die Änderung der Ausrichtung eines Restaurants von einer gutbürgerlichen Küche zu einem arabischen Spezialitätenrestaurant genannt werden4. – Dauer einer Unterbrechung der Tätigkeit Nimmt der Betriebserwerber die Tätigkeit im Betrieb erst mit einer zeitlichen Unterbrechung auf, kann dies bereits dazu führen, dass keine Identität der wirtschaftlichen Einheit mehr vorliegt. Wie lange die Unterbrechung andauern muss, um von einem Verlust der Identität sprechen zu können, ist bisher kaum geklärt. Je länger die Unterbrechung dauert, desto mehr spricht dafür, eine fortdauernde Identität abzulehnen5. Daneben kommt es maßgeblich auf den Unternehmensgegenstand an6. Das BAG hat etwa entschieden, dass bei einem Bekleidungsgeschäft eine neunmonatige Unterbrechung bereits einem Fortbestehen der Identität entgegensteht7. Die übliche Neuorientierung der Kunden während des Unterbrechungszeitraums spricht gegen die Wahrung der Identität. Dagegen sind jedenfalls Unterbrechungen von wenigen Tagen oder Wochen regelmäßig unschädlich8. Bei Saisonbetrieben kann eine Unterbrechung der Tätigkeit außerhalb der Saison kaum zu einem Verlust der Identität führen.
1 BAG v. 27.1.2000 – 8 AZR 106/99. 2 S. die Auflistung bei ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 24 ff.; ferner Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 6 ff. 3 Vgl. EuGH v. 7.3.1996 – C-171 (172)/94, NZA 1996, 413 ff. – Merkx/Neuhuys. 4 BAG v. 11.9.1997 – 8 AZR 555/95, NZA 1998, 31 ff., 32. 5 Vgl. Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 30. 6 Vgl. Küttner/Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 12. 7 BAG v. 22.5.1997 – 8 AZR 94/96; s. auch LAG Köln v. 2.10.1997 – 10 Sa 643/97, NZA-RR 1998, 290: kein Betriebsübergang bei dreimonatiger Unterbrechung der Tätigkeit einer Kindertagesstätte. 8 EuGH v. 15.6.1988 – C-101/87; vgl. auch die Einzelfälle bei ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 36.
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Teil 5 Rz. 239
Besondere Unternehmenssituation
f) Abgrenzung zur Funktionsnachfolge 239
Der Betriebsübergang ist von der so genannten Funktionsnachfolge abzugrenzen. Führt der Erwerber lediglich eine bestimmte Tätigkeit fort, übernimmt aber keine materiellen oder immateriellen Aktiva, liegt ein Betriebsübergang regelmäßig nicht vor1. Kommt es also lediglich zu dem Verlust eines Auftrages an einen Mitbewerber, liegt eine Auftrags- bzw. Funktionsnachfolge vor, die nicht die Rechtsfolgen des § 613a BGB auslöst2. Dies kann dann auch beim klassischen Outsourcing der Fall sein. Werden die bislang im eigenen Betrieb durchgeführten Aufgaben fremdvergeben und der neue Auftragnehmer übernimmt weder Arbeitsmittel noch Personal, liegt kein Betriebsübergang vor3. Probleme können aber dann auftreten, wenn der neue Auftragnehmer zusätzlich den überwiegenden Teil des Personals übernimmt. Dann gelten die oben genannten Kriterien zur „Übernahme der Hauptbelegschaft“ (s. Rz. 238).
g) Betriebsstilllegung 240
Betriebsstilllegung und Betriebsübergang schließen sich gegenseitig aus4. Dies wird in der Praxis allerdings oft missverstanden. Gibt nämlich der bisherigen Betriebsinhaber seinen Betrieb auf, ist dies immer dann irrelevant, wenn der Betrieb als solcher fortgeführt wird, wenn auch mit einem neuen Inhaber. In diesen Fällen liegt gerade keine Betriebsaufgabe, Betriebsschließung oder Betriebsstilllegung vor5. Gibt also bspw. ein Unternehmer sein Unternehmen bzw. seinen Betrieb aus Altersgründen auf, veräußert aber gleichzeitig die Unternehmung an einen Erwerber, sind wegen Stilllegung ausgesprochene Kündigungen nach § 613 Abs. 4 BGB unwirksam. Tatsächlich handelt es sich im Rechtssinne nämlich um einen Betriebsübergang und nicht um eine Betriebsschließung. Der Betriebserwerber tritt in diesem Beispiel vollständig in die bisherigen Arbeitsverhältnisse Kraft § 613a BGB ein.
241
Für die Stilllegungsabsicht ist der Zeitpunkt der Kündigung maßgeblich. Kommt es allerdings nach Ausspruch der Kündigung doch noch zu einer Veräußerung aufgrund neuer Umstände, kommt ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht6.
III. Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs 1. Übergang der Arbeitsverhältnisse 242
Die zentrale Rechtsfolge eines Betriebsübergangs folgt aus § 613a Abs. 1 BGB. Danach tritt der Erwerber in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Ar1 BAG v. 24.8.2006 – 8 AZR 317/05, NZA 2007, 1287. 2 BAG v. 14.8.2007 – 8 AZR 1043/06, NZA 2007, 1431. 3 Pauly/Osnabrügge/Besgen, § 10 Rz. 14 m.w.N.; BAG v. 25.9.2008 – 8 AZR 607/07, NZA-RR 2009, 469. 4 BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93. 5 Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 16. 6 S. dazu ausführlich Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 61 ff.; BAG v. 27.1.2001 – 8 AZR 326/09, Pressemitteilung Nr. 9/11, abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 245 Teil 5
beitsverhältnisse ein. Der Übergang der Arbeitsverhältnisse vollzieht sich Kraft Gesetzes, so dass es keiner vertraglichen Vereinbarung oder dergleichen mehr bedarf1. Das Arbeitsverhältnis besteht auch dann noch und geht über, wenn es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bereits gekündigt ist, aber die Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist oder, wenn ihm ein anfechtbarer Arbeitsvertrag zu Grunde liegt2. Auch eine etwaige Erwerbsunfähigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder Erholungsurlaub sind für den Bestand des Arbeitsverhältnisses irrelevant3.
243
2. Kein Übergang von Geschäftsführern und Vorständen Abzustellen ist auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff4. Selbständige Dienstverhältnisse und/oder Beamtenverhältnisse werden damit vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen. Der Anstellungsvertrag eines GmbHGeschäftsführers kann daher nicht nach § 613a BGB auf einen Betriebserwerber übergehen5. Dies gilt gleichfalls für Vorstandsverträge. Ebenso wenig findet § 613a BGB auf Verträge freier Mitarbeiter, arbeitnehmerähnlicher Personen sowie auf Heimarbeitsverhältnisse Anwendung. Betroffen sind aber alle Führungskräfte, die in einem Arbeitsverhältnis angestellt sind, insbesondere also auch alle leitenden Angestellten.
244
3. Zuordnung zu Betriebsteilen Zudem geht ein Arbeitsverhältnis nur dann auf den Erwerber über, wenn es dem übergangenen Betrieb zugeordnet werden kann6. Die Zuordnung kann dann schwierig werden, wenn der Veräußerer mehrere Betriebe unterhält und der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht ausschließlich in einem bestimmten Betrieb erbringt. Noch komplizierter stellt sich die Sachlage beim Übergang eines Betriebsteils dar. Entscheidend ist die objektive Zuordnung des Arbeitnehmers7. Nur wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich über eine Zuordnung einig sind, ist der Parteiwille maßgeblich8. Der Arbeitnehmer muss in den übergegangenen Betrieb tatsächlich eingegliedert sein9.
1 Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 56. 2 Vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 68 m.w.N. 3 Vgl. BAG v. 2.3.2006 – 8 AZR 147/05, NZA 2006, 1105; Bauer/Göpfert/Haußmann/ Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 78; Küttner/Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 22 m.w.N. 4 Vgl. Art. 2 Abs. 1d der RL 2001/23 EG v. 12.3.2001; EuGH v. 14.9.2000, NZA 2000, 1279. 5 BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, DB 2003, 942. 6 Vgl. etwa BAG v. 13.11.1997 – 8 AZR 375/96, NZA 1998, 249 ff., 251; s. dazu auch BAG v. 7.4.2011 – 8 AZR 730/09, Pressemitteilung Nr. 26/11, abrufbar unter www.bundes arbeitsgericht.de. 7 BAG v. 28.10.2004 – 8 AZR 391/03, NZA 2005, 285 ff., 287; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 72. 8 Vgl. Küttner/Kreitner, Betriebsübergang, Rz. 22. 9 Vgl. Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 83.
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245
Teil 5 Rz. 246
Besondere Unternehmenssituation
4. Besitzstandswahrung: Einzelfälle a) Sonderleistungen 246
Das Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich mit dem gesamten erworbenen Besitzstand ohne Änderungen fortgeführt. Das ist etwa von Bedeutung für die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Die Betriebszugehörigkeit unter dem vormaligen Betriebsinhaber ist deshalb anzurechnen1. Zudem verfallen beim Veräußerer erworbene Anwartschaften – etwa im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung – nicht auf Grund des Betriebsübergangs2. Auch andere Sonderleistungen, die der ehemalige Arbeitgeber erbracht hat, wie Boni, Tantiemen oder Personalrabatte stellen regelmäßig einen Teil der Vergütung dar und fallen unter den Anwendungsbereich von § 613a BGB3. Ist dem Arbeitnehmer vertraglich ein Dienstwagen zugesagt, besteht dieser Anspruch ebenfalls gegenüber dem Erwerber fort4.
247
Basiert die Sonderleistung auf einer kollektiv-rechtlichen Vereinbarung, sind § 613a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BGB zu beachten. § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB führt dazu, dass Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge in denen Sonderleistungen geregelt, durch entsprechende kollektivrechtliche Vereinbarungen, die für den Erwerber gelten und denselben Gegenstand regeln verdrängt werden können. Dies gilt aber nur dann, wenn die übernommenen Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich der kollektivrechtlichen Regelung fallen5.
b) Aktienoptionen 248
Selbst Ansprüche aus einem Aktienoptionsplan können nach der Rechtsprechung übergangsfähig sein6. Einer dreiseitigen Vereinbarung bedarf es für einen Übergang deshalb nur dann, wenn es sich um einen Aktienoptionsplan einer Konzernobergesellschaft handelt7. Schwierigkeiten stellen sich aber dann, wenn der Anspruch des Arbeitnehmers aus der Aktienoption vom Erwerber nicht erfüllt werden kann8. Auch hier dürften die ergänzende Vertragsauslegung bzw. der Wegfall der Geschäftsgrundlage eine wesentliche Bedeutung haben9. Existiert beim Erwerber kein Aktienoptionsplan, so kommt eine entsprechende Entschädigungszahlung in Betracht10. Denkbar erscheint insofern ein 1 Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 57. 2 Vgl. Hauck in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BGB, § 613a Rz. 102. 3 Vgl. Gaul/Naumann, NZA 2011, 121 ff., 122. 4 Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 433. 5 Vgl. Gaul/Naumann, NZA 2011, 121 ff., 122. 6 Andeutend BAG v. 12.2.2003 – 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487 ff., 489; wohl h.M. auch in der Literatur, vgl. Tappert, NZA 2002, 1188 ff., 1190; Lembke, BB 2001, 1469 ff., 1470 f.; Hauck in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BGB, § 613a Rz. 100; differenzierend Urban-Crell/Manger, NJW 2004, 125 ff., 127. 7 BAG v. 12.3.2003 – 10 AZR 299/02, NZA 2003, 487 ff., 489; dazu Urban-Crell/Manger, NJW 2004, 125 ff., 127; Hauck in: Hümmerich/Boecken/Düwell, AnwKomm Arbeitsrecht, BGB, § 613a Rz. 100. 8 Harrer, Rz. 461 ff. 9 Vgl. Gaul/Naumann, NZA 2011, 121 ff., 125. 10 Bauer/Göpfert/Haußmann/Krieger, Umstrukturierung, Teil 3 A Rz. 65.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 251 Teil 5
inhaltsgleicher Verschaffungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den Erwerber. Um Streitigkeiten in solchen Fällen zu vermeiden, ist dringend anzuraten, bereits bei der vertraglichen Gestaltung der Aktienoption und im Rahmen der Betriebsveräußerung das Schicksal von Aktienoptionen im Auge zu behalten.
c) Personalrabatte Gerade bei Sonderleistungen in Form von Personalrabatten auf unternehmenseigene Produkte können bei einem Betriebsübergang Schwierigkeiten auftreten. Gewährt etwa ein Automobilhersteller seinen Mitarbeitern einen Rabatt beim Kauf eines Personenkraftwagens der eigenen Marke, so ist das Schicksal eines solchen Rabatts nach einem Betriebsübergang oftmals problematisch1. Dient der Personalrabatt doch ersichtlich in der Regel der Identifikation der Mitarbeiter mit den eigenen Produkten. Dieser Zweck kann insbesondere bei einem Betriebsübergang auf einen anderen Unternehmensträger bzw. Konzern nicht mehr erreicht werden. Primär dürfte es in einem solchen Fall auf die Auslegung der zu Grunde liegen Vereinbarung ankommen. Das BAG hat angenommen, die mit der Gewährung des Personalrabatts verfolgten Zwecke seien nach einem Betriebsübergang nicht mehr zu erreichen. Insbesondere ein Wegfall der Eigenproduktion stehe einem Rabattanspruch entgegen, da für den Arbeitnehmer von vorneherein erkennbar gewesen sei, dass der Arbeitgeber kein Interesse an einem verbilligten Angebot von Fremdprodukten haben könne2. Auch ein entsprechender Entschädigungsanspruch scheidet nach Auffassung des BAG grundsätzlich aus3. Ausdrücklich offen gelassen hat das BAG aber, ob dies auch bei einem besonders werthaltigem Rabattanspruch gelten kann4.
249
Zum gleichen Ergebnis wird man auch bei einem Versprechen von verbilligten Strom-, Gas- oder Wasserlieferungen gelangen. Auch hier dürfte bei einem Betriebsübergang auf einen Erwerber, der die entsprechenden Produkte nicht anbietet, ein ersatzloser Wegfall das Anspruch die Folge sein5. Bei Bonus- oder Tantiemeregelungen bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Der Anspruch auf die zugesagte Leistung besteht zwar grundsätzlich beim Erwerber fort, fraglich kann aber die Rechtsfolge für eine mit dem Unternehmenserfolg des Veräußerers verknüpften Leistungszusage sein, da diese in vielen Fällen nicht mehr den Verhältnissen beim Erwerber entsprechen dürfte. Im Einzelfall wird daher regelmäßig eine Anpassung der abstrakten Zusage gem. § 313 BGB vorzunehmen sein6.
250
d) Wettbewerbsverbote Im Gegenzug gelten selbstredend alle Pflichten des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis beim Erwerber fort. Dies ist namentlich bei einem nachvertrag1 2 3 4 5 6
Vgl. dazu BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941 ff. BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941 ff., 943. BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941 ff., 943. BAG v. 7.9.2004 – 9 AZR 631/03, NZA 2005, 941 ff., 944. Vgl. Gaul/Naumann, NZA 2011, 121 ff., 123 f. Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 434; ausführlich Gaul/Naumann, NZA 2011, 121 ff., 124.
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Teil 5 Rz. 252
Besondere Unternehmenssituation
lichen Wettbewerbsverbot zu beachten. Aus einem solchen kann nach einem Betriebsübergang nur noch der Erwerber Rechte herleiten. Der Veräußerer ist davon ausgeschlossen. Allerdings ist der Erwerber auch zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet.
IV. Unterrichtungspflichten und Widerspruchsrecht 1. Unterrichtungspflichten 252
Vor dem Betriebsübergang hat der Arbeitgeber oder der neue Inhaber die betroffenen Arbeitnehmer in Textform über die in § 613a Abs. 5 Nr. 1–4 BGB genannten Gegenstände zu unterrichten1. Darunter fallen Zeitpunkt bzw. geplanter Zeitablauf des Betriebsübergangs, der Grund für den Übergang, die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen für die Arbeitnehmer sowie die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen. Die Informationspflicht soll es dem Arbeitnehmer ermöglichen, sachgerecht über die Ausübung seines Widerspruchsrechts zu entscheiden2. Der Inhalt der Unterrichtung muss dem subjektiven Kenntnisstand des Veräußerers zum Zeitpunkt der Unterrichtung entsprechen3.
253
Von der Unterrichtungspflicht umfasst sind insbesondere der Zeitpunkt des Übergangs der Leitungsmacht4 und eine jedenfalls schlagwortartige Begründung für den Betriebsübergang und des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts5. Die Unterrichtung über die wirtschaftlichen und sozialen Folgen muss sich im Wesentlichen auf die Regelungsgegenstände des § 613a Abs. 1–4 BGB beziehen, wobei allerdings eine schlichte Wiedergabe des Gesetzestextes nicht ausreicht6. Unterrichtet werden muss zudem über den Erwerber. Jedenfalls müssen Firma/Name, Firmensitz, Adresse und ein Ansprechpartner mitgeteilt werden, damit der Erbwerber identifizierbar ist und der Arbeitnehmer weiß, wer in Zukunft unter Umständen sein Vertragspartner ist7. Eine generelle Unterrichtungspflicht über die wirtschaftliche Lage des Betriebserwerbers besteht dagegen nicht, es denn, dass die wirtschaftliche Notlage des Erwerbers offensichtlich ist8. Dies kann nach Ansicht des BAG etwa bei einem bereits eingeleiteten Insolvenzverfahren der Fall sein9.
254
Da der Arbeitgeber im Rahmen der Unterrichtungspflicht unter Umständen auch über Rechtsfragen unterrichten muss und diese nicht immer leicht zu beantworten sind, ist eine Unterrichtung auch dann noch ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber bei angemessener Prüfung der Rechtslage, ggf. nach Einholung 1 2 3 4 5 6 7 8 9
Ausführlich zur Unterrichtungspflicht Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393 ff. BAG v. 14.12.2006 – 8 AZR 763/05 NZA 2007, 682 ff., 683. BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 305/05, NZA 2006, 1268 ff., 1270. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 87. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 439. Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 439. Vgl. dazu Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393 ff., 394. BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2006, 642 ff., 644. BAG v. 31.1.2008 – 8 AZR 1116/06, NZA 2006, 642 ff., 644.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 258 Teil 5
von Rechtsrat über die höchstrichterliche Rechtsprechung, rechtlich vertretbare Positionen gegenüber dem Arbeitnehmer einnimmt1. Völlig unklar ist, welche datenschutzrechtlichen Anforderungen gelten und zu beachten sind2.
! Praxishinweis Ein Unterrichtungsschreiben muss sehr präzise, bezogen auf den konkreten Einzelfall, formuliert werden. Ein wirksames Unterrichtungsschreiben ist daher mit Aufwand verbunden und wir können nur dringend empfehlen, sich im Einzelfall mit allen Voraussetzungen sorgfältig zu befassen. Andernfalls besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB nicht ausgelöst wird (dazu sogleich).
255
2. Fehlerhafte Unterrichtung Die Frage, welche Rechtsfolgen bei einer unterbliebenen und/oder fehlerhaften Unterrichtung eintreten, ist gesetzlich (überraschend) nicht geregelt. Das BAG hat sich aber festgelegt: Erfolgt keine Unterrichtung, kann auch die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 BGB nicht ausgelöst werden3. Allerdings führt die Verletzung der Unterrichtungspflicht nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung4. Aus der Verletzung der Unterrichtungspflicht können auch, da es sich um eine echte Rechtspflicht handelt, Schadensersatzansprüche folgen5.
256
3. Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 5 BGB Gemäß § 613a Abs. 5 BGB kann der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber widersprechen. Das Widerspruchsrecht sichert insbesondere die Vertragsfreiheit und bedarf keines sachlichen Grundes6. Es sorgt dafür, dass dem Arbeitnehmer nicht gegen seinen Willen ein anderer Vertragspartner aufgezwungen werden kann. Ein wirksamer Widerspruch führt dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Veräußerer bestehen bleibt. Bietet der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nach Ausübung des Widerspruchsrechts an und nimmt der Veräußerer diese nicht an, so gerät er in Annahmeverzug. Allerdings wird der Veräußerer, insbesondere wenn er seine unternehmerische Tätigkeit vollständig eingestellt hat, eine betriebsbedingte Kündigung in Erwägung ziehen. Diese scheitert nicht bereits an § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, sondern unterliegt alleine den Vorgaben des KSchG. Kann der Veräußerer etwa betriebsbedingte Gründe i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG vorweisen, ist die Kündigung wirksam7.
257
Beim Widerspruchsrecht handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die Vorschriften des allgemeinen Teils des BGB Anwendung finden. So kann die Widerspruchserklärung etwa gem. §§ 119 ff.
258
1 2 3 4 5 6 7
BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 303/05, NZA 2006, 1273 ff., 1275. S. dazu etwa Göpfert/Meyer, NZA 2011, 486 ff. BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 18/10; BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302. BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 94 m.w.N. Vgl. von Koppenfels-Spies, RdA 2010, 72 ff., 72. Vgl. hierzu ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 106 m.w.N.
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Teil 5 Rz. 259
Besondere Unternehmenssituation
BGB angefochten werden, etwa wenn der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht auf Grund bewusst unrichtiger Information durch den Arbeitgeber ausgeübt hat1. Für den Zugang gilt § 130 BGB. Allerdings handelt es sich um ein bedingungsfeindliches Gestaltungsrecht, d.h. der Widerspruch kann nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden. Ebenso wenig kann der Widerspruch unter Vorbehalt erklärt werden2. 259
Das Widerspruchsrecht ist form- und fristgebunden. Der Arbeitnehmer muss gem. § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB schriftlich widersprechen. Die Textform nach § 126b BGB, die für die Unterrichtungspflicht gilt, ist hier allerdings nicht ausreichend. Es bedarf vielmehr einer eigenhändigen Unterzeichnung der Erklärung nach § 126 Abs. 1 BGB, ähnlich wie beim Schriftformerfordernis für Kündigungen oder Auflösungsverträge, § 623 BGB3. Ein mündlicher Widerspruch ist daher nicht möglich. Die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses führt zur Unwirksamkeit des Widerspruchs4. Dabei kann der Arbeitnehmer wählen, ob er den Widerspruch gegenüber dem Veräußerer oder dem Erwerber erklärt, vgl. § 613a Abs. 6 Satz 2 BGB. Er ist nicht verpflichtet, den Widerspruch zu begründen5.
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Erfolgt eine Unterrichtung über den Betriebsübergang nicht oder nicht vollständig, so unterliegt die Geltendmachung des Weiterbeschäftigungsanspruchs gegenüber dem Erbwerber keiner Bindung an eine bestimmte Frist6. Der Arbeitnehmer kann auch praktisch unbegrenzt mit Rückwirkung zu seinem vorherigen Arbeitgeber zurückkehren. Eine absolute Höchstfrist, wie sie etwa in Anlehnung an § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG in Erwägung ziehen könnte, besteht nach überwiegender Auffassung nicht7. Allerdings kommt unter gewissen Umständen eine Verwirkung des Widerspruchsrechts in Betracht8. Ab welchem Zeitablauf eine Verwirkung in Frage kommt, lässt sich nicht abstrakt festlegen. Jedenfalls beginnt die für das Zeitmoment zu Grunde zu legende Zeitspanne nicht erst mit Kenntnis von der Unrichtigkeit der Unterrichtung, sondern mit Kenntnis von den Tatsachen, aus denen sich das Vorliegen eines Betriebsübergangs ergibt9. Darüber hinaus ist eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen10. Von größerer Bedeutung ist dagegen in der Regel das erforderliche Um1 Vgl. Haas/Salamon/Hoppe, NZA 2011, 128 ff., 128 f.; Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159 ff., 1164. 2 Vgl. BAG v. 30.10.2003 – 8 AZR 491/02, NZA 2004, 481 ff., 483. 3 Giesen in: Besgen/Prinz, Handbuch Internet. Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2009, § 8 Rz. 155. 4 Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 35. 5 BAG v. 19.2.2009 – 8 AZR 176/08, NZA 2009, 1097; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/ Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 440. 6 Vgl. BAG v. 27.1.2011 – 8 AZR 326/09; ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 93; ausführlich Rudkowski, NZA 2010, 739 ff. 7 Vgl. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 101 m.w.N.; von Koppenfels-Spies, RdA 2010, 72 ff., 73. 8 Vgl. dazu BAG v. 13.7.2006 – 8 AZR 382/05, NZA 2006, 1406 ff.; v. 15.2.2007 – 8 AZR 431/06, NZA 2007, 793 ff.; v. 26.5.2011 – 8 AZR 18/10; Willemsen/Lembke, NJW 2002, 1159 ff., 1160. 9 BAG v. 27.1.2000 – 8 AZR 106/99; v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, NZA 2009, 552 ff., 555; v. 12.11.2009 – 8 AZR 530/07, NZA 2010, 761 ff., 764. 10 BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, NZA 2009, 552 ff., 555.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 262 Teil 5
standsmoment1. Erforderlich ist, dass der Veräußerer auf Grund einer Verhaltensweise des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben darauf vertrauen durfte, der Arbeitnehmer werde sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben2. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer eine Kündigung durch den Erwerber hinnimmt3 oder mit diesem einen Aufhebungsvertrag4 schließt. Verwirkung tritt auch dann ein, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses, z.B. durch Vertragsänderungen, bereits disponiert hat5. Dagegen reicht die bloße Weiterarbeit oder Entgegennahme des Gehalts nicht aus6. Der Arbeitnehmer kann auf sein Widerspruchsrecht bzgl. eines konkret bevorstehenden Betriebsübergangs verzichten, wenn er zuvor wirksam unterrichtet wurde7.
4. Massenwiderspruch Mitunter üben nicht nur einzelne Mitarbeiter ihr Widerspruchsrecht aus, sondern eventuell ein Großteil der Belegschaft. Zwar vermag ein solcher sog. Kollektivwiderspruch ein erhebliches Druckmittel zur Verhinderung des bevorstehenden Betriebsübergangs darstellen. Dies alleine führt allerdings noch nicht zur Unwirksamkeit der individuell erklärten Widersprüche8. Auch bei einem kollektiven Widerspruch, bedarf es keines sachlichen Grundes für den einzelnen Widerspruch9. Erst wenn die Arbeitnehmer durch einen kollektiven Widerspruch versuchen, den Betriebsübergang zum Schaden des Arbeitgebers zu verhindern oder Abfindungen zu erzwingen, auf die kein Anspruch bestünde, lässt sich ein Rechtsmissbrauch bejahen, der zur Unwirksamkeit der einzelnen Widersprüche führt10.
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V. Besonderheiten bei Unternehmensumwandlungen Rechtliche Bedeutung für die Arbeitsverhältnisse kann nicht nur ein Betriebsübergang haben, sondern auch eine gesellschaftsrechtliche Umgestaltung des Unternehmens. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen unterliegen den Regelungen des UmwG. § 1 UmwG nennt insofern vier Möglichkeiten zur rechtlichen Umwandlung eines Unternehmens. Diese kann danach im Wege 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Vgl. dazu auch Rudkowski, NZA 2010, 739 ff., 740. Vgl. Grau, RdA 2005, 367 ff., 370; BAG v. 26.5.2011 – 8 AZR 18/10. BAG v. 20.3.2008 – 8 AZR 1016/06, NZA 2008, 1354 ff., 1359. BAG v. 27.11.2008 – 8 AZR 174/07, NZA 2009, 552 ff., 556; v. 12.11.2009 – 8 AZR 530/07, NZA 2010, 761 ff., 764. Vgl. die BenQ-Fälle, dazu BAG v. 23.7.2009 – 8 AZR 357/08, 8 AZR 538/08, 8 AZR 539/08, 8 AZR 540/08, 8 AZR 541/08, 8 AZR 558/08, NZA 2010, 89. Einzelfallübersicht bei Jacobsen/Menke, NZA-RR 2010, 393 ff., 396 f. Str., s. ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 102 m.w.N. BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 43 ff., 47; ausführlich von KoppenfelsSpies, RdA 2010, 72 ff. Vgl. BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 43 ff., 46; von Koppenfels-Spies, RdA 2010, 72 ff., 73. Vgl. zum Rechtsmissbrauch auch BAG v. 30.9.2004 – 8 AZR 462/03, NZA 2005, 43 ff., 47; von Koppenfels-Spies, NZA 2010, 72 ff., 75.
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Teil 5 Rz. 263
Besondere Unternehmenssituation
einer Verschmelzung, Spaltung, eines Formwechsel und einer Vermögensübertragung erfolgen. 263
§ 324 UmwG legt ausdrücklich fest, dass § 613a Abs. 1 und Abs. 4–6 BGB durch eine Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung nicht berührt werden. Danach kann auch im Fall einer solchen Umwandlung ein Betriebsübergang i.S.v. § 613a BGB vorliegen, sofern dessen Tatbestand erfüllt ist. § 324 UmwG enthält nur eine Rechtsgrundverweisung1.
264
Probleme hinsichtlich des Verweises auf das Widerspruchsrecht können sich insbesondere bei der Verschmelzung und der vollständigen Vermögensübertragung ergeben, da in diesen Fällen der ursprüngliche Rechtsträger erlischt und mit ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb nicht mehr möglich ist. Eine uneingeschränkte Anwendung des Widerspruchsrechts würde dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls im Zeitpunkt der Eintragung der Umwandlung erlischt, da der ursprüngliche Rechtsträger nicht mehr existent ist. Andererseits würde dem Arbeitnehmer ohne das Widerspruchsrecht ein Vertragspartner ggf. gegen seinen Willen aufgezwungen2. Das BAG lehnt zwar eine Anwendung des Widerspruchsrechts ab, wenn der übertragende Rechtsträger erlischt und das Arbeitsverhältnis im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge übertragen wird3. Allerdings billigt es dem Arbeitnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht in entsprechender Anwendung von § 626 BGB zu4. Ob damit auch die komplementäre Unterrichtungspflicht aus § 613a Abs. 5 BGB in diesen Fällen entfällt, ist bislang noch offen5.
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Zudem bestimmt § 323 Abs. 1 UmwG, dass die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers, der vor dem Wirksamwerden einer Spaltung oder Vermögensteilübertragung zu dem übertragenden Rechtsträger in einem Arbeitsverhältnis steht, auf Grund der Spaltung oder Vermögensteilübertragung für die Dauer von zwei Jahren nicht verschlechtern darf. Ob sich diese Vorschrift alleine auf die kündigungsschutzrechtliche Stellung des Arbeitnehmers nach dem KSchG bezieht oder weiter i.S. einer umfassenden Absicherung des kündigungsrechtlichen status quo zu verstehen ist, wird kontrovers diskutiert6. Grundsätzlich sollte für die Praxis jedenfalls von einem weiten Verständnis ausgegangen werden.
1 BAG v. 25.5.2000 – 8 AZR 406/99; ebenso Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 11 Rz. 3 m.w.N. 2 So ArbG Münster v. 14.4.2000 – 3 Ga 13/00, NZA-RR 2000, 467 f.; Altenburg/Leister, NZA 2005, 15 ff., 18 f.; zum verfassungsrechtlichen Hintergrund des Widerspruchsrechts vgl. BVerfG v. 25.1.2011 – 1 BvR 1741/09. 3 BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815 ff., 816 f.; dazu Simon/Weninger, BB 2010, 117 ff. 4 BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815 ff., 818. 5 Offenlassend BAG v. 21.2.2008 – 8 AZR 157/07, NZA 2008, 815 ff.; einschränkend Simon/Weninger, BB 2010, 117 ff., 118. 6 Umfassend zum Meinungsstand Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 472; s. auch Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 11 Rz. 6 f. m.w.N.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 269 Teil 5
VI. Kündigung und Betriebsübergang 1. Grundsätze Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen eines Betriebsübergangs ist nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB sowohl durch den bisherigen als auch den neuen Arbeitgeber rechtsunwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt aber nach § 613a Abs. 4 Satz 2 BGB ausdrücklich unberührt. Erfasst werden alle Kündigungsarten, mithin ordentliche und fristlose Kündigungen wie auch die Änderungskündigung.
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2. Kündigung „wegen“ Betriebsübergang Eine Kündigung wegen des Betriebsübergangs liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann vor, wenn das Motiv der Kündigung wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt ist. Der Betriebsübergang darf nicht nur der äußere Anlass, sondern muss auch der tragende Beweggrund für die Kündigung gewesen sein. Maßgeblich sind ausschließlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung1. Das Kündigungsverbot ist aber dann nicht einschlägig, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt. Dies kann bei Sanierungskonzepten des Betriebsveräußerers und/ oder Betriebserwerbers der Fall sein. Das BAG eröffnet hierzu die Möglichkeiten der so genannten sanierenden Kündigung2. Zulässige Konzepte sind z.B. die Personalreduzierung beim Betriebsveräußerer zur Erhöhung der Verkäuflichkeit oder die vorweggenommene Verwirklichung eines Erwerberkonzeptes. Die Grundsätze gelten uneingeschränkt im Insolvenzverfahren, § 128 InsO3. Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dieser Problematik verweisen wir auf die Spezialliteratur4.
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3. Kündigung aus anderen Gründen Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang ist eine Kündigung „aus anderen Gründen“ ausdrücklich nach Abs. 4 Satz 2 erlaubt. Beispiele: Gründe zur fristlosen Kündigung gem. § 626 BGB; Gründe im Verhalten oder in der Person nach § 1 Abs. 2 KSchG. In Zweifelsfällen bietet sich die Vergleichsfrage an, ob es auch ohne den Betriebsübergang zu der betreffenden Kündigung gekommen wäre. Wird die Frage bejaht, ist die Kündigung nicht „wegen“ des Betriebsübergangs ausgesprochen und damit möglich.
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VII. Nachteilige Vereinbarungen anlässlich Betriebsübergang Die Regelungen des § 613a BGB stellen zwingendes Recht dar. Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die den Betriebsübergang und den Übergang der Arbeits1 2 3 4
BAG v. 16.5.2002 – 8 AZR 319/01, NZA 2003, 93. BAG v. 20.3.2003 – 8 AZR 97/02, AP Nr. 250 zu § 613a BGB. Vgl. Plössner, NZI 2003, 401; Wellensiek, NZI 2005, 603. S. die Darstellung bei Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 47 ff.
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Teil 5 Rz. 270
Besondere Unternehmenssituation
verhältnisse ausschließen, sind daher unwirksam. Aber: Auch für inhaltsändernde Abreden fordert das Bundesarbeitsgericht einen sachlichen Grund1. So darf der Betriebserwerber z.B. mit dem Arbeitnehmer keinen neuen Arbeitsvertrag mit der Begründung einer neuen Betriebszugehörigkeit oder sogar einer neuen Probezeit vereinbaren. Der bisherige Besitzstand muss uneingeschränkt fortgeführt werden. Es sind also nur solche Vereinbarungen anlässlich eines Betriebsübergangs möglich, mit denen die zwingenden Rechtsfolgen des § 613a BGB und der damit bezweckte Schutz nicht beeinträchtigt werden. Rein vorteilhafte Vereinbarungen für den Betriebserwerber sind damit nahezu ausgeschlossen. Demgegenüber ist es ohne weiteres zulässig, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber nach dem Betriebsübergang einvernehmlich beendet2.Dies gilt freilich dann nicht, wenn zugleich mit dem Betriebserwerber ein neuer Arbeitsvertrag vereinbart wird3.
VIII. Sonderkündigungsschutz beim Betriebsübergang 270
Der Betriebsübergang lässt den Sonderkündigungsschutz unberührt. Die Spezialvorschriften für Schwerbehinderte, Schwangere, Arbeitnehmer in der Elternzeit, tariflich unkündbare Arbeitnehmer, Betriebsräte oder sonstige Mandatsträger wie auch Auszubildende und Wehr- bzw. Zivildienstleistende bleiben unverändert erhalten. Der Erwerber tritt in den Sonderkündigungsschutz uneingeschränkt ein4.
IX. Prozessuale Fragen 271
Die prozessualen Fragen sind vielfältiger Natur und können hier nicht im Einzelnen abgehandelt werden. Zu beachten ist vor allem auf die für alle Kündigungen geltende allgemeine dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG, die auch das Kündigungsverbot des § 613a BGB erfasst. Besondere Achtsamkeit ist auf die Passivlegitimation zu richten. Passivlegitimiert ist grundsätzlich der Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat5. Zu differenzieren ist allerdings zwischen Kündigungen vor Betriebsübergang und nach Betriebsübergang. Hier können zahlreiche Probleme auftreten und der betreuende Rechtsanwalt wird besondere Sorgfalt darauf zu richten haben, ob der richtige Arbeitgeber fristwahrend verklagt wird6.
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Vgl. BAG v. 18.8.2005 – 8 AZR 523/04, DB 2006, 107. BAG v. 23.11.2006 – 8 AZR 349/06, NZA 2007, 866. BAG v. 21.5.2008 – 8 AZR 481/07, NZA 2009, 144. Siehe Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 55 ff. BAG v. 18.3.1999 – 8 AZR 306/98, NZA 1999, 706. Zur richtigen Antragsfassung siehe den Beitrag von Korinth, ArbRB 2011, 125; ausführlich zum Thema Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 65 ff.; s. auch ErfK/Preis, § 613a BGB Rz. 174 ff.; ferner HWK/Willemsen, § 613a BGB Rz. 369 ff.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 273 Teil 5
X. Wiedereinstellungs-/Vertragsfortsetzungsansprüche Bei Kündigungen im Rahmen eines Betriebsübergangs kann es nach Ausspruch dieser Kündigungen zu erheblichen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse kommen. Entscheidet sich z.B. ein Arbeitgeber zunächst zur Betriebsstilllegung, greift § 613a BGB nicht. Entschließt sich der Arbeitgeber aber später doch nach Ausspruch der Kündigung zum Verkauf und kommt es dann zu einem Betriebsübergang, erweist sich die ursprüngliche Prognosegrundlage für die notwendige Betriebsstilllegung als falsch. Probleme können sich auch dann ergeben, wenn der Arbeitgeber schlicht kündigt und dem Arbeitnehmer der Betriebsübergang, der von vornherein beabsichtigt war, nicht bekannt ist und dieser erst zu einem späteren Zeitpunkt, nach Ablauf von Klagefristen, Kenntnis erlangt. Besonderheiten können sich schließlich in der Insolvenz ergeben. Das BAG hat grundsätzlich entschieden, dass Arbeitnehmer, die von einem Betriebserwerber die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses verlangen, weil dieser infolge des Betriebsübergangs neuer Arbeitgeber geworden ist, die Fristen zu beachten haben, die für einen Widerspruch gegen den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses einzuhalten wären1. Dies bezieht sich auf die einmonatige Frist des § 613a Abs. 6 BGB. Diese Frist beginnt aber nur bei ordnungsgemäßer Unterrichtung zu laufen (siehe oben Rz. 259). Damit können Mitarbeiter auch viele Monate nach dem Betriebsübergang bei nichtordnungsgemäßer Unterrichtung noch Klage erheben, sofern kein Fall der Verwirkung vorliegt (dazu siehe Rz. 260). Im Übrigen verweisen wir auf die weiterführende Literatur2.
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XI. Besonderheiten bei Organ-Führungskräften 1. Keine Anwendung § 613a BGB Die vorstehenden Ausführungen betreffen ausschließlich die ArbeitnehmerFührungskräfte. Da § 613a BGB das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt, kommt eine Anwendung auf Organführungskräfte grundsätzlich weder im Hinblick auf das Anstellungsverhältnis noch bzgl. der Organstellung in Betracht (siehe schon oben Rz. 244). Auch eine analoge Anwendung auf den GmbH-Geschäftsführer hat das BAG abgelehnt3. Für Vorstände wurde dies von dem BAG zwar noch nicht ausdrücklich entschieden. Die Rechtsprechung ist aber entsprechend anzuwenden4. Der Übergang von einzelnen Betrieben oder Betriebsteilen hat daher keine Auswirkungen auf Organ-Führungskräfte, es sei denn es liegt eine besondere vertragliche Übergangsvereinbarung vor. Ausnahmsweise kommt auch dann eine Anwendung von § 613a BGB in Betracht, wenn neben dem Organverhältnis noch ein ruhendes Arbeitsverhältnis besteht
1 BAG v. 27.1.2011 – 8 AZR 326/09, Pressemitteilung Nr. 9/11, abrufbar unter www. bundesarbeitsgericht.de. 2 S. Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 61 ff. 3 BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552 ff., 554. 4 HWK/Willemsen, § 613a BGB Rz. 226; Pauly/Osnabrügge/Besgen, Handbuch Kündigungsrecht, § 10 Rz. 20.
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Teil 5 Rz. 274
Besondere Unternehmenssituation
(vgl. dazu Teil 2 Rz. 109 ff., 136 und Teil 4 Rz. 265)1, dann aber nur bezogen auf dieses ruhende Arbeitsverhältnis.
2. Vereinbarungen nach Betriebsübergang 274
Etwas anderes kann dann gelten, wenn der Geschäftsführer oder der Vorstand anlässlich des Betriebsübergangs abberufen werden und der Betriebserwerber das bisherige Organ im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses neu einstellt bzw. weiterbeschäftigt. Da der Dienstvertrag im Rahmen des Betriebsübergangs nicht übergeht, ist der Betriebserwerber grundsätzlich frei darin, mit dem früheren Organ (Geschäftsführer oder Vorstand) nach dem Betriebsübergang ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen. Die frühere Betriebszugehörigkeit muss nicht anerkannt werden. Den Parteien steht es freilich frei, die frühere Betriebszugehörigkeit anzuerkennen und so den Besitzstand jedenfalls im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses fortzuführen. Eine Verpflichtung besteht aber nicht. Zu beachten ist hier aber die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 20052. Der Leitsatz der Entscheidung hat folgenden Wortlaut: „Vereinbaren die Parteien nach der Kündigung des Geschäftsführervertrages eine weitere Beschäftigung des Betreffenden – ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben – im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, so lässt dies mangels abweichender Vereinbarungen regelmäßig auf den Parteiwillen schließen, die Beschäftigungszeit als Geschäftsführer für das neu gegründete Arbeitsverhältnis anzurechnen.“ Das Urteil wurde nicht anlässlich eines Betriebsübergangs entschieden, so dass eine unmittelbare Anwendung dieser Rechtsprechung auf dem Betriebsübergang ausscheidet. Den Vertragsparteien kann daher nur empfohlen werden, im Falle der Weiterbeschäftigung eines früheren Organs im Rahmen eines Betriebsübergangs deutliche Absprachen schriftlich zu treffen, um Unklarheiten zu vermeiden. Das BAG hat jedenfalls klargestellt, dass abweichende Vereinbarungen möglich sind.
3. Veräußerung 275
Im Grundsatz führt auch die Veräußerung eines Unternehmens noch nicht zu einer Änderung der rechtlichen Stellung des Organmitglieds, da der Rechtsträger unverändert bleibt. Allerdings sind Unternehmensveräußerungen häufig auch mit Veränderungen der Leitungsstruktur verbunden, sei es, dass das Organmitglied freiwillig sein Amt niederlegt, sei es im Wege einer Abberufung. Zu beachten ist, dass eine Unternehmensveräußerung auch im Geltungsbereich des § 84 AktG einen wichtigen Grund zur Abberufung darstellen dürfte3.
4. Unternehmensumwandlungen 276
Weit größere Bedeutung für Organ-Führungskräfte haben gesellschaftsrechtliche Unternehmensumwandlungen nach dem UmwG. Allerdings lässt sich 1 Vgl. Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 506. 2 BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366. 3 Vgl. Thüsing in: Fleischer, Handbuch Vorstandsrecht, § 5 Rz. 10.
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Betriebsübergang und Unternehmensumwandlungen
Rz. 276 Teil 5
auch dem UmwG keine ausdrückliche Regelung des Schicksals des Organverhältnisses und des Anstellungsverhältnisses entnehmen1. Wird eine solche Umwandlung vorgenommen, wird man grundsätzlich danach zu differenzieren haben, ob der Rechtsträger, dem das Organmitglied angehört, fortbesteht oder erlischt. Zu einem Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers kommt es bei der Verschmelzung, der Spaltung im Wege der Aufspaltung und der vollständigen Vermögensübertragung. Erlischt der übertragende Rechtsträger, resultiert daraus automatisch auch die Beendigung der Organstellung2. Die Organstellung ist untrennbar mit der Existenz des Rechtsträgers verbunden3. Gleiches gilt bei einem Formwechsel4. Für den Organdienstvertrag hat dies zur Konsequenz, dass dieser mit allen Rechten und Pflichten im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht5. Das Organmitglied hat zwar damit gegenüber dem neuen Rechtsträger einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung6. Es kann aber nicht verlangen, erneut zum Organmitglied bestellt zu werden. Unterbleibt eine Neubestellung zum Organmitglied, so wird das ehemalige Organmitglied für berechtigt gehalten, den Anstellungsvertrag außerordentlich zu kündigen7. Da der Dienstvertrag der Organ-Führungskraft in der Regel auf eine Tätigkeit auf Leitungs- bzw. Geschäftsführungsebene zugeschnitten ist, wird man auch eine Pflicht zur Dienstleistung auf nachgeordneten Ebenen nach einem Wegfall der Bestellung ablehnen. Der übernehmende Rechtsträger kann der Organ-Führungskraft daher regelmäßig keine Tätigkeit unterhalb der Organebene zuweisen8. Der BGH geht zwar davon aus, dass ein Organmitglied nach einer selbst oder schuldhaft herbeigeführten Abberufung für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages auch eine Tätigkeit unterhalb der Organebene annehmen müsse9. Einen Anspruch lehnt der BGH aber ab10. Diese Entscheidungen lassen sich aber nicht auf den Verlust der Organmitgliedschaft im Rahmen einer Umwandlung übertragen11. Ist dagegen bereits im Anstellungsvertrag bestimmt, dass ggf. auch eine Tätigkeit unterhalb der Organebene geschuldet ist, kann dem Organmitglied auch eine solche zugewiesen werden12.
1 Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 3. 2 OLG München v. 15.11.2000 – 7 U 3916/00, NZG 2001, 616 ff., 617; Stratz in: Schmitt/Hörtnagel/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwG Rz. 8; Kübler in: Semler/ Stengel, UmwG, § 20 Rz. 20. 3 Vgl. BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552 ff., 553 f.; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 1. 4 Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1341; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 506; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 4. 5 BAG v. 13.2.2003 – 8 AZR 654/01, NZA 2003, 552 ff., 553. 6 Ausführlich Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1347. 7 Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 8; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 531 m.w.N. 8 Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1347; Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 531 m.w.N.; Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 7 f. 9 BGH v. 9.2.1978 – II ZR 189/76, NJW 1978, 1435 ff., 1436. 10 BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, GmbHR 2011, 82. 11 Zeißig in: Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Teil A Rz. 538. 12 Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 7; Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1347; s. auch BGH v. 11.10.2010 – II ZR 266/08, GmbHR 2011, 82.
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Teil 5 Rz. 277 277
Besondere Unternehmenssituation
Bleibt der Rechtsträger dagegen bestehen – wie etwa bei einer Ausgliederung oder Abspaltung –, besteht auch die Organstellung fort1. Ebenso bleibt das Anstellungsverhältnis unberührt2. In Betracht kommen kann ggf. allerdings eine Abberufung des Organmitglieds, wenn dessen Zuständigkeitsbereich durch die Ausgliederung oder Abspaltung weggefallen ist3.
1 Vgl. Röder/Lingemann, DB 1993, 1341 ff., 1341. 2 Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 5. 3 Buchner/Schlobach, GmbHR 2004, 1 ff., 6.
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Teil 6 Compliance und Datenschutz A. Compliance Das Thema Compliance kam auf, als Unternehmen mögliche Schadensersatzzahlungen aufgrund von Verstößen gegen gesetzliche Vorgaben in ihre Risikokalkulationen einbezogen haben und den möglichen Gewinn, der aus dem Verstoß gezogen werden konnte, gegengerechnet haben. Unter dem Stichwort „Compliance“ wurden Unternehmen verpflichtet, entsprechende Vorkehrungen zur Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu treffen. Gerade im Datenschutzrecht war das Risiko, „erwischt zu werden“, bislang relativ gering. Auch ein mögliches Haftungsrisiko konnte aufgrund der geringen Prüfdichte und der häufig fehlenden Sensibilität der Betroffenen bislang vernachlässigt werden. Im Zuge der Novelle des BDSG erfolgte eine Erhöhung des Bußgelds auf 300 000 Euro, wobei dieser Betrag auch überschritten werden kann. Die Geldbuße soll nach § 43 Abs. 3 BDSG mindestens den wirtschaftlichen Vorteil umfassen, der aus dem Verstoß gezogen wurde. Im Datenschutzrecht ist noch ein zusätzliches Risiko zu berücksichtigen: Datenschutzverstöße werden gerne von der Presse aufgenommen und führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reputation eines Unternehmens. Für viele Unternehmen ist dies hinreichender Anlass, auch für ein entsprechendes Compliance-Management im Datenschutz zu sorgen. Außerdem haben mittlerweile Aufsichtsbehörden angekündigt, entsprechende Prüftrupps einzusetzen1. Die von der Politik vorgesehene Erhöhung der Anzahl der Mitarbeiter von Aufsichtsbehörden soll dazu genutzt werden, kleine Einheiten zu bilden, die ausschließlich die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen in Unternehmen kontrollieren sollen. Damit betreten die Aufsichtsbehörden Neuland.
1
Im nachfolgenden Beitrag werden zunächst die generellen Anforderungen an die Einführung von Compliance-Maßnahmen aufgezeigt (Rz. 3 ff.). Daran schließt sich eine Darstellung der wesentlichen Punkte an, die Unternehmen zur Gewährleistung eines angemessenen Datenschutzniveaus im Unternehmen zu treffen haben (Rz. 27 ff.). Da bei der praktischen Umsetzung von Compliance-Maßnahmen regelmäßig personenbezogene Daten verwendet werden, erfolgt abschließend eine Bewertung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit einzelner Compliance-Maßnahmen (Rz. 130 ff.).
2
I. Compliance – Die Grundlagen Zu Beginn des Beitrags sollen die grundlegenden Anforderungen aufgezeigt werden, die von Unternehmen unter dem Stichwort „Compliance“ abverlangt 1 Vgl. etwa die Meldung der Aufsichtsbehörde NRW, abrufbar unter https://www.ldi. nrw.de/mainmenu_Aktuelles/Inhalt/Unabhaengigkeit/Unabhaengigkeit.php.
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Teil 6 Rz. 4
Compliance und Datenschutz
werden. Zunächst ist aber die Frage zu klären, was unter dem Begriff „Compliance“ zu verstehen ist und wer zum Ergreifen entsprechender Maßnahmen verpflichtet ist.
1. Der Begriff „Compliance“ 4
In der Begründung des Gesetzentwurfes zum Beschäftigtendatenschutz definiert der Gesetzgeber den Begriff „Compliance“1. „Compliance“ bedeute die Einhaltung aller relevanten Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und Selbstverpflichtungen durch ein Unternehmen als Ganzes. Dies deckt sich auch mit zahlreichen weiteren Vorgaben zum Begriff „Compliance“. Der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) hat „Compliance“ als Begriff aufgenommen und sich einer juristischen Begriffsbildung angenähert. Nach Nr. 4.1.3 DCGK hat der Vorstand der Aktiengesellschaft „für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien zu sorgen und wirkt auf deren Beachtung durch die Konzernunternehmen hin (Compliance)“.
5
„Compliance“ ist aber nicht auf die Einhaltung von gesetzlichen Regelungen und unternehmensinternen Richtlinien beschränkt. Erforderlich ist vielmehr die Schaffung von entsprechenden Strukturen im Unternehmen, um Verstöße gegen die genannten Regeln zu verhindern bzw. aufzudecken und zu ahnden2.
2. Verpflichtung zum Ergreifen von Compliance-Maßnahmen 6
In der Praxis aufgetretene Missstände – etwa unzulässige Kartellabsprachen, Bestechungen oder Bilanzfälschungen – führten zu einer rechtlichen Verankerung von Compliance-Vorgaben im deutschen Recht. Das Kontroll- und Transparenzgesetz (KonTraG) – als Reaktion auf die „Balsam-Affäre“ entstanden – führte zunächst für Aktiengesellschaften in § 91 Abs. 2 AktG die Pflicht zur Einführung eines Überwachungssystems ein, um die den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Risiken früh zu erkennen. Nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG hat der Prüfungsausschuss bzw. der Aufsichtsrat die Wirksamkeit des Compliance-Systems zu überwachen. Dies setzt natürlich voraus, dass ein zu prüfendes Compliance-System im Unternehmen besteht.
7
Wesentliche Organisationspflichten ergeben sich aus §§ 30, 130 OWiG. Nach dieser Norm handelt ordnungswidrig, wer als Inhaber eines Betriebs oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern. Einheitliche Aufsichtsmaßnahmen bestehen nicht. Aber in der Literatur wurde eine Reihe von Aufsichtsmaßnahmen, die regelmäßig zu treffen sind, zusammengestellt3. Zu diesen Aufsichtsmaßnahmen zählen Kontroll- und Überwachungspflichten gegenüber den Mitarbeitern, die Pflicht zur Sanktionierung von Verstößen, aber auch Vorgaben zur Delegation von Aufgaben sowie zur Schulung und Instruktion der Mitarbeiter. 1 BT-Drucks. 17/4230, 12. 2 Vgl. Kort, DB 2011, 651. 3 Vgl. Bussmann/Matschke, CCZ 2009, 132 ff.; Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 36.
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Rz. 10 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Neben der Haftung der juristischen Person, etwa der GmbH oder der AG, muss auch die persönliche Haftung der leitenden Angestellten berücksichtigt werden. Aufgrund der sehr nachteiligen Beweislastverteilung müssen etwa Geschäftsführer einer GmbH oder auch Vorstände der Aktiengesellschaft dem Unternehmen gegenüber nachweisen, dass eine pflichtgemäße Geschäftsleitung ausgeübt wurde. Es muss dargelegt und bewiesen werden, dass der Geschäftsführer bzw. der Vorstand eine vorgeworfene Pflichtverletzung nicht begangen hat1.
8
Insgesamt besteht Einigkeit hinsichtlich der Vorgabe, dass Compliance-Organisationen im Unternehmen zu schaffen sind2. Ziel von Compliance-Maßnahmen ist es, das Unternehmen vor einem entsprechenden Reputationsverlust zu bewahren und Schäden von dem Unternehmen, den Anteilseignern und Mitarbeitern abzuwenden.
9
3. Grundanforderungen an die Compliance-Struktur im Unternehmen Ein Compliance-System muss im Unternehmen sicherstellen, dass es keine Einfallstore für systematische Regelverstöße im und aus dem Unternehmen heraus gibt. Die Erarbeitung der hierfür erforderlichen Strukturen stellt eine wesentliche Leitungsaufgabe des Managements dar3. Die konkrete Ausgestaltung der Compliance-Struktur im Unternehmen hängt ab von der gesellschaftsrechtlichen Struktur des Unternehmens, der Anzahl der Mitarbeiter, der nationalen oder internationalen Ausrichtung des Unternehmens sowie von der konkreten Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Einige Branchen haben sich als anfälliger für Korruption oder Kartellabsprachen erwiesen, so dass in diesen Bereichen besondere Maßnahmen zu erwarten sind. Unabhängig von sektorspezifischen Anforderungen haben sich aber einige Elemente als „Herzstück jeder Compliance-Organisation“4 herausgebildet. Hierzu zählen folgende Punkte5: – Erarbeitung von unternehmensbezogenen Compliance-Standards, die die unternehmensspezifischen Risiken benennen und Vorgaben an das Verhalten der Arbeitnehmer formulieren. Diese Compliance-Standards müssen verbindlich vorgegeben werden (vgl. zum Datenschutz unter Rz. 27 ff.). – Durchführung von Schulungsmaßnahmen, damit die Mitarbeiter mit den Risiken und Anforderungen auch vertraut werden. – Regelmäßige Durchführung von Audits, um Schwachstellen in der Umsetzung der Compliance-Vorgaben zu ermitteln. Selbstverständlich bedarf es auch einer Anpassung der Compliance-Vorgaben, wenn Schwachstellen im Rahmen der Audits ermittelt wurden. – Bestellung des Compliance-Beauftragten (vgl. hierzu unter Rz. 11 f.). 1 2 3 4 5
Vgl. BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00; Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 22. Vgl. Hauschka, AnwBl. 2010, 629, 631. Vgl. Dann/Mengel, NJW 2010, 3265. Vgl. Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 20. Vgl. hierzu auch Moosmayer, Compliance-Praxisleitfaden für Unternehmen, 31 ff.
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Teil 6 Rz. 11
Compliance und Datenschutz
– Einführung einer Whistleblowing-Hotline, damit Mitarbeiter Verstöße gegen die Compliance-Standards des Unternehmens melden können (vgl. hierzu unter Rz. 131 ff.).
4. Der Compliance-Beauftragte a) Wann muss ein Compliance-Beauftragter bestellt werden? 11
Eine gesetzlich vorgeschriebene Pflicht zur Bestellung eines Compliance-Beauftragten gibt es grundsätzlich nicht. Eine Ausnahme stellt die Sonderregelung im Gesetz über den Wertpapierhandel (WpHG) dar. Nach § 63 Abs. 1 Nr. 5 WpHG ist vorgeschrieben, dass Geschäftsleitung und Aufsichtsrat in angemessenen Zeitabständen Berichte der Compliance-Beauftragten erhalten. Dennoch bietet es sich für Unternehmer an, unabhängig von einer entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung einen eigenständigen Compliance-Beauftragten zu benennen.
12
In der Praxis kommt häufig ein dreistufiges System zum Einsatz, wonach zunächst ein Mitglied der Geschäftsleitung mit dem Ressort Compliance beauftragt und ergänzend hierzu ein Compliance-Beauftragter – der „ComplianceOfficer“ – benannt wird. Ergänzend hierzu werden nachrangige ComplianceBeauftragte, etwa für einzelne Unternehmensbereiche, ernannt.
b) Aufgaben des Compliance-Beauftragten 13
Am Anfang steht die Erarbeitung eines adäquaten Organisationskonzeptes. Mögliche Risiken sind anhand der Zielstellung, systematische Regelverstöße zu verhindern, zu ermitteln. Aus diesem Konzept heraus ist dann die maßgebliche Compliance-Struktur zu erarbeiten. Hierzu gehört auch eine Aussage zum erforderlichen Personal für den Bereich Compliance1.
14
Sobald das Konzept und die Compliance-Struktur des Unternehmens beschlossen wurden, sind Regelwerke zu erstellen und zu implementieren. Für die jeweiligen Bereiche bedarf es entsprechender Vorgaben, etwa für die Bereiche ITSicherheit, Datenschutz, Antikorruption, Ethik etc.
15
Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Schulung von Mitarbeitern. Nur wenn die Mitarbeiter ihre Verantwortung und die vorgegebenen Regelwerke kennen, sind sie in der Lage, diese Vorgaben in der Praxis umzusetzen. Mittlerweile finden sich in Unternehmen auch softwarebasierte Lösungen zur Schulung der Mitarbeiter. Dennoch ist eine individuelle Schulung – etwa im Rahmen eines Workshops – wichtig, um hier ganz konkret auf Fragen aus der Praxis reagieren zu können. An die Schulung sollten entsprechende Wissenstests angeschlossen sein, um den Lernerfolg aufzuzeigen.
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Weitere wichtige Aufgabe ist die Durchführung regelmäßiger Kontrollen. Der Compliance-Beauftragte sollte dokumentieren, was Gegenstand der Prüfung 1 Vgl. grundlegend zum Aufbau einer Compliance-Organsiation Lampert in: Hauschka, Corporate Compliance, § 9; Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 73 ff. sowie Wiederholt/Walter, BB 2011, 968 ff.
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Rz. 21 Teil 6
Compliance und Datenschutz
war und welche Ergebnisse erzielt worden sind. Die Ergebnisse aus diesen Prüfungen müssen in die Fortentwicklung der Compliance-Strukturen bzw. des Compliance-Konzeptes mit aufgenommen werden. Die Geschäftsleitung sollte vorgeben, welche Sanktionen bei Verstößen gegen Compliance-Vorgaben drohen. Dies kann etwa in den einzelnen Regelwerken angeführt werden oder aber auch generell im Rahmen einer Compliance-Vorgabe.
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Der Compliance-Beauftragte sollte über Kontakte zu den einzelnen Behörden verfügen und hier im Vorfeld in geeigneter Weise die Compliance-Ausnahmen des Unternehmens aufzeigen. Dies erleichtert die Zusammenarbeit im Konfliktfall. Sollte es zu Verstößen kommen, müssten im Unternehmen zudem entsprechende Verhaltenskonzepte für Krisenfälle aufgebaut sein.
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c) Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten Ein Datenschutzbeauftragter unterscheidet sich sowohl von seiner Tätigkeit als auch von seiner Stellung her grundsätzlich vom Compliance-Beauftragten. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist aufgrund der gesetzgeberischen Vorgaben weisungsfrei und bearbeitet ein klar überschaubares Aufgabengebiet. Der Datenschutzbeauftragte ist in der Hierarchie ganz oben angesiedelt und berichtet direkt an die Geschäftsleitung. Für den Compliance-Beauftragten ist Weisungsfreiheit nicht unbedingt erforderlich. Zudem gibt es auch Unterschiede in der Verantwortlichkeit: Der BGH hat für einen Compliance-Beauftragten eine Haftung aus einer Garantenstellung angenommen1. Für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten lässt sich eine solche Garantenstellung aber nicht herleiten. Er ist nicht verantwortlich für die Einhaltung des Datenschutzes im Unternehmen, sondern deckt entsprechende Missstände durch seine regelmäßigen Prüfungen auf.
19
In der Praxis ist es daher für den Compliance-Beauftragten zwingend notwendig, mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten zusammenzuarbeiten. Eine Berichtspflicht des betrieblichen Datenschutzbeauftragten an den ComplianceBeauftragten kann es dagegen nicht geben, da der betriebliche Datenschutzbeauftragte weisungsfrei ist. Häufig ist in Unternehmen der Bereich Datenschutz aus dem Aufgabenbereich des Compliance-Beauftragten herausgenommen. Dies lässt sich dann vertreten, wenn der betriebliche Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben auch umfassend wahrnimmt. In der Praxis finden sich aber auch Datenschutzbeauftragte, die nur eine Alibi-Rolle wahrnehmen und nicht effektiv zur Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben im Unternehmen beitragen.
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5. Arbeitsrechtliche Umsetzung von Compliance-Regeln In der Praxis muss weiterhin die Frage geklärt werden, wie die im Unternehmen gewünschten Compliance-Regeln intern umgesetzt werden können2. Es 1 Vgl. BGH v. 17.7.2009 – 5 StR 392/08. 2 Vgl. hierzu Schreiber, NZA-RR 2010, 617; Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386 ff.; Mengel in: Hauschke, Corporate Compliance, § 12 sowie ausführlich Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, Teil 1.
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Teil 6 Rz. 22
Compliance und Datenschutz
muss geprüft werden, ob eine einseitige Vorgabe im Wege des Direktionsrechts durchsetzbar ist oder ob es einer zweiseitigen Vereinbarung z.B. im Arbeitsvertrag bedarf. Zudem unterliegen einige Vorgaben zu Compliance-Maßnahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates, so dass der Abschluss einer Betriebsvereinbarung überprüft werden muss.
a) Direktionsrecht des Arbeitgebers 22
Die Einführung von Unternehmensrichtlinien zum Thema Compliance kann über das Direktionsrecht des Arbeitgebers erfolgen. Hierzu muss das Unternehmen dem Mitarbeiter das Regelwerk übergeben, was in der Praxis regelmäßig durch Einstellung in das Intranet erfolgt. Für eine Ahndung von Verstößen muss das Unternehmen lediglich nachweisen, dass dem Mitarbeiter die Compliance-Regeln in der aktuellen Fassung bekannt waren1. Hierzu sollte sich das Unternehmen eine entsprechende Bestätigungserklärung der Mitarbeiter geben lassen. Aktualisierungen können ebenfalls durch Einstellung der neuen Version in das Intranet und Information der Mitarbeiter per Rundmail über die geänderte Fassung erfolgen.
23
Das Unternehmen kann unter Berufung auf das Direktionsrecht allerdings nur vorhandene vertragliche oder gesetzliche Pflichten konkretisieren, nicht aber neue Verpflichtungen schaffen2. In der Praxis lassen sich zahlreiche compliancerelevante Sachverhalte unter Berufung auf das Direktionsrecht regeln. In diesen Fällen erfolgt lediglich eine Präzisierung einer ohnehin bestehenden Verpflichtung. So kann das Unternehmen etwa die allgemeine Verpflichtung aus § 5 BDSG konkretisieren, wonach Mitarbeiter personenbezogene Daten nur in zulässiger Weise verarbeiten und nutzen dürfen. Auch die Einführung von Whistleblowing-Hotlines lässt sich grundsätzlich auf das Direktionsrecht stützen3.
b) Regelungen im Arbeitsvertrag 24
Bei Neueinstellungen lassen sich gleich im Arbeitsvertrag Regelungen zur Einhaltung von Compliance-Vorgaben treffen. Schwieriger ist dagegen die Anpassung der Altverträge. Sofern in der Praxis Unklarheiten verbleiben, ob bestimmte Vorgaben auf das Direktionsrecht gestützt werden können, müsste eine entsprechende Ergänzung des Arbeitsvertrages angestrebt werden. Dabei ist zu beachten, dass diese neu einzuführenden Klauseln regelmäßig der allgemeinen Inhaltskontrolle für Arbeitsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB unterliegen.
25
In der Praxis können sich Arbeitnehmer allerdings weigern, entsprechenden Anpassungen von bestehenden Arbeitsverhältnissen zuzustimmen. Erfolgt keine freiwillige Zustimmung, kommt eine Einführung im Wege der Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG nur in sehr seltenen Fällen in Betracht,
1 Vgl. BAG v. 23.9.1986 – 1 AZR 83/85. 2 Vgl. Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 127; Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, Kap. 1 Rz. 4; sowie Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387. 3 Vgl. LAG Berlin v. 9.1.1989 – 9 Sa 93/88; Mengel/Hagemeister, BB 2007, 1386, 1387.
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Rz. 29 Teil 6
Compliance und Datenschutz
wenn dringende betriebliche Erfordernisse für die Einführung der ComplianceMaßnahme sprechen1.
c) Abschluss von Betriebsvereinbarungen Die Einführung einiger Compliance-Maßnahmen ist mitbestimmungspflichtig, so dass eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden muss. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn Verfahren zur Mitarbeiterkontrolle eingesetzt werden, die zugleich eine Leistungs- bzw. Verhaltenskontrolle ermöglichen2. Zudem ergibt sich eine Mitbestimmungspflicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG etwa bei der Einführung von Ethik-Regeln oder sonstiger Regelungen, die die Ordnung im Betrieb betreffen3.
26
II. Compliance-Anforderungen im Datenschutz Die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Vorgaben in Unternehmen rückte insbesondere mit den Datenschutzskandalen 2008/2009 in das öffentliche Interesse. Negative Presseberichterstattungen über die Vorkommnisse führten zu einer intensiveren Befassung mit den Datenschutzbestimmungen. Daher stellt sich auch für Unternehmen die Frage, welche Compliance-Maßnahmen für den Bereich Datenschutz getroffenen werden müssen. Maßgeblich ist dies nicht nur für den Umgang mit Beschäftigtendaten, sondern auch für den mit Kunden- und Interessentendaten.
27
1. Datenschutzbestimmungen im Überblick Das BDSG will den Einzelnen davor schützen, dass er durch den Umgang mit seinen personenbezogenen Daten in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird (vgl. § 1 Abs. 1 BDSG). Die Verpflichtung zum Erlass eines Datenschutzgesetzes folgte aus der Schaffung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch das BVerfG4. Ergänzend zum BDSG hat der Gesetzgeber noch verschiedene bereichsspezifische Regelungen erlassen, wie etwa die Datenschutzbestimmungen im TKG oder im TMG, die in ihrem Anwendungsbereich dem BDSG nach § 1 Abs. 3 vorgehen. Die nationalen Regelungen werden aber von den europarechtlichen Vorgaben überlagert, insbesondere von der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46.
28
Nunmehr findet sich eine ausdrückliche Regelung zum Datenschutz in Art. 8 der EU-Grundrechtecharta. Danach hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Die Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Personen oder auf Grundlage einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Zudem hat jede Person das Recht, Auskunft über die sie be-
29
1 2 3 4
Vgl. hierzu Mengel, Compliance und Arbeitsrecht, Kap. 1, Rz. 36. Vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Vgl. BAG v. 22.7.2008 – 1 ABR 40/07. Vgl. BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209, 484/83.
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Teil 6 Rz. 30
Compliance und Datenschutz
treffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken. Die Einhaltung dieser Vorgaben muss durch unabhängige Stellen kontrolliert werden. 30
Diese Vorgaben gelten unabhängig von der konkreten Stellung des Betroffenen. Es ist somit unbeachtlich, ob Daten zu einem Kunden, einem Lieferanten oder einem Mitarbeiter gespeichert werden.
31
Datenschutzgesetze knüpfen regelmäßig an eine automatisierte Verarbeitung von personenbezogenen Daten an. Dieser Anknüpfungspunkt deckt sich mit der Grundintention des Datenschutzrechts, den Einzelnen vor den Gefahren der automatisierten Datenverarbeitung zu schützen.
32
Die Novelle des BDSG zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes hat zu einer Ausweitung des Anwendungsbereichs geführt. Daten zu Beschäftigten werden nach § 27 BDSG insgesamt vom Anwendungsbereich des BDSG erfasst. Für Beschäftigtendaten ist es somit unerheblich, ob die Daten automatisiert verarbeitet oder auch dateimäßig – etwa in einer Personalakte – abgelegt werden. Selbst einfache Notizen auf einem Schmierpapier zu einem Mitarbeiter zählen zu den Daten, die vom BDSG erfasst werden.
2. Grundsätze des Datenschutzrechts 33
Unternehmen sind verpflichtet, die nachfolgend genannten Grundsätze bei der unternehmensinternen Datenverarbeitung umzusetzen. Bevor aufgezeigt wird, welche konkreten Maßnahmen getroffen werden können, sollen die relevanten Grundsätze angeführt werden.
a) Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 34
Nach § 4 Abs. 1 BDSG muss jede Verarbeitung personenbezogener Daten auf eine Einwilligung des Betroffenen oder eine sonstige Rechtsgrundlage gestützt werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne eine solche Rechtsgrundlage ist unzulässig. Liegt keine hinreichende Rechtsgrundlage vor, greift das Löschungsgebot nach § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG. Danach sind unzulässig gespeicherte Daten zu löschen.
35
Der Grundsatz des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt wird in Art. 8 der EU-Grundrechtecharta vorgegeben. Ein Unternehmen kann eine vom Gesetz – etwa dem BDSG – vorgegebene Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung heranziehen. Alternativ hierzu kann ein Unternehmen die Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten auch auf eine Betriebsvereinbarung stützen1. Zudem kann das Unternehmen beim Betroffenen auch eine Einwilligung in die Datenverarbeitung einholen. 1 Im Gesetzgebungsverfahren zu Regelung des Beschäftigtendatenschutzes ist umstritten, ob sich eine Betriebsvereinbarung zwingend die Vorgaben des BDSG einhalten muss. Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG konnte im Rahmen einer Betriebsvereinbarung das Datenschutzniveau des BDSG auch partiell unterschritten werden (vgl. BAG v. 27.5.1986 – 1 ABR 48/84). Diese Rechtsprechung wurde von Aufsichtsbehörden kritisiert.
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Rz. 39 Teil 6
Compliance und Datenschutz
b) Die Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage Unternehmen müssen sich vor der Datenerhebung entscheiden, ob sie auf Basis der gesetzlichen Rechtsgrundlage, einer Betriebsvereinbarung oder aber auf Basis einer Einwilligung personenbezogene Daten verarbeiten wollen.
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Eine Einwilligung ist immer dann erforderlich, wenn ein Unternehmen über den gesetzlich eröffneten Rahmen hinausgehen möchte oder aber wenn Unklarheiten bestehen, ob die gesetzliche Rechtsgrundlage die Verarbeitung der personenbezogenen Daten gestattet.
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Beispiel: Nach § 28 Abs. 3 Satz 4 BDSG ist die Übermittlung der sog. „Listendaten“ für Zwecke der Werbung an ein anderes Unternehmen ohne Einwilligung des Betroffenen gestattet. Sollen dagegen über die Listendaten hinaus weitere Daten an den Betroffenen übermittelt werden, bedarf es einer Einwilligung.
Eine Einwilligung ist nicht erforderlich, wenn das Gesetz die Datenverarbeitung gestattet und das Unternehmen darauf angewiesen ist, dass personenbezogene Daten verarbeitet werden. Eine Einwilligung setzt wegen der geforderten Freiwilligkeit regelmäßig voraus, dass sie frei widerrufbar ist. Insofern sollten Unternehmen die Datenverarbeitung nicht auf eine Einwilligung stützen, wenn kein Entscheidungsspielraum für den Widerruf einer Einwilligung besteht.
38
Beispiel: Unternehmen benötigen personenbezogene Daten für die Durchführung eines Vertrages, etwa Name und Anschrift für die Zustellung der bestellten Ware im Versandhandel. Hier enthält § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung im Rahmen der Auftragsabwicklung. Daher bedarf es in diesen Fällen keiner Einwilligung.
Für den Bereich der Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten hat der Gesetzgeber im Rahmen der Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes eine umfassende gesetzliche Regelung vorgesehen. Ursprüngliches Anliegen war es, die Zulässigkeitsanforderungen transparenter vorzugeben. Da im Arbeitsverhältnis typischerweise ein Über-/Unterordnungsverhältnis vorliegt, bestehen Bedenken hinsichtlich der Freiwilligkeit einer Einwilligung. Deswegen sieht der Regierungsentwurf in § 32l BDSG(E) einen weitgehenden Ausschluss der Einwilligung als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten vor. Diese Regelung wurde vielfach überzeugend kritisiert. Neben grundsätzlichen Bedenken, wie die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46, würde die vorgesehene Regelung auch zu einem Verbot solcher Datenverarbeitungen führen, die gerade im Interesse des Betroffenen sind1. Somit müssten Unternehmen die Zulässigkeit der Datenverarbeitung im Beschäftigtenverhältnis regelmäßig auf eine Betriebsvereinbarung oder aber auf die gesetzliche Rechtsgrundlage in §§ 32 ff. BDSG(E) stützen. Nur in Ausnahmefällen könnte eine Einwilligung als Rechtsgrundlage für eine weitere Datenverarbeitung herangezogen werden.
1 Vgl. hierzu Forst, RDV 2010, 150 ff.; Forst, NZA 2010, 1043, 1048.
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Teil 6 Rz. 40
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c) Transparenz der Datenverarbeitung 40
Die Transparenz der Datenverarbeitung ist ein wichtiges Anliegen des Datenschutzrechts. Daher muss das Unternehmen darauf achten, dass insbesondere die Verarbeitung von Kundendaten für die Betroffenen auch transparent ist. Folgende Punkte sind dabei relevant:
aa) Grundsatz der Direkterhebung 41
Nach § 4 Abs. 2 BDSG sind personenbezogene Daten grundsätzlich beim Betroffenen zu erheben. Eine Ausnahme hiervon sieht das Gesetz nur dann vor, wenn die Erhebung beim Betroffenen einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden. In diesem Fall verlangt § 33 BDSG eine Benachrichtigung, eine nachträgliche Information des Betroffenen.
bb) Umfang der Informationspflichten 42
Nach § 4 Abs. 3 BDSG muss bei Datenerhebung über die verantwortliche Stelle, sämtliche Verwendungszwecke der Daten und mögliche Empfänger der Daten informiert werden.
44
Darüber hinaus ist noch die Informationspflicht gemäß § 28 Abs. 4 BDSG bei einer vorgesehenen werblichen Nutzung der Daten zu beachten. Hier muss auf ein Werbewiderspruchsrecht des Betroffenen hingewiesen werden.
45
Der Informationspflicht bei Datenerhebung kommt umfassende Bedeutung zu. Unternehmen müssen besonderen Wert auf eine präzise Bestimmung der Verwendungszwecke der Daten legen, denn personenbezogene Daten dürfen grundsätzlich nur für den Zweck verwendet werden, für den sie erhoben worden sind – sog. Zweckbindungsgrundsatz (siehe hierzu unter Rz. 58). Dementsprechend verpflichtet § 35 Abs. 2 BDSG Unternehmen auch zur Löschung der Daten bei Zweckerreichung.
cc) Verstoß gegen Informationspflichten bei Datenerhebung 46
In der Vergangenheit war es durchaus umstritten, ob ein Verstoß gegen Informationspflichten abgemahnt werden kann.
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Nach einem Urteil des OLG Köln führt eine Missachtung der Informationspflichten etwa dazu, dass die Daten nicht für eine werbliche Verwendung genutzt werden können1. Ein Unternehmen, das trotz fehlender Information über diesen Verwendungszweck bei Datenerhebung Name und Anschrift für werbliche Zwecke nutzt, kann dementsprechend abgemahnt werden. Die Informationspflicht nach § 4 Abs. 3 BDSG wurde in diesem Zusammenhang als Marktverhaltensregel eingeordnet und eine Verletzung konnte daher gemäß § 4 Nr. 9 UWG abgemahnt werden. 1 Siehe OLG Köln v. 19.11.2010 – 6 U 73/10.
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Rz. 54 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Das Landgericht Berlin und auch das Kammergericht hingegen haben in Entscheidungen zu den Informationspflichten bei der Nutzung von Social Media Plugins, wie etwa dem Facebook-Like-Button, vergleichbare Informationspflichten nach § 13 Abs. 1 TMG nicht als Marktverhaltensregel eingeordnet1.
48
Auf die umstrittene Frage, ob datenschutzrechtliche Informationspflichten gerade im Hinblick auf eine werbliche Nutzung von Daten als Marktverhaltensregel einzuordnen ist, kommt es im Ergebnis aber gar nicht an. Nach § 5a Abs. 2 UWG dürfen dem Betroffenen keine wesentlichen Informationen vorenthalten werden. Legt das Gemeinschaftsrecht Informationsanforderungen in Bezug auf Werbung, kommerzielle Kommunikation oder Marketing fest, so werden die betreffenden Informationen im Rahmen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als wesentlich angesehen2.
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In der E-Commerce-Richtlinie wird in Art. 2f der Begriff „kommerzielle Kommunikation“ definiert. Dieser Begriff erfasst alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes von Unternehmen […] dienen. Nach Erwägungsgrund 14 der Richtlinie sind die Grundsätze des Schutzes personenbezogener Daten bei der Umsetzung und Anwendung dieser Richtlinie uneingeschränkt zu beachten. Dies gilt insbesondere in Bezug auf nicht angeforderte kommerzielle Kommunikation.
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Nach Art. 10 EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 müssen bestimmte Informationen zwingend bei der Erhebung von personenbezogenen Daten erteilt werden. Zudem enthält Art. 14 EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 einen Hinweis auf das Werbewiderspruchsrecht.
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Damit enthält das Gemeinschaftsrecht hinreichende Anknüpfungspunkte für eine Informationspflicht bei Datenerhebung. Daher müssen diese datenschutzrechtlichen Informationen auch als wesentlich angesehen werden. Ein Verstoß kann somit nach § 5a Abs. 2 UWG abgemahnt werden.
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d) Erforderlichkeitsgrundsatz Erfolgt eine Datenverarbeitung auf einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, etwa nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zur Vertragsdurchführung oder im Rahmen der Durchführung eines Beschäftigungsverhältnisses, ist der Erforderlichkeitsgrundsatz zu beachten. Schon bei Erhebung der personenbezogenen Daten muss das Unternehmen daher prüfen, welche Daten für den vorgesehenen Zweck tatsächlich erforderlich sind.
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Bei der Erforderlichkeit geht es nicht darum, dass Unternehmen Daten verwenden, die sie auch für diesen Zweck benötigen könnten („nice to have“). Unternehmen müssen auf die Daten zur Erreichung des Zweckes bei vernünftiger Betrachtung angewiesen sein3. Unternehmen müssen daher im Rahmen einer
54
1 Vgl. KG v. 29.4.2011 – 5 W 88/11. 2 Vgl. Erwägungsgrund 15 Richtlinie 2005/29. 3 Vgl. Gola/Schomerus, § 28 BDSG Rz. 15
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Teil 6 Rz. 55
Compliance und Datenschutz
Kontrolle der Aufsichtsbehörde plausibel darlegen können, warum sie bestimmte Daten erhoben haben. 55
Sind die Daten für die konkrete Datenverarbeitung nicht erforderlich, muss das Unternehmen die weitere Erhebung dieser Daten auf eine Einwilligung stützen.
56
Auch im Rahmen der Formulierung einer Einwilligungsklausel ist das Unternehmen nicht vollkommen frei. Nach der Rechtsprechung des BGH sind bei der Ausformulierung von Einwilligungsklauseln auch die Grundwertungen des Datenschutzrechts zu berücksichtigen. Hierzu gehört auch der Erforderlichkeitsgrundsatz, so dass im Rahmen einer AGB-Kontrolle zu überprüfen ist, ob hier eine unangemessene Benachteiligung des Betroffenen aufgrund der Reichweite der Einwilligungsklausel vorliegt1.
e) Datensparsamkeit und -vermeidung 57
Die Vorgabe zur Datensparsamkeit und Datenvermeidung ist eine Konkretisierung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogender Daten ist grundsätzlich so weit wie möglich zu vermeiden. Dieser Grundsatz ist insbesondere bei der Ausgestaltung von IT-Systemen zu beachten.
f) Zweckbindung 58
Das Unternehmen darf die erhobenen personenbezogenen Daten nur für den Zweck verwenden, der bei Datenerhebung auch mitgeteilt wurde. Mit Erreichung dieses Zwecks greift grundsätzlich eine Pflicht zur Löschung der Daten, es sei denn, weitere gesetzlich vorgegebene Aufbewahrungspflichten stehen der Löschung entgegen. In diesem Fall tritt die Sperrung der Daten an die Stelle der Löschung2. Im operativen System dürfen die gesperrten Daten daher nicht dem Zugriff der Mitarbeiter unterliegen.
59
Das BDSG gestattet nur unter engen Voraussetzungen eine Zweckänderung. So ist nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BDSG eine Nutzung für einen anderen Zweck zulässig, wenn dies zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht überwiegen. Aufsichtsbehörden fordern hier regelmäßig eine nachträgliche Information des Betroffenen über diese Zweckänderung3.
60
Häufig greifen aber Ausnahmen von der in § 33 BDSG vorgesehenen Benachrichtigungspflicht. In der Rechtsprechung wurde eine solche Benachrichtigungspflicht bislang nicht thematisiert4.
61
Für den Bereich des Beschäftigtendatenschutzrechts ist die Möglichkeit, eine Zweckänderung im Gesetz vorgesehen. Nach § 32d Abs. 1 Nr. 2 BDSG(E) dür1 2 3 4
Vgl. BGH v. 19.9.1985 – III ZR 213/83. Siehe § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG. Vgl. Innenministerium Baden-Württemberg, RDV 1995, 182, 185. Vgl. OLG Hamm v. 4.2.2004 – 9 SA 502/03.
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Rz. 65 Teil 6
Compliance und Datenschutz
fen Unternehmen die bereits erhobenen Daten auch zur Erfüllung anderer Zwecke verwenden, für die der Arbeitgeber sie auch hätte erheben dürfen. Diese erleichterte Zweckänderung ist den Eigenarten des Beschäftigungsverhältnisses geschuldet. Ein Arbeitnehmer kann im Laufe seiner Tätigkeit in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden, was mit entsprechenden Datenverarbeitungen für unterschiedliche Zwecke verbunden ist. Insofern ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber eine erleichterte Zweckänderung geschaffen hat.
g) Pflicht zur Anonymisierung und Pseudonymisierung Mit der BDSG-Novelle 2009 hat der Gesetzgeber eine frühzeitige Pflicht zur Anonymisierung und Pseudonymisierung in § 3a BDSG eingeführt. Unternehmen sind verpflichtet, personenbezogene Daten zu anonymisieren oder zu pseudonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und diese Maßnahmen keinen unverhältnismäßigen Aufwand für das Unternehmen erfordern.
