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German Pages 329 [368] Year 1931
HANDBUCH DER WÜNSCHELRUTE GESCHICHTE, WISSENSCHAFT ANWENDUNG VON
CARL GRAF V. KLINCKOWSTROEM UND
RUDOLF F R E I H E R R Y. MALTZAHN
MIT 68 ABBILDUNGEN IM TEXT 34 ABBILDUNGEN AUF KUNSTDRUCKTAFELN UND 2 LITHOGRAPHISCHEN TAFELN IM ANHANG
MÜNCHEN UND BERLIN
1931
VERLAG YON R . O L D E N B O I J R G
Alle Rechte, einichliefUich des Übergetcungsrechtes, vorbehalten Copyright 1931 by R. Oldenbourg, München and Berlin Druck von R. Oldenbourg, München und Berlin
Vorwort. Das vorliegende Buch stellt sich die Aufgabe, das gesamte Wünschelrutenproblem nach allen Seiten hin nach dem bisher erreichten Stande der Forschung darzulegen. Das in der Literatur weithin verstreute außerordentlich umfangreiche Material legte den Verfassern eine weitgehende Beschränkung auf, so daß notwendig in dem Dargebotenen eine Auswahl getroffen werden mußte. Die Grundsätze, nach denen hierbei verfahren wurde, ergaben sich einmal aus dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt, ferner aus gewissen Richtlinien in der Auffassung des ganzen Problems, die sich für die Bearbeiter aus dem genannten Standpunkt herleiteten. In der großen Fülle der Literatur über die Wünschelrute ist vieles laienhaft, phantastisch, wertlos. Es ist viel von Unberufenen theoretisiert worden, aber auch Gelehrte haben sich in abwegigen theoretischen Systemen verstrickt, die in Sackgassen münden und daher nur gelegentlich kurz gestreift worden sind. Auch die für Psychologen oder Parapsychologen vielleicht naheliegende Einordnung der Wünschelrute in gewisse Vorrichtungen, die nach einer Bezeichnung von Rudolf Tischner sozusagen als »Steigrohre des Unterbewußtseins« gelten können, d. h. die Gleichstellung der Wünschelrute mit dem »siderischen Pendel«, mit der Planchette der Spiritisten, mit dem Kristallsehen oder dem graphischen Automatismus (dem automatischen Schreiben), erschien uns nicht angängig und hätte nur eine Verdunkelung dessen bedeutet, was wir als das Kernproblem ansehen. Wenn die Wünschelrute einst ein Wahrsageinstrument unter vielen war, so ist sie das heute für uns nicht mehr. In manchem alten Aberglauben steckte ein richtiger Kern; aus den nebelhaften Phänomenen des »tierischen Magnetismus« sind die Suggestionserscheinungen als eine Bereicherung unserer wissenschaftlichen Kenntnisse übriggeblieben. So erblicken wir auch im »echten« Wünschelruten-Phänomen nicht mehr eines von vielen zweifelhaften Hellsehverfahren, sondern einen präzis definierbaren physiko-physiologischen Reflezvorgang im menschlichen Organismus. In einer klaren Problemstellung allein vermögen wir den Weg zu erblicken, der zur endgültigen experimentellen Klärung der sich uns hier bietenden verwickelten Erscheinungen führen kann und muß. Diese uns notwendig erscheinende Problemstellung verlangt eine exakte Trennung der einzelnen Disziplinen, welche die Wünschelrute berührt. Als wissenschaftliches experimentell zu erforschendes Problem III
stellt die Wünschelrute in erster Linie ein physikalisches Phänomen dar. Für die Physiologie ergeben sich eine Reihe Phänomene im Bereich des Körpers. Die Psychologie interessieren die Suggestivphänomene und ihre Vermeidung sowie die praktisch äußerst wichtigen psychologischen Vorgänge zur Beherrschung einer Methode, mit der die auf den Rutengänger eindringenden Reize zu unterscheiden sind. Für die Geophysik ergeben sich wahrscheinlich neue Möglichkeiten, sowie die Physik der Wünschelrute geklärt ist, von den bisherigen geophysikalischen Methoden völlig abweichende Zusammenhänge ausnutzen zu können. Bei allen bisherigen geophysikalischen Methoden arbeitet man mit elektrischen und akustischen Wellen, sowie mit der Leitfähigkeit der Substanzen für elektrische Ströme. Man schickt bei allen Methoden Energien in die Erde und schließt aus ihrem Verhalten je nach der Beeinflussung, die sie durch die verschiedenen Substanzen in der Erde erfahren, auf diese selbst. Nur die Drehwaage macht hierbei eine Ausnahme, da man mit ihrer Hilfe die Schwereauswirkungen an der Erdoberfläche mißt, und hieraus Schlüsse auf den wechselnden Aufbau der Erdrinde zieht. Bei der Wünschelrutengeophysik wird es sich voraussichtlich um Eigenstrahlungen bzw. um Veränderungen des elektrischen Erdfeldes, die von Substanzen in der Erdrinde selbst ausgehen, bandeln. Disziplinen wie Geologie, Hydrologie, Wasserbautechnik, Lagerstättenkunde, nehmen an der Wünschelrute ein rein praktisches Interesse. Inwieweit die Wünschelrute bei tektonischen Aufgaben, zum Unterscheiden von nichtaufgeschlossenen Erdschichten, bei der Wasserversorgung, beim Bau von Talsperren, bei der Festlegung von Erzgängen und ihrer Geschiebe, zur Angabe und Umgrenzung von Lagerstätten wie Eisenerze, Tone, Braunkohle usw. nutzbar zu verwenden ist, dies sind die Fragen, die die Wünschelrute im Bereich dieser Disziplinen zu lösen hat. Die Medizin besitzt wieder ein hiervon ganz abweichendes Interesse an der Wünschelrute. Inwiefern die Reize, die ein Rutengänger spürt, den Organismus schädigen bzw. ihm nützen, ist die Hauptfrage. Man benötigt die Rutengänger hauptsächlich als besonders empfindliche Versuchsobjekte für bestimmte sie schnell schädigende Einflüsse aus der Erdrinde. Sobald die in Frage kommenden Reize physikalisch bekannt sein werden, ist es für die Heilkunde von großer Bedeutung, welche Gebiete einen besonders schädlichen bzw. welche infolge besonderer Faktoren einen besonders günstigen klimatologischen Einfluß auf die Bewohner ausüben. Wir werden aber zeigen, daß alle von der Wünschelrute berührten Probleme nur durch die Erforschung der physikalischen Grundlagen der Wünschelrute befriedigend lösbar sein werden. Alles steht noch im Anfang der Forschung. Der Leser kann sich in diesem Buch einen Überblick über die Bedeutung der Wünschelrute für die genannten Disziplinen IV
erwerben. Soweit es möglich war und soweit das persönliche Interesse der an den vorliegenden Aufgaben Arbeitenden es gestattete, sind wir auf dies alles ausführlich eingegangen. Dieser erste Versuch eines Handbuches der Wünschelrute bot naturgemäß besondere Schwierigkeiten, denn wir hatten es hier ja nicht mit einer festgefügten, einheitlichen, systematisch aufgebauten Wissenschaft zu tun, wie sie in jeder anderen Disziplin einem Bearbeiter zur Verfügung steht. Sowohl in bezug auf die Geschichte als auch in bezug auf die Wissenschaft der Wünschelrute lag vor uns eine große Halde Schuttmaterial, aus der es galt, in mühsamer Arbeit die wertvollen Bestandteile herauszufinden. Wir hoffen, daß der Realwert dieser Bestandteile dazu beitragen wird, die nötigen Bausteine zum Fundament der wissenschaftlichen Erforschung des Problems zu liefern. Dem Verlag R. Oldenbourg, der das vorliegende Werk in dieser schwierigen Zeit übernommen hat, gebührt an dieser Stelle noch unser ganz besonderer Dank, den wir hiermit zum Ausdruck bringen. München, im Januar 1931.
Carl Graf von Klinckowstroem. Rudolf Freiherr von Maitzahn.
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Inhaltsübersicht. Teil I. G e s c h i c h t e der Wünschelrute. Von Carl Graf von Klinckowstroem.
Seite
I. Die Wünschelrute in Mythologie und Volksglauben II. Die Wünschelrute im Bergbau 1. Rückblick auf die Geschichte des Bergbaues 2. Die Wünschelrute im Bergbau III. Wünschelrute und Wasser, nebst einem Beitrag zur Geschichte der Wassererschließung IV. Theoretisches V. Literaturübersicht . Teil II. W i s s e n s c h a f t und A n w e n d u n g der W ü n s c h e l r u t e Von Rudolf Freiherr von Maitzahn.
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1 8 8 15 30 61 88 95
I. Zur Physiologie der Wünschelrute 98 1. Der Bewegungsvorgang des Wünschelrutenausschlages 98 2. Das Weber-Fechnersche Gesetz beim Wünschelrutenausschlag . . 116 3. Das Pendel 122 4. Primäre und sekundäre Gefühle 123 5. Heilkunde und Wünschelrute 125 II. Leistungen der Wünschelrute 129 1. Geologische und hydrologische Voraussetzungen 129 2. Arbeiten und Protokolle 149 a) Auf Wasser 149 1. »Wasseradern« (Deutsch-Südwestafrika) 149 2. Spalten im Kalkfels am Wallberg, Obb 151 3. Alter Lauf der Mindel, östlich Ulm 151 4. Die Dichtungsarbeiten an der Gothaer Talsperre zu Tambach, von Goette-Plauen 152 5. Die Sickerungserscheinungen an der Brüxer Talsperre und ihre Dichtung mit Hilfe der Wünschelrute, von MarquardtMünchen 159 6. Erfolg der Wünschelrute bei den Wiederherstellungsarbeiten des Wehres in Avanhandava, von E. T. Becker-Sao Paulo 171 7. »Zur Wünschelrutenfrage«, von Geißler-Hannover 173 8. Rutenarbeiten an den Stollen der Mangfall-Überleitung, Obb., von K. Oßwald-München 179 8 a. Die Stollentrasse Mangfall—Seehamer See, von Karl BoosOstafrika 190 b) Auf Erze 193 9. Protokoll über Versuche mit der Wünschelrute in der Umgebung von Freiberg i. Sa., von F. Schumacher 193 10. Protokoll über Versuche mit der Wünschelrute bei Neustädtel i. Erzgebirge, von Fr. Schulze 198
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c) Auf andere Substanzen, Hohlräume und Tektonik 11. Protokoll Ober Versuche mit der Wünschelrute auf Steinkohlenflöze im südlichen Ruhrbezirk, von P. Kukuk-Bochum und H. Thiel-Sprockhövel IIa. Bemerkungen zum Bericht Kukuk und Thiel, von Dr. K. Oßwald 12. Versuche mit Rutengängern im Kalibergwerk Riedel b. Hänigsen, von P. Behrendt (1911) 13. Protokoll zu Versuchen mit der Wünschelrute auf Braunkohle und Tonvorkommen bei Hintermeilingen b. Limburg, Lahn, von A. Dobbelstein 14. Feststellung geologischer Grenzen mit der Rute, von Dyck 15. Geologische Beobachtungen mit der Wünschelrute, von K. Oßwald 16. Versuche auf Hohlräume in Frankreich 1913, von A. Viré 17. Rutenergebnisse von Dr. Kurt Oßwald am Neubau des Sparund Konsumvereins Zuffenhausen (Bl. Leonberg), von Walter Kranz-Stuttgart 18. Rutenergebnisse von Dr. Kurt Oßwald an der »EngelbergSilberberg-Verwerfung« (Bl. Leonberg), von Walter KranzStuttgart
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III. Zur Psychologie der Wünschelrute 1. Physiologische und psychologische Faktoren 2. Die Suggestivphänomene a) Ihr Wesen b) Ihre Einschränkung und Überwindung c) Rutengängerausbildung d) Rutengängerprüfung
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IV. Zur Physik der Wünschelrute Anhang: Zur Praxis der Wünschelrute Namen- und Sachregister
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Teil I.
Geschichte der Wünschelrute.
Eadem namque subjecti subtilitas et oarietas, quae magnarrt medendi facultatem praebet, sie eliammagnamaberrandi faeäitatem. Francis Bacon.