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Diese Vorgabe muss etwa bei der Ausgestaltung eines internen Datawarehouses berücksichtigt werden. Investiert ein Unternehmen mehrere tausend Euro in eine CRM-Software, muss diese auch in der Lage sein, Daten in pseudonymisierter Form zu verarbeiten.
63
h) Ausblick – Erweiterung der Prinzipien des Datenschutzrechts Im Rahmen der derzeit stattfindenden Novelle der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46 sollen die vorhandenen Datenschutzprinzipien weiter verstärkt und ergänzt werden. So soll etwa ein neuer Grundsatz des „Privacy by Design“ eingeführt werden. Danach sollen Unternehmen verpflichtet werden, frühzeitig die Datenschutzbelange in allen Datenverarbeitungen zu berücksichtigen. Gerade Unternehmen, die eine Software zur Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten zur Verfügung stellen, sollen zur Beachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben bereits in der Erstellungsphase verpflichtet werden. Zudem soll ein Accountability-Grundsatz eingeführt werden, d.h. Unternehmen sollen auf Anfrage der Aufsichtsbehörden vollumfänglich ihre Datenschutzpraxis aufzeigen können. Hier muss die weitere Entwicklung abgewartet werden, welche Änderungen in der Richtlinie tatsächlich erfolgen werden.
64
3. Betroffenenrechte Ein weiterer kritischer Punkt, der regelmäßig zu Reputationsverlusten des Unternehmens und zu Ermittlungsmaßnahmen von Aufsichtsbehörden führt, ist der nachlässige Umgang mit Betroffenenrechten. Gerade Kunden, die ihre gesetzlich vorgegebenen Rechte auch umgesetzt wissen möchten, reagieren häufig sehr empfindlich auf eine Missachtung ihrer Rechte und schalten dann die Aufsichtsbehörden ein. Die Aufsichtsbehörden nehmen eine Eingabe eines Kunden wegen der Missachtung seiner Betroffenenrechte dann zum Anlass für weitergehende Untersuchungen. Daher sollten auch für den Umgang mit Betroffenenrechten Prozesse im Unternehmen eingerichtet sein. Drewes
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Teil 6 Rz. 66
Compliance und Datenschutz
a) Werbewiderspruch 66
Erfolgt im Unternehmen eine werbliche Nutzung von personenbezogenen Daten auf gesetzlicher Rechtsgrundlage, muss sowohl bei Datenerhebung als auch bei jeder werblichen Ansprache der Betroffene auf sein Werbewiderspruchsrecht hingewiesen werden. Ein Verstoß kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
67
Auch die Umsetzung von Werbewidersprüchen der Betroffenen muss im Unternehmen geregelt werden. Hier drohen Geldbußen bis zu 300 000 Euro. Werden Werbewidersprüche von Unternehmen nicht beachtet, können sich die Betroffenen an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden, die dann Ermittlungsverfahren einleitet und im Fall der Missachtung des Werbewiderspruchs auch Bußgelder verhängen kann. Daher ist dieser Aspekt des Umgangs mit Werbewidersprüchen im Unternehmen zu regeln.
b) Recht auf Widerruf einer Einwilligung 68
Grundsätzlich muss eine Einwilligung frei widerrufbar sein. Ist ein Unternehmen auf die Einwilligung für die Durchführung bestimmter Datenverarbeitungen zwingend angewiesen, stellt sich die Frage, ob die Einwilligung überhaupt freiwillig erteilt werden konnte.
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Der Gesetzgeber hat inzwischen ein Kopplungsverbot in § 28 Abs. 3b BDSG eingeführt, welches in der Praxis aber bislang kaum relevant ist. Danach darf ein Unternehmen den Abschluss eines Vertrages nicht von einer Einwilligung des Betroffenen in eine werbliche Nutzung seiner Daten abhängig machen. Diese Regelung steht aber unter dem Vorbehalt, dass dem Betroffenen ein anderer Zugang zu gleichwertigen vertraglichen Leistungen ohne die Einwilligung nicht oder in nicht zumutbarer Weise möglich ist. Im Ergebnis greift diese Regelung nur bei einer Monopolsituation. Von der Rechtsprechung wurde zu der vergleichbaren Vorgängerregelung im TMG ein Marktanteil von über 70 % nicht als eine marktbeherrschende Stellung i.S.d. Datenschutzrechts angesehen, so dass eine Kopplung zulässig war1.
70
Für Unternehmen ist aber wichtig, dass der Prozess zur Umsetzung des Widerrufs einer Einwilligung in eine werbliche Nutzung von Daten auch tatsächlich durchgeführt wird und dies auch so nachgehalten werden kann. Die Missachtung eines Widerrufs, etwa einer Einwilligung in E-Mail Werbung, könnte auch von Verbraucherzentralen, der Wettbewerbszentrale oder von Mitbewerbern abgemahnt werden.
c) Auskunft 71
Betroffene haben grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft gemäß § 34 BDSG. Der Auskunftsanspruch bezieht sich auf sämtliche zu einer Person gespeicherte Daten, auch soweit sie sich auf die Herkunft der Daten beziehen. Die Herkunft der Daten muss aber nur dann beauskunftet werden, wenn sie 1 Vgl. OLG Brandenburg v. 11.1.2006 – 7 U 52/05.
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Rz. 76 Teil 6
Compliance und Datenschutz
auch tatsächlich gespeichert wurde. Zudem müssen Empfänger oder Kategorien von Empfängern und selbstverständlich sämtliche Verwendungszwecke der Daten benannt werden. In einem Unternehmen sollte die Bitte um Auskunft standardisiert beantwortet werden können. Die entsprechenden IT-Systeme sollten diese Daten schnell zusammenstellen können. Hier sind entsprechende Musterschreiben vorab zu erstellen und mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten abzustimmen.
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Darüber hinaus sieht § 34 BDSG noch eine besondere Auskunftspflicht für Scoringverfahren gemäß § 28b BDSG vor. Von Aufsichtsbehörden wurde die Intransparenz von Scoringverfahren beklagt. Es sei für den Betroffenen nicht ersichtlich, welche Daten in die Bildung des Scorewertes einfließen und wie diese Daten im Rahmen der Berechnung gewichtet werden. Zur Schaffung einer hinreichenden Transparenz hat der Gesetzgeber daher die Auskunftsrechte erweitert.
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! Praxishinweis Die unzutreffende, fehlerhafte oder nicht rechtzeitige Beantwortung eines Auskunftsersuchens stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro geahndet werden. Daher sollten abgestimmte Prozesse zur Beantwortung von Auskunftsersuchen vorliegen.
d) Recht auf Korrektur und Löschung von Daten Darüber hinaus können Betroffene die Korrektur von unrichtigen Daten und eine Löschung von Daten verlangen, soweit andere gesetzliche oder vertraglich vorgesehene Aufbewahrungspflichten nicht einer solchen Löschung entgegenstehen. In diesem Fall tritt gemäß § 35 Abs. 3 BDSG eine Sperrung an die Stelle der Löschung der Daten, d.h. die Daten müssen aus dem operativen System entfernt werden und dürfen daher einem normalen Mitarbeiter nicht mehr zugänglich sein. Lediglich in den Fällen, in denen ein Zugriff aus dem Grund der Sperrung erforderlich ist, dürfen besonders berechtigte Personen auf die Daten zugreifen.
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Häufiger Anwendungsfall in der Praxis ist die Bitte um Löschung von Daten nach einem Werbewiderspruch. Hier muss das Unternehmen aber Name und Anschrift des Betroffenen in einer Werbesperrliste speichern. Nur so kann sichergestellt werden, dass etwa im Fall einer Anmietung von Kundendaten für Werbezwecke der Werbewiderspruch des Betroffenen auch umgesetzt wird. Andernfalls droht dem Unternehmen ein Bußgeld, da die Missachtung eines Werbewiderspruchs mit einem Bußgeld bis zu 300 000 Euro geahndet werden kann.
75
Unternehmen dürfen nicht unbegrenzt personenbezogene Daten auf gesetzlicher Grundlage speichern. Nach den § 35 Abs. 2 BDSG müssen Daten gelöscht werden, sobald der Verwendungszweck, für den sie erhoben worden sind, erreicht wurde. Vor diesem Hintergrund kommt der Zweckbestimmung bei Datenerhebung eine besondere Rolle zu. Darüber hinaus müssen Daten gelöscht werden, sofern ihre weitere Verwendung oder Speicherung unzulässig ist. Wer-
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Teil 6 Rz. 77
Compliance und Datenschutz
den Daten auf Grundlage einer Interessenabwägung für Werbezwecke gespeichert, muss vorab festgelegt werden, wann entgegenstehende Interessen des Betroffenen zur Unzulässigkeit der weiteren Datenverarbeitung führen und daher eine Löschungspflicht auslösen. Auch hierzu bedarf es entsprechender Prozesse.
! Praxishinweis Die Dauer der Speicherung von Daten ist im Verfahrensverzeichnis anzugeben!
4. Einschaltung von Dienstleistern – Outsourcing 77
Häufig verfügen Unternehmen nicht selbst über alle Kompetenzen, sondern bedienen sich externer Dienstleister. Dies betrifft etwa die Auslagerung der Bestellannahme auf Callcenter, das Hosting des Webshops oder der ganzen Unternehmens- und Kundendaten („Cloud Computing“). Auch eine Zentralisierung der Mitarbeiterdatenverarbeitung innerhalb einer Unternehmensgruppe ist häufig anzutreffen. In all diesen Fällen spricht das BDSG von einer Auftragsdatenverarbeitung, sofern nicht eine sog. „Funktionsübertragung“ vorliegt.
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Die Einschaltung externer Dienstleister unterliegt seit der BDSG-Novelle 2009 verschärften datenschutzrechtlichen Anforderungen. Da Verstöße gegen die Vorgaben aus § 11 BDSG mit einem Bußgeld geahndet werden können, müssen auch hier unternehmensintern entsprechende Prozesse etabliert werden.
a) Auftragsdatenverarbeitung oder Funktionsübertragung? 79
Vorab stellt sich die Frage, wann überhaupt eine Auftragsdatenverarbeitung vorliegt. Diese ist regelmäßig abzugrenzen von einer sog. „Funktionsübertragung“. Die genaue Abgrenzung ist in der Praxis – auch häufig unter Aufsichtsbehörden – umstritten. Daher soll hier nur ein kurzer Überblick gegeben werden.
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Kennzeichen der Auftragsdatenverarbeitung ist die weisungsgebundene Tätigkeit eines Dienstleisters für ein anderes Unternehmen. Der Auftraggeber der Datenverarbeitung muss sich die Bestimmung über die Verwendungszwecke vorbehalten. Er muss daher festlegen, für welche Zwecke die dem Dienstleister überlassenen Daten verarbeitet werden dürfen. Dies ergibt sich aus der Definition der sog. „verantwortlichen Stelle“ in der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46, wonach wesentliches Kennzeichen der verantwortlichen Stelle die Bestimmung über die die Verwendungszwecke der Daten und die Mittel der Datenverarbeitung ist. Auch die Art.-29-Gruppe hat kürzlich überzeugend herausgearbeitet, dass es maßgeblich auf die Bestimmung der Verwendungszwecke der Daten ankommt1.
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Umstritten ist letztlich, welcher Entscheidungsspielraum bei der Durchführung der Datenverarbeitung dem Dienstleister eingeräumt werden kann. Genügt es, abstrakt die Verwendungszwecke der Daten vorzugeben und dem Dienstleister die Auswahl der geeigneten Datensätze zu überlassen? Diese Frage stellt sich 1 Siehe ausführlich Art.-29-Gruppe, Arbeitspapier Nr. 169 v. 16.2.2010.
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Rz. 86 Teil 6
Compliance und Datenschutz
etwa bei einem Scoringverfahren oder aber im Fall der Zentralisierung der Mitarbeiterdatenverwaltung in einer Unternehmensgruppe. Sofern hier dem Dienstleister weitergehende Entscheidungskompetenzen über die Mitarbeiterdaten übertragen werden sollen, wird von Aufsichtsbehörden häufig eine sog. „Funktionsübertragung“ angenommen1. Eine Funktionsübertragung soll nach Ansicht der Aufsichtsbehörden in den Fällen vorliegen, in denen eine ganze Funktion auf einen Dienstleister zur eigenständigen Erledigung übertragen wird. Der Auftraggeber gebe dem Dienstleister nur einen abstrakten Auftrag vor und überlässt es letztlich dem Dienstleister, wie er dieses Ziel erreicht.
82
Der Begriff „Funktionsübertragung“ ist im BDSG nicht vorgesehen und stellt insofern eine „Erfindung“ von Aufsichtsbehörden dar, die datenschutzrechtlich den Fall der Übermittlung von Daten erfasst. Es muss daher im konkreten Fall eine Entscheidung getroffen werden, ob eine Übermittlung von Daten vorliegt oder aber eine weisungsgebundene Datenverarbeitung im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung. Die Aufsichtsbehörden versuchen durch das zusätzliche Kriterium der Funktionsübertragung den Anwendungsbereich der Datenverarbeitung einzuengen. Im Fall der Übermittlung – der sog. „Funktionsübertragung“ – bedarf es noch einer zusätzlichen Prüfung der Zulässigkeit einer Datenweitergabe an den Dienstleister. In vielen Fällen bestehen aber datenschutzrechtliche Bedenken, ob für solch eine Datenweitergabe die erforderliche Rechtsgrundlage vorliegt.
83
Häufig hängt es von der konkreten Ausgestaltung der Datenverarbeitung in der Praxis ab, ob eine Auftragsdatenverarbeitung oder aber eine „Funktionsübertragung“ i.S.d. Aufsichtsbehörden vorliegt.
84
b) Auftragsdatenverarbeitung – strenge Zulässigkeitsanforderungen beachten Für den Fall einer Auftragsdatenverarbeitung sieht das BDSG als Reaktion aus den Datenschutzskandalen nunmehr sehr strenge Anforderungen vor. Zwischen dem Auftraggeber und dem Dienstleister muss ein Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung vereinbart werden, der die in § 11 BDSG vorgesehenen zehn Punkte enthält. Eine fehlende schriftliche, eine unzureichende oder eine nicht richtige Beauftragung kann von der Aufsichtsbehörde mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro geahndet werden, wobei – wie im Datenschutzrecht üblich – die Geldbuße den erzielten wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll.
85
Außerdem muss sich das Unternehmen nach der Neuregelung des BDSG vor Beginn der Datenverarbeitung davon überzeugen, dass die vereinbarten vertraglichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Datensicherheit eingehalten werden. Dies bedingt zweierlei: Zunächst muss eine Vereinbarung über die angemessenen Datensicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Anknüpfungspunkt ist hier die Regelung zur Datensicherheit der Anlage zu § 9
86
1 Vgl. RP Darmstadt, Arbeitsbericht der ad-hoc-Arbeitsgruppe „Konzerninterner Datentransfer“.
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Teil 6 Rz. 87
Compliance und Datenschutz
BDSG. Der Dienstleister muss zu den einzelnen Punkten aufführen, wie diese Maßnahmen von ihm umgesetzt werden. Der Auftraggeber muss dann prüfen, ob diese Maßnahmen im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Daten ausreichend sind. Alternativ hierzu kann der Auftraggeber gleich einen bestimmten Katalog an Datensicherheitsmaßnahmen vorgeben und sich vom Dienstleister bestätigen lassen, dass diese Vorgaben eingehalten werden. 87
Der Auftraggeber muss sich davon überzeugen, dass die Regelungen auch tatsächlich bestehen. Nach Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten heißt dies aber mehr, als nur die Entgegennahme schriftlicher Erklärungen oder eines Sicherheitskonzeptes. Vielmehr müsse der Auftraggeber vor Ort prüfen oder durch einen Experten prüfen lassen, ob die vertraglich vereinbarten Vorgaben auch eingehalten werden. Nach der Stellungnahme des Bundestagsinnenausschusses1 soll es hingegen genügen, dass auch eine schriftliche Bestätigung des Dienstleisters vorliegt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte verlangt demgegenüber aber eine konkrete Stellungnahme, bezogen auf bestimmte Fragen des Auftraggebers2.
88
Für die Praxis bedeutet dies einen erheblichen Aufwand bei der Beauftragung und Kontrolle von Dienstleistern, die personenbezogene Daten des Auftraggebers verarbeiten. Hier muss intern ein Register mit den entsprechenden Verträgen geführt und auch nachgehalten werden, welche Prüfungen beim Dienstleister stattgefunden haben. Der Aufwand hier hat sich stark erhöht.
5. Anforderungen an die Datensicherheit 89
Der Verlust von Daten, insbesondere von Kundendaten, führt regelmäßig zu einer negativen Presseberichterstattung und kann zu erheblichen Imageschäden führen. Daher sollte die Beachtung der Datensicherheit mit einer der Schwerpunkte von Compliance-Maßnahmen sein.
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Das BDSG verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung der angemessenen Maßnahmen zur Datensicherheit und gibt in der Anlage zu § 9 BDSG einen Katalog mit acht Punkten vor. Hierbei handelt es sich um allgemeine Zielvorgaben zur Datensicherheit. Das Unternehmen muss aufzeigen können, wie diese acht Punkte im Unternehmen umgesetzt werden.
91
Das BDSG verlangt keine absoluten Datensicherheitsmaßnahmen. Vielmehr müssen angemessene Datensicherheitsmaßnahmen getroffen werden, die sich an die Schutzbedürftigkeit der zu verarbeitenden Daten richten.
92
Grundsätzlich sollen durch die technischen Datensicherheitsmaßnahmen die zulässige Nutzung gestattet und unzulässige Datenverarbeitungen unterbunden werden. Nicht alle Datensicherheitsmaßnahmen lassen sich über technische Verfahren regeln. In diesem Fall muss das Unternehmen ergänzend organisatorische Maßnahmen treffen, um die technischen Defizite zu beseitigen. 1 BT-Drucks. 16/13657. 2 Vgl. Bundesdatenschutzbeauftragter, 23. Tätigkeitsbericht 2009/2010, Nr. 2.4.; anders dagegen Aufsichtsbehörde Bayern, Tätigkeitsbericht 2009/2010, Nr. 5.
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Rz. 99 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Ob ein angemessenes Datensicherheitsniveau vorliegt, beurteilt sich im Rahmen einer Gesamtschau. Alle vorhandenen technischen und organisatorischen Maßnahmen zusammen müssen ein angemessenes Datensicherheitsniveau gewährleisten. Defizite an einer Stelle können daher durch ergänzende Maßnahmen an einer anderen Stelle kompensiert werden.
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Ausgangspunkt ist eine Feststellung der Schutzbedürftigkeit der Daten. Dabei ist zu prüfen, welche Folgen für das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen entstehen, wenn diese Daten entwendet und an Dritte verkauft würden. In diese Erwägung fließen regelmäßig auch Aspekte wie der Reputationsverlust des Unternehmens oder Meldepflichten nach § 42a BDSG mit ein. Daher kommt insbesondere sensitiven Daten wie Daten zur Gesundheit, zur politischen Einstellung oder Krankheitsdaten, aber auch Bankverbindungsdaten und Kreditkartendaten ein besonderer Schutzbedarf zu.
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Im nächsten Schritt muss eine Risikoanalyse und Bewertung vorgenommen werden. Anhand der vorhandenen IT-Systeme muss die Gefährdungsmöglichkeit analysiert werden.
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Die Ergebnisse dieser Risikoanalyse sind die Grundlage für die Erarbeitung eines Datensicherheitskonzepts. Hierauf aufbauend ist dann ein umfassendes ITSicherheitskonzept zu erstellen.
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In der Praxis wird vielfach auf den IT-Grundschutzkatalog des BSI zurückgegriffen, der Bausteine, Maßnahmen und Gefährdungskatalog enthält.
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Die IT-Abteilung sollte gemeinsam mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten und – sofern vorhanden – mit dem IT-Sicherheitsbeauftragten die konkrete Einhaltung der technischen und organisatorischen Maßnahmen prüfen.
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! Praxishinweis Die getroffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen sollten von dem Unternehmen dokumentiert werden. Der Datenschutzbeauftragte sollte ein Prüfprotokoll zur Einhaltung der Datensicherheitsmaßnahmen erstellen. Da Unternehmen in der Praxis häufiger im Rahmen der Auftragsdatenverarbeitung tätig werden, können diese Unterlagen einfach in den Auftragsdatenverarbeitungsvertrag integriert werden.
6. Umgang mit Datenpannen – Meldepflichten nach BDSG a) Meldepflicht nach § 42a BDSG Als Neuregelung nach den Datenmissbrauchsskandalen, bei denen es zu unberechtigten Abbuchungen auf den Konten der Verbraucher gekommen war, führte der Gesetzgeber in § 42a BDSG eine Meldepflicht gegenüber den Betroffenen und der Datenschutzaufsichtsbehörde ein1.
1 Vgl. hierzu ausführlich Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, FAQs zur Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten nach § 42a BDSG, abzurufen unter www.datenschutz-berlin.de.
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Teil 6 Rz. 100
Compliance und Datenschutz
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Stellen Unternehmen fest, dass bei ihnen gespeicherte personenbezogene Daten zu Bank- und Kreditkartenkonten unrechtmäßig übermittelt oder auf sonstigen Weise Dritten unrechtmäßig zur Kenntnis gelangt sind und schwerwiegende Beeinträchtigungen der Interessen von Betroffenen drohen, muss die Informationspflicht nach § 42a BDSG beachtet werden. Diese verlangt eine unverzügliche Information der zuständigen Aufsichtsbehörde sowie der Betroffenen. Die Benachrichtigung muss mögliche nachteilige Folgen aus der unrechtmäßigen Kenntniserlangung aufzeigen. Sofern aufgrund der Vielzahl der betroffenen Fälle eine entsprechende Information nicht möglich ist, tritt an die Stelle der individuellen Benachrichtigung eine Information der Öffentlichkeit durch Anzeigen, die mindestens eine halbe Seite in zwei bundesweit erscheinenden Tageszeitungen – oder entsprechenden Magazinen – enthalten muss.
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Unternehmen müssen daher besondere Vorkehrungen zum Schutz von Kreditkartendaten und Bankverbindungsdaten treffen. Entsprechende Verfahren und auch Berichtsstrukturen sollten hier etabliert werden. Es sollte detailliert geprüft werden, wo im Unternehmen Bankverbindungsdaten gespeichert werden und wer auf diese Daten Zugriff hat.
! Praxishinweis Die Missachtung der Meldepflicht beinhaltet für Unternehmen hohe Haftungsrisiken. Erleidet ein Kunde aufgrund einer nicht rechtzeitigen Meldung einen finanziellen Schaden, etwa in Form einer Abbuchung auf seinem Konto, kann er das Unternehmen grundsätzlich in Regress nehmen.
b) Meldepflicht bei Arbeitnehmerdaten 102
Eine vergleichbare Regelung hat der Gesetzgeber in § 32j BDSG(E) für den Verlust oder die unrechtmäßige Übermittlung von Arbeitnehmerdaten geschaffen. Droht hier das Risiko einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte oder schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, muss der Arbeitgeber die zuständige Aufsichtsbehörde und den Betroffenen unterrichten.
7. Umsetzung der Datenschutz-Vorgaben im Unternehmen a) Organisatorische Anforderungen 103
Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist für die Einhaltung des Datenschutzes im Unternehmen nicht selbst verantwortlich. Er wirkt nur darauf hin, dass die Vorgaben eingehalten werden. Dementsprechend muss im Rahmen der im Unternehmen vorgesehenen Compliance-Organisation darauf geachtet werden, dass hier der Bereich Datenschutz angemessen berücksichtigt wird. Sofern nach der gewählten Struktur der Bereich Compliance etwa bei der Rechtsabteilung angesiedelt wird, kann die Rechtsabteilung selbständig die vorgesehenen Datenverarbeitungen auf die datenschutzrechtliche Zulässigkeit hin bewerten und im Rahmen dieser Bewertung auch die Stellungnahme des betrieblichen Datenschutzbeauftragten heranziehen. Hier hängt es sehr stark von der Kompetenz des betrieblichen Datenschutzbeauftragten ab, ob und in welchem Umfang noch ergänzende Ausführungen der Rechtsabteilung zu der konkreten Fra606
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Rz. 110 Teil 6
Compliance und Datenschutz
gestellung erforderlich sind. Im Idealfall übernimmt die Rechtsabteilung die Stellungnahme des betrieblichen Datenschutzbeauftragten und sorgt für die interne Umsetzung.
b) Erlass von Richtlinien/Anweisungen Im Rahmen der Compliance-Organisation des Unternehmens sollte eine Richtline oder eine Organisationsanweisung zum Datenschutz erstellt werden. Diese Richtlinie ist ein erster wichtiger Schritt zur Delegation von Verantwortung hinsichtlich der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen im Unternehmen.
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Mit dieser Richtlinie werden die datenschutzrechtlichen Vorgaben unternehmensspezifisch umgesetzt. Das Datenschutzrecht ist geprägt durch die Abwägung von Interessen: die Interessen des Unternehmens auf der einen Seite und die Interessen von Mitarbeitern oder Kunden auf der anderen Seite. Hier gibt es zahlreiche Auslegungsmöglichkeiten für Unternehmen, so dass im Rahmen dieser Richtlinie eine Vorgabe geschaffen wird, wie bestimmte datenschutzrechtliche Fragen im Unternehmen zu behandeln sind.
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Typischerweise enthält die Richtlinie auch klare Vorgaben zur Delegation der Verantwortung. So werden Mitarbeiter in Führungspositionen verpflichtet, in ihrem Bereich für die Einhaltung der in der Richtlinie vorgegebenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu sorgen.
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Die Einführung einer entsprechenden Organisationsanweisung zum Datenschutz kann im Wege des Direktionsrechtes erfolgen. Eine Anweisung zum Umgang mit personenbezogenen Daten regelt letztlich die Vorgaben, die bereits gesetzlich vorgegeben wird. Nach § 5 BDSG dürfen sämtliche Mitarbeiter personenbezogene Daten nur entsprechend den gesetzlichen Vorgaben erheben, verarbeiten und nutzen. Die Organisationsanweisung/Richtlinie konkretisiert letztlich nur das, was vom Gesetzgeber vorgegeben wird und zeigt die unternehmensspezifische Umsetzung auf.
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Aus dem Verhaltenskodex bzw. der Richtlinie selbst sollten für spezielle Gebiete Verhaltensanweisungen zu Einzelthemen erarbeitet werden. Gerade in Bereichen, in denen spezifische Fragestellungen auftreten, bietet es sich an, gesonderte Regelungen zu erlassen. Dies betrifft etwa den Umgang mit externen Dienstleistern, für die Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG zu schließen sind.
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Zudem sollten entsprechende Schulungen zum Verhaltenskodex eingeführt werden, damit die Mitarbeiter, speziell die Führungskräfte, mit den einzelnen Anforderungen vertraut gemacht werden.
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c) Betrieblicher Datenschutzbeauftragter Zu den Compliance-Pflichten zählt auch die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten. Ein gut qualifizierter Datenschutzbeauftragter kann die Haftungsrisiken des Unternehmens im Bereich des Datenschutzrechts erhebDrewes
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Teil 6 Rz. 111
Compliance und Datenschutz
lich minimieren. Eine unterlassene Bestellung eines Datenschutzbeauftragten wird dagegen von den Aufsichtsbehörden mit einem Bußgeld geahndet.
aa) Pflicht zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten 111
Unternehmen, die ständig mehr als neun Personen mit der Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen, müssen einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellen. Hierbei sind auch die Personen zu berücksichtigen, die im Rahmen der Geschäftsleitung Zugriff auf personenbezogene Daten haben. Es zählen nicht nur die Beschäftigen des Unternehmens.
bb) Anforderungen an den betrieblichen Datenschutzbeauftragten 112
Als betrieblicher Datenschutzbeauftragter kann bestellt werden, wer über die notwendigen fachlichen Kompetenzen verfügt und zuverlässig ist. Die im sog. „Düsseldorfer Kreis“ zusammengeschlossenen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich haben zwischenzeitlich Mindestanforderungen an die Fachkunde und Unabhängigkeit von Datenschutzbeauftragten gestellt1. Neben Kenntnissen im allgemeinen Datenschutzrecht, etwa zum Inhalt und der rechtlichen Anwendung der einschlägigen Regelungen des BDSG. Zudem bedarf es weiterer Kenntnisse hinsichtlich der Datenschutzprinzipien und der Datensicherheitsanforderungen. Die weiteren Anforderungen an die Qualifikation des Datenschutzbeauftragten hängen ab von der Branche, Größe oder der IT-Infrastruktur der verantwortlichen Stelle und der Sensibilität der Daten. Ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter muss auch über die betriebswirtschaftliche Grundkompetenz sowie über Kenntnisse der technischen und organisatorischen Struktur der verantwortlichen Stelle verfügen. Er muss zudem Kenntnisse im praktischen Datenschutzmanagement haben. Dies betrifft etwa die Durchführung von Kontrollen, die Entwicklung einer DatenschutzStrategie, die Dokumentation und auch das Risikomanagement. Diese Kenntnisse müssen grundsätzlich zum Zeitpunkt der Bestellung vorliegen.
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Die erforderliche Unabhängigkeit des betrieblichen Datenschutzbeauftragten liegt dann nicht vor, wenn eine Interessenkollision zu befürchten ist. So könnten etwa nicht der Geschäftsführer, der Leiter der IT oder eine verantwortliche Person für das Marketing zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt werden. Auch die Bestellung eines Mitglieds des Betriebsrats zum Datenschutzbeauftragten ist kritisch zu sehen2.
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Es muss nicht zwingend ein Mitarbeiter des Unternehmens zum Datenschutzbeauftragten bestellt werden. Stattdessen können Unternehmen auch einen externen Datenschutzbeauftragten ernennen. Die Auslagerung dieser Aufgabe auf einen externen Dienstleister hat viele Vorteile: Bei externen betrieblichen Da1 Vgl. Beschluss der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis am 24./25.11.2010) zu den Mindestanforderungen an Fachkunde und Unabhängigkeit des Beauftragten für den Datenschutz nach § 4f Abs. 2 und 3 BDSG. 2 Vgl. Dzida/Kröpelin, NZA 2011, 1018 ff.
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Rz. 117 Teil 6
Compliance und Datenschutz
tenschutzbeauftragten fehlt es an der – bei internen Datenschutzbeauftragten häufig vorliegenden – „Betriebsblindheit“. Zudem ist es für externe betriebliche Datenschutzbeauftragte regelmäßig auch einfacher, unangenehme Themen anzusprechen und durchzusetzen. Gerade bei internen betrieblichen Datenschutzbeauftragten, die weitere Aufgaben innerhalb der Unternehmensstruktur wahrnehmen, sind Rücksichtnahmen auf anderweitige Belange zu befürchten. Sofern ein interner betrieblicher Datenschutzbeauftragter bestellt wird, genießt er einen besonderen Kündigungsschutz. Mit der Novelle des Datenschutzrechts zur Stärkung des Verbraucherdatenschutzes ist gerade die Position des internen betrieblichen Datenschutzbeauftragten nochmals gestärkt worden. Er kann über den Zeitraum von einem Jahr nach der Beendigung seiner Tätigkeit als betrieblicher Datenschutzbeauftragten hinaus nicht ordentlich gekündigt werden. Diese Stärkung seiner unternehmensinternen Stellung wurde vorgenommen, um die Unabhängigkeit des betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu stärken. Externe Datenschutzbeauftragte werden aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung tätig, die entsprechend den vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen beendet werden kann. Nach der Rechtsprechung des BAG kann die Bestellung eines internen Datenschutzbeauftragten nicht mit der Begründung widerrufen werden, es soll aus Gründen der Kostenersparnis ein externer Datenschutzbeauftragter bestellt werden1.
115
! Praxishinweis Die Berufung eines Mitarbeiters zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten lässt sich nachträglich fast nicht mehr korrigieren. Daher muss vor Bestellung entschieden werden, ob ein Mitarbeiter zum Datenschutzbeauftragten bestellt werden soll oder diese Aufgabe an Externe vergeben werden soll.
cc) Funktion des betrieblichen Datenschutzbeauftragten Der betriebliche Datenschutzbeauftragte wirkt auf die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen im Unternehmen hin. Hierzu führt er Kontrollen der stattfindenden Datenverarbeitungen durch und sollte entsprechende Verbesserungsvorschläge erstellen. Zudem sollte ein Unternehmen mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten vertraglich vereinbaren, dass er jährlich einen Jahresbericht zu den von ihm vorgenommenen Prüfungen vorlegt. Hierdurch erhält die Geschäftsleitung einen Überblick und ist besser in der Lage, entsprechende datenschutzrechtliche Risiken zu bewerten. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist daher nicht für die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen im Unternehmen verantwortlich. Diese Aufgabe obliegt der Geschäftsleitung.
116
Entsprechende Prüfungen durch den Datenschutzbeauftragten und positiv abgeschlossene Prüfungen entlasten die Geschäftsleitung. Jedenfalls lässt sich gegenüber der Geschäftsleitung der Vorwurf eines Verschuldens hinsichtlich der Datenverarbeitung nicht mehr aufrecht erhalten, wenn der betriebliche Datenschutzbeauftragte eine Datenverarbeitung für zulässig erachtet hat.
117
1 Vgl. BAG v. 23.3.2011 – 10 AZR 562/09.
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Teil 6 Rz. 118
Compliance und Datenschutz
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Wichtig ist auch die unternehmensinterne Einbindung sowohl des internen als auch des externen Datenschutzbeauftragten. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte kann seine Tätigkeit nur wahrnehmen, wenn er rechtzeitig über die vorgesehenen Datenverarbeitungen informiert wird. Es muss daher sichergestellt werden, dass er rechtzeitig von vorgesehenen Änderungen der IT-Systeme Kenntnis erlangt.
119
Darüber hinaus ist der Datenschutzbeauftragte auch ein wichtiger Ansprechpartner für Beschwerden hinsichtlich der stattfindenden Datenverarbeitungen. Hier kommt ihm eine entscheidende Rolle im Beschwerdemanagement zu und er kann so frühzeitig durch seine Tätigkeit verhindern, dass bestimmte Fälle eskalieren.
120
Damit der betriebliche Datenschutzbeauftragte seine Beratungs- und Kontrollaufgaben auch wahrnehmen kann, muss er auch bei der Entwicklung und Einführung neuer Verfahren der Datenverarbeitung hinzugezogen werden. Gerade externe betriebliche Datenschutzbeauftragte benötigen interne Ansprechpartner, um ihren Aufgaben auch nachzukommen. Hier bietet es sich an, eine zentrale Koordinierungsrolle der Rechtsabteilung oder aber dem Bereich Controlling zuzuordnen. Auch die Assistenz der Geschäftsleitung bietet sich als Ansprechpartner an.
121
Zu den Aufgaben des betrieblichen Datenschutzbeauftragten gehört auch die interne Schulung der Mitarbeiter in allen Datenschutzbelangen. Hier sollte der betriebliche Datenschutzbeauftragte mit den Fachverantwortlichen Schulungskonzepte ausarbeiten. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Schulung der Führungskräfte in Datenschutzrechtsbelangen.
! Praxishinweis – Prüfen Sie, ob Sie zur Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten verpflichtet sind: www.ldi.nrw.de fi Datenschutz fi Datenschutzbeauftragte – Sofern kein betrieblicher Datenschutzbeauftragter bestellt werden muss, ist das Unternehmen verpflichtet, die vorgegebenen Prüfungen selbst durchzuführen. – Eine freiwillige Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten ist möglich.
d) Verfahrensverzeichnis 122
Das Unternehmen muss dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Verfahrensverzeichnis zur Verfügung stellen. Der Inhalt des Verfahrensverzeichnisses ist gesetzlich vorgegeben. Nach § 4 BDSG müssen in einem Verfahrensverzeichnis einzelne Datenverarbeitungen zu Datenverarbeitungsvorgängen zusammengefasst werden. Es muss dargelegt werden, welche Daten für welche Zwecke verarbeitet werden. Zudem müssen die Empfänger benannt werden. Eine Übermittlung in Drittstaaten muss ebenso benannt werden wie die vorgesehene Löschung der Daten. Zudem müssen die Zugriffsberechtigten als auch die getroffenen Datensicherheitsmaßnahmen angeführt werden. 610
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Rz. 129 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Dieses Verfahrensverzeichnis muss auf Anfrage jedem Interessierten zur Verfügung gestellt werden, wobei die Datensicherheitsmaßnahmen und konkreten Zugriffsbefugnisse nicht zu benennen sind. Dieses Verfahrensverzeichnis soll nach dem BDSG vom betrieblichen Datenschutzbeauftragten geführt werden. Es ist Grundlage seiner Arbeit, insbesondere für die Bewertung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit.
123
In der Praxis erstellt häufig der betriebliche Datenschutzbeauftragte das Verfahrensverzeichnis selbst. Es wird eher selten von Externen nachgefragt. Für Aufsichtsbehörden für den Datenschutz ist es im Rahmen von Prüfmaßnahmen ein erster Indikator, ob ein Unternehmen die datenschutzrechtlichen Vorgaben auch ernst nimmt. Kann ein Unternehmen auf Anfrage der Aufsichtsbehörden kein aktuelles Verfahrensverzeichnis zur Verfügung stellen, lässt dies regelmäßig auch Rückschlüsse auf den Gesamtzustand im Datenschutz zu.
124
Der betriebliche Datenschutzbeauftragte – oder das Unternehmen – sollten darauf achten, dass das Verfahrensverzeichnis regelmäßig aktualisiert wird.
125
! Praxishinweis Muster für ein Verfahrensverzeichnis finden Sie unter www.ldi.nrw.de fi Datenschutz fi Verfahrensregister Datensicherheit.
e) Organisation von Kontrollen Nach der Erstellung entsprechender Richtlinien zum Umgang mit personenbezogenen Daten sollte ein Audit in den Bereichen, in denen regelmäßig konfliktträchtige Datenverarbeitungen auftreten – etwa Personalabteilung, Marketingabteilung und IT-Abteilung – stattfinden. Ausgehend von diesen Befunden sind entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung des Datenschutzes und der Datensicherheit zu veranlassen.
126
Sofern im Rahmen einer nachgelagerten Prüfung weitere Missstände aufgedeckt werden, bedarf es entsprechender Ahndung gegenüber dem Mitarbeiter. Je nach Schwere des Beschlusses kann eine Abmahnung ausgesprochen werden oder auch eine fristlose Kündigung.
127
Zusätzlich bedarf es auch einer regelmäßigen Überprüfung der vorhandenen intern erlassenen Richtlinien dahingehend, ob die vorhandenen Regelungen ausreichend sind oder hier ggf. noch Klarstellungsbedarf besteht.
128
f) Vorabkontrolle Nach dem BDSG muss der betriebliche Datenschutzbeauftragte bei Datenverarbeitungen, die zu wesentlichen Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung führen, eine Vorabprüfung durchführen. Daher ist der betriebliche Datenschutzbeauftragte frühzeitig in die Entwicklung neuer oder Anpassung bestehender Datenverarbeitungen mit einzubeziehen. Dies erweist sich in der Praxis auch als sinnvoll: Häufig kann durch eine frühzeitige Berücksichtigung von datenschutzrechtlichen Anforderungen eine Fehlkonzeption verhindert werden, die nachträglich nur mit hohem Kostenaufwand beseitigt Drewes
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Teil 6 Rz. 130
Compliance und Datenschutz
werden könnte. Es muss daher bei den unternehmensinternen Prozessen in den Fachabteilungen und der IT-Abteilung ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen werden, dass der betriebliche Datenschutzbeauftragte frühzeitig über die geplanten Maßnahmen zu informieren ist und rechtzeitig mit einbezogen wird. So sollte etwa in den einzelnen Standardformularen für eine Projekteinführung ein gesondertes Feld zur Einbeziehung des betrieblichen Datenschutzbeauftragten vorgesehen sein.
! Praxishinweis Die Prüfung einer neuen Anwendung im Rahmen der Vorabkontrolle sollte durch den Datenschutzbeauftragten auch dokumentiert und zu den Projektunterlagen genommen werden.
III. Datenschutzrechtliche Zulässigkeit einzelner Compliance-Maßnahmen 130
Unternehmen müssen überprüfen, ob die vorgegebenen Regelungen für die einzelnen Bereiche auch eingehalten werden. Ohne unternehmensinterne Kontrollen und eine Sanktionierung festgestellter Mängel lässt sich das gewünschte Ziel von Compliance-Maßnahmen – die Vermeidung eines Reputationsverlustes und die Minimierung der Haftungsrisiken – nicht erreichen. Im Rahmen dieser Kontrollmaßnahmen werden regelmäßig personenbezogene Daten verarbeitet und genutzt. Angesichts der Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes stellt sich die Frage, welche Kontrollmaßnahmen im Rahmen der Durchführung von Compliance-Maßnahmen überhaupt noch zulässig sind. Welche Anforderungen müssen künftig eingehalten werden? Verstöße gegen datenschutzrechtliche Anforderungen können neben einer negativen Presseberichterstattung auch in einem nachgelagerten Arbeitsgerichtsverfahren zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Daher sollte zur Vermeidung solcher Risiken auf die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben bei der Durchführung von Compliance-Maßnahmen geachtet werden1.
1. Einrichtung von internen Hinweissystemen (Whistleblowing) 131
Die Einführung von internen Hinweissystemen zur Meldung von Fehlverhalten der Mitarbeiter („Whistleblowing“) haben ersten Untersuchungen zufolge zu einem Rückgang der Wirtschaftkriminalität in Unternehmen geführt2. So konnte etwa durch eine anonyme Meldung eines Mitarbeiters der Telekom ein Verfahren der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Bestechlichkeit gegen leitende Mitarbeiter von T-Systems und des VW-Konzerns eingeleitet werden3.
132
Die Einrichtung von internen Meldesystemen wirft aber sowohl arbeitsrechtliche als auch datenschutzrechtliche Fragen auf. Insbesondere die Einrichtung von anonymen Meldesystemen wird kritisch gesehen. 1 Vgl. zu der Thematik Beweisverwertungsverbote etwa Dzida/Grau, NZA 2010, 1201 ff. 2 Vgl. Schulz, BB 2011, 629 m.w.N. 3 Vgl. Süddeutsche Zeitung v. 16.2.2011 – „Telekom und VW: Und trotzdem kann’s Bestechung sein“.
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Rz. 137 Teil 6
Compliance und Datenschutz
a) Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen Nach dem Sarbanes-Oxley-Act (SOX) müssen Unternehmen Verfahren einrichten, um Beschwerden von Dritten und anonyme vertrauliche Hinweise von eigenen Mitarbeitern über Rechnungslegung, Rechnungs- und Wirtschaftsprüfung aufzunehmen und zu bearbeiten. Diese Vorgaben müssen auch von deutschen Unternehmen, die mit den an der US-Börse gelisteten Unternehmen im Konzern verbunden sind, beachtet werden. Eine vergleichbare Vorgabe enthält der Deutsche Corporate Governance Kodex in Ziff. 5.3.2.
133
b) Arbeitsrechtliche Anforderungen Ein Arbeitgeber ist unter Berufung auf § 106 GewO berechtigt, eine Verpflichtung zur Meldung von Missständen einzuführen, wenn das geforderte Verhalten dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Dies ist solange der Fall, wie das Unternehmen ein berechtigtes Interesse an der Aufdeckung von unternehmensinternen Missständen und Fehlverhalten anderer Arbeitnehmer hat. Die Einführung einer solchen Meldepflicht ist grundsätzlich Ausfluss der unternehmerischen Entscheidungs- und Betätigungsfreiheit nach Artikel 12 Abs. 1 GG, die der Arbeitnehmer grundsätzlich zu respektieren hat. Dabei sind die Interessen der Arbeitnehmer lediglich im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Gerade um hier die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Arbeitnehmer mit den Interessen der Unternehmen in Einklang zu bringen, sieht das Gesetz Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen vor.
134
Sofern ein Betriebsrat besteht, ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu berücksichtigen, wonach der Betriebsrat bei sämtlichen Maßnahmen mitzubestimmen hat, die das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Zudem kann sich auch eine Mitbestimmungspflicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ergeben, wenn Daten zu Mitarbeitern im Rahmen von IT-Systemen verarbeitet werden, die dazu bestimmt sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.
135
c) Datenschutzrechtliche Anforderungen Aufsichtsbehörden haben sich bereits mehrfach mit der Zulässigkeit von Whistleblowing befasst1. Folgende Aspekte sollten bei der Implementierung von Whistleblowing-Verfahren beachtet werden.
136
Zum Schutz der Betroffenen sind entsprechende Verfahrensregeln einzurichten. Das Unternehmen muss im Rahmen einer internen Weisung folgenden Punkte regeln und die Mitarbeitern hierüber unterrichten:
137
1 Vgl. Art.-29-Datenschutzgruppe, Arbeitspapier Nr. 117; Arbeitsbericht der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Beschäftigtendatenschutz“ des Düsseldorfer Kreises sowie Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 2008, 69 ff.
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Teil 6 Rz. 138
Compliance und Datenschutz
aa) Begrenzung des Personenkreises 138
Der Kreis der Personen, die zur Abgabe einer entsprechenden Meldung berechtigt sind, muss nach Ansicht der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz begrenzt werden. Nach Auffassung der deutschen Aufsichtsbehörden ist eine jedermann zugängliche Internetplattform, die zu anonymen Meldungen auffordert, grundsätzlich unzulässig1. Die schutzwürdigen Belange der Betroffenen könnten bei solchen anonymen Hotlines nicht gewahrt werden. Als Alternative zu einer anonymen Meldeplattform empfehlen die Aufsichtsbehörden die Bestellung eines externen Ombudsmannes, der entsprechende Hinweise entgegennimmt.
139
Nach den SOX-Vorgaben muss aber eine anonyme Meldung grundsätzlich zulässig sein, so dass hier ein Widerspruch eintreten kann. Bestimmten ausländischen Unternehmen gesteht die zuständige Behörde aber Ausnahmen zu, sofern das nationale Recht dem entgegensteht2. Ausländische Unternehmen könnten sich daher zunächst auf diese Einschränkung berufen.
140
Nach der Stellungnahme der Art.-29-Gruppe – dem Beratungsgremium der EUKommission bestehend aus Vertretern der nationalen Aufsichtsbehörden – sind anonyme Meldungen auch weiterhin grundsätzlich möglich, wenn auch unter Beachtung entsprechender Vorsichtsmaßnahmen3. Danach soll vor einer Meldung zunächst nicht darauf hingewiesen werden, dass eine anonyme Nutzung möglich ist. Dem Meldenden soll eine vertrauliche Behandlung seiner Information zugesagt werden. Wenn die meldende Person trotzdem anonym bleiben will, soll die Meldung dennoch in das System aufgenommen werden. Die Bearbeitung von anonymen Meldungen muss dann aber mit besonderer Vorsicht erfolgen. Angesichts des Risikos des Missbrauchs könnte überlegt werden, solche anonymen Meldungen umgehend zu prüfen. Auch bei anonymen Meldungen müssen alle Tatsachen mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft werden, wie es bei offenen Meldungen der Fall wäre.
bb) Welche Verstöße dürfen gemeldet werden? 141
Da das Meldeverfahren auf die Offenlegung von Fakten über Missstände begrenzt ist, muss das Unternehmen klar regeln, welche Informationen gemeldet werden dürfen. Im Regelfall dürften dies Informationen zu den Bereichen Rechnungslegung, interne Rechnungslegungskontrollen oder Wirtschaftsprüfung, die Bekämpfung von Korruption oder von Banken- und Finanzkriminalität sein. Bagatellverstöße oder Sachverhalte aus der Privat- oder Intimsphäre dürfen nicht gemeldet werden.
cc) Benachrichtigung des Betroffenen 142
Es muss klar geregelt werden, wann der Betroffene über die gegen ihn gerichtete Meldung zu informieren ist. Nach § 33 BDSG muss ein Betroffener über 1 Vgl. Aufsichtsbehörde Berlin, Jahresbericht 2008, 97. 2 Vgl. Kersting, ZIP 2003, 2010, 2015 ff. 3 Vgl. Art.-29-Gruppe, Arbeitspapier Nr. 117, 12 f.
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Rz. 145 Teil 6
Compliance und Datenschutz
die erstmalige Speicherung von personenbezogener Daten für eigene Zwecke ohne Kenntnis der betroffenen Personen informiert werden. Eine Pflicht zur Benachrichtigung besteht aber nicht, wenn die Daten nach einer Rechtsvorschrift oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen des überwiegenden rechtlichen Interesses einer dritten Person, geheim gehalten werden müssen1. Daher dürfen grundsätzlich Daten, die im Rahmen einer Whistleblowing-Hotline erhoben wurden, für die wirksame Untersuchung des Vorwurfs oder auch zur Sammlung der erforderlichen Beweise verwendet werden, ohne dass es einer Information des Beschuldigten bedarf. Eine dauerhafte Geheimhaltung dürfte angesichts einer möglichen Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und aufgrund seiner Verteidigungsrechte nicht möglich sein2.
dd) Auskunftsanspruch der Betroffenen Ein Auskunftsanspruch der beschuldigten Person würde grundsätzlich mit der für das Meldeverfahren vorgesehenen anonymen Meldung kollidieren. Die gewünschte Anonymität des Meldeverfahrens kann über § 34 Abs. 4 BDSG gewährleistet werden. Die verantwortliche Stelle muss dann im Einzelfall prüfen und entscheiden, ob dem Betroffenen gegenüber der Hinweisgeber offengelegt wird.
143
ee) Dauer der Aufbewahrung von Meldungen Zudem muss unternehmensintern geregelt werden, wie lange die Daten aus solchen Meldungen aufbewahrt werden. Erweist sich ein Hinweis als nicht stichhaltig, muss in der Regel innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss der Untersuchung eine Löschung erfolgen3.
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ff) Ausblick – neues Beschäftigtendatenschutzrecht Im neuen Beschäftigtendatenschutzrecht wird die Zulässigkeit von Whistleblowing-Hotlines bislang leider nicht explizit geregelt. Hier stellt sich die Frage, ob die Datenverarbeitung im Rahmen der Bearbeitung von Eingaben noch der Durchführung eines Beschäftigtenverhältnisses dient oder aber zu den Maßnahmen zählt, die von § 32e BDSG(E) erfasst werden sollen4. Sollten Meldesysteme wie Whistleblowing-Hotlines an § 32e BDSG(E) gemessen werden müssen, wäre der Anwendungsbereich weitgehend eingeschränkt. In diesem Fall dürfte das Unternehmen die Daten nur erheben, wenn eine Straftat oder schwerwiegende Pflichtverletzung im Raum steht, die den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen würde. Ob dies der Fall ist, lässt sich bei einem Anfangsverdacht häufig nur schwer beurteilen. Gerade über die Whistleblowing-Meldungen soll ja erst ein erster Verdacht generiert werden, der weiter aufgeklärt werden muss und zu weiteren konkreten Maßnahmen führen kann. 1 2 3 4
Vgl. § 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BDSG. Vgl. Arbeitsbericht der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Beschäftigtendatenschutz“, 5. Vgl. Art.-29-Gruppe, WP 117, 14. Für diese Zuordnung Haußmann/Kaufmann, ArbR 2011, 186.
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Teil 6 Rz. 146 146
Compliance und Datenschutz
Gegen eine Zuordnung des Whistleblowing zu den Kontrollmaßnahmen nach § 32e BDSG(E) bestehen Bedenken. Eine Hotline zur Meldung möglicher Verstöße dient der Kontrolle der Leistung und des Verhaltens der Arbeitnehmer. Für diese Form der Kontrolle sollen grundsätzlich die allgemeinen Regelungen in § 32d Abs. 1 BDSG(E) gelten. Diese waren auch schon zuvor nach der bisherigen Regelung des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG (2009) maßgeblich. Durch die Hotline wird erst die Grundlage geschaffen, die weitere Ermittlungen auf Basis von § 32e BDSG(E) ermöglicht. Insofern spricht viel dafür, die Datenverarbeitung im Rahmen der Whistleblowing-Verfahren auf § 32d BDSG(E) zu stützen. Checkliste zur Implementierung von internen Whistleblowing Hotlines Folgende Punkte müssen – sofern ein Betriebsrat besteht auch im Rahmen einer Betriebsvereinbarung – geregelt werden: – Wer darf melden? – Was darf gemeldet werden? – Nur wesentliche Verstöße – Sind anonyme Meldungen erlaubt und wie werden sie bearbeitet? – Wer bearbeitet die Meldungen? – Wie lange werden Meldungen aufbewahrt? – Wann erfolgt eine Benachrichtigung des Betroffenen? – Wer entscheidet über Auskunftsersuchen des Betroffenen?
2. Unternehmensinterne Ermittlungen 147
Durch unternehmensintern Meldungen wird ein Anfangsverdacht generiert, der weiter überprüft werden muss. Aus diesem Anlass kann z.B. eine Befragung von Mitarbeitern, eine Einsichtnahme in Unterlagen oder eine Kontrolle von E-Mails erfolgen. Ergänzend hierzu – oder auch als selbständige präventive Compliance-Maßnahme – ist etwa zur Aufdeckung von Betrugsfällen ein automatisierter Datenabgleich möglich. Bei all diesen Maßnahmen werden personenbezogene Daten verwendet, so dass die Regelungen des Datenschutzrechts einzuhalten sind.
a) Befragung von Mitarbeitern 148
Mitarbeiterbefragungen stellen grundsätzlich ein wichtiges Instrument dar, um interne Verstöße gegen Vorgaben des Unternehmens zu ermitteln. Die Befragung von Beschuldigten oder auch von Zeugen ist regelmäßig eine der einträglichsten Informationsquellen. Folgendes ist dabei zu beachten:
aa) Arbeitsrechtliche Fragestellung: Mitwirkungspflicht der Mitarbeiter 149
Der Meinungsstand zu den Mitwirkungspflichten der Mitarbeiter lässt sich wie folgt zusammenfassen: Ein Arbeitgeber darf Arbeitnehmer anweisen, über Art und Umfang ihrer Leistungen Auskunft zu erteilen. Je höher die Position 616
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Rz. 155 Teil 6
Compliance und Datenschutz
des betroffenen Mitarbeiters ist, desto weiter gehen auch seine Pflichten zur Aussage und zum Mitwirken an der Aufklärung. Soweit die Fragen den eigenen Arbeitsbereich betreffen, muss der Mitarbeiter ohne jede Einschränkung antworten und dabei auch die Belastung der eigenen Person oder Dritter in Kauf nehmen1.
150
Gehen die Fragen über den unmittelbaren Arbeitsbereich hinaus, müssen die Interessen des Mitarbeiters bei der Durchführung der Befragung angemessen berücksichtigt werden. Eine Pflicht, andere Arbeitnehmer zu belasten, wird überwiegend abgelehnt. Diese Einschränkung soll allerdings nicht für Mitarbeiter mit Führungsaufgaben gelten2. Für diese greifen dann jedoch ggf. die Schranken aus dem Beschäftigtendatenschutz.
151
bb) Datenschutzrechtliche Fragestellung Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen bei der Durchführung von Mitarbeiterbefragungen sind noch weitgehend ungeklärt. Der neue Beschäftigtendatenschutz geht darauf ebenfalls nicht explizit ein.
152
Nach § 27 Abs. 3 BDSG(E) sind die Bestimmungen des Beschäftigtendatenschutzrechts auch dann anwendbar, wenn Mitarbeiterdaten nicht automatisiert erhoben und verarbeitet werden. Ein Besprechungsprotokoll unterliegt somit ebenfalls den datenschutzrechtlichen Vorgaben. Daher müssen die vom Gesetzgeber vorgegebenen Neuregelungen auch auf den Fall der Mitarbeiterbefragung angewandt werden.
153
Nach § 32c Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BDSG(E) darf der Arbeitgeber Daten im Rahmen der Leistungs- und Verhaltenskontrollen erheben. Die Befragung der Mitarbeiter im Hinblick auf bestimmte Vorkommnisse im Rahmen der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses dient gerade den Leistungs- und Verhaltenskontrollen, so dass dies die maßgebliche Rechtsgrundlage ist. Eine anschließende Nutzung der gewonnenen Daten, etwa zur weiteren Sachverhaltsermittlung, kann zumindest auf Grundlage des § 32d Abs. 1 Nr. 1 BDSG(E) erfolgen. Da in diesem Stadium der Sachverhaltsermittlung zunächst nur einfach Gesprächsprotokolle vorliegen dürften, sind die weitergehenden Anforderungen des § 32d Abs. 3 BDSG(E) nicht einschlägig, da von dieser Regelung nur ein automatisierter Abgleich von Beschäftigtendaten erfasst wird. Ein automatisierter Datenabgleich liegt in diesem Stadium der Sachverhaltsermittlung aber nicht vor.
154
Sollen dagegen Daten ohne Kenntnis des betroffenen Mitarbeiters erhoben werden, etwa bei seinem Kollegen, müssen die strengeren Anforderungen des § 32e BDSG(E) beachtet werden. Danach dürfen Daten des Beschäftigten ohne seine Kenntnis nur erhoben werden, wenn Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Beschäftigte im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat oder eine andere schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat. Diese Pflichtverletzung
155
1 Vgl. LAG Hamm v. 3.3.2009 – 14 Sa 1689/08 sowie Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447; Vogt, NJOZ 2009, 4206, 4212. 2 Vgl. Richardi/Wlotzke/Wissmann/Oetker, Münchener Handbuch Arbeitsrecht, § 49 Abs. 2 Rz. 11.
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Teil 6 Rz. 156
Compliance und Datenschutz
muss den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen. Darüber hinaus muss die Erhebung erforderlich sein, um die Straftat oder die andere schwerwiegende Pflichtverletzung aufzudecken oder andere im Zusammenhang stehende Pflichtverletzungen zu verhindern. Zudem muss bei der Durchführung der Maßnahme der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden. Zusätzlich muss der Betroffene über die Maßnahme nach § 32e Abs. 5 Satz 3 BDSG(E) unterrichtet werden, sobald diese Information den Zweck des Datenabgleichs nicht gefährdet. 156
Die Regelung in § 32e BDSG(E) zur Erhebung von Daten ohne Kenntnis des Betroffenen ist nicht auf eine automatisierte Datenerhebung und -verwendung begrenzt. So enthält etwa § 32e Abs. 4 BDSG(E) für den Fall der Überwachung durch Detektive besondere Zulässigkeitsanforderungen und regelt damit den Fall einer nicht-automatisierten Datenverarbeitung. Insofern ist grundsätzlich auch die Erhebung durch Daten bei einem anderen Mitarbeiter von § 32e BDSG(E) erfasst. Auch in diesem Fall erfolgt eine Datenerhebung ohne Kenntnis des Betroffenen, so dass die genannten strengen Anforderungen vorliegen müssen.
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In der Praxis werden im Rahmen der Befragung eines Mitarbeiters regelmäßig auch Daten zu anderen Mitarbeitern erhoben, so dass sich die Frage stellt, ob diese weiteren Daten verwendet werden dürfen, auch wenn sie nicht auf Straftaten oder schwerwiegende Pflichtverletzungen hinweisen. Diese Frage wurde im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht hinreichend bedacht.
b) Auswertung von Geschäftsunterlagen 158
Auch die Durchsicht von Geschäftsunterlagen wie Geschäftsbriefen, Rechnungen, Buchungsvorgängen etc. unterliegt datenschutzrechtlichen Vorgaben. Das BDSG differenziert im Rahmen des Beschäftigtendatenschutzrechts nicht zwischen einer automatisierten und einer nicht automatisierten Auswertung von Daten. Es ist somit unerheblich, ob die Unterlagen in elektronischer oder in Papierform aufbewahrt werden. Auch eine Auswertung von Geschäftsunterlagen muss daher den neuen Bestimmungen des Beschäftigtendatenschutzrechts entsprechen.
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Eine solche Auswertung wäre nach dem bisher geplanten § 32d Abs. 1 BDSG(E) bzw. § 32d Abs. 2 BDSG(E) zulässig. Die genannten Geschäftsunterlagen, wie etwa Rechnungen, hat der Arbeitgeber entweder im Rahmen der Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses nach § 32c Abs. 1 BDSG(E) erhoben oder aber er hat sie ohne eine Datenerhebung erhalten, so dass er sie nach § 32d Abs. 2 BDSG(E) für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses verwenden darf.
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Die Neuregelung in § 32e BDSG(E) zur Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen ist dagegen nicht einschlägig. Diese Regelung knüpft an eine Erhebung von Daten ohne Kenntnis des Beschäftigten an. In der Durchsicht von den im Unternehmen bereits vorhandenen Daten liegt aber keine Erhebung i.S.v. § 3 Abs. 4 BDSG1. 1 So auch Vogel/Glas, DB 2009, 1747, 1752.
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Rz. 165 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Somit wäre eine entsprechende Sichtung von Geschäftsunterlagen auf Basis von § 32d Abs. 1, Abs. 2 BDSG(E) zulässig, sofern diese für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist. Dieses Ergebnis entspricht auch der bisherigen Rechtslage, wonach die Sichtung von Geschäftsunterlagen auf Grundlage von § 32 Abs. 1 BDSG erfolgen kann1.
161
c) Kontrolle von E-Mails Schon seit langem wird die Frage der Kontrolle von E-Mails diskutiert. Auch der Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutzrecht enthält hierzu Vorgaben, regelt aber bislang nicht die Frage der Privatnutzung. Folgende Grundsätze können festgehalten werden.
162
aa) Verbot der Privatnutzung Im Unternehmen ist die Nutzung des E-Mail Accounts zu privaten Zwecken verboten, es sei denn, der Arbeitgeber gestattet dies2. Sofern der Arbeitgeber die Privatnutzung von E-Mail nicht erlaubt, hat er ein umfassendes Kontrollrecht hinsichtlich der Inhalte von E-Mails3. Nach einhelliger Auffassung unterliegt er nicht den Restriktionen des Fernmeldegeheimnisses oder den weiteren Beschränkungen aus dem TMG4.
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Nach der bisher geltenden Reglung in § 32 BDSG (2009) darf der Arbeitgeber Daten aus E-Mails – nach abgeschlossenem Kommunikationsvorgang – erheben und nutzen, wenn dies zur Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Arbeitsvertrages erforderlich ist. Ist daher ein Zugriff auf den Inhalt einer geschäftlichen E-Mail im Rahmen der Durchführung von Compliance-Maßnahmen zur Überprüfung von internen Verhaltensregeln erforderlich, gestattet diese Regelung auch einen solchen Zugriff5. Teilweise wird in der Literatur aber ein Zugriff auf Inhalte einer E-Mail als unzulässig angesehen, wenn nicht überwiegende Arbeitgeberinteressen dafür sprechen6.
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Im Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutzrecht wird die Durchführung von Kontrollmaßnahmen neu geregelt. Der Gesetzgeber unterscheidet explizit zwischen einem noch andauernden und einem bereits abgeschlossenen Übermittlungsvorgang. Hintergrund ist die Beschränkung des Fernmeldegeheim-
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1 Vgl. Zöll in: Taeger/Gabel, § 32 BDSG Rz. 23. 2 Vgl. Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 194; Waltermann, NZA 2007, 529 f.; Beckschulze/Natzel, BB 2010, 2368, 2373. 3 Zu den arbeitsrechtlichen Konsequenzen einer verbotenen Nutzung siehe Besgen/ Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, § 1 Rz. 60 ff. 4 Vgl. etwa Däubler, Gläserne Belegschaften, Rz. 338; Busse in Besgen/Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, § 10 Rz. 19, 23 sowie Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1392 ff. m.w.N. 5 Vgl. Schmidl in: Hauschka, Corporate Compliance, § 29 Rz. 300; ähnlich Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 437 f., der aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Inhaltskontrolle bei Verdacht auf strafbaren Handlungen gestatten will. 6 Vgl. Däubler, Gläserne Belegschaften, Rz. 351.
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Teil 6 Rz. 166
Compliance und Datenschutz
nisses aus Art. 10 Abs. 1 GG auf den Übertragungsvorgang1. Diese Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses hat der Gesetzgeber auch in das neue Beschäftigtendatenschutzrecht übernommen, wobei noch unklar ist, wann der Übermittlungsvorgang tatsächlich abgeschlossen ist. Nach der bislang vorliegenden Gesetzesbegründung soll auf die Möglichkeit abgestellt werden, die empfangenen Daten zu verarbeiten, insbesondere zu löschen2. Damit orientiert sich der Gesetzgeber an der bislang ergangenen Rechtsprechung.
(1) Kontrollen bei andauerndem Übermittlungsvorgang 166
Bis zum Abschluss des Telekommunikationsvorganges enthält § 32i BDSG(E) weitergehende Restriktionen für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der anfallenden Daten. Ein Zugriff auf die Daten ist nur zulässig, soweit es 1. zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs der Telekommunikationsnetze oder Telekommunikationsdienste einschließlich der Datensicherheit, 2. zu Abrechnungszwecken oder 3. zu einer stichprobenartigen oder anlassbezogen Leistungs- und Verhaltenskontrolle zulässig ist.
167
Weiterhin dürfen keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen dieser Verwendung der Daten entgegen stehen. Diese Zulässigkeitsanforderungen an die Verwendung der Daten gelten sowohl für die Verbindungsdaten als auch für die Inhalte der Daten3.
(2) Kontrollen nach abgeschlossener Übermittlung 168
Sobald der Übermittlungsvorgang abgeschlossen ist, werden durch die Verweisung in § 32i Abs. 4 BDSG(E) sowohl die Verbindungsdaten als auch die Inhalte von E-Mails den sonstigen Daten im Unternehmen gleichgestellt. Es gelten somit die gleichen Regelungen, die auch sonst vom BDSG für Verwendung von Mitarbeiterdaten gelten. Ein Unternehmen darf diese Daten – Verbindungsdaten und Inhaltsdaten – nutzen, soweit es für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist.
169
Für die Durchführung von Compliance-Maßnahmen kann daher gemäß § 32d Abs. 3 BDSG(E) ein Zugriff auf geschäftliche E-Mails erfolgen, sofern dies der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen dient. Dabei muss die Auswertung zunächst in anonymisierter oder pseudonymisierter Form durchgeführt werden. Erst im konkreten Verdachtsfall darf ein Personenbezug hergestellt werden.
170
§ 32e BDSG(E) ist nicht anwendbar, da der Arbeitgeber die Daten nicht erhebt. Es sind vielmehr Daten, die der Arbeitgeber schon vorab im Rahmen des nor1 Vgl. BVerfG v. 2.3.2006 – 2 BvR 2099/04; BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07; VGH Kassel v. 19.5.2009 – 6 A 2672/08 Z. 2 Vgl. BT-Drucks. 17/4230, 21 f. 3 So auch Beckschulze/Natzel, BB 2010, 2368, 2374.
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Rz. 174 Teil 6
Compliance und Datenschutz
malen Geschäftsablaufs erhoben hatte und nunmehr zur Aufdeckung von Verstößen verwenden will. Darüber hinaus enthält § 32i Abs. 4 BDSG(E) noch eine ausdrückliche Regelung zu privaten Daten, die bei einer verbotenen Privatnutzung anfallen könnten. Der Arbeitgeber darf auf private Daten nur dann zugreifen, wenn dies zur Durchführung des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs unerlässlich ist. Zudem muss er den Beschäftigten hierauf hinweisen. Durch diese Regelungen soll insbesondere ein Zugriff des Arbeitgebers auf den E-Mail Account eines Mitarbeiters im Fall seiner unerwarteten Abwesenheit ermöglicht werden. Hier kann es erforderlich sein, dass zur Sichtung der während der unerwarteten Abwesenheit eines Mitarbeiters eine Prüfung von eingegangenen E-Mails erfolgen muss. Dabei sind die als privat gekennzeichneten E-Mails vom Zugriff grundsätzlich ausgeschlossen. Bei E-Mails, deren privater Charakter nicht erkennbar ist, kann daher auf dieser Grundlage ein Zugriff erfolgen. Sobald der private Charakter einer E-Mail erkennbar wird, ist sie umgehend zu schließen.
171
bb) Erlaubte Privatnutzung des E-Mail Accounts im Unternehmen Die erlaubte Privatnutzung des E-Mail Accounts führt zu zahlreichen rechtlichen Komplikationen. Im Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutzrecht hat der Gesetzgeber diesen Punkt nicht geregelt und verlagert die Auseinandersetzung damit weiterhin auf Rechtsprechung und Literatur.
172
Nach bislang überwiegender Ansicht in der Literatur führt eine gestattete private Nutzung von E-Mails zur Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses (§ 88 TKG)1. Der Arbeitgeber wird als geschäftsmäßiger Anbieter von Telekommunikationsdiensten angesehen2. Können private und dienstliche E-Mails zuverlässig getrennt werden, bleibt eine Überwachung der rein dienstlichen E-Mails nach den genannten Grundsätzen weiterhin zulässig. Sofern eine zuverlässige Trennung von geschäftlicher und privater E-Mail-Korrespondenz nicht möglich ist, werden zahlreiche Auffassungen hinsichtlich einer zulässigen – oder unzulässigen – Kontrolle vertreten. Eine einheitliche Ansicht lässt sich in der Literatur nicht ermitteln.
173
Dagegen verneint die herrschende Meinung in der Rechtsprechung eine Anwendbarkeit von § 88 TKG auf den Arbeitgeber. Er sei weder Diensteanbieter nach dem TKG noch nach dem TMG3. Diese Ansicht hat zur Konsequenz, dass ein Zugriff auf private E-Mails im Unternehmen im Rahmen einer Interessenabwägung zulässig ist4.
174
1 Vgl. etwa Grimm in: Tschöpe, Anwalts-Handbuch Arbeitsrecht, Teil 6 Rz. 142 m.w.N. sowie Busse in: Besgen/Prinz, Handbuch Internet.Arbeitsrecht, § 10 Rz. 74. 2 Vgl. etwa Däubler, Gläserne Belegschaften, Rz. 338; Hoppe/Braun, MMR 2010, 80, 81, Zimmer/Heimann, BB 2010, 1853, 1855. 3 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10; LAG Niedersachsen v. 31.5. 2010 – 12 Sa 875/09; ebenso Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz, Rz. 22011; Wybitul, Handbuch Datenschutz im Unternehmen, Rz. 196. 4 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg v. 16.2.2011 – 4 Sa 2132/10.
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Teil 6 Rz. 175
Compliance und Datenschutz
175
Die Frage nach der Anwendbarkeit von TKG und TMG auf die Kontrolltätigkeit des Arbeitgebers dürfte in der Praxis nur relevant werden, wenn der Vorgang der E-Mail Übertragung kontrolliert werden soll. Denn der Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist auf den Übertragungsvorgang von E-Mails begrenzt1. So könnte etwa eine stichprobenartige Leistungs- und Verhaltenskontrolle durch Auswertung des E-Mail Versand durchgeführt werden, was nach § 32i Abs. 1 BDSG(E) bei geschäftlicher E-Mail Korrespondenz grundsätzlich zulässig wäre. Diese Kontrolle wäre bei einer gestatteten Privatnutzung des E-Mail Accounts unzulässig, es sei denn, es wäre eine technische Trennung von privater und geschäftlicher E-Mail Korrespondenz möglich. Da jedenfalls nach Abschluss des Übertragungsvorgangs der Anwendungsbereich des Fernmeldegeheimnisses endet, greifen als Rechtsgrundlage für den Zugriff auf geschäftliche als auch private E-Mails die allgemeinen Regeln des BDSG2.
176
Dabei ist aber noch unklar, ob ein Zugriff auf private E-Mails im Rahmen einer Kontrolle auf die allgemeine Interessenabwägungsklausel des § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG gestützt werden kann oder aber ob § 32d BDSG(E) heranzuziehen ist. Für die Anwendbarkeit der allgemeinen Interessenabwägungsklausel spricht, dass hier eine private Nutzung gerade außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses vorgenommen wird. Im Rahmen einer Nutzungsvereinbarung – die außerhalb des Beschäftigungsverhältnisses steht und entsprechende Vorgaben für die private Nutzung von E-Mails enthält – können auch Kontrollen dahingehend durchgeführt werden, ob die vereinbarten Regeln eingehalten werden. Dagegen soll für die Anwendbarkeit von § 32d BDSG sprechen, dass hier auch Datenabgleiche zur Einhaltung arbeitsvertraglicher Pflichten durchführt werden könnten. Daher sei ein Bezug zum Beschäftigungsverhältnis gegeben, was zur Anwendbarkeit der Sonderregelungen in §§ 32 ff. BDSG führe3.
177
Vor diesem Hintergrund sind die genauen Anforderungen an einen Zugriff auf private E-Mails bei gestatteter Privatnutzung und abgeschlossenem Übermittlungsvorgang noch unklar. Bei Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG müsste im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse des Unternehmens einerseits und das Interesse des Betroffenen andererseits miteinander abgewogen werden. Grundsätzlich überwiegen in diesem Fall die Interessen des Betroffenen an dem Schutz der Vertraulichkeit seiner privaten Korrespondenz. Diese Interessenabwägung fällt aber anders aus bei einem Verdacht auf missbräuchliche Nutzung oder auch bei Verstößen gegen die Nutzungsvorgaben. Bei hinreichend konkreten Anhaltspunkten für einen Missbrauch muss es dem Arbeitgeber auch gestattet sein, auf die E-Mails zuzugreifen.
cc) Mitbestimmungspflicht beachten 178
Sofern ein Betriebsrat besteht, müssen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beachtet werden. Die bei der Nutzung 1 Vgl. hierzu BVerfG v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07; VGH Kassel v. 19.5.2009 – 6 A 2672/ 08 Z. 2 Vgl. Behling, BB 2010, 892, 893; Schmidl in: Hauschka, Corporate Compliance, § 29 Rz. 300. 3 Siehe hierzu Schmidl in: Hauschka, Corporate Compliance, § 29 Rz. 300.
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Rz. 180 Teil 6
Compliance und Datenschutz
von E-Mails anfallenden Daten können grundsätzlich auch zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle verwendet werden. Zudem ist auch ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hinsichtlich der Kontrolle privater E-Mails und anderer Dokumente möglich1.
! Praxishinweis Angesichts der weitgehend unklaren Rechtslage hinsichtlich der Kontrollbefugnisse bei privaten E-Mails sollten Unternehmen keine Privatnutzung gestatten oder aber Vorkehrungen treffen, dass die geschäftlichen E-Mails von den privaten E-Mails eindeutig getrennt sind. Technische Lösungen sind hier vorzuziehen. Bei einer gestatteten Privatnutzung sollte der Arbeitgeber den Mitarbeitern Vorgaben erteilen, wie der Umgang mit privater E-Mail zu erfolgen hat und welche Kontrollen vorgesehen sind. Hierzu gehört auch die Weisung, dass private E-Mails als solche zu kennzeichnen sind. Gerade bei der Kontrolle von E-Mails sollte im Unternehmen eine große Transparenz bestehen. Mitarbeiter sollten wissen, welche Zugriffsbefugnisse des Unternehmens auf E-Mails bestehen. Insbesondere bei einer unerwarteten Abwesenheit, etwa im Fall der Krankheit, sollten die Zugriffsbefugnisse bekannt sein. Daher soll nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG ein Datenabgleich zur Aufdeckung von Straftaten, die im Beschäftigungsverhältnis begangen wurden, nur unter erschwerten Bedingungen zulässig sein. Insbesondere die Abgrenzung zu Datenverarbeitungen, die zur Aufdeckung von Compliance-Verstößen auf Grundlage von § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG erfolgen, ist umstritten2. Mit der Novelle zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes werden die Zulässigkeitsanforderungen präzisiert.
d) Compliance durch Datenabgleiche Automatisierte Datenabgleiche waren einer der Auslöser für die Neuregelung des Beschäftigtendatenschutzes. Aus diesem Grund waren die konkreten Vorgaben im Beschäftigtendatenschutz für Datenabgleiche während des Gesetzgebungsverfahrens stark umstritten. Die Vorkommnisse, die Auslöser des Gesetzgebungsverfahrens waren, sollten künftig jedenfalls verhindert werden können.
179
aa) Datenabgleiche unter Verwendung bereits erhobener Daten Ein Unternehmen darf nach § 32d Abs. 3 BDSG(E) die bei ihm vorhandenen Beschäftigtendaten künftig nur noch unter eingeschränkten Bedingungen für automatisierte Abgleiche verwenden. Zunächst muss dieser Datenabgleich zur Aufdeckung von Straftaten und anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen durch Beschäftigte erfolgen. Der Datenabgleich muss in anonymisierter und pseudonymisierter Form durchgeführt werden. Erst im Verdachtsfall dürfen die Daten dann personalisiert werden. 1 Vgl. Wisskirchen/Glaser, DB 2011, 1447. 2 Vgl. Zöll in: Taeger/Gabel, § 32 BDSG Rz. 39 ff.
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Teil 6 Rz. 181
Compliance und Datenschutz
181
§ 32d Abs. 3 BDSG(E) soll nach dem Willen des Gesetzgebers den Unternehmen insbesondere eine Rechtsgrundlage zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung geben. Daher darf das Unternehmen derartige Datenabgleiche nur zur Aufdeckung von bestimmten Wirtschaftsdelikten durchführen. Hiervon umfasst sind Betrug, Bestechung oder Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr, Vorteilsannahme, Bestechlichkeit, Vorteilsgewährung oder andere Pflichtverletzungen, die ähnlich schwerwiegend sind. Die Durchführung von Datenabgleichen allein zur Aufdeckung von Verstößen gegen interne Verhaltensregeln wäre also nicht erfasst.
182
Die Regelung gestattet auch präventive Datenabgleiche. Entsprechende Verdachtsmomente müssen daher noch nicht vorliegen. Aus diesem Grund schreibt das Gesetz auch vor, dass der Abgleich zunächst unter Verwendung von anonymisierten oder pseudonymisierten Daten erfolgen muss. Ein Pseudonym ist ein Kennzeichen, welches an die Stelle des Personenbezugs gesetzt wird. Nur wer die Zuordnungsregel kennt, kann auch den Personenbezug herstellen. Ohne Kenntnis dieser Zuordnungsregel ist der Personenbezug nicht herstellbar. Insofern muss das Unternehmen vor Durchführung eines Datenabgleichs den Personenbezug der Daten durch eine entsprechende Kennziffer ersetzen. Erst wenn sich aus dem Abgleich ein Verdacht ergibt, dürfen die Daten zur weiteren Ahndung des Verdachts personalisiert werden.
183
Darüber hinaus enthält § 32d Abs. 5 BDSG(E) eine weitere Regelung zum Schutz der Betroffenen. Danach dürfen die vom Arbeitgeber erhobenen Lebensund Personaldaten – und auch die durch Datenabgleiche gewonnenen Daten – nicht zu einem Mitarbeiterprofil, einem Gesamtbild der wesentlichen geistigen und charakterlichen Eigenschaften des Mitarbeiters zusammengeführt werden. Hierdurch will der Gesetzgeber verhindern, dass ein „gläserner Arbeitnehmer“ entsteht.
bb) Datenabgleiche mit Fremddaten ohne Kenntnis der Betroffenen 184
Unternehmen dürfen nur in sehr eingeschränktem Umfang Beschäftigtendaten ohne Kenntnis der Betroffenen für Compliance-Zwecke erheben und nutzen.
185
Zunächst muss die Erhebung der Daten für den Zweck erfolgen, Straftaten oder andere schwerwiegende Pflichtverletzungen im Beschäftigungsverhältnis aufzudecken. Der Abgleich darf auch dazu dienen, weitere im Zusammenhang mit der Ersttat stehende Straftaten oder Pflichtverletzungen zu ermitteln. Zudem darf keine Spezialregelung – etwa zur Videoüberwachung – vorrangig anzuwenden sein.
186
Von § 32e BDSG(E) wird keine anlasslose Durchführung von Compliance-Maßnahmen gestattet. Vielmehr müssen Tatsachen vorliegen, die den Verdacht auf Begehung einer Straftat oder anderer schwerer Pflichtverletzung im Beschäftigungsverhältnis begründen. Dabei müssen die Straftat oder die Pflichtverletzungen ein solches Gewicht haben, dass sie den Arbeitgeber zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen würden. Die Gründe, die den Datenabgleich rechtfertigen sollen, sind zu dokumentieren. 624
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Rz. 191 Teil 6
Compliance und Datenschutz
Die Regelung in § 32e BDSG(E) knüpft an eine Erhebung von Beschäftigtendaten an. Diese Vorgabe begrenzt den Anwendungsbereich dieser Norm, da sie nicht auf Daten anwendbar ist, die bereits im Unternehmen gespeichert werden. Daher zielt diese Regelung auf Datenabgleiche mit Drittunternehmen, mit denen Geschäftsbeziehungen unterhalten werden.
187
Abschließend muss auch hier der Erforderlichkeitsgrundsatz beachtet werden, der in § 32e Abs. 3 BDSG(E) besonders ausformuliert wurde. Es dürfen nur die Daten für den Datenabgleich erhoben werden, die auch für den konkreten Tatvorwurf aussagekräftig sind. Zudem darf es zum Datenabgleich keine gleich geeigneten anderen Mittel geben, mit denen das Ziel erreicht werden kann. Der automatisierte Datenabgleich ist daher subsidiär gegenüber anderen Maßnahmen zur Aufdeckung der vermuteten Verstöße. Diese besondere Betonung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruht auf der fehlenden Beachtung datenschutzrechtlicher Grundsätze bei den in der jüngeren Vergangenheit aufgetretenen Datenschutzverstößen1.
188
Von Aufsichtsbehörden für den Datenschutz wurde die Regelung insgesamt kritisiert. Die Kriterien seien nicht hinreichend präzise. Zudem hätten die in der Vergangenheit angewandten Screening-Verfahren zu keinen nennenswerten Erkenntnissen bei der Aufdeckung von Straftaten geführt2.
189
In der Literatur wurde die vorgeschlagene Regelung teilweise als zu eng angesehen. Gerade die Bezugnahme auf Pflichtverletzungen, die einen wichtigen Kündigungsgrund bilden, begrenze die Unternehmen unnötig. Auch Pflichtverletzungen unterhalb dieser Schwelle müssten in Datenabgleiche mit einbezogen werden3.
190
Ebenso schwerwiegend ist aber die unklare Abgrenzung zwischen ComplianceMaßnahmen nach § 32d Abs. 3 BDSG(E) einerseits und § 32e BDSG(E) andererseits. Ausführungen, wonach unter den strengeren Anforderungen des § 32e BDSG(E) allein repressive Compliance-Maßnahmen fallen4, treffen so nicht zu. Vielmehr gestattet auch § 32e BDSG(E) weitere repressive Maßnahmen, etwa nachdem im Rahmen von Routinekontrollen Verdachtsfälle ermittelt wurden. Der Unterschied im Anwendungsbereich der Normen liegt darin, dass die Kontrollmaßnahmen nach § 32d BDSG(E) keine zusätzliche Datenerhebung erfordern. Bei diesen Compliance-Maßnahmen werden nur die Daten genutzt, die im Unternehmen bereits vorhanden sind. Die Regelung in § 32e BDSG(E) knüpft dagegen an eine Erhebung von Daten an. Daher regelt diese Norm primär Abgleiche der unternehmenseigenen Daten mit weiteren Daten, die bei Dritten gespeichert werden. So könnten etwa ein Unternehmen nach § 32e BDSG eigene Datenbestände mit denen eines Zulieferers abgleichen, um Unregelmäßigkeiten in der Rechnungsstellung zu ermitteln.
191
1 2 3 4
Vgl. hierzu Aufsichtsbehörde Berlin, Jahresbericht 2009, 138. Vgl. Aufsichtsbehörde Berlin, Jahresbericht 2010, 51. Vgl. etwa Kort, DB 2011, 651, 652. So etwa Kort, DB 2011, 651, 652.
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Teil 6 Rz. 192
Compliance und Datenschutz
192
Als weitere Maßnahme zum Schutz der Beschäftigten begrenzt § 32e Abs. 5 BDSG(E) die weitere Verwendung der Daten auf die Zwecke, für die sie erhoben wurden. Eine Zweckänderung ist somit ausgeschlossen.
193
Angesichts des Anwendungsbereichs dürfte § 32e BDSG(E) primär für börsennotierte Unternehmen relevant sein.
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B. Haftungsfragen Auch bei der Frage nach einer Haftung des Vorstands bzw. des Geschäftsführers muss zwischen der allgemeinen Haftung wegen fehlender ComplianceMaßnahmen und der datenschutzrechtlichen Haftung unterschieden werden.
194
I. Verantwortlichkeit von Organen wegen fehlender bzw. unzureichender Compliance-Maßnahmen In zahlreichen Fällen werden mittlerweile Organe von Kapitalgesellschaften bei einem Fehlverhalten in Regress genommen. Gerade bei den am Kapitalmarkt notierten Unternehmen steht die persönliche Haftung der Entscheidungsträger im Vordergrund. Von Interesse ist hier die Innenhaftung, d.h. die Haftung des Organs gegenüber der Gesellschaft. Die Außenhaftung, d.h. die Haftung gegenüber Dritten, soll hier nicht behandelt werden.
195
1. Innenhaftung von Vorstand und Geschäftsführer Der Geschäftsführer einer GmbH ist gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, in Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. Eine Verletzung dieser Verpflichtung führt zur Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG.
196
Vergleichbare Regelungen enthält das Aktienrecht: Nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ist der Vorstand verpflichtet, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Ein Verstoß gegen diese Regelung führt zur persönlichen Haftung gegenüber der Kapitalgesellschaft gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.
197
2. Der Pflichtenkatalog Zahlreiche Entscheidungen haben den Grundsatz der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns näher präzisiert. Nachfolgend sollen kurz die wesentlichen Pflichten der Organe genannt werden:
198
Das Geschäftsorgan hat dafür zu sorgen, dass sich das Unternehmen gesetzeskonform verhält. Diese Legalitätspflicht wird selten durch den Vorstand bzw. Geschäftsführer selbst verletzt, sondern vielmehr durch die Mitarbeiter. Dementsprechend geht es regelmäßig um die Frage, inwiefern der Vorstand seine Mitarbeiter ordnungsgemäß überwacht hat.
199
Das Geschäftsführungsorgan hat weiterhin die Pflicht zur Organisation des Unternehmens und zur Überwachung der Mitarbeiter. Gerade hier geht es auch um eine ausreichende Instruktion und Überwachung der Mitarbeiter, die sichergestellt sein muss.
200
Auf die weiteren Pflichten zur Überwachung der finanziellen Situation sowie zur sorgfältigen Amtsführung soll hier nur hingewiesen werden.
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Teil 6 Rz. 202
Compliance und Datenschutz
3. Pflichtverletzung bei unzureichendem Compliance-Management? 202
Die Pflicht zur Errichtung eines Compliance-Managements im Unternehmen lässt sich sowohl aus dem Legalitätsprinzip als auch aus der Organisationsund Überwachungspflicht ableiten. In der Literatur ist aber umstritten, ob eine solche Verpflichtung zur Errichtung eines allgemeinen Compliance-Systems besteht1. Als Argument gegen die Pflicht zur Einführung eines allgemeinen Compliance-Systems wird das Leitungsermessen des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG angeführt. Dieses Ermessen kann sich aber in einigen Fällen auf Null reduziert haben und somit eine Pflicht zur Errichtung eines ComplianceSystems begründen2.
4. Privilegierung durch Business Judgement Rule 203
Eine gewisse Erleichterung von dieser strengen Haftung der Geschäftsführungsorgane bietet die sogenannte Business Judgement Rule. Nach dieser Regelung in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG wird dem Geschäftsführungsorgan ein Ermessensspielraum für seine Entscheidungen eingeräumt, da unternehmerische Entscheidungen zwangsläufig mit bestimmten Risiken verbunden sind. Dieses allgemeine unternehmerische Risiko muss der Eigentümer des Unternehmens tragen, nicht der Geschäftsführer. Folgende Punkte müssen erfüllt sein, wenn die Privilegierung greifen soll3:
a) Rechtmäßige unternehmerische Entscheidung 204
Zunächst muss es sich um eine unternehmerische Entscheidung handeln. Ausgeschlossen werden daher Maßnahmen, die bereits das Gesetz dem Vorstand aufgibt. Die Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten etwa wird dem Unternehmen durch das BDSG auferlegt, sofern die Voraussetzungen für die Bestellpflicht vorliegen. Es handelt sich hierbei um keine unternehmerische Entscheidung, so dass die Business Judgement Rule in diesem Fall nicht anwendbar ist.
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Weiterhin muss die vom Geschäftsführungsorgan veranlasste Maßnahme rechtmäßig sein. Das Privileg der Business Judgement Rule greift daher nicht bei Maßnahmen, die unrechtmäßig sind.
b) Zum Wohle der Gesellschaft und auf Basis ausreichender Informationen 206
Der Vorstand oder der Geschäftsführer müssen ausreichende Informationen im Hinblick auf das vorzunehmende Geschehen gesammelt haben. Der informierten Entscheidung kommt somit überragende Bedeutung zu. Dabei darf sich das Unternehmen nicht allein auf eigene Ressourcen, etwa auf Auskünfte der Rechtsabteilung, verlassen. Insofern sind Unternehmen auch verpflichtet, auf 1 Vgl. Thüsing, Arbeitnehmerdatenschutz und Compliance, Rz. 21 f.; Forst, DuD 2010, 160, 162. 2 Vgl. Forst, DuD 2010, 160, 162. 3 Vgl. hierzu etwa auch Lelley, Compliance im Arbeitsrecht, Rz. 49 ff.
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Rz. 212 Teil 6
Compliance und Datenschutz
externe Berater – etwa in den Bereichen Recht und Steuern – zurückzugreifen. Vorstand bzw. Geschäftsführer müssen insofern den Nachweis treffen können, eine Entscheidung auf Grund ausreichender, angemessener Informationen getroffen zu haben. Nur dann führt die Business Judgement Rule zur Haftungsvermeidung.
! Praxishinweis Das Geschäftsführungsorgan sollte die zur Verfügung stehenden Informationen schriftlich festhalten. Diese Dokumentation ist dem Beschluss beizufügen.
5. Nachteilige Beweislastregel für das Geschäftsführungsorgan Sollte es zu einem Regressverfahren gegen das Geschäftsführungsorgan kommen, erweist sich die bestehende Beweislastverteilung als sehr negativ. Danach muss das Organ im Streitfall darlegen und beweisen, dass eine pflichtgemäße Geschäftsleitung ausgeübt wurde. Der Geschäftsführer bzw. Vorstand muss somit aufzeigen, dass er seine Pflichten erfüllt hat oder der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre1. Ein solcher Nachweis wird in der Praxis nur sehr schwer zur führen sein, was das Haftungsrisiko des Vorstandes bzw. Geschäftsführers entsprechend erhöht.
207
6. Reduzierung der Haftungsrisiken durch Delegation Die zahlreichen Haftungsrisiken aus der Tätigkeit als Geschäftsführungsorgan können durch eine Delegation an Mitarbeiter reduziert werden2. Hier sind aber diverse Punkte zu beachten, denn ohne eine ordnungsgemäße Delegation handelt der Geschäftsführer pflichtwidrig.
208
Zunächst bedarf es einer entsprechenden Zuständigkeitsbestimmung. Die Zuständigkeiten müssen klar und eindeutig den Mitarbeitern zugeordnet sein.
209
Weiterhin müssen die Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt werden. Sie müssen über die persönliche Eignung und die fachliche Befähigung zur Erfüllung der vorgesehenen Aufgabe verfügen.
210
Außerdem bedarf es einer Einweisung des Mitarbeiters. Er muss mit dem Tätigkeitsgebiet vertraut gemacht und auf typische Fehler oder Risiken hingewiesen werden.
211
Neben der ordnungsgemäßen Delegation bedarf es auch einer Überwachung der Mitarbeiter. Hierdurch sollen Missstände so früh wie möglich erkannt und abgestellt werden. Sollten Defizite aufgetreten sein, müssten die Kontrollen intensiviert werden.
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1 Vgl. BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00. 2 Zu Strategien zur Vermeidung von Haftungsfällen siehe Krause, BB 2009, 1370 ff. sowie Rodewald/Unger, BB 2006, 113 ff.
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Teil 6 Rz. 213
Compliance und Datenschutz
! Praxishinweis Zur Delegation von Pflichten an Mitarbeiter sollte eine spezielle Informationsordnung erlassen werden, die klar vorgibt, welche Punkte bei einer Delegation von Aufgaben zu beachten sind.
II. Strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 130, 30 OWiG 213
Ein zusätzliches Risiko für Geschäftsführungsorgane ergibt sich durch die Ahndung von Verstößen gegen Compliance-Vorgaben durch Ordnungsbehörden auf Grundlage des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG).
1. Adressat der Verpflichtung aus § 130 OWiG 214
Ein Bußgeld kann nach § 130 OWiG ausgesprochen werden, wenn der Inhaber bzw. der mit der Geschäftsleitung Beauftragte die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen unterlässt. Der Inhaber eines Unternehmens muss die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen treffen, damit die ihn betreffenden Gebote und Verbote eingehalten werden1.
215
Diese Verpflichtung trifft nicht nur den Betriebsinhaber, sondern auch die Arbeitnehmer, die beauftragt sind, den Betrieb ganz oder in Teilen zu leiten oder die in eigener Verantwortung Aufgaben wahrnehmen. Somit sind auch Betriebsleiter oder Abteilungsleiter sowie die sonstigen Beauftragten des Unternehmens Adressaten eines Bußgeldes.
2. Anforderungen aus § 130 OWiG 216
Das Geschäftsführungsorgan hat seine Aufsichtspflichten so zu erfüllen, dass sämtliche betriebsbezogenen Pflichten eingehalten werden. Er muss die Aufsichtsmaßnahmen treffen, die erforderlich sind, um in seinem Betrieb Verstöße gegen betriebsbezogene Pflichten zu verhindern. Hierdurch wird eine Überwachungspflicht normiert. Der Normadressat ist dabei verpflichtet, auch Erfahrungen aus der Vergangenheit bei der Wahrnehmung der Aufsichtspflichten zu berücksichtigen2. Die Pflichten aus § 130 OWiG zielen somit auf die Einrichtung eines effektiven Compliance-Verfahrens3.
3. Mögliche Strafen 217
Die Ordnungsbehörden können einen festgestellten Verstoß mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro bzw. mit Verfall gemäß § 29a OWiG ahnden. Der Verfall muss durch die Strafgerichte angeordnet werden und beinhaltet eine Abschöpfung des aus dem Rechtsverstoß Erlangten ohne Abzug von Ausgaben und Kosten. Sofern das durch die Tat Erlangte nicht mehr greifbar ist, wird der Verfall eines entsprechenden Geldbetrages angeordnet. 1 Vgl. Gürtler in: Göhler, OWiG, § 130 Rz. 2. 2 Vgl. OLG Zweibrücken v. 25.6.1998 – 1 Ss 100/98. 3 Vgl. Gürtler in: Göhler, OWiG, § 130 Rz. 9; Liese/Schulz, BB 2011, 1347, 1350.
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Rz. 221 Teil 6
Compliance und Datenschutz
III. Ahndung von Verstößen gegen das BDSG – Haftung des Organs Das BDSG – aber auch datenschutzrechtliche Sonderregelungen wie das TMG – enthalten eigene Bußgeldtatbestände. Die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz können für festgestellte Verstöße Geldbußen bis zu 300 000 Euro festsetzen, und – sofern erforderlich – auch darüber hinausgehen. Dabei können die Aufsichtsbehörden selbst Ermittlungen anstellen und müssen nicht darauf warten, dass entsprechende Beschwerden von Betroffenen eingehen.
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Auf folgende Fälle, die mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden können, soll hingewiesen werden:
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– Eine fehlende Bestellung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten; – eine unzureichende Beauftragung eines Dienstleisters im Wege der Auftragsdatenverarbeitung gemäß § 11 BDSG; – eine unzureichende oder unvollständige bzw. nicht rechtzeitige Beantwortung eines Auskunftsersuchens des Betroffenen nach § 34 BDSG; – die fehlende Unterrichtung des Betroffenen über das Werbewiderspruchsrecht nach § 28 Abs. 4 BDSG. Darüber hinaus sieht das BDSG noch eine verschärfte Haftung für unzulässige Datenverwendungen vor. Grundsätzlich kann hier ein Bußgeld bis zu 300 000 Euro ausgesprochen werden, wobei gemäß § 43 Abs. 3 Satz 2 BDSG das Bußgeld den erzielten wirtschaftlichen Vorteil übersteigen soll. Wird die Handlung vorsätzlich gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder andere zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, vorgenommen, kann nach § 44 BDSG die Handlung auch mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. Auf folgende Fälle soll insbesondere hingewiesen werden:
220
– Die Missachtung eines Werbewiderspruchs des Betroffenen; – die fehlende Information nach § 42a BDSG über das Abhandenkommen sensitiver Daten bzw. von Bank- oder Kreditkartendaten; – die unbefugte Erhebung oder Verarbeitung nicht allgemein zugänglicher Daten. Außerdem sind Aufsichtsbehörden nach § 38 Abs. 1 BDSG berechtigt, erkannte Verstöße auch anderen Aufsichtsbehörden mitzuteilen. Kommt die Aufsichtsbehörde für den Datenschutz etwa zu dem Ergebnis, dass für eine telefonische Ansprache zu Werbezwecken keine ausreichende Einwilligung vorlag, kann die Aufsichtsbehörde den Vorgang auch der Bundesnetzagentur zur weiteren Bearbeitung übersenden. In diesem Fall könnte die Bundesnetzagentur weitere Ermittlungen anstellen. Sollte danach ein Anruf zu Werbezwecken beim Verbraucher ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung erfolgt sein, kann die Bundesnetzagentur nach § 20 UWG jeden Verstoß mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro ahnden.
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Teil 6 Rz. 222
Compliance und Datenschutz
IV. Schadensersatzhaftung nach BDSG 222
Das BDSG sieht eine gesonderte Haftung auf Schadensersatz gemäß § 7 BDSG vor. In diesem Fall muss der Betroffene aber einen Schaden darlegen können. Außerdem entfällt die Ersatzpflicht, soweit die verantwortliche Stelle die nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beachtet hat. Aufgrund dieser Einschränkungen hat diese Norm in der Praxis bislang eine untergeordnete Bedeutung1. Daher fordern Aufsichtsbehörden für den Datenschutz auch die Einführung einer Gefährdungshaftung für Verstöße gegen die Vorgaben der Datenschutzgesetze.
V. Fazit 223
Letztlich verbleibt dem Vorstand bzw. dem Geschäftsführer zum Schutz vor Bußgeldern und weiteren Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft keine andere Wahl als die Schaffung einer funktionierenden Organisation im Unternehmen, die Anstellung von qualifiziertem Personal und die Hilfe von erfahrenen Beratern und die Prüfung des Unternehmens durch externe Spezialisten.
1 So auch Däubler in: Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, BDSG, § 7 Rz. 3.
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Teil 7 Haftung der Führungskräfte Die Haftung von Führungskräften kommt in allen Unternehmensphasen in Betracht, beginnend mit dem Handeln (positives Tun oder Unterlassen) vor Eintragung der Gesellschaft, im Rahmen des laufenden Geschäfts, eines Unternehmens- bzw. Anteils(ver)kaufs oder der Abwicklung – Krise, Liquidation oder Insolvenz1. Insbesondere bei den nachfolgend betrachteten Führungskräften mit Organstellung (Geschäftsführer, Vorstände) sind zwei Haftungsansätze zu unterscheiden: die zivilrechtliche Haftung (dazu sogleich Rz. 2 ff.) und die Haftung für Steuern (s. Rz. 294 ff.).
1
A. Zivilrechtliche Haftung Die zivilrechtliche Haftung wiederum umfasst die
2
– Innenhaftung als Haftung gegenüber der Gesellschaft, und die – Außenhaftung gegenüber Dritten (Gesellschaftsgläubigern und auch Gesellschaftern).
I. Konzentration auf die Innenhaftung Die Haftung der Führungsorgane ist von dem Prinzip der Innenhaftung geprägt2. Die Innenhaftung kann insbesondere zurückgehen auf:
3
– die Organstellung als solche (Organhaftung) – den Anstellungsvertrag (schuldrechtliche Haftung). Die Organhaftung ist an die Organstellung geknüpft, deren Verhaltensmaßstab in § 43 GmbHG (GmbH-Geschäftsführer) bzw. § 93 AktG (AG-Vorstand) generalklauselartig als Führen der Geschäfte mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ bzw. „ordentlichen und „gewissenhaften Geschäftsleiters“ definiert wird. Die Organhaftung greift grundsätzlich ab dem Stadium der VorGesellschaft, also der notariellen Beurkundung der GmbH-Satzung bzw. der Satzungsfeststellung der AG3. Sie gilt über § 71 Abs. 4 GmbHG auch für den sich im Liquidationsstadium als „geborenen“ Liquidator wiederfindenden Geschäftsführer. Die organschaftliche Verantwortung bezieht sich auf Handlungen bis zur Beendigung der Organstellung, die mit Amtsniederlegung oder Abberufung eintritt. Ein nichtiger Abberufungsbeschluss entfaltet – im Gegensatz zum nur anfechtbaren – rechtlich keine Wirkung; stellt aber das Organ darauf1 Pelz, RNotZ 2003, 415. 2 Steffek, JuS 2010, 295, 299. 3 BGH v. 20.3.1986 – II ZR 114/85, NJW-RR 1986, 1293, 1293; OLG Düsseldorf v. 25.11.1993 – 6 U 245/92, GmbHR 1994, 317, 318.
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Teil 7 Rz. 5
Haftung
hin seine Tätigkeit ein, ist streitig, ob eine konkludente Amtsniederlegung gegeben ist1. Führungsorgane sind in unklaren Beschlusslagen haftungsrechtlich gut beraten, die Amtsniederlegung auch von sich aus zu erklären, um die Organstellung definitiv zu beenden. Sie müssen dann auch tatsächlich die geschäftsführenden Maßnahmen einstellen. Eine Amtsniederlegung zur Unzeit, ohne neue Organbestellung, kann allerdings eine Pflichtverletzung sein, wobei umstritten ist, ob sie zur Unwirksamkeit der Amtsniederlegung führt2. Nach hier vertretener Auffassung ist sie als einseitige Erklärung mit Zugang bei der Gesellschaft wirksam. Die komplexen Fragen von Unzeit oder Unbilligkeit sind allenfalls Umstände, an die eine Innenhaftung aufgrund Verstoßes gegen die Treuepflicht anknüpfen kann. 5
Neben den vorgenannten Generalklauseln gibt es spezielle Ersatzansprüche in der Gründungs- oder Krisenphase, insbesondere bei Verletzung des Kapitalschutzes, auf die später im Einzelnen eingegangen wird.
6
Die Organhaftung greift unabhängig davon, ob die Beziehung der Führungskraft zur Gesellschaft daneben auch auf eine schuldrechtliche Basis in Form eines Anstellungsvertrages gestellt wird. Allerdings kann dieser die Verantwortung des Geschäftsleiters näher konkretisieren, also differenziertere Verhaltensregeln oder Zustimmungsvorbehalte aufstellen. Dadurch kann die nach dem gesetzlichen Maßstab der Organhaftung begründete Verantwortung beschränkt oder erweitert werden. Das geht allerdings nur im Rahmen der dispositiven Gesetzesnormen und ist begrenzt durch zwingende Gesetzesvorschriften. Etwa die für den AG-Vorstand geltende dreijährige Sperre eines Haftungsverzichts gem. § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG kann durch Regelungen des Anstellungsvertrags also nicht umgangen werden.
7
Der Anstellungsvertrag kann allerdings auch eine Außenhaftung begründen, wenn er eine echte Schutzwirkung zu Gunsten eines Dritten oder Konzernunternehmens beinhaltet. Beispiel: Der Anstellungsvertrag enthält die Klausel: „Der Geschäftsleiter kann von der Gesellschaft auch im Rahmen folgender Aufgaben … (Konkretisierung) in einem Tochter-/Konzernunternehmen eingesetzt werden. Bei der Aufgabenwahrnehmung hat er diesem gegenüber die Sorgfaltspflichten wahrzunehmen und dessen Interessen zu wahren; Ansprüche bei Verletzung dieser Pflichten begründen einen eigenen Anspruch des Tochter-/Konzernunternehmens.“ Allerdings wird man allein anhand einer solchen Klausel, wenn keine Vereinbarung mit dem Tochterunternehmen getroffen ist, von einer Schutzwirkung nicht ausgehen können, sofern das Organ in eine Kollision der Interessen von Mutter- und Tochterunternehmen gerät. Einzelheiten der Haftungsbeschränkung werden an späterer Stelle dargestellt (s. Rz. 232 ff.). 1 Dafür: Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, 2. Aufl. 2010, § 43 Rz. 36a; dagegen: Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 19. Aufl. 2010, § 38 Rz. 89. 2 Bejahend: BayObLG v. 15.6.1999 – 3Z BR 35/99, GmbHR 1999, 980; OLG Düsseldorf v. 6.12. 2000 – 3 Wx 393/00, NZI 2001, 97, 98; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 38 Rz. 44; verneinend: OLG Koblenz v. 26.5.1994 – 6 U 445/91, GmbHR 1995, 730, 731.
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Rz. 11 Teil 7
Haftung
II. Außenhaftung Die Außenhaftung ist der Ausnahmefall. Die Führungskraft handelt grundsätzlich nur im unmittelbaren Pflichtenverhältnis gegenüber dem von ihm vertretenen Unternehmen. Fälle einer direkten Haftung gegenüber Dritten, einschließlich Gesellschafter, können aber sein:
8
1. Verschulden bei Vertragsverhandlungen Nimmt die Führungskraft
9
– gegenüber Dritten im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch oder – hat ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse kann sich eine persönliche Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo, § 311 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB) ergeben. Meistens wird ihr Handeln im vorvertraglichen Bereich aber der von ihr vertretenen Gesellschaft zugerechnet1. Die Anforderungen an eine persönliche Haftung liegen auf dem Niveau garantierter Angaben. Insbesondere im Zusammenhang mit der Krise können Erklärungen als Haftungs- oder Garantieversprechen zu werten sein, wenn sie im Rechtsverkehr besonderes Vertrauen hervorrufen.
10
Beispiel: Der Geschäftsleiter erklärt, der Vertragspartner werde bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation sein Geld „in jedem Fall bekommen“2 oder der Geschäftspartner könne ihm persönlich vertrauen. Die Rechtsprechung zieht die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens in Erwägung, weil der Eindruck erweckt wird, es werde in jedem Fall für eine ausreichende Eigenkapitalausstattung durch Gesellschafter oder Investoren gesorgt3. Ein weiterer Anwendungsfall der Außenhaftung – allerdings gegenüber einem (künftigen) Gesellschafter – ergibt sich, wenn die Führungskraft, insbesondere der Vorstand einer Publikums-AG, einen neuen Gesellschafter durch unrichtige Behauptungen zum Anteilskauf bewegt hat oder ein Fall der an die culpa in contrahendo (§ 311 BGB) angelehnten Prospekthaftung im weiteren Sinne vorliegt4. Demgegenüber beinhaltet die Prospekthaftung im engeren Sinne nach §§ 44 BörsG oder §§ 8f, 13, 13a VerkProspG keine spezifisch organschaftliche Haftung, sondern knüpft den Prospektverantwortlichen oder Emittenten an, der im Einzelfall mit einem Führungsorgan identisch sein kann, es aber nicht sein muss.
2. Außenhaftung nach spezialgesetzlichen Vorschriften Spezialregelungen können eine unmittelbare Außenhaftung anordnen, wie z.B. – § 31 Abs. 3, Abs. 6 i.V.m. § 43 GmbHG: gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer gegenüber bestimmten Gesellschaftern, die nach schuld1 Vgl. auch Krause, BB 2009, 1370, 1371. 2 BGH v. 18.6.2001 – II ZR 248/99, WM 2001, 1565, 1566. 3 BGH v. 18.2.2002 – II ZR 358/99, NZG 2002, 779; BGH v. 18.6.2001 – II ZR 248/99, NZG 2001, 888, 889. 4 Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. 2011, § 311 Rz. 71; Lücke/Schaub/Schnabel/ Lücke, Beck’sches MandatsHandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl., § 6 Rz. 222.
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Teil 7 Rz. 12
Haftung
haft zu Lasten des Stammkapitals veranlasster „verbotener Einlagenrückzahlung“ des Geschäftsführers (§ 30 GmbHG) für den Ausfall des einlageverpflichteten Gesellschafters herangezogen worden sind1. Aus der Ausfallhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft resultiert so eine spezielle Außenhaftung des Geschäftsführers ihnen gegenüber; – § 11 Abs. 2 GmbHG: Handelndenhaftung bei Vor-GmbH und fehlgeschlagener Eintragung2; – Steuerliche Haftung gegenüber dem Fiskus nach §§ 34, 69 AO; – Subsidiäre Haftung des Vorstandes gegenüber den Gesellschaftsgläubigern nach § 93 Abs. 5 AktG, wenn eine Befriedigung von der Gesellschaft nicht zu erlangen ist und entweder die aktienrechtlichen Gläubiger- und Kapitalschutz-Vorschriften des § 93 Abs. 3 AktG schuldhaft3 oder sonstige Pflichten qualifiziert schuldhaft („gröblich“)4 verletzt wurden (sog. Verfolgungsrecht, streitig, ob nur Prozessstandschaft für AG oder eigener Anspruch)5; ein Pendant kennt das GmbHG nicht6.
3. Deliktische Außenhaftung 12
Die spezialgesetzliche Außenhaftung ist mit der deliktischen Haftung insoweit verknüpft, als Spezialregelungen Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB sein können. Als Schutzgesetze kommen neben den klassischen Vermögensstraftatbeständen (z.B. Betrug gem. § 263 StGB) vor allem Gläubiger- und Kapitalschutzregelungen in Betracht: – Verletzung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 4, 5 InsO)7, – auf fehlerhafte Darstellung der Vermögenslage und Eigenkapitalausstattung bezogene Straftatbestände der § 82 GmbHG, §§ 399, 400 AktG (Falschangaben bei Gründung oder Kapitalmaßnahmen), – § 117 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 AktG (Schädigung eines Aktionärs durch vorsätzlich schädigende Einflussnahme auf die Gesellschaft/anderen Organe), – streitig im Hinblick auf die Verletzung von Auskunftspflichten gegenüber Aktionären, wie Verlustanzeige nach § 84 GmbHG bzw. §§ 92 Abs. 1, 401 1 § 31 Abs. 3, 6, 30 GmbHG kein Schutzgesetz gegenüber sonstigen Gläubigern BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, NJW 1990, 1725, 1730. 2 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 11 Rz. 23. 3 Einfache Fahrlässigkeit genügt. 4 Bei sonstigen Fällen außerhalb des § 93 Abs. 3 AktG fordert § 93 Abs. 5 Satz 2 AktG, dass die Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters gröblich verletzte wurde. 5 Für Innenhaftung über Prozesstandschaft: LG Köln v. 13.1.1976 – 3 O 243/75, BB 1976, 760; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 93 Rz. 4, 15 m.w.N. 6 Für die analoge Anwendung der §§ 62 Abs. 2, 93 Abs. 5 AktG auf die masselose oder gelöschte GmbH: Habersack/Schürnbrand, WM 2005, 957, 961; Burgard/Gundlach, ZIP 2006, 1568, 1570; Röhricht, ZIP 2005, 505, 510; dagegen Krause, BB 2009, 1370, 1372; BGH v. 19.2.1990 – II ZR 268/88, NJW 1990, 1725, 1730. 7 Vgl. Lücke/Schaub/Schnabel/Lücke, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, 2. Aufl. 2010, § 6 Rz. 223.
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Rz. 15 Teil 7
Haftung
AktG (nur Schutzgesetz gegenüber der Gesellschaft)1; allgemeine Auskunftspflicht nach § 51a GmbHG, § 131 AktG, oder ein Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen nach § 130 OWiG (s. unten Rz. 139)2. Kein Schutzgesetz, das eine Außenhaftung begründen könnte, ist die Untreue nach § 266 StGB wegen Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Vermögensbetreuungspflicht. Ihr Vermögensschutz scheidet als Haftungsgrundlage im Verhältnis zu Dritten oder Gesellschaftern aus3. Gleichfalls sind die Generalklauseln der §§ 43 GmbHG, 93 AktG keine Schutzgesetze, sondern nur Innenhaftungsgrundlage. Auch Gläubiger schützende Pflichten zur Stammkapitalerhaltung oder die Erstattungspflicht des Geschäftsführungsorgans für nach Feststellung eines Insolvenzgrundes erfolgter oder eine Zahlungsunfähigkeit erst auslösende Zahlungen an Gesellschafter (§ 64 Satz 3 GmbHG, §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 AktG), weisen den Ausgleichsanspruch nicht den Gläubigern, sondern der Gesellschaft zu (Innenhaftung)4.
13
Der Schutz von Verbrauchern und Produktabnehmern nach dem Produkthaftungsgesetz beinhaltet weitreichende Risiken aus Gefährdungshaftung. Die Verkehrssicherungs-, Konstruktions- und Produktbeobachtungspflichten treffen allerdings im Außenverhältnis zum Endverbraucher das Unternehmen als Hersteller, Importeur oder sonstigen Produktverantwortlichen. Das Führungsorgan ist zwar der Gesellschaft gegenüber zur Einhaltung ihrer Produktpflichten verantwortlich, eine Außenhaftung ergibt sich aber spezialgesetzlich nicht; sie kann indes aus allgemeinen Deliktsgrundsätzen resultieren, wenn es unter Kenntnis gesundheitsschädlicher Produktwirkungen keine Maßnahmen zur Gefahrbeseitigung unternommen hat5.
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Eine Deliktshaftung kann natürlich auch außerhalb des Gesellschaftsrechts oder vertraglichen Bereichs eintreten. So kann ein mit dem Dienstwagen verursachter und verschuldeter Unfall eine persönliche Verantwortung des Geschäftsführers aus § 823 Abs. 1 BGB, Fahrerhaftung nach § 18 StVG oder unter Umständen auch Halterhaftung nach § 7 StVG nach sich ziehen. Bei im Rahmen der Verrichtung begangenen Deliktsrechtsverletzungen haftet die Führungskraft persönlich, daneben gesamtschuldnerisch auch die Gesellschaft über die Zurechnungsnorm des § 31 BGB6.
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1 So Außenhaftung verneinend BGH v. 9.7.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, 1829 (1831); Hüffer/Hüffer, AktG, § 92 Rz. 15 m.w.N. 2 Zum Streitstand auch Lücke/Schaub/Schnabel/Lücke, Beck’sches Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 232, 234, 235. 3 Krause, BB 2009, 1370, 1371. 4 Hüffer/Hüffer, AktG, § 92 Rz. 20, 21. 5 Veranschaulichend: BGH v. 12.12.2000 – VI ZR 345/99, NJW 2001, 96 ff.: „KinderteeEntscheidung“. 6 Vgl. nur OLG Nürnberg v. 5.2.2002 – 3 U 3149/01, NJW-RR 2001, 1247, 1248 (§ 31 BGB im Zusammenhang mit Organisationsverschulden des Geschäftsführers).
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Teil 7 Rz. 16
Haftung
4. Gläubigerzugriff auf die Innenhaftung 16
Ein „Dritter“ im haftungsrechtlichen Sinne kann allerdings die Verantwortung der Führungskraft ohne Außenhaftung mittelbar realisieren, indem er aus eigenem Titel gegen die Gesellschaft auf deren Schadenersatzansprüche gegen das Organ im Wege der Pfändung und Überweisung zugreift. Er muss im Zweifel einen Einziehungsprozess gegen die Führungskraft führen, deren Haftung sich nach ihren gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflichten richtet. Ein gegen die Gesellschaft im Vorprozess ergangenes Urteil hat keine Bindungswirkung gegenüber dem Führungsorgan. Tatsächliche Feststellungen binden hingegen, wenn die Gesellschaft ihm bereits im Vorprozess nach § 72 ZPO den Streit verkündet hat, weil sie für den Fall des Prozessverlustes einen Regress im Wege der Innenhaftung beansprucht. In Insolvenzfällen wird dies nicht relevant sein, da Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger nicht möglich sind; nur der Insolvenzverwalter hat Ansprüche der Gesellschaft zur quotalen Befriedigung der Gläubiger geltend zu machen.
III. Organhaftung in den verschiedenen Unternehmensphasen 1. Gründungshaftung 17
Der Chronologie der Unternehmensexistenz folgend wird zunächst die speziell geregelte Haftung in den Gründungsphasen skizziert. Auch wenn die GmbH als Beispiel dient, sind die Grundsätze auf die Aktiengesellschaft weitestgehend übertragbar.
a) „Vorgründungsphase“: Haftung nach allgemeinen Grundsätzen 18
Vor notarieller Beurkundung der Satzung (bei AG: sog. „Feststellung der Satzung“) spricht man von einer „Vorgründungsgesellschaft“, die mangels körperschaftlicher Errichtung den Regeln der Personengesellschaft (GbR) folgt, bei der jeder Gesellschafter gesamtschuldnerisch und persönlich haftet1. Ihr (einziger) Zweck ist mit der notariellen Beurkundung erreicht. In der Regel beschränkt sich die Handlungsvollmacht des Geschäftsleiters auf die zur Gründung erforderlichen Maßnahmen. Wird er darüber hinaus zur Vornahme von Rechtsgeschäften bevollmächtigt, kann in dem Vorgründungsstadium von einer OHG auszugehen sein, wenn sich die Aktivitäten auf ein Handelsgewerbe richten2. Der Geschäftsleiter nimmt die Funktion eines Vertreters nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen war. Seine Haftung wird durch die Reichweite der erteilten Vollmacht bestimmt. Tritt eine Person vor notariell beurkundeter Satzung bereits im Namen einer GmbH/AG oder einer „in Gründung befindlichen“ GmbH/AG auf, werden die Gesellschafter als „wahre“ Rechtsträger persönlich, gesamtschuldnerisch und ohne Haftungsbegrenzung verpflichtet, wenn der Handelnde zur Vertretung bevollmächtigt ist. 1 § 128 HGB; vgl. zur „Vorgründungs-AG“: LAG Köln v. 4.8.2005 – 6 (4) Sa 527/0, ZIP 2005, 2158. 2 Eine OHG kann auch ohne Handelsregistereintragung existieren.
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Rz. 20 Teil 7
Haftung
Haben die Gesellschafter der Führungskraft hingegen keine Vollmacht zu weitergehendem Handeln in der Vorgründungsphase erteilt, haftet sie nach § 179 BGB persönlich als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“. Genehmigen die Gesellschafter das Handeln auch nachträglich nicht, sind sie nicht gebunden und der Dritte kann von dem „Vertreter“ wahlweise Erfüllung oder Schadenersatz verlangen (§ 179 Abs. 1 BGB)1. Auch wenn es später zur Entstehung der GmbH/AG kommt, entbindet dies den Geschäftsleiter von einer einmal entstandenen Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht nicht.
19
! Praxishinweis Will der Geschäftsleiter in der Vorgründungsphase über notwendige Gründungsmaßnahmen hinaus Rechtsgeschäfte für die „zukünftige“ Gesellschaft eingehen, muss er sicherstellen, dass ihm alle Gesellschafter (einzeln oder im gemeinsamen Beschluss) eine entsprechende Vollmacht erteilt haben. Nach § 179 Abs. 1 Satz 2 BGB hat er als derjenige, der sich auf eine Vertretungsmacht beruft, die Vollmacht nachzuweisen, wenn er der persönlichen Haftung entgehen will. Dies gilt auch im Hinblick darauf, ob er zumindest im Innenverhältnis einen Ausgleich von den Gesellschaftern fordern kann. Die Führungskraft muss im Blick haben, dass die im Vorgründungsstadium begründeten Verbindlichkeiten nicht auf die spätere Kapitalgesellschaft übergehen2. Rechtsgeschäfte und Verbindlichkeiten müssen also, wenn sie nach dem notariellen Errichtungsakt nur noch die Kapitalgesellschaft treffen sollen, durch Rechtsgeschäft auf die Kapitalgesellschaft übertragen werden.
! Praxishinweis Verfügt der Geschäftsleiter über eine Vollmacht über Gründungsgeschäfte hinaus, hat er dafür zu sorgen, dass Rechtsgeschäfte auf die spätere Vor-Gesellschaft bzw. GmbH/AG übergehen können. Hierzu muss er den Vertragspartner über das Vorgründungsstadium aufklären und von vorneherein dessen Zustimmung zur (schuldbefreienden) Auswechselung des Vertragspartners mit Gründung der Kapitalgesellschaft einholen. Anderenfalls droht eine Inanspruchnahme der Führungskraft durch die Gesellschafter, die auf ihrer persönlichen Haftung sitzen bleiben. Allerdings kann die Führungskraft einer Inanspruchnahme durch die Gesellschafter entgegenhalten, dass sie das Risiko mit Vollmachterteilung bewusst eingegangen sind, sofern diese nicht dahingehend eingeschränkt wurde, dass die Zustimmung des Vertragspartners zur schuldbefreienden Vertragsübernahme erforderlich ist. Ohnehin können die Gesellschafter ihre Freistellung durch die später entstandene Kapitalgesellschaft beschließen, wenn die Maßnahmen als solche im Gesellschaftsinteresse liegen. Allerdings ist nach dem Grundsatz der verschleierten Sachgründung und dem Vorbelastungsverbot Vorsicht geboten, wenn dadurch das Stammkapital angegriffen würde (vgl. unten Rz. 37). 1 BAG v. 12.6.2006 – 5 AZR 613/05, BB 2006, 1970. 2 Kein identitätswahrender Übergang von der Personen- zur Kapitalgesellschaft.
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Teil 7 Rz. 21
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b) Vor-Gesellschaft: Spezielle Haftungsregelungen 21
Mit der notariellen Beurkundung der GmbH-Satzung bzw. „Feststellung“ der AG-Satzung ist die „Gründung“ („Errichtung“) vollzogen. Die davon zu unterscheidende Entstehung der GmbH, für deren Verbindlichkeiten nach § 13 Abs. 2 GmbHG keine persönliche Haftung der Gesellschafter besteht, erfolgt gem. § 11 Abs. 1 GmbHG erst mit Handelsregistereintragung. Bis dahin existiert die Kapitalgesellschaft also solche nicht, sondern eine Vor-Gesellschaft („Vor-GmbH“ bzw. „Vor-AG“). Aufgrund notarieller Errichtung weist sie aber eine hinreichend körperschaftliche Struktur auf. Daher finden die Regelungen der Kapitalgesellschaft Anwendung, soweit sie die Eintragung nicht unabdingbar voraussetzen. Die Vor-Gesellschaft ist teilrechts- und über das bestellte Führungsorgan im Rechtsverkehr handlungs- und umfassend vertretungsfähig. Dies birgt erhebliche Gefahren für Vertragspartner. Denn die im Gläubigerinteresse erfolgende Prüfung der Kapitalausstattung durch das Registergericht steht noch aus1. Kommt es anschließend zur Eintragung der Kapitalgesellschaft, werden alle durch die Vor-Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten von der Kapitalgesellschaft identitätswahrend fortgeführt. Haftungsrisiken ergeben sich nicht. Gelangt aber die Vor-Gesellschaft nicht zur Eintragung, fehlt am Ende ein taugliches Haftungssubjekt.
aa) Handelndenhaftung, § 11 Abs. 2 GmbHG 22
Das Gesetz löst dieses Problem durch die Verlustdeckungshaftung der Gesellschafter, die im Verhältnis ihrer Anteile, allerdings ohne Betragsbeschränkung, für den Ausgleich der Unterbilanz nach Verbrauch des Stammkapitals einzustehen haben2. Es handelt sich um einen Innenhaftungsanspruch der VorGmbH gegen die Gesellschafter, auf den die Gläubiger im Wege der Pfändung aus eigenem Titel gegen die Gesellschaft zugreifen können. Da dies meist wenig erfolgversprechend ist, stellt der Gesetzgeber die persönliche Handelndenhaftung des Geschäftsführers nach § 11 Abs. 2 GmbHG daneben. Hiernach haften alle Personen, die für die Vor-GmbH vor Eintragung handeln, „persönlich und solidarisch“. Für die „Vor-AG“ beinhaltet § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG eine parallele Vorschrift. Den Führungskräften wird so eine Garantenstellung in der Gründungsphase zugewiesen. Voraussetzungen sind:
(1) Handelnder 23
§ 11 Abs. 2 GmbHG wird inzwischen als Spezialfall der Organhaftung verstanden. Handelnder ist nur, wer als bestellter Geschäftsführer/Vorstand oder wer als sog. „faktischer Geschäftsführer“ wie ein solcher für die Gesellschaft auftritt3. In Betracht kommt nur derjenige, der die rechtsgeschäftlichen Maßnahmen konkret vornimmt oder vornehmen lässt; bei einem Kollegialorgan also 1 von Bredow/Schumacher, DStR 2003, 1032, 1033. 2 BGH v. 27.1.1997 – II ZR 123/94, BB 1997, 905, 906. 3 BGH v. 31.5.1976 – I ZR 185/74, BGHZ 66, 359, 360 = NJW 1976, 1685; BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, NJW 1984, 2164, 2165; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 11 Rz. 26; Scholz/Schmidt, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 11 Rz. 101.
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Rz. 25 Teil 7
Haftung
die Mitglieder, welche die Maßnahme zumindest willentlich mitgetragen haben. Es „handelt“ auch, wer willentlich handeln lässt1. Nur Einzelbevollmächtigte unterliegen der Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG nicht. Ihre Haftung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, insbesondere, ob sie als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB) oder zwar mit Vollmacht handeln, aber gegen Weisungen verstoßen (Haftung aus Auftragsrecht).
(2) Handeln im Namen der Gesellschaft Während die frühere Rechtsprechung ein Handeln ausdrücklich namens der „GmbH“2 verlangte, geht die h.M. inzwischen davon aus, dass ein erkennbares Handeln für die Vor-Gesellschaft (etwa „Vor-GmbH“, „in Gründung befindliche“ oder „zukünftige GmbH“) genügt3. Erforderlich ist rechtsgeschäftliches Handeln gegenüber Dritten, einschließlich gleichstehender Handlungen, wie die Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigte Bereicherung, die i.d.R. mit einem rechtsgeschäftlichen Fehlverständnis zusammenhängt. Die Haftung bezieht sich dagegen nicht auf unmittelbar durch Gesetz begründete Verbindlichkeiten, wie nicht abgeführte Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge4, aus deren Verletzung eine (Außen-)Haftung nach anderen Grundsätzen resultiert5.
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Die Handelndenhaftung betrifft nur Fälle einer Verpflichtung der Vor-Gesellschaft durch wirksame Vertretung. Das ist nicht der Fall, wenn der Handelnde keine Vertretungsmacht zum Abschluss des betreffenden Rechtsgeschäfts hatte. Das Vorgründungsstadium bringt nach allerdings umstrittener Auffassung eine auf die notwendigen Gründungsmaßnahmen (Herbeiführen der Eintragung, Entgegennahme der Stammkapitalzahlungen, Abgabe aller notwendigen Eintragungserklärungen etc.) beschränkte Vertretungsmacht mit sich6. Bei über Gründungsmaßnahmen hinausgehenden Rechtsgeschäften wird die VorGesellschaft nicht gebunden. Der Geschäftsleiter haftet dann nach allgemeinen Grundsätzen als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 179 BGB). Andere gehen von einer unbeschränkten Vertretungsmacht wie bei der durch Eintragung entstandenen Kapitalgesellschaft (§ 37 Abs. 2 GmbHG) aus, mit der Folge, dass bei Überschreitung der Geschäftsführungsbefugnis eine Innenhaftung gegenüber der Vor-Gesellschaft ergebe7. Beides ist haftungsrelevant. Es gibt vier Va-
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1 BGH v. 24.10.1968 – II ZR 216/66, NJW 1969, 509, 511; BGH v. 2.5.1974 – II ZR 111/71, NJW 1974, 1284, 1285; OLG Hamm v. 20.1.1997 – 31 U 138/96, GmbHR 1997, 602. 2 BGH v. 2.5.1974 – II ZR 111/71, NJW 1974, 1284; BGH v. 15.3.1962 – II ZR 103/61, NJW 1962, 1008; zusammenfassend Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, 6. Aufl. 2009, § 11 Rz. 23, 24. 3 BGH v. 7.5.1984 – II ZR 276/83, NJW 1984, 2164 (2165); Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 11 Rz. 48. 4 BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, NZI 2011, 196; Göb, NZI 2011, 394, 396; OLG Saarbrücken v. 17.1.1992 – 4 U 175/90, GmbHR 1992, 307, 309; BAG v. 23.8.1995 – 10 AZR 908/94 (A), NJW 1996, 96, 97; Michalski/Michalski/Funke, GmbHG, § 11 Rz. 95. 5 Bsp.: § 69 AO, § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266a Abs. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB. 6 BGH v. 13.12.1982 – II ZR 282/81, NJW 1983, 876, 877 und BGHZ 86, 122; Baumbach/ Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 11 Rz. 19. 7 Vgl. Michalski/Michalski/Funke, GmbHG, § 11 Rz. 55; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 11 Rz. 63.
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Teil 7 Rz. 26
Haftung
rianten, nach denen das Führungsorgan im Stadium der Vor-Gesellschaft von einer weitergehenden Vertretungsmacht bzw. Geschäftsführungsbefugnis ausgehen kann: – Die Satzung bestimmt, dass die Gesellschaft ihre Geschäfte bereits vor Eintragung beginnt und der Geschäftsführer hierzu berechtigt ist. – Die Gesellschafter haben den Geschäftsleiter durch vorherigen Beschluss oder übereinstimmende Einzelvollmachten zur Vornahme von Rechtsgeschäften ermächtigt. – Es liegt eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht vor, weil die Geschäfte mit Wissen und Wollen der Gesellschafter begonnen wurden oder die Gesellschafter den Anschein einer weitergehenden Vertretungsmacht gesetzt haben. – Die Gesellschafter genehmigen das Rechtsgeschäft nachträglich nach § 177 BGB.
! Praxishinweis Die Führungskraft muss vor Handelsregistereintragung der Gesellschaft genau prüfen, ob sie über notwendige Gründungs- und Eintragungsmaßnahmen hinaus zu Rechtsgeschäften befugt ist. Kann dies der beurkundeten Satzung nicht unmissverständlich entnommen werden, muss sie einen Beschluss oder eine anderweitige schriftliche Zustimmung aller Gesellschafter anfordern. Die Satzungsbestimmung, „dass die Gesellschaft ihre Geschäfte bereits vor der Eintragung aufnehmen kann“, reicht im Zweifel nicht aus. Es wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Gesellschafter dies auch konkret umsetzen wollten. Die Führungskraft sollte auf einen „Start-Schuss-Beschluss“ bestehen. Ausreichend dürfte hingegen die Satzungsregelung sein: „… Die Gesellschaft nimmt ihre Geschäfte bereits vor der Handelsregistereintragung auf. Der Geschäftsführer ist schon vor der Eintragung uneingeschränkt zur Vertretung und zum Abschluss von Rechtsgeschäften berechtigt.“ 26
Die Führungskraft sollte aber auch dann die tatsächliche Aufnahme der Geschäfte den Gesellschaftern ankündigen und sie über die Rechtsgeschäfte informiert halten.
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Da die nicht zur Entstehung gelangte GmbH Anwendungsfall des § 11 Abs. 2 GmbHG ist, bedarf die Handelndenhaftung keiner zusätzlichen Pflichtverletzung über das rechtsgeschäftliche Handeln hinaus. Es soll zu Gunsten der Vertragspartner lediglich sichergestellt werden, dass überhaupt ein Haftungssubjekt – der handelnde Geschäftsleiter – vorhanden ist.
(3) Anspruchsberechtigter 28
Die § 11 Abs. 2 GmbHG bzw. § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG schützen den Rechtsverkehr, also „Dritte“, nicht aber die Enttäuschung „internen Vertrauens“.
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Rz. 33 Teil 7
Haftung
Beispiel: Ein neu eintretender Gesellschafter hat sich durch falsche Angaben des Vorstandes einer AG zum Beitritt verleiten lassen. Er ist kein anspruchsberechtigter Dritte im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 2 AktG (§ 11 Abs. 2 GmbHG). Ggf. kann er sich auf die Grundsätze der Vertrauenshaftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo; § 311 BGB) berufen (zu den Grundsätzen s. Rz. 9, 10). Die Vertrauenshaftung fordert allerdings im Gegensatz zur Handelndenhaftung Verschulden und eine besondere Vertrauenslage.
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Zu „internen“ Vorgängen können auch Rechtsbeziehungen zählen, die auf eine Gesellschafterbeherrschung zurückgehen. Denn dann ist die „Sicht von Innen“ eröffnet.
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Beispiel: Nicht zu den von § 11 Abs. 2 GmbHG geschützten Dritten soll eine Kommanditgesellschaft gehören, deren Vertriebsgesellschaft die (später nicht zur Eintragung gelangende) GmbH werden sollte und deren einziger Komplementär zugleich Gründungsgesellschafter der GmbH ist1.
Da § 11 Abs. 2 GmbHG eine Typisierung des Gläubigerschutzes ist, kommt es auf ein „Vertrauen im engeren Sinne“ nicht an. Es ist daher unerheblich, ob der Geschäftspartner das (noch) Nichtbestehen der Gesellschaft kennt. Er darf darauf vertrauen, dass Führungsorgane und Gesellschafter ihrer Errichtungsund Kapitalerhaltungsverantwortung nachkommen.
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(4) Haftungsumfang Die Haftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG richtet sich auf einen typisierten Vertrauensschaden. Der Dritte soll weder besser noch schlechter gestellt werden als bei Vertragsschluss mit einer tatsächlich zur Eintragung gelangten Kapitalgesellschaft. Es sind alle Regelungen anzuwenden, die bei Entstehung der Gesellschaft (GmbH/AG) zur Geltung kämen. Die allein im Verhältnis zur Gesellschaft zu bestimmenden Verjährungsregelungen oder vereinbarte Ausschlussfristen können die Haftung ausschließen. Die Haftung ist auf die Befriedigungsmöglichkeit begrenzt, die sich auch bei ordnungsgemäßer Verwendung des Gesellschaftsvermögens ergeben hätte. Es gilt also eine Begrenzung auf das Vermögen, mit dem die Gesellschaft unter Wahrung der Gründungsvorschriften zur Eintragung hätte gelangen können.
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(5) Haftungsausschluss und Haftungsbeschränkung Entsprechend dem Regelungszweck der gescheiterten Gründung entfällt die Handelndenhaftung mit Eintragung der GmbH. Der Dritte erhält den Vertragspartner, den er sich ausgesucht hat. Daneben kann die Führungskraft auf zwei Wegen einen gesonderten Haftungsausschluss vereinbaren:
1 So OLG Hamm v. 26.10.1973 – 20 U 300/72, NJW 1974, 1472; vgl. Baumbach/Hueck/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 11 Rz. 49.
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Teil 7 Rz. 34
Haftung
– Der Geschäftsführer schließt das Rechtsgeschäft mit dem Dritten unter der Bedingung ab, dass die GmbH zur Eintragung/Entstehung gelangt. Bis zum Bedingungseintritt ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. – Der Geschäftsführer trifft mit dem Dritten eine Vereinbarung über seinen persönlichen Haftungsausschluss, wenn er ihn gleichzeitig über das Stadium der Vor-GmbH aufklärt.
! Praxishinweis Beide Varianten fordern eine Aufklärung des Dritten über das Stadium der Vorgesellschaft. Derartige Vereinbarungen sind klar und schriftlich zu dokumentieren. Die Beweislast für Entlastungsumstände trifft die Führungskraft. 34
Handelt die Führungskraft innerhalb ihrer Vertretungsmacht/Befugnis, kann sie, falls sie aus §§ 11 Abs. 2 GmbHG bzw. 41 Abs. 1 Satz 2 AktG in Anspruch genommen wird, Rückgriff gegen die Gesellschaft/er im Wege einer Aufwandserstattung nehmen (§§ 670, 675 BGB) oder Freistellung verlangen1. Dies wird indes kaum aussichtsreich sein, da die Eintragung häufig an der mangelnden Kapitalerbringung gescheitert ist.
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Umstritten ist, ob die Handelndenhaftung auch bei wirtschaftlicher Neugründung durch Mantelkauf greift. Die Rspr. hält dies zur Vermeidung einer Umgehung von Gründungsvorschriften für möglich, wenn der Geschäftsführer vor Eintragung der Satzungsänderung die Tätigkeit ohne Zustimmung aller Gesellschafter beginnt2. Der sog. Mantelkauf ist auch steuerlich unter dem Gesichtspunkt der Kappung des Verlustvortrages wegen wirtschaftlichen Identitätsverlustes durch Übergang wesentlicher Anteile kritisch3. Zivilrechtlich ändert der Erwerb eines GmbH-Mantels nichts daran, dass die Kapitalgründungsvorschriften der Kapitalgesellschaft, die als Rechtsperson zivilrechtlich fortbesteht, zumindest einmal eingehalten worden sein müssen. Vor einem Personenwechsel ist der Rechtsverkehr nicht gefeit. Wenn Organe und Gesellschafter ihre Kapitalerhaltungspflichten verletzen, ist dies eine insolvenzrechtliche Haftungsfrage. Da die zivilrechtliche Rechtsprechung aber auf eine wirtschaftliche Neugründung die Vorschriften zur Aufbringung des Stammkapitals und deren registerliche Kontrolle analog anwendet4, besteht in jedem Fall ein Haftungsrisiko.
! Praxishinweis Der Geschäftsführer wird im eigenen Enthaftungsinteresse Satzungsänderungen, hinter denen sich bei grundlegender Änderungen des Unterneh1 BGH v. 13.12.1982 – II ZR 282/81, NJW 1983, 876, 877, allerdings str. 2 Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 11 Rz. 46; BGH v. 7.7.2003 – II ZB 4/02 – NZG 2003, 972, 975; dagegen mangels Analogie: Bärwaldt/Schabacker, GmbHR 1998, 1012 f.; Ahrens, DB 1998, 1073; Heerma, GmbHR 1999, 643 ff.; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 11 Rz. 99; Michalski/Michalski/Funke, GmbHG, § 11 Rz. 94; bzgl. Ablehung Analogie bei Vorrats-GmbH ohne vorherigem Geschäftslauf: OLG Brandenburg v. 19.8.1998 – 7 U 24/98, GmbHR 1998, 1031, 1032. 3 § 8c KStG. 4 Vgl. LG Dresden v. 7.4.2000 – 42 T 51/99, GmbHR 22/2000, 1151.
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Rz. 38 Teil 7
Haftung
mensgegenstandes und Auswechslung der Organe eine wirtschaftliche Neugründung verbergen könnte, kritisch zu hinterfragen haben und sollte bei Eingehen von Rechtsgeschäften vor Eintragung der Satzungsänderungen deckende Beschlüsse einholen. Im Übrigen kommen die genannten Möglichkeiten eines Haftungsausschlusses in Betracht.
bb) Haftung wegen Falschauskunft bei Gründung Eine weitere Haftung im Zusammenhang mit der Gründungsphase ergibt sich aus § 9a Abs. 1 GmbHG (Geschäftsführer) bzw. §§ 46, 48 AktG (Vorstand oder Aufsichtsrat) wegen Falschauskunft bei Gründungsakten. Unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber Notar oder Registergericht, etwa über die freie Verfügbarkeit/Einzahlung der Stammeinlage oder den Gründungsaufwand, führen zu einer Unterdeckungshaftung gegenüber der Gesellschaft. Die betreffenden Gesellschafter und Geschäftsführer haften gesamtschuldnerisch. Die Gesellschaft ist so zu stellen, als wenn die abgegebene Erklärung zutreffen würde. Es sind fehlende Einzahlungen zu leisten, eine Vergütung, die nicht unter den Gründungsaufwand aufgenommen ist, zu ersetzen und für den sonst entstehenden Schaden Ersatz zu leisten (§ 9a Abs. 1 GmbHG). Das Verschulden wird (widerlegbar) vermutet. Das Führungsorgan trifft die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Erkennbarkeit der objektiven Unrichtigkeit bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 9a Abs. 3 GmbHG). Gelingt ihr dies nicht, bleibt nur der Regress gegen die Gesellschafter nach § 426 Abs. 1 BGB („soweit nicht etwas anderes bestimmt“), wenn diese ihr gegenüber die Unrichtigkeit verursacht oder verschuldet haben. Die Gesellschaft kann auf den Anspruch nicht verzichten (§ 9b GmbHG)1.
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cc) Verdeckte Sacheinlage Zeitnah zur Bargründung erfolgte Zahlungs(rück)flüsse an einen Gesellschafter beinhalten die Gefahr einer „verdeckten Sachgründung“. Hieraus kann eine Differenzhaftung der Führungsorgane resultieren. Die Grundsätze wurden von der Rechtsprechung entwickelt.
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(1) Ausgangslage Im Gegensatz zur Bargründung unterliegt die Aufbringung des Stammkapitals durch Sacheinlagen (Sachgründung) strengeren Gläubigerschutz-Regelungen (§§ 5 Abs. 4, 8 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG bzw. §§ 27, 31 bis 35 AktG), insbesondere – Zulassung der Sacheinlage in der Satzung, – Sachgründungsbericht, – Gründungsprüfung sowie Mitteilung an das Registergericht. 1 Ausnahmen nach § 9b GmbHG: Verzicht oder Einigung bei Insolvenz des Ersatzpflichtigen; bei AG: §§ 48 Satz 2, 50 AktG.
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Teil 7 Rz. 39
Haftung
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Diese würden umgangen, wenn formal eine Bargründung erfolgt, die Geldeinlage bei wirtschaftlicher Betrachtung aber aufgrund gesonderter Vereinbarungen unterschritten oder zeitnah wieder an den Gesellschafter zurückwandern würde. Betroffen sind neben Überbewertung von Sachgütern oder klassischer „Hin- und Herzahlung“ die Verrechnung oder Aufrechnung der Einlage mit Ansprüchen des Gesellschafters oder ein sonstiger wertmäßiger Rückfluss – sei es auch über Dritte.
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Kritisch sind stets Vereinbarungen, in denen sich die GmbH im zeitlichen Zusammenhang mit der Gründung gegenüber dem Gesellschafter zur Übernahme eines Gegenstandes/Sachwertes oder einer Rechtsposition gegen Geldzahlung verpflichtet. Dabei spielt keine Rolle, ob die Gesellschaft vor oder nach der Einlageleistung des Gesellschafters eine Zahlung erbringt. Ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang ist Indiz für eine verdeckte Sacheinlage. Bei zeitlichem Abstand von sechs Monaten zwischen den Vorgängen (Gründung bzw. Bareinlage und Rückfluss) wird eine Umgehungsabrede vermutet, bei acht Monaten kann die Vermutungswirkung verflüchtigt sein1. Allerdings gelten keine starren Ausschlussfristen. Entscheidend ist der Einzelfall in wirtschaftliche Gesamtbetrachtung unter Geltung strikten Umgehungsverbots.
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Gleichwohl ist ein fremdübliches Rechtsgeschäft mit einem Gesellschafter im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb nicht ausgeschlossen, sofern fremdübliche Konditionen vorliegen. Auch soll das Erfordernis der freien Verfügung über die Mindesteinlage (§§ 7 Abs. 2 Satz 1, 56a, 57 Abs. 2 GmbHG) nicht verletzt sein, wenn tatsächlich erzielter Gewinn zur Einlagenzahlung verwendet wird2. Ein Blick in die Entwicklung der Rechtsprechung verdeutlicht erhebliche Unwägbarkeiten. Das OLG Hamm ging beispielsweise noch davon aus, bei Übernahme eines für den Geschäftsbetrieb notwendigen Warenlagers zur Erstausstattung des Betriebs liege keine verdeckte Sacheinlage vor, wenn der für das Wirtschaftsgut vereinbarte Kaufpreis den Einlagebetrag deutlich übersteige3. Demgegenüber betont der BGH, dass gewöhnliche Umsatzgeschäfte des laufenden Geschäftsverkehrs nicht per se aus der kritischen Betrachtung herausfallen, wenn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zu der Einlageleistung eine „Abrede“ und Aushöhlung der strengen Sachgründungsvoraussetzungen vermuten ließe4, Allerdings stellte in dem besonderen Fall der Verkauf der Ausstattungsgegenstände (Werkzeuge, Maschinen) weder für die Gesellschaft noch den Gesellschafter als veräußernden Einzelunternehmer ein gewöhnliches Umsatzgeschäft des laufenden Geschäfts dar.
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Führungskräfte sollten die Vermutungswirkung eines nahen zeitlichen Zusammenhangs zu der Einlageleistung (diskutiert werden sechs Monate) in jedem Fall vermeiden, wenn nicht sichergestellt ist, dass die Vermutung der Abrede beziehungsweise des Vorhabens widerlegt werden kann. Gerät die Gesellschaft in eine Insolvenzsituation, wird ein Insolvenzverwalter bei gründungsnahem 1 2 3 4
BGH v. 16.9.2002 – II ZR 1/00, WM 2002, 2245, 2248 = BGHZ 152, 37. BGH v. 16.9.2002 – II ZR 1/00, WM 2002, 2245, 2247. OLG Hamm v. 17.8.2004 – 27 U 189/03, NZG 2005, 184, 185 f. BGH v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, DNotZ 2008, 547 ff.; so schon für die AG: BGH v. 20.11.2006 – II ZR 176/05, NZG 2007, 144.
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Rz. 44 Teil 7
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Leistungsaustausch mit Gesellschaftern die Frage der verdeckten Sacheinlage aufwerfen und die Einlage (nach aktuellem Recht soweit der verbliebene Sacheinlagewert die Einlageverpflichtung unterschreitet, s.u.) einfordern. Die Problematik der verdeckten Sacheinlage besteht ebenso im Rahmen der Kapitalerhöhung, da hier Einlageverpflichtungen neu entstehen (vgl. § 14 Satz 3 GmbHG)1. Beispiel: – Die GmbH kauft dem Gesellschafter in zeitlichem Zusammenhang mit der Gründung einen PKW oder eine Forderung ab und zahlt an ihn den Kaufpreis. – Nach Gründung und Einlageleistung, aber vor Eintragung schließt der Geschäftsführer mit einem Gesellschafter einen Darlehensvertrag und zahlt den Darlehensbetrag an ihn aus (Hin- und Herzahlung)2. – Der Gesellschafter leistet vor Eintragung der Gesellschaft die Mindestzahlung i.H.v. einem Viertel des Nennbetrages seiner Geldeinlage (§ 7 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Einen Monat nach Eintragung erhält die Gesellschaft von ihm eine Lizenz und rechnet dessen Entgeltforderung mit seiner restlichen Einlageforderung auf. – Die GmbH rechnet die Einlageforderung gegen eine Beratungsleistung des Gesellschafters auf, die dieser schon der Vor-Gesellschaft gegenüber erbracht hat.
Anwendungsfälle können sich auch bei Einschaltung eines Dritten oder Konzernverbundes ergeben. Die Verletzung der Kapitalaufbringungsregeln verlangt keine personelle Identität zwischen dem einlagepflichtigen Gesellschafter und dem Auszahlungsempfänger, wenn der Gesellschafter bei Weiterleitung der Einlagemittel an diesen (mittelbar) in gleicher Weise begünstigt wird, wie durch eine unmittelbare Leistung. Dies kann insbesondere bei Leistung an ein vom Gesellschafter beherrschtes Unternehmen der Fall sein3.
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Beispiel: Verdeckte Sacheinlage durch Cash-Pooling4: Eine GmbH ist über ein sog. Cash-Management-System mit anderen Konzernunternehmen verbunden. Die Konten der Unternehmen des Konzernverbundes werden täglich zu Gunsten oder Lasten eines Zentralkontos glatt gestellt. Eine andere Konzern-Gesellschaft ist über das Zentralkonto allein verfügungsberechtigt. Einlagen werden zunächst auf ein spezielles Termingeldkonto der GmbH eingezahlt, einen knappen Monat später aber, wie geplant, auf das einzige Geschäftskonto der GmbH überwiesen, das zugleich ein Nebenkonto in dem Cash-Management-System darstellt.
(2) Haftung nach aktueller Gesetzeslage (a) Die mit dem MoMiG zum 1.1.2008 in Kraft getretene Neuregelung des § 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG (für die AG § 27 Abs. 4 AktG i.d.F. des ARUG5 zum 1 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 75/04, ZIP 2006, 665, sowie II ZR 76/04, BGHZ 166, 8. 2 Vgl. OLG Schleswig v. 20.7.2000 – 5 U 2/00, GmbHR 2000, 1045 f. 3 BGH v. 16.1.2006 – II ZR 75/04 ZIP 2006, 665 „Cash-Pool I“; BGH v. 20.7.2009 – II ZR 273/07, BB 2009, 2108 ff. = ZIP 2009, 1561 ff. – „Cash-Pool II“. 4 Fall nach BGH v. 16.1.2006 – II ZR 75/04, ZIP 2006, 665, sowie II ZR 76/04, BGHZ 166, 8 ff. 5 Gesetz zur Umsetzung zur Aktionärsrechterichtlinie v. 30.7.2009, BGBl. I S. 2479.
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Teil 7 Rz. 45
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1.9.2009) definiert die durch die Rechtsprechung entwickelte „verdeckte Sacheinlage“ nun auf gesetzlicher Ebene: 45
„§ 19 Abs. 4 Satz 1 GmbHG: Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet.“
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Damit hat sich die Situation für die Gesellschafter entschärft. Nach der der alten Rechtslage waren alle Vereinbarungen mit dem Gesellschafter unwirksam; er musste seine Bareinlage stets in voller Höhe (nochmals) leisten1. Demgegenüber sind verdeckte Sacheinlagen nun erfüllungswirksam anzuerkennen, soweit sie werthaltig sind (Anrechnungsmethode). Die Gesellschafter haften nach aktueller Gesetzeslage also nur noch für die tatsächliche Wertdifferenz. Die Beweislast für die Werthaltigkeit trägt nach 19 Abs. 4 Satz 5 GmbHG der Gesellschafter bzw. das Führungsorgan.
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Hiervon sollten sich Führungskräfte indes nicht verleiten lassen. Für sie ändert sich nichts daran, dass die verdeckte Sacheinlage unzulässig ist und das Registergericht, wenn es sie aufdeckt, die Eintragung nach § 9c GmbHG verweigern muss2. Für das Führungsorgan ist die verdeckte Sacheinlage keinesfalls „erlaubtes Risiko“; es handelt pflichtwidrig. Neben der Tatsache, dass es die (Differenz-)Haftung gegenüber der Gesellschaft wegen falscher Angaben (§ 9a GmbHG) treffen kann, ist eine vorsätzliche Begehung strafbar (§ 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG, § 399 AktG). Zudem kommt eine Haftung gegenüber der Gesellschaft nach §§ 43 Abs. 3, 30 GmbHG bzw. §§ 93 Abs. 3, 57 Abs. 1 AktG in Betracht, wenn die Stammkapitalerhaltung verletzt ist.
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(b) Der Gesetzgeber grenzt die wirtschaftliche Einlagenrückgewähr ohne Sacheinlage („Hin- und Herzahlen“) von der verdeckten Sacheinlage ab, § 19 Abs. 5 GmbHG bzw. für die AG § 27 Abs. 4 AktG).
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„Ist vor der Einlage eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 4 zu beurteilen ist, so befreit dies den Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung 1 Nach Auffassung des BGH für die GmbH im Gegensatz zur Aktiengesellschaft durch Satzungsänderung und nachträglichen Sachgründungsbericht heilbar: BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BB 2003, 1918, 1920 f. 2 Arg. e. § 19 Abs. 4 Satz 4 GmbHG bzw. § 27 Abs. 4 Satz 4 AktG, wonach die Wertanrechnung erst nach Eintragung greift, wenn also dem Registergericht die verdeckten Sacheinlage verborgen geblieben und die Eintragung (objektiv rechtswidrig) erfolgt ist.
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Rz. 53 Teil 7
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durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann.“ Die gesonderte Regelung des „Rückzahlungsfalls will eine Aushöhlung des Kapitalschutzes auch außerhalb sacheinlagefähiger Güter verhindern. Anwendungsfälle sind alle nicht sacheinlagefähigen Vorgänge, wie Cash-Pooling, Darlehens- oder sonstige Dienstleistungsverträge mit den Gesellschaftern. Der BGH hatte mit der Quivive-Entscheidung1 für die GmbH und der EurobikeEntscheidung2 für die AG klargestellt, dass es sich nicht um eine verdeckte Sacheinlage handelt, wenn Gesellschafter im Zusammenhang mit einer Bargründung oder (Bar-)Kapitalerhöhung an die Gesellschaft entgeltliche Dienstleistungen erbringen3; § 27 Abs. 2 Halbs. 2 AktG ist bei Dienstleistungen ausdrücklich nicht gegeben. Gleichwohl verbieten die Sonderregelungen der §§ 19 Abs. 5 GmbHG bzw. 27 Abs. 4 AktG eine wirtschaftliche Einlagenrückgewähr. Diese liegt vor bei Missverhältnis zwischen dem Wert einer im zeitlichen Zusammenhang zum Anteilserwerb erbrachten Dienstleistung des Gesellschafters und ihrer Honorierung durch die Gesellschaft. Die den Rückfluss auslösenden Vereinbarungen sind dann unwirksam. Eine Erfüllungswirkung tritt im Gegensatz zur Sacheinlage folglich überhaupt nicht ein. Der BGH nimmt eine Haftung der Führungsorgane nach den Generalklauseln der Organhaftung (43 GmbHG, § 93 AktG) an, auf die nach § 43 Abs. 3 Satz 2 GmbHG auf § 9b GmbHG die Gesellschaft nicht verzichten kann.
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Das Haftungsrisiko ist nach §§ 19 Abs. 5 GmbH, 27 Abs. 4 AktG einzudämmen:
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(aa) Eine Einlagenrückgewähr ist nicht anzunehmen, wenn die Einlagemittel wirtschaftlich zur „freien Verfügung“ des Geschäftsführers (§ 7 Abs. 3 GmbHG) bzw. Vorstandes stehen (§ 54 Abs. 3 AktG). Dazu müssen sie so zufließen, dass sie uneingeschränkt für Zwecke der Gesellschaft verwendet werden können und nicht für den Gesellschafter „reserviert“ sind. Dann können sie zulässigerweise auch für sinnvolle und werthaltige Dienstleistungen eingesetzt werden, mag sie ein Dritter oder Gesellschafter erbringen. Nach dem Maßstab des BGH4 ergibt sich keine Haftung, wenn kumulativ
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– eine tatsächlich erbrachte Leistung des Gesellschafters vorliegt, – die ihr zugrundeliegende Vereinbarung einschließlich der Vergütung fremdüblich ist, – die Leistung objektiv werthaltig und aus Sicht der Gesellschaft nicht unbrauchbar ist (unternehmerisches Ermessen unter Ausschluss von Scheingeschäften). Zusätzlich kann die zur verdeckten Sacheinlage entwickelte Vermutungswirkung eines engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs (6 bis 8 Monate) indiziell sein. 1 2 3 4
BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07, BB 2009, 973 ff. – Qivive. BGH v. 1.2.2010 – II ZR 173/08, WM 2010, 467 ff. BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07, BB 2009, 973, 974 – Qivive. BGH v. 1.2.2010 – II ZR 173/08 WM 2010, 467, 469.
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Teil 7 Rz. 54 54
Haftung
(bb) Trotz wirtschaftlicher Einlagenrückzahlung lassen § 19 Abs. 5 GmbHG, § 27 Abs. 4 AktG Haftungsausnahmen zu, wenn der Einlageanspruch durch einen Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter ersetzt wird. Kumulative Voraussetzungen hierfür sind: – jederzeit fälliger Rückgewähranspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter, – der vollwertig ist – und bei der Anmeldung nach § 8 GmbHG offengelegt wurde.
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Damit können Darlehensgestaltungen im Rahmen von Cash-Poolings1 oder unbesicherte, kurzfristig rückforderbare „upstream-Darlehen“ durch eine abhängige Aktiengesellschaft an ihre Mehrheitsaktionärin (vgl. auch § 311 AktG, § 57 Abs. 1 Satz 3 AktG n.F.)2 ermöglicht werden. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung kann also die zurückgeflossene Einlage zulässigerweise durch eine Forderung gegen den Gesellschafter ersetzt werden3. Allerdings wird der Rückforderungsanspruch nur bei Vollwertigkeit einer Bareinlage gleichgesetzt. Dazu muss das Vermögen des Gesellschafters zur Deckung der Verbindlichkeit ausreichen. Abzustellen ist auf die objektive Lage4, wobei der BGH eine sorgfältige Ex-ante-Perspektive ausreichen lässt. Ist die Forderung bei sorgfältiger Prognose als vollwertig bzw. ein Forderungsausfall als unwahrscheinlich zu betrachten, kann die Enthaftung greifen.
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Die Bedeutung der Pflicht zur Anmeldung des Rückgewähranspruchs (§ 19 Abs. 5 Satz 2 GmbHG) ist umstritten5. H. M. und BGH gehen von einer für die Enthaftung „konstitutiven Regelung“ aus6. Führungsorgane können es jedenfalls nicht auf Unsicherheiten ankommen lassen, wenn sie auch nur geringste Zweifel hegen, ob eine (beabsichtigte) Vereinbarung wirtschaftlich zu einer Einlagenrückgewähr führen könnte.
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Soweit die Verbotsausnahme der §§ 19 Abs. 5 GmbHG, 27 Abs. 4 AktG greift, entfällt die Haftung des Führungsorgans für ein Hin- und Herzahlen im Zeitpunkt der Vereinbarung bzw. Gründung. Nicht befreit ist es aber von seiner Pflicht gem. § 43 GmbHG, § 93 AktG, Änderungen des Kreditrisikos auf Seiten des Gesellschafters laufend zu überwachen, auf drohende Bonitätsverschlechte-
1 Vgl. flankiernd zur Änderung des § 30 GmbHG: Niesert/Hohler, NZI 2009, 345, 347. 2 BGH v. 1.12.2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118 ff.;, an der gegenteiligen Auffassung des Senatsurt. v. 24.11.2003 (BGHZ 157, 72 in NZG 2004, 233) hält der BGH auch für Altfälle ausdrücklich nicht mehr fest. 3 Als Systembruch kritisiert: Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 19 Rz. 70. 4 Str. Forderungsbewertung nach § 253 HGB bei § 311 AktG: BGH v. 1.12. 2008 – II ZR 102/07, BB 2009, 118 ff. = NJW 2009, 850 ff.; Büchel, GmbHR 2007, 1065, 1067; Kallmeyer, DB 2007, 2755; Winter, DStR 2007, 1484, 1486. 5 Bezweifelnd Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 19 Rz. 80. 6 BGH v. 20.7.2009 – II ZR 273/07, BB 2009, 2108, 2110, „Cash-Pool II“; BGH v. 16.2.2009 – II ZR 120/07, BB 2009, 973, 975 – Qivive; auch Pentz, GmbHR 2009, 505, 511; Begr. BT-Drucks. 16/9737, 98.
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Rz. 60 Teil 7
Haftung
rungen mit Kreditkündigung oder Sicherheitenanforderung zu reagieren und die Rückforderung rechtzeitig zu realisieren1. (c) Wird eine inadäquate Vereinbarung erst nach Einlageleistung getroffen, greift das Verbot der (nachträglichen) Einlagenrückgewähr bzw. der verbotenen Rückzahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens. Führungsorgane haften bei erkennbarer Stammkapitalunterschreitung den bei Ausfall des Einlageverpflichteten eintretenden Mitgesellschaftern nach § 31a Abs. 3, 6 GmbHG und/oder der Gesellschaft nach § 43 Abs. 3 GmbHG bzw. § 93 Abs. 3 AktG i.V.m. § 57 AktG. Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH stehen in zweifacher Haftungsposition:
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– als Gesellschafter subsidiär, verschuldensunabhängig, anteilig nach § 31 Abs. 3 GmbHG – als Geschäftsleitungsorgan verschuldensabhängig, aber in voller Höhe. Führen Zahlungen an Gesellschafter zur Zahlungsunfähigkeit, ist das Führungsorgan nach § 64 Satz 3 GmbHG zur Erstattung verpflichtet.
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(3) Heilung Unter Geltung des alten Rechts war die einer verdeckten Sacheinlage zu Grunde liegende Vereinbarung zwar unwirksam, konnte aber nachträglich über Satzungsänderung durch Aufnahme einer Sacheinlageklausel und Erstellung eines nachträglichen Sachgründungsberichts legitimiert werden2. Die zum Heilungszeitpunkt eingetretene Wertunterschreitung musste durch nachträgliche Einlagendeckung in Form von Geld- und Sacheinlage im Rahmen der Satzungsänderung aufgefangen werden. Die Heilungsmöglichkeit ist durch die gesetzlichen Neuregelungen nicht ausgeschlossen3. Während aber nach der früheren Rechtslage das dingliche Erfüllungsgeschäft unwirksam war, der Gesellschafter also Eigentümer des betreffenden Gegenstands blieb und – wenn auch nur in eng begrenzten Fällen – einen Ersatzanspruch gegen die GmbH im Zuge der Heilung als Sacheinlage einbringen konnte4, scheint dies in Anbetracht der Wirksamkeit von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft endgültig nicht mehr möglich5. Die bereits erfolgte Übertragung des Vermögensgegenstands kann nur noch als Vorausleistung auf die im Heilungsverfahren festzusetzende Sacheinlage bewertet werden (vgl. §§ 7, 56a GmbHG). Damit erscheint den differenzhaftenden Gesellschaftern eine Heilung möglicherweise unattraktiv(er). Das Führungsorgan ist aber zur Bereinigung verpflichtet und zwar auch in An1 Vgl. entsprechend für § 30 GmbHG, § 57 AktG: Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 886. 2 BGH v. 4.3.1996 – II ZB 8/95, NJW 1976, 1473, 1476; BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, BB 2003, 1918 = NJW 2003, 3127 ff. 3 Vgl. BegrRegE BT-Drucks. 354/07, 91. 4 Kritisch und auf Ansprüche aus Eigentümer-Besitzerverhältnis nach §§ 987, 989, 990 BGB beschränkend: BGH v. 7.7.2003 – II ZR 235/01, NZG 2003, 867 ff.; Ettinger, NZG 2004, 258 ff. 5 Roth/Altmeppen/Roth, GmbHG, § 19 Rz. 90–94.
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Teil 7 Rz. 61
Haftung
betracht des Verjährungslaufs der Einlageansprüche, die es im Interesse der Gesellschaft zu realisieren hat.
(4) Verjährungsverlängerung bei Gründungshaftung (a) „Zweifache Verjährung“ 61
Da die verdeckte Sacheinlage, sofern vom Registergericht übersehen, typischerweise erst nach Jahr und Tag in der Insolvenz durch den Insolvenzverwalter aufgegriffen wird, räumt § 19 Abs. 6 GmbHG (§§ 54 Abs. 4 Satz 1 AktG und 22 Abs. 6 Satz 1 GenG) für den Einlageanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter eine Verjährungsfrist von zehn Jahren bzw. bei der GmbH den Ersatzanspruch gegen die für den Einlagenausfall anteilig haftenden Mit-Gesellschafter (§ 19 Abs. 3 GmbHG) eine Verjährungsfrist von fünf Jahren ab seiner Entstehung ein. Die Insolvenzverfahrenseröffnung vor Ablauf dieser Frist löst eine Ablaufhemmung von sechs Monaten aus1.
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Für die Haftung des Geschäftsführers bzw. Vorstandes gilt die Verjährungsfrist der Organhaftung (5 Jahre, § 43 Abs. 4 GmbHG, §§ 51, 48 AktG; 93 Abs. 6 AktG2). Sie ist nach h.M. kenntnisunabhängig und beginnt mit dem Tag des Vorliegens der anspruchsbegründenden Umstände. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass das Führungsorgan sich nach Ablauf von fünf Jahren seit Gründung „zurücklehnen“ könnte. Im Gegenteil zählt es zu seinen Organpflichten, Einlageansprüche gegen Gesellschafter in unverjährter Zeit durchzusetzen. Lässt er sie verjähren, ergibt sich eine Organhaftung nach §§ 43 GmbH, 93 AktG bzw. speziell für die Gründungshaftung des Vorstandes nach § 48 AktG, deren fünfjähriger Verjährungslauf erst mit dem Verjährungseintritt der Einlageforderung als Schadensereignis beginnt. Da sich an den Ablauf der Zehn-Jahres-Frist der Gesellschafterhaftung die Fünf-Jahres-Frist für das Organ anschließt, ist eine „zweifache Verjährungsfrist“ maßgeblich. Des Weiteren besteht zugunsten der Gläubiger eine Anfechtungsmöglichkeit nach §§ 129 ff. InsO, 3 AnfG, weil jedenfalls das „aktive Dulden“ des Verjährungseintritts eine anfechtbare Rechtshandlung sein kann3.
(b) Verjährung der Einlageforderung bei Altfällen 63
Das Führungsorgan muss im eigenen Haftungsinteresse die Verjährung der Einlageforderung gegen den Gesellschafter im Blick haben. Um insoweit relevante „Altfälle“ einzuordnen, ist ein Rückblick auf drei Gesetzesfassungen unerlässlich: – Der Anspruch der GmbH auf die Einlagenleistung (§ 19 Abs. 1 GmbHG) unterlag zunächst der 30-jährigen Regelverjährung, und zwar beginnend mit Anspruchsentstehung (§ 195 BGB a.F.).
1 § 19 Abs. 6 GmbHG, § 54 Abs. 4 AktG. 2 Bei börsennotierten AG: 10 Jahre. 3 RegBegr BT-Drucks. 15/3653, 21, 25.
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Rz. 65 Teil 7
Haftung
– Mit dem zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wurde die Regelverjährung auf drei Jahre (§ 195 BGB n.F.) verkürzt, wobei aber erst die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen die Frist in Gang setzt. – Art. 13 des Verjährungsanpassungsgesetzes führte mit Wirkung ab dem 15.12.2004 die gegenwärtige Sonderverjährung ein (§ 19 Abs. 6 GmbHG n.F., § 54 Abs. 4 AktG). Die Verjährungsfrist wurde im Vergleich zur Regelverjährung auf zehn Jahre verlängert, der Fristenbeginn im Gegensatz zum allgemeinen Verjährungsbeginn nach § 199 BGB aber (wieder) an die Entstehung des Einlageanspruchs geknüpft (stichtagsgebunden und kenntnisunabhängig). Da Altfälle auch vor 2002 begründet sein können, hat der Gesetzgeber eine Überleitungsregelung getroffen (Art. 229 § 12 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 229 § 6 EGBGB). Hiernach ist die Frist maßgeblich, die zu dem früheren Verjährungseintritt führt. Insoweit wäre aber für den ab dem 1.1.2002 beginnenden dreijährigen Regelverjährungslauf auf die „Kenntnis“ der Organe (den Geschäftsleiter/Vorstand) abzustellen. Da deren Kenntnis häufig bereits von Anfang an vorliegt, wäre eine Vielzahl von Altfällen zum 31.12.2004 verjährt, mithin der Geschäftsführer spätestens ab dem 31.12.2009 enthaftet gewesen. Das wollte die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB verhindern und in jedem Fall die Geltung der ab dem 15.12.2004 eingeführten zehnjährigen Verjährung sicherstellen, allerdings unter Anrechnung der vor dem 15.12.2004 verstrichenen Verjährungszeit. Der verunglückte Wortlaut lässt es zu, bei Altansprüchen, die vor der Verkürzung der Regelverjährung auf drei Jahre (1.1.2002) bereits entstanden waren, die 30-jährige Regelverjährung „anzurechnen“. Denklogisch hätte dies nur zu einem Lauf der (neuen) Zehn-Jahres-Frist ab der in der Vergangenheit liegenden Entstehung des Einlageanspruches geführt. Es wäre rückwirkende Verjährung eingetreten1.