Kapitel I. Die Wünschelrute in Mythologie und Volksglauben. Wie aus den Kapiteln 2 und 3 dieses Buches im einzelnen zu ersehen sein wird, kannte das Altertum die Wünschelrute nicht. Was uns aus der Antike über Stabwahrsagung und Rhabdomantie — so durch Herodot von den Skythen — überliefert ist, hat mit der Wünschelrute nichts zu tun. Wohl aber führt die Mythologie des Namens uns in alte Zeiten zurück. Der altdeutsche Name wunsciligerta als Attribut Wuotans des Germanengottes ist uns aus dem 11. Jahrhundert überliefert, und zwar setzt Jakob Grimm (1) diesen Begriff mit dem des caduceus, der Zauberrute Merkurs, in nahe Beziehung: »Warum übertrüge schon eine altdeutsche Glosse caduceus durch wunsciligerta, hätte sie nicht den Begriff der zauberkräftigen Rute Merkurs mit jenem Ausdruck am nächsten zu erreichen geglaubt?« Aus diesem und aus anderen Gründen schließt Grimm auf die Identität bzw. Identifizierung Wuotans mit Merkur und führt dazu die Parallele zwischen der Wuotan zugehörigen Wünschelrute und dem Stabe des Merkur weiter: eine Gerte, um welche sich Schlangen winden. Diese Schlangen scheinen aber erst später aus den Zweigen der Olive gebildet, so daß die ältere Qaßdog (Odyssee 24, 2) wahrscheinlich die Zwieselform der Wünschelrute hatte. Der Sinn entspricht nach Grimm ganz dem altgermanischen: heilbringend, Glück und Reichtum schaffend. Die Gabe des irdischen Heils geht auch von dem allwaltenden Wuotan aus. Im Nibelungenliede heißt es bei Beschreibung des Nibelungenhortes : »der wünsch lac dar under, von golde ein rüetelin, der daz het erkunnet, der möhte meister sin wol in al der werlte über islichen man«. »Unter dem Gold und Gestein des Horts lag eine Rute, deren Wunderkraft (wünsch) alles Heil, alle Wonnen enthielt; wer ihren Wert kennt, dem ist Gewalt über alle Menschen verliehen; die Wünschelrute brachte nicht nur Schätze zuwege, sie stärkte und mehrte fortwährend ihren Gehalt.« H a l t z a h n , Handbuch.
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Auch die Dichter des 13. Jahrhunderts bedienten sich des Ausdrucks. Konrad von Würzburg sagt in seinem Epos »Der trojanische Krieg« von Helena: »schoene als eine wünschelgerte kam sie geslichen üfreht«, wie dänische Volkslieder im gleichen Sinne von liljevaand (Lilienstengel) sprechen. Das deutet auf eine schlanke, einfache Gerte, •während Nithart von Reuenthal augenscheinlich der gegabelte Zweig vorschwebt, wenn er einmal sagt: »gespalten nach der wünschelruotenstam«. Auf den Stab Mosis spielt Konrad von Würzburg in seiner »Goldenen Schmiede« an, wenn es heißt: »dü bist diu wünschelgerte, dar mit üz einem steine wazzer wart geslagen . . . « Diese wunsciligerta, das alte Geschenk der Götter, blieb aus der heidnischen Tradition als Requisit uralten Aberglaubens auch nach der Durchdringung Deutschlands durch das Christentum bestehen und verwandelte sich im Volksglauben zu einem Instrumente, das man mit abergläubischen Mitteln zu erlangen und zu abergläubischen Zwecken zu verwenden trachtete. Es bildeten sich allerhand Beschwörungsformeln und -Zeremonien heraus, die beim Schneiden der gegabelten Rute — meist von der Haselstaude — zu beobachten waren. Und derartige Zeremonien waren je nach der Gegend — Tirol, Böhmen, Brandenburg, Lausitz, Harz usw. — verschieden. Derartige Dinge spielten auch in der Praxis der im Bergbau tätigen Rutengänger noch bis ins 17. Jahrhundert eine Rolle, wie wir aus der ausdrücklichen Verwerfung aller abergläubischen Gebräuche durch die Bergbauschriftsteller jener Zeit wissen. Auch andere abergläubische Vorstellungen waren ja damals im Bergbau noch weit verbreitet, wie der Glaube an Berggeister und Bergmännlein usw. (2). Wuttke (3) faßt diese Zeremonien kurz folgendermaßen zusammen: die Wünschelrute muß ein einjähriger gabiiger Zweig von 2—4 Fuß Länge sein, der in der Johannismitternacht oder in der Mittagstunde unter Beschwörungsformeln mit einem neuen, ungebrauchten Messer zu schneiden ist, indem man rückwärts auf den Haselstrauch zugeht, die Rute zwischen den Beinen durchzieht und sie vorn abschneidet. Dem Johannistage werden besondere mystische Kräfte zugeschrieben: da wird auch Nachts das Johanniskraut geschnitten, das gegen Feuer, Gewitter, Hexen und böse Geister schützt. In der Eifel werden Johanniskränze auf die Dächer geworfen, um sie gegen Feuer und Blitz zu feien. Und die Johannisfeuer (Sonnwendfeuer) sind auch ein uralter Brauch. Gryphius spielt 1650 (Leo Armenius IV, 2) auf derartige Gebräuche an, wenn er sagt: »(wo ist) die Ruthe die ich nechst, als zwischen Tag und Nacht die gleiche Sonnen stund, aus vielen Haselsträuchern mit schwerer Müh erkohr«. 2
Eine solche Beschwörungsformel lautet nach J . G. Zeidlers »Pantomysterium«, 1700 (S. 520): »Gott grüße dich, du edles Reis, mit Gott dem Vater such ich dich, mit Gott dem Sohne find ich dich, mit Gott des Heiligen Geistes Kraft breche ich dich. Ich beschwöre dich Rute und Sommerlatte bei der Kraft des Allerhöchsten, daß du mir wollest zeigen, was ich dir gebiete, und solches so gewiß und wahr, so rein und klar, als Maria, die Mutter Gottes eine reine Jungfrau war, da sie unsern Herrn Jesum gebar. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.« Für Zeidler sind diese und Ähnliche Vorschriften Narrenspossen, Aberglaube und »ein verflucht Ding«. »Man mißbrauchet den heiligen Namen Gottes zu Lumpensachen.« Daß diese abergläubischen Praktiken schon sehr alt sind, zeigt eine Beschwörungsformel, die sich in einer dem 15. Jahrhundert entstammenden Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek (Cod. germ. 723) findet, die u. a. ein Arzneibuch des Meister Ortolf enthält. Hierin heißt es in einem (nicht dazugehörigen) Anhang (fol. 306/07): »Item wann du die Ruettn schneiden wilt, so schneid sy am 3. Tag, so der man (Mond) New ist. So gee vor der Sunnen aufganng vnd suech wo du heslen zweil findest, die im Jar gewachsen sein, vnd Gee den Ruckhen gegen den Aufganng der Sunnen vnd nimb yr ain Ruettn in die dein (?) hannd vnd sprich: Mit got dem Vattern hab Ich dich gesuecht, mit got dem Sun hab Ich dich gefunden, mit gott dem heilligen Geist schneid Ich dich ab. Also schneid 3 oder 4 par (a)b, vnd aleweg ain Par als lanng als das annder, vnd schneid auf jedes Holz 3 f In dem namen Gottes Vatters unnd des Suns vnd deB heilligen Geists Amen. Und kher den Stam gegeneinander, vnd sprich: Ich gebeut dir Ruettn vnd Sumer Lattn bey der Krafft gottes Vatters vnnd bey der macht Gottes Sims vnnd bey der Weishait gottes heilligen Geists. Daß du mir zaigest die gannz lautter klar warhait, umb alles das Ich begerennd bin, vnd Dich fragen wird. Ich gebeut dir Ruetten vnd Sumerlatten bey der Krafft des himls vnd bey der macht der Engl und bey den 12 Zaichen des heilligen Khreuzes das du mir weist, naigst vnd zaigst die gannz lautter warhait umb was Ich fragend bin. Ich gebeut dir Ruettn vnd Sumer Latten bey den heilligen drey Khünign, Casparn Balthasarn vnd Melchiorn, Als war Sy der Stern gefürt, vnd geweist hat zu dem warn schaz vnnsers herrn Jesu Christi, als gewißlich naig vnd zaig mir die lautter warheit, darumb Ich dich frag. In dem namen gottes Vatters t Suns f . . . Stoß sy dann in ain Weichprunn in dem Namen so hast du gerechte Ruetten.« J . Klapper (11) fand auch in der Breslauer Universitätsbibliothek in einer handschriftlichen Sammlung von Beschwörungsformeln aus dem 15. Jahrhundert zwei solche für die Wünschelrute (Hs. III. Q. 8). Der Charakter dieser Handschrift weist auf die Zeit vor 1450. Die sehr ausführlichen Texte (fol. 14 und 15) entsprechen im großen und ganzen den 1*
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von uns wiedergegebenen Proben. Klapper teilt als Beispiel dafür, wie zählebig derartige Vorstellungen im Volke sich erhalten, mit, daß im Egerlande (Westböhmen) diese Formeln fast wörtlich noch im Gebrauch sind, wie aus dem Buch von L. John, »Sitte, Brauch und Volksglauben im deutschen Westböhmen«, Prag 1905 (S. 286) zu ersehen ist. Noch eine aus der Zeit um 1700 stammende Handschrift der Bayerischen Staatsbibliothek (Cod. germ. 4421.4°) »De Nigromantia « gibt neben allerhand anderen magischen Rezepten und Vorschriften eine Anleitung, die Wünschelrute zu gewinnen und zu gebrauchen, deren Handhabung an einer blattgroßen Zeichnung erläutert wird. Hier lautet der Text der Formel etwas abweichend (Bl. 8 verso): »Rutten ich suche dich in dem Nahmen Gottes Vatters und des Sohns, und des Heyl. Geistes, und mit der Kraft Gottes und mit dem heyl. Worthe, das Gott gebotten hat auf dem Berg Sinai mit aller Weißheit und Tugent und Kraft. In Nahmen Gottes Vatters suche ich dich Haslzwißling, In den Nahmen Gottes Sohns finde ich dich Haslzweig, In Nahmen Gottes des Heyl. Geistes schneide ich dich ab Haslzweig.« Dann folgt ein dreimaliges Amen und ein vorgeschriebenes Gebet sowie die Beschwörung der Engel Anathaniel und Uriel, nebst weiteren langen Beschwörungen. Hiernach ist die Rutezu schneiden bei Neumond an einem Sonntag, und zwar muß es sein eine »zwisselte Rutten an einer Haselstauden, die ein Jahr gewachsen«. Derartige Dinge wurden wohl geheim gehalten und nur im Vertrauen weiterüberliefert. Darüber weiß u. a. Theodor Kirchmaier (4) im Jahre 1669 in einer Wittenberger Dissertation folgendes zu sagen: »Die Wünschel-Ruthe ist von denen Zauberern hergekommen und wird durch Zauberer fortgepflanzet. Wenn etwas böses einmal eingewurzeltt, so kostet es viel Mühe, ehe es wieder ausgerottet wird. Es finden sich immer Leute die es beybehalten und sich daran belustigen . . . Die WünschelRuthe, welcher sich die Zauberer bedienen Gold-Adern zu suchen, eben als gewisser Zauber-Ringe, Zauber-Spiegel und Cristallen, kan zwar als eine Gabel formiret werden: doch liegt nichts dran, ob sie gerade sey oder eine solche Gestalt habe. Denn die Gestalt der Ruthe machts nicht: sondern die Zauber-Worte, die sie dabey gebrauchen, die ich weder sagen darff, noch sagen will. Die letzten Worte muß man mit Bedacht lesen. Es ist wohl wahr: die Zauberey vermag etwas bey der Sache, aber nicht an und vor sich selbst; sondern sie ladet nur den Satan ein, welcher denn mehr Seelen in seine Stricke zu bringen, seinen Creaturen also fort hülflich Hand leistet, und es unvermerckt dahin bringet, daß dasjenige, das an sich selbst nichts vermochte, dennoch einen Schein hat, als ob es etwas vermöchte. Doch muß man nicht dencken, als ob die Ruthe anders nicht wircken könne, es sey denn das Zauberey mit unter lieffe. Denn es ist nichts ungewöhnliches, daß die Ruthe auch frommen und Gottseligen Menschen schläget, von welchen wir doch keinen Argwohn einiger