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Dieser Interpretation hat der BGH eine Absage erteilt. Er legt die Überleitungsregelung „gesetzeskonform“ (aber wortlautüberschreitend) dahin aus, dass in die ab dem 15.12.2004 laufende zehnjährige Verjährungsfrist des § 19 Abs. 6 GmbHG n.F. nur der ab dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (1.1.2002) verstrichene Zeitraum der dreijährigen Regelfrist des § 195 BGB n.F. einzurechnen ist2. Diese Klarstellung führt dazu, dass Führungsorganen und Insolvenzverwaltern die Geltendmachung offener oder zurückgezahlter Einlageforderungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Verjährungsanpassungsgesetzes (15.12.2004) noch nicht verjährt waren, bis maximal zum 31.12.2011 möglich ist. An den Verjährungszeitpunkt der Einlageforderung schließt sich dann die Fünf-Jahres-Frist der Organhaftung an. Für Altfälle werden sich Führungsorgane also auf einen maximalen Verjährungslauf bis 31.12.2016 einzustellen habe; ansonsten auf fünf Jahre nach dem jeweiligen Verjährungseintritt.
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1 Instruktiv: Stenzel, BB 2008, 1077. 2 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, DNotZ 2008, 547; Anm. Ziegenhagen, BB 2008, 1085.
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Teil 7 Rz. 66
Haftung
Beispiel: Die (Vor-)GmbH wurde am 25.7.1999 errichtet (notarielle Beurkundung der Satzung). Der Gesellschafter zahlte am 27.7.1999 seine Bareinlage auf das Gesellschaftskonto. Die GmbH wurde am 1.9.1999 in das Handelsregister eingetragen. Am 15.9.1999 vereinbarte der Geschäftsführer mit dem Gesellschafter einen Kaufpreis über den Erwerb dessen (minderwertigen) KFZ durch die Gesellschaft. Der Kaufpreis wurde am selben Tag an den Gesellschafter gezahlt. Am 31.5.2010 wird das Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter klagt am 30.6.2011 die Bareinlage von dem Gesellschafter und die gesamtschuldnerische Haftung des Geschäftsführers in voller Einlagenhöhe ein, weil er von einer verdeckten Sacheinlage ausgeht. Lösung: Der Anspruch der Gesellschaft auf (Rück-)Zahlung der Einlage gegen den Gesellschafter ist am 15.9.1999 entstanden. Ursprünglich unterlag er der 30-jährigen Regelverjährung (Ablauf des 14.9.2029). Mit Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hätte die dreijährige Regelverjährung bei unterstellter Kenntnis des Geschäftsführers und dem in Art. 229 § 6 Abs. 4 bestimmten Fristenbeginn zum 1.1.2002 zur Verjährung der Einlageforderung gegen den Gesellschafter zum Ablauf des 31.12.2004 geführt. Nach Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB gilt aber die Zehn-Jahres-Frist des § 19 Abs. 6 GmbHG n.F., in die nur der seit dem 1.1.2002 abgelaufene Zeitraum einbezogen wird. Verjährung würde daher erst zum Ablauf des 31.12.2011 eintreten. Der Insolvenzverwalter hat die Verjährungsfrist gegenüber dem Gesellschafter rechtzeitig durch die Klageerhebung gehemmt. Hinsichtlich der Haftung des Geschäftsführers gilt die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 43 Abs. 4 GmbHG. Ein Schaden ist im Hinblick auf die noch nicht eingetretene Gesellschafterverjährung noch nicht eingetreten. Es erscheint allerdings vertretbar, den Schadenseintritt in dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem feststeht, dass die Forderung bei dem Gesellschafter nicht mehr zu realisieren ist. Fallen auch die Mitgesellschafter aus, droht dem Geschäftsführer also eine Haftung aus § 43 GmbHG. Ggf. wird sich der Geschäftsführer gegen eine gesamtschuldnerische Inanspruchnahme mit dem Argument wehren können, diese stehe im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht fest1. Hinzu kommt eine Haftung des Geschäftsführers wegen Falschangaben nach § 9a GmbHG, wenn er die zur Beurteilung als Einlagenrückzahlung führenden Umstände kannte. Nach § 9b Abs. 2 GmbHG verjähren Ersatzansprüche der Gesellschaft i.S.d. § 9a GmbHG in fünf Jahren ab Eintragung der Gesellschaft oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen worden ist, mit Vornahme der Handlung (hier 15.9.1999). Insoweit dürfte also Verjährung eingetreten sein.
dd) Haftung für die Nachgründung bei der Aktiengesellschaft 66
Der Gründungsschutz ist bei der Aktiengesellschaft strenger ausgestaltet und geht über eine zeitliche Nähe zur Gründung oder Kapitalerhöhung hinaus. Nach § 52 AktG sind für ein sog. „Nachgründung“ ebenso strenge Anforderungen einzuhalten wie bei Gründung. Eine Nachgründung liegt vor, wenn innerhalb der ersten zwei Jahren seit Eintragung der Gesellschaft Vereinbarungen mit Gründern oder zu mehr als 10 % des Grundkapitals beteiligten Aktionären geschlossen werden, nach denen die Gesellschaft Vermögensgegenstände für eine 10 % des Grundkapitals übersteigende Vergütung erwerben soll. Zur Haftungsvermeidung sollten Vorstand und Aufsichtsrat Sorge tragen für: 1 Der Insolvenzverwalter hätte dem Geschäftsführer stattdessen den Streit verkünden können wegen alternativer Haftung, § 72 ZPO; bei Haftung nach § 43 Abs. 3 i.V.m. § 30 GmbHG allerdings gesamtschuldnerische Haftung mit den Gesellschaftern.
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Rz. 70 Teil 7
Haftung
– Wirksamkeit der Vereinbarung durch: – Schriftform – qualifizierte Zustimmung der Hauptversammlung (mindestens 3/4-Mehrheit des durch das Grundkapital vertretenen Stimmen; § 52 Abs. 5 AktG) – Eintragung des Vertrages in das Handelsregister – Nachgründungsbericht des Aufsichtsrats (§ 52 Abs. 3 AktG) – Nachgründungsprüfung durch externen, unabhängigen Prüfer Die Nichtbeachtung des § 52 AktG führt zur Unwirksamkeit der im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte. Vorstand und Aufsichtsrat haften gem. §§ 51, 53 AktG i.V.m. §§ 46, 47, 49 AktG, wobei umstritten ist, ob ein Verschulden entgegen dem Wortlaut erforderlich ist1.
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Eine Haftungsausnahme sieht § 52 Abs. 9 AktG für Geschäfte im laufenden Geschäftsbetrieb (am Markt verfolgter Unternehmenszweck der Gesellschaft), den Erwerb aus Zwangsvollstreckungen oder börsenüblichem Handel vor. Der Vorstand bzw. Aufsichtsrat ist für die Ausnahmenregelung darlegungs- und beweisbelastet.
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Ersatzansprüche der Gesellschaft nach den § 51 AktG i.V.m. §§ 46 bis 48 AktG verjähren in fünf Jahren ab Handelsregister-Eintragung der Gesellschaft oder, wenn die zum Ersatz verpflichtende Handlung später begangen wurde, ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme.
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2. Die Innenhaftung ab Eintragung der Gesellschaft Die zentralen Haftungsnormen der §§ 43 Abs. 2 GmbHG (Geschäftsführer) und 93 Abs. 2 AktG (Vorstand) und auch § 117 Abs. 2 AktG (Aufsichtsrat) richten sich nach den üblichen Haftungsvoraussetzungen: a) Haftungsbegründender Tatbestand: aa) Organstellung (Geschäftsführer- bzw. Vorstandseigenschaft) bb) Pflichtverletzung cc) Verschulden, bezogen auf die Pflichtverletzung (ordentlicher Kaufmann) b) Haftungsausfüllender Tatbestand: aa) Schaden bb) Kausalität und Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden cc) ggf. Mitverschulden der Gesellschaft, § 254 BGB
1 Dafür unter Analogie zu § 46 Abs. 3 AktG: Hüffer, AktG, § 53 Rz. 3.
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Teil 7 Rz. 71
Haftung
a) Haftungsbegründender Tatbestand aa) Haftungssubjekt: Organ 71
Die für die Organhaftung erforderliche Geschäftsführer- oder Vorstandseigenschaft ist mit tatsächlicher Amtsübernahme gegeben. Dies ist regelmäßig mit Bestellung der Fall1, muss es aber nicht. Denn es kommt weder auf die Wirksamkeit eines Bestellungsaktes noch einen formalen Bestellungsakt überhaupt2 an. Haftungsrelevant kann auch ein Handeln vor Eintragung des bestellten Organs im Handelsregister sein.
(1) Faktische Organhaftung 72
Ebenso kommt das faktische Geschäftsführungsorgan, bei dem jeder formale Bestellungsakt fehlt3, als Haftungssubjekt in Betracht, wenn es mit Wissen der Gesellschafter die Geschäfte führt und sich als Geschäftsführer oder Vorstand (str.)4 geriert. Voraussetzung ist ein Auftreten im Außenverhältnis gegenüber Dritten in einer üblicherweise einem Geschäftsführer zustehenden Weise5. Ein Handeln im Einzelfall reicht nicht aus, sondern löst allenfalls eine Haftung als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach § 179 BGB aus. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse müssen Geschäftsleitungsaufgaben in „maßgeblichem Umfang“ wahrgenommen werden, der es ermöglicht, die Geschicke der Gesellschaft zu lenken6. Dabei hängt die Stellung als faktisches Organ nicht davon ab, ob der Handelnde den formal bestellten Geschäftsleiter verdrängt7. Vielmehr haftet das formale Organ aufgrund Überwachungsverschuldens gesamtschuldnerisch, wenn es den faktischen Geschäftsführer nicht sorgfaltsgemäß beaufsichtigt hat.
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Ein Handeln nur nach innen, etwa über Weisungen an den bestellten Geschäftsführer, reicht – sofern dieser nicht lediglich als Strohmann vorgeschoben wird8 – für eine faktische Organstellung nicht aus9. Die Rechtsprechung geht von einer Übernahme der Geschäftsführerkompetenz aus, wenn der über-
1 Beschluss der Gesellschafterversammlung bei GmbH bzw. des Aufsichtsrats bei AG, § 84 AktG. 2 Vgl. nur Krause, BB 2009, 1370, 1370. 3 Abzugrenzen von dem fehlerhaft bestellten Geschäftsführer. 4 Streitig im Hinblick auf Möglichkeit eines „faktischen Vorstands“ bejahend: BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, BGHZ 104, 44, 46 ff.; verneinend: Krause, BB 2009, 1370, 1371. 5 BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, 69; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 22; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, NZI 2002, 395, 397; Bender, GmbHR 2002, 549 ff.; Pelz, RNotZ 2003, 415, 418. 6 BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BGHZ 150, 61, 69. 7 OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10 (LG München I), BKR 2010, 505, 508; OLG Düsseldorf v. 26.4.2007 – 2 U 87/01. 8 Zu dieser u.E. zur Umgehung notwendigen Einschränkung: Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, § 9 Rz. 46. 9 Vgl. BGH v. 27.6.2005 – II ZR 113/03, WM 2005, 1606, 1607 f.; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 196/00, BB 2001, 1012, 1014.
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Rz. 77 Teil 7
Haftung
wiegende Teil der Kernbereiche übernommen wird1. Ist ein ausreichender Grad der Übernahme von Kernbereichen – Unternehmenspolitik, Unternehmensorganisation, Personalmaßnahmen und Gehaltsgefüge, wesentliche Vertragsbeziehungen, Kreditverhandlungen, Steuerangelegenheiten, Ausübung der Buchhaltungskompetenz – erreicht, haftet der faktische Geschäftsleiter wie ein bestelltes Organ.
(2) Organhaftung im Konzern Bei Unternehmens- oder Konzerngeflechten kann sich eine Haftung der Führungsorgane des beherrschenden Unternehmens für Schäden der abhängigen Gesellschaften ergeben. Bei der GmbH & Co. KG haftet die KomplementärGmbH der KG nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen (§ 708 BGB), wobei sie sich das Verhalten ihres Geschäftsführers nach §§ 278, 31 BGB zurechnen lassen muss. Wird sie von der KG in Anspruch genommen, kann sich eine Regresshaftung des Komplementär-Geschäftsführers gegenüber der GmbH aus § 43 Abs. 2 GmbHG ergeben. Auch bei Beteiligungs- oder Konzernstrukturen bleibt es zwar grundsätzlich bei dem Prinzip der Innenhaftung nur gegenüber der jeweiligen Bestellungskörperschaft, die Haftungsmaßstäbe der Organe von Holding- oder Komplementär-Gesellschaften werden aber durch deren gegenüber der KG oder Tochtergesellschaft geltenden Gesellschafterpflichten geprägt.
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Darüber hinaus kann sich eine Außenhaftung der Geschäftsführungsorgane der Komplementärin gegenüber der Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG) bzw. der Obergesellschaft gegenüber der Tochter- oder Untergesellschaft (Mutter-Tochter-/Konzernstruktur) aus zwei Aspekten ergeben:
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– Außenhaftung aufgrund drittschützender Wirkung der Organstellung – Innenhaftung als faktischer Geschäftsleiter der Untergesellschaft oder des Beteiligungsunternehmens. (a) Die Rechtsprechung geht bei einer GmbH & Co. KG von einer Außenhaftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH aufgrund drittschützender Wirkung seiner Organstellung entsprechend § 43 Abs. 2 GmbHG aus, wenn die alleinige oder wesentliche Aufgabe der Komplementär-GmbH in der Geschäftsführung der KG besteht2. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen kann durch die KG selbständig erfolgen und soll nicht von einem Beschluss der Komplementär-GmbH nach § 48 Nr. 8 GmbHG abhängen.
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Ebenso kann sich bei Mutter-Tochter- oder Konzernstrukturen eine „gesellschaftsrechtliche“ Auffüllung des Pflichtenkreises ergeben, wenn der beherrschende Gesellschafter, dessen Organ der Geschäftsführer ist, aus dem Gesichtspunkt eines existenzgefährdenden Eingriffs gegenüber der abhängigen
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1 BayObLG v. 20.7.1997 – 5 StR RR 159/96, NJW 1998, 1936: sechs von acht Kernkriterien müssen erfüllt sein; Masuch/Meyer, „ABC des GmbH-Geschäftsführers“, 2009, S. 233. 2 Vgl. KG Berlin v. 24.2.2011 – 19 U 83/10, GmbHR 2011, 477, 478, 479; BGH v. 25.2.2002 – II ZR 236/00, GmbHR 2002, 588; OLG Düsseldorf v. 26.4.2001 – 6 U 94/00, NZG 2001, 1086.
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Teil 7 Rz. 78
Haftung
Gesellschaft haftet. Insoweit greift die deliktische Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB, § 266 StGB. Bei strafrechtlichem Verhalten wird nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Gesellschafter-Eigenschaft der beherrschenden Gesellschaft ihrem Organ zugerechnet1. 78
(b) Auch ohne Verrenkungen einer drittschützenden Organstellung kann eine Innenhaftung aus „faktischer Organstellung“ bei einem Konzern- oder Beteiligungsunternehmen entstehen. Dies ist anzunehmen, wenn der Geschäftsführer oder Vorstand der Konzernmutter nach außen hin in die laufenden Geschäfte der Tochtergesellschaft aktiv eingreift. Der Geschäftsleiter ist dann Organ im doppelten Sinne: – satzungsgemäß bestelltes Organ der Komplementärin/Obergesellschaft – faktisches Organ bei der Kommandit- bzw. Tochtergesellschaft.
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Derartige Konstellationen ergeben sich nicht selten bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages nach § 291 AktG. Praktische Beispiele sind Geschäftsführer/ Vorstände, denen in der Tochtergesellschaft zugleich Generalvollmacht oder die Stellung als Prokurist (§§ 48, 54 HGB) eingeräumt ist, die intensiv Weisungen an den Tochter-Geschäftsführer für das laufende Geschäft erteilen oder „hyperaktiv“ in das laufende Geschäft eingreifen2.
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Indes lässt die Rechtsprechung für die faktische Organhaftung interne Einflussnahmen nicht ausreichen, sondern fordert ein Auftreten im Außenverhältnis der betreffenden Kommandit- bzw. Unter-/Tochtergesellschaft. Erst recht begründet nicht jeder Eingriff in die Unternehmenspolitik durch einen Gesellschafter oder Dritten (Prokurist, Generalbevollmächtigter, Organ einer Muttergesellschaft) eine faktische Geschäftsführung. So genügt es nicht, die Grundzüge der Unternehmenspolitik mitzubestimmen, Sanierungskonzepte für ein Unternehmen zu begleiten oder auf die Auswahl leitender Angestellter Einfluss zu nehmen3. Die richterliche Praxis scheint kaum kalkulierbar. Beispiel 1: Der BGH behandelte den Bevollmächtigten der Treuhand-Gesellschafterin einer später in Insolvenz gefallenen GmbH & Co. KG, der per Weisung alle maßgeblichen Geschäfte der KG an seine Zustimmung knüpfte, als faktischen Geschäftsführer. Er verurteilte ihn auf Klage des Insolvenzverwalters auf Schadenersatz wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht, ohne auf ein relevantes Handeln nach außen abzustellen4.
Beispiel 2: Das OLG München lehnt in einer neueren Entscheidung aus 20105 die Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschafterin der später in Insolvenz gefallenen GmbH als fak1 Pelz, RNotZ 2003, 415 (421); die aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bekannten Grundsätze finden ihre Entsprechung in einer drittschützenden Organstellung. 2 Vgl. Linderhaus, PuR 3/11, 68, 69. 3 OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10 (LG München I), BKR 2010, 505, 508; Linderhaus, PuR 3/11, 68, 70. 4 BGH v. 21.3.1988 – II ZR 194/87, NJW 1988, 1789, 1790. 5 OLG München v. 8.9.2010 – 7 U 2568/10 (LG München I), BKR 2010, 505, 508.
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tischer Geschäftsführer dieser GmbH ab, obwohl er zu Sanierungszwecken maßgeblichen Einfluss auf die dortige Geschäftsführung übte. Intern erteilte er der formalen Geschäftsführung regelmäßig Weisungen, trat gegenüber ihrem Betriebsrat unter der Bezeichnung „Vorsitzender der Geschäftsführung“ auf und zwar unter Erstellung eines entsprechenden Organigramms, das zur Beantragung einer Landesbürgschaft weitergeleitet wurde. Im Außenverhältnis nahm er Bankgespräche wahr und verhandelte mit verschiedenen Lieferanten und Vertragspartnern der späteren Gemeinschuldnerin Zahlungsziele. Nach Ansicht des OLG, fehle es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zwar nicht an internen Einflussnahmen, aber an einem ausreichenden Auftreten nach außen. Verhandlungen gegenüber Banken und Lieferanten seien von Sanierungsbemühungen als Vertreter der Gesellschafterin geprägt gewesen. Der Fall liegt derzeit dem BGH vor. Ob sich damit eine sanierungsfreundliche Rechtsprechungstendenz abzeichnet, mag dahinstehen. Wie auch immer der BGH entscheidet, ist ersichtlich das Auftreten nach außen der entscheidende Aspekt, sofern nicht die interne Einflussnahme so stark ist, dass das komplette Geschäft an eine Person gebunden und von dieser aktiv bestimmt wird.
Auch ohne Auftreten im Außenverhältnis kann eine Haftung entstehen, wenn die „interne“ Einflussnahme besonders ausgeprägt ist und den Mangel an Außenauftritt aufwiegt. Dies ist der Fall, wenn das für die beherrschte Gesellschaft nach außen auftretende Satzungsorgan lediglich formell bestellt ist, ohne tatsächliche Leitungsmacht wahrzunehmen („Strohmann“), während der eigentliche – faktische – Geschäftsführer die Geschicke der Gesellschaft leitet. In diesen Fällen ist der „Strohmann“ aufgrund seiner Organstellung in der Verantwortung, daneben haftet der Hintermann als faktischer Geschäftsführer. Eine solche Situation fordert eine derart intensive Einflussnahme des Hintermannes, dass das formelle Organ als „Marionette“ erscheint1. Nicht selten ist bei einem derart einflussnehmenden Gesellschafter oder Dritten an eine Schadenersatzpflicht nach § 826 BGB (existenzvernichtender Eingriff) oder § 117 AktG (vorsätzlich schädigende Organbeeinflussung) zu denken, wenn nachteilige Maßnahmen zu Lasten der später in Insolvenz geratenden Gesellschaft umgesetzt wurden.
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bb) Pflichtverletzung Nach den Generalnormen der § 43 Abs. 1 GmbHG und § 93 Abs. 1 AktG hat das Geschäftsführungsorgan die „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes“ bzw. „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu wahren. Hierunter ist allgemein die Pflicht zu verstehen, im Rahmen der Gesetze und unternehmenseigenen Regelungen die Unternehmensinteressen zu fördern und Schaden abzuwenden. Es gilt das Prinzip der Gesamtverantwortung für das Unternehmen, sofern keine Ausnahmen greift. Der verobjektivierte Maßstab des vernünftige Kaufmanns lässt kaum Ausflüchte in eine persönliche Eignungsbetrachtung, berücksichtigt aber individuell-konkrete Unternehmenskomponenten im Hinblick auf Art, Größe und Bedürfnisse des Unternehmens sowie Sachverhalt. Nach wie vor instruktiv ist der Pflichtenkatalog der von Lutter herausgearbeiteten zehn Gebote2. Haftungstechnisch lassen sich ins-
1 Pelz, RNotZ 2003, 415, 418. 2 Lutter, GmbHR 2000, 301 ff.
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Teil 7 Rz. 83
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besondere sieben Regeln zusammenfassen1, die numerisch-symbolischen Assoziationen kaum geringere Grenzen setzen2: (1) Legalitätsprinzip: Einhaltung der Gesetze (a) externe Regelungen: gesetzliche Pflichten des Unternehmens gegenüber Dritten/der Allgemeinheit (b) interne Regelungen: gesetzliche Pflichten gegenüber dem Unternehmen, insbesondere nach GmbHG oder AktG (2) Einhaltung der unternehmenseigenen Regelungen und Schranken: (a) Satzung und Geschäftsordnung (b) Anstellungsvertrag (c) Weisungen, Beschlüsse und Zustimmungsvorbehalte der Gesellschafter (3) Organisationspflicht: Ordnungsgemäße Organisation der Gesellschaft (4) Überwachungspflicht bzgl. Umsetzung der Organisation (5) Finanzverantwortung bzgl. Liquidität und Finanzlage der Gesellschaft (6) Business Judgement Rule: Ermessen und Grenzen unternehmerischer Entscheidungen: (a) Sorgfältige Vorbereitung geschäftlicher und unternehmerischer Entscheidungen (b) Vermeidung übergroßer Risiken als Ermessensgrenze (7) Treuegrundsatz: Vermeidung und Offenlegung aller Konflikte zwischen den Interessen der Gesellschaft und den eigenen Interessen des Geschäftsführers
(1) Legalitätsverstöße 83
Die Einhaltung der Gesamtheit aller gesetzlichen Normen mit zwingendem – d.h. nicht der Privatrechtsdisposition unterliegendem – Regelungsinhalt ist äußerste Handlungsgrenze für das Unternehmen im Ganzen und damit auch dessen Führungsorgane. Dabei kann zwischen externen und internen Pflichten differenziert werden:
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Externe Pflichten beziehen sich auf unmittelbar sich aus dem Gesetz ergebende Ge- oder Verbote, die in der Regel die Gesellschaft als Normadressaten im Außenverhältnis gegenüber Dritten/der Allgemeinheit betreffen. Für die Einhaltung der zwingenden Pflichten der Gesellschaft hat der Geschäftsführer/ Vorstand zu sorgen3. Dies sind insbesondere die öffentlich-rechtlichen Pflich1 Vgl. auch Steffek, JuS 2010, 295, 298 f. 2 Ob nun als die 7 Weisheiten des Heiligen Geistes, 7 Sakramente oder spiegelbildlich im Verletzungsszenario die 7 „Todsünden“ Papst Gregors. 3 Lutter/Hommelhoff/Kleindieck, GmbHG, § 43 Rz. 8.
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Rz. 85 Teil 7
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ten der Gesellschaft (Bsp.: Steuerrecht, bauordnungsrechtlich Vorschriften, Buchführungspflichten nach §§ 238 ff. HGB, Strafrechtsverbote, wettbewerbsrechtliche Vorschriften nach GWB und UWG). Die Verletzung dieser Pflichten führt i.d.R. zu einer Ausgleichspflicht oder einer bußgeld- oder strafrechtlichen Verantwortung der Gesellschaft (§§ 130, 30, 9 OWiG), für die das Führungsorgan ihr gegenüber regresspflichtig ist. Beispiel: Steuerhinterziehung (§§ 369, 370 AO), Verstoß gegen die Sozialversicherungspflichten nach § 266a StGB, Schmiergeldzahlungen bzw. Vorteilsannahmen (§ 299 StGB), Kartelloder Wettbewerbsverstöße oder Vermögensverschiebungen in der Insolvenzphase (§ 283 StGB, Kapitalerhaltung §§ 30 ff. GmbHG).
Interne Pflichten beziehen sich auf unmittelbar im Gesetz bestimmte Pflichten, die das Führungsorgan als Normadressaten im Innenverhältnis zur Gesellschaft treffen. Dies sind zwingende spezialgesetzliche Pflichten des Führungsorgans, bei deren Verletzung der Gesellschaft unmittelbar Schadenersatzansprüche gegen ihn erwachsen. Die Regelungen beziehen sich i.d.R. auf den Kapitalschutz oder das Informationsinteresse der Allgemeinheit. Gleichwohl handelt es sich um Pflichten im Innenverhältnis zur Gesellschaft (Innenhaftung): – Ersatzpflicht der Führungsorgane bei Verstoß gegen Kapitalerhaltungsvorschriften, wie §§ 30, 31 i.V.m. 43 Abs. 3, 82 GmbHG; § 57 Abs. 1 i.V.m. 93 Abs. 3 AktG. – Angabepflichten nach §§ 9a, 9b GmbHG; Verlustanzeige nach § 49 Abs. 3, § 92 Abs. 1 AktG. – Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung nach §§ 238 HGB ff., bei deren Verletzung der Gesellschaft insbesondere steuerliche Nachteile drohen, die der Geschäftsführer auszugleichen hat1. – Die Pflicht zur Offenlegung von Jahresabschlüssen/Bilanzen nach § 325 HGB ist externe wie interne Pflicht. Die Gesellschaft ist zur Einreichung zum elektronischen Bundesanzeiger verpflichtet. Das Gesetz spricht aber die Organe an, die diese Pflicht zugleich in Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrzunehmen haben2. – Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft bei Verletzung der Insolvenzantragspflicht nach § 823 Abs. 2 BGB, § 15a InsO i.H. des sog. Quotenschadens, der durch den Insolvenzverwalter zur Insolvenzmasse geltend gemacht wird. Es ergibt sich insoweit nur ein Schadenersatzanspruch der Gesellschaft, der durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht wird, daneben besteht eine Neugläubiger-Außenhaftung. Eine Verletzung der dreiwöchigen 1 Vgl. Lutter, GmbHR 2000, 301, 302; BGH v. 26.11.1990 – II ZR 223/89, GmbHR 1991, 10 ff. 2 § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB: „Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben für diese den Jahresabschluss beim Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers elektronisch einzureichen.“
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Insolvenzantragspflicht wird nach § 15a Abs. 4 InsO mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. – § 64 GmbHG, §§ 93 Abs. 3, 92 Abs. 2 AktG: Erstattungspflicht des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft in Bezug auf Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit/Überschuldung geleistet wurden, oder die Zahlungsunfähigkeit erst herbeiführten, soweit sie sorgfaltswidrig erfolgt sind.
(2) Haftung wegen Verletzung und Befolgung unternehmenseigener Regelungen 86
Daneben können auch Verstöße gegen die von den Unternehmensträgern (Gesellschafter) wirksam gesetzten Regeln zur Haftung führen. Für die Führungskraft besteht eine Folgepflicht. Unternehmenseigene Regelungen können mit dem internen Pflichtenkreis des Legalitätsprinzips verknüpft sein, etwa wenn durch die Missachtung von Satzung, Geschäftsordnung oder Beschlüssen zugleich eine Pflichtverletzung der Gesellschaft eintritt, die sie selbst zum Schadenersatz gegenüber Dritten verpflichtet, den sie bei ihrem Organ nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG regressiert. Zu den Unternehmenseigenen Regelungen zählen: – Satzung, insbesondere Unternehmenszweck und Zustimmungsvorbehalte für bestimmte Maßnahmen oder Entscheidungsvorbehalte der Gesellschafter bei außerordentlichen Maßnahmen, – Bestimmungen der Geschäftsordnung, die den betroffenen Fall regeln, – Compliance-Richtlinien, – Beschlüsse/Weisungen der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrates, – Anstellungsvertrag des Geschäftsführers oder Vorstandes.
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Unternehmenseigene Regelungen können aber auch Verhaltensmaßstäbe vorgeben, die nach dem gesetzlichen Pflichtenkreis und der Geschäftsführungsbefugnis nach § 35 GmbHG nicht zwingend erscheinen. Dies kann sich auf die nach außen erteilte Vertretungsmacht (Gesamt- oder Einzelvertretungsmacht gem. Satzung oder Bestellungsbeschluss) oder die Befugnis zur Vornahme nur bestimmter Geschäfte und die Ressortverteilung zwischen den Geschäftsführungsorganen (Geschäftsführungsbefugnis) beziehen.
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Den Satzungsgegenstand darf ein Organ weder generell über- noch unterschreiten1. Die Aufnahme eines Geschäftsbereichs über den satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand hinaus wäre eine Risikoausweitung, die eines Beschlusses zur Satzungsänderung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) bedarf. Umgekehrt kann die (stillschweigende) Einstellung eines bislang satzungsgemäß betriebenen Geschäftsbereichs oder einer Betriebsstätte gegen die Pflicht zur unternehmerischen Ertrags- und Chancenwahrnehmung verstoßen (entgangener Gewinn als 1 Vgl. auch Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 63b, 63c.
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Rz. 92 Teil 7
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Schaden). Insbesondere sind satzungs- oder beschlussgemäße Zustimmungsvorbehalte sowie Unterrichtungspflichten zu beachten. Bei Zweifeln, ob das Handeln Satzungs- oder Zustimmungsgrenzen überschreitet, muss die Führungskraft weitere Organmitglieder informieren und erforderlichenfalls Gesellschafter oder Aufsichtsrat in Kenntnis setzen. Zwar reicht der Handlungsspielraum der Führungsorgane innerhalb des operativen Geschäfts grundsätzlich weit. Für das Unternehmen grundlegende Geschäfte können aber „außerordentliche Maßnahmen“ sein, die auch ohne speziellen Satzungs-/Zustimmungsvorbehalt aus der Treuepflicht heraus eine Vorlage an die Gesellschafter erfordern, insbesondere wenn die Auswirkungen im Vergleich zum Gesamtumsatz einen tiefgreifenden Eingriff in Mitgliedschaftsund Vermögensrechte der Gesellschaft/er bedeuten können1. Bei der Aktiengesellschaft resultiert dies aus der Berichtspflicht nach § 90 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 AktG gegenüber dem Aufsichtsrat, die bei für Rentabilität oder Liquidität „erheblich bedeutsamen“ Geschäften anlassbezogen ausgelöst ist. In der Krise gelten engmaschige Berichtspflichten; in der Liquidation erfahren die Geschäftsführungsbefugnisse mit Auflösungsbeschluss eine Wandlung. Eine Alleinvertretungsbefugnis setzt sich dann nur als Gesamtvertretungsberechtigung fort, wenn die Geschäftsführer als geborene Liquidatoren weiterhin für die Gesellschaft tätig sind und nichts anderes bestimmt wird2.
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(a) Verhältnis der unternehmenseigenen Regelungen zur Legalitätspflicht Die Einhaltung unternehmenseigener Regeln ändert an der Pflichtwidrigkeit nichts, wenn dadurch gerade der Legalitätsgrundsatz verletzt wird. Die zwingenden gesetzlichen Pflichten (extern wie intern) setzen dem Unternehmen im Ganzen absolute Handlungsgrenzen. Dies kann zu einer Haftung trotz Befolgung von Weisungen oder Beschlüssen führen.
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Die Gesellschafterversammlung einer GmbH kann ihren Führungsorganen jederzeit Weisungen erteilen, und zwar generelle wie konkrete3. Die Weisungsbefugnis ist auf ein anderes Organ übertragbar, Weisungen durch ein unzuständiges Organ sind indes unverbindlich4. Bei der Aktiengesellschaft handelt der Vorstand dagegen grundsätzlich nach § 76 Abs. 1 AktG eigenverantwortlich und weisungsfrei, sofern nicht das Weisungsrecht eines beherrschenden Unternehmens aufgrund Beherrschungsvertrags nach § 308 AktG besteht. Nach § 112 AktG nimmt der Aufsichtsrat nur die Überwachung des Vorstandes für die AG war.
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Weisungen und Beschlüsse sind eine wichtige Enthaftungsgrundlage für die Führungskraft. Bei Beschlussmängeln oder fehlerhafter Weisung steht sie aber in dem Dilemma, dass die Nichtbefolgung pflichtwidrig sein kann, deren Befolgung bei Verstoß gegen den Legalitätsgrundsatz möglicherweise aber erst recht.
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1 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BB 2010, 2590, 2591 = BGHZ 83, 122, 131; 159, 30, 41 ff. 2 BGH v. 27.10.2008 – II ZR 255/07, GmbHR 2009, 212. 3 OLG Nürnberg v. 9.6.1999 – 12 U 4408/98, NZG 2000, 154, 155. 4 Pelz, RNotZ 2003, 415, 420.
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Teil 7 Rz. 93
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Beschlussmängel betreffen also nicht nur die Frage der Folgepflicht, sondern auch des Folgerechts. Die Abgrenzung erfolgt nach Art und Intensität des Mangels. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt ist § 241 AktG („Nichtigkeitsgründe“ bei Hauptversammlungsbeschlüssen), aus dem sich drei Fehlergruppen ableiten lassen: – Formelle Nichtigkeit: Schwerwiegender Verstoß gegen Einberufungs- und Mehrheitsanforderungen, konstitutive Formmängel: fehlende Beurkundung der Niederschrift einer börsennotierten AG. – Materielle Nichtigkeit: Schwerwiegende Inhaltsmängel, insbesondere bei Verletzung der Legalitätspflicht: Verstoß gegen Strafnormen, Kapitalerhaltungs-, Insolvenzantragspflichten, Gläubigerschutznormen und öffentlichrechtlichen Pflichten1, Verstoß gegen das Wesen der Gesellschaft (absolute Satzungsverletzung), „Verstoß gegen die guten Sitten“ analog § 241 Nr. 4 AktG, etwa bei Machtmissbrauch durch den Mehrheitsgesellschafter, der in unverzichtbare Rechte der Minderheitsgesellschafter eingreift, oder bei Existenzgefährdung2. – „Nur anfechtbar“ sind vor rechtskräftiger gerichtlicher Aufhebung auf Anfechtungsklage eines Gesellschafters schwebend wirksame Beschlüsse. 93
Aus den Fallgruppen, die analog § 241 AktG auch für die GmbH anerkannt sind3, folgt für die haftungsrelevante Frage der Pflichtverletzung von Führungsperson, dass sie – formell nichtige Beschlüsse nicht befolgen muss (keine Folgepflicht), – materiell-nichtige Beschlüsse nicht befolgen darf (Folgeverbot), – anfechtbare Beschlüsse – während der Schwebephase grds., aber bei sorgfältiger Abwägung nicht unbedingt befolgen muss (Folgepflicht, aber kein blinder Gehorsam), – nach rechtskräftiger Aufhebung durch ein Gericht nicht mehr befolgen darf, – nach fruchtlosem Ablauf einer Anfechtungsfrist befolgen muss (Folgepflicht, aber kein blinder Gehorsam).
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Für die Haftung ist des Weiteren wichtig, dass bei allen Fehlerquellen aus der Treuepflicht des Organs i.d.R. resultiert, dass es Mängel oder Wirksamkeitszweifel in unternehmenswichtigen Fragen dem Aufsichtsrat oder den Gesell-
1 Vgl. schon BGH v. 20.7.1999 – 1 StR 668 NJW 1960, 285; BGH v. 18.3.1974 – II ZR 2/72, NJW 1974, 1088, 1089; BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, NJW 2001, 2504, 2505; Lindemann, GmbHR 2008, 813; Lutter/Hommelhoff/Keindiek, GmbHG, § 37 Rz. 22, der allerdings nur davon spricht, der Beschluss müsse nicht befolgt werden. 2 Vgl. Pelz, RNotZ 2003, 415, 420; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, Anh. § 47 Rz. 20. 3 Vgl. Michalski/Hass/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 61; Pelz, RNotZ 2003, 415, 420.
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Rz. 100 Teil 7
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schaftern mitzuteilen hat, damit die Beschlusslage klargestellt oder berichtigt werden kann1. Für Führungskräfte besonders schwierig ist die Abgrenzung des durch Klage eines Gesellschafters nur anfechtbaren zu dem nichtigen Beschluss. Von formeller oder materieller Nichtigkeit ist nur bei schwerwiegenden Verstößen auszugehen. Sie bildet die Ausnahme.
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Zu den (nur) anfechtbaren zählen typischerweise Beschlüsse, welche die Verletzung auf Ebene des Entscheidungsträgers geltender Mitgliedschaftsregeln oder eine Treuepflichtverletzung des Mehrheitsgesellschafters nahelegen. Nach zutreffender Auffassung soll im Grundsatz eine Folgepflicht ausgelöst werden, aber ohne blinden Gehorsam, solange noch Anfechtbarkeit besteht (Schwebephase)2. Ein Beschluss wird stets endgültig verbindlich, wenn die Anfechtungsfrist abgelaufen und keine Anfechtungsklage erhoben wurde. In der Schwebephase muss das Führungsorgan in eigener Verantwortung entscheiden, ob es dem Beschluss vorläufig folgt oder nicht, wobei insbesondere zwei Faktoren unter dem Vorzeichen einer späteren Aufhebung abzuwägen hat:
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– Treten bei (vorübergehender) Befolgung irreversible oder belastende Folgen ein? – Wie sind die Chancen einer Anfechtungs- oder Feststellungsklage? Im Zweifel wird das Führungsorgan von einer Folgepflicht ausgehen müssen. Zumal es zwischen die Räder verschiedener Gesellschafterinteressen zu geraten droht, steht ihm das Recht zu, nach vorheriger Information der Gesellschaft rechtlichen Rat einzuholen. Verbleiben Zweifel an der Wirksamkeit, kann die Verweigerung der Befolgung nach der hier vertretenen Auffassung nicht pflichtwidrig sein, denn das Entscheidungsrisiko der übergeordneten Ebene kann nicht ohne weiteres auf das Management abgewälzt werden. Schließlich haften Führungskräfte nur bei Verschulden, das aber nicht gegeben ist wenn sie die Rechtswidrigkeit nicht (zutreffend) erkennen mussten.
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! Praxishinweis Wichtig ist bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Weisung oder eines Beschlusses, dass der Geschäftsführer/Vorstand seine Wirksamkeitszweifel und Abwägung an die nächst höhere Ebene kommuniziert. Der Gesellschaft wird es dann erschwert, im Haftungsprozess die Verantwortung ohne Weiteres auf Führungsorgane abzuwälzen.
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Bloß unzweckmäßige Weisungen müssen befolgt werden; das Führungsorgan darf sie allenfalls aufschieben, falls dies ohne Schaden möglich ist, um den Gesellschaftern eine Bedenkzeit einzuräumen.
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(b) Folgerecht bei Selbstgefährdung der Gesellschaft? Auch bei Selbstgefährdung durch Beschlüsse der Gesellschaft kann eine Pflichtwidrigkeit des Geschäftsführers zu verneinen sein. Voraussetzung ist, dass 1 Vgl. Krause, BB 2009, 1370, 1373 m.w.N. 2 Pelz, RNotZ 2003, 415, 420; Michalski/Hass/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 62b.
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Teil 7 Rz. 101
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– per Beschluss oder Einzelzustimmungen das Einverständnis der Gesellschafter vorliegt – auf Grundlage einer vollständigen Aufklärung über Sachverhalt und potenzielle Folgen und inhaltlicher Befassung der Gesellschafter mit der Thematik – und unter Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Beschlussthema, was allenfalls bei Verletzung der eigenen Vermögenspositionen in Betracht kommt, nicht aber der durch die Legalitätspflicht des Unternehmens geschützten Rechte Dritter bzw. der Allgemeinheit, wie zwingende gläubigerschützende Vorschriften, die insbesondere der Kapitalerhaltung dienen (§§ 64 Satz 1, 3 GmbHG, 15a InsO)1. 101
Im Hinblick auf die Funktion schwarzer Kassen2 als typische Vorbereitungsmaßnahme der Bestechung Dritter in Wettbewerb und öffentlicher Stellung (§§ 299, 334 StGB) kann aufgrund der bußgeld- oder strafrechtlicher Relevanz von Geschäftsführungsmaßnahmen von einem Folgerecht selbst bei zustimmender Beschlusslage der Gesellschaft nicht ausgegangen werden. Die zivilrechtliche Innenhaftung des Geschäftsführers aus §§ 43 Abs. 2, 93 Abs. 2 i.V.m. 266 StGB könnte zwar bei Einverständnis der Gesellschafterversammlung oder jedes einzelnen Gesellschafters nach vollständiger Aufklärung über alle Umstände und Rechtsfolgen ausgeschlossen sein3. Da die Gesellschaft aber über Rechte Dritter und das Legalitätsprinzip, insbesondere Strafnormen (§§ 299, 334 StGB) und gläubigerschützende Vorschriften zur Kapitalerhaltung wie §§ 64 Satz 1, 3 GmbHG, 15a InsO, nicht disponieren kann4, wäre selbst ein einstimmiger Billigungsbeschluss nichtig. Ein Insolvenzverwalter wird stets pflichtwidriges Handeln annehmen und von einem Schaden ausgehen, sobald ein Dritter oder Mitbewerber Forderungen stellt oder auf das Unternehmen öffentlich-rechtliche Sanktionen oder Bußgelder nach § 130 OWiG zukommen können (s. auch unten Rz. 118 ff.).
(3) Verstoß gegen Organisationspflichten (a) Delegation und Ressortverteilung 102
Dem Führungsorgan obliegt die Gesamtverantwortung für die Unternehmensorganisation. Defizite in der Einrichtung einer sachgerechten Organisationsstruktur können zur Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG führen, wobei dem Führungsorgan allerdings Handlungsermessen zur Verfügung steht. Eine Haftung kann entstehen, wenn Aufgaben auf fachkundige Mitarbeiter oder externe Dienstleister hätten übertragen werden müssen, um vorhersehbare Verstöße gegen externe und interne Pflichten sowie unternehmerische Regeln durch Mitarbeiter zu vermeiden und die 1 Michalski/Hass/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 61. 2 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BB 2010, 2590; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 266 Rz. 75 f., 130 ff. m.w.N. 3 So BGH v. 21.12.2005 – 3 StR 470/04, NJW 2006, 522, 525 f.; Hugger, BB 2010, 2590, 2592: Mehrheitsentscheidungen im förmlichen Beschluss nach den §§ 47 ff.; Ransiek, NJW 2006, 814, 815. 4 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 61.
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Rz. 106 Teil 7
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Unternehmensabläufe zu optimieren. Damit kann also auch der entgangene Gewinn relevante Schadensposition sein. Je nach Größe und Unternehmensstruktur ergibt sich nicht nur ein Recht zur Aufgabenübertragung auf unterstellte Mitarbeiter oder externe Dritte (Enthaftungsmöglichkeit), sondern eine haftungsrelevante Delegationspflicht. Da fehlende fachliche Eignung den Geschäftsleiter nicht entlastet, hat er für die Hinzuziehung eines fachlich qualifizierten und sorgfältig ausgewählten Mitarbeiters oder externen Beraters oder Dienstleisters zu sorgen1. Insbesondere bei Hinzuziehung eines externen Dienstleisters sollte der Geschäftsleiter das ihm gegenüber zuständige Weisungs- und Kontrollorgan informieren, wenn eine Kompetenz zur Auslösung damit verbundener Kosten oder Weitergabe unternehmensinterner Informationen nicht ohnehin durch unternehmenseigene Regelungen eingeräumt sind.
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Dabei sind folgende Arten der „Aufgabenverteilung“ unterscheiden:
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– Vertikal („von oben nach unten“): – interne Delegation: Aufgabenübertragung auf Mitarbeiter – externe Delegation: Beauftragung eines externen Beraters/Dienstleisters – Horizontal („auf gleicher Augenhöhe“): „Ressortverteilung“ zwischen Geschäftsführern/Vorständen oder sogar Aufsichtsräten.
(b) Wahrung der Delegationspflicht Zur Wahrung der Delegationspflicht hat das Führungsorgan
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– eine operativ sachgerechte Delegationsstruktur einzurichten bzw. daran im Rahmen des Kollegialorgans mitzuwirken, – den Delegationsempfänger sorgfältig nach geeigneter Qualifizierung und Vertrauenswürdigkeit für die konkrete Aufgabe auszusuchen, – die Delegationsperson sorgfältig in die zu übernehmende Aufgabe einzuweisen. Grundsätzlich darf sich die Führungskraft auf die Fachkompetenz eines sorgfältig ausgewählten und informierten fachlichen Beraters verlassen2. Ein Haftungsansatz ergibt sich aber aus der Pflicht zur Aufklärung über Sachverhalt und betroffene Aufgabe. Führungsorgane haften zudem für Überwachungsverschulden, wenn das implementierte System nicht sicherstellt, dass Fehler bemerkt werden und Mitarbeiter fachkundig bleiben können, so dass Schulungsmaßnahmen notwendig sein können.
1 Z.B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt oder auch technischer Berater oder spezialisierte Dienstleister. 2 Klett/Peitsmeyer, BB 2011, 2122, 2126.
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Teil 7 Rz. 107
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(c) Horizontale Aufgabenverteilung (Ressortverteilung) 107
Bei mehrköpfigen Kollegialorganen steht grundsätzlich allen Mitgliedern die Gesamtgeschäftsführungsbefugnis zu (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG, § 35 Abs. 2 Satz 2 GmbHG analog). Indes kann es je nach Unternehmensgröße und Komplexität geboten sein, Einzelgeschäftsführungsbefugnisse der einzelnen Organmitglieder für bestimmte Geschäftsbereiche zu bestimmen. Im Gegensatz zur Delegation beinhaltet die Ressortaufteilung die horizontale Aufgabenverteilung auf der Ebene gleichstehender Führungskräfte, die untereinander nicht weisungsbefugt sind. Gerade für den nicht zuständigen Geschäftsleiter ist eine Ressortaufteilung zentrales Enthaftungsinstrument (s. dazu unten Rz. 276 ff.).
! Praxishinweis 108
Im eigenen Enthaftungsinteresse empfiehlt es sich dringend, eine Ressortaufteilung klar zu dokumentieren und von Anfang an durch die Gesellschaft (Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsrat) per Beschluss absegnen zu lassen.
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Nach § 43 Abs. 2 GmbHG haften mehrere Geschäftsführer grundsätzlich als Gesamtschuldner. Schon deswegen liegen Darlegungs- und Beweislast für individuelle Ausnahmen von dem Prinzip der Gesamtverantwortung bei dem Geschäftsführer, der die Entlastung im Verhältnis zur Gesellschaft für sich in Anspruch nimmt.
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(aa) Wirksamkeitsvoraussetzung ist die Befugnis zur Ressortaufteilung, die der Gesellschafterversammlung als oberstes Willensbildungsorgan obliegt. Einzelheiten können in Satzung, Beschluss, Geschäftsordnung oder aufeinander abgestimmten Anstellungsverträgen mit den Organen geregelt sein1. Die Ressortverteilungskompetenz kann auf ein anderes Organ übertragen werden, einen Aufsichtsrat oder sogar das Geschäftsführungs- bzw. Vorstandsorgan selbst, das hierüber einstimmig zu beschließen hat. Umstritten ist, ob sich das mehrköpfige Geschäftsführungsorgan im Enthaftungsinteresse eine originäre Ressortaufteilung geben kann. Die wohl herrschende Meinung bejaht ein solches Selbstorganisationsrecht2. Dies erschließt sich daraus, dass ab einer bestimmten Unternehmensgröße eine Aufgabenverteilung betriebswirtschaftlich und rechtlich unabdingbar ist, um der Organisationspflicht auf Führungsebene überhaupt nachkommen zu können.
111
(bb) Die Ressortverteilung und damit Entlastungsmöglichkeit einzelner Organmitglieder findet ihre Grenzen in dem Geschäftsverteilungsverbot von Kernaufgaben, die grundlegende Bedeutung haben, von den Gesellschaftern ausdrücklich der Gesamtverantwortung vorbehalten oder gesetzlich nur durch alle Organmitglieder tatsächlich erfüllbar sind. Beispiele sind insbesondere Antrags- und Meldepflichten, die tatsächlich nur durch alle Organmitglieder erbracht werden können, wie z.B. Handelsregisteranmeldungen (§ 78 GmbHG) oder Insolvenzantragspflichten3. Davon abzugrenzen sind gesetzliche Pflichten 1 Vgl. auch Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14. 2 Vgl. Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 14 m.w.N.; Peters, GmbHR 2008, 682, 683. 3 Vgl. auch Krause, BB 2009, 1370, 1372 m.w.N.
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Rz. 114 Teil 7
Haftung
der Gesellschaft, für deren Erfüllung die Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitglieder rechtlich zu sorgen haben, z.B. Buchführungspflichten (§ 41 GmbHG; § 91 AktG), steuerliche Pflichten oder die Pflicht zur Abführung der sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmeranteile. Eine Ressortaufteilung ist möglich, allerdings bestehen haftungsrechtlich strenge Anforderungen an Einrichtung und Durchführung. Insbesondere im Hinblick auf die steuerliche Haftung (§§ 34, 69 AO) werden Schriftform und konsequente Wahrnehmung der wechselseitigen Informationspflichten gefordert1. Sieht der mit einer Führungskraft geschlossene Anstellungsvertrag die Zuordnung eines bestimmten Ressorts vor, muss sie auf Vertragseinhaltung und tatsächliche Umsetzung bestehen, wenn sie eine Entlastungsmöglichkeit herleiten will. Ihr stehen ein klagbarer Erfüllungsanspruch oder außerordentliches Kündigungsrecht zu. Wird das Führungsorgan später für Fehler außerhalb des ihm vertraglich zugeordneten Ressorts in Anspruch genommen, kann ihm je nach Sachlage ein Freistellungs- oder Schadenersatzanspruch gem. § 628 Abs. 2 BGB im Innenverhältnis zur Gesellschaft zustehen2.
112
(4) Überwachungspflicht (a) Zivilrechtliche Haftung Mit einer sorgfältigen Organisationsstruktur und Delegationsentscheidung kann sich ein Führungsorgan seiner Gesamtverantwortung nicht vollständig entledigen. Vielmehr wandelt sich sein Pflichtenkreis in eine Überwachungspflicht. Es hat den in Wahrnehmung der Organisationspflicht sorgfältig ausgesuchten Mitarbeiter im laufenden Betrieb mindestens stichprobenartig zu überwachen (laufende Überwachung) oder sicherzustellen, dass dies durch Zwischenschaltung sorgfältig ausgewählter und instruierter Aufsichtspersonen geschieht. Daneben besteht eine anlassbezogene Interventionspflicht, wenn (mögliche) Fehlerquellen, Unregelmäßigkeiten oder außerordentliche bzw. risikogeneigtere Vorgänge innerhalb des delegierten Aufgabenbereichs erkennbar werden. Sofern sich das Risiko zeigt, dass konkrete Weisungen und Instruktionen an den betreffenden Mitarbeiter zur Einhaltung der externen und internen Pflichten nicht ausreichen, ergibt sich die Pflicht zur Reorganisation oder „Rückholung“ der Aufgabe in die eigene Gesamtverantwortung (Evokation). Bei Verstoß haften Organe nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG gegenüber der Gesellschaft (Innenhaftung).
113
(aa) Bei der Delegation an Mitarbeiter oder externe Berater gibt es keinen Vertrauensgrundsatz3. Zwar darf sich die Führungsperson auf die Fachkompetenz eines sorgfältig ausgewählten, fachlichen Beraters verlassen. Bei Erkennbarkeit von Fehlern oder Sachverhaltsänderungen hat sie aber für Richtigstellung zu sorgen. Beispielsweise haftet die Führungskraft einer nach § 325 HGB offenlegungspflichtigen Gesellschaft auf Ordnungsgeld, wenn sie nicht überwacht, dass der Steuerberater einen ihm erteilten Auftrag zur Veröffentlichung des
114
1 Vgl. BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776; auch in ZIP 1984, 1345, 1346. 2 Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 17. 3 Karl, BB 2011, 227, 230.
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Teil 7 Rz. 115
Haftung
Jahresabschlusses auch tatsächlich ausführt1. Stellungnahmen oder Ergebnismitteilungen des Beraters hat sie auf Plausibilität zu prüfen2. 115
Bei Konzernstrukturen kann eine Pflichtverletzung des Führungsorgans der Konzernmutter oder Obergesellschaft aus fehlender Konzernüberwachung resultieren. Diese verlangt die Implementierung eines regelmäßigen Berichtswesens der Leitungsorgane der Konzerntöchter oder des „örtlichen BoardTeams“3 gegenüber Holding bzw. Konzernmutter.
116
(bb) Bei einer wirksamen Ressortverteilung zwischen mehreren Geschäftsleitungsorganen gilt hingegen der Vertrauensgrundsatz. Ein ressortunzuständiges Organ darf sich darauf verlassen, dass das jeweils zuständige Organ die ihm obliegenden Aufgaben pflichtgemäß erfüllt4. Es gibt keine anlasslose Haftung. Der Geschäftsleiter hat allerdings einzuschreiten, wenn ihm Unregelmäßigkeiten der Aufgabenwahrnehmung innerhalb des „fremden“ Ressorts erkennbar werden. Es verbleibt eine „sekundäre Überwachungspflicht“: – Das ressortunzuständige Mitglied muss sich zumindest stichprobenartig und in den turnusüblichen Geschäftsführer- oder Vorstandssitzungen über die wesentlichen Vorgänge des jeweils anderen Ressorts berichten zu lassen5. Dabei sollte die wechselseitige Informationserteilung zwischen den Ressort-Geschäftsleitern nachvollziehbar dokumentiert werden6. – Werden mögliche Fehler oder Unregelmäßigkeiten erkennbar, die Zweifel an der pflichtgemäßen Aufgabenerledigung durch den Ressortzuständigen begründen, trifft das „ressortfremde“ Organmitglied die Pflicht zur Kontrolle und Intervention7, die auch in der Vornahme durch das Gesamtorgan oder Unterrichtung von Aufsichtsrat oder Gesellschaftern bestehen kann. Anderenfalls liegt eine eigenständige Pflichtverletzung durch Unterlassen vor (Bsp. Hinnahme des Verstoßes gegen das Verbot der Kapitalauszahlung nach § 30 GmbHG durch einen Mitgeschäftsführer). – In der Krise, in der die wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens schwierig ist, darf sich ein Führungsorgan nicht mehr ohne eigene Kontrolle auf Angaben des zuständigen Geschäftsleiters verlassen8. Vielmehr erstarkt das Prinzip der Gesamtverantwortung aller Organmitglieder, die schließlich eigenständig für insolvenzrechtliche Risiken haften (vgl. Teil 2 Rz. 108, 190). Es versteht sich von selbst, dass jedes Organmitglied 1 2 3 4
5 6 7 8
LG Bonn v. 21.3.2011 – 35 T 1620/10 – in Praxis Steuerstrafrecht 7/2011, S. 162. BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06 NJW 2007, 2118, 2120 mit Anm. Altmeppen. Vgl. Krause, BB 2009, 1370, 1373. BGH v. 15.10.1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130, 132; Froesch, DB 2009, 722, 725; Lohr, NZG 2000, 1204, 1210; Habersack, WM 2005, 2360, 2362; OLG Koblenz v. 9.6.1998 – 3 U 1662/89, NZG 1998, 953; Tipke/Kruse/Loose, § 69 AO Rz. 32 (Stand: Mai 2010). OLG Köln v. 31.8.2000 – 18 U 42/00, NZG 2001, 135, 136. OLG Koblenz v. 9.6.1998 – 3 U 1662/89, NZG 1998, 953, 954 f. S. auch § 115 Abs. 1 HGB; BGH v. 20.3.1986 – II ZR 114/85, NJW-RR 1986, 1293, 1294. Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13; BGH v. 9.1.2001 – VI ZR 407/00, NZG 2001, 320, 321 f.
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Rz. 119 Teil 7
Haftung
ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber anderen Mitgliedern hat, das es dann aber auch ausüben muss1. Um das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der Geschäftsleitung nicht unnötig zu belasten, kann im Einzelfall ausreichen, dem ressortzuständigen Mitglied Gelegenheit zur Fehlerkorrektur zu geben, wenn es sich ersichtlich um einen „Ausreißer“ handelt und der Fehler aus der Welt geschafft werden kann. Auch die kollegiale Zusammenarbeit gehört zum Pflichtenkreis der Geschäftsleiter2, mag deren Verletzung auch nicht unmittelbar einen Schaden auslösen. Allerdings sollte zumindest der Vorstandsvorsitzende informiert werden, damit eine ausreichende Dokumentation des ressortunzuständigen Mitglieds über die Intervention vorhanden ist.
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(b) Sanktionsrechtliche Haftung (aa) Sanktionsrechtlicher Ausdruck der Überwachungspflicht ist § 130 Abs. 1 OWiG Das schuldhafte Unterlassen von Aufsichtsmaßnahmen, die erforderlich sind, um im Betrieb oder Unternehmen ordnungswidriges oder strafbares Verhalten („Zuwiderhandlungen“) zu verhindern, ist für sich genommen in der Regel fahrlässiges Verhalten, das eine zivilrechtliche Innenhaftung auslöst. § 130 OWiG fügt eine Haftungsebene hinzu, indem die Verletzung von Organisations- und Aufsichtspflichten zur bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeit des Unternehmensinhabers qualifiziert wird. Aufsichtsbezugspunkt ist die im Unternehmen erfolgte Zuwiderhandlung gegen eine betriebs- oder unternehmensbezogene Pflicht, deren Verletzung für das Unternehmen als solches mit Strafe oder Bußgeld bedroht ist.
118
Das Zusammenspiel der §§ 130, 9, 30 OWiG führt zur sanktionsrechtlichen Maximalausweitung des ahndungsfähigen Personenkreises. Die Regelungen bohren sich durch verschiedene Hierarchie- und Überwachungsebenen bis auf den Unternehmensträger. Das resultiert aus einem lückenlosen „Pass-Spiel“ folgender Normen:
119
– § 130 OWiG ist ein eigenständiger Sanktionstatbestand. Er sanktioniert das schuldhafte Unterlassen der unternehmerischen Aufsicht als Ordnungswidrigkeit. Normadressat ist der Betriebs- bzw. Unternehmensinhaber. – § 9 OWiG erweitert die Anwendbarkeit von Tatbeständen, welche „die Möglichkeit einer Ahndung begründen“ – wie etwa § 130 OWiG-, in personeller Hinsicht, indem das Tätermerkmal „Inhaber“ bei juristischen Personen auf die vertretungsberechtigten Organe (Geschäftsführer oder Vorstand) erstreckt wird. Dadurch werden Führungsorgane (Geschäftsführer oder Vorstand) auch selbst taugliche Täter und Bußgeldadressaten i.S.d. § 130 OWiG. Faktische Geschäftsführer/Vorstände (§ 9 Abs. 3 OWiG) sind 1 OLG Koblenz v. 9.6.1998 – 3 U 1662/89, NZG 1998, 953; Peters, GmbHR 2008, 682 (685). 2 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 52a; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 140; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rz. 10.
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Teil 7 Rz. 120
Haftung
genauso erfasst wie leitende Angestellte, Prokuristen, Abteilungsleiter oder Beauftragte einer juristischen Person (§ 9 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 OWiG). Die Anwendbarkeit des § 130 OWiG wird auf jede Person innerhalb einer Handlungs- und Aufsichtshierarchie eröffnet. – § 30 OWiG rechnet eine innerhalb der Unternehmens- und Betriebspflichten der Gesellschaft begangene Straftat oder Ordnungswidrigkeit einer Leitungs- und Aufsichtsperson (die Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG) der Gesellschaft zu. Dadurch kann auch gegen das Unternehmen eine Geldbuße verhängt werden. 120
So kann eine Kettenhaftung entstehen, ausgehend vom deliktisch handelnden Mitarbeiter über die ihm übergeordnete Aufsichts- oder Leitungsperson, den Geschäftsführer oder Vorstand bis hin zur Gesellschaft. Indes kann die Zurechnung des Verschuldens der Aufsichtspersonen nach § 30 OWiG an die Kapitalgesellschaft nicht darüber hinwegtäuschen, dass die §§ 130, 9 OWiG im Hinblick auf die in die Verkettung eingebundenen Personen, insbesondere den Geschäftsführer bzw. Vorstand, keine Garantie-, sondern eine Garantenhaftung ist. Erforderlich ist eigenes Verschulden der jeweiligen Aufsichtsperson und eigenes Unterlassen geeigneter, erforderlicher und zumutbarer (verhältnismäßiger) Aufsichtsmaßnahmen, wozu bei Einschaltung weiterer Aufsichtspersonen auch die Sorgfaltspflicht bei deren Auswahl, Einweisung und Überwachung gehört. § 9 OWiG erweitert nur das Tätermerkmal; der Bußgeldtatbestand (§ 130 OWiG) ist für jede Person einzeln zu prüfen.
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Die Voraussetzungen der persönlichen Haftung nach §§ 130 Abs. 1, 30 OWiG sind:
122
Erste Stufe: Doppelt qualifizierter Pflichtenverstoß innerhalb des Unternehmens („Zuwiderhandlung“ in der Unternehmenssphäre nach § 130 OWiG) – Betriebsangehöriger oder mit Angelegenheiten des Betriebs oder Unternehmens betrauter Dritter („Vortäter“ aus Betriebs- oder Unternehmenssphäre) – verletzt eine betriebs- oder unternehmensbezogene Pflicht (betriebliche Qualifizierung der Pflicht), – die einem Straftat- oder Ordnungswidrigkeiten-Tatbestand unterliegt (sanktionsrechtliche Qualifizierung).
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Zweite Stufe: Ahndungsdurchgriff auf den Geschäftsleiter: – Pflichtenverstoß des Vortäters (Zuwiderhandlung) realisiert eine Gefahr, die dem Geschäftsleiter wenigstens nach Art und Umfang erkennbar war; – Unterlassen der geeigneten, erforderlichen und zumutbaren Aufsichts- oder Organisationsmaßnahme, wozu bei Delegation der Aufsicht auch sorgfältige Auswahl und Überwachung der Aufsichtspersonen gehören; – bei deren Vornahme die Zuwiderhandlung zumindest wesentlich erschwert worden wäre (haftungsbegründende Kausalität); – Verschulden in Bezug auf die Verletzung der Organisations- oder Aufsichtspflicht. 672
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Rz. 126 Teil 7
Haftung
(bb) Erste Stufe Unter „Zuwiderhandlung“ durch Verletzung der Betriebs- und Unternehmenspflichten fällt nicht jede Pflichtverletzung eines Mitarbeiters, sondern nur die Verletzung von Vorschriften, die den Unternehmensträger als Normadressaten unmittelbar ansprechen. Technisch-operative Vorschriften über Produktions-, Arbeitsschutz- oder Sicherheitsbereiche gelten vorrangig für Betriebe als operative Einheiten. Demgegenüber betreffen kaufmännische und steuerrechtliche Vorschriften, Bilanzierungsrichtlinien oder wettbewerbs- und kartellrechtliche Pflichten (UWG, GWB) primär das Unternehmen und nicht einzelne Produktionsbereiche1. Auch wenn eine Differenzierung zwischen beiden teils überflüssig erscheint2, kann sich für den einzelnen Geschäftsleiter eine Relevanz im Hinblick auf die Frage seiner Aufsichtspflichtverletzung (2. Stufe) ergeben. So kann sich bei Ressortverteilung die Verantwortung der Führungskraft vertikal auf eine betriebliche Einheit beziehen und/oder horizontal auf bestimmte Unternehmensebenen, etwa bei Führungsposition an der Unternehmensspitze (Holding etc.). Nach h.M. sollen unter den unternehmensbezogenen Pflichtenkreis aber auch Allgemeindelikte zu fassen sein, wenn sie im Zusammenhang mit der Betriebs- oder Unternehmensführung verwirklicht werden (Bsp. Verkehrssicherungspflichten)3.
124
Der „Zuwiderhandelnde“ muss der Verantwortungssphäre des Unternehmens zuzurechnen sein. Er darf nicht in eigener unternehmerischer Verantwortung handeln. Gleichwohl soll für die Zurechnung des Verhaltens von „Externen“ ausreichen, wenn diese vorübergehend mit Aufgaben des Betriebes betraut und hinreichend in die betriebliche Struktur „eingebunden“ sind4. Dies wird bei Dauerschuldbeziehungen der Fall sein. Trotz undurchsichtiger Grenzziehung bildet das auf zweiter Stufe zu prüfende Merkmal der eigenen Aufsichtspflichtverletzung und deren hypothetische Kausalität für die Zuwiderhandlung ein hinreichendes Korrektiv. Schließlich kann fraglich sein, inwieweit die Zuwiderhandlung eines qualifizierten Dienstleisters durch eine Aufsichtsmaßnahme überhaupt hätte verhindert werden können.
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Unerheblich ist, ob die „Zuwiderhandlung“ tatsächlich verfolgt oder abgeurteilt wurde; sie muss nur mit „Geldbuße oder Strafe bedroht“ sein. Nach § 30 Abs. 4 OWiG kann die Geldbuße gegenüber der Kapitalgesellschaft auch ohne Verfolgung einzelner Personen „selbständig festgesetzt“ werden. Nach h.M. muss nicht einmal ein konkreter „Vortäter“ festgestellt sein, wenn jedenfalls der Verstoß aus der Unternehmenssphäre feststeht5. Ein Hin- und Herschieben oder Verdecken von Verantwortlichkeit innerhalb des Unternehmens entlastet auch die Führungsebene also nicht, was insbesondere bei kartellrechtlichen oder Bestechungszusammenhängen von Bedeutung sein kann.
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1 Instruktiv Rettenmaier/Palm, NJOZ 2010, 1414. 2 So Bohnert, OWiG, 3. Aufl. 2010, § 130 Rz. 4. 3 Streitig, wohl ablehnend: BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801; vgl. zugleich kritisch Rogall in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 130 Rz. 79. 4 Vgl. OLG Hamm v. 27.2.1992 – Ss OWi 652/91, NStZ 1992, 499; Demuth/Schneider, BB 1970, 642, 648; BayObLG v. 8.4.1998 – 3 ObOWi 30–98, NStZ 1998, 575. 5 Vgl. Rogall in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 130 Rz. 94.
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Teil 7 Rz. 127
Haftung
(cc) Zweite Stufe 127
Im Hinblick auf die Haftung der Leitungs- und Aufsichtsperson spiegeln sich in § 130 OWiG die für die zivilrechtliche Haftung nach § 43 GmbHG, § 93 AktG geltenden Aufsichts- und Überwachungspflichten wider, hier allerdings spezifisch auf die Nichtverhinderung einer straf- bzw. bußgeldbewehrten, unternehmensbezogenen Zuwiderhandlung eines Mitarbeiters bezogen. Die Haftung des Führungsorgans ergibt sich aus einem Unterlassenstatbestand. Ihm wird als Vertreter der Garantenstellung des Unternehmens vorgeworfen, die erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung der (erkennbaren) Zuwiderhandlung unterlassen zu haben. Der Umfang der Garantenstellung hängt von den Einzelfallumständen (Branche, Unternehmensstruktur, Risikobereich, sachlicher oder personeller Gefahrenlage) ab. Der Vorwurf kann von fehlerhafter Auswahl oder Anweisung des später Zuwiderhandelnden, unterlassener Implementierung eines Überwachungssystems oder unterbliebener Aufsichtsmaßnahmen in concreto reichen.
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Bei mehrköpfigem Geschäftsführungs- oder Vorstandsgremium (Kollegialorgan) entscheidet die Ressortverteilung über die persönliche Garantenpflicht zur gebotenen Aufsicht. Sie obliegt dem Organmitglied, in dessen Ressort die Zuwiderhandlung fällt. Die übrigen Mitglieder können sich bei wirksam umgesetzter Ressortverteilung nach dem Vertrauensgrundsatz (s.o. Rz. 116) entlasten, es sei denn, Unregelmäßigkeiten oder risikoerhöhenden Umstände waren erkennbar1. Zeigen sich schwere oder nachhaltige Verstöße des ressortzuständigen Mitglieds in der Vergangenheit, müssen nach Mitteilung an das gesamte Vertretungsorgan Beseitigungsmaßnahmen und Eskalation an den Aufsichtsrat oder die Gesellschafter erfolgen, um eine Haftung der übrigen Organmitglieder nach § 130 OWiG für zukünftige Verstöße dieses Ressorts zu vermeiden.
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Bei Konzernstrukturen gilt eine Haftungsbegrenzung auf das einzelne Konzernunternehmen. Wirkt dieses aber in die Entscheidungen ihrer Töchter hinein, kann § 130 OWiG auch die Vorstände der Mutter bei Zuwiderhandlungen innerhalb einer Tochtergesellschaft sanktionieren2.
(dd) Wahrnehmung der Garantenpflicht/Compliance 130
Bei einem festgestellten straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verstoß des untergeordneten Mitarbeiters werden von der (ressortverantwortlichen) Führungskraft als sachnah Organisationsverpflichteter die Entlastungsmomente darzulegen sein. Der Maßstab der gebotenen Auswahl- und Aufsichtsmaßnahmen richtet sich nach den Einzelfallumständen. Er ist aber auch mit der Frage eines tauglichen Compliance-Systems verknüpft (s. Teil 6 Rz. 7). Denn dieses setzt an den Stellschrauben an, die systematisch schwerwiegende Normenverstöße gerade verhindern sollen.
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Ein Bußgeldbescheid gegen Führungsorgane fordert die gerichtliche Feststellung des Unterlassens gebotener Aufsicht nach allgemeinen straf- und bußgeld1 Vgl. Rettenmaier/Palm, NJOZ 2010, 1414, 1415. 2 So Bohnert, OWiG, § 130 Rz. 7 m.w.N.
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Rz. 132 Teil 7
Haftung
rechtlichen Grundsätzen unter Berücksichtigung der konkreten Umstände von Betriebsaufbau und -organisation, Aufgabenverteilung sowie Art und Umfang der vom Betroffenen durchgeführten Kontrollmaßnahmen, des Verhaltens der Mitarbeiter und der einzelnen Vorgänge1. Gerade in Konzernstrukturen sind „systemische“ Fehler fatal. Denn § 130 OWiG lässt es ausreichen, dass die Vornahme der unterlassenen Maßnahme die Zuwiderhandlung wesentlich erschwert hätte. Es handelt sich um ein Gefährdungsdelikt, das dem Unternehmen bzw. Führungsorgan die Darlegungs- und Beweislast zuweist, für ein funktionierendes Überwachungssystem überhaupt gesorgt zu haben. In diese Richtung schiebt auch § 161 AktG die Darlegungslast. Vorstände und Aufsichtsräte börsennotierter Gesellschaften haben schließlich jährlich zu erklären, dass den vom Bundesministerium der Justiz im amtlichen Teil des elektronischen Bundesanzeigers bekannt gemachten Empfehlungen der „Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex“ entsprochen wurde und wird bzw. welche Empfehlungen aus welchen Gründen nicht angewendet wurden oder werden. Der Kodex gibt Empfehlungen zu Funktion und Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat und wird jährlich aktualisiert2. Er kann auch bei den übrigen Kapitalgesellschaften herangezogen werden und für § 130 OWiG relevante Orientierungspunkte markieren. Von einem System, welches das persönliche Haftungsrisiko nach § 130 OWiG jedenfalls reduziert, kann die Führungskraft zumindest annäherungsweise ausgehen, wenn sich die folgende Checkliste positiv beantworten lässt: (1) Ist eine Betriebsorganisation geschaffen, die eine sorgfaltsgerechte Aufgabenwahrnehmung durch Mitarbeiter ermöglicht, insbesondere durch – klare Definitionen der delegierten Aufgaben – nachvollziehbares Auswahlsystem bzgl. der persönlichen Eignung und fachlichen Qualifizierung der eingesetzten Mitarbeiter – eine die Risikofelder erfassende Einweisung und Aufgabenzuweisung an Mitarbeiter (Instruktion) – Aktualisierung von Fachwissen und praktische Eignung der Mitarbeiter in sich fortentwickelnden, komplexen Aufgabenbereichen durch Schulungen? (2) Gibt es eine angemessene Verlaufskontrolle und Überwachung der Delegationsempfänger, welche die Wahrnehmbarkeit von Verstößen durch Mitarbeiter auf der jeweils nächsten Aufsichtsebene ermöglicht, insbesondere durch – die Durchführung stichprobenartiger Kontrollen für den laufenden Betrieb sowie anlassbezogene Überwachung, wenn sich eine Risikoerhöhung aus einer konkreten Aufgabe oder einem Mitarbeiterverhalten abzeichnet?
1 OLG Jena v. 2.11.2005 – 1 Ss 242/05, NStZ 2006, 533. 2 Abrufbar unter www.corporate-governance-code.de.
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Teil 7 Rz. 133
Haftung
(3) Ist ein Mitteilungssystem vorhanden, das es Mitarbeitern ermöglicht, eigene Probleme oder Auffälligkeiten bei anderen Mitarbeitern (sog. „whistleblower“) an die nächsthöhere Ebene zu kommunizieren? (4) Können die vorgenannten Ziffern auch bei den jeweils zwischengeschalteten Aufsichtspersonen bejaht werden? Sind klare Strukturen vorhanden, nach denen Aufsichtspersonen Verstöße zu korrigieren und an den Geschäftsleiter zu berichten haben? (5) Sind ausreichende Strukturen vorhanden, nach denen Zuwiderhandlungen durch das Unternehmen konsequent geahndet werden (zivilrechtlich, arbeitsrechtlich, ggf. strafrechtlich)? (6) Sind die vorgehenden Punkte und Maßnahmen jeweils ausreichend dokumentiert? (Beweissicherung der einzelnen Schritte und Überwachungsmaßnahmen). 133
Führungsorgane können sich dem System selbst nicht entziehen. Sie können Aufsichtspersonen einbinden, müssen die Kriterien aber auch in persona erfüllen und lernfähig sein: Haben sich Risiken oder Zuwiderhandlungen in der betrieblichen Vergangenheit gezeigt oder zeichnen sich neue Risiken aufgrund veränderter Umstände zukünftig ab, muss die Instruktion der Mitarbeiter und deren Schulung aufgenommen werden. Vorfälle müssen aufgeklärt und zukünftigen Verstöße angepasste Überwachungs- und Aufklärungsstrategien entgegengesetzt werden. Die Dynamisierung der Strukturen richtet sich nach Risikoneigung, Komplexität, praktischer Relevanz, aber auch technischer oder rechtlicher Entwicklung des jeweiligen Aufgabenbereichs. Etwa bei steuer-, kartell- oder wettbewerbsrechtlichen Aufgabengebieten muss eine rechtliche Belehrung, Unterweisung und Warnung im Hinblick auf kritische Sachverhalte erfolgen. Der Geschäftsleiter kann die Sanktionsgefahr durch Hinzuziehung eines professionellen Schulungsanbieters oder Fachberaters reduzieren.
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Eine Revisionsabteilung kann im Rahmen des § 130 OWiG erheblich zur Entlastung der Führungsorgane beitragen. Dazu muss sie sachlich und personell so ausgestaltet sein, dass häufige und unangemeldete Überprüfungen des Betriebsablaufs und ein Austausch mit der Führungsebene möglich sind1. Für die Rechtsprechung ist u.a. die abschreckende Wirkung von Bedeutung. Sie fordert bei „größeren Unternehmen“ ihre Einrichtung, macht aber keine quantitativen Vorgaben. Dies hängt auch von den Risikobereichen ab, zu denen die Mitarbeiter in Kontakt stehen2. Führungsorgane sollten die Einrichtung einer Innenrevision keinesfalls scheuen. Ab einer bestimmten Unternehmensgröße wird ihr Fehlen sogar als Organisations- und Aufsichtspflichtverletzung bewertet, wenn anderweitig eine nachhaltige Kontrolle der zahlreichen Mitarbeiter nicht nachweisbar ist. In modernen Compliance-Systemen wird (daneben) ein gesonderter Compliance-Officer installiert, der für die Einhaltung des ComplianceSystems verantwortlich ist und auch die interne und externe Kommunikation etwaiger Verstöße nach den vorgegebenen Regeln übernimmt. 1 OLG Köln v. 20.5.1994 – Ss 193/94, wistra 1994, 315. 2 BGH v. 24.3.1981 – KRB 4/80, LMRR 1981, 17: Verhältnis von vier Revisionisten zu 5 000 Mitarbeitern bei kartellrechtlichem Risikopotenzial unzureichend.
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Rz. 137 Teil 7
Haftung
Die schriftliche Fixierung des implementierten Systems und einzelner Maßnahmen liegt im Entlastungsinteresse der Führungskräfte. Auch wenn es zu weit gehend dürfte, schon bei Fehlen eines schriftlich niedergelegten Organigramms eine Organisations- oder Aufsichtspflichtverletzung anzunehmen, wirken sich Unklarheiten der Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Bußgeld- und Haftungsprozess stets zu Lasten der Führungsebene aus. Unscharfe Organisationsstrukturen bergen die vermeidbare Gefahr, dass sich Mitarbeiter wechselseitig die Aufgabenverantwortung zuschieben und Zuwiderhandlungen „vorprogrammiert“ sind1.
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(ee) Haftungsbegründende Kausalität Wird das Unterlassen der (seitens der Verfolgungsbehörden festzustellenden) „idealen“ Aufsichtsmaßnahme festgestellt, liegt die Kernfrage in der Kausalität des Unterlassens für die Zuwiderhandlung. Nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen obliegt zwar die Feststellungslast den Verfolgungsbehörden bzw. dem Gericht. Es reicht aber die tatrichterliche Feststellung eines hypothetischen Kausalverlaufs, wonach die unterlassene Organisations- oder Aufsichtsmaßnahme die Zuwiderhandlung wesentlich erschwert hätte2. Dazu muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden können, welche konkrete Wirkung die einzelnen zumutbaren, aber pflichtwidrig unterlassenen Aufsichtsmaßnahmen entfaltet hätten und dass diese die Zuwiderhandlung mindestens wesentlich erschwert hätten. Nach strafrechtlichen Grundsätzen gilt der In-dubio-pro-reo-Grundsatz3. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass § 130 OWiG als Unterlassungs- und Gefährdungsdelikt dem Führungsorgan die Darlegungs- und Beweislast zuweist, für ein funktionierendes Überwachungssystem überhaupt gesorgt zu haben. Je weniger es ihm gelingt, schlüssige Aufsichtsstrukturen zu belegen, desto näher liegt der Schluss, dass eine Erhöhung der Aufsichtsdichte Zuwiderhandlungen wesentlich erschwert hätte.
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(ff) Verschulden und Verjährung Die bußgeldrechtliche Haftung nach § 130 OWiG verlangt nach allgemeinen Verschuldensgrundsätzen Vorsatz oder Fahrlässigkeit (§ 10 OWiG) in Bezug auf das Unterlassen der gebotenen Aufsicht. Dazu muss der Führungskraft oder Aufsichtsperson die Gefahr der Zuwiderhandlung innerhalb des Unternehmens bei sorgfältiger Prüfung erkennbar gewesen sein. Fehleinschätzungen führen gem. § 11 Abs. 1 OWiG zur fahrlässigen Begehung, die allenfalls die Rechtsfolgen mindert. Gleichfalls ist der Irrtum des Aufsichtspflichtigen über Bestehen oder Reichweite der betriebs- oder unternehmensbezogenen Pflichten ein Verbotsirrtum (§ 11 Abs. 2 OWiG), der nur bei Unvermeidbarkeit entlastet. Das wird nur in ganz krassen Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa 1 OLG Düsseldorf v. 12.11.1998 – 2 Ss OWi 385-98, NStZ-RR 1999, 151; vgl. auch Rettenmaier/Palm, NJOZ 2010, 1414 ff. 2 BGH v. 24.3.1981 – KRB 4/80, LMRR 1981, 17. 3 Vgl. Rogall in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, § 130 OWiG Rz. 100.
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Teil 7 Rz. 138
Haftung
wenn ein Gutachten eingeholt wurde und danach ernsthafte Restzweifel nicht mehr verblieben. Ein Irrtum über die Ahndungsfähigkeit eines Unterlassens nach § 130 OWiG ist unbeachtlich. Ebenso wenig kommt es auf ein Verschulden des Mitarbeiters an, der die Zuwiderhandlung begangen hat. 138
Die sanktionsrechtliche Haftung nach § 130 OWiG unterliegt einer Verfolgungsverjährung, die nach § 31 Abs. 2 OWiG von dem Bußgeldrahmen abhängt, der sich wiederum gem. § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG nach der konkreten Zuwiderhandlung bemisst. Die Verjährung beginnt mit Beendigung der Tat. Das ist der Abschluss der Zuwiderhandlung (§ 6 OWiG). Wiederholungen bleiben dabei außer Betracht; zumal es keinen Fortsetzungszusammenhang gibt.
(gg) § 130 OWiG als Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB? 139
Umstritten ist, ob § 130 OWiG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist und damit Grundlage einer zivilrechtlichen Außenhaftung der Führungskräfte gegenüber Dritten sein kann1. Nach hier vertretener Auffassung ist dies nicht der Fall, sondern wäre ein bloßer Reflex. Die Organhaftung wird von dem Prinzip der Innenhaftung beherrscht. Das Gesetz macht enumerative Ausnahmen. § 130 OWiG knüpft an Organisations- und Aufsichtspflichtverletzungen an, die unter zivilrechtlicher Betrachtung nur eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft begründen, sofern kein besonderes deliktisches Handeln der Aufsichtsperson einhergeht. Mit der Bußgeldandrohung für juristischen Personen bis zu einer Millionen Euro je Verstoß bezwecken §§ 130, 30 OWiG neben Vorteilsabschöpfung vor allem Sanktion und Abschreckung vor Korruption, Geldwäsche, Wettbewerbsdelikten, Steuerhinterziehung, Insiderhandel und Verrat von Geschäftsgeheimnissen außerhalb wie innerhalb des Unternehmens. § 130 OWiG beruht auf dem Gedanken, dass die Inhaber wirtschaftlich tätiger Unternehmen eine Garantenpflicht trifft, Normverstößen entgegenzuwirken, ohne sich hinter der Unübersichtlichkeit ihrer Strukturen verschanzen zu können, die einen Ingerenzboden für Zuwiderhandlungen schaffen. Ist das Führungsorgan an der Zuwiderhandlung unter Verletzung drittschützender Normen (z.B. §§ 263, 266 StGB) beteiligt, trifft es die zivilrechtliche Außenhaftung. Darüber hinaus erscheint es systemwidrig, aus der sanktionsrechtlichen Gefährdungshaftung des § 130 OWiG einen Generaltatbestand zivilrechtlicher Außenhaftung abzuleiten.
(c) Haftung aus Pflichtenüberspannung 140
Unternehmensinterne Überwachungssysteme sind zweischneidig und bergen die Gefahr, schutzwürdige Interessen der Betriebsangehörigen zu verletzen. Populäre Fälle einer Pflichtenüberspannung der Überwachungsorganisation sind in jüngster Zeit in deutschen Großunternehmen auch in datenschutzrechtlicher Hinsicht bekannt geworden2. Übermäßige Datensammlung, „Stasi-Methoden“ und Denunziantentum schaden dem Unternehmen nicht minder und verletzen Fürsorgepflichten, die ihrerseits gem. § 130 OWiG haftungsrelevant 1 Verneinend: BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1803. 2 Zum Fall Deutsche Bahn: Steinkühler, BB 2009, 1294 ff.; Mähner, MMR 2010, 379 ff.; Fall Telekom: VorsRiVG Schild, MMR 2008, XII.
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Rz. 142 Teil 7
Haftung
werden können. Die gesetzlich zwingende Einbindung eines Datenschutzbeauftragten (§ 4f Abs. 1 Satz 4 BDSG) wird häufig nur „formal“ verstanden. § 32 BDSG schreibt die Voraussetzungen vor, unter denen eine Datenerhebung und Datenverwendung gegenüber Mitarbeitern zulässig ist (s. Teil 6 Rz. 161). Dazu muss die Datenerhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung eines auf tatsächliche Anhaltspunkte gegründeten Verdachts einer Straftat erforderlich sein, wobei schutzwürdige Interessen des Beschäftigten in der Abwägung von Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht überwiegen dürfen. Verhältnismäßigkeit und Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers müssen beachtet werden1. Hierzu zählen auch die Information gegenüber dem Betroffenen nach § 33 BDSG und die Informations- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats nach betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das Belohnungssystem für sog. whistleblower wie auch Telefon- und Videoüberwachung müssen generelle Grenzen beachten. Die Überspannung von Compliance-Verantwortung führt nicht nur zu einem Imageschaden2, sondern kann eine persönliche Außenhaftung der verantwortlichen Organe gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern auf Ersatz des immateriellen Schadens, etwa wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG begründen. Datenschutzrechtliche Verstöße führen zur bußgeld- oder strafrechtliche „Haftung“ (§§ 43, 44 BDSG), die jedoch vorsätzliche Verstöße, die gegen Entgelt oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht begangen wurden, verlangt. Die Missachtung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates führt zu einem Unterlassungsanspruch3.
(5) Finanzverantwortung und Kontrolle der Liquiditäts- und Finanzlage § 43 GmbHG und § 93 AktG stellen auf den Maßstab des ordentlichen Kaufmanns ab. Dieser hat grundsätzlich ertragbringend zu wirtschaften. Damit müssen Führungsorgane, Liquidität und wirtschaftliche Situation kurz-, mittel- und langfristig vorausschauend planen und Organisationsmaßnahmen vorsehen, um die Planung in einzelnen Geschäftsvorfällen umzusetzen. Fehler können zu einer Haftung auf entgangenen Gewinn führen. Haftungsrechtliche Bedeutung erlangt die Finanzverantwortung aber vor allem im Hinblick auf den Existenzschutz des Unternehmens durch Krisenvermeidung und Krisenerkennung.
141
(a) Buchführungspflichten Selbstverständlich kann die Finanzverantwortung nur unter Einhaltung des handelsrechtlichen Gebots der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung (§ 239 Abs. 2 HGB, § 41 GmbHG, § 91 AktG) erfüllt werden. Anderenfalls würde die Liquiditäts- und Vermögenslage der Gesellschaft nicht zutreffend dargestellt. Buchführungsvorschriften haben nicht nur steuerrechtliche Bedeutung i.S.d. Legalitätsprinzips, sondern beinhalten die Konkretisierung der Leitungsaufgaben des Organs. Wie das Beispiel schwarzer Kassen zur Vor1 § 9 Satz 2 BDSG. 2 Dann/Gastell, NJW 2008, 2945, 2949. 3 Mengel/Ulrich, NZA 2006, 240, 245.
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Teil 7 Rz. 143
Haftung
bereitung von Bestechungen zur Steigerung der Auftragslage zeigt, sieht die Rechtsprechung in einer unrichtigen Buchführung bei Verschleierung der Verhältnisse gegenüber anderen Gesellschaftsorganen eine pflichtwidrige Untreuehandlung gegenüber der Gesellschaft nach § 266 StGB, wenn dieser dadurch die Übersicht über ihre Vermögenslage, ihrer Rechte und Pflichten einschließlich der gegen das Führungsorgan bestehenden Ansprüche fehlt1. Neben der Generalklausel (§§ 43 Abs. 2, 93 Abs. 2 AktG) steht der Gesellschaft bei Vorsatz des verantwortlichen Organs die deliktische Anspruchsgrundlage des §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB wegen Schutzgesetzverletzung zur Verfügung. Da die Gesellschaft bei wettbewerbswidrigem Einsatz schwarzer Kassen über die Zurechnungsnorm des § 31 BGB der Gefahr von Schadenersatzansprüchen der Mitbewerber sowie staatlicher Sanktionen ausgesetzt wird, kann die bilanzielle Situation ins Wanken geraten und eine (verdeckte) Überschuldung i.S.d. §§ 15a, 19 InsO gegeben sein. 143
Umstritten ist, ob die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung ein Schutzgesetz ist, auf das ein Dritter eine Außenhaftung stützen kann2. Die Publizitätspflicht nach §§ 325 ff. HGB zeigt, dass die Buchführung nicht nur der Selbstinformation der Gesellschaft dient, sondern öffentlich-rechtliche Pflicht zum Schutz des Rechtsverkehrs ist3. Den Schutz eines von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises beinhaltet § 41 GmbHG aber nur als Reflex und ist damit kein Schutzgesetz. Erst bei Hinzukommen weiterer Umstände wie Insolvenzgrund oder Täuschung über wirtschaftliche Verhältnisse kann gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB, § 283 Abs. 1 Nr. 5 bis 7, § 283 Abs. 6, § 283a und § 283b StGB eine Außenhaftung ausgelöst sein.
144
Im Innenverhältnis sind allerdings Buchführungsfehler für das – ggf. ressortzuständige – Führungsorgan besonders haftungsträchtig. Die Gesellschaft hat nur den buchmäßigen Fehlbestand aufzuzeigen, dem die Vermutung von Pflichtwidrigkeit und Schaden innewohnt; der Geschäftsleiter hat sich zu entlasten4. Unklarheiten gehen zu seinen Lasten.
(b) Betriebswirtschaftliche Kontrolle 145
Seiner Kontroll- und Planungspflicht kommt das Führungsorgan insbesondere nach, wenn es einen, ggf. auch von der Gesellschafterversammlung beschlossenen Wirtschaftsplan eng verfolgt, sich monatlich die betriebswirtschaftlichen Auswertungen vorlegen lässt und diese mit Buchhaltung und Steuerberater bespricht. Des Weiteren sollte die Organisationsstruktur ein Forderungsmanagement unter Kontrolle der Kreditoren und Debitoren beinhalten, um Liquiditätszu- und -abflüsse planmäßig zu steuern. Die Einrichtung eines Risikomanagementsystems ermöglicht es, die wirtschaftliche und finanzielle Lage der 1 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BB 2010, 2590, 2591. 2 Offenlassend: BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1804: § 41 GmbHG Schutzgesetz; dagegen: Berg, NZG 2008, 641, 643; dafür: Sieger/Hasselbach, GmbHR 1998, 960; Stapelfeld, GmbHR 1991, 94, 95 ff. u.a. 3 Berg, NZG 2008, 641, 643. 4 Bayer/Illhardt, GmbHR 2011, 751, 756.
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Rz. 148 Teil 7
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Gesellschaft und damit einhergehende Risiken für die Unternehmensexistenz rechtzeitig zu erkennen1. Das Führungsorgan muss Vorkehrungen treffen, um sich jederzeit über die finanzielle Lage informieren zu können2. Mit der Liquiditätskontrolle steht eine vorsorgende Ertragsplanung im Zusammenhang. Das Führungsorgan muss über Kostendeckung hinaus für Gewinn sorgen. Sind keine Vorgaben der Gesellschafter etwa durch Wirtschaftsplan getroffen, muss es sich nach dem internen Betriebsvergleich (Gegebenheiten und Entwicklung des Unternehmens) und/oder einem externen Betriebsvergleich (Branchenentwicklung in dem räumlichen Tätigkeitsbereich des Unternehmens) ausrichten. Die Ertragsoptimierung eines einzelnen Rechtsgeschäfts kann die Führungskraft allerdings nach dem Grundsatz der business judgement rule zurückstellen, wenn sie dadurch nach sorgfältiger Abwägung mittel- oder langfristig positivere Effekte annehmen darf (vgl. unten Rz. 187).
146
(c) Liquiditätsbeobachtung in der Krise In der Krise gelten gesteigerte Kapital- und Liquiditätsüberwachungspflichten, zumal der Geschäftsleiter das Entstehen einer strafbewehrten Insolvenzantragspflicht engmaschig über Liquiditäts-/Überschuldungsstati prüfen muss (vgl. Teil 5 Rz. 17). Schon im eigenen Enthaftungsinteresse sollte er diese Prüfungen dokumentieren und einen externen Berater (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt) hinzuziehen. Führungsorgane müssen die Prüfungsdichte erhöhen und die Gesellschafter informieren, sobald bilanzielle Überschuldung droht oder sich Zahlungsstockungen verdichten, die bei ungestörtem Fortgang zur Zahlungsunfähigkeit führen können. Die Gesellschafter müssen die Möglichkeit zur Prüfung von Kapitalmaßnahmen erhalten, bevor innerhalb von drei Wochen nach Vorliegen von Insolvenzgründen der Insolvenzantrag durch Geschäftsführer oder Vorstand gestellt werden muss (§ 15a InsO). Eine Ressortverteilung, welche die Liquiditätsplanung einem Organmitglied zuweist, entfaltet in Krisenzeiten keine (Enthaftungs-)Wirkung mehr. Schließlich steht die Wahrung der insolvenzrechtlichen Pflichten in der Gesamtverantwortung jedes einzelnen Mitglieds. Zeigt sich in der Bilanz ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag, ist die Gesellschaft bilanziell – noch nicht unbedingt insolvenzrechtlich – überschuldet. §§ 84 Abs. 1, 49 Abs. 3 GmbHG bzw. §§ 401, 92 Abs. 1 AktG konkretisieren die Grenze, ab der Führungsorgane Alarm schlagen müssen, um auch ihrer späteren Insolvenzverursacherhaftung vorzubeugen: Sie haben bei Verlust der Hälfte des Grund- bzw. Stammkapitals unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einzuberufen. Die Verletzung der Anzeigepflicht ist strafbewehrt.
147
(d) Haftung bei Verstoß gegen die Finanzverantwortung Bei Verstoß gegen die Finanzverantwortung kann sich eine Innen- aber auch eine Außenhaftung nach speziellen Anspruchsgrundlagen ergeben. 1 Krause, BB 2009, 1370, 1371. 2 Fleischer in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 7 Rz. 43.
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Teil 7 Rz. 149 149
Haftung
(aa) Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 57 Abs. 1 AktG dürfen Führungsorgane das zur Erhaltung des Stammkapital (bei der AG Grundkapital in Form der Einlagen) erforderliche Vermögen nicht an Gesellschafter auszahlen oder auch nur hinnehmen, dass dies durch Mitgeschäftsführer geschieht1. Bei Verstoß ergibt sich eine – Ersatzpflicht als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 3 i.V.m. § 57 AktG – Ausgleichspflicht als Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber den für den Einlagenausfall anteilig haftenden Mitgesellschaftern nach § 31 Abs. 3, 6 GmbHG.
150
Maßgeblich ist inzwischen nur noch die allgemeine Bilanzierungsbetrachtung unter Buchwertansatz2. Die Pflichtverletzung liegt vor, wenn nach der „Zahlung“ bilanziell das Reinvermögen – Aktiva abzüglich Verbindlichkeiten und Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und Rücklagen – das satzungsgemäß bestimmte Stamm- bzw. Grundkapital unterschreitet. Dabei sind nach § 272 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB n.F. nur eingeforderte Einlage zu aktivieren und im Rahmen der Verbindlichkeiten auch Gesellschafterdarlehen zu berücksichtigen, zumal der Gesetzgeber eigenkapitalersetzende Darlehen aus der Rückzahlungssperre herausgenommen (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG) und allenfalls noch einer insolvenz(anfechtungs)rechtlichen Betrachtung anheimgestellt hat3. Nicht abzuziehen sind Rücklagen, die keinen Ausschüttungsbegrenzungen unterliegen (Bsp.: Gewinnrücklage; bei Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Wirtschaftsgüter nur die freien Rücklagen nach § 268 Abs. 8 HGB, Sonderposten mit Rücklageanteil)4. Nicht in die Aktivierung einzubeziehen sind frühere Rückzahlungsforderungen wegen unzulässiger Auszahlungen, da die Regelung sich dann selbst in Frage stellen würde5. Der Begriff der „Auszahlung“ wird nicht nur liquiditätswirksam verstanden, sondern erfasst jegliche Leistungen, die das Gesellschaftsvermögen verringern, wobei eine wirtschaftliche Betrachtung unter Anwendung des Umgehungsverbotes maßgeblich ist. Auch die Bestellung von Sicherheiten durch die Gesellschaft für Verbindlichkeiten des Gesellschafters fallen hierunter, soweit mit einer Inanspruchnahme nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen der bilanziellen Rückstellungsbetrachtung zu rechnen ist6. Unmittelbare Konsequenz der bilanziellen Betrachtung ist die Unschädlichkeit einer Auszahlung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG/§ 57 Abs. 1 Satz 3 AktG, wenn die Vermögensminderung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist, da insoweit je nach Gestaltung nur ein wertneutraler Aktivtausch oder eine Bilanzverlängerung erfolgt. Bei Darlehen der Gesellschaft 1 2 3 4
BGH v. 20.3.1986 – II ZR 114/85, NJW-RR 1986, 1293, 1294. BGH v. 29.9.2008 – II ZR 234/07, NJW 2009, 68, 69. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO; § 135 Abs. 1 InsO. Instruktiv mit weiteren Einzelheiten Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 30 Rz. 13–20. 5 Ggf. aber unter Beachtung der Ausnahmeregelung des § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG n.F. 6 Vgl. Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 883: kurzfristig rückforderbares upstreamDarlehen.
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Rz. 153 Teil 7
Haftung
bestimmt sich die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs gegen den Gesellschafter aus einer vernünftigen kaufmännischen Ex-ante-Sicht seiner Bonitätslage. Führungsorgane haben hierzu dessen finanzielle und wirtschaftliche Situation sorgfältig zu prüfen1. Bei „Auszahlung“ in Form der SicherheitenStellung zu Gunsten des Gesellschafters ist streitig, ob für die Vollwertigkeitsprüfung der Bestellungs- oder Verwertungszeitpunkt maßgeblich ist. Die besseren Argumente sprechen für die Bestellung. Ist diese pflichtgemäß geschehen, ist zwar eine Haftung aus §§ 43 Abs. 3 GmbHG, 93 Abs. 3 AktG zu verneinen, auch wenn sich die Bonität nachträglich verschlechtert2. Allerdings kann sich eine Organhaftung noch nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG ergeben, da für das Führungsorgan die aus § 19 Abs. 4 GmbHG bekannte Pflicht der laufenden Bonitätsüberwachung und rechtzeitigen Forderungsrealisierung oder Sicherheiten-Anforderung besteht. Weitere Verbotsausnahme ist – vorbehaltlich einer Insolvenzverursachung – die Zahlung an ein beherrschendes Unternehmen im Zuge eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, da dieser den Leistungsaustausch in die Beherrschungseinheit einrückt.
151
(bb) §§ 64 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG sehen Ersatzpflichten der Führungsorgane im Zusammenhang mit einem Insolvenzszenario vor. Hierbei ist zu unterscheiden:
152
– Verstoß gegen Massesicherungspflicht: § 64 Satz 1, 2 GmbHG: Ersatzpflicht wegen Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung; – Insolvenzverursachungshaftung (Existenzvernichtungshaftung): §§ 64 Satz 3 GmbHG, 92 Abs. 2 Satz 3 AktG: Zahlungen an Gesellschafter, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten. Hinsichtlich der „Zahlung“ gelten die zu § 30 GmbHG/§ 57 Abs. 1 AktG dargestellten Grundsätze des weiten Verständnisses, wobei die reine Erhöhung der Passiva nicht ausreicht3. Die erste Fallgruppe verfolgt das Ziel, jede Schmälerung des Aktivvermögens der Gesellschaft (Masseschmälerung) nach Eintritt eines Insolvenzgrundes zu erfassen. Betroffen sind alle Vermögensminderungen, angefangen von der Aufrechnung mit Gesellschaftsschulden, Warenlieferungen; nicht aber Vermögensminderungen aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eines Gläubigers (keine Rechtshandlung der Führungsorgane)4. Demgegenüber bürdet § 64 Satz 3 GmbHG/§ 92 Abs. 2 Satz 3 AktG den Führungsorganen die Haftung für eine Liquiditätsverschlechterung auf, die – im Sinne strenger Kausalität – überhaupt erst zu dem Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit führen musste. Es kommt nur auf Liquiditätsgesichts1 Ggf. Wirtschaftsauskünfte und Ratings, Jahresabschlüsse, BWAs, Vermögensübersicht etc. 2 Wie hier: Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 884 mit Streitstanddarstellung. 3 Vgl. BGH v. 26.3.2007 – II ZR 310/05, DStR 2007, 1004, 1005; OLG Hamburg v. 31.8.2005 – 11 U 55/04, ZIP 2005, 1968, 1971. 4 BGH v. 16.3.2009 – II ZR 32/08, GmbHR 2009, 937, 938; Geißler, GmbHR 2011, 907, 908.
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153
Teil 7 Rz. 154
Haftung
punkte i.S.d. § 17 InsO an, die Betrachtung der Vermögensminderung im Sinne der Überschuldungsfrage ist unerheblich. 154
Es gibt besondere Haftungsausnahmen: Für die Haftung wegen Masseschmälerung tritt nach den jeweiligen Sätzen 2 der §§ 64 Satz 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG die Ersatzpflicht nicht bei mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu vereinbarenden Zahlungen ein. Dies ist bei wertgleichem Austauschgeschäft oder aussichtsreichem Sanierungsversuch der Fall1.
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Auch bei § 64 Satz 3 GmbHG soll eine Ersatzhaftung des Geschäftsführers entfallen, wenn er bei sorgfältiger Prüfung davon ausgehen konnte, dass eine ausreichend liquiditätsrelevante Gegenleistung vorhanden ist, etwa bei Darlehensvergabe ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch. Haftungsrelevant ist daher auch die Bestellung einer Sicherheit für den Gesellschafter, wenn die Inanspruchnahme der Gesellschaft hieraus wahrscheinlich ist und ein liquider Rückgriffsanspruch nicht besteht. Derzeit ist umstritten, ob sog. „Limitation Languages“ die Ersatzpflicht vermeiden können, nach denen die Verwertung von Sicherheiten ausgeschlossen ist, wenn sie zur Zahlungsunfähigkeit führen2. Zudem wird man aus § 64 Satz 3 GmbHG ein Leistungsverweigerungsrecht des Führungsorganes gegenüber dem Gesellschafter ableiten können (str.)3. Für die Einhaltung des Sorgfaltsmaßstabs ist jeweils die Führungskraft darlegungs- und beweisbelastet4.
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(cc) Insbesondere in der Krise kann eine Außenhaftung gegenüber Neugläubigern relevant werden. Generell besteht selbstverständlich keine Pflicht, Vertragspartner über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu informieren, sofern nicht vorsätzliches Verhalten im Spiel ist. Bei Geschäftsabschlüssen in der Krise wird aber die Führungskraft von entsprechenden Warn- und Hinweispflichten gegenüber dem Geschäftspartner ausgehen müssen5. Bei Vertragsabschlüssen des Führungsorgans nach Ablauf der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist (§ 15a InsO), haftet es dem Dritten (Neugläubiger) für den vollen Ausfall dessen negativen Interesses gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a InsO; und zwar außerhalb Insolvenzverfahrens der Gesellschaft und nicht begrenzt auf einen Quotenschaden6. Für eine konkurrierende Geltendmachung eines Quotenschadens der Neugläubiger durch den Insolvenzverwalter nach §§ 823 Abs. 2 BGB, 15a InsO oder dieses Schadens als Gesellschaftsschaden ist daneben kein Raum. Allerdings kann dem Neugläubiger ein Quotenschaden zustehen, wenn seine Befriedigungsaussichten durch die Fortdauer einer Insolvenzverschleppung weiter verschlechtert wurden.
1 Geißler, GmbHR 2011, 907 (909) unter kritischer Betrachtung von kurzfristig eintretenden Wertverwerfungen, Bsp. Saisonware und Wertverlusten im Insolvenzverkauf. 2 Theusinger/Kapteina, NZG 2011, 881, 886. 3 Winstel/Skauradszun, GmbHR 2011, 185; Göb, NZI 2011, 394, 369. 4 Niesert/Hohler, NZI 2009, 345, 348 f. 5 Krause, BB 2009, 1370, 1371. 6 So zur Vorgängerregelung § 64 GmbHG bzw. § 92 Abs. 1 AktG: vgl. BGH v. 30.3.1998 – II ZR 146/96, ZIP 1998, 776; BGH v. 7.11.1994 – II ZR 108/93, ZIP 1995, 211, 212 f.; BGH v. 6.6.1994 – II ZR 292/91, NJW 1994, 2220 ff.
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Rz. 160 Teil 7
Haftung
Daneben sieht sich die Führungskraft auch strafrechtlichen Folgen ausgesetzt, etwa bei Überschreiten der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist (§ 15a InsO) oder Verstoß gegen die Pflicht zur Verlustanzeige (§ 84 Abs. 1 GmbHG, § 401 AktG). Ansatzpunkt einer insolvenzrechtlichen Haftung wird regelmäßig die Verletzung der Finanzplanungs- und Überwachungspflichten sein. Der Krisenbeginn wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter gutachterlich festgestellt. Es kommt für die Führungsorgane dann darauf an, ob sie für die Krisenzeit die Durchführung engmaschiger Prüfungen mit ggf. positiver Prognose unter Verneinung von Insolvenzgründen durch einen Berater zur Exkulpation nachweisen können.
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(6) Business Judgement Rule Engagement im unternehmerischen Bereich mündet nicht in einer Erfolgsgarantie der Führungskräfte, sondern fußt auf zwei Säulen: dem von den Gesellschaftern zu erbringenden Kapitaleinsatz und der mit diesem Kapital verbundenen Chancenwahrnehmung durch Geschäftsführungsorgane im Unternehmensinteresse. Da Geschäftsleiterverantwortung unternehmerisches Handeln verlangt, wäre die völlige Meidung wirtschaftlicher Risiken, die ein „ordentlicher Kaufmann“ vernünftigerweise zur Wahrnehmung der Geschäftschancen eingehen würde, eine Pflichtverletzung und kann eine Innenhaftung wegen entgangenen Gewinns begründen. Der BGH hat vor allem mit der ARAG-Entscheidung1 festgestellt,
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„dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte (…) ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist.“ Eine Schadenersatzpflicht wollte er erst annehmen, „wenn die Grenzen, in denen sich ein, vom Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind, die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder das Verhalten des Vorstands aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“
159
Der Gesetzgeber hat diese Grundsätze mit Neufassung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG aufgegriffen2 und bestimmt, wann trotz Fehlschlags, der sich in einem Schaden niederschlagen kann, keine Pflichtverletzung gegeben ist. Er löst das Spannungsfeld dahin, dass eine Chancenwahrnehmung unter angemessener Risikoabwägung keine Haftung begründet:
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1 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926 ff. 2 Eingeführt mit Wirkung zum 1.11.2005 durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG).
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Teil 7 Rz. 161
Haftung
161
„Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftiger Weise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“
162
Dieser „safe harbour“ gilt für den Vorstand, über den Rechtsgrundverweis des § 116 AktG auch den Aufsichtsrat im Rahmen seiner Aufsichtsfunktion und für den GmbH-Geschäftsführer entsprechend1, zumal sich die in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu unternehmerischem Handeln getroffenen Aussage zwanglos in den Sorgfaltsmaßstab eines „ordentlichen Kaufmannes“ nach § 43 Abs. 1 GmbHG hineinlesen lässt. Spiegelbildlich lässt sich der Entlastungsregelung die eigentliche Definition der Pflichtverletzung bei unternehmerischen Entscheidungen als materielle Haftungsvoraussetzung entnehmen2. Die negative Formulierung („liegt nicht vor“) verdeutlicht, dass das Führungsorgan im Haftungsprozess die dort genannten Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat. Ob es sich dabei um eine volle Darlegungs- und Beweislastumkehr bei festgestelltem negativen Ausgang eines Geschäftes handelt3, ist streitig. Mindestens dürfte von einer Enthaftungsmöglichkeit bei objektivem Fehlschlag mit der Folge einer qualifizierten Darlegungs- und Beweislastverteilung im Haftungsprozess auszugehen sein. Ein nicht unerheblicher Teil der Kommentierung folgert aus der ARAGEntscheidung, dass eine Haftungsverantwortung nur besteht, wenn die Grenze unternehmerischen Verhaltens deutlich überschritten ist4. Allerdings muss der Geschäftsleiter aufgrund der Tatbestandsmerkmale des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG vor Erreichen des safe harbour einige Hindernisse umschiffen: (a) Es muss sich um eine Situation handeln, in der eine unternehmerische Entscheidung getroffen werden muss, und zwar (b) unter der vernünftigen Annahme, (aa) auf angemessener Informationsgrundlage (bb) und zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
(a) „Unternehmerische Entscheidung“ 163
Der Anwendungsbereich der business judgement rule ist auf unternehmerische Entscheidungen beschränkt. Sie grenzen sich von den gebundenen Entscheidungen ab, bei denen es nur eine einzige pflichtgemäße Handlung (Tun oder Unterlassen) gibt.
164
(aa) Eine unternehmerische Entscheidung liegt nur vor, wenn der Führungskraft ein Handlungs- und Ermessensspielraum eröffnet ist. Dazu müssen mindestens zwei Verhaltensmöglichkeiten bestehen; und sei es nur, eine Hand1 Vgl. BGH v. 14.7.2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361. 2 Lücke/Schaub in: Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 57. 3 Vgl. Paefgen, NZG 2009, 891 ff.; Goette/Habersack/Spindler in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., § 93 Rz. 164. 4 Vgl. Hauschka, GmbHR 2007, 11 ff.; Kuntz, GmbHR 2008, 121 ff.
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Rz. 166 Teil 7
Haftung
lung vorzunehmen oder sie zu unterlassen. Unternehmerische Handlungsmöglichkeiten sind nur eröffnet, soweit sie tatsächlich möglich und rechtlich zulässig sind. Die rechtliche Zulässigkeit beschränkt den Handlungsspielraum von vorne herein durch die Gesamtheit der zwingenden Pflichten1. Das Legalitätsprinzip und hiermit im Einklang stehende unternehmenseigene Regelungen sind gebunden zu befolgen, da eine übergeordnete Willensentscheidung – entweder des Gesetzgebers oder des Unternehmens – bereits getroffen ist (zu den externen und internen Pflichten des Legalitätsgrundsatzes wird auf die Darstellung unter Rz. 83 bis 85 verwiesen). Eine „nur faktische“ Handlungsalternative, an die gesetzlich zwingende Unterlassungspflichten oder strafrechtliche Konsequenzen geknüpft sind, ist also zu unterlassen. Die absolute Pflichtenbindung der Führungsorgane an das Legalitätsprinzip verdeutlichen die Siemens-Entscheidung des BGH aus dem Jahre 2008 sowie das zum „Kölner Müllskandal“ ergangene Strafurteil des BGH vom 27.8.2010. Danach kann sich ein Geschäftsleiter nicht darauf berufen, dass von ihm begangene Kartellverstöße oder Schmiergeld für das Unternehmen nützlich seien. Die Einrichtung „schwarzer Kassen“, die nicht über die Bücher laufen zwecks Finanzierung „nützlicher Aufwendungen“ im In- und Ausland zur Steigerung der Auftragslage verletzt die in den § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verankerte Pflicht, für die Legalität des Handelns der Gesellschaft zu sorgen, wozu insbesondere auch die Erfüllung ihrer buchführungs- und steuerrechtlichen Pflichten und die zutreffende Darstellung der Vermögenslage gehören2. Da der Legalitätsgrundsatz den Handlungsspielraum des Unternehmens im Ganzen einschränkt, entlastet die Befolgung unternehmenseigener Regelungen, die auf gesetzlich verbotenes Verhalten gerichtet sind (= nichtige Beschlüsse oder Weisungen), die Führungskraft nicht von ihrer Pflichtwidrigkeit. Gleichwohl wird das Führungsorgan im Bereich der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft erhebliches Mitverschulden entgegenhalten können, dies jedenfalls, soweit Weisung oder Beschluss (nur) unwirksam und nicht evident nichtig waren und zwingende Kapitalschutzregeln nicht berührt sind. Es ist zuallererst Aufgabe des Führungsorgans die rechtlichen Grenzen und Folgen der unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten herauszufiltern. Bei komplexen (rechtlichen) Sachverhalten ist die Hinzuziehung eines spezialisierten Beraters unerlässlich.
165
Daneben gibt es tatsächliche Grenzen, bei denen der Ermessensspielraum überschritten ist. Es handelt sich um Extreme, die bereits mit dem weiteren Kriterium eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft zusammenhängen: Eine nur mit Risiken behaftete Handlungsmöglichkeit, die keine Chancen bietet, ist zu unterlassen. Gleiches gilt, wenn es sich um ein besonders risikoreiches Geschäft handelt. Zwar ist ein solches der Führungsebene nicht per se untersagt,
166
1 Auch nach der Begründung zum Regierungsentwurf ist implizietes Negativtatbestandsmerkmal, dass die Entscheidung nicht von vorn herein gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Begr. RegE des UMAG a.a.O. 13, vgl. auch Schäfer, ZIP 2005, 1253 ff. (1254 f.). 2 BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BB 2010, 2590 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rz. 8.
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Teil 7 Rz. 167
Haftung
sondern gerade Anwendungsfall der business judgement rule, sofern keine internen Regelungen entgegenstehen. Hier sind aber zwei harte Grenzen zu unterscheiden, zum einen die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts, zum anderen die Dimension des Risikos. Geschäfte, bei denen die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns deutlich überwiegt1 oder bei denen die Eintrittswahrscheinlichkeit von Risiken im Verhältnis zu Chancen unverhältnismäßig höher ist2, überschreiten das erlaubte Risiko. Völlig unabhängig von jeglicher Wahrscheinlichkeitserwägung ist das erlaubte Risiko stets überschritten, wenn die Folgen seiner Realisierung aus der ex ante Sicht existenzbedrohend wären3. 167
Bei außergewöhnlichen oder besonders riskanten Geschäften stellt es zudem eine gebundene Entscheidung dar, zumindest die Gesellschafter tatsächlich und rechtlich aufzuklären, damit ihre irrtumsfreie Beschlusskompetenz gewahrt ist. Wird dies unterlassen, kann der Zugang zur Enthaftung bereits versperrt sein. Für den Maßstab, ob die Risikoabwägung noch innerhalb des Vertretbaren liegt, werden teils auch die unternehmensspezifische Beurteilung des Gesamtvorstandes oder Aufsichtsrates indiziell herangezogen4. Dies kann indes von dem Interesse eines Abschiebens der Haftungsverantwortung „wenn es brennt“ auf ein Geschäftsführungs- oder Vorstandsmitglied geprägt sein. Man wird daher verlangen können, dass sich ein unternehmensspezifischer Risikomaßstab in dem Unternehmen bereits vor und außerhalb der fraglichen Pflichtverletzung manifestiert oder dokumentiert hat.
168
Auch die Errichtung des Compliance- oder Risikoerkennungssystems unterliegt einem nach den Unternehmensverhältnissen zu beurteilenden Gestaltungsermessen der Führungsorgane, sofern keine bindenden Vorgaben der Gesellschafter bestehen. Allerdings wird das Fehlen eines funktionsfähigen Risikoerkennungssystems als Ermessensnichtgebrauch stets pflichtwidrig sein. § 91 Abs. 2 AktG fordert dessen Einrichtung zur Vermeidung unternehmensgefährdender Entwicklungen für die Aktiengesellschaft. Wie §§ 130, 30 OWiG zeigen, wird auch für die GmbH ein Überwachungssystem unerlässlich verlangt.
169
Teilweise wird die „Zulässigkeit“ einer Handlungsmöglichkeit, erst im Rahmen der „vernünftigen Annahme“ eines Handelns zum Wohle der Gesellschaft erörtert, ändert aber an der absoluten Ermessensgrenze nichts.
170
(bb) Das Zivilrecht zählt zur objektiven Rechtsordnung. Allerdings kann eine Handlung (Tun oder Unterlassen), mit welcher die Führungskraft zivilrechtliche Pflichten des Unternehmens gegenüber Dritten verletzt, durchaus unternehmerisch sinnvoll sein. Die Führungskraft kann von einer Zulässigkeit im Sinne einer Handlungsmöglichkeit ausgehen, wenn – es sich nicht um zivilrechtliche Pflichten gegenüber der Anstellungskörperschaft oder dem durch diese nach zwingenden Vorschriften zu wahrenden Gläubiger- und Kapitalschutz handelt, 1 2 3 4
Vgl. BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, DStR 1997, 880, 882. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 82. OLG Thüringen v. 8.8.2000 – 8 U 138/98, GmbHR 2001, 243 (rk). OLG Celle v. 28.5.2008 – 9 U 184/07, NZG 2008, 669, Anm. von Petrovicki in: FDHGR 2008, 264007.
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Rz. 174 Teil 7
Haftung
– keine straf- oder bußgeldbewehrte Pflicht betroffen ist, – die Vorteile bei Erfolg die Nachteile bei dessen Fehlschlag deutlich überwiegen können; – die Unternehmensträger informiert sind. Der business judgement rule unterfallen damit schuldrechtliche Beziehungen des Unternehmens zu Dritten, bei denen eine oder beide Parteien erst noch eigene Handlungen (Obliegenheiten) entfalten müssen, um ihren Willen zur Anspruchsdurchsetzung zu manifestieren. Dann handelt es sich um privatrechtliche Positionen, über die der Einzelne disponieren kann, ohne dass der Staat ein Verfolgungsinteresse zeigt. Namentlich die Nichterfüllung vertraglicher Pflichten gegenüber einem Dritten kann eine zulässige Handlungsalternative sein, wenn die begründete Annahme einer eigenen Nachlässigkeit des Vertragspartners (Obliegenheitsverletzung) besteht, also bspw. vertragliche Ausschlussfristen überschritten oder Verjährungsgesichtspunkte übersehen werden. Denn schuldrechtliche Obliegenheiten sind Ausdruck eigener Risikoverantwortung und Dispositionsbefugnis einer Partei über ihre Interessen. Im Einzelfall berechtigt kann ein reiner Zivilrechtsverstoß auch sein, wenn die Gesellschaft selbst bei Inanspruchnahme durch den Vertragspartner wegen Vertragsverletzung oder Nichterfüllung noch ein gewinnbringendes Kompensationsgeschäft schließen kann.
171
Das Führungsorgan hat allerdings zu beachten, dass die von vorne herein gehegte Absicht, eigenen Leistungspflichten nicht nachzukommen, aufgrund Täuschung (Eingehungsbetrug nach § 263 StGB) keine zulässige Handlungsalternative darstellt. Des Weiteren ist dem Geschäftsleiter bei Verletzung „nur zivilrechtlicher“ Pflichten dringend zu empfehlen, Gesellschafter und/oder Aufsichtsrat zu informieren und ggf. die Zustimmung einzuholen, falls ausreichend Zeit vorhanden ist. Selbstverständlich müssen sich Führungskraft und Gesellschaft darüber im Klaren sein, dass mit dem Verstoß gegen zivilrechtliche Pflichten auch das Image des Unternehmens oder sogar dessen Kreditwürdigkeit bzw. wirtschaftliche Einstufung in Unternehmensauskünften aufs Spiel gesetzt wird.
172
Wer sich schnell entwickelnde Technologie-Märkte verfolgt, wird feststellen, dass sich Wettbewerber in teils schwindelerregenden Betragshöhen wechselseitig mit Klagen wegen Wettbewerbs-, Urheber- oder Patentrechtsverletzungen überziehen. Auch kommt es immer wieder vor, das Namens- oder Markenrechte Dritter verletzt werden, um die eigene Produktlinie oder das ModellBranding zu vervollständigen. Die bewusste Verletzung gewerblicher Schutzrechte unterliegt freilich strafrechtlichen Spezialregelungen. Ebenso können verletzte Wettbewerber bzw. Schutzrechtsinhaber nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 3, 7 und 9 UWG, § 139 PatG, § 14 Abs. 5, § 6 MarkenG und § 42 Abs. 1, 2 GeschmMG Ansprüche nicht nur gegen die Gesellschaft, sondern auch direkt gegen den „handelnden“ Vorstand oder Geschäftsführer richten, so dass eine Außenhaftung entstehen kann.
173
Maßnahmen überschreiten aber die unternehmerischen Ermessensgrenzen nicht, wenn und soweit sie nicht auf eine Schutzrechtsverletzung ausgerichtet
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Teil 7 Rz. 175
Haftung
sind und zumindest mit rechtlich vertretbarer Rechtfertigungsmöglichkeit erfolgen. Dies fordert dem Führungsorgan im Vorfeld eine genaue Schutzrechtsanalyse unter Zuhilfenahme rechtlicher Berater ab. Die Gesellschaft kann sich dann entscheiden, das Risiko einer Verletzung fremder Schutzrechte einzugehen, wenn vertretbare Argumente vorhanden sind, die Kriegskasse auskömmlich und der Nutzeffekt ausreichend groß erscheint, um etwaige Entschädigungs-, Vergleichs- oder Lizenzzahlungen abzudecken. Es versteht sich von selbst, dass eine derartige Entscheidung aufgrund der weitreichenden finanziellen und Imagerelevanten Bedeutung der Zustimmungskompetenz der Gesellschafter unterliegt, sofern diese nicht freie Hand erteilt haben.
(b) Handeln in vernünftiger Annahme im doppelten Sinn 175
Liegt eine Situation vor, die einer unternehmerische Entscheidung bedarf, fordert die Entlastungsregelung einen tatsächlichen Entscheidungsprozess durch bewusste Wahl zwischen Handlungsalternativen. Das Nichttreffen einer Entscheidung in einer Situation, in der eine Ertrags- und Handlungsmöglichkeit aktiv zu verfolgen gewesen wäre, kann bereits nach der Generalklausel des § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 AktG pflichtwidrig sein und erfüllt die Enthaftungsregelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht. Beispiel für die Unterschreitung der Entscheidungskompetenz: Der Geschäftsleiter übersieht ein vertragliches Wahlrecht, lässt ein befristetes Angebot eines Geschäftspartners an sich vorbeiziehen, ohne sich nachvollziehbar dafür oder dagegen entschieden zu haben.
176
Die Wahrnehmung der Entscheidungskompetenz ist eng mit der sorgfältigen Prüfung der Informationsgrundlage verknüpft. Die Dokumentation der Situationsanalyse ist bei wichtigen Entscheidungen erforderlich, um dem Vorwurf der Kompetenzunterschreitung entgegenzuwirken.
177
„Vernünftige Annahme“ und Ex-ante-Sicht: Eine unternehmerische Entscheidung bezieht sich auf eine Situation, deren Ausgang nicht feststeht, bei der aber jede Handlungsvariante unternehmenstypische Chancen birgt, die gegeneinander unter Einbeziehung der Risiken abzuwägen sind. Die Frage der (fehlenden) Pflichtverletzung ist nicht nachträglich (ex post) zu dem Zeitpunkt, in dem das Ergebnis vorliegt, zu beurteilen, sondern ausschließlich ex-ante zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung für die Zukunft zu treffen war. Alle für die Pflichtverletzung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände – des Bestehens von Handlungsalternativen und deren Folgen, – die Prüfung der Informationsgrundlage, – die Annahme, im Unternehmenswohl zu handeln, – des Verschuldens – sind ausschließlich aus der damaligen Situation heraus zu beurteilen.
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Rz. 180 Teil 7
Haftung
Allein der Schaden als haftungsausfüllender Tatbestand wird vom Ergebnis her (ex post) betrachtet. Die genaue zeitliche Differenzierung der Kriterien verhindert eine Garantiehaftung und ist für das Führungsorgan von außerordentlicher Relevanz für die Frage der Enthaftung.
178
Die Informationsermittlung ist die tatsächliche und rechtliche Ausgangslage der Entscheidung, das Unternehmenswohl das zu verfolgende Ziel (Leitmotiv). § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verobjektiviert den Maßstab, indem die „vernünftigen Annahme“ für beide Kriterien gilt. Beide Voraussetzungen müssen lediglich im Rahmen des aus der ex-ante-Sicht („Annahme“) eines ordentlichen Geschäftsmannes Vertretbaren („Vernünftigen“) liegen. Im Ergebnis ermöglicht dieser Maßstab ein Herantasten an die äußerste Grenze dessen, was ein Kaufmann an Risiken in der konkreten Situation für das konkrete Unternehmen eingegangen wäre.
179
(aa) Die Führungskraft hat den maßgeblichen Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hinsichtlich Handlungsmöglichkeiten, ihrer Grenzen und Folgen, jeweils für den positiven wie den negativen Ergebnisfall so vollständig wie möglich zu ermitteln und Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Die Alternativen sind auf Grundlage anerkannter und praktisch bewährter betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse zu beurteilen1. Im Haftungsprozess hat zwar die Gesellschaft als Anspruchssteller die Pflichtverletzung darzulegen und zu beweisen. Aufgrund Sachnähe des Führungsorgans (auch des ehemaligen) zu dem operative Geschäft und dem Prinzip der Gesamtverantwortung ist indes von einer qualifizierten Darlegungs- und Beweislastverteilung auszugehen. Die Gesellschaft hat neben dem Schaden lediglich die Möglichkeit einer Pflichtverletzung darzulegen. In Bezug auf die Pflichtwidrigkeit sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, da die Gesellschaft häufig nicht beurteilen kann, was genau den Geschäftsleiter bei seiner Entscheidung „umgetrieben“ hat. Man wird ihre Darlegungslast also eher dahin verstehen müssen, Umstände darzulegen, nach denen eine Pflichtverletzung nicht schlechthin ausgeschlossen ist. Das wäre etwa der Fall, wenn dem Geschäftsleiter in der gegebenen Situation keine Alternative zu dem beschrittenen Weg offenstand. Demgegenüber hat der Geschäftsleiter, wie die negative Formulierung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG bestätigt, insbesondere darzulegen und zu beweisen, von welcher Informationsgrundlage er mit welchen Erwägungen ausgegangen ist. Kommt er dem nach, liegt wiederum die Darlegungs- und Beweislast für die Fehlbeurteilung und/oder das Überschreiten der Ermessensgrenzen über die externen und internen Pflichten hinaus wie auch die Kausalität für den eingetretenen Schaden, bei der Gesellschaft. Obwohl damit eine Beweissicherung zur „Informationsgrundlage“ im Enthaftungsinteresse der Führungskraft liegt, ist eine Dokumentation in praxi allzu selten, geschweige denn vollständig vorzufinden. Dies kann der Versuch der Führungskraft sein, sich die Verteidigung „für alle Fälle“ offenzuhalten, ändert an der sie treffenden Darlegungs- und Beweislast aber nichts.
180
1 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 70a.
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Teil 7 Rz. 181
Haftung
Beispiel: Die Kalkulation ist insbesondere bei individuell ausgerichteten Aufträgen eine unternehmerische Entscheidung. Ein Angebot muss kaufmännisch vertretbar kalkuliert sein. Richtschnur ist, was im internen Betriebsvergleich bei derartigen Geschäften abgerechnet wird oder was, falls ein solcher nicht feststellbar ist, branchentypisch unter Anwendung allgemeiner betriebswirtschaftlicher Grundsätze abzurechnen ist. Es empfiehlt sich eine zeitnahe Dokumentation der Kalkulationsgrundlagen, sofern sie sich nicht nach Kalkulationsrichtlinien des Unternehmens richtet.
181
Im eigenen Enthaftungsinteresse sollte der Geschäftsleiter zumindest bei unüblichen, komplexen oder haftungsrelevanten Entscheidungssituationen auch eine Aufklärung der Gesellschafter oder des Aufsichtsrates dokumentieren. Bei einem mehrgliedrigen Geschäftsführungs- oder Vorstandsgremium sollten derartige Entscheidungen im Gesamtorgan erörtert und beschlossen werden.
182
Der Unternehmensrealität trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem nur von „angemessener“ Informationsgrundlage die Rede ist. Dies verschafft dem Führungsorgan einen weiteren Beurteilungsspielraum in Bezug auf den Umfang der einzuholenden Informationen. Die Bestimmung der Informationsdichte ist bereits eine Gesamtabwägung folgender Faktoren: – tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Informationsbeschaffung; – zeitliche Umstände, Zeitdruck oder zeitlicher Vorlauf; – Gewicht und mögliche Risiken der Entscheidung für das Unternehmen; – Kosten und Aufwand der Informationsbeschaffung.
183
Die Faktoren bedingen sich gegenseitig: Je risikoreicher oder wichtiger eine Entscheidung für das Unternehmen ist, desto mehr muss der zumutbare Rahmen der Informationsbeschaffung auch bei Zeitdruck ausgeschöpft werden. Nach dem übergeordneten Maßstab der „vernünftigen Annahme“ kommt es allerdings nur darauf an, ob der Grad der Informationsermittlung in einem vertretbaren Rahmen liegt. Vertretbarkeit ist auch an der Grenze dessen gegeben, was ein Kaufmann an Risiken etwaiger Informationslücken oder Ergebnisprognosen in der konkreten Situation noch eingegangen wäre. „Annahme“ ist keine „Gewissheit“, die in der Regel innerhalb des im laufenden Geschäftsbetrieb zur Verfügung stehenden Zeitraumes auch nicht erlangt werden kann1. Lassen sich ohne genauere Prüfung zwar nicht alle Umstände verlässlich abschätzen, steht aber in jedem Fall die Zumutbarkeit der Folgen eines worstcase-Szenarios sicher fest, kann es bei Zeitdruck sachgerecht sein, es bei einer summarischen Einschätzung der greifbaren Informationen zu belassen. Allerdings darf dies nicht missverstanden werden, dass erst grob fahrlässig entstandene Informationslücken schädlich wären und einfache Fahrlässigkeit dem Ausschluss einer Pflichtverletzung nicht im Wege stünde2. Eine vertretbare Sichtweise ist keine fahrlässige, sondern eine sorgfältig Risikobewusste. Dies 1 Vgl. BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, DStR 1997, 880 (881 f.). 2 Lücke/Schaub in: Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 61 unter Hinweis, dass der Referentenentwurf zum UMAG mit seinem Vorschlag der „groben Fahrlässigkeit“ nicht Gesetz geworden ist.
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Rz. 185 Teil 7
Haftung
verdeutlicht insbesondere die Pflicht, bei komplexen Sachverhalten externen Rat eines Fachmannes hinzuzuziehen, wenn dies für die Beurteilung der Situation in tatsächlicher, technischer oder rechtlicher Hinsicht erforderlich ist. Stellt der Geschäftsleiter fest, dass er innerhalb des gegebenen Zeitrahmens eine verantwortungsvolle Entscheidung nicht treffen kann, hat er eine Sicherungsmaßnahme abzuwägen, die ihm die Entscheidungsmöglichkeiten vorläufig noch offen hält. Gerade in zeitkritischen Entscheidungssituationen empfiehlt sich die Information der nächsthöheren Organisationsebene (Gesamtvorstand, Aufsichtsrat oder den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung). (bb) Die Abwägung der Handlungsalternativen ist an dem zu orientieren, was die Unternehmensinteressen am besten wahrt. Gleichwohl ist auch der Begriff des Unternehmenswohls interpretationsbedürftig. Er richtet sich nach unternehmensindividuellen Maßstäben. In Kommentierung und Rechtsprechung finden sich unterschiedlichste Ansätze. Sie reichen von dem Gesellschaftszweck, der bei der gewerblich handelnden GmbH auf eine Gewinnmaximierung oder Steigerung des Unternehmenswertes gerichtet ist (shareholder value) bis zum Kreis aller an der Unternehmensentwicklung berechtigt Interessierten („shareholder“ und „stakeholder“)1, wobei erfasst sein können die „internen stakeholder (shareholder: Unternehmensinhaber und Gesellschafter; die Mitarbeiter und das Management) und/oder die externen stakeholder (Kooperationspartner, verbundene Unternehmen, Gläubiger). Fraglos können die Interessen der schlagwörtlichen shareholder und stakeholder maßgeblich sein, allerdings kann der Kreis der stakeholder tatsächlich wie betriebswirtschaftlich zu weit gehen. Das Merkmal des Unternehmenswohls erfordert in jedem Fall eine konkrete (sachverhaltsabhängige), unternehmensindividuelle Beachtung der Willensbildung der Unternehmensträger (Gesellschafter), die konsentiert das Unternehmensziel festlegen; und zwar bereinigt um (abweichende) egoistische Interessen des Führungsorgans2. Das Unternehmenswohl dient primär der Bereinigung um Eigeninteressen der Führungskraft, die zwar an der Unternehmensentwicklung partizipiert, sich hierzu aber auch in Interessenskonflikt begeben kann. Dies zeigen variable Tantiemeregelungen, bei denen der Geschäftsleiter aufgrund Umsatz- oder Gewinnabhängigkeit ein eigenes Interesse an der Ertragsentwicklung in einem Wirtschaftsjahr oder der Berichtsperiode hat (stakeholder). Anreizgebunden wird er die Unternehmensinteressen verfolgen, die aber auch vorgehen.
184
So muss er sein Tantiemeinteresse in einem Geschäftsjahr zurückstellen, wenn eine periodenübergreifende Entwicklung für das Unternehmen vorrangig ist und eine maßvolle Preispolitik in einem Wirtschaftsjahr erfordert. Dann verlagert sich das Unternehmensziel auf eine langfristige Rentabilität. Ein anderes Beispiel ist der Gesellschafter-Geschäftsführer, insbesondere bei der Einmann-GmbH. Hier überlagern nicht selten Gesellschafter- oder private Interessen die Geschäftsleitungsfunktion, was u.a. den steuerlichen Konflikt der ver-
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1 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rz. 20; Rz. 12–14; Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 71a. 2 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 66, 68.
Hüffer,
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§ 76
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Teil 7 Rz. 186
Haftung
deckten Gewinnausschüttung birgt, wenn Vorteile eingeräumt werden, die fremdüblichen Konditionen nicht mehr entsprechen. 186
Das Interesse, in einem konkreten Geschäft einen möglichst optimierten Ertrag zu erzielen und Geschäftschancen auszuschöpfen1, ist das Grundprinzip. Der Geschäftsleiter muss – Angebote mit angemessener Gewinnmarge kalkulieren, – die Preispolitik des Unternehmens und der Branchenüblichkeit beachten, – bei Verträgen die bestmöglichen Konditionen aushandeln, – Forderungen der Gesellschaft unter Wahrung der Verjährungsfristen durchsetzen und verfolgen2, um das i.d.R. auf Gewinnentstehung gerichtete shareholder-Interesse zu wahren3. Allerdings geht das Unternehmensinteresse über das einzelne Geschäft und eine Kurzzeitrendite hinaus und ist i.d.R. auf eine nachhaltige Rentabilitätsfürsorge gerichtet.
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Führungsorgane genügen ihrer Pflicht zum Verfolgen nachhaltiger Rentabilität, wenn bei vernünftiger Annahme ernsthafte Anhaltspunkte bestehen, dass eine für das Einzelgeschäft bestmögliche Kalkulation die Geschäftsbeziehung oder den Ruf des Unternehmens negativ beeinflussen kann oder bei „nachgiebigerer“ Positionierung eine langfristige Geschäftsbeziehung mit Folgeaufträgen zu erwarten ist. Hierin steckt ein zulässiger Akquise-Aspekt, den der Geschäftsleiter unter sorgfältiger Abwägung nach dem Maßstab des „vernünftigen Kaufmannes“ verfolgen darf. Eine vernünftige Kalkulation ist dann allerdings nicht entbehrlich, sondern muss gerade um eine mittelfristige Gewinnprognose erweitert werden4. Da dann das Einzelgeschäft nach dem ersten Anschein nachteilig ist, unterliegt es dem Anwendungsbereich der business judgement rule, die ja ihm Kern auf die Frage gerichtet ist, ob bei einem Fehlschlag eine Pflichtverletzung vorliegt. Die Führungskraft wird im besonderen Maße ihre Abwägung darlegen und dokumentieren müssen. Will sie auf für Kurzfrist-Rendite bzw. Jahresergebnis wesentliche Erträge verzichten, wird das Merkmal der „vernünftigen Annahme“ im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Pflicht beinhalten, einen Gesellschafterbeschluss einzuholen.
(c) Typische Problemfälle (aa) Nachgiebige Forderungsdurchsetzung 188
Das Unterlassen einer Forderungsdurchsetzung muss nicht immer pflichtwidrig sein, wenn hierfür Verhältnismäßigkeit von Rechtsverfolgungskosten oder 1 Verstoß also durch Unterlassen oder Vereitelung möglich. 2 Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 77c. 3 Bei gemeinnützigen GmbHs (gGmbH) ist Schwerpunkt die Umsetzung des ideellen Satzungszwecks; unterhält sie allerdings einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der kein Zweckbetrieb ist, müssen ebenfalls fremdübliche Konditionen gewahrt werden. 4 OLG Zweibrücken v. 29.1.2007 – 7 U 245/05.
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Rz. 190 Teil 7
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Imagevorteile sprechen. Die Führungskraft muss aber bewusst entscheiden; die „unterbliebene Forderungsdurchsetzung“ wäre ein Versäumnis. Gerade Fälle der Nichtverfolgung von Unternehmensforderungen durch Verjährenlassen oder schlichte Untätigkeit bergen noch nach Jahren erhebliches Konfliktpotential. Nicht nur ist die zeitnahe Ertragserzielung Gebot eines vernünftigen Kaufmannes, sondern es werden Umsatzsteuerlasten ausgelöst, die eine zeitgerechte Deckung durch Forderungseinzug erfordern. Das Hinausschieben der Rechnungstellung erweist sich in Anbetracht der üblichen Soll-Versteuerung1 spätestens bei einer Umsatzsteuer-Prüfung als Bumerang, der eine Zinsbelastung mit sich bringt. Die Steuerhinterziehung „auf Zeit“ gelangt in praxi zusehends in den Fokus der Finanzämter. Führungskräfte müssen bei „bewusstem“ Kulanzverzicht also an die steuerlichen Folgeregelungen der §§ 14a, 17 UStG denken und die Bemessungsgrundlage samt Steuerausweis reduzieren, um eine Umsatzsteuerkorrektur im Unternehmensinteresse bewirken zu können. Insoweit erlangen zeitnahe Dokumentation und konsequentes Handeln für die Entlastung des Unternehmens gegenüber dem Fiskus erhebliche Bedeutung. Das Unterlassen einer Dokumentation ist dann nicht nur Obliegenheits- sondern echte Pflichtverletzung.
(bb) „Nützliche Gesetzesverstöße“ Die Annahme von Bestechungsgeldern durch den Geschäftsleiter, auch in Form sog. kick-back-Zahlungen, beinhaltet stets einen Verstoß gegen das Gesellschaftswohl. Der nach Aufdeckung anzutreffende Verteidigungsversuch, er habe das „beste“ Ergebnis für das Unternehmen erzielt, verfängt nicht. Die zivilrechtliche wie strafrechtliche Rechtsprechung unterstellt, dass das Schmiergeld von dem Vertragspartner miteingepreist ist und das Volumen beinhaltet, um das bei redlichem Verhalten die Auftragssumme hätte geringer ausfallen müssen (Unternehmen auf Auftraggeberseite) bzw. um das ein Auftragsentgelt entsprechend hätte erhöht werden können (Unternehmen auf Auftragnehmerseite). Dabei geht die strafrechtliche Rechtsprechung von einem Indizienbeweis aus, während zivilprozessual der Schaden als Beweis des ersten Anscheins anzunehmen ist2. Hinzukommt, dass Führungsorgane aus ihrem Auftragsverhältnis gegenüber der Anstellungskörperschaft nach § 667 BGB analog bzw. §§ 687 Abs. 2, 681, 667 BGB alles herauszugeben haben, was sie im Zusammenhang mit der Auftragsdurchführung erhalten, so dass es auf einen Schadensnachweis nicht ankommt. Nach den oben dargelegten Kriterien liegt auf der Hand, dass die Führungskraft Legalitätspflichten ihrer Anstellungskörperschaft aufgrund strafrechtlicher Relevanz (§§ 299, 331 ff. StGB) verletzt. Neben Schadenersatzklagen der Mitbewerber drohen dem Unternehmen auch Bußgelder nach §§ 130, 30, 9 OWiG.
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Die Abgrenzung von Schadenersatz und Herausgabeanspruch ist weniger für die Haftung des Geschäftsleiters als für die Gesellschaft von Bedeutung. Im Strafverfahren wird die Staatsanwaltschaft regelmäßig den Verfall der aus der
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1 § 13 Abs. 1 Nr. 1a UStG: Entstehung der Steuer im Zeitraum der Leistungserbringung. 2 Vgl. nur BGH v. 26.3.1962 – II ZR 151/60, NJW 1962, 1099, 1100; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 266 Rz. 117–119.
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695
Teil 7 Rz. 191
Haftung
Tat erlangten Schmiergelder oder kick-back-Zahlungen zu Gunsten des Staates beantragen. Das Verfallsrecht des Staates wird nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB aber nur durch einen durch die Tat „Verletzten“ verdrängt. Dies setzt einen Schadenersatzanspruch voraus, der mit einem Herausgabeanspruch allein noch nicht gegeben ist1. 191
Bei Zahlung von Bestechungsgeldern („nützliche Aufwendungen“) zur Auftragserlangung ist die business judgement rule schon aufgrund Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip nicht eröffnet. Auch wirtschaftlich entspricht die „Entscheidung“ keiner „vernünftigen Annahme“ i.S.d. des Gesellschaftswohls. Sie ist unmittelbar mit zivilrechtlichen und strafrechtlichen Konsequenzen behaftet (§ 823 Abs. 2 BGB, §§ 299 Abs. 2, 334 StGB, § 130 OWiG). Erfolgt die Zahlung von Bestechungsgeldern gegenüber den unternehmenseigenen Kontrollorganen (Aufsichtsrat, Gesellschafter) verdeckt, etwa über schwarze Kassen, verletzt die verantwortliche Führungskraft neben der Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung (§ 41 GmbHG, § 91 AktG, § 239 HGB) und Jahresabschlusserstellung (§§ 263, 290 HGB) auch die Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Gesellschaft (Untreue nach § 266 StGB). Dieser wird kein zutreffender Überblick über ihre Vermögenslage sowie Rechte und Pflichten einschließlich der gegen das Führungsorgan bestehenden Ansprüche verschafft2. Wie im Zusammenhang mit der Verletzung von Buchführungspflichten bereits ausgeführt, kann ein (verdecktes) Überschuldungsrisiko i.S.d. § 15a, 19 InsO angelegt sein, wenn die Verwendung der schwarzen Kasse eigenkapitalüberschreitende Schadenersatzansprüche Dritter, insbesondere Wettbewerber, und ein Bußgeldrisiko i.S.d. § 130 OWiG auslöst. Hierüber besteht keine Dispositionsbefugnis irgendeines Gesellschaftsorgans.
(cc) Sponsoring und Spenden 192
Der business judgement rule unterliegen grundsätzlich auch Sponsoring- und angemessene Spendenmaßnahmen, die Image und langfristige Rentabilität positiv beeinflussen können. Haftungsrechtlich sollte das Führungsorgan beachten, dass die Thematik regelmäßig eine Beschlussgrundlage auf Gesellschafterebene verlangt, zumal insbesondere bei Spenden eine sachliche Nähe zur Gewinnverwendung gegeben ist3. Allerdings geht der BGH davon aus, dass unentgeltliche Zuwendungen in angemessenen Umfang im Ermessensspielraum der Führungsorgane liegen können. Es sollen (erst) solche Zuwendungen der Zustimmung bedürfen, die keinen oder nur einen eingeschränkten Werbeeffekt und keinen Unternehmensbezug haben4. Dies erschließt sich für das Sponsoring am ehesten, das einem Leistungsaustausch angenähert sein und dem Marketing- und Werbebudget unterliegen kann. Spenden sind hingegen in erheblichen Maße steuerlich motiviert; Gegenleistungen außerhalb einer allgemeinen Nennung als „Gönner“ sind schon gemeinnützigkeitsrechtlich i.d.R. nicht zu erwarten. 1 2 3 4
Str, vgl. LAG Berlin v. 30.11.2004 – 3 Sa 1634/04, BB 2005, 2532 ff. BGH v. 27.8.2010 – 2 StR 111/09, BB 2010, 2590 – „Kölner Müllskandal“. Meilicke, NJW 1959, 409, 412. Schon BGH v. 24.1.1957 – II ZR 208/55, NJW 1957, 588, 589.
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Rz. 194 Teil 7
Haftung
Die Entscheidungskompetenz des Geschäftsleiters findet ihre Grenze in einem angemessenen Verhältnis der Zuwendung zur finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft unter Berücksichtigung des zu erwartenden Werbe- oder Imagevorteils, der sich nach dem Maßstab eines sachlichen Unternehmensbezugs beurteilen lässt1. Bei Spenden kann in Anbetracht des eingeschränkten Werbeeffektes die steuerliche Abzugsfähigkeit eine zu beachtende betragsmäßige Obergrenze markieren2. Haben die Gesellschafter die Grundentscheidung zur Erbringung von Sponsoring- und Spendenmaßnahmen gefällt, wollen die konkrete Entscheidung aber den Führungskräften überlassen, so schafft ein Geschäftsverteilungsplan mit Zuordnung zum Marketingressort unter Implementierung ausreichend klarer Verwendungsrichtlinien einen sachgerechten Entscheidungsrahmen. Anderenfalls kann die Tatsache, dass die Frage von Zuwendungen auch eine persönliche Entscheidung des Geschäftsleiters unter Nutzung eines sozialen Netzwerks ist, den (ggf. unberechtigten) Vorwurf eines Eigeninteresses provozieren. Ebenso kann es zu Unschärfen gegenüber einer Vorteilsgewährung oder strafrechtlichen Bestechung (§§ 331 ff. StGB) kommen und den Vorwurf von „Filz“ als negatives Image provozieren. Dass sich die Thematik bei Parteispenden oder öffentlicher Trägerschaft des Zuwendungsempfängers sensibilisiert, muss nicht weiter erörtert werden. Auch ein Ressortzuständiger Geschäftsleiter sollte bei Zweifeln das Gesamtmanagement informieren oder Zustimmung durch einen Gesellschafterbeschlusses anfordern.
193
(dd) Unternehmenskäufe Sofern es sich nicht aufgrund Unternehmenswesentlichkeit, Satzung oder Beschlusslage um eine den Gesellschaftern vorbehaltene Entscheidung handelt, kann sich die Geschäftsleitung im Rahmen der Sorgfaltsmaßstäbe der §§ 43 GmbHG, 93 AktG zu einem Unternehmenskauf entscheiden. Es handelt sich um eine unternehmerische Entscheidung i.S.d. business judgement rule3. Allerdings beinhaltet dies die Pflicht zur sorgfaltsgemäßen Information und Beteiligung von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat4. Denn die Gesellschafterversammlung bestimmt die Grundzüge der Unternehmensstrategie und beschließt über außergewöhnliche Geschäfte, wozu i.d.R. der Kauf anderer Unternehmen oder Unternehmensanteile zählt, wenn dies nicht zum laufenden Geschäft (Umlaufvermögen) gehört. Um im Unternehmenswohl handeln zu können, muss die geplante Transaktion eine den Gesellschaftszweck fördernde Strategie beinhalten. Da Unternehmenskäufe unvermeidbar risikobehaftet sind, müssen die Einzelfallumstände, insbesondere Art, Größe und Geschäftstätigkeit des erwerbenden Unternehmens abgewogen werden. Der Kauf von „Beteiligungen“ kann in dem einen Unternehmen üblich, in einem
1 2 3 4
Vgl. BGH v. 6.12.2001 – 1 StR 215/01, NJW 2002, 1585 ff. – „SSV Reutlingen“. Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 78a m.w.N. BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, DStR 1997, 880, 882. OLG Oldenburg v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 437. Aufsichtsrat: Böttcher, NZG 2007, 481, 485.
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Teil 7 Rz. 195
Haftung
anderen schon für sich pflichtwidrig sein. Pflichtwidrig sind Transaktionen, welche – die Existenz des kaufenden Unternehmens bedrohen, was bei Angreifen des Stammkapitals der Fall ist; – auf Beteiligungen oder Betriebe gerichtet sind, die keine greifbaren Ertragsaussichten vermitteln; – mit dem Unternehmensgegenstand des erwerbenden Unternehmens oder eine Satzungsbestimmung nicht vereinbar sind1. 195
Ein Vorteil aus dem Unternehmenskauf muss für das erwerbende Unternehmen zudem wahrscheinlicher als ein Vermögensnachteil sein. Führungskräfte müssen den Unternehmenserwerb mit Sorgfalt planen und vorbereiten (Erwerbsart: Share oder Asset Deal, Erwerb durch eigens gegründete Tochtergesellschaft, steuer-optimierte Gestaltung und finanzielle Planung). Hierzu können sie Sachverstand unternehmenseigener Mitarbeiter oder externer Berater (Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Unternehmens- und Steuerberater) heranziehen. Insoweit gelten die zur Delegation und Aufsichtspflicht dargelegten Grundsätze, wobei mit steigender Bedeutsamkeit der Transaktion auch die Kontrollpflicht steigt. Grundsatzentscheidungen müssen Führungskräfte, erforderlichenfalls unter Gesellschafterzustimmung, selbst treffen. Ihnen obliegt auch die Überwachung der Durchführungsphase (sog. post merger-Phase)2. Je nach Einzelfall kann die übliche Ressortverteilung außer Kraft gesetzt und eine Gesamtverantwortung auch „ressortfremder“ Führungskräfte wieder erstarkt sein.
196
Eine Due-Diligence-Prüfung ist das entscheidende Instrument, um für Führungskräfte auf Käuferseite ein Handeln auf „angemessener Informationsgrundlage“ i.S.d. business judgement rule zu ermöglichen. Über Art und Intensität hat sie nach sorgfältiger Abwägung der Risikofaktoren, des Ausmaßes und der Bedeutung des Unternehmenskaufs sowie des bestehenden Zeitdrucks zu entscheiden. Die Abwägung kann in Ausnahmefällen dazu führen, dass eine Due Diligence entbehrlich ist, insbesondere wenn der Zeitdruck hoch, die Risiken in jedem Fall gering und die Chancen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überwiegend sind. Bei sich abzeichnenden Ungereimtheiten kann der Verzicht auf eine Due Diligence hingegen nicht „angemessen“ sein.
197
Die Due Diligence muss grundsätzlich auf alle risiko-, ertrags- und kaufpreisrelevanten Bereiche erstreckt werden, also die rechtlichen, betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und ggf. technisch-personellen Gegebenheiten3. Falls innerhalb des festgelegten Zeitkorridors oder der zur Verfügung gestellten Daten keine aussagekräftige Beurteilung vorgenommen werden kann, muss der Erwerb zurückgestellt werden, vorbehaltlich anderweitiger Weisungen der Gesellschafterversammlung bzw. des Aufsichtsrates. 1 Fleischer, NJW 2009, 2337, 2342. 2 Gunßer in: Oppenländer/Trölitzsch, Praxishandbuch der GmbH-Geschäftsführung, 2. Aufl. 2011, § 36 Rz. 19 f.; Lutter, ZIP 2007, 841, 844. 3 OLG Oldenburg v. 22.6.2006 – 1 U 34/03, NZG 2007, 434, 436.
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Rz. 200 Teil 7
Haftung
Nach den Einzelfallumständen vertretbare Lücken, kann die Führungskraft nach Berichterstattung unter Zustimmung der Gesellschafter durch möglichst umfangreiche und ausreichend valide Garantien und Sicherheiten kompensieren. Auf Wertberechnungen der Verkäuferseite allein darf sie sich indes nicht blind verlassen. Die positive Erfüllung konkret erstellter Anforderungslisten der eigenen Fachberater dürfte eine weitest gehende Enthaftungsgrundlage bieten. Auch dann muss das Führungsorgan aber Abläufe und Ergebnisse sichten und auf Plausibilität prüfen.
198
(ee) Besonderheiten der business judgement rule bei Kollegialorganen Fraglich kann die Entlastungswirkung der business judgement rule bei „Kollegialentscheidungen“ eines mehrgliedrigen Führungsorgans sein, wenn bei einem Mitglied die Enthaftungsvoraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht vollständig verwirklich sind. Kritisch sind insbesondere Interessenskonflikte eines Mitgliedes, die ihren Niederschlag im Abstimmungsergebnis gefunden haben können. Fraglos hätte der Betreffende dies gegenüber den Organmitgliedern offenlegen, sich im Einklang mit den satzungsgemäßen Regelungen einer Abstimmung mindestens enthalten und Aufsichtsrat bzw. den Vorsitzenden der Gesellschafterversammlung informieren müssen. Ein Teil der Kommentierung versperrt in restriktiver Anwendung der business judgement rule bei Interessenskollision auch nur eines Mitgliedes allen einen Rückgriff auf die Entlastungsregelung1. Die Vertreter dieser Auffassung sehen dies hingegen dann anders, wenn der Interessenkonflikt offengelegt wurde oder unter den Vorstandsmitgliedern allgemein bekannt ist. Hierhinter steckt die Annahme, ein Handeln im Gesellschaftswohl nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG könne bei offengelegtem Konflikt aufgrund Möglichkeit, die Gesamtabwägung von widrigen Aspekten zu bereinigen, gegeben sein.
199
Nach der hier vertretenen Auffassung ist die von der business judgement rule materiell einzig erfasste Frage der Pflichtwidrigkeit für jedes Organmitglied separat zu beantworten. Wie aufgezeigt knüpfen sowohl die „angemessene Informationsgrundlage“ als auch das Handeln im Gesellschaftswohl an die „vernünftige Annahme“ des jeweils in Frage kommenden Organs. Kann dem Mitglied eines Kollegialorgans nicht vorgeworfen werden, es hätte ex ante den Interessenskonflikt des jeweils anderen erkennen müssen, sind seine Erwägungen auf ex ante vertretbarer Grundlage getroffen und von Unternehmensinteressen geleitet worden. Die business judgement rule bleibt anwendbar. Auch ihr auf eine Darlegungs- und Beweislasterleichterung gerichteter Regelungszweck wird nicht verletzt. Denn im Rahmen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG obliegt es dem Vorstand bzw. Geschäftsführer, die seinen Annahmen zu Grunde liegenden Umstände darzulegen. Das Gesetz sieht die Haftung der Führungsorgane als Gesamtschuldner vor. Die Enthaftungslast bzgl. Einhaltung der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters trotz Fehlschlags trifft das einzelne Mitglied. An diesem strengen Maßstab ändert ein Fehler im Kollektivorgan nichts. Soweit Organmitglieder den Interessenskonflikt eines Mitglieds
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1 Blasche, AG 2010, 692 ff.
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Teil 7 Rz. 201
Haftung
nicht für ausgeschlossen halten, müssen sie einen Weisungsbeschluss von Aufsichtsrat (AG) oder Gesellschafterversammlung einholen, dem der Beschluss des eigenen Kollegialorganes unter Begründung zur Interessenslage als Empfehlung beigefügt werden kann1. Die Grundsätze der Innenhaftung und der business judgement rule sind damit streng genug und erfordern keine organrechtliche „Sippenhaft“.
(7) Verstoß gegen Treuepflichten (a) Wettbewerbsverbot: Pflichtenkollisionen: Mehrfach-Mandate 201
Geschäftsführer und Vorstände haben die Interessen des Unternehmens zu wahren. Sie dürfen sich nicht von Eigeninteressen leiten lassen. Weder unmittelbar durch eigene Tätigkeit noch mittelbar über Beteiligungen oder Kooperationen dürfen sie in Wettbewerb treten oder als potenzielle Vertragspartner eigene Interessen im Verhältnis zum Unternehmen wahrnehmen, sofern Satzung, Gesellschafterbeschlüsse oder der Anstellungsvertrag keine ausdrücklichen Ausnahmen zulassen. § 88 Abs. 2 AktG, der sinngemäß auch für die GmbH-Geschäftsführer gilt, bestimmt, dass der Vorstand bei Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot Schadenersatz zu leisten hat, der wahlweise auch in der Herausgabe eines durch das Organ erlangten Vorteils oder entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) bestehen kann.
202
Demgegenüber besteht ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nach Abberufung nicht, sondern nur bei ausdrücklicher Vereinbarung2. Da die §§ 74 ff. HGB (Karenzentschädigung) auf Organe nicht analog anwendbar sind3, besteht für eine nachvertragliche Wettbewerbsabrede Gestaltungsfreiheit bis zur Grenze allgemeiner Korrektive wie § 138 BGB (Sittenwidrigkeit), Art. 2, Art. 12 GG (Berufsfreiheit). Sind die Wirksamkeitsanforderungen eines berechtigten Interesses und einer hinreichenden Eingrenzbarkeit in zeitlicher, sachlicher und räumlicher Hinsicht eingehalten (dazu Teil 3 Rz. 575 bis 604), kann aus der Verletzung der Vertragsabrede eine Haftung entstehen, nicht aber schon aus der (früheren) Organstellung.
203
Davon zu trennen ist die aus früherer Organstellung nachwirkende Treuepflicht, die eine Haftungsgrundlage im Sinne der § 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG bieten kann. Denn auch nach Beendigung der Organstellung sind Interessen der Gesellschaft, die auf während der Amtszeit geschaffene Umstände zurückgehen, zu wahren. Die Führungskraft darf keine in der Zeit ihrer Organtätigkeit bestehenden Geschäftschancen der Gesellschaft ausnutzen, während ihrer Amtszeit abgeschlossene Verträge vereiteln oder abziehen (Verleitung zum Vertragsbruch). Ebenso hat sie Verschwiegenheit über während der Vorstandstätigkeit erlangte Betriebsgeheimnisse zu wahren, Unterlagen zurückzugeben und Auskunft über ihre Organtätigkeit zu geben, wenn diese sonst 1 So wohl auch Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 GmbHG Rz. 71c. 2 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 173. 3 BGH v. 28.4.2008 – II ZR 11/07, GmbHR 2008, 930 f.; BGH v. 7.7.2008 – II ZR 81/07, WM 2008, 1744.
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Rz. 206 Teil 7
Haftung
nicht zumutbar zu erlangen ist1. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 85 GmbHG wirkt im Gegensatz zu § 17 UWG auch nach Beendigung der Organstellung. Maßgeblich ist das objektive Unternehmensinteresse, das bei Möglichkeit einer materiellen oder immateriellen Schadensentstehung betroffen ist.
(b) Interessenskollision Interessenskonflikte sind anderen Mitgliedern des Geschäftsleitungsorgans vor Beschlussfassung mitzuteilen und Beteiligungen an Konkurrenzunternehmen der Gesellschafterversammlung oder einem Aufsichtsrat unverzüglich anzuzeigen. Eine Schadensentstehung unter Verletzung dieser Pflicht führt zur Innenhaftung (§§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG), möglicherweise auch zur Strafverantwortung aus § 85 GmbHG, wenn Informationen an Konkurrenten weitergegeben werden. Mit Verschweigen eigener Beteiligungen oder potenzieller Konkurrenztätigkeit verlagert sich die Darlegungs- und Beweislast zu Ungunsten der Führungskraft. Sie besitzt in doppeltem Sinne Sachnähe.
204
Mehrfachmandate von Führungskräften bergen auch in Konzernstrukturen erhebliches Haftungspotenzial. Das Mehrfach-Organ ist gleichzeitig den Interessen verschiedener Gesellschaften verpflichtet. Es gibt keinen Interessensvorrang der Obergesellschaft oder Holding noch eine sonstige Rechtfertigung einseitiger Interessenswahrnehmung. Nach h.M. kann das Mehrfachorgan einer Pflichtenkollision nur entgehen, indem es an Geschäftsführungsmaßnahmen oder Beschlussfassungen nicht mitwirkt, die den Interessen der anderen Gesellschaft, denen das Vorstandsmitglied ebenfalls verpflichtet ist, widersprechen könnten. Die h.M. nimmt dies auch für die Abstimmung bei Beschlussfassungen im Vorstand an2. Ein Stimmverbot ergibt sich, wenn das Mehrfachorgan als „Richter in eigener Sache“ im Führungsorgan der Muttergesellschaft über die Stimmabgabe in der Tochtergesellschaft zur Entlastung des Vorstands der Tochtergesellschaft beschließen soll, zu dem es selbst gehört3.
205
(c) Mitteilungs- und Geheimhaltungspflichten gegenüber der Gesellschaft (aa) Geheimhaltungspflichten Nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG ist der Vorstand Bewahrer der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens. Dies ist so selbstverständlich, dass es § 43 GmbHG für den Geschäftsführer nicht einmal erwähnt, aber § 85 GmbHG, der die „unbefugte Offenbarung“ von Geheimnissen durch Geschäftsführer unter Strafe stellt, immanent voraussetzt. Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht sind nicht nur strafbar, sondern lösen – sofern es zu Schäden kommt – eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG 1 OLG Hamm v. 15.6.2000 – 27 U 146/99, NZG 2001, 73, 74; BGH NJW 1986, 585, 586; OLG Frankfurt v. 13.5.1997 – 11 U (Kart) 68/96, GmbHR 1998, 376, 378 (jeweils für GmbH-Geschäftsführer). 2 Passarge, NZG 2007, 441, 442. 3 Schneider, NZG 2009, 1413, 1414 f.; streitig, ob auch Teilnahmeverbot bzgl. vorbereitender Diskussionen: Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, 2001, S. 137.
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Teil 7 Rz. 207
Haftung
aus. Das Haftungspotenzial ist immens, wenn Mitbewerber auf Interna Zugriff erhalten. Zugleich kommt eine strafrechtliche Haftung des Geschäftsleiters nach § 17 UWG bei unbefugter Weitergabe an Konkurrenten in Betracht. 207
In Schmiergeldzusammenhängen kommt es nicht selten vor, dass die Führungskraft im Rahmen „gelenkter“ Auftragsvergaben dem von ihr bevorzugten Bieter einen Informationsvorsprung zuspielt. Neben Schadenersatz und Herausgabeanspruch der Gesellschaft wegen der erlangten Vorteile der Führungskraft (kick-backs, im Einzelnen Rz. 189 bis 191) steht ein Schadenersatz wegen Weitergabe nicht freigegebener Informationen im Raum, wenn die Gesellschaft von den benachteiligten Mitbietern in Anspruch genommen wird und bei dem Führungsorgan Regress nimmt.
208
Vorstandsmitglieder börsennotierter Gesellschaften unterliegen einem strikten, strafbewehrten Verbot der Informationsweitergabe und des Insiderhandels nach §§ 13, 14, 38 WpHG.
(bb) Verstöße gegen Auskunfts- und Mitteilungspflichten 209
Ein Geschäftsführer ist der Gesellschafterversammlung in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zur Auskunft verpflichtet. Die Gesellschaft bestimmt, welche Informationen sie zum Wohle der Gesellschaft für erheblich hält. Selbstverständlich kann bei Verletzung satzungs-, beschlussmäßiger oder anstellungsvertraglicher Informationspflichten und Zustimmungsvorbehalte (vgl. etwa § 37 Abs. 1 GmbHG) eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft entstehen, wenn ihre Gesellschafter wegen der Falschauskunft nicht die notwendigen Maßnahmen zur Schadensabwendung ergreifen konnten. Dies ist für den Vorstand einer AG nicht anders. Er ist allerdings dem Aufsichtsrat zur Auskunftserteilung im Rahmen dessen Auskunfts- und Einsichtsbefugnisse nach § 111 AktG verpflichtet. Ihm hat er nach § 90 AktG regelmäßig und über wesentliche Vorgängen jederzeit zu berichten. Nach § 407 Abs. 1 Satz 1 AktG kann der Vorstand vom Registergericht durch Zwangsgeld angehalten werden, dem Aufsichtsrat Einsicht und Prüfung zu ermöglichen. Dagegen lässt sich aus § 111 Abs. 2 AktG keine generelle Dokumentationspflicht des Vorstands herleiten, sie dürfte aber aus § 93 Abs. 1 Satz 1 und 2 AktG resultieren, wenn sie zur Nachvollziehung bei unternehmerischen Entscheidungen erforderlich ist. Dies hängt letztlich mit der Darlegungs- und Beweislast im Rahmen eines Haftungsprozesses gegen den Vorstand zusammen. Das Führungsorgan hat als sachnähere Person seine eigenen unternehmerischen Ermessensentscheidungen schlüssig darzulegen und trägt das Entlastungsrisiko.
210
Gegenüber den Gesellschaftern als Kollektiv sind haftungsträchtige Mitteilungspflichten insbesondere im Zusammenhang mit der Stammkapitalerhaltung anzusprechen, deren Verletzung zivilrechtlich haftungs- wie strafrechtliche Folgen haben kann (vgl. §§ 90, 92, 93 Abs. 3, 401 AktG; § 43 Abs. 3, § 49 Abs. 3, 64, 82, 84 GmbHG). Insbesondere ist der Fall zu nennen, dass die Hälfte des Stammkapitals verloren zu gehen droht. Die Regelungen sind nach umstrittener Auffassung teilweise Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB und führen zur unmittelbaren Haftung gegenüber den Gesellschaftern. 702
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Rz. 213 Teil 7
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(d) Haftung wegen Auskunftspflichtverletzung gegenüber Gesellschaftern Haftungsrechtlich sind die Mitteilungspflichten von Geschäftsführer bzw. Vorstand gegenüber einzelnen Gesellschaftern nach § 51a GmbHG bzw. § 131 AktG zweischneidig. Besteht ein Auskunftsverweigerungsrecht, wirkt dieses in der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft möglicherweise als Auskunftsverweigerungspflicht des Führungsorgans. Andererseits birgt vor allem die unrichtige Auskunft ein Außenhaftungspotenzial.
211
(aa) Der Geschäftsführer hat nach § 51a GmbHG jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht in Bücher und Schriften zu gestatten. Der Auskunftsanspruch des einzelnen Gesellschafters ist zeitlich unbeschränkt und geht sachlich weit. Er erfasst alle Tatsachen, die für ihn als Anteilsinhaber von Relevanz sein können1. Dies sind alle Maßnahmen des Geschäftsführers sowie die zwischen ihm und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse, einschließlich seiner Bezüge im Einzelnen oder zur Bewertung des Anteils oder Kaufpreisbestimmung bei Veräußerung relevante Tatsachen2. Über das Einsichtsrecht ist Möglichkeit zu geben, vor Ort Unterlagen einzusehen bzw. gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtete Berufsträger einsehen zu lassen.