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Zauberey haben können und sollen.« Kirchmaier ist also kein Gegner der Wünschelrute, er verwirft nur den abergläubischen Mißbrauch. Ähnlich urteilt der Leipziger Magister Johannes Praetorius in mehreren seiner Schriften (5). Mit Bezug auf das Schätzesuchen meint er 1667: »Ich kan dir das gar wol zugeben, daß die Wündschel-Ruthe natürlicher Weise zum öfftern was richtiges zeiget, und daß es damit für sich keine Gauckeley sey, so fern du nur damit keine Possen machest, närrisch gedenckende, arte naturam juvari: Aber daß du dich bloß auff die Ruthe wie der Blinde auf den Stecken verlassen soltest, das heiß ich dich nicht, du möchtest sonsten noch schlechter zu rechte kommen . . . « Und 1677: »Was auch die Wahltage und Stunden belanget, werden selbige nicht mehr beym Ruthenbrechen geachtet; da vor diesem solches, wenn die Sonne im Löwen, das ist, der Rocken Erndte, und zwar zwischen 2 und 3 Uhr früh, gewesen, hat müssen geschehen. Ja es hat einer, wenn er auf Silber mit solcher Ruthe gehen wollen, müssen der Lunae oder ein Montags Kind seyn, und am Montage in der Lunae Regierstunde, als frühe Morgens zwischen 2 und 3 Uhren, oder Vormittags zwischen 9 und 10 Uhren gebohren seyn. Solche Wahlzeiten wird gar nicht mehr geachtet, sondern man bricht die Ruthen, wenn einem beliebet.« Auch Praetorius mahnt zur Vorsicht: »Wenn sie aber auf Ertzgänge oder etliche hundert Thaler Geld, so in Kriegsläuften vergraben, schlagen soll, schlägt sie, wie die Erfahrung lehret, nicht 10, nicht 20, sondern wohl lOOmahl fehl.« Im Volksglauben haben sich jedoch die erwähnten Zeremonien noch bis in unsere Zeit erhalten und werden, wie wir sehen werden, im Geheimen auch noch angewandt. Was wir in Dänemark, Schweden und in der Schweiz an ähnlichen Gebräuchen antreffen, ist offenbar deutschen Ursprungs und weist große Ähnlichkeit mit den erwähnten Beschwörungsformeln und Vorschriften auf. Theodor Besterman (6) hat in einer literarisch reich belegten Arbeit viel einschlägiges Material gesammelt. Er gibt auch manche Schatzgräbergeschichte wieder, bei der neben der Wünschelrute auch teuflische Mächte eine Rolle spielen. J. Mussäus (7) weiß 1840 von einer ganzen Schatzgräberbande zu berichten und hat von einem der Mitglieder das magische System mitgeteilt erhalten, das offenbar aus einem älteren magischen Werk stammt. Derartige Gesellschaften scheint es auch anderwärts gegeben zu haben. H. v. Wlislocki (8) weiß von einer solchen in Ungarn zu berichten, mit der er 1890 Fühlung gewann. Er teilt den Wortlaut eines Gebetes mit, einer Anrufung des heiligen Christoph, das bei Gelegenheit des Schneidens der Wünschelrute gesprochen werden mußte. Bei den Magyaren erscheint der ganze Vorgang noch mit allerhand weiteren abergläubischen Elementen verquickt, von denen uns Wlislocki Interessantes zu erzählen weiß, da er im Jahre 1883 das ganze verwickelte Zauberritual bei einer alten Frau, der Witwe Török in Kronstadt, mit erleben konnte. Wenn jemand einen Schatz
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finden will, so opfert er am letzten Tage des Jahres, an welchem er fasten muß, eine schwarze Henne und begibt sich zu einer Haselstaude. Dort begräbt er die Henne in die Erde, wirft die Federn weg und hängt die Knochen an den Strauch, von welchem er die Rute schneidet. Die Rute muß mit geschlossenen Augen mit einem einzigen Schnitt vom Strauche abgetrennt werden, während zugleich ein Gebet gesprochen wird. Dann muß der Schatzsucher auf dem linken Bein dreimal um den Strauch herumhüpfen und das Gebet dabei wiederholen. Nun kann er die Haselrute nach Hause tragen, wo er sie weiterhin für den gewünschten Zweck präparieren muß. Vor Sonnenaufgang am Neujahrstage muß er den Gabelzweig schälen und ihn mit Blut aus seinem linken Arm und dem linken Bein befeuchten. Vorher muß er die abgeschälte Rinde zu Asche verbrennen, und diese Asche muß dann von einem unschuldigen Mädchen in ungesäuertes Brot eingemengt werden, das der Schatzsucher als erste Speise nach dem Fasttag zu sich nimmt. Dazu gab Frau Török Wlislocki die folgende Erklärung: »Ich gebe mein Blut der Rute; sie gibt mir ihre Rinde, die ich verzehre; dadurch werden wir miteinander verbunden, gleichsam getraut, und im Falle die Zeit gekommen ist, wo meine Kraft zum Ausbruch gelangt, so muß mir die Rute genau den Punkt zeigen, wo der Schatz sich befindet, den ich zu heben berufen bin.« Das Gebet, das die Frau dabei sprach, lautet: »Heiliger Christoph, erhöre mein Flehen! Sieben Schlangen haben die bösen Geister in meinen Leib geschickt, damit sie mir den Verstand nehmen, damit sie mir die Kraft benehmen, damit sie mein Herz verzehren. Gütiger Christoph, zerschmettere mit deinem goldenen Hammer die Köpfe dieser Schlangen; gebiete ihnen durch diese Schlangenkrone Ruhe 1 Treu gedenke ich deiner jeden Tag, zu jeder Stunde, damit der Funken deiner Kraft, der in mir ist, nicht erlischt, sondern einmal zu einem goldenen Feuer wird, zu einem diamantenen Feuer wird, zu einem Karfunkelfeuer wird, das uns in der Brautnacht leuchten sollt Hilf mir, heiliger Christoph, mit der Macht des Hammers 1 Amen!« Dabei küßt Frau Török ein in ihrem Besitz befindliches »Schlangenkrönchen«: ein rautenähnliches unentwickeltes Tierzähnchen, wie es in Ungarn zu den Zauberrequisiten der Schatzgräber gehört. Ebenso sind in Deutsch-Böhmen ähnliche Gebräuche aus alter Zeit her lebendig geblieben, von denen Michael Urban (9) im Jahre 1902 interessante Kunde gegeben hat. Urban teilt uns Aufzeichnungen des Schmieds Heini in Waschagrün bei Plan mit, die augenscheinlich auch auf alte Überlieferung zurückgehen. Von den magischen Vorkehrungen gegen die Anfechtungen des Teufels oder anderer dämonischer Hüter des Schatzes, die diesen »verziehen«, d. h. verschwinden lassen können, wenn nicht alle Einzelheiten der Beschwörung sorgfältig beachtet werden, wollen wir hier nicht weiter reden. Die Zeremonien beim Schneiden der Wünschelrute sind bei Heini ganz ähnlich denen, die wir bereits 6
kennengelernt haben. Aber auch »künstliche« Wünschelruten müssen mit besonderen Beschwörungsformeln und Gebeten präpariert werden, ehe sie für den gewünschten magischen Zweck tauglich werden. Aus den: Heinischen Aufzeichnungen teilt uns Urban darüber folgendes mit: »Mein Freund, wann Du eine Messing- oder Fischbein- oder eine andere Ruthen machen willst, so mußt Du, wenn Du sie kaufen gehst, still schweigend gehen und darfst beim Kaufen nicht handeln; wie sie geboten wird, mußt Du sie nehmen und stille dabei sagen: Ich kaufe dich im Namen Gott des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amenl Daß du mir gehorsam seiest und mir anzeigest, um was ich dich ferner fragen werde im Namen Gottes Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen! — Diese Ruthe mußt Du aber machen an Maria Lichtmeß, Maria Himmelfahrt, Johann und Paul, Weihnachts unter der Metten, am Palmsonntage und Charfreitage unter der Mette, in der Osternacht um 12 Uhr. Diese Ruthen sind die besten, zu denen man Bagt: ,Du Ruthe, ich mache dich im Namen Gott des Vaters, Gott des Sohnes und Gott des heiligen Geistes amen, daß du mir anzeigest, um was ich dich fragen werde und mir gehorsam seiest, wo Gold, Silber oder Edelstein vergraben oder im Meere versenkt lieget, oder wie tief es in der Erde liegt und wie weit in der Runde. Ich beschwöre dich, daß du mir anzeigest, so wahr, als Gott Himmel und auch Erden aus nichts erschaffen hat und so wahr, als Maria nur einen Sohn geboren hat, so wahr, als Jesus Christus für uns am Kreuze gestorben und uns mit seinem Blute erlöset hat, so wahr, als Johannes Jesum im Flusse Jordan getaufet hat, daß du mir anzeigest, um was ich dich fragen werde; du Ruthe, ich beschwöre dich, daß du mir pünktlich anzeigst, wo Schätze in Mauern oder in der Erde vergraben liegen, so wahr, als Gott Sonne und Mond und alles, was auf Erden ist, erschaffen hat, daß du mir die rechte Wahrheit anzeigest.' Ist die Ruthe angefertigt, so besprenge man sie mit Weihwasser und spreche: ,Ich taufe dich du Petrus- (oder Johannes-)Ruthe im Namen Gott des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes 1 Ich taufe dich, wie Johannes Jesum im Flusse Jordan getauft hat und so wahr, als die hl. Märtyrer für den Glauben gestorben sind und so wahr, als die Grashalme von Gott gemacht werden, daß du mir anzeigest, wo etwas vergraben oder vermauert ist; wo etwas ist, daß du vorwärts gehst und wo nichts ist, daß du stille stehest, wie Jesus bei seiner Geißelung stille gestanden ist; du Petrus-( Johannes-)Ruthe, ich beschwöre dich noch mal im Namen Gott des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes, daß du mir die rechte Wahrheit anzeigest, so wahr als Maria Jesum am Altare geopfert hat f 11-' Ehe du die Ruthe in die Arbeit stellst, spreche zu ihr: ,Du Petrus(Johannes-)Ruthe, ich beschwöre dich im Namen der heil, unzertheilten Dreieinigkeit und der unsterblichen Gottheit, daß du mir anzeigest, auf welchem Orte er vergraben liegt, wieweit in der Runde, wie tief! — Ich 7
beschwöre dich im Namen Jesus von Nazareth, ein König der Juden, daß dich die bösen Geister nicht lenken können, zeige mir die reinste Wahrheit. Im Namen Gott des Vaters, des Sohnes und des hl. Geistes, Amen!« Wunschspiegel und Zauberwurzeln spielen in Westböhmen fast die gleiche Rolle wie die Wünschelrute und werden gleichfalls mit magischen Hilfsmitteln gewonnen. Weitere Belege für diese und ähnliche Gebräuche, auf die wir nicht weiter einzugehen brauchen, finden sich bei Besterman (a. a. O.), bei K. Heckscher (10) und J. Klapper (11). Es ist eigentlich merkwürdig, daß abergläubische Elemente in der Praxis der Rutengänger, obwohl sie keine »Schatzgräber« mehr sind, im allgemeinen schon seit langer Zeit keinen Platz mehr finden, da doch sonst tausende von abergläubischen Relikten — beginnend mit dem dreimaligen Klopfen auf Holz (Tischplatte) und dem Ausruf »unberufen 1« bis zur »Mascotte« des Autofahrers — das Tun des modernen Kulturmenschen noch weithin durchsetzen, auch wenn diese sonst gar nicht mystisch eingestellt sind. Dafür haben viele Rutengänger ihre eigenen Geheimnisse, etwa eine geheimgehaltene Legierung des Rutenmaterials oder den ebenso okkulten Inhalt einer Pendelkapsel, die auf die verschiedenen Suchobjekte »abgestimmt« sein soll. Das entspricht ebenso wie manche kurios anmutende Verfahren irgendwelchen verschwommenen theoretischen Ideen, die den betreffenden Rutenmann beherrschen und möglicherweise als Reminiszenz an die alte »Sympathie« zwischen Rutenmaterial und Suchobjekt zu deuten sind. Von irgendeiner Bedeutung, es sei denn der einer autosuggestiven Stärkung der Überzeugung des Rutengängers von seiner speziellen Befähigung, kann das alles nicht sein. Wir wollen uns hier an ein Wort des New Yorker Hydrologen A. Vischer (12) halten, das wir grundsätzlich anerkennen: »Um die Wirkung des Vorgangs zu erfassen, muß man mehr auf die Ursache als auf die Wirkung — auf das Noumenon lieber als auf das Phänomenon — merken und darf sich nicht durch die Vielfältigkeit der von einzelnen Rutengängern vorgeführten Formen, Methoden und persönlichen Idiosynkrasien auf Nebenpfade verlocken lassen.« K a p i t e l II.
Die Wünschelrute im Bergbau. 1. Rückblick auf die Geschieht« des Bergbaues. Ehe wir auf die Wünschelrute als Hilfsmittel des Bergmanns zur Auffindung von Erzgängen usw. eingehen, wollen wir kurz einen Blick auf die Entwicklung der bergbaulichen Tätigkeit des Menschen werfen.