212
Der Geschäftsführer darf und muss die Auskunft nach § 51a Abs. 2 GmbHG verweigern, wenn zu besorgen ist, dass der Gesellschafter erstens die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und zweitens dadurch der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zufügen wird. Denn dann geht es darum, Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Dies kann der Fall sein, wenn zu befürchten ist, dass der Gesellschafter Informationen bei einer Due Diligence an den Kaufinteressenten oder Dritte weitergeben wird oder der Gesellschafter sich – wenn auch gesellschaftsvertraglich erlaubt – an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt, für das er die Information möglicherweise verwendet. Allerdings kann dem Gesellschafter nicht ohne weiteres eine Verletzung seiner Treuepflicht unterstellt werden. Eine „Besorgnis“ ist erst gerechtfertigt, wenn der Geschäftsführer davon ausgehen kann, der Gesellschafter werde seine Pflichten verletzen und ein Nachteil der Gesellschaft oder ihres Konzernverbundes werde resultieren. Bereits der Wortlaut fordert eine vernünftige kaufmännische Beurteilung, nach der eine für die Realisierung der Doppel-Gefahr (Zweckwidrige Verwendung und Nachteil) auf konkrete Tatsachen gestützte „gewisse“ Wahrscheinlichkeit besteht. Daneben ist die Kausalität der Auskunftserteilung für den erheblichen Nachteil zu prüfen. Der Geschäftsführer muss im Blick haben, dass er der Darlegungs- und Beweislast der Gesellschaft nachzukommen hat. Er sollte auf übergeordnete unternehmerische Interessen verweisen und diese belegen können. Keinesfalls darf er verdeckt Partei zu Gunsten einer Gesellschaftergruppe ergreifen. Eine Verweigerung wird selbst bei schwierigen Gesellschafterverhältnissen in Bezug auf solche Informationen, die bereits auf anderer Rechts-
213
1 Lutter/Hommelhoff/Lutter, GmbHG, § 51 Rz. 8. 2 Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 51a Rz. 29.
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Teil 7 Rz. 214
Haftung
grundlage zur Wahrung der Geschäftsführerpflichten geboten sind, etwa die Jahresabschluss-Erstellung, kaum zu begründen sein. 214
Die Ausnahmeregelung des § 51a Abs. 2 GmbHG ist abschließend. Allerdings verlangt der Informationsanspruch des Gesellschafters nach wohl h.M. ein berechtigtes Informationsbedürfnis als immanente Anspruchsschranke1. Der Gesellschafter ein solches lediglich „schlüssig“ darzulegen. Gelingt ihm dies, obliegt der Gesellschaft, handelnd durch ihren Geschäftsführer, die Darlegungsund Beweislast, das berechtigte Interesse zu widerlegen. Dies wird letztlich nur bei ersichtlich schikanösen Fragen gelingen, da anderenfalls bereits der Ausnahmetatbestand missbräuchlich, schädigenden Verhaltens nach § 51a Abs. 2 GmbHG erfüllt sein müsste. Ein berechtigtes Interesse ist gegeben, soweit Informationen für die sachgerechte Ausübung von mitgliedschaftlichen Zuständigkeiten oder Rechten des Gesellschafters benötigt werden. Dies beurteilt sich jedoch in Korrelation zu der Entwicklung der Gesellschaft. So kann das Informationsbedürfnis bei einer in Liquidation oder im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft reduziert sein2.
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(bb) Bei der AG ist der Vorstand gegenüber einzelnen Aktionären nicht berechtigt, Geschäftsgeheimnisse bekannt zu geben, was insbesondere bei Vorbereitung eines Anteils oder Paketverkaufs (Due-Diligence-Prüfung) von Bedeutung ist. Nur wenn die Weitergabe der Informationen primär im Unternehmensinteresse liegt, ist sie zulässig, muss dann aber die Gleichbehandlung der Aktionäre beachten (§ 53a AktG, § 83 BörsG). Das Informationsrecht der Aktionäre nach § 131 AktG ist im Gegensatz zur GmbH sachlich auf einen erforderlichen Zusammenhang zu den Tagesordnungspunkten und zeitlich auf die Geltendmachung in der Hauptversammlung beschränkt. Gegenstand können nur in der Hauptversammlung mündlich gestellte Fragen sein. Der Vorstand kann die Beantwortung eines ihm in der Hauptversammlung schriftlich ausgehändigten Fragenkatalogs ablehnen3. Dies deckt auch das in Nr. 2.2.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex angesprochene Leitbild einer innerhalb angemessenen Zeitrahmens von vier bis sechs Stunden durchzuführenden Hauptversammlung4.
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Gleichzeit gehen die Auskunftsverweigerungsgründe über diejenigen des GmbHGeschäftsführers hinaus. Zu dem abschließenden Verweigerungskatalog des § 131 Abs. 3 AktG zählen insbesondere steuerliche Wertansätze, Bilanzierungsund Bewertungsmethoden, falls diese nicht aus einem festgestellten Jahresabschluss erkennbar werden, sowie die vorhandenen stillen Reserven5. § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG enthält als Generalklausel die Gefahr, dass der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen ein nicht unerheblichen Nachteil zugefügt würde. Im Einzelfall kann dies eine Versagung auch bei erkennbar missbräuchlicher Ausnutzung von Mitgliedsschafrechten durch den Aktionär rechtfertigen. 1 2 3 4
Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 51a Rz. 27–29. OLG Hamm v. 25.10.2001 – 15 W 118/01, NZG 2002, 178 (180). OLG Frankfurt a.M. v. 19.9.2006 – 20 W 55/05, NJW-RR 2007, 546, 547. Vgl. „Auskunftsrecht der Aktionäre“ nach §§ 131, 132 AktG, NJW-Spezial 2007, 367 (zu OLG Frankfurt a.M. v. 19.9.2006 – 20 W 55/05). 5 BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 168/93, NZG 2000, 194.
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Rz. 219 Teil 7
Haftung
Abgesehen davon, hat eine tatsächlich erteilte Auskunft einer gewissenhaften Rechenschaft zu entsprechen. Sie muss auch dann inhaltlich zutreffen, wenn ein Auskunftsverweigerungsrecht eigentlich bestanden hätte (kein Lügerecht). Gleichfalls darf sie nicht verweigert werden, wenn der Vorstand sie einem Aktionär bereits außerhalb einer Hauptversammlung erteilt hat (§ 131 Abs. 4 AktG, Gleichbehandlungsgrundsatz). Haftungsrechtlich empfiehlt sich daher, die Tagesordnungspunkte nicht zu weit auszulegen. Den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt der Vorstand nach der „Konzern-Ausnahme“ des § 131 Abs. 4 Satz 3 AktG nicht, wenn die Auskunft an die Muttergesellschaft lediglich zwecks Einbeziehung in deren Jahresabschluss erteilt wurde.
217
Schuldhaft unzutreffende Angaben können zur Außenhaftung des Führungsorgans für dem Gesellschafter aufgrund dieser Angabe entstehende Schäden führen. Bei einer unberechtigten Auskunftsverweigerung über den Katalog des § 52 Abs. 2 GmbHG bzw. § 131 Abs. 3 AktG hinaus, ist hingegen eine differenzierende Betrachtung geboten. Eine Außenhaftung und Schutzgesetz-Eigenschaft des § 51a GmbHG im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB wird überwiegend verneint1. Unter Bezugnahme auf die Strafbarkeit nach § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG wird § 131 AktG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB gesehen2. Richtigerweise wird man nur bei einem Strafrechtsverstoß (vorsätzlich unrichtig erteilte oder verschleierte Auskünfte) zur Außenhaftung gegenüber dem Aktionär gelangen. Als Schaden kommt eine nachteilige Anlageentscheidung des fragenden Gesellschafters, aber auch der übrigen Versammlungsteilnehmer in Betracht, wenn deren Vermögenssphäre erkennbar genauso betroffen ist. Nur mittelbare Vermögensnachteile auf Grund negativer Wertentwicklung der Anteile sind neben dem Schaden der Gesellschaft auf Grund desselben Tatbestands nicht zu ersetzen3.
218
Aus lediglich fahrlässiger Verletzung der Auskunftspflicht resultiert nur eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Der Gesellschafter kann gegen diese aber ein Auskunftserzwingungs- oder Beschlussanfechtungsverfahren gegen (vgl. § 51b GmbHG, § 132 AktG) führen und von ihr Schadenersatz fordern. Die im Unterliegensfall der Gesellschaft entstehenden Belastungen kann sie bei den die Auskunftsverweigerung konkret tragenden Organmitgliedern regressieren; auf diesen Regressanspruch kann ein Gläubigerzugriff durch Pfändung erfolgen. Gerade bei Publikumsgesellschaften mit größerer Aktionärsteilnahme in der Hauptversammlung kann sich die unzutreffend oder unzureichend erteilte Auskunft als Einfallstor für Beschlussanfechtungen erweisen, in deren Folge die Gesellschaft auch Nichtgesellschaftern gegenüber einer Schadenshaftung ausgesetzt sein kann. Den Führungsorganen ist die Hinzuziehung eines Auskunftsgehilfen zu empfehlen, der als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder geeigneter Mitarbeiter über die erforderliche Sach- oder Fachkenntnis
219
1 Str. wie hier: Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 51a Rz. 51; Lutter/Hommelhoff/ Lutter, GmbHG, § 51a Rz. 37. 2 Str. Lücke/Schaub in Mandatshandbuch Vorstand der AG, § 6 Rz. 234; a.A. Hüffer, Aktiengesetz, § 131 Rz. 44. 3 So auch Kropff/Semler/Kubis, Münchener Kommentar zum AktG, 2. Aufl. 2004, § 131 AktG Rz. 151, 152.
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Teil 7 Rz. 220
Haftung
verfügt, um Grauzonen einzuordnen. Eine Vorbereitung wird anhand des in § 131 AktG geforderten Zusammenhangs zu den Tagesordnungspunkten möglich sein. Bei Streit, ob eine Auskunft zur Beurteilung der Tagesordnungspunkte erforderlich ist, hat der Aktionär die unabweisbare Relevanz für den Durchschnitt der Aktionäre konkret darzulegen1. 220
Ob aus dem Katalog der Verweigerungsgründe zugleich eine Auskunftsverweigerungspflicht als Grundlage einer potenziellen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG folgt, ist differenzierend zu beantworten. Für den GmbH-Geschäftsführer ist dies anzunehmen, da § 52 Abs. 2 GmbHG ohnehin nur Fälle einer notwendigen Schadensabwendung erfasst. Gleiches gilt bei der AG in den Fällen der § 131 Abs. 3 Nr. 1 (Auskunft mit Schädigungswirkung) und Nr. 5 (Strafbarkeit durch Auskunft). Für die sonstigen Fälle des § 131 Abs. 3 AktG ist eine Verweigerungspflicht nur anzunehmen, wenn der Vorstand mit Erteilung gegen seine Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach § 93 Abs. 1 Satz 2 verstoßen würde (Rz. 206 bis 208).
221
Der Geschäftsführer ist verpflichtet, bei Auskunftsverweigerung unverzüglich einen Beschluss der Gesellschafterversammlung herbeizuführen, bei dem der anfragende Gesellschafter ein Stimmrecht hat. Der Gesellschafter kann gegen den Verweigerungsbeschluss der Gesellschaft gerichtliche Entscheidung nach § 51b GmbHG beantragen. Auf dieses Verfahren finden die aktienrechtlichen Vorschriften (§ 132 AktG) Anwendung.
(e) Auskunftspflichtverletzung gegenüber Dritten (aa) Deliktische Falschauskunft 222
Eine Außenhaftung wegen Auskunftsverschuldens gegenüber einem Dritten kann sich für Geschäftsführer und Vorstand nur ergeben, wenn dieser entweder im Rahmen der Ausführung für die Gesellschaft Rechtsgüter des Dritten deliktisch verletzt2 oder entsprechend der Grundsätze des Haftungsverschuldens eines Vertreters bei Vertragsverhandlungen gem. §§ 311, 243 BGB persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt oder besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse verwirklicht hat. Dies kann insbesondere bei Unternehmensverkäufen oder asset deals der Fall sein. Dabei ergeben sich zwei Haftungsaspekte: An einen Interessenten erteilte Informationen müssen, wenn sie erteilt werden, erstens zutreffen (Frage der Außenhaftung) und zweitens eine Grundlage (Satzung, Beschluss oder Weisung) haben, nach der sie dem Dritten überhaupt erteilt werden dürfen (Frage der Innenhaftung).
223
Im Hinblick auf den zur Außenhaftung genannten Aspekt nimmt das Führungsorgan in einer Verkaufssituation in Bezug auf erteilte Informationen häufig persönliches Vertrauen in Anspruch. Die Einwendung des Mitverschuldens, etwa einer möglichen Prüfung, bleibt aber nach allgemeinen Grundsätzen bestehen. 1 OLG Frankfurt a.M. v. 19.9.2006 – 20 W 55/05, NJW-RR 2007, 546. 2 Bsp. Schädigung durch Verwirklichung eines Vermögensdeliktes nach § 263 StGB etc.
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Rz. 226 Teil 7
Haftung
(bb) Unternehmensverkauf: Führungskraft auf Verkäuferseite Steht die Führungskraft auf der Seite des veräußernden Unternehmens, unterliegt sie neben dem Gebot der Beteiligung von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat vor allem im Spannungsfeld zahlreicher Interessen: Einerseits müssen ihre Auskünfte an den Kaufinteressenten zutreffend sein, um eine persönliche Außenhaftung auszuschließen; andererseits ist sie an die Interessen des eigenen Unternehmens gebunden, das eine Verschwiegenheit über betriebliche Zusammenhänge verlangt. Drittens mischen sich insbesondere bei einem share deal egoistische Interessen der Gesellschafter hinzu, die auch selbst über die Situation des Unternehmens informiert werden wollen, um Veräußerungsrisiken einschätzen zu können. Grds. wird eine due diligence des Erwerbers, die ja auf Auskunft über Unternehmensinterna gerichtet ist, eines mindestens einstimmigen Gesellschafterbeschlusses bedürfen1.
224
Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Informationen die Führungskraft potentiellen Käufern offen legen darf. Dies ist im doppelten Sinne haftungsrelevant, da eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse über die zivilrechtliche Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. AktG hinaus auch zu einer strafrechtlichen Haftung nach § 85 GmbHG führen kann. Unterschieden werden zwei Situationen:
225
– share deal: Auskunft gegenüber einem veräußerungswilligen Gesellschafter über Unternehmensinterna zum Zweck der Informationsweitergabe an potentielle Käufer. – asset deal: Auskunft gegenüber dem Kaufinteressenten, der einen Unternehmensteil der GmbH im Wege des asset deals erwerben will, über Betriebsund Geschäftsgeheimnisse. Einen Anspruch Dritter auf Informationserteilung gibt es nicht. Gehört die Weitergabe von Unternehmensinterna an Kaufinteressierte nicht zum regelmäßigen Geschäftsbetrieb, ist der Umfang einer Informationsweitergabe der Entscheidung der Gesellschafter vorbehalten2. Ob im Falle des share deals ein veräußerungswilliger Gesellschafter Informationen von der Geschäftsführung über Angelegenheiten der Gesellschaft erhalten kann, richtet sich nach dem (allgemeinen) Informationsrecht aus § 51a GmbHG. Zu den „Angelegenheiten“ der Gesellschaft gehören alle das Gesellschaftsvermögen oder die Unternehmensführung betreffenden und alle für die Gewinnermittlung und -verwendung wesentlichen Tatsachen, aber auch sonst alle wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH. Dennoch bleiben Lücken, insbesondere über steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte, die einen Erwerber interessieren werden. Die beabsichtigte Anteilsveräußerung kann aber auch ein Recht zur Informationsverweigerung gem. § 51a Abs. 2 GmbHG begründen, wenn die Besorgnis einer Verwendung zu gesellschaftsfremden 1 Wohl zu weitgehend: (einstimmiger Beschluss) LG Köln v. 26.3.2008 – 90 O 11/08 mit Anm. Theusinger, BB 2009, 186. 2 Oppenländer, GmbHR 2000, 535 m.w.N.
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Teil 7 Rz. 227
Haftung
Zwecken mit der Folge eines nicht unerheblichen Nachteils für die Gesellschaft oder ein verbundenes Unternehmen (ggf. anderer Gesellschafter) berechtigt ist. Die Veräußerungsabsicht allein ist kein Verweigerungsgrund und nicht generell gesellschaftsfremd1. Sind die Geschäftsanteile aber bspw. vinkuliert und damit überhaupt nicht gem. § 15 GmbHG frei veräußerbar oder besteht die Gefahr, dass die Anteilsveräußerung nur vorgeschoben wird, um eine Preisgabe von Betriebsgeheimnissen an (potenzielle) Konkurrenten zu verdecken, kann die Information wegen Missbrauchsgefahr verweigert werden2. Letztlich entscheidet der Veräußerungsgrund. Dient sie ersichtlich einer Sanierung oder notwendigen Kapitalerhöhung bzw. ist aus operativen Gründen notwendig, erscheint eine angemessen Informationsweitergabe sachgerecht3. 227
Eine entgegenstehende Entscheidung der Gesellschafter kann das Führungsorgan nicht durch eigene Vereinbarung mit dem veräußerungswilligen Gesellschafter (Repräsentation Letter) umgehen, nach der sie umfassende Informationen zur Verfügung zu stellen hat. Hierdurch kann kein über § 51a GmbHG hinausgehendes Sonderrecht installiert werden. Würde man § 51a GmbHG als Schutzgesetz verstehen, wäre eine Außenhaftung der Führungskraft gegenüber dem veräußerungswilligen Gesellschafter aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 51a GmbHG bei unberechtigter Verweigerung denkbar4.
228
Auch bei Verkauf eines Unternehmensteils durch die Gesellschaft (asset deal) ist die Entscheidung über die Weitergabe von Betriebsgeheimnissen dem Ermessen der Gesellschafter vorbehalten. Ihre Entscheidung ist bindend und bei Treuwidrigkeit allenfalls anfechtbar. Bis zur Aufhebung ist sie zu befolgen. Es kann jedoch keine wirksame Weisung an die Führungskraft zur bewusst falschen Informationsweitergabe ergehen. Ein solcher Beschluss wäre wegen Verletzung der Legalitätspflicht (§ 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB) nichtig. Bei Befolgung würde sich eine persönliche Außenhaftung der Führungskraft im Verhältnis zu dem (späteren) Käufer ergeben, der mangels Folgepflicht jedenfalls keine unproblematische Regressmöglichkeit der Führungskraft im Verhältnis zur Gesellschaft gegenübersteht.
cc) Verschulden (1) Allgemeines 229
Die Haftung der Geschäftsführer und Vorstände nach den Generalklauseln der §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG setzt ein Verschulden nach allgemeinen Voraussetzungen voraus, sprich Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Die für die Innenhaftung relevanten §§ 43 Abs. 1 GmbHG bzw. 93 Abs. 1 AktG geben den gesetzlichen Idealtyp des „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ 1 § 15 GmbHG; Götze, ZGR 1999, 202, 208 f.; Lutter, ZIP 1997, 613, 615; OLG Stuttgart v. 8.2.1983 – 8 W 496/82, GmbHR 1983, 242, 243; Bremer, GmbHR 2000, 176, 178; Ziegler, DStR 2000, 249, 250, 252. 2 Oppenländer, GmbHR 2000, 535, 538; Haas/Müller, GmbHR 2004, 1169, 1170; Götze, ZGR 1999, 202, 213; Mielke/Molz, DB 2008, 1955, 1959. 3 Mielke/Molz, DB 2008, 1955, 1956. 4 Str.; wie hier Berg, NZG 2008, 641, 643; a.A. siehe Rz. 218.
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Rz. 231 Teil 7
Haftung
vor. Dies ist letztlich der „ordentliche Kaufmann“, wie er auch in § 347 HGB normiert ist1. Im Gegensatz zum allgemeinen Maßstab erfährt der Verschuldensmaßstab also eine Objektivierung, weil die Vorwerfbarkeit nicht von individuellen Fähigkeiten abhängt, sondern, dem gesetzliche Typus folgend, die für das Geschäftsführer- oder Vorstandsamt erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse unterstellt2. Anderenfalls würde schon die Amtsübernahme als solche ein Eingehungsverschulden beinhalten. Es ist Aufgabe des Führungsorgans nachzuweisen, dass und wie es den Sorgfaltspflichten nachgekommen ist. Mit fachlicher Unkenntnis kann es sich nicht exkulpieren, zumal es verpflichtet und berechtigt ist, bei eigener Unkenntnis einen qualifizierten, fachlich geeigneten Berater hinzuzuziehen. Kommt es dem durch sorgfältige Auswahl und Aufklärung des Beraters nach, kann sich eine Entlastung ergeben, sofern die Überwachungspflicht gewahrt ist3. Während der persönliche Maßstab typisiert ist, ergibt sich für die konkrete Haftungssituation eine „unternehmensindividuell-konkrete“ Komponente. Sachverhalt, Größe, Art, Ressortverteilung und Maßstab der unternehmerischen „Risikofreudigkeit“, die sich auch bei den anderen Organen der Gesellschaft manifestieren kann, prägen die Gesamtbeurteilung und können im Einzelfall das Verschulden abmildern oder sogar ausschließen. Soweit Besonderheiten bestehen ist dies vorstehend jeweils ausgeführt worden.
230
(2) Mitverschulden Ein Mitverschulden kann sich nach § 254 BGB haftungsmildernd auswirken. Allerdings ist zu unterscheiden: – Mehrere Führungsorgane haften der Gesellschaft „solidarisch“, also als Gesamtschuldner. Ein (horizontales) Mitverschulden der Organmitglieder (Mitgeschäftsführer oder Vorstand) untereinander kann einem Anspruch der Gesellschaft nicht entgegengehalten werden4. Lediglich im Gesamtschuldner-Innenausgleich zwischen den Organmitgliedern kann dies nach § 426 BGB eine Rolle spielen. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass der ressortzuständige Geschäftsleiter, gegenüber dem ressortfremden, der „nur“ seine sekundäre Überwachungspflicht verletzt hat, im Innenverhältnis letztverantwortlich ist, ihm also Freistellung und Ausgleich zu leisten hat5. – Ein (vertikales) Mitverschulden muss sich die Gesellschaft hingegen entgegenhalten lassen, wenn es in einem Verhalten auf Gesellschafterebene begründet ist, etwa in Form rechtswidriger Beschlüsse oder Weisungen. Auch hierbei muss dann aber der Wille der Gesellschaft in einer Kollektiventscheidung zum Ausdruck gekommen sein. 1 Dort allerdings unter Berücksichtigung der leitenden Position in Verantwortung für fremde Vermögensinteressen der stake- und shareholder. 2 BGH v. 20.2.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 = ZIP 1995, 591. 3 BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, NZG 2007, 545, 547; OLG Stuttgart v. 25.11.2009 – 20 U 5/09, ZIP 2009, 2386. 4 BGH NJW 1986, 1856. 5 Schneider/Scholz, GmbHG, § 43 Rz. 252.
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231
Teil 7 Rz. 232
Haftung
– Bei der AG haftet der Aufsichtsrat gem. § 116 Satz 1 AktG i.V.m. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ebenfalls gesamtschuldnerisch mit dem Vorstand, so dass ein Mitverschulden allenfalls im Rahmen des Innenausgleichs zwischen den Organen zu beachten ist, den Anspruch der Gesellschaft im Regelfall aber nicht beeinflusst.
IV. Haftungsprivilegierungen und Möglichkeiten der Haftungsfreistellung/Enthaftung 232
Möglichkeiten einer Haftungsbegrenzung bestehen auch für Führungskräfte, sind im Interesse des Kapital- und Gläubigerschutzes aber eingeschränkt.
1. Haftungsbeschränkungen im Voraus 233
Hinsichtlich einer Haftungsprivilegierung im Voraus ist zwischen den Gesellschaftsformen zu unterscheiden: a) Die Wirksamkeit von Innenhaftung beschränkenden Vereinbarungen im Voraus ist bei der GmbH umstritten, nach h.M. aber möglich. Regelungsinhalt kann der Haftungsausschluss für „leichte“ Fahrlässigkeit1, summenmäßige Haftungsbegrenzung oder die Verkürzung der Verjährungsfrist sein. Entsprechende Regelungen können in Satzung, Beschluss oder Anstellungsvertrag getroffen werden.
234
Zweifelsfrei unwirksam ist ein Verzicht auf Ersatzansprüche nach § 64 Satz 3, 4 und § 43 Abs. 3 i.V.m. § 9b Abs. 1 GmbHG bzw. §§ 93 Abs. 3, 92 Abs. 2 AktG, wenn also das Kapitalerhaltungsgebot verletzt wird. Das Verzichtsverbot des § 43 Abs. 3 GmbHG ist Ausdruck des Legalitätsprinzips und dürfte jegliche Form der Privilegierung gegenüber dem gesetzlichen Haftungsmaßstab ausschließen. Gleiches gilt für Ersatzansprüche wegen Falschangaben in der Gründungsphase des Unternehmens sowie bei Eintragung der Firma ins Handelsregister gem. §§ 9a Abs. 1, 9b, 57 Abs. 4 GmbHG2. Insoweit scheint die aktuelle Rechtsprechung das Privilegierungsverbot bei der GmbH eng auf den Anwendungsbereich dieser Normen zu beschränken3. 1 Lutter, GmbHR 2000, 301 (311); Scholz/Schneider, GmbHG, 10. Aufl. 2007, § 43 Rz. 259 bis 261; kritisch hierzu: Lutter/Hommelhoff/Haas/Ziemons, GmbHG, 17. Aufl. 2009, § 43 Rz. 53. Streitig; h.M., Rowedder/Koppensteiner, GmbHG, § 43 Rz. 4; Ulmer/ Habersack/Winter, GmbHG, § 43 Rz. 8; Freistellung von leichter und grober Fahrlässigkeit möglich; Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 185; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, § 43 Rz. 5: nicht für grobe Fahrlässigkeit; generell gegen eine Haftungsprivilegierung im Vorhinein auch bei der GmbH unter Beurteilung des § 43 Abs. 2 GmbHG als gläubigerschützend: Michalski/Haas/Ziemons, GmbHG, § 43 Rz. 14. 2 Ausdrückliche Ausnahmen sind gesetzlich enumerativ genannt, Bsp.: § 43 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 9b Abs. 1 Satz 2 GmbHG und § 93 Abs. 4 Satz 4 AktG: „Dies gilt nicht, wenn der Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht oder wenn die Ersatzpflicht in einem Insolvenzplan geregelt wird.“ 3 BGH v. 11.5.2000 – IX ZR 262/98, NJW 2000, 3777 f. (Verjährungsverkürzung).
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Rz. 238 Teil 7
Haftung
Generell unwirksam ist die Beschränkung der Außenhaftung, soweit sich diese ausnahmsweise ergibt. Eine Vereinbarung zu Lasten Dritter bindet diesen nicht. Allerdings kann eine solche zwischen Führungsorgan und Gesellschaft geschlossene Vereinbarung als Verpflichtung der Gesellschaft zur Haftungsfreistellung des Geschäftsführers im Innenverhältnis ausgelegt werden, auch dies aber nur, soweit die Gesellschaft im Innenverhältnis über eigene Regressansprüche disponieren kann. Dies ist im Bereich des zwingenden Kapitalschutzes nach § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG nicht der Fall. Für einen darüber hinaus gehenden Ansatz, Verzicht und Vergleich bei Pfändung eines Innenhaftungsanspruch der Gesellschaft nach § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG durch einen Gesellschaftsgläubiger für unwirksam zu halten1, besteht nach der hier vertretenen Auffassung keine Grundlage. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG, der selbst bei Befolgung einer Weisung keine Enthaftung zulässt, ist auf die enumerativ genannten Kapitalschutzvorschriften (Rückzahlung des Stammkapitals §§ 30, 33, 9b GmbHG) bezogen, nicht auf § 43 GmbHG im Allgemeinen2.
235
Bereits nach allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen ist ein Verzicht im Voraus bei Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) oder vorsätzlicher Schädigung (§§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB) unwirksam. Ebenso tritt bei materieller Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung keine Haftungsbefreiung ein. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie sich auf die Verletzung des Legalitätsgrundsatzes richten, also strafbewehrter Schutzgesetze, öffentlich-rechtlicher Pflichten oder des in § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG genannten Kapitalschutzes. Insoweit dürfte auch eine Haftungsprivilegierung für „leichte“ Fahrlässigkeit keine Wirkung entfalten, da dies einem partiellen Haftungsverzicht gleichkäme.
236
b) Bei Aktiengesellschaften oder eingetragene Genossenschaften ist eine Innenhaftung für Vorstände und Aufsichtsräte im Voraus nicht beschränkbar. So ist der Verzicht auf Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erst nach Ablauf von drei Jahren nach Anspruchsentstehung möglich (Verzichtssperre). Die Verzichtssperre erstreckt sich nach h.M. auch auf jegliche Art der Haftungserleichterungen im Vorhinein, also auch dem Haftungsausschluss bei leichter Fahrlässigkeit3.
237
2. Nachträgliche Haftungsfreistellung durch die Gesellschaft Im Nachhinein kann neben der GmbH auch die Aktiengesellschaft auf einen Haftungsanspruch gegen ihre Führungsorgane verzichten.
1 Näher Lutter/Hommelhoff/Kleindieck, GmbHG, § 43 Rz. 51, 53 ff. 2 Streitig, so auch Pelz, RNotZ 2003, 415 (422). 3 Vgl. Hölters, AktG, 2011, § 93 Rz. 251; in Praxi wird dies – allerdings nicht unproblematisch – durch Abtretung der Innenhaftungsansprüche an Dritte umgegangen: Fleischer, WM 2005, 909 ff.
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238
Teil 7 Rz. 239
Haftung
a) Zuständiges Gremium 239
Für die Entscheidung zuständig sind die Gesellschafter, die diese Aufgabe in Ausnahmefällen auf andere Gesellschaftsorgane übertragen können, z.B. bei der AG den Aufsichtsrat. Bei der GmbH entscheiden die Gesellschafter nach § 46 Nr. 6 GmbHG über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den aktuellen oder ehemaligen Geschäftsführer. Spiegelbildlich ergibt sich aus § 46 Nr. 5 GmbHG ihre Entscheidungszuständigkeit für die Entlastung und aus § 46 Nr. 8 GmbHG für den Verzicht oder Vergleich.
240
Bei der AG ist die Hauptversammlung nach § 120 Abs. 1 AktG für die alljährliche Entlastung zuständig und ebenso für die Entscheidung über Verzicht oder Vergleich über Innenhaftungsansprüche gegen den Vorstand. Die Umsetzung dieser Entscheidung durch Abschluss eines Erlassvertrages oder Vergleichs, obliegt jedoch gem. § 112 Satz 1 AktG dem Aufsichtsrat, der die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Dies gilt auch in Bezug auf ehemalige Vorstandsmitglieder1.
241
Führungsorgane, die zugleich Gesellschafter sind (Gesellschafter-Organe), sind von der Abstimmung über auf sie bezogene Anspruchsverzichte vom Stimmrecht ausgeschlossen2. Da ein Organ – unabhängig von seiner Befreiung von § 181 BGB – nicht „Richter in eigener Sache“ sein darf, ist es bei MehrfachMandat in Konzern- oder Beteiligungsstrukturen von einer Stimmrechtsvertretung der Muttergesellschaft und einer Stimmenabgabe zu der Frage ausgeschlossen, ob in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft eine Entlastung des Tochter-Vorstandes, dem er selbst angehört, beschlossen werden soll3.
242
Die Befangenheit des Gesellschafter-Organs führt auch dann zu einem Stimmverbot, wenn er bei der Mutter einen beherrschenden Einfluss ausübt4. § 47 Abs. 4 GmbHG stellt klar, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer (entsprechend der Vorstand) einem zwingenden Stimmrechtsausschluss bei Entlastung und Befreiung von einer Verbindlichkeit unterliegt5, ferner bei solchen Maßnahmen, die aus wichtigem Grund gegen ihn ergriffen werden.
b) Arten der nachträglichen Enthaftung 243
Grundvoraussetzung aller nachträglichen Enthaftungsmöglichkeiten bei GmbH und AG ist, dass die Gesellschaft über ihren Ersatzanspruch eine Dispositionsbefugnis innehat. Eine Entlastungsentscheidung kann nicht – schon gar nicht bewusst – zu Lasten der Gläubiger oder des Legalitätsgrundsatzes getroffen werden. Insoweit finden die Grundsätze zur Abgrenzung der wirksamen von den nichtigen Beschlüssen und Weisungen Anwendung. Nichtig ist eine 1 BGH v. 16.2.2009 – II ZR 282/07, NZG 2009, 466. 2 § 47 Abs. 4 GmbHG; BGH v. 28.2 994 – II ZR 121/93, DStR 1994, 869, 870. 3 Schneider, NZG 2009, 1413 ff.; streitig ist, ob auch Teilnahmeverbot an der vorbereitenden Diskussion greift, dazu Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, 2001, S. 137. 4 BGH, Hinweisbeschl. v. 4.5.2009 – II ZR 168/07, NJW-RR 2010, 48. 5 BGH v. 28.2.1994 – II ZR 121/93, DStR 1994, 869, 870.
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Rz. 247 Teil 7
Haftung
Entlastung, soweit die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches zur Aufrechterhaltung des zwingenden Kapitalschutzes notwendig ist (vgl. §§ 43 Abs. 3, 9b, 64 Satz 4 GmbHG). Insbesondere gelten die Verzichtssperren nach § 9b Abs. 1 GmbHG im Zusammenhang mit Falschangaben des Geschäftsführers bei Gründung (§ 9a GmbHG). Auf diese Regelung verweis auch § 43 Abs. 3 GmbHG (Kapitalerhaltungsverstöße gegen §§ 30, 33 GmbHG Kapitalerhaltung) und der auf diese Norm verweisende § 64 GmbHG. Eine Beschränkung der Dispositionsbefugnis ergibt sich auch durch Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO) oder die sittenwidrige oder gar vorsätzliche Schädigung (§§ 138, 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB) ein. Eine erkennbare „Selbstschädigung“ der Gesellschaft durch nachträglichen Verzicht, wäre also keine sichere Grundlage für einen Haftungsausschluss. Im disponiblen Bereich ist eine nachträgliche Haftungsbefreiung der Geschäftsführer durch Entlastung, punktuellen Haftungsverzicht oder Generalbereinigung denkbar.
244
aa) Entlastung Mit der Entlastung billigen die Gesellschafter die Geschäftsführung in der Vergangenheit und bestätigen ihr Vertrauen in das Organ für die Zukunft1. In der Regel wird alljährlich über die Entlastung im Rahmen der ordentlichen Gesellschafterversammlung beschlossen, die auch den Jahresabschluss festzustellen (GmbH) bzw. ihn zur Kenntnis zu nehmen hat (ordentliche Hauptversammlung der Aktiengesellschaft). Für die GmbH ist eine regelmäßige Entlastung nicht gesetzlich vorgeschrieben, wird gleichwohl durch die Entlastungszuständigkeit der Gesellschafterversammlung in § 46 Nr. 5 GmbHG vorausgesetzt.
245
Bei der Aktiengesellschaft ordnet § 120 Abs. 1 AktG an, dass die Hauptversammlung innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahrs über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu beschließen hat. Die Entlastung bezieht sich i.d.R. auf das vergangene Geschäftsjahr. Abweichend kann über sie auch in außerordentlichen Versammlungen beschlossen werden, insbesondere wenn der Geschäftsführer oder Vorstand eine Entscheidung über seine Entlastung beansprucht.
246
Ebenso kann der zeitliche wie sachliche Umfang erweitert oder eingegrenzt werden (Teilentlastung), wen nicht wesentliche Kernbereiche ausgeklammert werden. Dem GmbH-Geschäftsführer steht – im Gegensatz zum Vorstand einer AG – nach h.M. kein Anspruch auf Entlastung zu2. Während der AG-Vorstand eine Entlastungsentscheidung notfalls gerichtlich einfordern kann, wird sich der Geschäftsführer mit allgemeinen zivilprozessualen Mitteln gegen eine im Raume stehende Haftung verteidigen müssen. Er kann einer Klage der Gesellschaft durch negative Feststellungsklage vorgreifen.
247
1 Vgl. § 120 Abs. 2. Satz 1 AktG. 2 Str., verneinend: BGH v. 20.5.1985 – II ZR 165/84, BGHZ 94, 324, 327 ff.; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 46 Rz. 15; Hansen/Kelber/Zeißig/Breezmann/Confurius, Rechtsstellung der Führungskräfte im Unternehmen, C 1096; bejahend: Baumbach/ Hueck/Zöllner, GmbHG, § 46 Rz. 29.
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Teil 7 Rz. 248
Haftung
! Praxishinweis 248
Ein GmbH-Geschäftsführer sollte auf eine jährliche Entlastung achten. Da nach der h.M. ein Anspruch auf Entlastungsentscheidung nicht ohne Weiteres besteht, sollte gerade ein Fremd-Geschäftsführer darauf achten, dass bereits der Anstellungsvertrag einen Anspruch auf alljährliche Entlastungsentscheidung einräumt. Ob er in sich anbahnenden oder noch nicht ausgestandenen Konfliktsituationen tatsächlich eine Entscheidung der Gesellschafter einfordert, sollte überlegt sein. Denn eine vollständige oder teilweise Verweigerung beinhaltet ein Signal auch nach außen hin, dass Unregelmäßigkeiten seiner Geschäftsführung ernsthaft in Betracht kommen.
249
Es besteht ein weiter Ermessensspielraum der Gesellschafter1. Ein Entlastungsbeschluss folgt den bereits dargelegten Regeln über Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit analog § 241 AktG. Ein positiver Entlastungsbeschluss ist also anfechtbar, wenn nicht sogar nichtig, wenn keine andere Entscheidung als eine Versagung denkbar oder die Entlastung missbräuchlich ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Geschäftsführer schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft erheblicher Schaden zugefügt wurde. Ebenso ist eine Entlastung treuwidrig, wenn sie zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter zwar von der Pflichtverletzung erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob ein Schaden zugefügt wurde. Sie würde nur dazu dienen, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchungen zu verhindern2. Dies kann insbesondere relevant sein, wenn ein beherrschender Gesellschafter den Geschäftsleiter schützen will.
250
Sowohl bei der GmbH als auch der AG hängt der Umfang der Entlastung davon ab, dass bzw. ob alle erforderlichen Informationen zu dem für die Haftung potenziell oder konkret in Betracht kommenden Sachverhalten offengelegt sind. Sofern die Gesellschafterversammlung nicht ausdrücklich auf sämtliche Ansprüche – bekannt oder unbekannt – verzichtet, bezieht sich eine Entlastung nur auf Umstände, die der Gesellschafterversammlung bei sorgfältiger Prüfung der vorgelegten Unterlagen und bekannten Umstände hätten erkennbar sein müssen3.
251
Die Rechtsfolgen der Entlastung unterscheiden insbesondere wegen der Verzichtssperre der AG (§ 93 Abs. 4 Satz 3 AktG): – Bei der GmbH führt der Entlastungsbeschluss zur Präklusion von Schadenersatzansprüchen. Die Wirkung geht nur soweit, als die Umstände dem Gesellschafter bekannt oder bei sorgfältiger Prüfung hätten erkannt werden können. Von der Geschäftsführung verheimlichte Umstände unterliegen nicht der Entlastungswirkung4. 1 Vgl. BGH BGHZ 94, 324, 327 = NJW 1986, 129. 2 BGH, Hinweisbeschl. v. 4.5.2009 – II ZR 169/07 (OLG Karlsruhe); NJW-RR 2010, 49, 51. 3 Vgl. mit unveränderter Geltung BGH v. 4.11.1968 – II ZR 63/67, GmbHR 1969, 38 = BGHZ 79, 291. 4 Krause, BB 2009, 1370, 1374.
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Rz. 254 Teil 7
Haftung
! Praxishinweis Der Geschäftsleiter ist für den Umfang der Entlastungwirkung im Rahmen seiner Berichtspflichten verantwortlich. Nur eine richtige und vollständige Berichterstattung an die Gesellschafter über die Zusammenhänge und Umstände potenziell schädigender Maßnahmen, verschafft ihm die Entlastungswirkung. – Bei der Aktiengesellschaft ist mit der alljährlichen Entlastungsentscheidung der Hauptversammlung nur eine Billigung der „Verwaltung“ durch Vorstand oder Aufsichtsrat verbunden (§ 120 Abs. 2 Satz 1 AktG), indes beinhaltet sie keinen Verzicht auf Schadenersatzansprüche. Ein solcher ist nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG erst nach Ablauf von drei Jahren zulässig. Zudem kann der Widerspruch einer mit mindestens 10 % am Grundkapital beteiligten Aktionärsminderheit die Zustimmung blockieren (Entlastungssperre). Allenfalls hat also die alljährlich beschlossene „Entlastung“ in einem späteren Haftungsprozess eine gewisse Darlegungs- und Beweislastumkehr zur Folge, soweit Umstände bekannt waren oder den Gesellschaftern bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätten bekannt sein müssen. Gleichwohl kann die Gesellschaft anlässlich der alljährlichen Entlastung (§ 120 Abs. 1 AktG) im Hinblick auf solche Ansprüche einen Verzicht beschließen, deren Entstehung mehr als drei Jahre zurückliegt. Hierin steckt eine gesonderte Verzichtsvereinbarung.
bb) Anspruchsverzicht Ein punktueller Anspruchsverzicht unterliegt den gleichen Voraussetzungen und Einschränkungen wie die „Entlastung“. Es handelt es sich allerdings um eine Erlassvereinbarung nur über einen eingegrenzten Sachverhaltskomplex. Bei der Aktiengesellschaft gilt auch hier die dreijährige Verzichtssperre des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG.
252
cc) Generalbereinigung Die weitestgehende „Enthaftung“ erreicht eine „Generalbereinigung“. Sie ist ein Vertrag sui generis, mit dem alle etwaigen Ansprüche der Gesellschaft – bekannt oder unbekannt – gegen Geschäftsführer oder Vorstand für erledigt erklärt werden. Typisches Szenario einer Generalbereinigung ist die einvernehmliche Beendigung der Amts- oder Vorstandstätigkeit; insbesondere bei der Aktiengesellschaft kann sie aber auch bei ungestörter Organstellung oder vor einer „Neuwahl“ relevant werden.
253
Ihr Umfang geht über eine Entlastung hinaus, denn auf die Erkennbarkeit haftungsbegründender Umstände für die Gesellschafter kommt es nicht. Ihr Verzichtsinhalt kann bis an die Grenze der gesetzlichen Zulässigkeit reichen. Die Verzichtswirkung bezieht sich auf die disponible Innenhaftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG. Sie kann auch einen Freistellungsanspruch in Bezug auf eine Außenhaftung beinhalten, während selbstverständlich der zwingenden Gläubigerschutz nicht ausgehebelt werden kann (Bsp. § 43 Abs. 3
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Teil 7 Rz. 255
Haftung
GmbHG, § 9b, § 64 Satz 4 GmbHG) und bei der AG die Verzichtssperre des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG gilt.
3. Ökonomische Entlastung durch Versicherungsschutz 255
Die Absicherung von Führungskräften durch D&O-Versicherungen1 ist kein Fall rechtlicher Enthaftung, sondern eine finanzielle Absicherung und ökonomische Entlastung der aus einer Haftung resultierenden Schadenersatz- und Prozesskostenlasten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen – dem Haftungsverhältnis des versicherten Organs zum Haftungsgläubiger (bei der Innenhaftung die Gesellschaft) und – dem Deckungsverhältnis, in dem der auf die Führungskraft als „versicherte Person“ bezogene Versicherungsvertrag zwischen der Gesellschaft (Versicherungsnehmerin) und dem Versicherer geschlossen wird.
256
D&O-Versicherungen können durch den Geschäftsführer oder Vorstand in Vertretung und auf Rechnung der Gesellschaft abgeschlossen werden2; allerdings empfiehlt sich, die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen, wenn nicht Satzung, Anstellungsvertrag oder gesonderter Beschluss eine solche Versicherung ausdrücklich vorsehen.
257
Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung3 zum 5.8.2009 sieht § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG einen zwingenden Selbstbehalt für D&O-Versicherungen von mindestens 10 % des Schadens bis mindestens zum 11/ 2-fachen der jährlichen Festvergütung vor. Dadurch soll eine spürbare Eigenverantwortung des Vorstandsmitglieds für sein Verhalten aufrecht erhalten bleiben4. Ein Pendant für GmbH-Geschäftsführer gibt es nicht. Ansonsten lässt sich ein einheitlicher Standard für D&O-Versicherungsbedingungen in Deutschland noch nicht feststellen5. Dies schafft eine Bandbreite möglicher Versicherungsregelungen, die individuell auf die Aufgabenwahrnehmung der Führungskraft und die Unternehmenssituation zugeschnitten werden können.
258
a) Versicherungsgegenstand kann die Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, aber auch die Außenhaftung sein. Typischerweise sind Haftungssummenbegrenzungen oder Deckungsausnahmen für Vorsatz vorgesehen. Die Kostenübernahme für eine strafrechtliche Verfolgung ist nicht unbedingt erfasst, kann und sollte aber vereinbart werden. Nicht selten versucht ein Anspruchssteller, etwa unter Bezugnahme auf Handlungen in der Krise, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen einzuleiten und für den Haftungsprozess zu nutzen6.
1 2 3 4 5
Directors-and-Officers-Liability-Insurance. Peltzer, NZG 2009, 970 (972). VorstAG v. 31.7.2009, BGBl I, 2509. Steffek, JuS 2010, 295 (299). Vgl. Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248 (253); zur mangelnden praktischen Durchsetzung der Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: Krause, BB 2009, 1370, 1375. 6 Vgl. Krause, BB 2009, 1370, 1375.
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Rz. 263 Teil 7
Haftung
Die Führungskraft sollte bereits bei ihrer Bestellung und den Verhandlungen über den Anstellungsvertrag darauf achten, dass eine D&O-Versicherung vorgesehen ist.
259
! Praxishinweis Es zeigen sich Verhandlungsspielräume mit dem Versicherer. Kehrseite der Medaille ist, dass Führungskräfte bereits im Rahmen der Verhandlungen über Amtsantritt und Anstellungsvertrag darauf hinwirken sollten, dass Eckpunkte für eine D&O-Versicherung aufgenommen werden, die für ihren Aufgabenbereich einen möglichst weitreichenden und individuellen Schutz bieten. Es empfiehlt sich, den Entwurf des Versicherungsvertrages vorweg einem rechtlichen Berater vorzulegen.
260
b) Die D&O-Versicherung entlastet primär die Gesellschaft als Versicherungsnehmerin im Deckungsverhältnis von wirtschaftlichen Schadens- und Haftungsrisiken, kommt ökonomisch aber auch dem versicherten Organ im Haftungsverhältnis zu Gute. Deswegen kann der Versicherer im Prozess als Streitverkündungsempfänger wählen, ob er auf Seiten der Gesellschaft oder der Führungskraft tätig wird. Die Möglichkeit einer ökonomischen Entlastung durch D&O-Versicherung kann sich mit dem Interesse beißen, auf kurzem Wege Verzicht oder Vergleich zu erzielen. Insoweit unterliegen versichertes Organ und Gesellschaft Obliegenheiten. Das Organ als versicherte Person hat sorgfältig zu prüfen, ob ein Abschluss den Versicherungsschutz gefährdet und die Zustimmung des Versicherers einzuholen ist. Hierzu zählt auch ein von dem Organmitglied mit dem Anspruchsinhaber abgeschlossener Haftungsvergleich einschließlich Verjährungsverzichtserklärung.
261
Hingegen kann die Gesellschaft mit dem D&O-Versicherer einen sog. Deckungsvergleich ohne Zustimmung der versicherten Person schließen (§ 45 Abs. 1 VVG). Führt dies zur Einschränkung des Versicherungsschutzes, können sich Schadenersatzansprüche der Führungskraft gegen die Gesellschaft ergeben, wenn ein Verstoß gegen den Dienstvertrag oder sonstiger Rücksichtnahmepflichten einhergeht. Nicht abschließend geklärt ist, ob bei der AG ein Deckungsvergleich nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf und die dreijährige Verzichtssperre greift. Streng genommen kann er unabhängig von dem Haftungsverhältnis des Organs abgeschlossen werden. Da Ersatzleistungen aber mittelbare Auswirkung auf die Haftung der Organmitglieder haben, empfiehlt sich vorsorglich, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen1.
262
Empfehlenswert ist der aufeinander abgestimmte Abschluss von Haftungsund Deckungsvergleich. Für jedes Organmitglied kann dies gesondert oder individuell geschehen, wobei aber Auswirkungen auf das Gesamtschuldnerverhältnis zu beachten sind, §§ 422 bis 425 BGB. Bei Abschluss eines isolierten Haftungsvergleichs (Gesellschaft und Organ), kann die Abtretung etwaiger Ansprüche des Organs gegen die D&O-Versicherung an die Gesellschaft verein-
263
1 Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 253. In praxi, aber zweifelhaft: Umgehung durch Abtretung der Innenhaftungsansprüche an Dritte.
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Teil 7 Rz. 264
Haftung
bart werden, soweit die Versicherungsbedingungen kein Abtretungsverbot enthalten. Ein generelles Abtretungsverbot wäre nach der Neufassung des § 108 Abs. 2 VVG aber wohl unzulässig1. Besteht Unsicherheit über die Abtretungsmöglichkeit wird teilweise ein isolierter Haftungsvergleich für möglich gehalten, der ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Haftungsansprüche lediglich zwecks Erlangung von Versicherungsleistungen aufrechterhält und das Organ von Ansprüchen des Versicherers wegen Obliegenheitsverletzungen freistellt. Diese Möglichkeit scheint allerdings aufgrund des versicherungsrechtlichen Prinzips der Trennung von Haftungs- und Deckungsverhältnis nicht unangreifbar2.
4. Haftungsbefreiung durch Befolgung von Weisung oder Beschlüssen: 264
a) Der Geschäftsführer wird durch Handeln aufgrund wirksamer Beschlüsse/ Weisungen der Gesellschafterversammlung von der Innenhaftung frei. Dies resultiert aus seiner Folgepflicht und gilt auch, wenn sich die Gesellschaft bewusst gefährdet. Allerdings kommt es dann auf das „Bewusstsein“ der Gesellschafter als Entscheidungsträger an. Aus der Treuepflicht der Führungskraft folgt, dass sie eigene Zweifel an der Weisung den Gesellschaftern darzulegen und den Sachverhalt, auch im Hinblick auf die Konsequenzen, vollständig aufzuzeigen hat. Denn eine durch unvollständige Berichterstattung veranlasste Gesellschafterentscheidung beruht auf einer Pflichtverletzung des Organs und bietet keine geeignete Enthaftungsgrundlage. Ist die Aufklärung der Gesellschafter zutreffend erfolgt, liegt die Entscheidungsverantwortung bei ihnen.
265
Der Vorstand einer AG arbeitet im Wesentlichen weisungsfrei. Beschlüsse ihm gegenüber werden i.d.R. durch den Aufsichtsrat nach § 112 AktG umgesetzt. Diesen treffen eigene Warn- und Hinweispflichten bei Wirksamkeitszweifeln, die aber den Vorstand von einer eigenen Prüfung nicht entlasten. Die Billigung durch den Aufsichtsrat schließt die Innenhaftung des Vorstandes schließlich nicht aus (§ 93 Abs. 4 Satz 2 AktG).
266
b) Eine Enthaftungsgrundlage bieten Weisungen und Beschlüsse nur, wenn sie wirksam sind. § 93 Abs. 4 Satz 1 AktG stellt dies für die Innenhaftung des Vorstandes klar, wonach „der Gesellschaft gegenüber die Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn die Handlung auf einem gesetzmäßigen Beschluss der Hauptversammlung beruht.“ Insoweit korrespondiert die Frage der Enthaftung bei allen Körperschaften in Anlehnung an § 241 AktG (analog) zu den zur Pflichtverletzung bereits aufgezeigten Fallgruppen:
267
Im Hinblick auf ordnungsgemäß zustande gekommenen Beschlüsse und Weisungen besteht eine Folgepflicht. Bei Schadenentstehung trotz Befolgung tritt keine Haftung ein. Für die Enthaftung komplex ist allerdings die Einordnung von Beschlussmängeln.
268
aa) Nichtige Beschlüsse können niemals ein eigenes Enthaftungsinstrument sein. 1 Vgl. Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 253. 2 Befürwortend wie vor: Dietz-Vellmer, NZG 2011, 248, 253.
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Rz. 272 Teil 7
Haftung
(1) Bei formeller Nichtigkeit aufgrund schwerwiegenden Verfahrensfehlern analog § 241 Nr. 1 AktG ist der Beschluss unverbindlich. Folgen sind:
269
– Es besteht keine Folgepflicht – Es gibt keine eigenständige Enthaftungswirkung bei Befolgen oder Nichtbefolgen – Die Führungskraft hat ihr Handeln eigenverantwortlich nach den Sorgfaltsmaßstäben der §§ 43 GmbHG, 93 AktG auszurichten. Sie darf auch berücksichtigen, wie wahrscheinlich es ist, dass der nichtige Beschluss bei ordnungsgemäßer Wiederholung unter Vermeidung des Verfahrensfehlers inhaltsidentisch gefasst wird. Ergebnis kann – muss aber nicht sein – dass die (unwirksam) beschlossene Handlung, ex ante auch inhaltlich die richtige oder vertretbare Maßnahme war1. (2) Aus materieller Nichtigkeit aufgrund schwerwiegender Rechtsverstöße durch den Beschlussinhalt folgt:
270
– Es besteht keine Folgepflicht. – Es besteht ein Folgeverbot. Der Beschluss darf nicht befolgt. Eine Befolgung würde zur Pflichtverletzung führen. – Bei Nichtbefolgen ist eine Enthaftung nur insoweit anzunehmen, als die Gesellschaft keinen Innenhaftungsanspruch geltend machen kann. Der Geschäftsführer muss aber eigenverantwortlich nach den Pflichtenmaßstäbe der §§ 43 GmbHG, 93 AktG handeln2. Fallgruppen sind analog § 241 Nr. 3 AktG: Verletzung zwingender Kapitalschutzvorschriften (§§ 43 Abs. 3, 30, 31 GmbHG/§ 57 Abs. 1 AktG, §§ 64 GmbHG/92 Abs. 2 Satz 3 AktG, § 15a InsO), analog § 241 Nr. 4 AktG der Machtmissbrauch durch den Mehrheitsgesellschafter, der in unverzichtbare Rechte der Minderheitsgesellschafter eingreift oder bereits entsprechend § 117 AktG zur Schädigung der Gesellschaft führt3; des Weiteren Beschlüsse, die gegen die Legalitätspflicht unter Verletzung der Rechte Dritter verstoßen (Bsp. Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben bzw. Lohnsteuer, § 266a StGB).
271
bb) Anfechtbare Beschlüsse sind alle übrigen mit Verfahrens- oder Rechtsmängeln behafteten. Sie sind schwebend wirksam, d.h. bis zur rechtskräftigen Aufhebung verbindlich. Die Folgen sind:
272
– Im Regelfall führt die Befolgung zur Enthaftung, solange der Beschluss noch nicht aufgehoben ist (Schwebephase). – Es besteht bis zur Beschlussaufhebung grundsätzlich Folgepflicht. Allerdings bedeutet eine Nichtbefolgung bei sorgfältiger Abwägung nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG nicht immer eine Pflichtverletzung, sondern kann in der 1 Pelz, RNotZ 2003, 415, 420. 2 BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, BGHZ 125, 366, 372. 3 Pelz, RNotZ 2003, 415, 420.
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Teil 7 Rz. 273
Haftung
Schwebephase gerechtfertigt sein (Ausnahme). Insbesondere kann die Befolgung bis zur Klärung zurückgestellt werden, wenn kein irreversibler Schaden eintritt und die Aufhebung jedenfalls nicht unwahrscheinlich ist. Eine rechtliche Beratung ist in dieser Grauzone nahezu unerlässlich, wenn die Gesellschafter nicht umgehend auf Hinweise der Führungskraft reagieren und die Beschlussmängel bereinigen. – Die Führungskraft hat im Ergebnis nach den allgemeinen Sorgfaltsmaßstäben die vorzunehmenden Maßnahmen inhaltlich zu prüfen, sollte aber an ein Abweichen von dem (vorerst) wirksamen Beschluss ex ante hohe Anforderungen stellen. 273
Kommt es zu einer sorgfaltswidrigen Fehlbeurteilung von Folgeverbot und Folgepflicht, kann das Befolgen eines mangelbehafteten Beschlusses eine eigene Pflichtverletzung des Geschäftsführers darstellen. Zumindest die Existenz einer (nur) anfechtbaren Weisung kann aber ein Mitverschulden der Gesellschaft darstellen, das die Führungskraft jedenfalls im Bereich der Innenhaftung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen ihn befreien kann, sofern kein zwingender Kapitalschutz eingreift1.
5. Arbeitsrechtliche Haftungsprivilegien und Freistellungsansprüche 274
Vorstand und Geschäftsführer sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts2. Die Grundsätze der arbeitsrechtlichen Haftungsprivilegierung je nach Verschuldensgrad bei betrieblich veranlasster Tätigkeit finden daher auf sie keine Anwendung3.
275
Sofern ein Haftungsfall darauf beruht, dass das Organ im Einzelfall tatsächlich eng weisungsgebunden gehandelt hat, scheidet die Innenhaftung bei nicht nichtiger Weisung nach den oben dargelegten Grundsätzen aus. Sollte aufgrund Weisungsbefolgung eine Außenhaftung entstehen, kann sich ein Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft ergeben. Der Anwendungsbereich für einen solchen Freistellungsanspruch dürfte allerdings begrenzt sein. Denn eine Außenhaftung ergibt sich i.d.R. bei wesentlichen Verstößen gegen Legalitätsgrundsätze und Kapitalschutzvorschriften und ist nahezu immer mit der Frage der Wirksamkeit eines hierauf gerichteten Weisungsbeschlusses verknüpft. Aufgrund besonderer Umstände, kann sich in direkter oder analoger Anwendung von § 670 BGB aber ein Aufwendungsersatzanspruch ergeben. Es kann sich dabei um Fälle der unternehmerischen Entscheidung nach der business judgement rule handeln, bei der die Verletzung vertraglicher Pflichten gegenüber einem Vertragspartner im Interesse der Gesellschaft liegt. 1 Bei materieller Nichtigkeit also i.d.R. keine Ausschluss der Innenhaftung. 2 Pelz, RNotZ 2003, 415, 422; vgl. BGH v. 26.3.1984 – II ZR 229/83, NJW 1984, 2366 (2367); der Beschluss des BAG v. 20.8.2003 – 5 AZB 79/02, NJW 2003, 3290, wonach ausnahmsweise Arbeitnehmereigenschaft „bei starker interner Weisungsabhängigkeit“ gegeben sein könne, hat keine weitere Bestätigung in Rspr. oder Literatur gefunden; AG-Vorstand schon arg. e.: § 76 Abs. 1 AktG. 3 BGH v. 27.2.1975 – II ZR 1 12/72, WM 1975, 467, 469 für die Genossenschaft; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, § 43 Rz. 6.
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Rz. 280 Teil 7
Haftung
6. Ressortverteilung als Enthaftungsinstrument: In Anbetracht der gesamtschuldnerischen Haftung der Organmitglieder (§ 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG) ist die Ressortverteilung außerordentlich wichtiges Instrument der Enthaftung. Erfüllt eine Ressortverteilung die Anforderungen an wirksame Errichtung und konsequente Umsetzung, kann sich das ressortunzuständige Führungsorgan von Geschäftsleiterfehlern im fremden Ressort entlasten.
276
a) Im Gegensatz zur Delegation an untergeordnete Mitarbeiter oder externe Berater/Dienstleister gilt der Vertrauensgrundsatz. Die ressortfremde Führungskraft darf sich darauf verlassen, dass der Ressortzuständige seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Dies wird nur durchbrochen, wenn konkrete Umstände mögliche Fehler offenbaren und den ressortunzuständigen Geschäftsführer dann zur Ausübung seines Interventionsrechts verpflichten (sekundäre Überwachungspflicht). Die den Vertrauensgrundsatz durchbrechenden Umstände hat grundsätzlich die Gesellschaft darzulegen. Kannte der ressortunzuständige Geschäftsleiter die Mängel des anderen Ressorts nicht, kann sich die Gesellschaft auch darauf berufen, dass er sie im Sinne fahrlässigen Unterlassens nur deswegen nicht kannte, weil er seiner sekundären Überwachungspflicht, sich zumindest turnusmäßig über das andere Ressort zu informieren, nicht nachgekommen ist.
277
Unter dem Gesichtspunkt der Haftungsvermeidung empfiehlt es sich aus Sicht der Führungskraft, auch selbst auf konsequente Einhaltung der Ressorts zu achten und zwar nicht nur im Hinblick auf die Aufteilung der Geschäftsführungsbefugnis, sondern einer Auftrennung der Gesamtvertretungs- in eine Einzelvertretungsmacht des jeweiligen Ressortinhabers. Modelle, bei denen eine Ressortverteilung gilt, aber mehrere Geschäftsleiter nach außen gesamtvertretungsberechtigt sind, sichern für die Gesellschaft das Vier-Augen-Prinzip der Geschäftsführungsorgane. Diese „gefühlte“ Aufwertung durch Mitzeichnung im fremden Ressort kann ihren Charme schnell verlieren. Denn jede Unterzeichnung fordert dem Organ eine sorgfältige Prüfung ab, was es unterschreibt. Zwar führt die Ressortverteilung dazu, dass der intern zuständige Geschäftsleiter die Entscheidung vorzubereiten hat, doch können sich Informationsmängel zwischen den Ressorts, schnell zur eigenen Haftung des nach innen Ressortunzuständigen auswachsen. Der Haftungsbereich kann für den Ressortfremden über dessen Geschäftsführungsbefugnis erheblich hinausgehen. Unter dem Gesichtspunkt der Enthaftung erscheint es konsequenter, dass die Gesellschaft zumindest ressortspezifisch Einzelvertretungsmachten erteilt.
278
b) Sekundäre Überwachungsmängel des Ressortunzuständigen beinhalten zwar eine Pflichtverletzung. Zu einer Haftung führen sie aber nur, wenn sie für den eingetretenen Schaden kausal sind. Den Nachweis hat die Gesellschaft zu erbringen. Haftungsbegründende Kausalität liegt nicht vor, wenn auch ein rechtmäßiges Alternativverhalten den Schaden nicht verhindert hätte.
279
c) Die Entlastungsmöglichkeit durch Ressortverteilung unterliegt folgenden Grenzen:
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Teil 7 Rz. 281
Haftung
– eigene Verletzung der Legalitätspflicht durch das jeweilige Organ; zudem strengere Anforderungen an die sekundäre Kontrollpflicht bei öffentlichrechtlichen Pflichten1 – fehlende Ressortfähigkeit bestimmter durch alle Organmitglieder wahrzunehmenden Pflichten, insbesondere Insolvenzantragspflicht § 15a InsO, § 64 GmbHG oder Melderechtliche Pflichten – Erstarken der Gesamtverantwortung bei Krisenumständen, wenn diese bei sorgfältiger Prüfung und Wahrnehmung des Interventionsrechts und zumindest der sekundären Kontrollpflicht erkennbar waren. 281
d) Die Entlastung durch Ressortverteilung wirkt sich im Bereich der Innenhaftung aus. Demgegenüber richtet sich eine Außenhaftung des einzelnen Organmitglieds, sollte sie im deliktischen Bereich (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz) ausnahmsweise entstehen, ohnehin nach dem persönlichen Verschulden. Die spezialgesetzliche Außenhaftung für öffentlich-rechtliche, insbesondere steuerrechtliche Pflichten (Bsp. §§ 34, 69 AO) knüpft zwar an das Prinzip der Gesamtverantwortung an. Im Rahmen des Auswahlermessens kann sich aber ergeben, dass ein Geschäftsführer, der „nur“ seine Überwachungspflicht verletzt hat, im Verhältnis zum Ressortinhaber nur nachrangig zur Haftung herangezogen wird2.
282
Die Ressortverteilung entfaltet auch Wirkung im Innenverhältnis mehrerer tatsächlich als Gesamtschuldner haftender Organmitglieder. Nach § 426 Abs. 1 BGB haften Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu gleichen Teilen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Entsprechend § 840 Abs. 2 BGB wird der für das Ressort zuständige Geschäftsleiter im Innenverhältnis allein haften und Ausgleichsansprüchen der anderen ausgesetzt sein3.
7. Business judgement rule als „safe harbour“ 283
Bereits aus dem Wortlaut des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG („Pflichtverletzung liegt nicht vor …“) ergibt sich, dass die Erfüllung der von der business judgement Rule aufgestellten Voraussetzungen tatbestandlich zu einer Entlastung trotz unternehmerischen Fehlschlags führt. Die Regelung bezieht sich auf das weite Feld unternehmerischer Entscheidungen, bei denen innerhalb der Grenze der Legalitätspflicht mindestens zwei Handlungsmöglichkeiten eröffnet waren, die von dem Organ Gewählte aber zu einem Schaden führt, und gleichwohl keine Pflichtverletzung angenommen wird. Als „safe-harbour“ unternehmerischen Handelns ist sie eine Enthaftungsregelung, deren Voraussetzungen das betroffene Führungsorgan darzulegen und zu beweisen hat (zu den Voraussetzungen im Einzelnen siehe oben Rz. 158 ff.).
1 Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13, 16. 2 Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13; Kallmeyer in: Centrale für GmbH (Hrsg.), GmbHHandbuch, Stand: Juli 2005, Rz. I 2436. 3 Scholz/Schneider, GmbHG, § 43 Rz. 252.
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Rz. 287 Teil 7
Haftung
8. Verjährung Die Verjährungsfrist für die Innenhaftung von Geschäftsführer und Vorstand beträgt nach § 43 Abs. 4 GmbHG (Geschäftsführer) bzw. § 93 Abs. 6 AktG (Vorstand) fünf Jahre. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt – abweichend von dem Beginn der allgemeinen zivilrechtliche Regelverjährung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB – stichtagsbezogen, d.h. ohne „Anlaufhemmung“ zum Jahresende, mit dem Vorliegen der Haftungsbegründenden Umstände und unabhängig von der Kenntnis der Gesellschaft. Aufgrund der Publikumswirkung verlängert sich bei börsennotierten Aktiengesellschaften die Verjährungsfrist auf zehn Jahre.
284
Maßgeblich für den Fristbeginn ist die Entstehung des Anspruchs, also die Verwirklichung des haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Tatbestandes (Schaden). Dazu reicht es aus, wenn ein Teilschaden bereits entstanden ist und die Gesellschaft zumindest eine Feststellungsklage hinsichtlich aller weiteren Schäden erheben könnte1. Dies birgt für die Gesellschaft ein nicht unerhebliches Durchsetzungsrisiko, da unselbständige Schadensfolgen, die vorhersehbar zu einem späteren Zeitpunkt eintreten, keinen späteren Verjährungslauf auslösen. Insbesondere bei Pflichtverletzungen im Rahmen von Vertragsschlüssen kann bereits die schadensgleiche Vermögensgefährdung des Vertragsschlusses zu Lasten der Gesellschaft als fristauslösende Anspruchsentstehung ausreichen2. Dieser Verjährungsfrist unterliegen aufgrund des zwangsläufigen Zusammenhangs zur Organhaftung auch Ansprüche aus dem Anstellungsvertrag3. Das Berufen auf die Verjährungseinrede kann in eng begrenzten Fällen treuwidrig sein, hierzu genügt aber ein Verheimlichen des einmal begangenen Fehlers nicht, sondern es müssen weitere aktive Verhinderungsmaßnahmen hinzukommen, die geeignet sind für sich eine eigenständige Pflichtverletzung darzustellen; i.d.R. wird die Schwelle zum deliktischen Handeln überschritten sein müssen4.
285
Hingegen besteht zu einer mit der Pflichtverletzung einhergehenden Haftung aus unerlaubter Handlung nach §§ 823 ff. BGB echte Anspruchskonkurrenz. Der deliktsrechtliche Anspruch unterliegt der Regelverjährung von drei Jahren nach § 195 BGB. Diese Frist beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB erst, wenn der Gesellschaft – vertreten durch die Gesellschafter oder zurechenbar dem Aufsichtsrat – der Anspruch bekannt oder grob fahrlässig unbekannt ist, so dass sich im Vergleich zu § 43 Abs. 4 GmbHG bzw. § 93 Abs. 6 AktG effektiv eine Verlängerung der Verjährungsfrist ergeben kann. Die Verjährung tritt spätestens mit Eintritt der absoluten Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Anspruchsentstehung nach § 199 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein.
286
Als verjährungstechnisch tückisch erweist sich die Haftung des Geschäftsleiters in Fällen, in denen seine Haftung erst an die Pflichtverletzung der Gesell-
287
1 Zu BGH v. 29.9.2008 – II ZR 234/07: Gätsch/Eckhold, GmbHR 2008, 1319; auch WM 2008, 2215, 2217. 2 BGH v. 21.2.2005 – II ZR 112/03, DStR 2005, 659. 3 Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rz. 58 m.w.N. 4 Vgl. Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 43 Rz. 59.
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Teil 7 Rz. 288
Haftung
schafter anknüpft, für die eine eigene Verjährung vorgeschaltet ist. Dies ist im Zusammenhang mit der Verletzung von Einlagepflichten der Gesellschafter, die einer spezielle zehnjährigen Verjährung nach § 19 Abs. 6 GmbHG n.F., § 54 Abs. 4 AktG unterliegen, bereits dargelegt worden. Hier kann ein doppelter Verjährungslauf zu beachten sein, wenn der Geschäftsführer beispielsweise an einer verdeckten Sacheinlage mitgewirkt hatte und sich eine weitere Haftung daraus ergibt, dass er die Einlageansprüche der Gesellschaft hat verjähren lassen (s.o. Rz. 61 bis 65). 288
Die Verjährungsfrist kann vertraglich verkürzt werden, soweit nicht die verschärfte Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG, § 93 Abs. 3 AktG betroffen ist. Bei der AG ist hingegen wegen der Privilegierungssperre des § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG eine solche Vereinbarung nicht möglich.
V. Sonstiges zur Durchsetzung der Innenhaftung 289
Die Entscheidung über die Geltendmachung der Innenhaftung des Führungsorgans obliegt bei GmbH und AG den Gesellschaftern, bzw. der Hauptversammlung. Bei der GmbH entscheiden gem. § 46 Nr. 8 GmbHG die Gesellschafter und sind auch für die Durchsetzung von Ersatzansprüchen in Vertretung der GmbH zuständig. Demgegenüber erfolgt bei der AG die Umsetzung des Haftungsbeschlusses der Gesellschafter durch den Aufsichtsrat, der die Gesellschaft gem. § 112 AktG gerichtlich und außergerichtlich gegenüber dem Vorstand vertritt. Es handelt sich jeweils um materielle Voraussetzungen auch im Außenverhältnis, allerdings kann ein entsprechender Beschluss noch während des Klageverfahrens nachgeholt werden1. Wie bei der GmbH kann die Geltendmachung gem. § 147 AktG mit einfacher Beschlussmehrheit erzwungen werden. Außerdem sind Verfolgungsrechte vorgesehen; und zwar für die Aktionäre durch Aktionärsklage nach § 148 AktG und für Gläubiger der Gesellschaft nach § 93 Abs. 5 AktG, soweit sie von der Gesellschaft keine Befriedigung erlangen können2.
290
Insbesondere können bei der AG Aktionäre eine Vorstandshaftung wegen Gründungsverschuldens nur durch einen Hauptversammlungsbeschluss mit einfacher Mehrheit nach § 147 Abs. 1 AktG erzwingen. Anspruchsberechtigt ist nur die Gesellschaft. Allenfalls kann nach § 148 AktG das Landgericht auf Antrag einer geschützten Minderheit (insgesamt Anteilsbesitz von mindestens 1 % oder einem Kapitalanteil von 100 000 Euro) dieser die Prozessstandschaft zusprechen, die Erstattungsansprüche der Gesellschaft im eigenen Namen nach in § 147 Abs. 1 Satz 1 gegenüber dem Vorstand geltend zu machen. Aber auch dann bleibt es dabei, dass es sich um Ansprüche der Gesellschaft handelt. Die „geschützte Minderheit“ kann nach § 142 Abs. 2 AktG bei im Raume stehender Vorstandshaftung auch beschließen, einen Sonderprüfer zu bestellen. Auch insoweit verbleibt es bei einer Innenhaftung des Vorstandes gegenüber 1 Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, § 46 Rz. 40. 2 Für Innenhaftung über Prozesstandschaft LG Köln AG 1976, 105; für eigenen Anspruch der Gläubiger: Hüffer, AktG, § 93 Rz. 31 m.w.N.
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Rz. 293 Teil 7
Haftung
der Gesellschaft, nicht aber gegenüber Dritten. Die allgemeinen Haftungsnormen des § 43 GmbHG oder des § 93 AktG sind keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, sondern gerade die Generalklauseln der Innenhaftung. Die Darlegungs- und Beweislast der Innenhaftung richtet sich nach allgemeinen Regeln, die allerdings von der Sachnähe und der Gesamtverantwortung des Geschäftsleiters im Sinne eines Sphärengedankens geprägt ist. Die Verteilungsgrundsätze im Rahmen der Organhaftung waren jahrelang umstritten. Sicher war, dass den Geschäftsleiter als sachnaher Verantwortungsträger eine qualifizierte Darlegungslast trifft; und zwar auch nach seiner Abberufung. Der BGH hat klargestellt1, dass entsprechend § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG dem Führungsorgan die Beweislast obliegt, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt zu haben. Damit kehrt sich die Beweislast hinsichtlich der Frage, ob die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt wurde, zu Gunsten der Gesellschaft um. Für die GmbH gilt die Norm entsprechend2. Sie hat nur die Möglichkeit einer Pflichtverletzung darzulegen. Das Organmitglied hat darzulegen und zu beweisen, dass es seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist oder, falls dies nicht gelingt, dass es an dem Pflichtenverstoß kein Verschulden trifft.
291
Der Gesellschaft obliegt die Darlegungs- und Beweislast, dass und inwieweit ihr durch ein Verhalten des Geschäftsführungsmitgliedes in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist. Auch dabei kann ihr aber im Einzelfall eine Erleichterung zu Gute kommen, da sie nur Tatsachen vorzutragen und unter Beweis zu stellen hat, die zumindest hinreichende Anhaltspunkte für eine Schadenschätzung nach § 287 ZPO bieten.
292
Unter diese Vorschrift – richtiger Weise aber wohl unter die Grundsätze einer qualifizierten Darlegungs- und Beweislastverteilung nach Verantwortungssphären – soll auch die haftungsausfüllende Kausalität fallen, also der notwendige Ursachenzusammenhang zwischen einem dem Organmitglied vorgeworfene Verhalten (Pflichtverletzung) und dem konkret geltend gemachten Schaden. Dabei spielen Pflichtwidrigkeitszusammenhang und Schutzzweck einer etwaige verletzten Spezialregelung eine Rolle. Die Führungskraft kann sich insbesondere mit dem hypothetischen Kausalverlauf entlasten, wenn also der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre3.
293
1 BGH v. 4.11.2002 – II ZR 224/00, GmbHR 2003, 113 = ZIP 2002, 2314. 2 Steffek, JuS 2010, 295, 299. 3 Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn/Henze, HGB, 2. Aufl. 2008, A. GmbH & Co. KG Rz. 83a.
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B. Haftung für Steuern 294
Als gesetzliche und gesellschaftsrechtlich bestellte Vertreter von Gesellschaft bzw. Unternehmen (nachfolgend nur „Unternehmen“) haben Vorstände, Geschäftsführer, deren Vertreter oder geschäftsführende Gesellschafter (Führungskräfte) deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Hieraus resultiert, dass sie sowohl für die Erfüllung der steuerlichen Erklärungspflichten, insbesondere ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Steuererklärungen als auch die rechtzeitige Begleichung von Steuerverbindlichkeiten der Gesellschaft „aus den von ihnen verwalteten Mitteln“ Sorge tragen müssen1.
295
Neben der Tatsache, dass Führungskräfte der Gesellschaft im Innenverhältnis für vermeidbare steuerliche Mehrbelastungen, die auch in einem Zinsschaden bei verspäteter Zahlung (§ 233a AO) bestehen können, nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG haften (Innenhaftung), ist insbesondere die Außenhaftung gegenüber dem Fiskus anzusprechen. Führungskräfte treten über die §§ 34, 69 AO in ein eigenes Pflichtenverhältnis gegenüber der Finanzverwaltung ein, in dessen Rahmen sie für das Unternehmen die Buchführungs-, Erklärungs-, Mitwirkungs- und/oder Auskunftspflichten (§§ 140 ff., 90, 93 AO) zu erfüllen haben und für die Zahlung der fälligen Steuern, wie z.B. Körperschaftsteuer bei Kapitalgesellschaften, Gewerbe-, Lohn- und Umsatzsteuer, aus dem Gesellschaftsvermögen verantwortlich sind2.
I. Haftung für betriebliche Steuern nach §§ 34,69, 191 AO 296
Aus der Verletzung dieser Pflichten kann sich eine persönliche Haftung für nicht oder nicht rechtzeitig abgeführte Steuerlasten ergeben. Da die Führungskraft aber in der Regel von dem originären Steuerschuldner – dem von ihr geführten Unternehmen – zu unterscheiden ist, muss das Finanzamt ihr gegenüber einen Haftungsbescheid nach §§ 69, 191 AO erlassen. Dieser steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde. Wird ein Haftungsbescheid erlassen, wird der Betroffene zu einem neben der Gesellschaft oder gegebenenfalls auch anderen Führungskräften gesamtschuldnerisch haftenden Steuerpflichtigen (vgl. § 33 Abs. 1, 43 AO). Eine Haftung setzt jedoch – da sie der Natur nach eben keine originäre Steuerpflicht ist – ein qualifiziertes Verschulden des Haftungsschuldners voraus; und zwar in der Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
297
Die betroffene Führungskraft kann und muss gegen einen Haftungsbescheid selbständig vorgehen, wenn sie eine eigene Haftung aus der Welt räumen will. Dabei sind ihr allerdings die Einwände gegen die Steuerpflicht des vertretenen Unternehmens als solche abgeschnitten, wenn zuvor versäumt wurde, diese bereits im Rahmen der Anfechtung des dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Steuerbescheides anzugreifen3. 1 § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 AO. 2 Anwendungserlass zur Abgabenordnung, Zu § 34, Ziffer 1. 3 § 166 AO: Drittwirkung der Steuerfestsetzung.
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Rz. 301 Teil 7
Haftung
Die steuerliche Außenhaftung wird insbesondere relevant, wenn die Gesellschaft nicht mehr über ausreichende Mittel zur Bedienung fälliger Verbindlichkeiten verfügt, sich also in der Krise befindet. Dabei greift der haftungsrelevante Pflichtenkreis aber schon vor Fälligkeit der Steuerverbindlichkeit. Es gelten folgende Prinzipien:
298
1. Mittelvorsorgepflicht Die steuerliche Außenhaftung von Führungsorganen setzt voraus, dass die Verletzung steuerlicher Pflichten für den Steuerschaden adäquat kausal war. Dies ist grundsätzlich nur in dem Rahmen der Fall, in dem der Gesellschaft ausreichende Mittel zur Erfüllung ihrer Steuerschuld zur Verfügung stand1. Die Führungskraft handelt aber bereits pflichtwidrig, wenn sie nicht ausreichend Vorsorge trifft, zu erwartende Steuerverbindlichkeiten im Fälligkeitszeitpunkt aus Mitteln des Unternehmens begleichen zu können.
299
2. Grundsatz der anteiligen Tilgung Davon abgesehen haften Führungsorgane nur auf die sog. Tilgungsquote, also den Umfang, in dem der einzelnen Gläubiger bei ordnungsgemäßer Verteilung der verfügbaren Mittel der Gesellschaft Befriedigung erlangt hätte2. In dem in einer Haftungssituation regelmäßig gegebenen Fall unzureichender Gesellschaftsmittel ist dabei von dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger, zu denen auch das Finanzamt zählt, auszugehen. Dies gilt uneingeschränkt bei Körperschaft-, Gewerbe- und Umsatzsteuer. Das Finanzamt darf also keine geringere – aber auch keine höhere – Quote erhalten, als es einer gleichmäßigen, nach Quoten bemessenen Befriedigung aller Gläubiger entspricht.
300
3. Besonderheiten bei einzelnen Steuerarten a) Umsatzsteuer aa) Umsatz in der Krise Die Führungskraft ist auch in der Krise des Unternehmens nicht verpflichtet, von Geschäften Abstand zu nehmen, nur weil diese Umsatzsteuer auslösen. Denn durch derartige Geschäfte erhält die Gesellschaft ein Brutto-Entgelt, aus dem heraus die Umsatzsteuer abgeführt werden kann. Nur wenn der Geschäftsführer bei sorgfältiger Betrachtung erkennen muss, dass der Gesellschaft hieraus keine Zahlungsmittel zufließen, um die Umsatzsteuer auch tatsächlich abzuführen, verletzt er seine Mittelvorsorgepflicht3.
1 Vgl. Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rz. 98. 2 Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 69 AO Rz. 34 (Stand: Mai 2011). 3 BFH v. 7.9.2007 – VII B 180/06 (NV), BFH/NV 2008, 16.
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301
Teil 7 Rz. 302
Haftung
bb) Haftungspotenzial nach § 17 UStG 302
Haftungspotenzial besteht insoweit, als sich die effektive Umsatzsteuerlast aus dem Saldo von Umsatzsteuer aus den Ausgangsrechnungen (erbrachte Leistungen) zu dem Vorsteuerabzug (empfangene Leistungen Dritter, Eingangsrechnungen) ergibt. Gerät das Unternehmen in Schieflage, ist es i.d.R. nicht mehr in der Lage die überfälligen Eingangsrechnungen zu bezahlen. Es tritt dann – aus Sicht des jeweiligen Gläubigers – sog. „Uneinbringlichkeit“ der Gläubigerforderung ein. Sie hat zur Folge, dass von dem Unternehmen (Schuldner) bereits gezogene und von dem Finanzamt erstattete Vorsteuer gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zu korrigieren ist. Dies führt zu einem Erstattungsanspruch des Finanzamtes im Hinblick auf bereits geltend gemachte Vorsteuer. Diese Korrekturbeträge können den Haftungsumfang der Führungskraft erhöhen. Zu Vorsteuer-Korrekturen und ertragsteuerlichem Ertrag führen im Sanierungsversuch erfolgte Forderungsverzichte von Gläubigern oder verbundenen Unternehmen, die unter Besserungsschein erklärt werden1. Im Gegensatz zu dem – steuerlich vorrangig zu erwägenden – (qualifizierten) Rangrücktritt führt der Forderungsverzicht handels- und steuerrechtlich zum sofortigen Erlöschen der Verbindlichkeit.
303
Auf die umgekehrte Umsatzsteuerproblematik zögerlichen Inkasso- oder Rechnungsverhaltens oder Forderungsverzichte des leistungserbringenden Unternehmens ist bereits im Zusammenhang mit der business judgement rule, insbesondere in Anbetracht der Soll-Versteuerung (§ 13 UStG) hingewiesen worden (s.o. Rz. 188).
cc) Haftung bei umsatzsteuerlicher Organschaft 304
Die umsatzsteuerlichen Haftungsrisiken potenzieren sich im Fall der sog. umsatzsteuerlichen Organschaft. Sie liegt vor, wenn ein Betriebsunternehmen (Organgesellschaft) – eine Kapitalgesellschaft – in dreifacher Hinsicht – organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich – in ein anderes Unternehmen (Organträger) eingegliedert ist2. Dies ist, verkürzt gesagt, der Fall bei anteilsmäßiger und operativer Beherrschung der Organgesellschaft durch ein anderes Unternehmen (Organträger), dem die Tätigkeit der Organgesellschaft dient. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird nur der Organträger als Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinn angesehen, d.h. Vorsteuer- und Umsatzsteuer beziehen sich für den gesamten „Organkreis“ ausschließlich auf ihn. Er hat die umsatzsteuerlichen Pflichten zu erfüllen und die Umsatzsteuererklärungen im eigenen Namen abzugeben. Ihm steht der Vorsteuerabzug aus die Organgesellschaft betreffenden Eingangsrechnungen zu. Die Organgesellschaft hat – zumal zivilrechtlich selbständiges Unternehmen – dann zwar noch ihre Ausgangsrechnungen zu stellen und Eingangsrechnungen entgegenzunehmen. Sie muss aber im Rechtsverkehr, etwa im Rahmen des § 14 UStG, die Steuer- oder Umsatzsteuer-ID-Nr. des Organträgers angeben, der im Organkreis einziges Erklä1 FG Berlin-Brandenburg v. 8.5.2008 – 7 B 9160/05 B. 2 Sog. drei Eingliederungskriterien, die kumulativ vorhanden, aber nicht gleich stark ausgeprägt sein müssen, vgl. Jahn/Gierlich, Steueranwaltsmagazin 2010, 59.