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Bekanntlich teilt die vorgeschichtliche Forschung auf Grund archäologischer Funde die Urgeschichte der Menschheit in zwei große Abschnitte ein: in die sehr lange Steinzeit, die. wiederum in die ältere (Paläolithikum) und in die davon durch die Artefakte deutlich unterschiedene jüngere Steinzeit (Neolithikum) gegliedert wird, und die Metallzeit. Durch Jahrhunderttausende war der Feuerstein das einzige Mineral, das der Mensch für seine Zwecke, für Werkzeuge, Geräte und Waffen, zu benutzen und zu verarbeiten verstand. Wir können von den umstrittenen »Eolithen« bis zu den kunstvoll.geschliffenen Steingeräten des spät- und nacheiszeitlichen Menschen in Europa eine ständig zunehmende Verbesserung und Verfeinerung in Form und Technik feststellen. Zum Stein trat dann insbesondere Horn und Bein als Werkstoff hinzu. Während der urtümliche Diluvialmensch vom Neandertal-Typus das Material an Flint nur an der Oberfläche des Erdbodens, im Geröll und Geschiebe auflas, wo er es gerade fand, hat es der Mensch der nacheiszeitlichen mittleren Steinzeit (im sogenannten Campignien) bereits gelernt, die ihm so wichtigen unverwitterten Feuersteinknollen in regelrechtem Bergbau aufzusuchen (1): er grub sich zunächst in bis 17 m tiefen trichterförmigen Schächten in die Kreideschichten hinab, die das wertvolle Material bargen, und baute dieses dann teils in Weiterungsbauten, teils durch einen verzweigten Pfeilerabbau ab. Wir kennen zahlreiche Spuren dieser frühesten bergbaulichen Tätigkeit des Menschen, die bis ca. 12000 v. Chr. zurückreicht: in Frankreich sind 10, in Belgien 5, in Deutschland 3 derartige Plätze bekannt. In der jüngeren Steinzeit (ca. 5000—2700 v. Chr.) setzte sich diese Feuersteingewinnung noch eine Zeit lang fort, dann aber traten andere Werkstoffe, wie Horn und Bein, mehr in den Vordergrund. Das Gold war dem Menschen bereits gegen Ende der Steinzeit bekannt. Es wurde vornehmlich in goldführenden Flußkiesen und -sanden im sogenannten Seifenbergbau, also aus sekundärer Lagerstätte, gewonnen (Goldwäsche: daher das »goldene Vließ«) und zu Schmuck verarbeitet. Jener langen Epoche, in welcher der Mensch noch keine Nutzmetalle kannte, folgte die Metallzeit. Und zwar hat die prähistorische Archäologie mit Sicherheit festgestellt, daß auf eine relativ kurze reine Kupferzeit die Bronzeperiode, und auf diese die Eisenzeit folgte. Der Beginn dieser Perioden hat selbstverständlich nicht überall gleichzeitig eingesetzt. Wir können es vielmehr als gesicherte Tatsache buchen, daß die neue Errungenschaft, Werkzeuge und Waffen aus Metall herzustellen, aus dem vorderen Orient langsam bis nach Mitteleuropa vorgedrungen ist. Hier stoßen wir nun gleich auf die alte Streitfrage, welches das älteste Nutzmetall des Menschen gewesen sei, das Kupfer oder das Eisen. Die Techniker haben sich nämlich, im Gegensatz zu den Prähistorikern, aus metallurgischen Gründen bis vor kurzem noch für das Eisen eingesetzt (2).
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Um Schmiedeeisen zu gewinnen, braucht das Eisenerz nicht bis zum Schmelzpunkt des Eisens (ca. 1200°) erhitzt zu werden, wie das beim Kupfer erforderlich ist. Abgesehen von der größeren Sicherheit des Archäologen und Vorgeschichtsforschers in der Altersbestimmung der Fundobjekte kann demgegenüber darauf hingewiesen werden, daß der vorgeschichtliche Mensch auf das Kupfer, das auch gediegen vorkommt, schon durch die größere Augenfälligkeit der glänzenden und buntschillernden Kupfererze (Malachit, Kupferlasur usw.) auf dieses Mineral eher aufmerksam werden konnte als auf das Eisen, welches nur in Oxyden und in anderen Zersetzungs- und Umwandlungsprodukten auftritt. Es bedurfte wohl noch eines weiteren Kulturfortschrittes, ehe der Mensch es lernte, eisenerzführende Schichten (und noch später erst Gänge) zu erkennen und für sich nutzbar zu machen, obwohl die technisch-metallurgischen Vorbedingungen dazu schon zur Kupferzeit gegeben sein mußten. Gelegentlich verarbeitete er wohl schon sehr früh Meteoreisenfunde — die einzige Form, in der Eisen gediegen vorkommt — wie die Reste eines in Rost zerfallenen Eisenfundes von C. L. Woolley in einem sumerischen Grabe zu Ur in Mesopotamien aus der Zeit um 3100 v. Chr. bezeugen, die durch Analyse als Meteoreisen erwiesen sind. Das Kupfer hingegen war z. B. in Ägypten schon vor Beginn des Alten Reiches (um 3300 v. Chr.) der übliche Werkstoff (3). Die erste Kupfergewinnung im Gangbergbau ist im östlichen Mittelmeergebiet erfolgt. Uralt ist der Kupferbergbau auf Cypern (daher der Name); in Ägypten wurde um 2700 Kupfer im Wadi Megarha gewonnen, ebenso auf der Sinaihalbinsel. Assyrischer Gangbergbau auf Kupfererze ist im heutigen Armenien für die Zeit um 2000 erwiesen. Älter noch dürfte der Kupferbergbau im alten Spanien bei Oviedo (Asturien) sein, wo man steinzeitliche Gezähe und wohl die ältesten Spuren einer noch Jahrtausende später geübten Methode, das Gebirge mürbe zu machen, fand: des Feuersetzens. Nicht so sicher ist das gleiche Alter für die Kupfergewinnung im Grubenbau am Mitterberg bei Salzburg und im benachbarten Alpengebiet erweisbar, über die wir recht genau unterrichtet sind (4). Eine zweite noch nicht ganz geklärte Frage ist die der Erfindung jener Legierung von Kupfer und Zinn, die man Bronze nennt. Monteliua meint zwar mit Recht, diese Erfindung könne nur in einem Lande gemacht worden sein, wo beide Erze vorkommen. Das ist nur in England (in Cornwall) und in Spanien der Fall. Trotzdem verlegt er die Erfindung in den vorderen Orient in die Zeit kurz vor 2500 v. Chr. unter Berufung auf eine angeblich aus dieser Zeit stammende Bronzestatue (5). H. Quirings Annahme (a. a. O., s. Anmerkung 1), daß der Kupferbergbau vor 2100 von Spanien nach Britannien übertragen wurde, wo die zinnhaltigen Kupfererze sich als leichter schmelzbar erwiesen und das Produkt härter war als reines Kupfer, und daß auf diese Weise — zufällig — die 10
wertvolle Kupfer-Zinn-Legierung entdeckt wurde, erscheint ungezwungener. Freilich bedurfte es noch weiterer praktischer Erprobung, bis man das günstigste, das »klassische « Verhältnis der Zinnbeimischung herausfand, nämlich 10%. Aber den großen Fortschritt erkannte man schnell, und die Zinnvorkommen in Cornwall wurden alsbald in großem Maßstabe ausgebeutet. Das Zinn fand weit schneller seinen Weg zu den großen Kulturzentren der damaligen Welt, als seinerzeit das Kupfer auf seinem Zuge nach dem Norden: die Bewohner jener Stadt an der Mündung des Guadalquivir, die später unter dem Namen Tartessos als Handelsstadt zu hoher Blüte gedieh, beherrschten um 2000 v. Chr. die ozeanischen Gewässer Südwest- und West-Europas und machten ihre Stadt zum Umschlagplatz für den Zinnhandel mit den Völkern des Mittelmeeres. Im Mittelmeere selbst lag die Seeherrschaft damals in den Händen der Kreter, die dann den weiteren Verkehr vermittelten. Später übernahmen die Phönizier diese Aufgabe (6). Die britischen »Zinninseln« blieben lange Zeit die Hauptversorger der Welt mit Zinn. In Ägypten wurde die Bronze in der 12. Dynastie (um 2000 v. Chr.) bekannt, doch ist die dort gefundene Bronze aus jener Frühzeit noch auffallend zinnarm. Von Kreta gilt das gleiche. In Mitteleuropa nahm die bergmännische Kupfergewinnung durch die Kelten einen großen Aufschwung, die im Laufe des zweiten vorchristlichen Jahrtausends nach demWesten und Süden Deutschlands vordrangen und alsbald nach der Konsolidierung ihrer Herrschaft eine rege Schürftätigkeit auf Bodenschätze, insbesondere auf Kupfer, begannen. Und zwar waren es zunächst fremde Bergleute aus Ländern mit alter bergmännischer Tradition, aus Spanien oder Cornwall, die nach Quiring von den keltischen Fürsten herbeigerufen, um 1300 v. Chr. truppweise in den deutschen Wäldern und Bergen schürften. Sie brachten nicht nur ihre Kunst, sondern auch ihre bergrechtlichen Gebräuche mit. Der bronzezeitliche Bergbau im keltischen Deutschland erstreckte sich insbesondere auf Kupfer, Zinn (Fichtelgebirge, Erzgebirge) und Salz. Über den bereits erwähnten Kupferbergbau am Mitterberg bei Bischofshofen (7) z. B. sind wir sehr genau unterrichtet. Aus zahlreichen Spuren — Trichterpingen usw. —wissen wir, daß der Bergmann damals auf steil einfallenden Erzgängen bis zu 20 m Teufe vom Ausgehenden aus tonnlägig niedergegangen ist und das gewonnene Erz an Ort und Stelle verarbeitet hat, wie Funde von Schmelztiegeln, Gußlöffeln usw. erweisen. Ein interessantes Detail geben wir nach Franz (a. a. O., s. Anmerkung 4) wieder, weil es zeigt, daß der bronzezeitliche Bergmann keine anderen Mittel kannte, um Erzgängen nachzuspüren, als der spätere. Auf der Wasserscheide zwischen Mühlbach und Gainfeldbach im Salzburgischen »gingen die Bergleute einem erzführenden Gange nach, dessen Mächtigkeit etwa 1,50 m betragen hat. Seinen Verlauf bezeichnet der erwähnte Pingenzug. Die Bergmänner scheinen den Gang einmal verloren zu haben, weil er 11
sich aus der Richtung, in der sie vortrieben, gabelte 1 ). Sie haben ihn durch unregelmäßig verteilte Pingen sowie durch einen querlaufenden Versuchsgraben, der auf ungefähr 140 m Länge noch erkennbar ist, wieder gesucht. Die erste Entdeckung des Erzganges, die dann seine Ausbeutung nach sich zog, erfolgte wohl am Gainfeldbach, wo das Erzgestein zutage tritt.« Die Aufgabe, durch Verwerfungen usw. verschobene und abgerissene Erzgänge wiederzufinden, ist ja heute ein dankbares Objekt für den Rutengänger. Die gleichen bereits relativ gut entwickelten Methoden des Grubenbaues wandten die alten keltischen Bergleute auch im Salzbergbau an, wovon derjenige bei Hallstatt ein berühmtes Beispiel ist (8), der um 1200 v. Chr. frühestens begann und bis zur Zeit der Völkerwanderung andauerte. Die Bronzezeit, die in Europa bis ca. 1000 v. Chr. reicht, wurde im Bereiche des Mittelmeerbeckens nach 1400 v. Chr. allmählich von der Eisenzeit abgelöst; die Kenntnis des Eisens verbreitete sich von Vorderasien, wo die Hettiter im 13. Jahrhundert bereits über eine blühende Eisenindustrie verfügten, nach Afrika und Europa. Die frühesten sicheren Funde an Eisenwaffen kennen wir im vorderen Orient und im ägäischen Kulturkreise erst aus dem Ende der mykenischen Periode, in Mitteleuropa aus der Latene-Zeit oder vielleicht schon aus der späteren Hallstattperiode (ca. 800—700) — hier »Frischluppen« in Form von Barren (9). Eisenerze kommen in bedeutenden Mengen als Brauneisenstein, Roteisenstein usw. nahe der Erdoberfläche vor, und deren Gewinnung im Tagebau sowie Verarbeitung in sogenannten Rennöfen boten keine besonderen Schwierigkeiten. Freilich gewann das Eisen als Nutzmetall erst dann seine volle Bedeutung, als man es so zu härten lernte, daß es gegenüber der Bronze Vorteile bot. Zunächst brachte das weiche Schmiedeeisen keinen qualitativen Fortschritt. Der Schritt von der Bronze zum Eisen war aber insofern besonders wichtig, weil man dadurch von den wenig zahlreichen Kupfer- und Zinnvorkommen unabhängig wurde. Man bedurfte zur Herstellung von Schweißeisen — Gußeisen kannte das ganze Altertum noch nicht — keiner höheren Hitzegrade als beim Bronzeguß: man erhielt bei einem Holzkohlenfeuer und künstlichem Wind leicht 1000—1200°, um schmiedeeiserne »Rennluppen « zu gewinnen, die durch Hämmern und Zängen von den Schlacken befreit und ausgeschmiedet wurden. Man lernte schnell die oberflächliche Härtung mittels Nachglühen unter Kohle und Abschrecken im kalten Wasser. So ergab z. B. die metallographische Untersuchung zweier Eisenmesser aus der Zeit um 1200 v. Chr., die man in Ägypten fand — wohl hettitischer Import —, noch keine eigentliche Härtung, jedoch Spuren von Zementation (Aufkohlung an den Schneiden) (10). *) Gemeint ist wohl: an einer Verwerfung resp. einer anderen tektonischen Fläche absetzte.
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Besonders geeignet für die Gewinnung eines harten Eisens erwiesen sich Lagerstätten, deren Erze arm waren an Phosphor, Schwefel und Arsen, sich dagegen durch Manganreichtum auszeichneten. Die Eignung bestimmter Erzsorten zur Herstellung von Stahl scheint bereits vor 500 v. Chr. den Kelten bekannt geworden zu sein. Um diese Zeit scheinen sie schon die manganreichen Eisenerze des Erzberges in Kärnten ausgebeutet und zu Stahl verarbeitet zu haben: das ist der berühmte »norische Stahl«, der seit 400 v. Chr. in Rom besonders geschätzt war und u. a. von Horaz und Ovid gepriesen worden ist. Um die gleiche Zeit zogen die Kelten auch in das bis dahin unbesiedelte Siegerland und erschlossen sich damit eine neue Rohstoffbasis, die ebenfalls manganreiches Erz in reichstem Maße bot. Das Siegerland wurde zum bedeutendsten Eisenerzgebiet Europas; es ist »der einzige Eisenerzbezirk der Erde, dessen Erze einen Bergbau über 1000 m Tiefe gestattet haben und dessen bergmännische Tradition seit 2400 Jahren ununterbrochen ist«, sagt Quiring (a. a. O., S. B 241), dessen aufschlußreichen Darlegungen wir weitgehend folgen. Die Kelten sicherten das Gebiet durch zahlreiche Schutzburgen, konnten aber nicht hindern, daß die vordringenden Germanen etwa im Jahre 390 v. Chr. das Siegerland eroberten. Mit diesem Ereignis hängt wahrscheinlich der schnelle Rückzug des Keltenkönigs Brennus aus Mittelitalien im Jahre 389 zusammen. Mit der Eroberung des Siegerlandes durch die Germanen beginnt die Geschichte des deutschen Berg- und Hüttenwesens. Zunächst führten die neuen Herren des Landes, die selbst im Bergbau unerfahren waren, die keltische Tradition fort: sie beschäftigten die alteingesessenen keltischen Bergleute und Schmiede weiter, wovon als dunkle Erinnerung die Sage von Wieland dem Schmied noch Zeugnis gibt. Südlich der Donau, am Oberrhein, in Gallien und Britannien wurde die Keltenherrschaft von den Römern gebrochen, die ihrerseits den keltischen Bergbau fortführten und am Rhein die Lager an Brauneisenstein, Bleiglanz, Kupfererzen und Galmei ausbeuteten. Hier wirkten sie dann 200 Jahre lang. Psychologisch interessant und für den inneren Zerfall des römischen Kaiserreiches bedeutsam ist die Tatsache, daß die Römer um 300 den Bergbau in Noricum, das sie im Jahre 16 v. Chr. nach langwierigen Kriegen erobert hatten, ebenso wie den in Spanien aufgaben, lange bevor die Goten und Vandalen ins Römerreich einbrachen. Rechts des Rheins erfuhren germanischer Bergbau und Metallgewinnung während der Latöne- und der Römerzeit keinen Fortschritt wegen der starken Verschiebungen der Germanenstämme. Im Siegerlande lag die Kunst nach wie vor in den Händen keltischer Schmiede, wovon z. B. die ausgezeichnete Bewaffnung der Franken Zeugnis ablegt. Die römische Kultur in den Rheingegenden blieb ohne Einfluß und Nachwirkung; es ist ein Rückgang der technischen Kultur zu verzeichnen. Nur im Kernlande der Franken, das von den Wirren der Völkerwanderung 13
nicht berührt wurde, konnte sich, auf keltischer Überlieferung aufbauend, die bodenständige Bergwerkskunst halten und weiter entwickeln, in der wir den Keim der späteren Blüte des deutschen Bergbaus im Harz, im Erzgebirge und in Böhmen zu erblicken haben. Nur im Siegerlande blieb die bergmännische Tradition lückenlos bestehen. So ist z. B. der Speer Karls des Großen, der in Wien bewahrt wird, aus Siegerländer Stahl geschmiedet. Nach Abschluß des Sachsenkrieges beginnt man überall im Frankenlande die seit der Römerzeit still liegenden Gruben teilweise wieder aufzumachen. Für 795 ist beispielsweise der Abbau des Eisenerzvorkommens von Erzbach im Odenwalde urkundlich bezeugt. In des Mönchs Otfried von Weißenberg Evangelienharmonie (um 870) findet sich ein »Loblied auf die Franken«, in welchem erwähnt ist, daß in Franken Eisenstein, Erze (Bleierze), Kupfer, Silber und Gold gewonnen wurde. Aus jener Zeit fließen aber die urkundlichen Quellen noch so spärlich, daß man nur ganz wenige sichere Anhaltspunkte gewinnen kann. Immerhin darf man wohl mit Quiring die Frage nach der Wiege des deutschen Bergbaus dahin beantworten, daß diese im Siegerlande lag. Zugleich wird die alte Streitfrage (11), was das für »fränkische« Bergleute gewesen sein mögen, die nach alter Überlieferung den Bergbau in Mitteldeutschland ins Leben riefen, befriedigend erledigt: es waren Siegerländer Bergleute, die im Mittelalter ihre Kunst dorthin trugen und darüber hinaus nach Böhmen. Nach Müller-Erzbach (12) gehen die Nachrichten über den Eisenbergbau im Lahngebiet und in Kandern, dem späteren Hauptsitz der Markgräfler Eisenindustrie, bis ins 8. Jahrhundert zurück. Die erste verläßliche Kunde über die Aufnahme des steirischen Eisenbergbaus stammt aus dem Jahre 931; in Bayern ist der älteste Bergbau in Amberg bezeugt (930). 970 beginnt der Silberbergbau am Rammeisberge bei Goslar, 1170 beginnt der Freiberger, 1190 der Mansfelder, um 1200 der Oberharzer Bergbau. Nicht viel jünger ist der Silberbergbau zu Iglau in Mähren. Im sächsischen Erzgebirge entfaltete sich deutscher Bergbau und Hüttenwesen in den folgenden Jahrhunderten zu hpchster Blüte und wurde maßgebend für die Bergbau- und Hüttentechnik der ganzen Welt. »Der Ruf der Kunstfertigkeit des deutschen Knappen war im Mittelalter ein so großer, daß sich auch ausländische Regenten um die Anwerbung dieser Kulturpioniere bemühten«, sagt Otto Hue (13). »1452 zog König Heinrich VI. Bergleute aus Sachsen, Böhmen, Österreich-Ungarn nach England, gewährte ihnen die herkömmlichen Bergfreiheiten nach deutschem Gewohnheitsrecht. 1413, 1455 und 1467 erließen französische Könige ,Patente', in denen Bergleuten aus Deutschland, dem heutigen Belgien (Lüttich) und Spanien ähnliche Vorrechte eingeräumt wurden. Die wandernden Bergleute nahmen also ihr Recht mit. Dadurch ist deutscher Bergwerksgebrauch auch außerhalb der deutschen Reichsgrenzen heimisch geworden.«
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Wie hoch entwickelt die deutsche bergmännische Technik bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts war, als Renaissance und Humanismus blühten, bezeugt insbesondere das monumentale Werk »De re metallica« (1556) des Joachimsthaler Bergarztes Georg Agricola (14), des »Vaters des Bergbaus«, welches noch für die beiden folgenden Jahrhunderte als Lehrbuch im wesentlichen bestimmend und unübertroffen blieb. Ob in England der Bergbau nach Abzug der Römer erlag oder wenigstens in geringem Maße weiter betrieben wurde, läßt sich mangels sicherer Unterlagen nicht entscheiden. Auf jeden Fall kann er im Mittelalter nicht eben bedeutend gewesen sein. Der früheste Gangbergbau auf Zinn ist urkundlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts bezeugt (15). Erst Königin Elisabeth (1558—1603) belebte von 1564 an den Bergbau durch Heranziehung deutscher Bergleute (16), von denen uns eine Anzahl Namen überliefert sind, und die, mit besonderen Privilegien ausgestattet, ihre Fachkenntnisse in den Dienst der englischen Grubenbesitzer stellten. James I. setzte diese Politik seiner Vorgängerin fort, und der britische Feldherr Prinz Rupprecht von der Pfalz, der für technische Dinge ein reges Interesse hatte, beschäftigte in seinen Kupferminen ebenfalls mit Vorliebe deutsche Bergleute und führte um 1670 dort die 1613 im Harz erfundene Sprengarbeit im Bergbau ein. 2. Die Wünschelrute im'Bergbau. Wir sind nun in der Zeit angelangt, in welcher das Wünschelrutenverfahren in Deutschland im Bergbau üblich war. Wann und wie es dazu kam, wissen wir nicht. Wir haben im vorhergehenden Kapitel gesehen, daß die Wünschelrute der altdeutschen Legende entstammt. Man darf wohl annehmen, daß dieses Mittel, »Schätzet zu heben, schon ziemlich früh auf das Auffinden von Bodenschätzen übertragen wurde. Ehe wir weitergehen, müssen wir uns über ein paar Voraussetzungen verständigen, die wir bei der Beurteilung der älteren Literatur über die Wünschelrute nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Einmal dürfen wir keine Beweise für die Brauchbarkeit des Wünschelrutenverfahrens erwarten. Noch heute wird ja vieles als Erfolg der Wünschelrute an die große Glocke gehängt, was man bei wissenschaftlicher Analyse nicht als solchen gelten lassen kann. Wir müssen in Rücksicht ziehen, daß die Wissenschaften sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts vom scholastischdogmatischen Denken zu befreien begannen; daß erst um die Mitte des 17. Jahrhunderts Männer wie Otto von Guericke, Torricelli und Robert Boyle die Physik zu einer Experimentalwissenschaft erhoben; daß mannigfache abergläubische Vorstellungen in jener Zeit, da man noch gern Hexen und Zauberer dem Flammentode überlieferte, nicht nur im Volk gang und gäbe waren, sondern auch in den Köpfen der Herren Gelehrten spukten. Mancher Gelehrte verurteilte die Wünschelrute, weil er dahinter das Werk des Teufels vermutete. Agricola hielt nicht viel 15
von der Wünschelrute, allein er glaubte noch an die Berggeister, die den Bergknappen foppten (17). Auch die Männer der Praxis, die Techniker, waren durchaus nicht frei von altüberkommenen magischen Anschauungen (18), wie wir sie z. B. bei Paracelsus finden, der die Wünschelrute ebenfalls zu den unsicheren Künsten rechnete. Gerade bei den Metalltechnikern, den Schmieden usw., läßt sich das nachweisen in den oft recht merkwürdig anmutenden Mitteln der Eisenhärtung, die zweifellos uralt sind und mit der alchemistischen Mystik verwandte Gedanken verraten. Die großen philosophischen Systeme des 17. Jahrhunderts, denen die Zurückführung aller Erscheinungen auf ihre natürlichen Ursachen als Prinzip zugrundelag, haben dem Zeitalter der Aufklärung vorgearbeitet und den Boden bereitet, auf welchem im 18. Jahrhundert die Wissenschaften sich zu selbständigen Disziplinen, zur Unabhängigkeit von abergläubischen Vorstellungen und dogmatischem Zwange entwickeln konnten. In dem Augenblicke, wo die Wünschelrute nur mehr als ein Rest mittelalterlich-magischen Denkens, als reiner Aberglaube empfunden wurde, beginnt sie aus der Praxis des Bergbaus zu verschwinden. Ob die Wünschelrute in der Hand des Bergmanns in früheren Zeiten wirklich zur Auffindung neuer ergiebiger Erzvorkommen geführt hat, wissen wir nicht. Zwar behauptet das der Geologe Gäbert für das sächsische Erzgebirge (19): »Anfangs durch mehr zufällige Funde auf den Reichtum an edlen Metallen hingewiesen . . . , wurden bald darauf durch Schürfarbeit und durch die allenthalben herumschweifenden Rutengänger mit ihrer Wünschel- oder Wichelrute ( = Wahrsagerute) — und zwar einer Haselrute für Silber, einer eichenen für Kupfer, einem Tannenreis für Zinn und Blei — hunderte von neuen Fundstellen erschlossen.« Aber auch wenn solches, soweit es die Rutengänger betrifft, mit Sicherheit überliefert wäre, so würde das für die Wünschelrute nichts beweisen, da der erfahrene Schürfer bewußt oder unbewußt auch von allen möglichen anderen Anzeichen geleitet worden sein könnte. An die Erschließung bisher unbekannter Bodenschätze knüpfen sich vielfach Sagen und Legenden, so z. B., daß der Hufschlag eines Pferdes das Ausgehende eines Bleierzganges bei Goslar bloßgelegt habe, oder, wie bei Kuttenberg, daß ein im Walde spazierengehender Mönch zufällig einen »Stengel von Silber« fand, der aus der Erde herausragte: der Mönch legte zur Kennzeichnung der Stelle seine Kutte dort auf die Erde und meldete seinen Fund. Den alten Bergleuten waren aber schon eine ganze Reihe von Anzeichen bekannt, aus denen auf das Vorhandensein von Lagerstätten, Erzgängen usw. Rückschlüsse gezogen werden konnten. Georg Agricola (20) erörtert 1556 bereits sehr eingehend die verschiedenen Möglichkeiten, wie durch Zufall, durch Naturgewalten, durch den Pflug usw. Erzgänge bloßgelegt werden können. Unter den besonderen »Kunst-
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regeln« nennt er an erster Stelle die Quellen, die aus Spalten im Gebirge entspringen und daher auf das Vorhandensein von Gängen schließen lassen. Ferner muß man auf die Ganggeschiebe achten, die ein Wildbach aus dem Boden wühlt. Reif setzt sich an den über einem Gange befindlichen Gräsern zuletzt an, denn die Gänge strömen Wärme und Trockenheit aus, die das Bereifen des feuchten Grases verhindern; auch sind die Gräser .über einem Gange oft kleiner und nicht von so frischer Farbe wie in der Nachbarschaft. Auch Bäume werden von den Gängen beeinflußt, wenn sie darüber stehen: ihre Blätter zeigen im Frühling eine bläuliche oder bleifarbene Färbung usw.; auch werden die Wurzeln solcher Bäume leichter ausgedörrt, so daß die Stämme leichter einem Sturme zum Opfer fallen. Spätere Bergschriftsteller haben diese Anzeichen noch ergänzt, wie z. B. August Beyer (21). Wir brauchen darauf nicht weiter einzugehen. Mögen diese Hilfsmittel, die auch M. F. Gaetzschmann 1866 noch sehr eingehend behandelt (22), nun zuverlässig sein oder nicht, jedenfalls wird von den älteren Schriftstellern meist die Wünschelrute neben ihnen als Mittel, Gänge aufzusuchen, genannt. Wir dürfen annehmen, daß der Gebrauch der Wünschelrute im Bergbau sich bereits im 15. Jahrhundert eingeführt hatte. Die älteste literarische Quelle ist für uns wohl Paracelsus (1493—1541) (23). Er erwähnt die Rute mehrfach in seinen Schriften, einmal auch im Zusammenhange mit den anderen Kennzeichen, des öfteren aber zugleich mit abergläubischen Zauberpraktiken wie den Kristallvisionen und ähnlichem. Paracelsus dürfte kaum Gelegenheit gehabt haben, die Wünschelrute im Bergbau zu studieren, und was er über sie sagt, ist rein theoretisch und offenbar beeinflußt von alten mystisch-astrologischen Anschauungen. Auch scheint er sich selbst gelegentlich zu widersprechen, wenn er einmal die Wünschelrute zu den trügerischen Künsten rechnet, ein andermal von der Verwandtschaft oder Sympathie eines jeden Baumes mit einem bestimmten Metall fabelt: jedes Metall müsse daher mit einer besonderen, zu ihm in Verwandtschaft stehenden Rute gesucht werden. Dieser Gedanke kehrt in der Folge bei den älteren Autoren, die über die Wünschelrute geschrieben haben, bis ins 17. Jahrhundert mehrfach wieder, so auch bei Agricola, dann in besonders phantastischer Weise bei Elias Montanus und dem sogenannten Basilius Valentinus. Agricola sagt folgendes über die Wünschelrute (a. a. 0., s. Anmerkung 20): »Über die Wünschelrute bestehen unter den Bergleuten viele und große Meinungsverschiedenheiten, denn die einen sagen, sie sei ihnen beim Aufsuchen der Gänge von größtem Nutzen gewesen, andere verneinen es. Von denen, die den Gebrauch der Wünschelrute gutheißen, nehmen einige eine Gabel vom Haselstrauch, die sie für geeigneter als -andere halten, besonders wenn der Haselstrauch über einem Gang gewachsen ist. Andere benutzen je nach dem Erz verschiedene Ruten, und zwar verwenden sie die Ruten von Hasel für die Silbererzgänge, die der M a l t z a h n , Handbuch.