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Rz. 307 Teil 7
Haftung
rungs- und Bezugsobjekt aller umsatzsteuerlichen Lasten, Verpflichtungen und Ansprüche ist. Leistungen innerhalb des Organkreises – also zwischen Organgesellschaft und Organträger – sind nicht umsatzsteuerbarer Innenumsatz. Die Organgesellschaft haftet allenfalls nach § 73 AO für Steuern des Organträgers. Eine umsatzsteuerliche Organschaft geht häufig mit einer Betriebsaufspaltung – ein ertragsteuerliches Phänomen – einher. Bei ihr beherrscht ein Besitzunternehmen (Organträger) eine operativ tätige Kapitalgesellschaft, sog. Betriebsgesellschaft, aufgrund Identität der Gesellschaftermehrheit (persönliche Verflechtung = einheitlich unternehmerischer Betätigungswille) und überlässt ihr die wesentliche Betriebsgrundlage (sachliche Verflechtung = Überlassung wenigstens einer wesentlichen Betriebsgrundlage). Damit sind zugleich finanzielle und wirtschaftliche Eingliederung im umsatzsteuerlichen Sinne gegeben und das schwächste Kriterium der organisatorischen Eingliederung, das an die Identität der oder Einflussnahme auf die Geschäftsführungsorgane der Organgesellschaft anknüpft, ist regelmäßig indiziert. Die ertragsteuerliche Betriebsaufspaltung beruht systematisch zwar nicht auf umsatzsteuerlichen Erwägungen, häufig werden aber mit ihr die Eingliederungskriterien der umsatzsteuerlichen Organschaft angelegt sein. Haftungsrisiken für Führungsorgane bestehen im Fall der Organschaft vor allem in der Insolvenz eines der am Organkreis beteiligten Unternehmen, weil Steuer(-Korrektur-)lasten und ursprüngliche Mittelzuflüsse auseinanderfallen:
305
(1) Übersehen der umsatzsteuerlichen Organschaft Wird die Zuordnung der umsatzsteuerlichen Pflichten und Lasten zu dem Organträger übersehen, führt dies bei wirtschaftlich intaktem Organkreis i.d.R. nicht zu Komplikationen, da der Saldo aus Umsatzsteuer und Vorsteuer über die Organgesellschaft bedient wird. Höchst problematisch ist aber das „Platzen“ der umsatzsteuerlichen Organschaft. Das ist der Fall, wenn eines der Eingliederungskriterien endgültig wegbricht. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Organgesellschaft führt dazu, dass nicht mehr der Wille des Organträgers, sondern des Insolvenzverwalters bestimmend für die Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft ist und damit die finanzielle Eingliederung zerschlägt. Hier wird nun der Organträger für Umsatzsteuerlasten, die sich aus dem Betrieb der Organgesellschaft ergeben, in Anspruch genommen; und zwar ebenso für nicht erfüllte Umsatzsteuerlasten wie für die Rückzahlung „gezogener“ Vorsteuerüberhänge wegen Uneinbringlichkeit des von der insolventen Organgesellschaft ihren Gläubigern noch geschuldeten Entgelts (§ 17 UStG). Eine Inanspruchnahme des Organträgers ist für das Finanzamt zwingend. Zum einen geht es nicht um eine „Haftung“ des Organträgers für fremde, sondern um eine eigene Umsatzsteuerschuld; zum anderen besteht die Möglichkeit der vollen Realisierung steuerlicher Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens der Organgesellschaft und einer nur quotalen Befriedigung. Nicht selten zieht dies die Insolvenz auch des Organträgers nach sich.
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Eine fatale Definitivbelastung des von dem Finanzamt in Anspruch genommenen Organträgers ergibt sich, wenn diesem – obwohl einziges Umsatzsteuer-Subjekt im Organkreis – zuvor die entsprechende Vorsteuer oder der entspre-
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Teil 7 Rz. 308
Haftung
chende Umsatzsteuer-Anteil aus von der Organgesellschaft vereinnahmten Beträgen nicht zugeflossen bzw. weitergeleitet worden war. Dieses Szenario löst dann die Haftungsfrage der Führungsorgane gleich in doppelter Hinsicht aus: – gegenüber dem Organträger/Unternehmen: Haftung der Führungskraft aus § 43 GmbHG, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und dem jeweiligen Dienstvertrag; – gegenüber dem Steuerfiskus: Haftung der Führungskraft bei Ausfall des Organträgers aus §§ 69, 191 AO. 308
Für das Finanzamt ist eine Haftung der Führungskraft schon deswegen attraktiv, weil sich diese persönlich nicht in der Insolvenz befindet. Anders als bei dem Organträger handelt es sich bei ihr aber in der Tat um eine „Haftung“, so dass die Inanspruchnahme ein qualifiziertes Verschuldens der Führungskraft voraussetzt (s.o.). Es kann im Einzelfall fraglich sein, ob das Verhalten der Geschäftsleitung wirklich als grob fahrlässig zu betrachten ist, wenn das Finanzamt selbst die Organschaft trotz ihm bekannter Umstände jahrelang übersehen hat1. Unabhängig davon, ist Führungsorganen dringend anzuraten, von Anfang an zu beachten, dass „sauber“ zwischen Organgesellschaft und Organträger getrennt wird oder ein laufender Ausgleich zwischen den Unternehmen des Organkreises über gesondert eingerichtete Konten erfolgt. Ausgleichspflichten sollten bereits auf Gesellschafterebene per Beschluss festgehalten werden. Man sollte nicht auf das vermeintliche „Nullsummen-Spiel“ der intakten Unternehmenstätigkeit vertrauen.
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Im Falle der Belastung des früheren Organträgers mit steuerlichen Nachforderungen kann die Führungskraft zumindest versuchen, den Schaden für den Organträger zu begrenzen, indem der Ausgleichsanspruch aus einer etwaige Umsatz- oder Vorsteuerbelastung zur Insolvenztabelle der insolventen Organgesellschaft angemeldet wird. Es sprechen einige Argumente dafür, dass dem Organträger einen Aufwandserstattungsanspruch oder einen Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft zumindest aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zusteht2. Letztlich betreffen die umsatzsteuerlichen Lasten und die ihnen zugrunde liegenden Vertragsverhältnisse mit Lieferanten und Kunden das operative Geschäft der Organgesellschaft, die sich ja auch die entsprechenden Einnahmen einverleibt. Die zivilrechtliche Trennung der Unternehmen bleibt von dem steuerlichen „Konstrukt“ der umsatzsteuerlich Organschaft unberührt.
(2) Typische Haftungslage in der Phase vor Beendigung der Organschaft 310
Der Organträger ist mit aus dem operativen Geschäft der Organgesellschaft herrührenden Steuern bis zum Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft belastet. Regelmäßig wird sie erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet, da das Unternehmen erst ab diesem Zeitpunkt von dem Willen des Insolvenzverwalters – anstelle der Gesellschafter oder Geschäftsführung – be1 Insbesondere Änderungssperre nach Betriebsprüfung: § 173 Abs. 2 AO. 2 Vgl. Jahn/Gierlich, Steueranwaltsmagazin 2010, 59 ff.; aber dagegen: OLG Düsseldorf v. 18.2.1999 – 6 U 38/98, NZG 1999, 884 (886) – „eigene Steuerverbindlichkeiten“.
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Rz. 313 Teil 7
Haftung
herrscht wird. Zwar gibt es in der Literatur Stimmen, die meinen, bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren gehe die finanzielle Eingliederung verloren, BFH wie auch Finanzverwaltung gehen aber von einer Beendigung vor Insolvenzeröffnung nur aus, wenn der in praxi seltene Fall gegeben ist, dass ein sog. starker Insolvenzverwalter i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO bestellt ist, auf den mit gerichtlichem Beschluss auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen wird. Bei dem im vorläufigen Insolvenzverfahren typischerweise nur „schwachen“ Insolvenzverwalter bleibt es hingegen bei der Beherrschung durch die Gesellschafter bzw. Unternehmensträger i.S.d. Eingliederungskriterien und einer vollen Verantwortung von Vorstand oder Geschäftsführer für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Diese sollten sich also darüber im Klaren sein, dass das vorläufige Insolvenzverfahren bei Anordnung lediglich eines sog. Zustimmungsvorbehaltes an der steuerlichen Situation und ihrer Verantwortung für die Unternehmensführung für den Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung nichts ändert. Unabhängig davon kann die Organschaft natürlich auch zuvor durch Änderung der Geschäftsführungsstrukturen und des Gesellschafterbestandes unter Einbindung eines fremden Investors mit beherrschendem Einfluss enden1. Die Führungskraft ist auch deswegen mit Eintritt der Krise gehalten, die Unternehmensträger zu informieren und auf die Einbindung eines steuerlichen Beraters zu drängen. Sie sollte beides schriftlich dokumentieren, um sich zumindest gegenüber der Gesellschaft entlasten zu können. Zugleich wird sie den Zeitlauf der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände zu beachten haben2.
311
(3) Haftung für Vorsteuerkorrekturen bei Insolvenz der Organgesellschaft: Insbesondere für die Haftung wegen Vorsteuerkorrekturen bei Insolvenz eines am Organkreis beteiligten Unternehmens ist nicht nur der Zeitpunkt der Beendigung der Organschaft, sondern auch der Uneinbringlichkeit von Bedeutung. Er ist eines der heiß umkämpftesten Themen eines Haftungsszenarios. Wird nämlich aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger das Entgelt i.S.d. § 17 UStG für die während des Bestehens der Organschaft bezogenen Leistungen erst uneinbringlich, nachdem die Organschaft beendet ist, wird der Vorsteuerabzug nicht mehr gegenüber dem früheren Organträger, sondern der inzwischen verselbständigten (früheren) Organgesellschaft berichtigt3. Insoweit ist der Geschäftsführer des bisherigen Organträgers nicht mehr haftungsverantwortlich; es sei denn er übt gleichzeitig ein Führungsamt bei der Organgesellschaft aus.
312
Uneinbringlichkeit ist in voller Höhe und unabhängig von der Möglichkeit einer quotalen Befriedigung spätestens mit Insolvenzeröffnung gegeben4. Sie kann aber auch früher eintreten, etwa bei Zahlungsunfähigkeit. Nach § 17
313
1 Keine umsatzsteuerliche Organschaft bei Schwestergesellschaften: BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09; NZG 2010, 1120. 2 § 15a InsO; Wicke/Wicke, GmbHG, 2. Aufl. 2011, § 64 Rz. 8. 3 BFH v. 7.12.2006 – V R 2/05, BStBl. 2007 II, 848; UStAE 17.1 Abs. (4). 4 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BFH/NV 2010, 773.
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Teil 7 Rz. 314
Haftung
Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug bereits dann zu berichtigen, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Schuldner seiner Zahlungsverpflichtung gegenüber seinem Gläubiger nicht mehr nachkommen wird1. Umgekehrt kann es an einer Uneinbringlichkeit fehlen, wenn zwar der Insolvenzgrund der Überschuldung vorliegt, nicht aber einer Zahlungsunfähigkeit. Denn dann ist das Entgelt für den Gläubiger noch realisierbar. Die Führungskraft muss sich darüber im Klaren sein, dass sie selbst eine Vorsteuerkorrektur durch Änderung der Bemessungsgrundlage wegen „Uneinbringlichkeit“ i.S.d. § 17 UStG auslöst, wenn sie in der Krise Vereinbarungen mit Vertragspartnern und Gläubigern trifft, nach denen Verträge und Rechnungen „storniert“ oder auf „neue Füße“ gestellt werden. Hier ist Vorsicht geboten, um nicht in der Sanierungsphase eine Vorsteuerkorrektur nach § 17 UStG leichtfertig auszulösen, auf der dann der Organträger hängen bleibt, mit entsprechenden Haftungsfolgen für die Geschäftsleitung. Auch im Zusammenspiel mit der Frage, wann die Organschaft endet, ist eine differenzierte Betrachtung ganz entscheidend für die Höhe der Belastung des Organträgers und der Haftungsverantwortung seiner Führungsorgane. 314
Wird der Anspruch des Gläubigers später ganz oder teilweise befriedigt, ist § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG im Sinne einer „umgekehrten Korrektur“ anzuwenden. Hieraus ergibt sich aber keineswegs, dass die einmal eingetretene Vorsteuerkorrektur zu Lasten des Schuldners rückwirkend revidiert würde, sondern es entsteht der Vorsteuerabzug in dem Veranlagungszeitraum neu, in dem der Gläubiger quotal befriedigt wird2. Dies kann bei Insolvenzverwaltung oder Insolvenzplanverfahren dazu führen, dass die frühere Organgesellschaft den Vorsteuererstattungsanspruch nach Insolvenzeröffnung und damit einhergehender steuerlicher Verselbständigung erhält, obwohl der ehemalige Organträger für den Zeitraum vor Insolvenzeröffnung aufgrund damaliger Uneinbringlichkeit haftet; ein missliches Ergebnis.
(4) Irrige Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft 315
Der BFH hat in einer Entscheidung aus 2010 festgestellt, dass eine umsatzsteuerliche Organschaft bei Schwestergesellschaften nicht besteht, wenn die „Beherrschung“ nur darüber hergestellt wird, dass an beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter beteiligt sind und die Gesellschafter der vermeintlichen Organträger-Gesellschaft (im Fall: Personengesellschaft) über die Anteilsmehrheit in der Organgesellschaft (GmbH) verfügten. Die finanzielle Eingliederung könne nicht lediglich mittelbar über Gesellschafter des „Organträgers“ erfolgen3. Für den Fall, dass mehreren Gesellschaftern gemeinsam eine Mehrheitsbeteiligung an GmbH und Personengesellschaft zusteht, hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung aufgegeben und geht nicht mehr von einer Organschaft aus4. Dies führt bei einem gegen das Füh1 Uneinbringlichkeit, vgl. auch 17.1 UStAE. 2 BFH v. 22.10.2009 – V R 14/08, BFH/NV 2010, 773; UStAE 17.1. 3 So schon Reiß/Kraeusel/Langer/Reiß, UStG, 1995, § 2 Rz. 111 (Stand: August 2010); Wäger in: FS für Harald Schaumburg, 2009, S. 1189 ff., 1199 f. 4 BFH v. 22.4.2010 – V R 9/09, NZG 2010, 1120.
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Rz. 318 Teil 7
Haftung
rungsorgan wegen angeblich übersehener Organschaft ergangenen Haftungsbescheids zur Entlastung, wenn rechtzeitig Einspruch eingelegt wird. Bei fälschlich angenommener Organschaft müssen Führungsorgane der vermeintlichen Organgesellschaft, wie auch des Organträgers aber unter Abstimmung mit dem Finanzamt die Buchführung umstellen. Die Unternehmen sind umsatzsteuerlich konsequent zu verselbständigen (Anpassung der Pflichtangaben im Rechtsverkehr, Steuernummer in Rechnungen der „Organgesellschaft“, eigene Umsatzsteuer-ID-Nr. bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen). Vor allem muss für die vermeintliche Organgesellschaft eine eigene Umsatzsteuervoranmeldung abgeben werden. Ein Haftungsszenario kann sich nämlich bei irrtümlicher Annahme einer Organschaft ergeben, wenn der (vermeintliche) Organträger in Insolvenz gerät und das Finanzamt nachträglich darauf verweist, eine Organschaft habe nie bestand. Die oben dargelegten Risiken ergeben sich dann spiegelbildlich für die vermeintliche Organgesellschaft. Die Tatsache, dass sich die Rechtsprechung geändert hat, kann Führungsorgane allenfalls im Rahmen der in das Haftungsermessen einzubeziehenden Verschuldensprüfung (191 AO) entlasten.
316
b) Besonderheiten Lohnsteuer und Abzugssteuern aa) Einschränkung des Grundsatzes der anteiligen Tilgung Der Grundsatz der Außenhaftung in Höhe der anteiligen Tilgung (Rz. 300) gilt bei den Abzugssteuern nur eingeschränkt. Dies führt regelmäßig zu einer höhere Haftung des gesetzlichen Vertreters, insbesondere bei der Lohnsteuer. Reichen vorhandene Mittel nicht aus, um geschuldete Bruttolöhne einschließlich der darauf entfallenden Lohnsteuer und ggf. weiterer Abzugssteuern voll auszuzahlen, dürfen die Nettolöhne nur gekürzt ausgezahlt werden1. Es ist also nur der Lohn auszuzahlen, für den auch der entsprechende Steuereinbehalt und dessen Abführung an das Finanzamt erfolgen kann. Nach Auffassung des BFH haftet der Geschäftsführer stets für diejenige Lohnsteuer, welche dem tatsächlich ausgezahlten Nettolohn entspricht. Zahlt er also den vollen Nettolohn aus, haftet er für die volle Lohnsteuer, selbst wenn das Finanzamt bei gleichmäßiger Befriedigung geringer zu bedenken wäre2. Der BFH geht davon aus, dass die Haftungsnorm des § 69 AO auch Schadenersatzcharakter habe und die Auszahlung der Nettolöhne (in voller Höhe) über längere Zeiträume die Annahme rechtfertige, dass für die zurückliegenden Monate ausreichende Mittel zur Verfügung zur Abführung der Lohnsteuer zur Verfügung gestanden hätten. Dies ist in dieser Verallgemeinerung eine nicht ganz schlüssige Annahme; man sollte sie im konkreten Fall überprüfen lassen3.
317
Der Haftungsumfang kann sich auch auf die Lohnsteuer für Lohnzahlungen Dritter erstrecken, die erkennbar mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis geleistet wurden. Relevant ist dies insbesondere bei Zahlungen konzernverbun-
318
1 BFH v. 27.2.2007 – VII R 67/05, NZI 2007, 599. 2 BFH v. 6.7.2005 (NV) – VII B 296/04, BFH/NV 2005, 1753; FG Köln v. 12.5.09.2005 – 8 K 5677/01, EFG 2006, 86. 3 Ablehnend: Tipke/Kruse/Loose, AO/FGO, § 69 Rz. 41 (Stand: Mai 2011).
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Teil 7 Rz. 319
Haftung
dener Unternehmen und Arbeitnehmerentsendung1. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten und Entsendung unter Einbindung ausländischer Betriebsstätten wird die Führungskraft in jedem Fall einen steuerlichen Berater einbinden müssen, um den eigenen Sorgfaltspflichten nachzukommen. Bei Zweifeln ist eine Lohnsteueranrufungsauskunft nach § 42e EStG geboten. 319
Das Führungsorgan selbst ist von einer lohnsteuerlichen Doppelstellung geprägt, da es einerseits in der eigenen Veranlagung nach § 19 EStG steuerpflichtiger „Nicht-Selbständig-Beschäftigter“ ist, andererseits über §§ 34, 69 AO als Unternehmensvertreter und damit möglicher Haftungsschuldner nach §§ 42d, 44 Abs. 5, 45a Abs. 7, 48a Abs. 3 und 50a Abs. 4 EStG angesprochen ist.
320
Andere Abzugssteuern werden nicht selten vollständig übersehen. So verkennen insbesondere im Franchisebereich tätige Führungskräfte teilweise, dass Lizenzzahlungen an einen ausländischen Lizenzgeber einem Steuerabzug bei der Lizenznehmerin nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen, sofern keine Ausnahme nach § 50d Abs. 2, § 50g EStG greift. Insbesondere Führungskräfte des Franchisegebers müssen bei Abschluss von Verträgen darauf achten, eine „gross-up“-Klausel aufzunehmen, welche die Zahlungslast der Quellensteuer stets dem Lizenznehmer zuweist. Dies birgt insbesondere Risiken einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 AktG. Die Einbindung eines steuerlichen Beraters kann entlasten.
bb) Zivilrechtliche und steuerliche Pflichtenkollision in der Krise: 321
Steuerlich verdient die Krisensituation unmittelbar vor Insolvenzeröffnung besondere Beachtung, da eine Pflichtenkollision hinsichtlich der zivilrechtlichen Massesicherungspflicht (§ 64 Satz 1, 2 GmbHG) und der steuerlichen Abführungspflicht besteht. Nach § 15a InsO unterliegen alle gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften, einschließlich der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG2, der strafbewehrten Pflicht, innerhalb von drei Wochen nach Vorliegen eines (erkennbaren) Insolvenzgrundes (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit) Insolvenzantrag zu stellen. Das Erkennen eines Insolvenzgrundes löst die Massesicherungspflicht aus, d.h. die Führungskraft darf grundsätzlich keine Maßnahmen vornehmen, welche eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger durch Masseschmälerung beeinträchtigen. Lange Zeit war umstritten, ob sich zivilrechtlich aus § 64 GmbHG a.F. bzw. § 15a InsO i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer ergibt, soweit er Lohnsteuer- und Sozialversicherungszahlungen in diesem Zeitraum auslöst, die eine gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger beeinträchtigen. Das Führungsorgan würde sich in einem Dilemma befinden: Die Auszahlung kann ein Verstoß gegen die Massesicherung bedeuten. Andererseits würde es sich bei Nichtabführung von Lohnsteuern (§ 41a EStG, § 18 UStG i.V.m. §§ 69, 34 AO) und Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeiträgen (§§ 28d, 28e Abs. 1 SGB IV und §§ 266a Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) unweigerlich dem Vorwurf der Verletzung gesetzlicher Einbehaltungs- und Ab1 Vgl. § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG. 2 § 15a Abs. 2 InsO n.F.
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Rz. 323 Teil 7
Haftung
führungspflichten aussetzen, die als Treuhandvermögen Im Schutzinteresse des Arbeitnehmers verstanden werden. Die Rechtsprechung geht im Ergebnis von einem Vorrang der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten aus. Der II. Zivilsenat des BGH mutet es dem Geschäftsführer nicht zu, seiner Massesicherungspflicht durch Nichtabführung nachzukommen, wenn er sich dadurch einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde (vgl. § 266a StGB)1. Für den Geschäftsführer soll daher zivilrechtlich im Verhältnis zu anderen Gläubigern keine Ausfallhaftung für einen Quotenschaden entstehen, wenn er Lohnsteurer und Arbeitnehmer-Sozialversicherungsbeträge abführt. Das lässt freilich außer Acht, dass in der DreiWochen-Frist des § 15a InsO die Lohnsteuerabführungspflichten „nur“ bußgeldbewehrt sind2. Gleichwohl hat der BGH mit Urteil vom 25.1.2011 selbst einen Erstattungsanspruch der Gesellschaft nach § 64 Satz 1 GmbHG auf erst nach Eintritt des Insolvenzgrundes gezahlte Steuern und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abgelehnt, wenn diese zum Zeitpunkt des Insolvenzeintritts bereits rückständig waren3. In Anbetracht der Haftungsgefahren bei Nichtabführung nach §§ 69, 34 Abs. 1 AO, der Bußgeldandrohung und der Folgen in Bezug auf die Arbeitnehmerbeiträge (§§ 266a, 14 StGB, Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB) seien auch nachträgliche Zahlungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S.d. § 64 Satz 2 GmbHG vereinbar. Dies gilt allerdings nicht für die Zahlung der Arbeitgeberanteile nach Insolvenzreife, da insoweit kein strafbewehrtes Treuhandverhältnis i.S.d. § 266a StGB angenommen wird4.
322
Der Strafsenat des BGH hält allerdings die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsabgaben, die im Gegensatz zur Lohnsteuer nicht an gezahlten, sondern stets an den geschuldeten Lohn anknüpfen, innerhalb dieser Drei-WochenFrist für suspendiert und geht insoweit von Straflosigkeit aus5 Auch der BFH bejaht in der dreimonatigen Vor-Insolvenz-Phase, in der Zahlungen eigentlich nach § 130 InsO angefochten werden können, eine volle Steuerabführungspflicht der Führungsorgane6. Allerdings hielt er zunächst bei voller Nettolohnauszahlung in der Drei-Wochen-Frist (Krisenzeit nach Erkennen des Insolvenzgrundes) die Pflicht zur Abführung der vollen Lohnsteuer für suspendiert, um den Betrieb während der Prüfung jedenfalls aussichtsreicher Sanierungsfähigkeit im Interesse der Massesicherung aufrecht erhalten zu können7. Die Exkulpationsmöglichkeit der Führungsorgane war allerdings begrenzt auf diejenige Lohnsteuer, die innerhalb des Drei-Wochen-Zeitraumes vor der pflichtgemäßen Antragstellung fällig geworden ist8. Davon ist der BFH vor dem Hintergrund der im Laufe des Jahres 2007 geänderten Straf- und Zivilrechtsprechung des BGH aber wieder
323
1 BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, NZI 2011, 196; BGH v. 14.5.2007 – II ZR 48/06, GmbHR 2007, 757. 2 Vgl. Heek, DStR 2007, 2134, 2148. 3 BFH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, NZI 2011, 196. 4 So BGH v. 8.6.2009 – II ZR 147/08, NJW 2009, 2599, 2599 f. 5 BGH v. 28.5.2002 – 5 StR 16/02, NJW 2002, 2480. 6 BFH v. 5.6.2007 – VII R 65/05, DStR 2007, 1722. 7 BFH v. 27.2.2007 – VII R 67/05, DStRE 2007, 1129. 8 Remmert/Horn, NZG 2007, 938.
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Teil 7 Rz. 324
Haftung
abgerückt. Inzwischen hält er eine steuerrechtliche Haftung nach § 69 AO auch für während des Drei-Wochen-Zeitraums nach Insolvenzreife (§ 15a InsO) fällige Steuern für möglich1. Im Zweifel ist Führungskräften also nach wie vor zu raten, der Abführung der Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteilen eine faktische Privilegierung einzuräumen. Diese Wertung kann unter Beachtung der kaufmännischen Sorgfalt nach § 64 Satz 2 GmbHG möglicherweise entsprechend gelten, wenn die in der Krise befindliche Gesellschaft absprachegemäß Treuhandpflichten gegenüber verbundenen Unternehmen – etwa Konzerngesellschaften – im Verhältnis zu deren Gläubigern zu erfüllen hat. Die Einhaltung der Massesicherungspflicht mit Blick auf derartige Treuhandgelder würde eine Verletzung des § 266 StGB darstellen und kann daher jedenfalls bei der Treuhand-Gesellschaft nicht zu einer Ersatzpflicht nach § 64 Satz 1 GmbHG führen2.
c) Verdeckte Gewinnausschüttung 324
Geht ein Führungsorgan namens der Gesellschaft mit einem Gesellschafter Rechtsgeschäfte ein, ist die Einhaltung fremdüblicher Konditionen nicht nur zivilrechtlich zur Vermeidung einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft geboten3, sondern auch wegen einer steuerlichen Belastung der Gesellschaft wegen verdeckter Gewinnausschüttung. Sie liegt nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG vor, wenn durch eine Maßnahme außerhalb einer offenen Gewinnausschüttung eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei der Gesellschaft eintritt, die durch das Gesellschaftsverhältnis zu einem Gesellschafter veranlasst ist4. Hierzu gehören regelmäßig Vereinbarungen über Leistungen zu Gunsten eines Gesellschafters, einer ihm nahestehenden Person (§ 15 AO) oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens, die bei Anwendung kaufmännischer Sorgfalt mit Dritten so nicht abgeschlossen worden wären. Das Haftungspotenzial liegt darin, dass verdeckte Gewinnausschüttungen dem Einkommen der Kapitalgesellschaft als „fiktiver Gewinn“ hinzugerechnet werden und ein Betriebsausgabenabzug der Zahlungen an den Gesellschafter nicht anerkannt wird. Es wird fiktiv die Situation hergestellt, wie sie bei offener Ausschüttung bestehen würde, also einschließlich der bei Ausschüttungen § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzubehaltenden Kapitalertragsteuer. Anwendungsfälle können auch unbesicherte oder zinsgünstige Darlehen sein, wobei fraglich sein kann, ob nur der Zinsvorteil oder die gesamte Darlehenssumme als verdeckte Gewinnausschüttung gilt5. Bei Aufgreifen durch die Finanzverwaltung entsteht die missliche Situation, dass sich die Steuerbelastung der Gesellschaft erhöht, obwohl sich zuvor Vermögen bzw. Liquidität verringert haben. Die Gesellschaft wird das Führungsorgan nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG bzw. 93 Abs. 2 1 BFH v. 23.9.2008 – VII R 27/07, BStBl. II 2009, 129 ff. 2 So für den früher geltenden § 64 Abs. 2 GmbHG: BGH v. 5.5.2008 – II ZR 38/07, DStR 2008, 1346. 3 § 43 Abs. 2, 3 GmbHG, § 19 Abs. 4 und 5, §§ 30, 64 GmbHG bzw. § 27 Abs. 3 und 4, §§ 57, 92 Abs. 2 AktG. 4 Jäger/Lang, Körperschaftsteuer, 18. Aufl. 2009, S. 210, Ziff. 3.6.3.1 ff. 5 FG Baden-Württemberg v. 11.11.2005 – 10 V 27/05: Frage, ob Darlehensrückzahlungsanspruch bei sorgfältiger Bonitätsprüfung von Anfang an wertlos war; Jäger/Lang, Körperschaftsteuer, S. 304, Ziff. 3.6.10.5.2.1.
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Rz. 326 Teil 7
Haftung
AktG in Regress nehmen. Selbst wenn der Gesellschafter nach der Satzung ausdrücklich zur Rückzahlung verdeckter Gewinnausschüttungen verpflichtet ist, beseitigt dies die einmal eingetretene Steuerbelastung nicht, kann aber zur weiteren verdeckten Gewinnausschüttung führen, wenn Führungsorgane die Erstattung nicht einfordern. Bei beherrschenden Gesellschaftern wird häufig bereits das Fehlen einer schriftlichen und von Anfang an konsequent durchgeführten Vereinbarung als verdeckte Gewinnausschüttung bewertet. Zur Haftungsvermeidung sollten Führungskräfte grundsätzlich nur schriftliche und konsequent durchgeführte Vereinbarungen treffen und den Drittvergleich streng prüfen (übliche Zinshöhe, klare Verpflichtungen, marktübliche (Rück-)Zahlungsbedingungen, Besicherung etc). Umgekehrt kann sich natürlich eine Innenhaftung der Organe nach §§ 43 Abs. 2 GmbHG, 93 Abs. 2 AktG auch ergeben, wenn auf Auszahlungen an den Gesellschafter zu Unrecht Kapitalertragsteuer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG einbehalten wurde, wobei bei Beratung durch einen informierten Steuerberater eine „Entlastung“ möglich ist1.
325
4. Verschuldensabhängigkeit und Ermessen nach §§ 34, 69, 191 AO a) Qualifizierter Sorgfaltsverstoß und Auswahlermessen Die steuerliche Außenhaftung tritt nur bei mindestens grob fahrlässiger Pflichtverletzung ein. Ergibt sich der Vorwurf gegen mehrere Führungskräfte, haften sie als Gesamtschuldner neben der Gesellschaft. Entsprechend den typisierten Sorgfaltsmaßstab des gewissenhaften Geschäftleiters nach §§ 43 GmbHG, 93 AktG schützt individuelle Unerfahrenheit oder Unfähigkeit auch in steuerlichen Angelegenheiten nicht. Der BFH geht davon aus, dass die objektive Pflichtwidrigkeit im Allgemeinen den Schuldvorwurf indiziert, sich das Führungsorgan aber durch besondere Umstände entlasten kann2. Allerdings kann sich selbst die Ressortverantwortliche Führungskraft in einem gewissen Maße von dem für die steuerliche Haftung entscheidenden Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entlasten. Sie darf steuerliche Aufgaben – etwa im Bereich der Buchführung – auf qualifizierte Mitarbeiter übertragen. Eine entlastende Delegation setzt eine sorgfaltsgemäße Auswahl qualifizierter Mitarbeiter sowie die entsprechende Instruktion voraus. Werden diese Organisationsmaßnahmen sorgfaltsgerecht durchgeführt, kann sich auch die ressortzuständige Führungskraft auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch Mitarbeiter verlassen, soweit stichprobenartige Überprüfungen oder sonstige Erkenntnisse nicht konkret Anlass zu Zweifeln bieten. Das Führungsorgan trifft auch dann kein Fahrlässigkeitsvorwurf, wenn es sich auf einen sorgfältig ausgewählten und qualifizierten steuerlichen Berater stützt, der über alle relevanten Umstände vollständig informiert wurde und dessen Auskünfte sie einer eigenen Plausibilitätskontrolle unterzogen hat3. Eine Exkulpation durch Delegation wird jeden1 Klett/Peitsmeyer, BB 2011, 2122, 2125 f. 2 BFH v. 23.9.2008 – VII R 27/07, BStBl. II 2009, 129, 130; BFH v. 25.6.2003 – VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540. 3 Vgl. Klett/Peitsmeyer, BB 2011, 2122, 2126.
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Teil 7 Rz. 327
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falls für den ressortzuständigen Geschäftsleiter bei erkennbaren Krisen- oder Fehleranzeichen aber nicht mehr in Betracht kommen, da dann die Überwachungspflichten insgesamt ansteigen1. Wie die Führungskraft Sorge trägt, frühzeitig „vorgewarnt“ zu sein, fällt in ihren Risikobereich. Zweifel an der Sorgfaltsgemäßheit gehen stets zu Lasten der Führungskraft und begründen ihre Haftung, auch wenn das Finanzamt im Rahmen der Ermessensentscheidung das Auswahlermessen sorgfältig zu prüfen hat. 327
Letztlich ist der Fiskus in dem Auswahlermessen nicht nur auf nur einen Gesamtschuldner beschränkt. Die Auswahl ist nicht nur an der Person des größten Verschuldens auszurichten, wenn dadurch die Durchsetzung des Steueraufkommens, etwa wegen Liquiditätsschwierigkeiten des „primär“ Zuständigen, gefährdet wäre. Insbesondere die Lohnsteuerhaftung in der Krise ist ein schwieriges Feld. Dem Finanzamt steht im Rahmen des Auswahlermessens unter den Gesamtschuldnern neben der Gesellschaft und dem Führungsorgan auch der Arbeitnehmer als Steuerpflichtiger und Haftender nach § 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG zur Verfügung, wenn die Lohnsteuer nicht oder nicht vollständig einbehalten wurde. Die Auswahl beschränkt sich allerdings auf die gesamtschuldnerische Haftung von Arbeitgeber-Gesellschaft und Führungskraft, wenn die Lohnsteuer einbehalten wurde und der Arbeitnehmer davon ausging, dass sie auch ordnungsgemäß angemeldet wurde (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG).
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Für das Gesamtschuldner-Innenverhältnis zwischen der steuerpflichtigen Gesellschaft und dem Geschäftsführer bzw. Vorstand als Haftungsschuldner, § 69 AO, kommt ein Freistellungsanspruch des Führungsorgans gegen die Gesellschaft hinsichtlich der Steuerschuld in Betracht. Dies gilt aber nicht ohne Weiteres für Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO), da die verspätete Steuerentrichtung regelmäßig auch dieser gegenüber sorgfaltspflichtwidrig ist.
b) Ressortverteilung als steuerliches Enthaftungs- und Ermessensmerkmal 329
Auch steuerlich kann eine Ressortverteilung zu einer Entlastung einzelner Organmitglieder von der Gesamtverantwortung führen. Hierdurch kann es bereits an einem Sorgfaltsverstoß des ressortunzuständigen Organmitglieds fehlen oder im Einzelfall zumindest ermessensgerecht sein, nur diejenige Führungskraft in Steuerhaftung zu nehmen, die der schwerere Verursachungs- und Schuldbeitrag trifft2. Dies wird regelmäßig der Ressortinhaber sein. Im Rahmen des Auswahlermessens kann sich ergeben, dass ein Geschäftsführer, der „nur“ seine Überwachungspflicht verletzt hat, nur subsidiär zur Haftung herangezogen wird3.
1 BFH v. 6.7.2005 – VII B 296/04 = BFH/NV 2005, 1753; BFH v. 13.3.2003 – VII R 46/02, BStBl. 2003 II, 556. 2 FG Saarland Gerichtsbescheid v. 13.9.2001 – 1 K 113/00, Haufe-Index 653838; BFH v. 27.5.1986 – VII S 5/86 (NV), BFH/NV 1987, 10. 3 Leuering/Dornhegge, NZG 2010, 13; Kallmeyer in: Centrale für GmbH (Hrsg.), GmbHHandbuch, Stand: Juli 2005, Rz. I 2436.
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Rz. 332 Teil 7
Haftung
aa) Strenge Ressortkriterien Für die steuerliche Anerkennung einer Ressortaufteilung sind die Anforderungen ihrer Errichtung und Durchführung allerdings besonders streng zu betrachten1:
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(1) Die Ressortaufteilung muss von vorne herein eindeutig und schriftlich fixiert und konsequent umgesetzt sein (positives Entlastungsmerkmal)2 (2) Sie muss ein klare Zuständigkeit der steuerlichen Aufgabenwahrnehmung innerhalb der Führungsebene bestimmen (positives Entlastungsmerkmal)3; (3) Stadium und Situation der Gesellschaft oder konkrete Umstände dürfen nicht die Gesamtverantwortung des betreffenden Geschäftsleiters wiederaufleben lassen (negatives Entlastungsmerkmal): – keine Erkennbarkeit von Unregelmäßigkeiten im Steuerressort – sorgfaltsgerechte Delegation an sorgfältig ausgesuchte, qualifizierte Mitarbeiter oder steuerliche Berater innerhalb des Ressorts – keine Erkennbarkeit von Krisenanzeichen. Die positiven Entlastungsmerkmale (1) und (2) können auf Ebene der Satzung, einer Geschäftsordnung oder auch eines schriftlich Gesellschafterbeschlusses fixiert sein4.
bb) Im Einzelnen gelten folgende Kriterien (1) Zeitliches Moment Die Haftung ist nicht für Steuern begrenzbar, die vor einer wirksamen Ressortaufteilung oder Bestellung des ressortzuständigen Organmitglieds entstanden sind.
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(2) Wiederauflebende Gesamtverantwortung in der Krise und bei Unregelmäßigkeiten Es gilt bei konsequenter Ressortaufteilung der Vertrauensgrundsatz. Auch den „unzuständigen“ Mitgliedern obliegt aber die Pflicht zur stichprobenartigen Überprüfung des „Steuer-Ressorts“. Ab dem Zeitpunkt, in dem wirtschaftliche Schwierigkeiten (Krisenzeichen) oder konkrete Anhaltspunkte einer nicht ausreichenden Aufgabenwahrnehmung im steuerlichen Bereich für einen sorgfältigen Geschäftsleiter erkennbar sind, – etwa verspätete Steueranmeldungen oder Unzuverlässigkeit bei Lohnsteuerabführungen – lebt die Gesamtverantwortung aller Führungskräfte wieder auf5. Im Bereich der Lohnsteuer ist die Finanzverwaltung besonders streng und nimmt die Interventionspflicht selbst 1 2 3 4 5
Vgl. BFH v. 26.4.1984 – V R 128/79, BStBl. II 1984, 776. Vgl. auch Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 43 Rz. 97. FG Hamburg v. 17.8.2005 – III 406/03, DStRE 2006, 502. Vgl. dazu Schießl/Küpperfahrenberg, DStR 2006, 445. BFH v. 17.5.1988 – VII R 90/85 (NV), BFH/NV 1989, 4, 6.
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Teil 7 Rz. 333
Haftung
ressortunzuständiger Führungskräfte schnell an: Denn es handelt sich bei der Lohnsteuer wie bei den Sozialversicherungsabgaben um fremde Gelder, also Treuhandvermögen, dessen Fehlverwendung der Gesetzgeber nach § 266a StGB unter Strafe gestellt hat. 333
Gleichzeitig muss die Ressortverteilung so ausgestaltet sein, dass bei Liquiditäts- oder Vermögensgefährdung alle Führungskräfte unterrichtet werden (Mitteilungs- und Risikoerkennungssystem), anderenfalls droht der Vorwurf des Organisationsverschuldens.
(3) Nacherklärungspflichten nach § 153 AO 334
Bei Wechsel des Führungsorgans oder der Ressortzuständigkeiten können sich steuerliche Risiken einschleichen. Der neue Geschäftsführer oder Vorstand ist verpflichtet, einzuschätzen, ob Anlass zu Zweifeln an der bisherigen steuerlichen Handhabung oder der Überwachungsstruktur bestehen. Es sollte ein Aufklärungsgespräch mit dem bisher zur Erledigung der laufenden steuerlichen Angelegenheiten eingeschalteten steuerlichen Beraters erfolgen. Ihm kann der neue Geschäftsleiter grds. vertrauen, wenn keine Zweifel an seiner Eignung oder Informiertheit erkennbar sind. Werden aber Fehler des Vorgängers festgestellt, erwächst für den neuen Geschäftsleiter – auch ohne früheren Verursachungsbeitrag – eine eigene steuerliche Erklärungspflicht nach § 153 AO, § 34 AO zur „unverzüglichen Richtigstellung“. Ihre Verletzung kann strafrechtliche Konsequenzen haben (§ 370 AO)1.
II. Steueroptimierte Gestaltungen als Entscheidungen i.S.d. business judgement rule 335
Die Erfüllung steuerlicher Unternehmenspflichten zählt zum Kernbereich der Legalitätspflicht. Verstöße bergen große Haftungsrisiken für Führungskräfte. Neben der Außenhaftung (§ 69 AO) können für die Innenhaftung relevante Grauzonen bei „offensiver steuerlicher Gestaltungspolitik“ des Führungsorgans entstehen, die dem Risikobewusstsein des Unternehmens nicht entspricht. Insoweit ist festzuhalten, dass unternehmenswesentliche Steuergestaltungen außerhalb des laufenden Geschäfts i.d.R. die Entscheidungskompetenz der Gesellschafter berühren. Dem Führungsorgan fällt hingegen die Aufgabe zu, Entscheidungen der Gesellschafterversammlung durch sorgfältige Aufklärung sachgerecht vorzubereiten. Zudem unterliegt seiner Verantwortung die Anwendung steuerlicher Instrumente innerhalb des laufenden Geschäftsbetriebes2. Im Interesse der Reduzierung von Liquditätsbelastungen ist es sogar verpflichtet, legale Möglichkeiten der steuerlichen Optimierung zu nutzen und abzuwägen. Gleichwohl ist auch die sorgfältige Führungskraft nicht davor gewappnet, dass das Finanzamt eine steueroptimiere Gestaltung im Nachhinein als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO beurteilt. Hiermit geht dann die An1 FG München v. 28.2.2008 – 14 K 4467/06. 2 Bsp.: Option zum Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 9 UStG, bei Vermietungsgesellschaften, wenn erhebliche Vorsteuer geltend gemacht werden kann.
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Rz. 339 Teil 7
Haftung
nahme einher, die Gestaltung sei in erster Linie zur Erlangung eines Steuervorteils gewählt, außersteuerliche Erwägungen träten in den Hintergrund. Eine steuerstrafrechtliche Relevanz ist damit noch nicht unmittelbar verbunden, sondern erst wenn nach § 370 AO gegenüber den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht oder diese unterlassen wurden. Durch Finanzämter wird gelegentlich die Karte des Gestaltungsmissbrauchs vorschnell gezückt, was nicht immer finanzgerichtliche Zustimmung findet1; gleichfalls belegt das BMF für Unternehmen günstige höchstrichterliche Rechtsprechung zuweilen mit Nichtanwendungserlassen, um es zu einem – am Ende doch erfolgreichen – „Durchklagen“ zu zwingen; schließlich werden selbst zentrale Normen des deutschen Steuerrechts durch die Rechtsprechung unter dem Blickwinkel der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit zusehends kritisch betrachtet2. Dies alles zeigt, dass steuerliche Erwägungen eine Chancen- und Risikobewertung für die Führungskraft sein können, die ein unternehmerisches Ermessen mit dem Haftungsfreiraum im Innenverhältnis zur Gesellschaft nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eröffnet. Allerdings wird sie im eigenen Enthaftungsinteresse zu beachten haben:
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1. Steuerliche Handlungsalternativen müssen aus „vernünftiger Ex-AnteSicht“ beurteilt werden. Die Hinzuziehung eines sorgfältig ausgewählten und qualifizierten steuerlichen Beraters ist bei komplexen Zusammenhängen unumgänglich. Hält er auf Grundlage einer vollständigen Information über die relevanten Umstände eine Gestaltung für steuerrechtlich vertretbar, wird man eine unternehmerische Entscheidung nicht verneinen können. Bei noch nicht geklärten Steuerfragen wird er schon im eigenen Haftungsinteresse eine verbindliche Auskunft empfehlen, die bei konsequenter Umsetzung eine Rechtssicherheit schafft. Die Führungskraft hat die Beraterauskunft zudem auf Plausibilität zu prüfen.
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2. Im Rahmen der angemessenen Ermittlung der Informationsgrundlage sind Risiken und mögliche Kosten einer etwaigen streitigen Auseinandersetzung besonders sorgfältig abzuwägen. Die spätere Aberkennung eines Steuervorteils führt zur Liquiditätsbelastung, die als solche aber nicht unbedingt einen Schaden bedeutet. Denn eine sich aus der richtigen Gesetzesanwendung ergebende Steuerlast ist kein Vermögensnachteil. Hier sind indes neben der Zinslast bei späterer Rückzahlung eines zunächst gewährten Steuervorteils nach § 233a AO, Gerichts-, Anwalts- und Steuerberatungskosten zu nennen. Sind im Steuerzusammenhang bußgeld- oder strafrechtlich relevante Verstöße von Mitarbeitern festzustellen, kann § 130 OWiG wegen Überwachungsverschuldens greifen (s.o. Rz. 118 ff.).
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3. Steuerliche Anerkennung verlangt stets eine für das Unternehmen sinnvolle außensteuerliche Motivation und Gestaltungskomponente, die nicht hinter
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1 Bsp. Hess. FG v. 29.10.2010 – 11 V 242/10 „Negativer Progressionsvorbehalt“. 2 Aktuell: FG Hamburg Vorlage-Beschl. an BVerfG v. 4.4.2011 – 2 K 33/10, BB 2011, 1429 („Mantelkauf“, § 8c KStG); BFH v. 7.12.2010 – IX R 40/09, DStR 2011, 401 („Ringweise Anteilsveräußerung“).
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Teil 7 Rz. 340
Haftung
steuerliche Motive zurücktritt (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 2 AO). Fremdunübliche Konditionen können ein schädliches Indiz sein. 340
4. Grauzonen zum strafrechtlichen Bereich sind strickt zu meiden. Eine Gestaltung darf niemals darauf angelegt sein, dass an irgendeiner Stelle unrichtige oder unvollständige Erklärungen über den steuerlich relevanten Sachverhalt abgegeben werden (Bsp. Umsatzsteuerkarusselle). Führungsorgane sollten das Risiko einer Grenzbetrachtung in Anbetracht ihrer steuerrechtlichen Haftung bei grober Fahrlässigkeit nach §§ 34, 69 AO nicht eingehen.
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5. Der Gesellschafterwille definiert den Maßstab der steuerlichen Ausrichtung. Eine unter Wahrung des Legalitätsprinzips wirksam ergangene Satzung und Beschlusslage setzen der Führungskraft Grenzen. Diese muss die den Gesellschaftern vorbehaltene Entscheidungskompetenz sorgfältig prüfen und bei Zweifelsfällen Aufsichtsrat oder den zuständigen Ansprechpartner der Gesellschafterversammlung aufklären. Auf eine Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung gerichtete Beschlüsse sind nichtig; es besteht keine Folgepflicht, sondern ein Folgeverbot.
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Teil 8 Verfahrensrecht I. Organmitglieder Streitigkeiten zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der Gesellschaft beschäftigen naturgemäß erst im Rahmen der Beendigung der Zusammenarbeit die Gerichte. Auch hier ist zwischen dem Organschaftsverhältnis und dem Anstellungsverhältnis zu unterscheiden1. Besteht Uneinigkeit über die Wirksamkeit einer Abberufung des Organmitgliedes bzw. über die Wirksamkeit einer Kündigung, so können die Rechtsschutzmöglichkeiten in unterschiedliche Richtungen zielen und etwa die Organstellung oder das Anstellungsverhältnis betreffen. Mitunter wird das Organmitglied allerdings auch parallel vorgehen und Abberufung und Kündigung gleichzeitig angreifen müssen, insbesondere wenn beides durch eine Koppelungsklausel miteinander verknüpft ist (vgl. Teil 1 Rz. 26, 79). Die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers bzw. der Widerruf der Bestellung des Vorstandsmitglieds der AG wirken zumeist sofort. Insofern stellt sich häufig die Frage nach der Möglichkeit der Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes. Neben diesen Statusfragen ist für das gekündigte Organmitglied insbesondere von Bedeutung, ob und wie Vergütungsansprüche rasch gerichtlich durchgesetzt werden können.
1
1. Rechtsschutzmöglichkeiten im Falle der Abberufung a) Allgemeines Die Abberufung des Geschäftsführers einer GmbH ist nach § 38 Abs. 1 GmbHG jederzeit und ohne Grund möglich2. Dagegen bedarf die Abberufung des Vorstands der AG nach § 84 Abs. 3 AktG eines wichtigen Grundes. Regelmäßig drehen sich allerdings auch beim GmbH-Geschäftsführer gerichtliche Auseinandersetzungen um die Frage der Zulässigkeit einer Abberufung aus wichtigem Grund. Denn der jederzeit abrufbare GmbH-Geschäftsführer ist bei einer „normalen“, nicht auf einen wichtigen Grund gestützten Abberufung in einer schlechten Position. Er mag im Einzelfall einwenden können, dass die Abberufung sittenwidrig ist oder gegen Treu und Glauben verstößt. Im Übrigen wird er sich regelmäßig nur auf formale Argumente stützen können und etwa die Wirksamkeit des Abberufungsbeschlusses aus formalen Gründen angreifen. Selbst wenn dies Erfolg verspricht, wird er sich vergegenwärtigen müssen, dass der Abberufungsbeschluss jederzeit erneut gefasst werden kann. Es stellt sich dann die Frage, ob die gerichtliche Anfechtung einer Abberufung nach § 38 Abs. 1 GmbHG überhaupt lohnenswert ist.
1 Vgl. Janzen, NZG 2003, 468. 2 Eine Ausnahme besteht für die dem MitbestG unterfallende GmbH, hier ist nach § 31 Abs. 1 MitbestG anstelle von § 38 GmbHG § 84 AktG anwendbar. S. hierzu Baumbach/Hueck, § 38 GmbHG Rz. 4.
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Teil 8 Rz. 3
Verfahrensrecht
b) Klageverfahren 3
Der Beschluss des Aufsichtsrats über die Abberufung des Vorstands der AG ist nach § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sofort und solange wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt ist. Die Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes wird mit Kundgabe des Ergebnisses des entsprechenden Gesellschafterbeschlusses an den Abberufenden ebenfalls sofort wirksam1. Die Organstellung endet unmittelbar. Etwas anderes gilt dann, wenn der Abberufungsbeschluss an derart schwerwiegenden Mängeln leidet, die zur Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses führen. Ist dies nicht der Fall, muss der GmbH-Geschäftsführer den Abberufungsbeschluss gerichtlich angreifen.
4
Auch die Abberufung des GmbH-Geschäftsführers aus wichtigem Grund ist grundsätzlich sofort wirksam2. Die aktienrechtliche Regelung des § 84 Abs. 4 Satz 3 AktG wird im GmbH-Recht mitunter analog angewendet3. Die Kundgabe des Abberufungsbeschlusses an den Geschäftsführer führt dazu, dass dieser seine Organstellung unmittelbar verliert. Er muss sich gerichtlich hiergegen zur Wehr setzen. Anderes gilt im Recht der Zwei-Personen-Gesellschaft. Hier bleibt der GmbH-Geschäftsführer auch nach Kundgabe des Abberufungsbeschlusses zunächst und bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Amt4.
aa) Klageart und Zulässigkeit 5
Der an der GmbH beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer kann den verbindlich festgestellten Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung im Wege der Anfechtungsklage angreifen mit dem Ziel, gerichtlich feststellen zu lassen, dass die Abberufung unwirksam ist5. Ist der Abberufungsbeschluss nichtig, dann kann er dies mit der allgemeinen Feststellungsklage geltend machen. Der Fremd-Geschäftsführer befindet sich in einer deutlich ungünstigeren Position. Er kann im Falle eines verbindlich festgestellten Abberufungsbeschlusses diesen weder mit der Anfechtungsklage angreifen, noch mit einer auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses gerichteten allgemeinen Feststellungsklage6. Dies gilt selbst dann, wenn die Satzung eine Abberu1 Lutter/Hommelhoff, § 38 GmbHG Rz. 6; Tillmann/Mohr, GmbH-Geschäftsführer, Rz. 400. 2 Vgl. Baumbach/Hueck, § 38 GmbHG Rz. 57; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 38 Rz. 27, 30. 3 Umstritten: vgl. Lutter/Hommelhoff, § 38 GmbHG Rz. 27; Michalski/Terlau, § 38 GmbHG Rz. 64. 4 Vgl. BGH v. 20.12.1982 – II ZR 110/82, NJW 1983, 938; OLG Schleswig v. 5.7.2007 – 5 U 186/06, OLGR 2007, 734; OLG Karlsruhe v. 4.5.1999 – 8 U 153/97, NZG 2000, 264; OLG Köln v. 26.8.1994 – 2 Wx 24/94, GmbHR 1995, 299; Michalski/Terlau, § 38 GmbHG Rz. 66 ff.; Lutter/Hommelhoff, § 38 GmbHG Rz. 31 ff. 5 Unterbleibt eine verbindliche Feststellung des Beschlussergebnisses, so kann im Wege der allgemeinen Feststellungsklage vorgegangen werden. S. hierzu Werner, GmbHR 2008, 428. 6 BGH v. 11.2.2008 – II ZR 187/06, GmbHR 2008, 426; Lutter/Hommelhoff, § 38 GmbHG Rz. 27 f.
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Rz. 9 Teil 8
Verfahrensrecht
fung nur aus wichtigem Grund zulässt, ein solcher aber nicht gegeben ist1. Nur wenn im Einzelfall eine Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses vorliegt, kann der Fremdgeschäftsführer dies mit der allgemeinen Feststellungsklage geltend machen. Das Vorstandsmitglied der AG kann gegen den Beschluss des Aufsichtsrats über den Widerruf der Bestellung im Wege der Gestaltungsklage vorgehen, mit dem Ziel, den Widerruf mangels Vorliegen eines wichtigen Grundes für unzulässig zu erklären2. Es kann außerdem im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend machen, dass ein gültiger Aufsichtsratsbeschluss nicht vorlag3. Ist der Beschluss nichtig, kann dies ebenfalls mit der allgemeinen Feststellungsklage verfolgt werden.
6
Für die genannten Klagen sind bei den Landgerichten die Kammern für Handelssachen nach § 95 Abs. 1 Nr. 4a GVG zuständig. In dem Prozess über die Rechtmäßigkeit der Abberufung wird die AG nach § 112 AktG durch ihren Aufsichtsrat vertreten. Die mitbestimmte GmbH wird ebenfalls – analog § 112 AktG – durch ihren Aufsichtsrat vertreten; gleiches gilt, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, auch bei der Gesellschaft mit einem fakultativen Aufsichtsrat gemäß § 152 i.V.m. § 112 AktG4. Im Übrigen wird die GmbH durch die Gesellschafterversammlung vertreten (§ 46 Nr. 8 GmbHG).
7
Die vorstehend aufgezeigte Unterscheidung zwischen der Anfechtungsklage des Gesellschafter-Geschäftsführers und der Feststellungsklage des Fremd-Geschäftsführers hat Bedeutung für die Klagefrist. Bei der Anfechtungsklage im GmbH-Recht ist, soweit die Satzung nichts anderes bestimmt, entsprechend § 246 Abs. 1 AktG die Monatsfrist einzuhalten5. Die allgemeine Feststellungsklage des Fremd-Geschäftsführers bei nichtigen Beschlüssen bzw. des Gesellschafter-Geschäftsführers bei nichtigen oder nicht verbindlich festgestellten Beschlüssen ist dagegen nicht fristgebunden6.
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bb) Begründetheit Die Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses der GmbH bzw. eines Aufsichtsratsbeschlusses der AG bzw. der mitbestimmten GmbH ist sowohl im GmbH-Recht als auch im Aktienrecht sehr formell geregelt. Bereits vermeintlich kleine Fehler bei der Einberufung oder Durchführung einer Gesellschafterversammlung oder Aufsichtsratssitzung können zur Anfechtbarkeit oder sogar Nichtigkeit des Beschlusses führen. Der Geschäftsführer oder Vorstand bzw. 1 Baumbach/Hueck, § 38 GmbHG Rz. 67. 2 BGH v. 11.5.1981 – II ZR 126/80, NJW 1981, 2748; OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211; Hüffer, § 84 AktG Rz. 33 f. 3 OLG Stuttgart v. 13.3.2002 – 20 U 59/01, AG 2003, 211; Hüffer, § 84 AktG Rz. 34; Thüsing in Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 5 Rz. 48. 4 Vgl. BGH v. 24.11.2003 – II ZR 127/01, GmbHR 2004, 259; OLG München v. 31.7.2002 – 7 U 2216/02, NZG 2003, 634; OLG Dresden v. 4.12.2001 – 2 U 1145/01, NJOZ 2003, 3301. 5 BGH v. 13.7.2009 – II ZR 272/08, GmbHR 2009, 1101. 6 Vgl. Werner, GmbHR 2008, 428.
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Teil 8 Rz. 10
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der anwaltliche Vertreter wird insofern ein besonderes Augenmerk auf die Frage richten, ob die formalen Anforderungen an die Fassung eines Gesellschafter- oder Aufsichtsratsbeschlusses eingehalten sind. Einzelheiten des Beschlussmängelrechts können an dieser Stelle nicht vertieft werden. Insofern sei grundsätzlich auf die spezielle gesellschaftsrechtliche Literatur verwiesen1. 10
Zuständig für die Fassung des Abberufungsbeschlusses ist bei der AG nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG der Aufsichtsrat. Dieser hat wiederum nach § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG durch das Plenum zu entscheiden. Er kann die Beschlussfassung über die Abberufung eines Vorstandsmitglieds nicht an einen Aufsichtsratsausschuss delegieren. In mitbestimmten Gesellschaften ist das besondere Verfahren nach § 31 MitbestG zu beachten (vgl. § 31 Abs. 5 MitbestG). Bei der GmbH ist nach § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung für die Beschlussfassung über die Abberufung eines Geschäftsführers zuständig. Der Gesellschaftsvertrag kann die Zuständigkeit verlagern, z.B. auf einen fakultativen Aufsichtsrat. In mitbestimmten Gesellschaften ist nach § 31 MitbestG der Aufsichtsrat zur Beschlussfassung berufen2.
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Materiell-rechtlich stellt sich in erster Linie die Frage, ob ein wichtiger Grund gegeben ist, der die Abberufung des Geschäftsführers bzw. des Vorstands rechtfertigt. Bei der GmbH ist nach § 38 Abs. 1 GmbHG auch eine Abberufung des Geschäftsführers ohne wichtigen Grund möglich. Abgesehen davon, dass gerichtliche Auseinandersetzungen zumeist die Abberufung aus wichtigem Grund betreffen, gibt es Konstellationen, in denen die Kündigung nur aus wichtigem Grund möglich ist. So ist daran zu denken, dass dem Geschäftsführer gesellschaftsvertraglich die Geschäftsführungskompetenz eingeräumt ist, die nur aus wichtigem Grund beendet werden kann. Zum anderen ist denkbar, dass der abzuberufende Geschäftsführer sich auf die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung stützen kann und aus diesem Grunde keine Abberufung ohne wichtigen Grund umgesetzt werden kann.
2. Einstweiliger Rechtsschutz des Organmitglieds 12
Der Beschluss über die Abberufung des Geschäftsführers bzw. des Vorstandsmitglieds wirkt – mit einer Ausnahme bei der Zwei-Personen-GmbH – sofort mit der Kundgabe des Beschlusses an das Organmitglied. In § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG ist dies für die AG sogar gesetzlich festgeschrieben. Die Vorschrift wird im GmbH-Recht analog angewendet3. Vor diesem Hintergrund hat das Organmitglied, das das Ende eines langwierigen Klageverfahrens nicht abwarten möchte, mitunter ein Interesse daran, durch einstweilige gerichtliche Maßnahmen die eigene Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Die vorläufigen Rechtsschutzmöglichkeiten eines Organmitglieds werden dabei in zwei unterschied1 Vgl. Lutter/Hommelhoff, Anhang zu § 47 GmbHG. 2 Unter der Geltung des Drittelbeteiligungsgesetzes verbleibt es bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. 3 Umstritten: vgl. Lutter/Hommelhoff, § 38 GmbHG Rz. 27; Michalski/Terlau, § 38 GmbHG Rz. 64.
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Rz. 16 Teil 8
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lichen Zeitabschnitten problematisiert. Zum einen wird die Frage aufgeworfen, ob der Geschäftsführer oder das Vorstandsmitglied bereits im Vorfeld einer Beschlussfassung einer solchen entgegenwirken kann. Zum anderen wird diskutiert, welche Möglichkeiten dem Organmitglied nach einem Abberufungsbeschluss zur Verfügung stehen, um die Ausführung des Beschlusses zu verhindern.
a) Einstweiliger Rechtsschutz vor dem Abberufungsbeschluss Das Organmitglied, das einem Abberufungsbeschluss entgegenwirkt, kann versuchen, auf die Beschlussfassung, jedenfalls aber auf das Abstimmungsverhalten einzelner Gesellschafter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Einfluss zu nehmen. Verschiedene Konstellationen sind dabei zu unterscheiden.
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Der Fremd-Geschäftsführer einer GmbH kann sich gegen eine nach § 38 GmbHG jederzeit mögliche Abberufung nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur Wehr setzen1. Es gilt § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG analog.
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Dem GmbH-Geschäftsführer, der gleichzeitig Gesellschafter ist, wird von der Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen einstweiliger Rechtsschutz gewährt. Stand die ältere Rechtsprechung der Frage einstweiligen Rechtsschutzes eher verhalten bzw. ablehnend gegenüber, so bejaht die jüngere Rechtsprechung die grundsätzliche Möglichkeit eines (geschäftsführenden) Gesellschafters, auf die Willensbildung der Gesellschaft auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes einzuwirken. Ein ganz klares Bild ergibt sich auch bei Betrachtung der jüngeren Rechtsprechung nicht. Es kristallisiert sich allerdings heraus, dass die Rechtsprechung bei der Zuerkennung eines Verfügungsgrundes sehr zurückhaltend ist und dass einstweiliger Rechtsschutz nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen gewährt wird. Dies soll namentlich dann der Fall sein, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder ein besonderes Schutzbedürfnis des geschäftsführenden Gesellschafters anzunehmen ist2. Einzelheiten sind in Rechtsprechung und Kommentarliteratur umstritten. Es bietet sich im Einzelfall an, besondere Aufmerksamkeit auf die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung im jeweiligen Gerichtsbezirk zu richten. Inhaltlich wird sich ein Verfügungsantrag regelmäßig darauf richten, einem oder mehreren Gesellschaftern ein bestimmtes Abstimmungsverhalten zu untersagen3.
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b) Einstweiliger Rechtsschutz nach dem Abberufungsbeschluss Die Rechtsprechung ist bei der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach Fassung des Abberufungsbeschlusses großzügig. Dies wird teilweise unter Hin1 OLG Hamm v. 17.9.2001 – 8 U 126/01, GmbHR 2002, 327. 2 Vgl. OLG München v. 22.10.2009 – 23 U 3430/09, NZG 2010, 185; OLG Düsseldorf v. 18.5.2005 – 15 U 202/04, NZG 2005, 633; OLG Stuttgart v. 18.2.1997 – 20 W 11/97, GmbHR 1997, 312; OLG München v. 20.7.1998 – 23 W 1455/98, NZG 1999, 407; Michalski/Terlau, § 38 GmbHG Rz. 79. 3 Vgl. zu einzelnen Zielrichtungen einstweiligen Rechtsschutzes: Baumbach/Hueck, § 38 GmbHG Rz. 75.
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weis auf § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG kritisiert. Insbesondere dem Fremd-Geschäftsführer der GmbH steht einstweiliger Rechtsschutz nicht zur Verfügung. Anders ist dies allerdings bei geschäftsführenden Gesellschaftern. Diese können grundsätzlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Durchführung des Abberufungsbeschlusses vorgehen, wobei verschiedene Zielrichtungen denkbar sind. In Betracht kommt, dass die Anmeldung der Abberufung zum Handelsregister untersagt bzw. die Wiederanmeldung des Geschäftsführers angeordnet wird oder dass dem abberufenden Geschäftsführer die Weiterführung seiner Tätigkeit eröffnet wird. 17
Der Widerruf der Bestellung als Vorstandsmitglied ist nach § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG sofort wirksam. Die Vorschrift ist allerdings nur bei formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Aufsichtsratsbeschlüssen anwendbar. Daraus folgt, dass einstweiliger Rechtsschutz dann in Betracht kommt, wenn die Unwirksamkeitsgründe sich nicht auf das Fehlen eines wichtigen Grundes beziehen, sondern beispielsweise auf einen formal ungültigen Aufsichtsratsbeschluss1.
3. Vergütungsklage im Urkundenprozess 18
Nach einer fristlosen Kündigung des Geschäftsführers einer GmbH bzw. des Vorstandsmitglieds einer AG wird die Gesellschaft regelmäßig auch die Zahlung der Vergütung sofort einstellen. Das Organmitglied, das gegen die Kündigung im Wege der Klage vorgeht oder eine Leistungsklage auf Zahlung der Vergütung verfolgt, kann unter Berücksichtigung der üblichen Prozesslaufzeiten nicht mit einer schnellen rechtskräftigen Entscheidung rechnen. Bei Einstellung der Zahlung der Vergütung von Seiten der Gesellschaft fehlt die erforderliche Liquidität. Vor diesem Hintergrund ist es für das Organmitglied von besonderem Interesse, schneller als im ordentlichen Klageverfahren einen vollstreckbaren Titel zu erlangen. Die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen im Urkundenprozess stellt sich vor diesem Hintergrund als probates Mittel dar2. Zum einen kann der GmbH-Geschäftsführer bzw. das Vorstandsmitglied der AG im Urkundenprozess Vergütungsansprüche schneller durchsetzen und die erforderliche Liquidität sichern. Zum anderen stellt sich der Urkundenprozess auch als taktisches Instrument dar. Die von der Gesellschaft – möglicherweise nur als wirtschaftliches Druckmittel ausgesprochene – außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages verliert an Wirkung, wenn das Organmitglied seine Vergütungsansprüche gleichwohl rasch durchsetzen kann. Im Übrigen verhandelt es sich leichter mit einem vollstreckbaren gerichtlichen Titel in der Hand. Eine Besonderheit stellt das Urkundenverfahren mitunter für den anwaltlichen Berater dar. Dieser kommt bei der Vertretung von GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften häufig aus dem arbeitsrechtlichen Bereich. Bei arbeitsgerichtlichen Verfahren findet der 1 OLG Stuttgart v. 15.4.1985 – 2 U 57/85, AG 1985, 193; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 772; Janzen, NZG 2003, 468, 471. 2 Vgl. OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04; Pesch, NZA 2002, 957; Pröpper, BB 2003, 202; Fischer, NJW 2003, 333; Reiserer/Peters, DB 2008, 167.
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Rz. 23 Teil 8
Verfahrensrecht
Urkundenprozess allerdings nach § 46 Abs. 2 Satz 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nicht statt. Von praktischer Relevanz ist der Urkundenprozess, wenn das Anstellungsverhältnis des Organmitglieds fristlos nach § 626 BGB gekündigt wird. In diesem Fall sieht sich das Organmitglied der sofortigen Einstellung von Vergütungsansprüchen ausgesetzt. Im Urkundenprozess hat es allerdings die Möglichkeit, den eigenen Anspruch auf Zahlung der Vergütung urkundlich nachzuweisen und somit die Grundlage für einen Titel im Urkundenprozess zu schaffen. Die Gesellschaft wird dagegen regelmäßig Schwierigkeiten haben, mit den Mitteln des Urkundenprozesses den Anspruch zu Fall zu bringen.
19
a) Statthaftigkeit des Urkundenprozesses Im Urkundenprozess können nach § 592 ZPO Zahlungsansprüche geltend gemacht werden, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Da das Organmitglied regelmäßig Anspruch auf die Zahlung einer monatlichen Vergütung hat, stellt sich die Frage, ob nur die bereits fälligen oder auch zukünftige Ansprüche geltend gemacht werden können1. Nach § 259 ZPO ist die Klage auf zukünftige Leistung möglich. Die Norm gilt auch im Urkundenprozess, so dass auch zukünftige Ansprüche eingeklagt werden können.
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Zu bedenken ist im Einzelfall, ob unter Berücksichtigung des Prozesskostenrisikos die Vergütungsansprüche nicht bis zum Ende der Vertragslaufzeit, sondern nur für einen kürzeren Zeitraum eingeklagt werden.
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Mitunter wird zudem versucht, mit Hinweis auf § 46 Abs. 2 Satz 2 ArbGG bzw. dem Vorschlag einer analogen Anwendung dieser Norm, den Urkundenprozess zu Fall zu bringen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind allerdings die ordentlichen Gerichte zuständig. § 46 ArbGG ist weder unmittelbar noch analog anwendbar2. Zuständig ist nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 4a, 96 GVG beim Landgericht die Kammer für Handelssachen.
22
b) Beweismittel Nach § 592 ZPO ist erforderlich, dass sämtliche anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Neben dem Urkundenbeweis ist im Urkundenprozess nach § 595 Abs. 2 ZPO nur noch die Parteivernehmung zugelassen. Die Möglichkeit der Erhebung einer Widerklage ist nach § 595 Abs. 1 ZPO nicht gegeben. Das Organmitglied, das einen Vergütungsanspruch geltend macht, muss darlegen und ggf. beweisen, dass ein entsprechender Dienstvertrag besteht und dass die Gesellschaft sich im Annahmeverzug befindet, dass also die Dienste angeboten worden sind und dass die Gesellschaft diese Dienste nicht angenommen hat. Mit Vorlage des schriftlichen 1 Dafür: Pesch, NZA 2002, 957 (958); dagegen: Fischer, NJW 2003, 333 (334). 2 Vgl. OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04; OLG Celle v. 11.3.2009 – 9 U 138/08, GmbHR 2009, 825.
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Teil 8 Rz. 24
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Anstellungsvertrages wird das Dienstverhältnis regelmäßig unproblematisch nachgewiesen werden können. Probleme können allerdings im Einzelfall auftauchen, wenn zweifelhaft ist, ob auf Seiten der Gesellschaft die vertretungsbefugten Organe gehandelt haben. 24
Für Aufsehen hat ein Urteil des OLG Düsseldorf1 aus dem Jahre 2005 gesorgt. In dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte ein Geschäftsführer einer GmbH einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung im Urkundenprozess geltend gemacht. Das OLG Düsseldorf vertrat die Auffassung, dass die auf eine Bruttozahlung gerichtete Klage im Urkundenprozess nicht statthaft sei, da der (netto) zu zahlende Abfindungsbetrag nicht aus der Urkunde zu entnehmen sei, sondern erst unter Einbeziehung steuerlicher Berechnungen ermittelt werden müsse. Der Entscheidung des OLG Düsseldorf ist allerdings nicht zu folgen2. Mit dem schriftlichen Anstellungsvertrag ist die Bruttovergütung urkundlich belegt. Insbesondere nach der Rechtsprechung des BAG ist die Klage auf Zahlung des Bruttolohns zulässig. Das Urkundenverfahren stellt keine höheren Anforderungen auf.
25
Der Vergütungsanspruch erfordert zudem die Darlegung, dass die Gesellschaft sich in Annahmeverzug befindet (§ 615 BGB). In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob nach § 295 BGB ein wörtliches Angebot der Arbeitskraft erforderlich ist oder ob dieses nach § 296 BGB entbehrlich ist, da die Gesellschaft nach fristloser Kündigung dem Organmitglied keinen Tätigkeitsbereich zugewiesen habe3. Letzterer Auffassung ist der Vorzug zu geben. Die Forderung nach einem wörtlichen Angebot erweist sich als bloße Förmelei4. Die eine außerordentliche Kündigung aussprechende Gesellschaft hat deutlich gemacht, dass sie nicht gewillt ist, die Dienste des Organmitglieds weiter in Anspruch zu nehmen.
c) Klageverteidigung 26
Die Gesellschaft wird sich regelmäßig gegen den urkundlich nachgewiesenen Vergütungsanspruch nicht zur Wehr setzen können. Sie muss einerseits urkundlich belegen können, dass ein wichtiger Grund vorlag, der zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsverhältnisses berechtigte. Andererseits muss sie auch noch die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB urkundlich nachweisen5. Im Einzelfall mag der Gesellschaft dieser Nachweis gelingen, etwa wenn der Geschäftsführer der GmbH oder das Vorstandsmitglied der Aktiengesellschaft die ihm nach Gesellschaftsvertrag, Geschäftsordnung oder Anstellungsvertrag vorgegebenen Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis überschritten hat und sich dies etwa durch die Vorlage eines entspre1 OLG Düsseldorf v. 2.3.2005 – I-3 U 3/05, GmbHR 2005, 991. 2 Vgl. OLG Celle v. 11.3.2009 – 9 U 138/08, GmbHR 2009, 825; OLG Hamburg v. 22.4.2010 – 10 U 2/09; Lelley, GmbHR 2005, 991; Schönhöft, GmbHR 2008, 95. 3 Vgl. Pröpper, BB 2003, 202 (203); Reiserer/Peters, DB 2008, 167 (171). 4 Vgl. OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04. 5 Vgl. OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04; Pesch, NZA 2002, 957 (958); Reiserer/Peters, DB 2008, 167 (171).
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Rz. 29 Teil 8
Verfahrensrecht
chenden Vertrages nachweisen lässt. Im Regelfall wird dieser Nachweis allerdings nicht gelingen. Die Abwehr von Vergütungsansprüchen im Urkundenprozess ist für die Gesellschaft misslich, insbesondere dann, wenn wichtige Gründe gegeben sind, die eine fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses rechtfertigen. Sie muss dann selbst ggf. die gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit der Kündigung abwarten und in der Zwischenzeit weiterhin die Vergütung zahlen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Urkundenverfahren ggf. nach § 148 ZPO wegen der Vorgreiflichkeit des Rechtsstreits über die Kündigung ausgesetzt werden kann1. Diese Frage, die in der Vergangenheit von Literatur und Rechtsprechung regelmäßig verneint worden war, hat durch Entscheidungen des OLG München2 und diesem nachfolgend des BGH3 neue Aktualität bekommen. Beide Gerichte halten im Einzelfall eine Aussetzung des Urkundenverfahrens für möglich und begründen dies mit der Gefahr widersprechender Entscheidungen. Dieses Argument mag im Einzelfall bedeutsam werden, es ist allerdings nicht verallgemeinerungsfähig. Man mag sich Konstellationen vorstellen, in denen – etwa bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung – divergierende Entscheidungen zu erwarten sind. Hier mag Einiges für eine Aussetzung des Urkundenprozesses sprechen. Im Allgemeinen wird sich eine Aussetzung allerdings verbieten, sie widerspricht dem Sinn und Zweck des Urkundenprozesses, der rasch eine vollstreckbare Entscheidung herbeiführen soll4.
27
d) Entscheidung Das im Urkundenprozess ergehende – stattgebende – Urteil ist nach § 708 Nr. 4 ZPO ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die beklagte Gesellschaft kann ihre Rechte im Nachverfahren verfolgen (§§ 599, 600 ZPO). Sie wird, wenn ihre Rechtsverteidigung im Urkundenprozess keine Aussicht auf Erfolg bietet, ggf. ein Anerkenntnisurteil anstreben, um unmittelbar in das Nachverfahren übergehen zu können.
28
II. Leitende Angestellte Verfahrensrechtliche Besonderheiten bei Leitenden Angestellten werden behandelt in Teil 4 unter Rz. 149 ff.
1 2 3 4
Vgl. Seidel/Schönhöft, GmbHR 2005, 1113. OLG München v. 22.8.2002 – 14 W 150/02, JurBüro 2003, 154. BGH v. 8.1.2004 – III ZR 401/02, NJW-RR 2004, 1000. Vgl. OLG Rostock v. 5.1.2005 – 6 U 122/04; Seidel/Schönhöft, GmbHR 2005, 1113; Reiserer/Peters, DB 2008, 167, 172.
Dornbusch
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Stichwortverzeichnis Fett gedruckte Ziffern verweisen auf den Teil, magere Ziffern auf die jeweilige Randziffer.
Abberufung – Beschluss 8 9 f. – Eigengeschäftsführer 1 37 – Eigenkündigung, außerordentliche des Geschäftsführers nach ~ 4 218 – Geschäftsführer 1 34 ff.; 8 4 – Kündigung durch ~ 4 42 – Rechtsschutz bei Abberufung siehe dort – Vorstandsmitglieder 1 85 ff.; 8 3 – wichtiger Grund 8 11 Abfindung – Abwicklungsvertrag 4 426 ff. – Arbeitsförderungsrecht 4 289 ff. – Aufhebungsvertrag 4 314 ff., 426 ff. – Aufhebungsvertrag und Turboklausel 4 329 – Einkommensteuer 4 286 f. – Fälligkeit 4 427 – Fünftelungsregelung 4 286 f. – Kündigungsschutzprozess 4 151 f. – Kündigungsschutzprozess, Höhe der ~ 4 155 ff. – Sozialversicherungsfreiheit 4 288 – Sperrzeit 4 428 – Steuerrecht 3 449 – Verbot bei betrieblicher Altersversorgung 3 435 ff. – Verzicht auf Pensionszusage durch Geschäftsführer bei Verkauf 3 511 ff. Abfindungsklauseln – AGB-Kontrolle 3 748 f. – Anstellungsvertrag 3 746 ff. Abmahnung – Kündigung, außerordentliche 4 189 ff. – Organmitglieder 4 190 ff. Abordnung – Auslandseinsatz 3 322 Abwerbung – eigene durch den Arbeitgeber 2 5 ff.
– Headhunting 2 14 ff. – durch Kollegen 2 21 – Rechtsfolgen unzulässiger ~ 2 22 f. – wettbewerbswidrige 2 7 ff. Abwicklungsvertrag 4 74, 254, 423 f. – Abfindung 4 426 ff. – Freistellung 4 429 ff. AGB-Kontrolle – Abfindungsklauseln 3 748 f. – Anstellungsvertrag 2 97 ff. – Aufhebungsvertrag 4 279 ff. – Ausschlussklauseln 3 801 ff. – Befristung einzelner Vertragsbestandteile 3 682 ff. – Fiktionsklauseln 3 688 ff. – Freistellungsklauseln 3 720 ff. – Freiwilligkeitsvorbehalt 3 57 ff. – Klageverzicht 4 494 f. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 3 533; 4 449 – Rückzahlungsvereinbarung für Fort- und Weiterbildungskosten 3 695 ff. – Versetzungsklauseln 3 293 ff. – Vertragsstrafe 3 732 ff. – Widerrufsvorbehalte 3 48 ff. – Wohnsitzklauseln 3 790 Aktiengesellschaft – Vertragsabschluss und Kündigung durch Aufsichtsrat 4 17 ff. Aktienoptionen 3 11 ff. – Aufhebungsvertrag 4 338, 340 – Betriebsübergang 5 248 – dogmatische Einordnung 3 14 – Formen 3 18 – Grenzen 3 15 – Rechtsgrundlage 3 13 – Share-Matching-Pläne 3 23 – Steuerrecht siehe Aktienoptionen im Steuerrecht – Verfall- und Bindungsklauseln 3 21 753
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Stichwortverzeichnis
– Wandelschuldverschreibungen 3 19 Aktienoptionen im Steuerrecht 3 135 ff. – Abkommensrecht 3 147 ff. – Ausübung 3 144 – Entsendung ins Ausland 3 147 ff. – handelbare/nicht handelbare Optionsrechte 3 149 f. – Inlandssachverhalt 3 137 ff. – Konzern 3 145 f. – Phantom Stocks 3 140 – Verluste 3 142 – virtuelle ~ 3 151 – Zufluss der Vergütung 3 141 Alkohol – Fragerecht des Arbeitgebers 2 53 Altersgrenze – Arbeitnehmer 4 390 f. – Geschäftsführer 4 386 Altersteilzeit 4 508 ff. – abweichende individuelle Vereinbarung 4 515 – Betriebsübergang 4 520 – Blockmodell 4 511 f. – Insolvenz 4 517 – Kontinuitätsmodell 4 511 f. – Kündigung 4 521 – Minderung der wöchentlichen Arbeitszeit 4 510 – Pflichten 4 518 – Rente im Anschluss 4 514 – Sozialversicherungspflicht 4 513 – Störfälle 4 519 f. Altersversorgung 3 387 ff. – Arbeitnehmer siehe Betriebliche Altersversorgung – Geschäftsführer 3 406 f. – Pensionszusage bei Geschäftsführern siehe dort – Vorstandsmitglieder siehe Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern Altersversorgung von Geschäftsführern 3 406 f. – Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis 4 439 ff. – Pensionszusage bei Geschäftsführern siehe dort
Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern 3 388 ff. – Angemessenheit 3 398 f. – Anwartschaft 3 395 – Anwendbarkeit des BetrAVG 3 392 ff. – Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis 4 439 ff. – Gesamtversorgungszusage 3 390 – Herabsetzungspflicht 3 400 ff. – Insolvenz 5 218 f. – Rechtsmissbrauchseinwand 3 404 f. – statische/dynamische Pensionszusage 3 389 – Übergangsgelder 3 394 – vorzeitiges Ausscheiden 3 396 Anbahnung des Anstellungsverhältnisses 2 2 ff. – Abwerbung, eigene durch den Arbeitgeber 2 5 ff. – Bewerbungsverfahren 2 31 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats 2 71 ff. – Internetrecherche 2 30a – Stellenanzeige 2 24 ff. – Vertragsschluss siehe dort Änderungskündigung 4 240 ff. – Betriebsübergang 5 266 ff. – Geschäftsführer 4 251 Anerkennungsprämien – Vorstandsmitglieder 3 86 f. Anfechtung – Aufhebungsvertrag 4 276 f. Anstellungsverhältnis – Anbahnung des Anstellungsverhältnisses siehe dort – fehlerhafter Vertrag 2 103 ff. – Geschäftsführer 1 38 ff. – Vorstandsmitglieder 1 90 Arbeitnehmer – Einkommensteuer 3 102 ff. – Geschäftsführer 1 69 ff. – leitende Angestellte 1 120 Arbeitnehmerüberlassung – Konzern 3 312 – Konzern – Lohnsteuer 3 352 f. Arbeitsförderungsrecht – Aufhebungsvertrag 4 289 ff.