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17;
Esche für Kupfererz, die der Kiefer für Blei- und Zinnerz, von Eisen oder Stahl gefertigte für Gold.« Nach Beschreibung der Art, wie der Rutengänger die Wünschelrute anwendet, fährt Agricola fort: »Nach ihrer Behauptung ist die Ursache für die Bewegung der Rute die den Gängen innewohnende Kraft, und diese sei bisweilen so groß, daß sie die Zweige der nahe bei den Gängen wachsenden Bäume zu sich herabbiege. Die dagegen behaupten, daß die Rute keinem frommen und ernsten Manne nützen könne, lehnen die Kraft der Gänge als Ursache des Ausschlages ab, weil die Rute sich nicht bei allen zu bewegen pflege, sondern nur bei denen, die sie mit Zauberformeln oder schlauen Kunstgriffen benutzen . . . Die Anhänger der Rute entgegnen hierauf, daß die Kraft der Gänge die Rute in den Händen gewisser Bergleute oder sonstiger Menschen nicht zum Ausschlagen bringe, beruhe in einer gewissen persönlichen Eigentümlichkeit dieser Leute . . . Außerdem ermahnen sie uns betreffs der Handhabung der Rute, die Finger nicht leicht zusammenzulegen, auch nicht heftig zusammenzupressen. Denn bei zu leichtem Anfassen sinke die Rute herab, bevor die Kraft der Gänge sie drehe, und bei zu festem Zufassen leiste die Kraft der Hände der Kraft der Gänge Widerstand und überwinde sie . . . Da die Sache aber strittig ist und vielerlei Meinungsverschiedenheit unter den Bergleuten erregt, so meine ich, daß sie nach ihren eigenen Eindrücken beurteilt werden muß. Der Zauberstab, mit dem die Zauberer genau wie mit Ringen, Spiegeln und Kristallen Gänge aufsuchen, kann zwar die Form einer Gabel haben, doch ist es von keinerlei Bedeutung, ob er gerade oder nach irgendeiner anderen Figur geformt ist. Denn nicht in der Gestalt der Rute steckt der Einfluß, sondern in den Zaubersprüchen der Lieder, die ich nicht wiedergeben darf noch m a g . . . So scheint die Rute erstmals durch das unsaubere Gebahren von Zauberern in den Bergbau gelangt zu sein; dann, als fromme Männer sich von den Zaubersprüchen abwandten und sie verwarfen, wurde die Rute von dem einfachen Volk der Bergleute zurückbehalten, und die Spuren des alten Gebrauchs blieben beim Aufsuchen der Gänge erhalten. Da aber die Wünschelruten ausschlagen, obgleich die Bergleute im allgemeinen keine Zaubersprüche dazu sprechen, so sehen die einen als wesentlich für ihre Bewegung die Kraft der Gänge, die anderen die Handhabung der Rute und wieder andere dies beides an . . . Der wahre Bergmann benutzt, da wir wollen, daß er ein frommer und ernster Mann ist, den Zauberstab nicht, und da er ferner der Natur der Dinge kundig und verständig sein soll, sieht er ein, daß ihm die Wünschelrute nichts nützen kann, sondern er beachtet, wie ich oben ausgeführt habe, die natürlichen Kennzeichen der Gänge.« Hier sehen wir schon im Kern die ganze Streitfrage, wie sie bis in unsere Zeit viel und heftig erörtert worden ist. Ein ganz phantastisches System von Wünschelruten, das wir nur deshalb kurz streifen wollen, weil es auch in unserer Zeit nicht an Gegen-
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stücken dazu fehlt, haben uns die bereits erwähnten Elias Montanus und Basilius Valentinus hinterlassen 1 ). In sieben Kapiteln erläutern beide, offenbar auf Gedankengut des Paracelsus fußend, übereinstimmend sieben verschiedene Arten der Wünschelrute zu verschiedenen Zwecken, aber was sie eigentlich wollen, bleibt höchst unklar. Wir finden da u. a. die »Oberrute«, auf drei Finger Länge hohl und mit etwas Quecksilber gefüllt; die »Springrute«; die »Brandrute«, die mit einem »Kalk der Erde« bestrichen ist, der über Metallen zum Glühen kommen soll, usw. Georg Engelbert Löhneyß (24) sagt 1617 nichts anderes als Agricola und hat i m übrigen das Bergbuch des Lazarus Ercker von 1573 fleißig abgeschrieben. Erst Balthasar Rößler (gestorben 1673) spricht unter den Bergsachverständigen wieder ausführlicher von der Wünschelrute (25), für die er eintritt, und zwar als kurfürstlich sächsischer Bergmeister und Markscheider augenscheinlich aus praktischer Erfahrung. »Was das Ruthen-Gehen anbelanget«, sagt Rößler, »so hat man so viel aus Eri) Basilius Valentinus soll zu Beginn des 15. Jahrhunderts als Benediktinermönch zu Erfurt gelebt haben. Seine Person ist mythisch. Es darf als gesichert angenommen werden, daß Johann Thölde der Verfasser der Basilianischen Schriften ist, die er in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts herausgab. (Vgl. H. Kopp, Die Alchemie, I, 1886, S. 30 ff.). Die obenerwähnten WünschelrutenKapitel finden sich bei Basilius Valentinus in dessen Werk »Letztes Testament«, das zuerst, von Georg Claromontanus herausgegeben, zu Jena im Jahre 1626 erschien (Kap. 22—28). Diese Kapitel erweisen sich aber als eine etwas gekürzte Wiedergabe der entsprechenden Abschnitte in dem »Bergwerckschatz, Das ist ausführlicher und vollkommener Bericht von Bergwercken«, Frankfurt a. M. 1618, des Brieger Arztes Elias Montanus. Wo Montanus den Paracelsus zitiert, ist dessen Name bei. Basilius Valentinus füglich fortgelassen worden, denn Basilius lebte ja angeblich vor Paracelsus. Entweder hat nun Georg Claromontanus die gleiche Quelle benutzt wie Montanus, oder er hat an ihm ein Plagiat begangen (das ganze Buch des Montanus ist gleichlautend mit dem ersten Teil des »Letzten Testaments«). Daß aber beiden möglicherweise eine gemeinsame Quelle vorlag, könnte daraus geschlossen werden, daß das genannte Buch des Montanus, dessen Vorrede das Jahr 1600 nennt, nur eine Neuauflage eines 1600 zu Zerbst erschienenen Werkes ist, das folgenden Titel führt: Ein Büchlein von dem Bergwergk, wie man dasselbig nach der Rutten vnnd Witterung bawen soll, sehr dienstlich, vnd zu wissen nötig, durch Nicolaum Soleam Boömum zu hauff getragen, itzt durch Eliam Montanum, Fürstlichen Anhaltischen Leib-Medicum zum Briege, erstlich an Tag gegeben«. In der Neuauflage von 1618 fehlt der Name des Nicolaus Solea, über den im übrigen nichts zu ermitteln ist. Nun nennt aber Daniel Morhof in seinem »Polyhistor Litterarius« 1708 (2. Teil des 2. Bandes, Kap. 29, § 4) einen Andreas Solea, der unter dem Namen des Basilius Valentinus ein deutsch geschriebenes Werk »Vom Ursprung der Metallen« geschrieben habe. Dieser Andreas (de) Solea, der um 1430 Bergmeister zn Goslar gewesen sein soll, ist eine ebenso mythische Persönlichkeit wie Basilius Valentinus. Merkwürdig ist, daß Karl Kiesewetter ohne nähere Quellenangabe in den »Psychischen Studien« 1891, S. 378, die Behauptung aufstellt, eine Handschrift des Andreas de Solea »Eröffnete und bloßgestellte Natur« sei die Quelle gewesen für die Wünschelrutenabschnitte im •Letzten Testament« des Basilius Valentinus. Näheres über Solea und seine angebliche Handschrift ließ sich bisher nicht ermitteln. Das Problem Basilius ValentinusSolea-Thölde-Montanus-Claromontanus ist noch ungeklärt. 2*
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fahrung, daß es die Natur im Menschen thue, und etliche wollen, daß es zugleich auch der Ruthen zuzuschreiben sey. Es ist aber unter vielen Menschen kaum einer darzu genaturet, und wo ihr(er) etliche gebraucht werden, treffen sie doch alle nicht wohl zusammen, mancher findet wenig, mancher findet viel, und dem einen schläget sie dist dem andern an andern Orten bey einem Gange . . . manchem schläget sie alleine uff Gänge, dem andern nicht alleine uff fündige und unfündige Gänge, sondern auch auff Klüffte, uff Wasser, auch uff Geschiebe und Seiffenwerck. Wer nun einen Ruthen-Gänger gebrauchen will, der muß wissen, was an ihm zu thun sey, und, ob was rechtes und ungewisses zu vorhero durch ihn ausgerichtet worden, und wie ihme die Ruthe schlage, uffs ausgehende, oder uffn Gange im Gestein ? Welchem es uff alle Klüffte schläget, der ist nicht wohl zu gebrauchen. Es schläget aber die Ruthe uff die meisten Gänge, sie mögen taub seyn, oder Ertz führen, auch uff taube Mittel, so wohl als wo Ertz ist; ob zwar der Ruthen-Geher wissen will, ob es ein fündiger Gang sey, und was er vor Metall führet, will es doch nicht eigentlich zutreffen.« Rößler führt weiterhin aus, daß die Angaben des Rutengängers unzuverlässig seien und erklärt die Wirkung auf den Rutengänger durch die Exhalation oder Auswitterung in den Gängen. Neben den hölzernen Ruten kennt er auch solche aus Messingund Eisendraht. Von den Zaubersprüchen beim Schneiden der Wünschelrute hält Rößler ebensowenig wie von dem Zurichten besonderer Ruten für besondere Zwecke. Dann gibt er genaue Anweisung über die Art, wie der Rutengänger zum Aufsuchen von Gängen in unverritztem Gebirge verwendet werden soll, wie durch Kreuz- und Quergehen das Streichen eines Ganges ermittelt und dann durch Pflöcke und Pfähle festgelegt wird. Eine große Kupfertafel erläutert den Text. Trotz der warnenden Worte Agricolas hatte sich im 17. Jahrhundert der Gebrauch der Wünschelrute im Bergbau weiter eingeführt. Der Rutengänger gehörte vielfach zum beamteten Bergwerkspersonal. Um 1670 war er dem Markscheider im Range gleichgestellt, 1709 erhält die Wünschelrute sogar den Vorrang vor der Markscheidekunst und behält diesen nach Th. Haupt (26) bis 1749. Greifbare Berichte oder Nachrichten über die Tätigkeit von Rutengängern im einzelnen kennen wir aus dem 17. Jahrhundert bisher nicht, so weit es deren Verwendung im Bergbau betrifft. Herrn Dr. Kurt Oßwald verdanken wir die Mitteilung, daß die Wünschelrute damals offenbar im Bergbau zu Erbendorf in der Oberpfalz, der im 12. und 13. Jahrhundert seine Blütezeit hatte, Verwendung fand. Dieser Bergbau kam 1406 zum Erliegen, es wurden aber später mehrfach Versuche unternommen, ihn wieder in Gang zu bringen. Auf einen solchen Versuch geht jedenfalls der Grubenriß aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts zurück, der sich jetzt im Bayerischen Staatsarchiv zu Amberg befindet (Amt Weiden, Fase. 147, Nr. 3758). In diesem Riß sind eine große Anzahl Gänge angegeben, die damals nicht mehr sichtbar 20
und auch nicht mehr zugänglich waren. Ferner zwei Ganggruppen in einem vom früheren Bergbau unberührt gebliebenen Gebiet, die erst nach dem Kriege aufgeschlossen und bestätigt wurden. Sie stimmten -genau mit dem tatsächlichen Vorkommen überein. Das kann nach
Abb. 1. Rutenganger beim Feststellen yon Erzgängen. Nach Baltbasar Röfller (1700).
Oßwald nur auf die Tätigkeit eines Rutengängers zurückgeführt werden. Daß in der Tat zu jener Zeit in Bayern die Wünschelrute in Gebrauch stand, haben Studien des Herrn Oberbergdirektor a. D. Franz Mayer in München in alten bayerischen Bergamtsakten ergeben, über die er in einem der nächsten Hefte der Schriften des Verbandes zur Klärung der Wünschelrutenfrage berichten wird. Im Amberger Archiv fand sich aus dem Jahre 1570 der älteste Hinweis auf die Tätigkeit eines »Ruthengeherß*, des Blasius Seitz, und zwar in der Erbendorfer Gegend: er suchte Eisenerz und Alaun am Kreuzweiher bei Kemnath. Daß die Wünschelrute zu jener Zeit in hohem Ansehen stand, bezeugt auch die Clausthaler Bergkanne aus dem Jahre 1652 (27), die sich heute im Besitz der Oberharzer Berg- und Hüttenwerke zu Clausthal befindet (s. Abb. 2, Tafel I). Diese silberne Prunkkanne, die den 21
im 16. Jahrhundert üblichen Münzhumpen entspricht, trägt als Deckelschmuck eine Bergmannsgruppe und in dieser einen Rutengänger in alter Tracht als Hauptfigur (s.Abb. 3, Tafel II). Albert Schmidt (28) berichtet gelegentlich von der erfolglosen Tätigkeit von Rutengängern im Fichtelgebirge. Markgraf Christian Ernst von Bayreuth verlieh 1666 seiner zweiten Gemahlin Sophie Louise die sämtlichen Bergwerke auf dem Fichtelgebirge. Diese legte großen Eifer an den Tag, den Bergbau zu fördern, namentlich im Gebiet des Ochsenkopfs. »Rutengänger durchstreiften in ihrem Auftrage das Land, und es geschahen unbegreifliche Sachen, verständnislose Anlagen, Schachte mitten in das Urgestein getrieben (wie der am Weißmainfelsen), durch welche man zu den Goldadern gelangen wollte. Ein Rutengänger, der 1681 einen langen Bericht einsandte, war Joh. Lipsart aus Eyba in Thüringen. Er war dort Richter und Förster.« Auch auf den älchemististischen Scharlatan v. Krohnemann, der später gehängt wurde, fiel die Markgräfin herein. Auf jeden Fall scheint sie bei der Wahl ihrer Helfer und Vertrauensmänner nicht gut beraten gewesen zu sein. Es wird schon damals verlässige und untaugliche Rutengänger gegeben haben, genau wie heute, und man wird es der Fürstin nicht verübeln können, solche Berater herangezogen zu haben, wenn man weiß, daß der als Bergtechniker verdiente sächsische Berghauptmann Christoph von Schönberg (1554—1608) sich mit einer Wünschelrute abbilden ließ — das Gemälde hängt in der Aula der Freiberger Bergakademie — und der nicht minder rühmlich bekannte Oberberghauptmann Abraham von Schönberg im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts eine Verordnung erließ, nach welcher »erfahrene Ruthengänger wohl gehalten und nicht vor staubige örter gelegt (d. h. mit Schägel- und Eisenarbeit verschont) werden sollten, damit sie ihr Leben hoch brächten« (Gaetzschmann, a. a. 0., S. 326). Offenbar waren gute Rutengänger selten. Aus Schlesien hat uns Konrad Wutke (29) eine aktenmäßige Nachricht aus dem Jahre 1701 mitgeteilt: »Bergmännischer Bericht über Kupferberg, Gabel und Gottesberg.« Darin wird von einem »examinirten« Rutengänger berichtet, mit dessen Hilfe aufgelassene oder ersoffene Stollen daraufhin untersucht wurden, ob ihre Wiederaufnahme sich lohnen würde. Bei einzelnen Stollen stellte der Mann abbauwürdige Gänge fest, bei anderen nicht. Aus Freiberger Bergamtsakten hat Oberbergrat Wappier allerhand interessante Stücke aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts veröffentlicht (30), aus denen wir wiederum mittelbar auf das hohe Ansehen der vereidigten und verpflichteten Rutengänger Rückschlüsse ziehen können. Darunter befindet sich z. B. eine Eingabe der beiden verpflichteten Rutengänger Christoph Dietrich und Joh. Chr. Kuxke von 1738 an das Oberbergamt zu Freiberg, aus dem hervorgeht, wie sehr sie auf Standesehre hielten. Es wird darin gebeten, die Behörde möge nicht unerfahrene 22
Tafel I.
Abb. 2. Die Clausthaler Bergkanne von 1G52.
Abb. 3. Der Rutengänger der Clausthaler Bergkanne von 1652. Nachbildung des Goldschmieds Th. Blume. Hildesheim.
und untaugliche Rutengänger verwenden, wie Tobias Häußler oder den Maurer Knur, die oftmals gefehlet hätten, wodurch manches Bergwerk schon zuschanden geworden sei. Auch die Anstellungsbekanntgabe von Dietrich und Kuxke von 1733 hat sich erhalten und wird von Wappler mitgeteilt. Insbesondere muß Dietrich großes Vertrauen genossen haben. Als im Jahre 1743 Herzog Ernst August von Sachsen-Weimar sich mit der Bitte um Überlassung eines Rutengängers nach Dresden wandte, wurde ihm der Steiger Dietrich als solcher warm empfohlen, der der beste in den Diensten des Freiberger Oberbergamts sei. »Er stehet in Ihro Königl. Majt. unsers allergnädigsten Herrns Diensten und Pflichten als Ruthengänger und hat zwar von seiner Geschicklichkeit verschiedene Proben abgeleget; daß aber auch die Ruthengänger nicht fehlen solten, ist nicht zu läugnen, als welches ein gemeines Schicksal derselben und «in Beweiß ist, daß die Ruthe bisweilen fallire.« Der oben erwähnte Rutengänger Tobias Häußler, vor dem Dietrich und Kuxke gewarnt hatten, sollte dessenungeachtet im Jahre 1739 auf Antrag des Bergkommissionsrates Fischer amtlich verpflichtet werden. Aber das Oberbergamt berichtete nach Dresden, daß Häußler sich nicht ohne weiteres der Instruktion unterwerfen wolle, sondern Abänderungswünsche habe. Darauf wurde dem Oberbergamt aufgegeben, die Angelegenheit zu regeln. Es hat dann bei den Bergämtern Erkundigungen über Häußler eingezogen und 1743 einen sehr interessanten Bericht eingereicht, in welchem der Rutengänger nicht gerade günstig beurteilt wird. Darin werden Beispiele von Häußlers Mißerfolgen gegeben und seine Behauptungen von glänzenden Erfolgen auf das richtige Maß zurückgeführt, ja, von einzelnen der befragten Bergämter wird Häußler der groben Ignoranz, unverschämten Aufschneiderei und Windmacherei geziehen. »Es hält dahero das Berg Amt aus diesen und andern Fällen sich hinlänglich veranlasset, zu glauben, daß ihm die Rute gar nicht oder doch höchst ungewiß auf Klüfft und Gänge schlage, angesehen er nicht imstande sey, das sonst bey Ruthengängern gewöhnliche experiment, da man das Metall unter die Hüte oder sonst zu verdecken pflegt, mit Gewißheit auszuführen . . . « Häußler verquickte außerdem das Rutengehen mit astrologischem Unfug und anderen abergläubischen Mißbräuchen und war jedenfalls, wenn nicht schlechthin ein bloßer Betrüger, so doch gänzlich untauglich. Das Oberbergamt zu Freiberg erhielt auf seinen Bericht hin die Verordnung, die Wartegeldzahlung an Häußler einzustellen. Zu jener Zeit traten unter den sächsischen montanistischen Schriftstellern insbesondere der Freiberger Bergkommissar und Markscheider August Beyer und sein Vetter, der Bergmeister Adolf Beyer zu Schneeberg für die Wünschelrute ein (31). »... Ob nun wohl viele sind«, sagt u. a. der erstere, »die den Gebrauch derselben verwerffen und vor höchst sündlich halten, so sind doch auch andere hingegen, die eine genauere 23
Einsicht und Information davon haben, und die Wünschel-Ruthe als ein natürliches Werck betrachten. Wir billigen nur den Mißbrauch nicht, der mit unterlaufft.« Beyer gibt als Markscheider Anweisungen, wie man mit einem Rutengänger arbeiten soll und urteilt aus seiner Erfahrung heraus: »daß bey guter Überlegung (also: fachmännischer Deutung der Rutenangaben) und rechtem Gebrauch derselben viel Gutes mit der Ruthen auszurichten ist, ist wohl unläugbar; sich aber gänzlich darauf zu gründen und zu bauen, ist niemandem zu rathen, weil sie vielen Verhindernissen und Zufällen unterworffen ist. Wie ich dann bey meinem über 50jährigen Marckscheider-Dienste mit vielerley Ruthengängern zu thun gehabt, und angemercket, daß die einfältigsten und die mit der Ruthen zu gehen noch unerfahren, die besten sind, denen es am ehesten zugetroffen habe. Wenn sie aber einige Zeit oder Jahre als Ruthengänger sich brauchen und dünken lassen, klug und verständig zu seyn, auch vermuthlich ihre Gedanken nicht, zusammen halten, oder in solchen Reflexionen machen, haben sie hemachmahls am meisten gefehlet.« Damit weist Beyer deutlich auf das, was wir heute als autosuggestive oder auch ideomotorische Fehlerquellen bezeichnen. Adolf Beyer schließt sich dem Urteil seines Vetters an und teilt an einer späteren Stelle seines Werkes eine recht interessante »Nachricht von einem Ruthen-Gänger, so ohne Ruthe Gänge ausgegangen und an seinem Leibe gefühlet hat« mit. Es handelt sich hier um ein Stück aus den Freiberger Oberbergamtsakten, in welchem der OberbergamtsVerwalter Joh. Gottl. Voigt am 22. September 1713 über Versuche mit dem Rutengänger Hanns Wolff berichtet. Einleitend polemisiert Beyer gegen Autoren, die gegen die Wünschelrute geschrieben haben und das Kind mit dem Bade ausschütten, weil sie sich an dem angeblichen Aberglauben stoßen, anstatt den Mißbrauch der Wünschelrute von ihrem nützlichen Gebrauch zu unterscheiden. Wie gering oft derartige Urteile einzuschätzen sind, erläutert Beyer an Jacob Tollius, der 1714 die Wünschelrute verwirft, aber seinerseits Alchimist war und den Stein der Weisen gefunden zu haben glaubte. Dann wendet er sich gegen die mechanische Theorie, die der Physiker Joh. G. Krüger 1746 aufgestellt hatte (auf ihn kommen wir im 4. Kapitel zurück) und beweist an der Hand des Falles Hanns Wolff, daß die primäre Ursache nicht in den Muskeln der Hände und auch nicht in der Wünschelrute gesucht werden dürfe. Da bis zum heutigen Tage noch öfters von Rutengängern berichtet wird, deren Reaktion sich in starken physiologischen Wirkungen wie Puls- und Atembeschleunigung, Schweißausbruch, Spasmen usw. äußert, so glauben wir die interessante Nachricht über Hanns Wolff nicht übergehen zu sollen. Dieser war ein Bergmann, von welchem dem Freiberger Oberbergamtsverwalter Voigt mitgeteilt worden war, er könne Gänge und Klüfte »vermittelst einer empfindenden Erschütterung seines Leibes < angeben. 24