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Stichwortverzeichnis
Arbeitsleistung/Arbeitspflicht – Arbeitsort, Änderung 3 300 ff. – Arbeitsort, Versetzungsklausel 3 301 ff. – Ausland, Versetzung 3 302 – geringwertige Tätigkeiten 3 289 ff. – Glaubens- und Gewissenskonflikte 3 314 ff. – Tätigkeitsbeschreibung 3 287 f. – Zuordnung zu Vergütungsgruppen 3 292 Arbeitslosengeld – Abfindung bei Aufhebungsvertrag 4 289 ff. Arbeitsunfähigkeit siehe Krankheit/ Arbeitsunfähigkeit Arbeitsverhältnis – Bestellung zum Geschäftsführer und vorhergehendes ~ 2 109 ff., 136 f. Arbeitsvertrag – Abschluss siehe Vertragsschluss Arbeitsvertragsstatut siehe Internationales Arbeitsrecht Arbeitsverweigerung – Glaubens- und Gewissenskonflikte 3 314 ff. Arbeitszeit 3 258 ff. – Direktionsrecht 3 317 – Geschäftsführer 3 272 ff. – Lage bei Arbeitnehmern 3 261 – leitende Angestellte 3 263 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats 3 262 – Mitwirkung des Sprecherausschusses 3 271 – Organmitglieder 3 272 ff. – Steuerrecht 3 276 ff. – Vorstandsmitglieder 3 272, 274 f. Arbeitszeitkonto – bei Organmitgliedern, steuerrechtlich 3 279 ff. – Steuerrecht 3 278 ff. Arbeitszeitschutz 3 258 ff. – Arbeitnehmer 3 259 ff. Aufhebungsvertrag 4 252 ff. – Abfindung 4 314 ff., 426 ff. – Abfindung, erhöhte bei Turboklausel 4 329
– Abfindung „wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ 4 320 – Abfindungsanspruch, Entstehen 4 318 – Abfindungsanspruch, Fälligkeit 4 319 – Abwicklungsregelungen 4 302 ff. – Abwicklungsvertrag, Abgrenzung 4 254 – AGB-Kontrolle 4 279 ff. – Aktienoptionen 4 338, 340 – Amtsniederlegung bei Organmitgliedern 4 363 ff. – Anfechtung 4 276 f. – Annahmeverzugslohn bei Freistellung 4 306 – Anrechnung anderweitigen Verdienstes 4 309 – im Anschluss an Arbeitsverhältnis bei Geschäftsführer 4 265 – Arbeitsförderungsrecht bei Abfindung 4 289 ff. – Befristungskontrolle 4 272 f. – Beseitigung des ~ 4 274 ff. – Betriebsrentenansprüche 4 341 ff. – Betriebsübergang 4 271 – Boni 4 336 ff. – Brutto- oder Nettoabfindung 4 317 – Dienstwagen 4 332 ff. – Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, Klausel 4 298 f. – Entlastung bei Organmitgliedern 4 374 f. – Erledigungsklausel 4 358 ff. – Freistellung 4 429 ff. – Freistellungsregelung 4 305 ff. – Geheimhaltung 4 354 ff. – Gleichwohl-Kündigung 4 283 f. – Gleichwohl-Kündigung und Abfindung 4 321 – Herausgabe von Gegenständen 4 352 f. – Hinweis- und Aufklärungspflichten 4 267 f. – Klauseln 4 295 ff. – leitende Angestellte 4 256 ff. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern 4 376 ff. – Organmitglieder 4 260 ff. 755
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Stichwortverzeichnis
– Rückdatierung 4 301 – Schriftform 4 263 ff. – Sozialversicherungsfreiheit einer Abfindung 4 288 – Sperrzeit beim Arbeitslosengeld 4 292 – Sperrzeit bei Freistellung 4 294 – Sprachregelung bei Organmitgliedern 4 379 ff. – Stellvertretung 4 275 – Steuerrecht bei Abfindung 4 285 ff. – Tantieme 4 336 ff. – Tatsachenfeststellung zu Urlaubsund Freistellungsansprüchen 4 312 f. – Turboklausel 4 324 ff. – Unwirksamkeitsgründe 4 269 ff. – Veranlassung, Klausel 4 297, 299 – Wettbewerbsverbot während Freistellung 4 310 – Widerruf 4 278 – Zeugnis 4 344 ff. Auflösungsantrag des Arbeitgebers – leitender Angestellter 4 158 ff. Auflösungsantrag des leitenden Angestellten 4 154 ff. – Höhe der Abfindung 4 155 ff. – Unzumutbarkeit der weiteren Zusammenarbeit 4 154 Aufsichtsrat – Berichtspflichten des Vorstands 2 173 ff. – Beschluss zur Bestellung des Vorstandsmitglieds 2 127 ff. – Vertragsabschluss mit Geschäftsführer 2 92 f. – Vertragsabschluss und Kündigung durch ~ einer Aktiengesellschaft 4 17 ff. – Vertragsabschluss mit Vorstandsmitglied 2 86 ff. – Zustimmung und Unabhängigkeit des Vorstands 1 94 Ausgleichsklausel 4 497 ff. – Eindeutigkeit 4 499 – Organmitglieder 4 502 ff. – weite Auslegung 4 498
Auskunfts- und Mitteilungspflichten von Organmitgliedern – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten 7 222 f. – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Mitverschulden 7 231 – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Verschulden 7 229 f. – Haftung bei Verstößen gegenüber Gesellschaft 7 209 f. – Haftung bei Verstößen gegenüber Gesellschaftern 7 211 ff. – Information bei Unternehmensverkauf 7 224 ff. – Information bei Unternehmensverkauf, Mitverschulden 7 231 – Information bei Unternehmensverkauf, Verschulden 7 229 f. Auslandseinsatz 3 319 ff.; siehe auch Internationales Arbeitsrecht – Abordnung 3 322 – Aktienoptionen bei Entsendung 3 147 ff. – Entsendung 3 323 f. – Ruhen des Arbeitsverhältnisses 3 324 – Steuerrecht bei Auslandseinsatz siehe dort – Versetzung 3 302 Ausschlussklauseln – AGB-Kontrolle 3 801 ff. – Arbeitnehmer 3 800 ff. – einstufige ~ 3 804 ff. – nicht erfasste Ansprüche 3 805 – Organmitglieder 3 814 ff. – unabdingbare Ansprüche 3 806 – unwirksame ~ 3 812 f. – zweistufige ~ 3 811 Außerordentliche Kündigung siehe Kündigung, außerordentliche Auszahlungsverbot 5 57 ff. – Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes 5 68 – Auszahlungen 5 60 ff. – Beginn 5 59 – Ersatzanspruch des Insolvenzverwalters 5 72 – Fremdgelder 5 71
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Stichwortverzeichnis
– haftungsbewehrte Zahlungspflichten 5 69 f. – unbare Zahlungen 5 64 ff. – Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar 5 67 ff. Befragung von Mitarbeitern – als Compliance-Maßnahme 6 148 ff. – Datenschutz 6 152 ff. – Mitwirkungspflicht 6 149 ff. Befristeter Arbeitsvertrag 4 388 ff. – ältere Arbeitnehmer 4 420 – Altersgrenze 4 390 f. – Anschlussverbot 4 414 – Beendigung 4 415 ff. – Entfristungsklage 4 418 f. – Formen 4 396 ff. – Haushaltsbefristung 4 403 ff. – Sachgrund 4 397 ff. – sachgrundloser ~ 4 412 ff. – Schriftform 4 393 ff. – Unternehmensneugründung 4 420 – Vertretung 4 399 ff. – vorübergehender Bedarf 4 398 – Weiterarbeit 4 416 – Zweijahresfrist bei Sachgrundlosigkeit 4 413 Befristungsabrede 3 679 ff.; 4 382 ff. – AGB-Kontrolle 3 681 ff. – Altersgrenze bei Geschäftsführern 4 386 – Befristeter Arbeitsvertrag siehe dort – Entgeltbestandteil 3 686 – Organmitglieder 4 383 ff. – Verlängerungsklausel bei Organmitgliedern 4 387 Befristungskontrolle – Aufhebungsvertrag 4 272 f. Benachteiligung nach AGG – Bestellung des Vorstandsmitglieds 2 125 f. – betriebliche Altersversorgung 3 411 – durch Dritte bei Stellenanzeige 2 30
– Organmitglieder 2 62 ff. – Rechtsfolgen einer benachteiligenden Ablehnung eines Bewerbers 2 68 f. – Stellenanzeige 2 25 ff. – unzulässige Frage 2 61 Berichtspflichten – Vorstand gegenüber Aufsichtsrat 2 173 ff. Bestellung des Geschäftsführers 1 29 ff.; 2 106 ff. – Beschluss der Gesellschafterversammlung 1 30; 4 22 – fehlerhafte ~ 2 115 – persönliche Voraussetzungen 2 113 – Unwirksamkeit 1 32 – Verfahren 2 114 – vorhergehendes Arbeitsverhältnis 2 109 ff., 136 f. – zuständiges Gericht 2 116 Bestellung des Vorstandsmitglieds 1 82 ff.; 2 106, 119 ff. – Benachteiligung nach AGG 2 125 f. – Beschluss des Aufsichtsrats 2 127 ff. – Dauer 2 121 f. – fehlerhafter Beschluss 2 133 ff. – Interessenkonflikt 2 131 f. – persönliche Voraussetzungen 2 123 Betriebliche Altersversorgung – Abfindungsverbot 3 435 ff. – Anpassung 3 416 ff. – Anpassung bei Betriebsübergang 3 421 – Anspruch 3 412 – Arbeitnehmer 3 408 ff. – Aufhebungsvertrag 4 341 ff. – Beendigung des Arbeitsverhältnisses 4 437 f. – Begriff 3 408 – Benachteiligung nach AGG 3 411 – Durchführungswege 3 413 – GmbH-Geschäftsführer 3 406 f. – Insolvenz 5 218 f. – Pensionszusage bei Geschäftsführern siehe dort 757
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Stichwortverzeichnis
– Steuerrecht bei betrieblicher Altersversorgung siehe dort – Treuepflichtverletzung 3 427 – Übertragung von Anwartschaften 3 433 f. – unverfallbare Anwartschaft 3 414 – Versorgungs- und Entgeltcharakter 3 409 – vertragliche Gestaltung 3 410 f. – Vorschaltzeit 3 415 – Vorstandsmitglieder siehe Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern – Wegfall der Geschäftsgrundlage 3 428 ff. – Widerruf 3 424 ff. Betriebsratsmitglied – Dienstwagen, Privatnutzung durch freigestelltes ~ 3 215 Betriebsstilllegung – Betriebsübergang 5 240 f. Betriebsübergang – Ähnlichkeit der verrichteten Tätigkeit 5 238 – Aktienoptionen 5 248 – Altersteilzeit 4 520 – Anpassung der Betriebsrente 3 421 – keine Anwendung des § 613a BGB bei Organmitgliedern 5 273 – Art des Unternehmens 5 238 – Aufhebungsvertrag 4 271 – Auswirkung auf Geschäftsführer 4 100 – Besitzstandswahrung 5 246 ff. – Besonderheiten bei Organmitgliedern 5 273 f. – Betrieb/Betriebsteil 5 236 f. – Betriebsstilllegung 5 240 f. – Dauer einer Unterbrechung der Tätigkeit 5 238 – Funktionsnachfolge 5 239 – Gesellschafterwechsel, Abgrenzung 5 234 – gesetzlicher Arbeitnehmerschutz 5 229 f. – Identitätswahrung 5 238 – immaterielle Aktiva 5 238 – Inhaberwechsel 5 233 ff.
– Kündigung aus anderen Gründen 5 266, 268 – Kündigung „wegen“ Betriebsübergang 5 266 f. – Kundschaft 5 238 – Massenwiderspruch 5 261 – materielle Betriebsmittel 5 238 – nachteilige Vereinbarungen 5 269 – Personalrabatte 5 249 f. – prozessuale Fragen 5 271 – Rechtsfolgen 5 242 ff. – rechtsgeschäftlicher Übergang 5 231 f. – Sonderkündigungsschutz 5 270 – Sonderleistungen 5 246 f. – Übergang der Arbeitsverhältnisse 5 242 f. – kein Übergang von Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern 5 244 – Übernahme der Hauptbelegschaft 5 238 – Umwandlung 5 263 f. – Unterrichtungspflichten 5 252 ff. – Vereinbarungen mit Organmitgliedern nach ~ 5 274 – Versorgungszusagen 3 434 – Vertragsfortsetzungsanspruch 5 272 – Voraussetzungen 5 231 ff. – Weiterführung der Geschäftstätigkeit 5 233 – Wettbewerbsverbote 5 251 – Widerspruchsrecht 5 257 ff. – Wiedereinstellungsanspruch 5 272 – Zeitpunkt 5 235 – Zuordnung zu Betriebsteilen 5 245 Betriebsvereinbarung – Maßnahmen 6 26 Bewerbungsverfahren 2 31 ff. – Ablehnung eines Bewerbers unter Verstoß gegen AGG 2 68 f. – Fragerecht des Arbeitgebers siehe dort – Internetrecherche über Bewerber 2 30a – Offenbarungspflichten des Arbeitgebers 2 32
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Stichwortverzeichnis
– Offenbarungspflichten des Bewerbers 2 33 f. Bonus – Aufhebungsvertrag 4 336 ff. Buchführungspflichten – Haftung der Organmitglieder 7 142 ff. – Vorstand 2 181 f. Business Judgement Rule 7 158 ff. – Abwägung der Handlungsalternativen 7 184 f. – Compliance 6 203 ff. – Due-Diligence-Prüfung 7 196 f. – Haftungsbegrenzung 7 283 – Handeln in vernünftiger Annahme im doppelten Sinne 7 175 ff. – Informationsermittlung 6 206; 7 179 ff. – informierte Entscheidung 6 206 – Kollegialorgane 7 199 f. – Legalitätsgrundsatz 7 164 f. – nützliche Gesetzesverstöße 7 189 ff. – Problemfälle, typische 7 188 ff. – „safe harbour“ 7 162 – Spenden 7 192 f. – Sponsoring 7 192 f. – steuerliche Unternehmenspflichten 7 335 ff. – tatsächliche Grenzen des Ermessens 7 166 f. – unterlassene Forderungsdurchsetzung 7 188 – Unternehmenskäufe 7 194 ff. – Unternehmenswohl 7 184 f. – unternehmerische Entscheidung 6 204 ff.; 7 163 ff. – Verfolgen nachhaltiger Rentabilität 7 187 – weiter Handlungsspielraum 7 159 Compliance 6 3 ff. – Anforderungen im Datenschutz 6 27 ff. – arbeitsrechtliche Umsetzung von ~-Regeln 6 21 ff. – arbeitsvertragliche Regelungen 6 24 f.
– Auswertung von Geschäftsunterlagen 6 158 ff. – Beauftragter 6 11 ff. – Befragung von Mitarbeitern 6 148 ff. – Begriff 6 4 f. – Betriebsvereinbarung 6 26 – Business Judgement Rule 6 203 ff. – Datenabgleiche 6 179 ff. – Datenschutz 6 1 – Datenschutzbeauftragter – ~-Beauftragter, Zusammenarbeit 6 19 f. – datenschutzrechtliche Zulässigkeit einzelner Maßnahmen 6 130 ff. – Datenschutz-Richtlinie oder -Anweisung 6 104 ff. – Direktionsrecht 6 22 f. – E-Mail, erlaubte Privatnutzung 6 172 ff. – E-Mail, verbotene Privatnutzung und Kontrolle 6 162 ff. – E-Mail-Kontrolle 6 162 ff. – Grundanforderungen an die ~-Struktur 6 10 – Haftung der Organmitglieder bei fehlenden oder unzureichenden ~-Maßnahmen 6 195 ff. – Organisationspflichten 6 7 – strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Verstoß 6 213 ff. – Umsetzung der Datenschutz-Vorgaben 6 103 ff. – unternehmensinterne Ermittlungen 6 147 ff. – Verpflichtung zum Ergreifen von ~-Maßnahmen 6 6 ff. – Whistleblowing siehe dort Culpa in contrahendo – Organmitglieder 7 9 f. D&O-Versicherung 3 638 ff. – Ausschlüsse 3 646 – Claims-made-Prinzip 3 645 – Haftung von Organmitgliedern 7 255 ff. – Selbstbehalt 3 643 – steuerliche Behandlung der Beiträge 3 649 ff. 759
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Stichwortverzeichnis
– Struktur 3 638 ff. – Verschulden 3 644 – Versicherungsbedingungen, Ausgestaltung 3 642 ff. Datenabgleich – bereits erhobene Daten 6 180 ff. – Compliance-Maßnahme 6 179 ff. – Fremddaten ohne Kenntnis der Betroffenen 6 184 ff. Datenschutz 6 28 ff. – Anforderungen an die Datensicherheit 6 89 ff. – Anonymisierung und Pseudonymisierung 6 62 f. – Auftragsdatenverarbeitung 6 85 ff. – Auftragsdatenverarbeitung oder Funktionsübertragung 6 79 ff. – Auskunftsrecht der Betroffenen 6 71 ff. – Auswertung von Geschäftsunterlagen als Compliance-Maßnahme 6 158 ff. – Befragung von Mitarbeitern als Compliance-Maßnahme 6 152 ff. – Betroffenenrechte 6 65 ff. – Bußgeldtatbestände 6 218 ff. – und Compliance 6 1, 27 ff. – Compliance, Zulässigkeit einzelner Maßnahmen 6 130 ff. – Datenabgleich als ComplianceMaßnahme 6 179 ff. – Datenpannen, Umgang mit 6 99 ff. – Datensparsamkeit und -vermeidung 6 57 – Direkterhebungsgrundsatz 6 41 – Einwilligung 6 37 ff. – Erforderlichkeitsgrundsatz 6 53 ff. – externe Dienstleister 6 77 ff. – Funktionsübertragung 6 82 f. – Grundsätze 6 33 ff. – Informationspflicht bei unrechtmäßiger Kenntniserlangung von Daten 6 99 ff. – Internetrecherche über Bewerber 2 30a – Kontrolle als Compliance-Maßnahme 6 162 ff. – Korrektur von Daten 6 74 – Löschung von Daten 6 74 ff.
– Organisation von Kontrollen 6 126 ff. – Organisationsanweisung 6 106 f. – Richtlinie oder Anweisung 6 104 ff. – Schadenshaftung 6 222 – Transparenz der Datenverarbeitung 6 40 ff. – Umfang der Informationspflichten 6 42 ff. – Umsetzung der ~vorgaben 6 103 ff. – Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 6 34 f. – Verstoß gegen Informationspflichten 6 46 ff. – Wahl der geeigneten Rechtsgrundlage 6 36 ff. – Werbewiderspruch 6 66 f. – Whistleblowing 6 136 ff. – Whistleblowing und neues Beschäftigtendatenschutzrecht 6 145 f. – Widerruf einer Einwilligung 6 68 ff. – Zweckbindung 6 58 ff. Datenschutzbeauftragter 6 103, 110 ff. – Anforderungen 6 112 ff. – und Compliancebeauftragter 6 19 f. – externer ~ 6 114 – Pflicht zur Bestellung 6 111 – Qualifikation 6 112 – Sonderkündigungsschutz 6 115 – Unabhängigkeit 6 113 – Verfahrensverzeichnis 6 122 ff. – Vorabkontrolle 6 129 Dienstvertrag – Vertragsschluss siehe dort Dienstwagen – Arbeitsrecht siehe Dienstwagenregelung im Arbeitsrecht – Aufhebungsvertrag 4 332 ff. – Steuerrecht siehe Dienstwagenregelung im Steuerrecht – Zurückbehaltungsrecht und Insolvenz 5 217 Dienstwagenregelung im Arbeitsrecht 3 198 ff. – Arbeitsunfähigkeit 3 209 ff.
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– einstweilige Verfügung auf Herausgabe 3 229 – Entziehung des Wagens 3 217 ff. – Freistellung für Betriebsratsaufgaben 3 215 – Haftungsfragen 3 231 ff. – Herausgabe des Wagens 3 217 ff. – Inhalt des Nutzungsrechts 3 204 ff. – Kosten 3 207 – Mutterschutz/Elternzeit 3 216 – Nutzungsentschädigung bei Entzug 3 225 f. – Privatnutzung als zusätzliche Sachvergütung 3 201 ff. – Rückabwicklung 3 227 ff. – Umfang des Nutzungsrechts 3 208 ff. – Urlaub 3 214 – Vertragsgestaltung 3 199, 204 ff. – Wagen/Fahrzeugtyp 3 206 – Widerrufsvorbehalt 3 223 f. – Zurückbehaltungsrecht 3 230 Dienstwagenregelung im Steuerrecht 3 238 ff. – Fahrer 3 243 – Fahrtenbuch 3 247 ff. – Familienheimfahrten 3 246 – Gesellschafter-Geschäftsführer 3 252 ff. – Kostenbeteiligung 3 244 – Lohnsteuer 3 238 ff. – Pauschalbesteuerung 3 241 f. – Sonderausstattungen 3 241 f. – Zuschlag für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte 3 245 Direktionsrecht 3 282 ff. – Arbeitszeit 3 317 – betriebliche Ordnung 3 318 – Compliance-Richtlinien 6 22 f. – geringwertige Tätigkeiten 3 289 ff. – Konkretisierung der Arbeitsleistung 3 286 – leitende Angestellte 1 124 – Reichweite 3 286 ff. – Tätigkeitsbeschreibung 3 287 f. – Versetzung siehe dort – Zuordnung zu Vergütungsgruppen 3 292
Diskriminierung siehe Benachteiligung nach AGG Doppelbesteuerungsabkommen 3 358, 360 ff. – Ansässigkeitsstaat 3 361 ff. – Ausland ohne ~ 3 382 ff. – Besteuerung im Ansässigkeitsstaat 3 368 ff. – Grenzgänger 3 380 f. – inländischer Ansässigkeitsstaat 3 364 ff. – Konzern 3 371 – Sonderregelungen für Mitglieder von Leitungsorganen 3 373 ff. Drogen – Fragerecht des Arbeitgebers 2 53 Eigengeschäftsführer – Abberufung 1 37 Eigengeschäftsführung – Geschäftsführer 1 23 – Vorstandsmitglieder 1 76 Eigenkündigung – Geschäftsführer 4 103, 107 – Geschäftsführer nach Kündigung durch Gesellschaft 4 106 – Insolvenzantrag 5 139 ff. – leitende Angestellte 4 121 f. – Unternehmenskrise 5 139 ff. – Vergütungsrückstände bei leitenden Angestellten 5 141 f. Eignungstest 2 58 Einkommensteuer 3 98 f., 101 – Abfindung 4 286 f. – Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Arbeit 3 102 ff. – Aktienoptionen im Steuerrecht siehe dort – Arbeitnehmerbegriff 3 102 ff. – Auslandseinsatz siehe Steuerrecht bei Auslandseinsatz – Dienstwagen 3 238 ff. – Einkünfte aus Gewerbebetrieb/ selbständiger Arbeit 3 112 ff. – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 3 120 ff. 761
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– Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Organmitgliedern 3 781 ff. – Fünftelungsregelung 4 286 f. – Geschäftsführer-Entschädigung bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot 3 624 ff. – Grundvergütung 3 120 ff. – Haftung von Organmitgliedern 7 317 ff. – Konzern 3 343 ff. – Rückzahlungsvereinbarung für Fort- und Weiterbildungskosten 3 708 ff. – Umzugskosten als Werbungskosten 3 793 ff. – Urlaubsabgeltung 3 764 – Urlaubsentgelt 3 762 – Urlaubsgeld 3 763 – variable Gehaltsbestandteile 3 134 ff. – Verdeckte Gewinnausschüttung siehe dort Einschreiben – Kündigung 4 41 – Zugang der Kündigung 4 54 ff. Einstweilige Verfügung – Abberufung des Organmitglieds 8 12 ff. – nach Abberufung des Organmitglieds 8 16 f. – vor Abberufung des Organmitglieds 8 13 ff. – Herausgabe des Dienstwagens 3 229 E-Mail – Headhunting 2 19 f. – Kontrolle als Compliance-Maßnahme 6 162 ff. – Kündigung 4 38 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats 6 178 – Privatnutzung, erlaubte 6 172 ff. – Privatnutzung, Kontrolle bei Verbot 6 163 ff. Entgelt siehe Vergütung Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall 3 768 ff. – Abdingbarkeit des § 616 BGB 3 778 f.
– Arbeitnehmer 3 769 ff. – Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung 3 772 – Höhe bei Arbeitnehmern 3 771 – Höhe bei Organmitgliedern 3 777 – Mitteilung des Organmitglieds 3 780 – Mitteilung, unverzügliche des Arbeitnehmers 3 772 – Organmitglieder 3 775 ff. – Steuerrecht bei Organmitgliedern 3 781 – verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit 3 776 – Verlängerung 3 774 – kein Verschulden 3 770 Entlastung von Organmitgliedern 7 245 ff. – Aufhebungsvertrag 4 374 f. Erledigungsklausel – Aufhebungsvertrag 4 358 ff. Fiktionsklauseln 3 687 ff. – AGB-Kontrolle 3 688 ff. – Tatsachen 3 690 ff. – Willenserklärung 3 688 ff. Fragerecht des Arbeitgebers 2 35 ff. – Alkohol 2 53 – Drogen 2 53 – Eignungstest 2 58 – Genomanalyse 2 51 f. – Geschlecht 2 42 – Gewerkschaftsangehörigkeit 2 55 – Krankheiten 2 47 ff. – Mitgliedschaft im MfS 2 57 – Parteimitgliedschaft 2 56 – Religionszugehörigkeit 2 43 f. – Schwangerschaft 2 41 – Schwerbehinderung 2 38 ff. – sexuelle Orientierung 2 42 – unzulässige Frage 2 61 – Vermögensverhältnisse 2 59 – Vorstrafen 2 45 f. – Weltanschauung 2 43 f. – Wettbewerbsverbote 2 54 – zulässige Frage 2 60
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Freistellung – Abwicklungsvertrag, ~sregelung 4 429 ff. – Aufhebungsvertrag, ~sregelung 4 294, 305 ff., 429 ff. – Dienstwagennutzung bei ~ eines Betriebsratsmitglieds 3 215 – Eigenkündigung, außerordentliche des Geschäftsführers nach ~ 4 219 – nach ordentlicher Kündigung des Geschäftsführers 4 108 – sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis 4 433 – und Urlaub 4 432 – Wettbewerbsverbot 4 430 f. Freistellungsklauseln 3 719 ff. – AGB-Kontrolle 3 720 ff. – Arbeitnehmer 3 720 ff. – Organmitglieder 3 725 ff. Freiwilligkeitsvorbehalt – AGB-Kontrolle 3 57 ff. – Sondervergütungen 3 58 – Vergütungsbestandteile 3 56 ff. Freizeitverhaltensklauseln 3 784 ff. – Arbeitnehmer 3 785 ff. – gesteigerte Loyalitätspflicht 3 787 – Organmitglieder 3 788 f. – Vorsorgeuntersuchung 3 789 Fremdgeschäftsführung – Geschäftsführer 1 23 – Vorstandsmitglieder 1 76 Führungskraft – Arten 1 2 ff. – Begriff 1 1 – „Charakterisierung“ 1 21 ff. Geheimhaltung siehe Verschwiegenheitspflicht Generalvollmacht – leitende Angestellte 1 126 Genomanalyse 2 51 f. Geschäftsführer 1 22 ff. – Abberufung 1 34 ff. – Anmeldepflichten 2 225 – Anstellungsverhältnis 1 38 ff. – Arbeitnehmer 1 69 ff. – Arbeitsrecht 1 68 ff.
– Aufgaben und Zuständigkeiten 1 44 f. – außerordentliche Kündigungsgründe, Vereinbarung 3 678 – Befugnisse 1 46 ff. – Bestellung 1 29 ff. – Bestellung und Anstellung 1 25 f. – Buchhaltungspflicht 2 226 – Eigengeschäftsführung 1 23 – faktischer ~ 1 33 – Fremdgeschäftsführung 1 23 – Geschäftsführungsbefugnis (Geschäftsführer) siehe dort – Grundsatz der Gesamtverantwortung 2 217 – Haftung des Geschäftsführers siehe dort – Jahresabschluss 2 227 ff. – Kapitalerhaltungsvorschriften 2 220 – kontinuierliche Unterrichtung und Information 2 218 – Kündigungsbesonderheiten siehe Kündigung, ordentliche des Geschäftsführers – Leitung 2 213 f. – Organpflichten 2 138, 196 ff. – Organverhältnis 1 27 ff. – Pensionszusage bei Geschäftsführern siehe dort – persönliche Eignung 1 28 – Pflichtenkatalog 6 198 ff. – Sorgfaltspflicht 2 215 ff. – Überwachungssystem 2 219 – Vertretungsbefugnis (Geschäftsführer) siehe dort – Weisungsgebundenheit 1 42 Geschäftsführungsbefugnis (Geschäftsführer) 1 47 ff.; 2 206 ff. – Eigengeschäftsführung 2 209 – Einschränkungen 2 208 – Sorgfaltspflicht 1 50 – Treuepflicht 1 51 Geschäftsführungsbefugnis (Vorstandsmitglied) 1 100 ff.; 2 139 ff., 149 ff. – mehrere Vorstandsmitglieder 1 101 – Sorgfaltspflicht 1 104 763
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Geschäftsunterlagen – Auswertung als Compliance-Maßnahme und Datenschutz 6 158 ff. Gesellschafterversammlung – Beschluss bei Geschäftsführerbestellung 1 30 – Geschäftsführerbestellung bei GmbH 4 22 ff. – Kündigung durch ~ einer GmbH 4 75 ff. – Kündigung durch ~ einer Komplementär-GmbH 4 26 f. – Vertragsabschluss und Kündigung durch ~ einer GmbH 4 22 ff. Gewerbesteuer 3 115 ff. Gewerkschaftsangehörigkeit – Fragerecht des Arbeitgebers 2 55 GmbH – Kündigung durch Gesellschafterversammlung 4 75 ff. – Vertragsabschluss und Kündigung durch Gesellschafterversammlung 4 22 ff. GmbH & Co. KG – Kündigung durch Gesellschafterversammlung der KomplementärGmbH 4 26 f. – Organhaftung im Konzern 7 74 ff. GmbH-Geschäftsführer siehe Geschäftsführer Gründungshaftung des Geschäftsführers 7 17 ff. – Anspruchsberechtigter bei Vor-Gesellschaft 7 28 ff. – Falschauskunft bei Gründung 7 36 – Haftungsausschluss bei Vor-Gesellschaft 7 33 ff. – Haftungsbeschränkung bei Vor-Gesellschaft 7 33 ff. – Handeln im Namen der Vor-Gesellschaft 7 24 ff. – Handelndenhaftung bei Vor-Gesellschaft 7 22 ff. – Handelnder bei Vor-Gesellschaft 7 23 – Heilung bei verdeckter Sacheinlage 7 60 – Umfang bei Vor-Gesellschaft 7 32 – verdeckte Sacheinlage 7 37 ff.
– Verjährungsverlängerung bei verdeckter Sacheinlage 7 61 ff. – Vor-Gesellschaft 7 21 ff. – Vorgründungsgesellschaft 7 18 – Vorgründungsphase 7 18 ff. Haftpflichtversicherung siehe D&O-Versicherung Haftung des Aufsichtsratsmitglieds 3 637 ff. – Beschränkungen im Voraus 7 237 – D&O-Versicherung 3 638 ff. Haftung des Geschäftsführers 1 58 ff.; 3 637 ff.; 7 1 ff.; siehe auch Haftungsrisiken in der Krise – Anspruchsverzicht 7 252 – Arten der nachträglichen Enthaftung 7 243 ff. – Auskunfts- und Mitteilungspflichten gegenüber Gesellschaft, Verstoß 7 209 f. – Auskunfts- und Mitteilungspflichten gegenüber Gesellschaftern, Verstoß 7 211 ff., 218 ff. – Außenhaftung 7 8 ff. – Außenhaftung aufgrund Anstellungsvertrag 7 7 – Außenhaftung, deliktische 7 12 ff. – Außenhaftung, spezialgesetzliche 7 11 – Befreiung durch Befolgung von Weisungen und Beschlüssen 7 264 ff. – Beschädigungen am Dienstfahrzeug 3 233 – Beschränkungen im Voraus 7 232 ff. – betriebswirtschaftliche Kontrolle 7 145 f. – Beweislast 6 207 – Buchführungspflichten 7 142 ff. – Business Judgement Rule siehe dort – Compliance 6 8 – Compliance-Maßnahmen, fehlende oder unzureichende 6 195 ff. – Compliance-Verstoß, ordnungswidriger 6 213 ff.
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Stichwortverzeichnis
– D&O-Versicherung 3 638 ff.; 7 255 ff. – Darlegungs- und Beweislast 7 291 ff. – Datenschutzverstoß, Bußgeld 6 218 ff. – Delegation an Mitarbeiter 6 208 ff. – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten 7 222 f. – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Mitverschulden 7 231 – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Verschulden 7 229 f. – Entlastung 7 245 ff. – externe Pflichten 7 84 – Finanzverantwortung 7 141 ff. – Finanzverantwortung, Verstoß 7 148 ff. – Folgerecht bei Selbstgefährdung der Gesellschaft 7 100 f. – Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft 7 275 – Geheimhaltungspflichten gegenüber Gesellschaft 7 206 ff. – Geltendmachung der Innenhaftung 7 289 f. – Generalbereinigung 7 253 f. – Geschäftsführer 1 62 – Gläubigerhaftung auf die Innenhaftung 7 16 – Gründungshaftung des Geschäftsführers siehe dort – haftungsbegründender Tatbestand 7 71 ff. – Information bei Unternehmensverkauf 7 224 ff. – Information bei Unternehmensverkauf, Mitverschulden 7 231 – Information bei Unternehmensverkauf, Verschulden 7 229 f. – Innenhaftung 6 196; 7 3 ff., 70 ff. – Insolvenz siehe Haftung wegen Insolvenzverschleppung – Interessenkollision 7 204 f. – interne Pflichten 7 85 – Legalitätspflicht und unternehmenseigene Regelungen 7 90 ff. – Legalitätsverstöße 7 83 ff.
– Liquiditätsbeobachtung in der Krise 7 147 – Mehrfachmandate 7 205 – nachträgliche Freistellung 7 238 ff. – ökonomische Entlastung durch Versicherungsschutz 7 255 ff. – Ordnungswidrigkeit siehe Haftung von Organmitgliedern nach OWiG – Organhaftung 7 4 ff., 71 ff. – Organhaftung, faktische 7 72 f. – Organhaftung im Konzern 7 74 ff. – Organisationspflichten, Verstoß 6 213 ff.; 7 102 ff. – Pflichtenkatalog 6 198 ff. – Pflichtenüberspannung 7 140 ff. – Pflichtverletzung 1 63; 7 82 ff. – Ressortaufteilung 7 107 ff. – Ressortverteilung als Enthaftungsinstrument 7 276 ff. – sanktionsrechtliche ~ und Überwachungspflicht 7 118 ff. – für Steuern siehe Haftung für Steuern – Steuerrecht 3 647 f. – Systematik der Normen 1 59 f. – Treupflichten, Verstoß 7 201 ff. – Überwachungspflicht 7 113 ff. – bei unternehmerischer Tätigkeit siehe Business Judgement Rule – Verjährung 7 284 ff. – Verletzung unternehmenseigener Regelungen 7 86 ff. – Verschulden bei Vertragsverhandlungen 7 9 f. – Wettbewerbsverstoß 7 201 f. – zivilrechtliche ~ und Überwachungspflicht 7 113 ff. Haftung des leitenden Angestellten 1 122, 141 – Beschädigungen am Dienstfahrzeug 3 231 ff. – Compliance 6 8 Haftung des Vorstandsmitglieds 1 112 ff.; 3 637 ff.; 7 1 ff.; siehe auch Haftungsrisiken in der Krise – Anspruchsverzicht 7 252 – Arten der nachträglichen Enthaftung 7 243 ff. 765
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– Auskunfts- und Mitteilungspflichten gegenüber Gesellschaft, Verstoß 7 209 f. – Auskunfts- und Mitteilungspflichten gegenüber Gesellschaftern, Verstoß 7 211, 215 ff. – Außenhaftung 7 8 ff. – Außenhaftung aufgrund Anstellungsvertrag 7 7 – Außenhaftung, deliktische 7 12 ff. – Außenhaftung, spezialgesetzliche 7 11 – Befreiung durch Befolgung von Weisungen und Beschlüssen 7 264 ff. – Beschädigungen am Dienstfahrzeug 3 233 – Beschränkungen im Voraus 7 232, 237 – betriebswirtschaftliche Kontrolle 7 145 f. – Beweislast 6 207 – Buchführungspflichten 7 142 ff. – Business Judgement Rule siehe dort – Compliance 6 8 – Compliance-Maßnahmen, fehlende oder unzureichende 6 195 ff. – Compliance-Verstoß, ordnungswidriger 6 213 ff. – D&O-Versicherung 3 638 ff.; 7 255 ff. – Darlegungs- und Beweislast 7 291 ff. – Datenschutzverstoß, Bußgeld 6 218 ff. – Delegation an Mitarbeiter 6 208 ff. – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten 7 222 f. – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Mitverschulden 7 231 – deliktische Falschauskunft gegenüber Dritten, Verschulden 7 229 f. – Entlastung 7 245 ff. – externe Pflichten 7 84 – Finanzverantwortung 7 141 ff. – Finanzverantwortung, Verstoß 7 148 ff.
– Folgerecht bei Selbstgefährdung der Gesellschaft 7 100 f. – Freistellungsanspruch gegen die Gesellschaft 7 275 – Geheimhaltungspflichten gegenüber Gesellschaft 7 206 ff. – Geltendmachung der Innenhaftung 7 289 f. – Generalbereinigung 7 253 f. – Gläubigerhaftung auf die Innenhaftung 7 16 – Gründungshaftung 7 17 – haftungsbegründender Tatbestand 7 71 ff. – Information bei Unternehmensverkauf 7 224 ff. – Information bei Unternehmensverkauf, Mitverschulden 7 231 – Information bei Unternehmensverkauf, Verschulden 7 229 f. – Innenhaftung 6 197; 7 3 ff., 70 ff. – Insolvenz siehe Haftung wegen Insolvenzverschleppung – Interessenkollision 7 204 f. – interne Pflichten 7 85 – Legalitätspflicht und unternehmenseigene Regelungen 7 90 ff. – Legalitätsverstöße 7 83 ff. – Liquiditätsbeobachtung in der Krise 7 147 – Mehrfachmandate 7 205 – Nachgründung 7 66 ff. – nachträgliche Freistellung 7 238 ff. – ökonomische Entlastung durch Versicherungsschutz 7 255 ff. – Ordnungswidrigkeit siehe Haftung von Organmitgliedern nach OWiG – Organhaftung 7 4 ff., 71 ff. – Organhaftung, faktische 7 72 f. – Organhaftung im Konzern 7 74 ff. – Organisationspflichten, Verstoß 6 213 ff., 7 102 ff. – Pflichtenkatalog 6 198 ff. – Pflichtenüberspannung 7 140 ff. – Pflichtverletzung 7 82 ff. – Ressortaufteilung 7 107 ff. – Ressortverteilung als Enthaftungsinstrument 7 276 ff.
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Stichwortverzeichnis
– sanktionsrechtliche ~ und Überwachungspflicht 7 118 ff. – für Steuern siehe Haftung für Steuern – Treupflichten, Verstoß 7 201 ff. – Überwachungspflicht 7 113 ff. – bei unternehmerischer Tätigkeit siehe Business Judgement Rule – Verjährung 7 284 ff. – Verletzung unternehmenseigener Regelungen 7 86 ff. – Verschulden bei Vertragsverhandlungen 7 9 f. – Wettbewerbsverstoß 7 201 f. – zivilrechtliche ~ und Überwachungspflicht 7 113 ff. Haftung für Steuern 7 294 ff. – Auswahlermessen 7 326 ff. – betriebliche Steuern 7 296 ff. – business judgement rule 7 335 ff. – Grundsatz der anteiligen Tilgung 7 300 – Lohnsteuer 7 317 ff. – Mittelvorsorgepflicht 7 299 – Pflichtenkollision in der Krise – Steuer-/Zivilrecht 7 321 ff. – qualifizierter Sorgfaltsverstoß 7 326 ff. – Ressortverteilung als Enthaftungsund Ermessensmerkmal 7 329 ff. – Umsatzsteuer siehe Haftung für Umsatzsteuer – verdeckte Gewinnausschüttung 7 324 f. Haftung für Umsatzsteuer 7 301 ff. – Erstattungsanspruch des Finanzamts 7 302 – irrige Annahme einer umsatzsteuerlichen Organschaft 7 315 f. – Phase vor Beendigung der Organschaft 7 310 f. – Übersehen der umsatzsteuerlichen Organschaft 7 306 ff. – umsatzsteuerliche Organschaft 7 304 ff. – Vorsteuerkorrekturen bei Insolvenz der Organgesellschaft 7 312 ff.
Haftung von Organmitgliedern nach OWiG 7 118 ff. – Ahndungsdurchgriff 7 123, 127 ff. – Checkliste 7 132 – Entlastungsmomente 7 130 ff. – haftungsbegründende Kausalität 7 136 – Normen 7 119 – Revisionsabteilung 7 134 – Schutzgesetzeigenschaft des OWiG 7 139 – Verjährung 7 138 – Verschulden 7 137 – Zuwiderhandlung 7 122, 124 ff. Haftung wegen Insolvenzverschleppung 5 44 ff.; siehe auch Haftungsrisiken in der Krise – gegenüber Altgläubigern 5 47 – gegenüber Gesellschaft 5 52 – gegenüber Gläubigern, § 823 Abs. 2 BGB 5 45 ff. – gegenüber Gläubigern, § 826 BGB 5 48 ff. – gegenüber Neugläubigern 5 46 – Strafrecht 5 55 f. – Verschulden 5 53 f. Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung 5 90 ff. – Anwendungsbereich 5 93 – Finanzplankredite 5 103 – gesellschafterbesichertes Drittdarlehen 5 102 – Gesellschafterdarlehen 5 99 ff. – Gesellschafterstellung 5 94 – gesellschaftsgleiche Dritte 5 95 – Nutzungsüberlassungen 5 104 f. – Sanierungs- und Kleinbeteiligungsprivileg 5 96 f. Haftungsrisiken in der Krise 5 73 ff. – Cash-Management-Systeme 5 89 – Einberufungspflichten 5 74 – Früherkennungs- und Überwachungspflichten 5 75 ff. – bei Gesellschafterstellung siehe Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung – Insolvenzverursachung, Haftung wegen 5 81 ff. – Krisenvorsorgepflicht 5 74 ff. 767
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Stichwortverzeichnis
– Sorgfaltspflichten, Verstoß 5 82 ff. – Zahlungen an Gesellschafter 5 86 ff. Handlungsvollmacht 1 137 ff. Hauptversammlung – Pflichten des Vorstands 2 183 ff. Headhunting 2 14 ff. – E-Mail-Kontakt 2 19 f. – Grenzen 2 16 ff., 20 – Telefonkontakt 2 15 Herausgabeklausel 4 482 ff. Insolvenz 5 5 ff.; siehe auch Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung; Haftungsrisiken in der Krise; Unternehmenskrise – Altersteilzeit im Blockmodell 4 517 – Amtsniederlegung durch Organmitglieder 5 136 ff. – Anfechtbarkeit von Vergütungszahlungen 5 193 ff. – antragspflichtige Gesellschaftsorgane 5 21 ff. – Aussonderung 5 216 – Auswirkung auf Geschäftsführer 4 99 – Auszahlungsverbot siehe dort – Bemessung der Liquidationswerte 5 18 – Beseitigung von ~gründen 5 32 ff. – betriebliche Altersversorgung 5 218 f. – drohende Zahlungsunfähigkeit 5 20 – Eigenkündigung 5 139 ff. – Eigenverwaltung 5 191 – Erlassvertrag 5 38 – Fälligkeit 5 9 f. – Feststellungsklage gegen Kündigung des Dienstverhältnisses 5 174 – Fortgeltung des Arbeitsrechts 5 134 f. – geringfügige Liquiditätslücke 5 14 – Geschäftsführer, Pflichten 2 230 f. – Gründe 5 6 ff.
– Haftung wegen Insolvenzverschleppung siehe dort – Handlungsempfehlungen 5 40 ff. – Insolvenzantrag siehe dort – Insolvenzverwalter, vorläufiger siehe dort – Kapitalerhaltungspflicht 5 57 – Kündigungsschutzprozess 5 174 – Liquidationsbilanz 5 8 – liquide Zahlungsmittel 5 13 – Liquiditätsbeschaffung 5 33 ff. – Masseverbindlichkeit bei Masseunzulänglichkeit 5 208 f. – Neumasse- bzw. nachrangige Masseverbindlichkeit 5 210 ff. – Pflichten des Vorstands 2 189 ff. – positive Fortführungsprognose 5 16 – Rangrücktritt 5 37 – Sonderkündigungsrecht 5 186 ff. – Stellung der Führungskraft in der ~ 5 106 ff. – Stillhaltevereinbarung 5 36 – streitige Verbindlichkeiten 5 11 f., 19 – Stundung 5 36 – Überschuldung 5 15 ff. – Überschuldungsstatus 5 17 – Verfahren siehe Insolvenzverfahren – Vergütung 5 192 ff. – Vergütungsanspruch als ~forderung 5 199 ff. – Vergütungsanspruch als Masseverbindlichkeit 5 202 ff. – vorübergehende Zahlungsstockung 5 14 – Vorwegbefriedigung einer Masseverbindlichkeit 5 207 – Zahlungsunfähigkeit 5 7 ff. Insolvenzantrag 5 5, 111 – Eigenkündigung wegen ~ 5 139 ff. – Frist 5 26 ff. – Führungskraft bei Stellung des ~s 5 128 ff. – leitende Angestellte nach Stellung des ~s 5 129, 132 – Organmitglieder nach Stellung des ~s 5 129 ff.
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Stichwortverzeichnis
– organschaftliche Kompetenzen 5 143 ff. Insolvenzgeld 5 221 ff. – Führungskraft ohne Anspruch 5 225 ff. – geschützte Ansprüche 5 224 – sozialrechtlicher Arbeitnehmerbegriff 5 223 – Vorfinanzierung 5 222 Insolvenzverfahren 5 108 ff. – Absonderung 5 122 – antragspflichtige Gesellschaftsorgane 5 21 ff. – Aussonderung 5 121 – Eigenverwaltung 5 191 – eröffnetes ~ 5 115 ff., 175 ff. – Eröffnungsbeschluss 5 118 f. – Eröffnungsgründe 5 6 ff., 112 – Eröffnungsverfahren 5 110 ff. – erste Gläubigerversammlung 5 123 – ESUG-Reform 5 124 ff. – Geschäftsführer im eröffneten ~ 5 177 ff. – Insolvenzantrag siehe dort – leitende Angestellte im eröffneten ~ 5 184 f. – Masse- oder Eröffnungsgutachten 5 113 – Sicherungsmaßnahmen 5 146 – Sicherungsmaßnahmen des Insolvenzgerichts 5 114 – Sonderkündigungsrecht 5 186 ff. – Vorstandsmitglieder im eröffneten ~ 5 177 ff. Insolvenzverwalter, vorläufiger – Anfechtbarkeit von Vergütungszahlungen 5 193 ff. – Auskunftspflicht aller Führungskräfte 5 147 ff. – Dienst- und Anstellungsverhältnis bei starkem vorläufigen Insolvenzverwalter 5 173 – Erstgespräch 5 148 – Geschäftsleitung bei schwachem vorläufigen Insolvenzverwalter 5 157 f. – Geschäftsleitung bei starkem vorläufigen Insolvenzverwalter 5 170 f.
– Geschäftsleitung bei Zustimmungsvorbehalt 5 161 – Kompetenzabgrenzung 5 151 ff. – Kündigungsbefugnis 5 163 ff. – leitende Angestellte bei Zustimmungsvorbehalt 5 162 – Motivation zur Kündigung von Anstellungsverträgen 5 154 – Motivation zur Kündigung von Dienstverträgen der Geschäftsleitung 5 155 – schwacher ~ 5 156 ff. – schwacher ~ mit Einzelermächtigung 5 166 ff. – schwacher ~ mit Zustimmungsvorbehalt 5 160 ff. – starker ~ 5 169 Interessenabwägung – außerordentliche Kündigung leitender Angestellter 4 193 f. – außerordentliche Kündigung von Organmitgliedern 4 195 f. Interessenkonflikt – Haftung der Organmitglieder bei Verstoß 7 204 f. – Vorstandsmitglieder 2 167 f. Internationales Arbeitsrecht 3 326 ff. – Arbeitsvertragsstatut 3 326 ff. – Ausweichklausel 3 337 – Eingriffsnormen 3 340 – freie Rechtswahl 3 329 f. – objektive Regelanknüpfung 3 331 ff. – Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes 3 331 – Recht der Niederlassung 3 335 f. – vorübergehende Auslandstätigkeit 3 332 ff. – zwingende staatliche Vorschriften 3 338 f. Karenzentschädigung 3 542 ff.; 4 455 ff. – Anrechnung anderweitiger Einkünfte 3 545 ff. – Anrechnung anderweitiger Einkünfte bei Organmitgliedern 3 589 769
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Stichwortverzeichnis
– Anrechnung von Nebentätigkeiten 3 546 – Auskunftspflicht 3 548 – Auszahlung 3 543 – Bemessung 3 542 – Bemessung bei Organmitgliedern 3 588 – böswillig nicht erzielte Einkünfte 3 547 – zu geringe ~ 3 544 – Höhe 4 456 – Organmitglieder 3 587 ff.; 4 467 – Rechtsmängel bei Organmitgliedern 3 590 ff. – Verstoß gegen Wettbewerbsverbot 3 572 ff. KG – Kündigung durch Komplementäre 4 28 f. Klageverzichtsklausel 4 493 ff. – Arbeitnehmer 4 494 f. – Organmitglieder 4 496 Kleinbetriebsklausel 4 135 Konzern – Aktienoptionen im Steuerrecht 3 145 f. – Arbeitnehmerüberlassung 3 312 f. – Doppelbesteuerungsabkommen 3 371 – Drittanstellung des Organmitglieds 2 94 ff. – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 3 538 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern 3 585 – Organhaftung 7 74 ff. – Steuerrecht 3 343 ff. – Steuerrecht bei Auslandseinsatz siehe dort – Vereinbarung eines Kündigungsrechts eines Vorstandsmitglieds 4 111 – Versetzung 3 305 ff. – Weisungsgebundenheit der Vorstandsmitglieder 1 93 Krankheit/Arbeitsunfähigkeit – Dienstwagennutzung, private 3 209 ff.
– Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall siehe dort – Fragerecht des Arbeitgebers 2 47 ff. Kündigung, außerordentliche 4 163 ff. – Abmahnung 4 189 ff. – Anhörung, vorherige 4 197 ff. – anwendbare Vorschriften 4 165 ff. – Auslegung 4 177 – Ausschlussfrist 4 200 ff. – Betriebsübergang 5 266 ff. – erleichterte Bedingungen bei Organmitgliedern 4 163 – Erleichterungen, vertragliche 4 171 ff. – Erschwerungen, vertragliche 4 170 – Geschäftsführer siehe Kündigung, außerordentliche des Geschäftsführers – Interessenabwägung bei leitenden Angestellten 4 193 f. – Interessenabwägung bei Organmitgliedern 4 195 f. – Kompetenz 4 176 – leitende Angestellte 4 164, 210 – Lossagung vom nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Organmitgliedern 3 593 – Organmitglieder 4 211 ff. – Regelungen im Anstellungsvertrag 4 169 ff. – Tatkündigung 4 175 – Ultima Ratio 4 189 ff. – Umdeutung 4 177 ff. – Verdachtskündigung 4 175 – Verdachtskündigung, vorherige Anhörung 4 198 f. – Vorstandsmitglied siehe Kündigung, außerordentliche des Vorstandsmitglieds – wichtiger Grund 4 180 ff. – wichtiger Grund bei leitenden Angestellten 4 186 ff. – wichtiger Grund bei Organmitgliedern 4 182 ff. Kündigung, außerordentliche des Geschäftsführers 3 678; 4 212 ff. – Ausschlussfrist 4 224 ff. – betriebsbedingte Gründe 4 217
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Stichwortverzeichnis
– Eigenkündigung 4 218 ff. – Eigenkündigung nach Abberufung 4 218 – Eigenkündigung wegen Kompetenzeinschränkungen 4 221 – Eigenkündigung wegen unsachlicher Beschuldigungen 4 223 – Eigenkündigung wegen unterbliebener Bestellung 4 222 – Eigenkündigung wegen Vorenthaltens von Informationen 4 220 – Klagefrist 4 232 – Kündigung durch die Gesellschaft 4 215 ff. – Pflichtverletzungen 4 212 – Rechtsfolgen 4 230 ff. – Verdachtskündigung 4 229 – Vergütungsanspruch 4 230 – verhaltensbedingte Gründe 4 216 – wichtiger Grund 4 214 ff. Kündigung, außerordentliche des Vorstandsmitglieds 3 660 f.; 4 233 ff. – Ausschlussfrist 4 239 – Schlechterfüllung 4 236 – wichtiger Grund 4 234 ff. Kündigung, betriebsbedingte 4 140 f. – Betriebsübergang 5 266 f. – des Geschäftsführers, außerordentliche 4 217 – Organisationsentscheidung 4 141 Kündigung, ordentliche 4 1 ff. – Abberufung 4 42 – Altersteilzeit 4 521 – Anstellungsvertrag und Amtsstellung 4 2 f. – anzuwendende Vorschriften 4 4 ff. – und Aufhebungsvertrag 4 283 f., 321 – Betriebsübergang 5 266 ff. – Dienstvertrag 4 1 – Einschreiben 4 41 – E-Mail 4 38 ff. – Folgen 4 71 ff. – Geschäftsführer siehe Kündigung, ordentliche des Geschäftsführers – Inhalt der Kündigungserklärung 4 43 f. – bei Insolvenz 5 174
– leitender Angestellter siehe Kündigung, ordentliche eines leitenden Angestellten – Ort 4 45 – Person des Kündigenden siehe dort – Schriftform, gesetzliche 4 35 f. – Schriftform, gewillkürte 4 37 ff. – Trennungsprinzip 4 2 – Vorstandsmitgliedsmitglied siehe Kündigung, ordentliche des Vorstandmitglieds – Zeit 4 45 – Zugang der Kündigung siehe dort Kündigung, ordentliche des Geschäftsführers 4 75 ff. – Amtsniederlegung nach Kündigung 4 106 – Auflösung der Gesellschaft 4 97 f. – Ausschluss der Kündigung 4 89 ff. – befristeter Anstellungsvertrag 4 91 – Befristung mehr als 5 Jahre 4 93 – vor Dienstantritt 4 90 – Eigenkündigung trotz Kündigungsverbots 4 103 – Entschlusszuständigkeit 4 75 – Formvorschriften 4 86 f. – Freistellung nach Kündigung 4 108 – Gesellschafter-Geschäftsführer 4 94 – Gründe 4 88 – Insolvenz der Gesellschaft 4 99; 5 174 – Lebenszeitvertrag 4 93 – mitbestimmte GmbH 4 95 – Niederlegung aller Ämter 4 109 – Rechtsfolgen 4 104 ff. – Vertretungsbefugnis 4 76 ff. – Verzicht 4 92 – Zeugnis 4 105 – Zurückweisung der Kündigung wegen Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde 4 82 ff. Kündigung, ordentliche des Vorstandsmitglieds 3 658; 4 110 ff. – Befristung 4 110 – bei Insolvenz 5 174 – Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts im Konzern 4 113 771
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Stichwortverzeichnis
Kündigung, ordentliche eines leitenden Angestellten 4 114 ff. – allgemeine Grenzen der Rechtsausübung 4 142 – Auflösungsantrag 4 152 ff. – Auflösungsantrag des Arbeitgebers 4 158 ff. – Auflösungsantrag des leitenden Angestellten 4 154 ff. – Ausschluss 4 145 ff. – betriebsbedingte ~ 4 140 f. – Entscheidungszuständigkeit 4 115 f. – Formvorschriften 4 123 – Geltung des KSchG 4 132 ff. – bei Insolvenz 5 174 – Kündigungsfrist 4 125 ff. – Kündigungsgründe 4 132 ff. – Kündigungsschutzprozess 4 149 ff. – personenbedingte ~ 4 139 – verhaltensbedingte ~ 4 138 – Vertretungsbefugnis 4 117 ff. Kündigung, personenbedingte 4 139 Kündigung, verhaltensbedingte 4 138 – des Geschäftsführers, außerordentliche 4 216 Kündigungsfrist – Arbeitnehmer 3 655; 4 68 – Berechnung 4 62 ff. – gewillkürte ~ 4 60 ff. – leitende Angestellte 4 125 ff. – Organmitglieder 4 69 f. Kündigungsschutz – Arbeitnehmer 3 653 ff. – Geschäftsführer, Vereinbarung 3 673 ff. – Umwandlung 5 265 Kündigungsschutzprozess 4 149 ff. – Abfindung 4 151 f. – Auflösungsantrag 4 152 ff. – Güte-/Kammertermin 4 150 – Insolvenz 5 174 – Klagefrist 4 149 – Klageverzichtsklausel 4 494 f. Leitende Angestellte 1 4 ff. – Arbeitgeberfunktionen 1 124
– – – – – – – – – – – – –
Arbeitnehmer 1 120 Arbeitsrecht 1 120 ff. nach ArbGG 1 19 Aufhebungsvertrag 4 256 ff. betriebsverfassungsrechtlich 1 5 ff. Direktionsrecht 1 124 Haftung des leitenden Angestellten siehe dort kündigungsschutzrechtlich 1 14 ff. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einstellung 2 72 Mitbestimmung des Sprecherausschusses bei Einstellung 2 73 und Organwalter 1 119 nach Stellung eines Insolvenzantrags 5 129 Vertretungsmacht des leitenden Angestellten siehe dort
Mehrarbeit – leitende Angestellte 3 265 ff. – pauschale Abgeltungsklausel bei leitenden Angestellten 3 267 ff. Mitbestimmung des Betriebsrats – Arbeitszeit 3 262 – Einstellung eines Arbeitnehmers 2 71 – E-Mail-Daten 6 178 – Versetzung 3 303 f. – Whistleblowing-Systeme 6 135 – Zielvereinbarungen 3 42 Mitbestimmung des Schwerbehindertenvertretung – Einstellung 2 76 ff. Mitbestimmung des Sprecherausschusses – Arbeitszeit 3 271 – Einstellung 2 73 Mutterschutz – Dienstwagen, Privatnutzung 3 216 Offenbarungspflichten – des Arbeitgebers im Bewerbungsverfahren 2 32 – des Bewerbers im Bewerbungsverfahren 2 33 f. Ordentliche Kündigung siehe Kündigung, ordentliche
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Stichwortverzeichnis
Organpflichten 2 138 ff. Organverhältnis – Abberufung des Geschäftsführers 1 34 ff. – Abberufung des Vorstandsmitglieds 1 85 ff. – Aufgaben und Zuständigkeiten des Geschäftsführers 1 44 f. – Befugnisse des Geschäftsführers 1 46 ff. – Befugnisse des Vorstandsmitglieds 1 99 ff. – Bestellung des Geschäftsführers siehe dort – Bestellung des Vorstandsmitglieds siehe dort – Geschäftsführer 1 27 ff. – persönliche Eignung des Geschäftsführers 1 28 – persönliche Eignung des Vorstandsmitglieds 1 81 – Vorstandsmitglied 1 80 ff. Organwalter 1 3 – und leitende Angestellte 1 119 Ort der Arbeitsleistung – Änderung 3 300 ff. – Auslandsversetzung 3 302 – Versetzungsklausel 3 301 ff. Parteimitgliedschaft – Fragerecht des Arbeitgebers 2 56 Pensionszusage bei Geschäftsführern 3 465 ff. – Abfindung bei Unternehmenskauf 3 511 ff. – Anspruch 3 467 – Auszahlung 3 510 – bilanzielle Behandlung 3 466 ff. – Erdienbarkeit 3 488 ff. – Finanzierbarkeit 3 484 f. – Formulierungsvorschlag 3 515 – gewinnabhängige Bezüge 3 468 – Höhe, maximale 3 493 ff. – Insolvenz 5 218 f. – Probezeit 3 478 ff. – Rangrücktritt 3 499 ff. – Schriftform 3 470 – Steuerrecht 3 465 ff.
– Unverfallbarkeit 3 486 f. – verdeckte Gewinnausschüttung 3 473, 481 ff., 496, 514 – Verzicht auf zukünftige Leistungen 3 507 ff. – Verzicht, vollständiger 3 502 ff. – kein „willkürlicher“ Leistungsvorbehalt 3 469 – zivilrechtliche Wirksamkeit 3 474 ff. Person des Kündigenden 4 10 ff. – Aktiengesellschaft 4 17 ff. – GbR 4 31 – Geschäftsführer 4 76 ff. – gewillkürte Vertretung 4 12 ff. – GmbH 4 22 ff. – GmbH & Co. KG 4 26 f. – KG 4 28 f. – leitende Angestellte 4 117 ff. – Limited 4 34 – OHG 4 30 – Partnerschaftsgesellschaft 4 32 – Verein 4 33 Personalrabatte – Betriebsübergang 5 249 f. Pflichtenkollision – Vorstandsmitglieder 2 167 f. Probezeit – Pensionszusage bei Geschäftsführern 3 478 ff. Prokura – Erteilung 1 128 ff. – Umfang 1 132 ff. – Widerruf 1 136 Rechtsschutz bei Abberufung 8 1 ff. – Begründetheit 8 9 ff. – einstweiliger ~ 8 12 ff. – Fremd-Geschäftsführer 8 5 – Gesellschafter-Geschäftsführer 8 5 – Kammer für Handelssachen 8 7 – Klagefrist 8 8 – Klageverfahren 8 3 ff. – Vorstandsmitglieder 8 6 Religionszugehörigkeit – Fragerecht des Arbeitgebers 2 43 f. Rückgabeklausel 4 482 ff. 773
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Stichwortverzeichnis
Rückzahlungsvereinbarung für Fortund Weiterbildungskosten – AGB-Kontrolle 3 695 ff. – angemessene Bindungsdauer 3 702 ff. – Anlass für das Rückzahlungsverlangen 3 699 ff. – Arbeitnehmer 3 693 ff. – geldwerter Vorteil 3 696 ff. – Lohnsteuer 3 708 ff. – Organmitglieder 3 707 ff. – steuerliche Behandlung beim Arbeitgeber 3 709 ff. – steuerliche Behandlung beim Arbeitnehmer 3 714 ff. – steuerliche Behandlung bei Organmitgliedern 3 718 Ruhendes Arbeitsverhältnis – Auslandseinsatz 3 324 – Steuerrecht 3 357 Schadensersatz siehe Haftung des Geschäftsführers; Haftung des leitenden Angestellten; Haftung des Vorstandsmitglieds Schriftform – Aufhebungsvertrag 4 263 ff. – befristeter Arbeitsvertrag 4 393 ff. – gesetzliche ~ bei Kündigung 4 35 f. – gewillkürte ~ bei Kündigung 4 37 ff. – bei Kündigung des Geschäftsführers 4 86 f. – bei Kündigung eines leitenden Angestellten 4 123 – bei Kündigung von Organmitgliedern 4 36 – nachvertragliches Wettbewerbsverbot 3 526 – Pensionszusage bei Geschäftsführern 3 470 Schwangerschaft – Fragerecht des Arbeitgebers 2 41 Schwerbehinderung – Fragerecht des Arbeitgebers 2 38 ff. – Mitbestimmung der Schwerbehindertenvertretung bei Einstellung Schwerbehinderter 2 76 ff.
– Stellenanzeige 2 28 Sonderkündigungsrecht im Insolvenzverfahren 5 186 ff. – Anwendungsbereich 5 187 f. – Kündigungsschutz 5 189 – Schadensersatz 5 190 Sonderkündigungsschutz – Betriebsübergang 5 270 – Datenschutzbeauftragter 6 115 – Funktion 6 116 ff. Sondervergütungen – Betriebsübergang 5 246 f. – Freiwilligkeitsvorbehalt 3 58 Sorgfaltspflicht – Geschäftsführer 1 50; 2 215 ff. – Grundsatz der Gesamtverantwortung 2 217 – Vorstandsmitglieder 2 152 ff. Sozialversicherungspflicht – Abfindung 4 288 – Altersteilzeit 4 513 – Geschäftsführer 1 72 – leitende Angestellte 1 123 – Pflichtenkollision in der Krise 7 321 ff. – Vorstandsmitglieder 1 118 Stellenanzeige 2 24 ff. – Benachteiligung nach AGG 2 25 ff. – Benachteiligung durch Dritte 2 30 – keine merkmalsneutrale ~ 2 27 – Schwerbehinderte 2 28 Stellvertretung – Aufhebungsvertrag 4 275 – Kündigung 4 12 ff. – Kündigung des Geschäftsführers 4 76 ff. – Kündigung des leitenden Angestellten 4 117 ff. – Zurückweisung der Kündigung wegen Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde 4 13 ff., 82 ff., 118 f. Steuerrecht 3 97 ff. – Abgrenzung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Arbeit 3 102 ff. – Aktienoptionen im Steuerrecht siehe dort – Arbeitszeit 3 276 ff. – Arbeitszeitkonten 3 278 ff.
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– Auslandseinsatz siehe Steuerrecht bei Auslandseinsatz – Beiträge zur D&O-Versicherung 3 649 ff. – betriebliche Altersversorgung siehe Steuerrecht bei betrieblicher Altersversorgung – Dienstwagen 3 238 ff. – Einkommensteuer siehe dort – Einkünfte aus Gewerbebetrieb/ selbständiger Arbeit 3 112 ff. – Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit 3 120 ff. – Einkunftsarten 3 98 ff. – Geschäftsführer-Entschädigung bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot 3 624 ff. – Geschäftsführer, Haftung 3 647 f. – Gewerbesteuer 3 115 ff. – Haftung für Steuern siehe dort – Konzern siehe Steuerrecht bei Auslandseinsatz – Pensionszusage bei Geschäftsführern 3 465 ff. – Rückzahlungsvereinbarung für Fort- und Weiterbildungskosten 3 708 ff. – Umsatzsteuer siehe dort – Urlaub, Ansprüche im Zusammenhang 3 761 ff. – variable Gehaltsbestandteile 3 134 ff. – Verdeckte Gewinnausschüttung siehe dort Steuerrecht bei Auslandseinsatz – Arbeitsverhältnis zu inländischer Konzerngesellschaft 3 355 – Doppelbesteuerungsabkommen 3 358, 360 ff. – Konzern 3 343 ff., 354 ff. – Mehrfacharbeitsverhältnis mit inländischer und mit ausländischer Konzerngesellschaft 3 356 – ruhendes Arbeitsverhältnis zu inländischer Konzerngesellschaft 3 357 Steuerrecht bei betrieblicher Altersversorgung 3 440 ff. – Abfindungen 3 449
– Anwartschaftsphase 3 445 ff. – Leistungsphase 3 459 f. – Steuerfreiheit in der Anwartschaftsphase 3 443 – Trennungsprinzip 3 453 f. – Übergangsrecht 3 461 ff. – Umlageverfahren 3 451 Stock Options siehe Aktienoptionen Streitigkeiten – Kündigungsschutzprozess siehe dort – Rechtsschutz bei Abberufung siehe dort – Vergütungsklage im Urkundenprozess siehe dort Tantieme 3 6 ff. – Aufhebungsvertrag 4 336 ff. – Gestaltungsfreiheit 3 10 – Gewinn 3 6 – Höhe 3 8 – Mindest-~ 3 9 – Steuerrecht 3 134 – Umsatz 3 7 – verdeckte Gewinnausschüttung 3 179 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung der Höhe nach 3 193 ff. – verdeckte Gewinnausschüttung, Formulierungsmuster 3 197 – verdeckte Gewinnausschüttung dem Grunde nach 3 181 ff. Telefax – Zugang der Kündigung 4 50 f. Trennungstheorie 1 25 f. Treuepflicht – Geschäftsführer 1 51 – Organmitglieder, Haftung bei Verstoß 7 201 ff. – Vorstandsmitglieder 2 158 ff. Übergangsgeld – Vorstandsmitglieder 3 394 Umsatzsteuer 3 100 f. – Abgrenzung zwischen Weisungsgebundenheit und Weisungsfreiheit 3 107 ff. 775
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Stichwortverzeichnis
– Geschäftsführer-Entschädigung bei nachvertraglichem Wettbewerbsverbot 3 628 – Haftung für Umsatzsteuer siehe dort Umwandlung 5 262 ff. – Betriebsübergang 5 263 f. – Geschäftsführer bei ~ 4 100 – kündigungsrechtliche Stellung 5 265 – Organmitglieder bei ~ 5 276 f. – Widerspruchsrecht 5 264 Umzugskosten 3 791 – Werbungskostenabzug 3 793 ff. Unabhängigkeit des Vorstandsmitglieds 1 91 ff. – Ausnahmen 1 93 – Zustimmung des Aufsichtsrats 1 94 Unternehmenskrise siehe auch Haftungsrisiken bei Gesellschafterstellung; Haftungsrisiken in der Krise – Eigenkündigung wegen ~ 5 139 ff. – Geschäftsführer, Pflichten 2 230 f. – Geschäftsführerbezüge, Herabsetzung 3 93 f. – Vorstand, Pflichten 2 186 ff. – Vorstandsbezüge, Herabsetzung 3 77 ff. – Vorstandsbezüge, Heraufsetzung bei Besserung 3 85 Unternehmensmitbestimmung – Bestellung des Vorstandsmitglieds 2 128 – Kündigung eines Geschäftsführers 4 95 Unternehmensumwandlung siehe Umwandlung Urkundenprozess, Vergütungsklage siehe Vergütungsklage im Urkundenprozess Urlaub – Ausscheiden langfristig erkrankter Arbeitnehmer 4 487 – Dienstwagennutzung, private 3 214 – und Freistellung 4 432 – Organmitglieder 4 491 f.
– Regelung bei Ausscheiden bei Arbeitnehmern 4 485 ff. – Verzicht 4 488 Urlaubsabgeltung – Arbeitnehmer 4 486, 490 – Einkommensteuer bei Arbeitnehmern 3 764 – Organmitglieder 4 492 – steuerrechtlich bei GesellschafterGeschäftsführern 3 766 – steuerrechtlich bei Organmitgliedern 3 766 f. Urlaubsentgelt – Einkommensteuer bei Arbeitnehmern 3 762 Urlaubsgeld – Einkommensteuer 3 763 – steuerrechtlich bei GesellschafterGeschäftsführern 3 765 Urlaubsregelungen 3 752 ff. – Arbeitnehmer 3 753 ff. – Organmitglieder 3 757 ff. – steuerrechtlich bei GesellschafterGeschäftsführern 3 765 ff. Verdachtskündigung 4 175 – Geschäftsführer 4 229 – vorherige Anhörung 4 198 f. Verdeckte Gewinnausschüttung 3 154 ff. – angemessene Eigenkapitalverzinsung 3 175 ff. – Arbeitszeitkonten 3 279 ff. – Dienstwagen bei GesellschafterGeschäftsführern 3 252 f. – Fort- und Weiterbildungskosten, Rückzahlung 3 718 – dem Grunde nach 3 161 ff. – Haftung für Steuern 7 324 f. – der Höhe nach 3 170 ff. – Pensionszusage bei Geschäftsführer 3 473, 481 ff., 496, 514 – Sonderfälle 3 179 ff. – Tantieme 3 179 ff. – Tantieme, ~ dem Grunde nach 3 181 ff. – Tantieme, ~ der Höhe nach 3 193 ff.
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Stichwortverzeichnis
– Tantieme, Formulierungsmuster 3 197 – Wettbewerbsverbot, Verstoß bei Gesellschafter-Geschäftsführer 3 609 ff. Vergütung 3 1 ff.; siehe auch Dienstwagenregelung im Arbeitsrecht – Aktienoptionen 3 11 ff. – Anfechtbarkeit von Zahlungen durch Insolvenzverwalter 5 193 ff. – außerordentliche Kündigung des Geschäftsführers 4 230 – Aussonderung 5 216 – Befristung eines ~sbestandteils 3 686 – Besonderheiten bei Geschäftsführern siehe Vergütung von Geschäftsführern – Besonderheiten bei Vorstandsmitgliedern siehe Vergütung von Vorstandsmitgliedern – Finanzmarktstabilisierungsgesetz 3 96 – Freiwilligkeitsvorbehalt bezüglich einzelner ~sbestandteile 3 56 ff. – Insolvenz 5 192 ff. – Insolvenzforderung 5 199 ff. – Klage des Organmitglieds siehe Vergütungsklage im Urkundenprozess – leitende Angestellte 3 95 f. – Masseverbindlichkeit 5 202 ff. – Masseverbindlichkeit bei Masseunzulänglichkeit 5 208 f. – Neumasse- bzw. nachrangige Masseverbindlichkeit 5 210 ff. – Steuerrecht 3 97 ff. – Tantieme 3 6 ff. – variable ~sbestandteile 3 3, 5 ff. – Vorwegbefriedigung einer Masseverbindlichkeit 5 207 – Widerrufsvorbehalt bezüglich einzelner ~sbestandteile 3 47 ff. – Zielvereinbarungen 3 24 ff. Vergütung von Geschäftsführern 3 90 ff. – Anfechtbarkeit von Zahlungen durch Insolvenzverwalter 5 195 ff. – Angemessenheit 3 91 f.
– Anpassungsklauseln 3 94 – Herabsetzung in der Krise 3 93 f. – Vergütung allgemein siehe Vergütung Vergütung von Vorstandsmitgliedern 3 62 ff. – Anerkennungsprämien 3 86 f. – Anfechtbarkeit von Zahlungen durch Insolvenzverwalter 5 195 ff. – Angemessenheit 3 63 ff. – börsennotierte Aktiengesellschaften 3 75 – Herabsetzung in der Krise 3 77 ff. – Heraufsetzung nach der Krise 3 85 – Vergütung allgemein siehe Vergütung – Veröffentlichungspflicht 3 88 f. Vergütungsklage im Urkundenprozess 8 18 ff. – Beweismittel 8 23 ff. – Entscheidung 8 28 – Klageverteidigung 8 26 f. – Statthaftigkeit des Urkundenprozesses 8 20 ff. – Vorteile 8 18 Verjährung – Haftung von Organmitgliedern nach OWiG 7 138 – Innenhaftung von Organmitgliedern 7 284 ff. – Verlängerung bei verdeckter Sacheinlage 7 61 ff. Vermögensverhältnisse – Fragerecht des Arbeitgebers 2 59 Verschwiegenheitspflicht 3 630 ff. – Aufhebungsvertrag 4 354 ff. – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 3 632 – Erweiterung 3 634 – Kunden- und Mandantenschutzklausel 4 444 – nachvertragliche ~ 3 635 f.; 4 442 ff. – Organmitglieder gegenüber Gesellschaft 7 206 ff. – schriftliche Vereinbarung 3 633 f. – Vorstandsmitglieder 2 161 ff. Versetzung 3 293 ff. – Arbeitsort 3 300 ff. – Ausland 3 302 777
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Stichwortverzeichnis
– Klausel 3 293 ff. – Konzern 3 305 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats 3 303 f. Vertragsschluss 2 79 ff. – AGB-Kontrolle des Anstellungsvertrags 2 97 ff. – Arbeitgeber bei leitenden Angestellten 2 83 ff. – Dienstberechtigter bei Geschäftsführern 2 91 ff. – Dienstberechtigter bei Vorstandsmitgliedern 2 86 ff. – Drittanstellung 2 94 ff. – Drittanstellung der Organmitglieder 2 94 ff. – fehlerhafter Vertrag 2 103 ff. Vertragsstrafe 3 731 ff. – AGB-Kontrolle bei Arbeitnehmern 3 732 ff. – AGB-Kontrolle bei Organmitgliedern 3 738 ff. – Angemessenheit bei Arbeitnehmern 3 733 f. – Arbeitnehmer 3 732 ff. – Organmitglieder 3 738 ff. Vertretungsbefugnis (Geschäftsführer) 1 52 ff.; 2 197 ff. – Aktivvertretung 1 53 ff. – In-Sich-Geschäft 2 202 ff. – Missbrauch 2 199 ff. – Passivvertretung 1 57 – Überschreitung 2 198 Vertretungsbefugnis (Vorstandsmitglied) 1 105 ff.; 2 142 ff. – Aktivvertretung 1 106 ff. – Passivvertretung 1 111 Vertretungsmacht des leitenden Angestellten 1 125 ff. – Generalvollmacht 1 126 – Handlungsvollmacht 1 137 ff. – Prokura 1 127 ff. Vorstandsmitglied 1 73 ff. – Abberufung 1 85 ff. – Abberufung und Anstellungsverhältnis 3 662 ff. – Altersversorgung von Vorstandsmitgliedern siehe dort – Anstellungsverhältnis 1 90
– Arbeitsrecht 1 116 f. – Aufgaben und Zuständigkeiten 1 97 f. – außerordentliche Kündigungsgründe 3 660 f. – Bestellung und Anstellung 1 78 f. – Bestellung des Vorstandsmitglieds siehe dort – Change-in-Control-Klauseln 3 670 ff. – Fremdgeschäftsführung 1 76 – Geschäftsführung 1 97; 2 139 ff., 149 ff. – Geschäftsführungsbefugnis (Vorstandsmitglied) siehe dort – Haftung des Vorstandsmitglieds siehe dort – Informations- und Offenlegungspflichten nach WpHG 2 194 f. – Kopplungsklausel 3 662 ff. – KSchG-Anwendung, Vereinbarung 3 669 – Kündigungsbesonderheiten siehe Kündigung, ordentliche des Vorstandsmitglieds – Leitung 1 98; 2 139 ff., 149 ff. – ordentliche Unkündbarkeit 3 657 – Organpflichten 2 138 ff. – Organverhältnis 1 80 ff. – persönliche Eignung 1 81 – Pflichtenkatalog 6 198 ff. – Unabhängigkeit des ~s 1 91 ff. – Unternehmenskrise 2 186 ff. – Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechts 3 658 – Vertretungsbefugnis 2 142 ff. – Vertretungsbefugnis (Vorstandsmitglied) siehe dort Vorstrafen – Fragerecht des Arbeitgebers 2 45 f. Weisungsgebundenheit – Geschäftsführer 1 42; 2 222 ff. – Umsatzsteuer 3 107 ff. – Vorstandsmitglieder im Konzern 1 93 Weltanschauung – Fragerecht des Arbeitgebers 2 43 f.
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Wettbewerb, unlauterer – Abwerbung 2 7 ff., 22 f. – Headhunting 2 16 ff. Wettbewerbsverbot 3 516 ff.; 4 447 – während des Arbeits-/Dienstverhältnisses 3 517 ff. – Befreiung 3 523 – Betriebsübergang 5 251 – Fragerecht des Arbeitgebers 2 54 – Freistellung 4 430 f. – Freistellung und Aufhebungsvertrag 4 310 – Gesellschafter-Geschäftsführer, verdeckte Gewinnausschüttung bei Verstoß 3 609 ff. – gesetzliche Grundlagen 3 518 ff. – Haftung der Organmitglieder bei Verstoß 7 201 f. – vertragliches ~ 3 522 – Vorstandsmitglieder 2 169 ff. Wettbewerbsverbot, nachvertragliches 4 446 ff. – AGB-Kontrolle 3 533; 4 449 – Aufhebungsvertrag 4 376 ff. – Aufhebungsvertrag und Wegfall des Wettbewerbsverbots 3 570 – Aushändigung 3 526 – bedingtes ~ 3 553 – Befreiung 3 524 ff. – berechtigtes geschäftliches Interesse 3 530 ff.; 4 458 – Betriebsübergang 5 251 – einvernehmliche Aufhebung 3 560 ff.; 4 376 f. – Folgen bei Rechtsmängeln 3 549 ff. – formelle Anforderungen 3 526 ff. – Formulierungsmuster 3 605 – geltungserhaltende Reduktion 3 555 ff. – inhaltliche Anforderungen 3 530 ff. – Karenzentschädigung siehe dort – Konzern 3 538 – Lossagung 3 565 ff. – Lossagung durch den Arbeitgeber 3 569 – Lossagung durch den Arbeitnehmer 3 566 ff. – Nichtigkeit 3 550
– Organmitglieder siehe Wettbewerbsverbot, nachvertragliches bei Organmitgliedern – partielle Unverbindlichkeit 3 555 ff. – räumlicher Geltungsbereich 3 539 – Rechtsfolgen 4 463 ff. – Schriftform 3 526 – Schriftform und Übergabe 4 453 f. – sonstige Beteiligungen und Tätigkeiten 3 537 – tätigkeits- und unternehmensbezogene Wettbewerbsverbote 3 534 ff. – teilweise Verbindlichkeit 4 465 – unbillige Erschwerung des Fortkommens 4 459 – Unmöglichkeit der Konkurrenztätigkeit 3 571 – Unterschriften 3 527 – Unverbindlichkeit 3 551 ff.; 4 464 – Verstoß gegen ~ 3 572 ff. – Verzicht des Arbeitgebers 3 563 f. – Wechsel in die Arbeitnehmerstellung 3 601, 603 f. – Wechsel in die Organstellung 3 601 f., 604 – Wegfall 3 559 ff. – zeitlicher Geltungsbereich 3 540 f. Wettbewerbsverbot, nachvertragliches bei Organmitgliedern 3 575 ff.; 4 446 ff., 466 ff. – bedingtes ~ 3 598 ff. – berechtigtes Interesse der Gesellschaft 3 582 – branchenweites ~ 3 583 – Formulierungsmuster 3 606 – Formulierungsmuster bei Geschäftsführer 3 629 – gegenständlicher Geltungsbereich 3 582 ff. – Geschäftsführer-Entschädigung, Steuerrecht 3 624 ff. – Haftung bei Verstoß 7 202 – Höchstfrist 4 470 – Interessenabwägung 3 580 ff. – Karenzentschädigung 3 587 ff.; 4 467 – Karenzentschädigung, Anrechnung anderweitiger Einkünfte 3 589 – Karenzentschädigung, Höhe 3 588 779
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– Konzern 3 585 – Kundenschutzklausel 3 584 – Lossagung bei berechtigter fristloser Kündigung 3 593 – Prüfungsmaßstab 3 575 ff. – räumlicher Geltungsbereich 3 586; 4 469 – Rechtsgrundlage 3 575 ff. – Rechtsmängel 3 590 ff. – Verzicht des Dienstberechtigten 3 594 ff. – Wechsel in die Organstellung 3 601 f., 604 – zu weit gefasstes ~ 4 471 – zeitlicher Geltungsbereich 3 581 – Zulässigkeitsprüfung 4 466 Whistleblowing 6 131 ff. – arbeitsrechtliche Anforderungen 6 134 f. – Auskunftsanspruch des Betroffenen 6 143 – Begrenzung des Personenkreises 6 138 ff. – Benachrichtigung des Betroffenen 6 142 – Checkliste 6 146 – Datenschutz 6 136 ff. – Dauer der Aufbewahrung von Meldungen 6 144 – zu meldende Verstöße 6 141 – Mitbestimmung des Betriebsrats 6 135 – neues Beschäftigtendatenschutzrecht 6 145 f. – Pflicht zur Einrichtung von Meldesystemen 6 133 Widerruf – Aufhebungsvertrag 4 278 Widerrufsvorbehalt – AGB-Kontrolle 3 48 ff. – Dienstwagennutzung, private 3 223 f. – Vergütungsbestandteile 3 47 ff. Willenserklärung – Fiktionsklauseln 3 688 ff.
Wohnsitzklauseln – Arbeitnehmer 3 790 Zeugnis – Arbeitnehmer 4 473 ff. – Aufhebungsvertrag 4 344 ff. – Beweislast 4 345 – einfaches/qualifiziertes 4 474 – Geschäftsführer 4 105 – Inhalt 4 477 – Leistungsklage 4 478 – Organmitglieder 4 480 f. – Schlussformulierung 4 348 – Verzicht 4 479 Zielvereinbarung 3 24 ff. – Beendigung des Arbeitsverhältnisses 3 37 f. – Bindungsdauer 3 30 – Feststellung der Zielerreichung 3 33 – Krankheitszeiten 3 39 ff. – Mitbestimmung des Betriebsrats 3 42 – Organmitglieder 3 45 f. – Prozessuales 3 43 f. – Sittenwidrigkeit 3 29 – Veränderung der Umstände 3 36 – „vergessene“ ~ 3 34 f. – Vorstandsmitglieder 3 46 – Zielvorgabe 3 27 Zugang der Kündigung 4 47 ff. – Abwesende 4 49 ff. – Anwesende 4 48 – Beweislast 4 59 – Bote 4 52 – Briefkasteneinwurf 4 53 – Briefpost 4 54 ff. – Einschreiben 4 54 ff. – Fiktion 4 58 – leitende Angestellte 4 124 – Telefax 4 50 f. Zurückbehaltungsrecht – Dienstwagennutzung, private 3 230
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