Voigt wollte die Probe machen und stellte Wolff vor die Aufgabe, bestimmte Gänge, die Wolff nicht kannte, ohne Rute abzugehen. Dieser drückte, so berichtet Voigt, die rechte Hand fest zusammen und schritt mit herabhängendem Arm ganz langsam vorwärts, »nicht anders, als wenn er auf etwas sehr genau Achtung geben müßte. Da er nun an den vorliegenden Gang MB auf etliche wenige Schritte kommen, habe (ich) observiret, daß der Arm in etwas zu wackeln angefangen, und da Er selbst den Gang betreten, eine so hefftige Bewegung seines Armes und gantzen Leibes entstanden, daß ich nicht anders vermeynet, Er werde mit der schweren Noth befallen, und dieses arrivirte Ihm bey allen Gängen, so viel dererselben ausgehen ließe, welches Ihn denn sehr matt machte, so daß Er auch zuweilen ruhen mußte. Weil nun diese Bewegung seinem Vorgeben nach, nur die vorhandenen Gänge, nicht aber dererselben Beschaffenheit anzeigte und entdeckte; So nahm Er eine große starcke zwieselichte Ruthe in seine Hand, imgleichen eine Wurtzel, welche Er gegen mir vor Alant-Wurtzel ausgab, und gieng damit nochmahls auf den gefundenen Gang . . . « Über die Person des Hanns Wolff sagt Voigt, er sei 36 Jahre alt, aus Zethau gebürtig, dem Ansehen nach sehr einfältig und von kränklicher Leibeskonstitution. Voigt fragte ihn u. a., wie er denn als Bergmann auf den Gängen arbeiten könne, wenn er eine so starke Bewegung derselben an seinem Leibe empfinde. Worauf Wolff antwortete, »daß wenn Er nicht seine Gedancken auf die Findung eines edlen Ganges gerichtet, so thäte es Ihm nichts, und könne darüber hingehen, und auch darauf arbeiten.« In der Grafschaft Mansfeld war damals die Wünschelrute fast unbekannt, wie wir von J. G. Kießling erfahren (32), obwohl doch die tägliche Erfahrung lehre, daß damit Gänge und Metalle ausgegangen werden, »Viele haben zwar aus Unwissenheit darwider geschrieben, und solches für etwas übernatürliches gehalten, dennoch ist, wie gedacht, in Europäischen Bergwerken mehr als so wohl bekannt, daß kein besseres Mittel, als die Ruthe, zur Ausgehung der Gänge usw. vorhanden, und daß auf diese, wenn sie von einem geübten Ruthengänger ohne Seegensprechen und Beschwörung gebrauchet wird, zu verlassen ist.« Kießling weiß, daß die Rute nicht allen Menschen schlägt und daß man nicht blind dem Rutengänger vertrauen dürfe, »indem manchen die Ruthe z. E. auf Wasser und wo kein Gang ist, manchen anstatt des Ganges auf bloße Klüfte und schmale Drömer, oder auf eine große Mächtigkeit des Ganges, wenn solcher sehr flach fällt und nichts destoweniger schmal i s t , . . . schlüget.« Um die Mitte des 18. Jahrhunderts begann im sächsischen Bergbau und anderwärts der Stern der Wünschelrute zu verblassen. Ein Verdienst daran schreibt sich der spätere General-Bergkommissarius Friedrich Anton v. Heinitz zu, der, wie Wappler (a. a. 0., S. 75; s. Anmerkung 30) berichtet, 1744 nach Freiberg kam, wo er im Hause seines Verwandten, 25
des Berghauptmanns Hans Carl v. Kirchbach, Aufnahme fand, ohne sich aber, wie er in seinem Tagebuch stolz schreibt, von dessen alchimistischen Schrullen beeinflussen zu lassen. Heinitz glaubte zunächst, wie Kirchbach, an den Wert des Wünschelruten Verfahrens. Aber dann hatte er Gelegenheit, einen offenbar unehrlichen Rutengänger zu beobachten, als er sich als Reisebegleiter einem erfahrenen Bergmeister anschloß, der die Aufgabe hatte, in der Nähe von Prag eine neue Grube abzustecken. Auch ein Rutengänger ging mit. Als Heinitz nun bemerkte, daß dieser eifrig Ausflüge ins Gelände machte und auf die Gesteinsarten achtete, ehe er seine Rute spielen ließ, da gingen ihm die Augen auf, und er trennte sich von dem Leiter des Unternehmens. Sobald er später, nach Gründung der Freiberger Bergakademie, 1766 als General-Bergkommissarius seine Revisionsreisen im Kurfürstentume unternahm, merzte er die Wünschelrute als maßgebenden Faktor bei Aufstellung von Grubenbetriebsplänen gänzlich aus. Hierbei war der damalige Auditor, spätere Berghauptmann Fr. W. H. v. Trebra sein Begleiter. »Es ist fesselnd zu lesen«, sagt Wappler, »wie dieser den Steiger von Jung Fabian Sebastian durch Belegung mit der Strafe eines Wochenlohnes gefügig machte, mehr seinen, von Trebras, Anordnungen als der Rute zu folgen; seit der Steiger dabei nach einer so erzwungenen Auffahrung von 12 Lachtern Erz fand, schlug die Rute hinkünftig allemal da, wo von Trebra es haben wollte.« Durch die Berghauptleute v. Oppel und Pabst v. Ohein wurden die offiziellen Rutengänger abgeschafft. Darauf bezieht sich das Titelkupfer in Charpentiers Werk »Mineralogische Geographie der chursächsischen Lande« (1778): das Bild zeigt das personifizierte alte Vorurteil mit verbundenen Augen in fliehender Stellung neben dem Genius der Aufklärung, der eine Wünschelrute auf dem Knie zerbricht (Nöggerath, a. a. O. S. 187; s. Anmerkung 17, 2). Damit hatte die Wünschelrute im Bergbau auf lange Zeit gänzlich ausgespielt. Einmal noch wurde vorübergehend die Erinnerung daran aufgefrischt, als der Schneeberger Markscheider Karl Wilhelm Schmidt sich selbst als Rutengänger bekannte und im »Bergwerksfreund« 1842 (Bd. 5, Nr. 26, S. 401 ff.) berichtete, daß er damit erfolgreich arbeite. Schmidt wurde im Jahre darauf vom Oberbergamt nach Freiberg zu einer Erprobung seiner Fähigkeiten eingeladen. Unter Aufsicht eines Prüfungsausschusses wurden mit ihm im Gelände sowohl wie in der Bergakademie Versuche angestellt, die nach dem Urteil der Kommission mit einem negativen Ergebnis abschlössen. Es heißt in dem Schlußurteil, daß »keine einzige Tatsache geliefert worden, nach welcher unbezweifelt eine Einwirkung eines zu Tage setzenden Ganges auf die Wünschelrute nachgewiesen worden wäre . . . Dagegen in zwei Fällen, davon jeder wieder doppelt ist, die vermutete Wirkung auf die Wünschelrute bestimmt ausgeblieben, als bei dem zweimaligen Aufsuchen von Geld im Bergakademiegebäude und beim Uberschreiten der beiden deutlich zu Tage ausstrei-
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Tafel III.
Abb. 4. Rutengänger Im Iglauer Berghäuerzug. Der Festzug fand 1799 bei der Tausendjahrfeier der mährischen Bergstadt zum erstenmal s t a t t .
Tafel IV.
c in
Haus Wettin« in Moritzburg. i) 4900 m Schrägdränagen, entworfen nach dem üblichen Verfahren, b) 1768 m 1925 ausgeführte Kurzdränagen (Wasseraderquerdränagen) 1768 m nach dem Wünschelrutenverfahren von Dr. Claus (D. R. P. Nr. 424 309, Kl. 45 a, Gr. 39) 3132 m = 64V, Ersparnis.
148
2116m = 65 •/. Ersparnis.
Als Beispiele seien zwei Fälle von Oberlandwirtschaftsrat Dr. Claus, Dresden, der sich auf diesem Gebiet besonders bemüht hat, wiedergegeben (s. Abb. 37 u. 38). 2. Arbeiten und Protokolle. a) Auf W a s s e r . Wir wollen uns jetzt eine Reihe von Beispielen von Versuchen und Arbeiten auf Wasser vorführen, um eine möglichst klare Vorstellung von dem, was ein Rutengänger auf diesem Gebiet eigentlich leisten kann, zu erhalten. B e i s p i e l l 1 ). Als erstes kleines, aber wichtiges Beispiel möchte ich ein Erlebnis in Deutsch-Südwestafrika aus der Zeit vor dem Kriege erzählen, das mich persönlich erst überzeugt hat, daß das Wünschelrutenproblem einen realen Hintergrund hat. Es handelt sich um zwei Brunnen im Bezirk Outjo im Norden von Deutsch-Südwestafrika. Bei der Neugründung der Farm Oenitzaub fehlte es nicht nur an jeglichem Rutengänger: von Maitzahn.
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Wasser, mit Ausnahme einer kleinen Pütz, einer mit Sand gefüllten Einmuldung im Granit mit etwas schmutzigem Wasser, sondern auch an Geologen, die solches anzugeben verstanden hätten, sowie an einer Bohrmaschine. Ich wurde veranlaßt, da die Wünschelrute bei mir besonders gut ausschlug, ich selber aber das Ausschlagen der Rute für selbstgemachten bzw. eingebildeten Unsinn hielt, doch Wasser zu suchen. Es war nun sehr interessant, daß, obendrein noch auf einem Geländerücken, sich ganz schmale, nur wenige Finger breite Streifen von angeblicher Wasserführung für die Rute bemerkbar machten. Beim ersten Brunnen wurden zwei derartige Wasserfäden konstatiert und am oberen Brunnenrand ihr Eintritts- und Ausgangspunkt genau markiert und mit dem Kompaß vermessen. Diese beiden Wasservorkommen schnitten sich stark spitzwinkelig. Bei ca. 18 m Tiefe, der Brunnen war im verwitterten Gestein mit der Picke gehauen, zeigten sich genau lotrecht zu den oberen Eintragungen zwei Kalkadern. Die erstere von einem Querschnitt wie ein 2-Mark-Stück, die zweite % m tiefer von kleinerem Querschnitt. Während der Arbeit stopften wir die erste einfach zu. Leichte Öffnungen, wie Risse und Auslaugungen im Gestein gestatteten dem Wasser, das unter ziemlichem Druck stand, früher in ganz begrenzten Fäden seinen Weg durch das verwitterte Gestein zu finden. Gleichzeitig war die Möglichkeit einer Kalkausscheidung gegeben. Auf diese Weise kamen diese äußerst eigenartigen, wulstigen Adern zustande. Lange habe ich noch einige dieser Adernstücke nebst ihrem bröcklichen Nebengestein bei mir gehabt. Es waren wirkliche, ganz echte, in der Natur nur sehr selten vorkommende Wasseradern. Beim zweiten Brunnen, der nur 150 m von ersterem entfernt lag, hatte ich drei solche Adern angegeben. Beim letzten Schuß, infolge härterer Gesteinspartien, war die auftretende Wasserschüttung so groß, daß die vorhandenen, den Bedürfnissen entsprechenden Pumpanlagen ein Leerpumpen des Brunnens nicht möglich machten. Beim ersten Brunnen waren in der trockenen Jahreszeit 8 m Wasserstand, vom zweiten weiß ich nur so viel, daß er immer zu viel Wasser hatte. Bis 1925, zu welcher Zeit ich die letzten Nachrichten empfing, versorgten diese beiden Brunnen eine große F a r m vollständig und ließen in der Schüttung nie nach. Es wird mir wohl niemand verdenken können, daß ich beim Fall des ersten Brunnens einen klaren Beweis für die Wünschelrute vor Augen zu haben glaubte, gegen den ich nichts einzuwenden weiß. Jedenfalls ist diese seltene Ausnahme von Wasseradern, die mit der Wünschelrute gefunden wurden, die eigentliche Ursache für eine gewisse Zahl der im folgenden aufgezählten Beispiele und Protokolle geworden, sowie für meine Beschäftigung mit dem Problem, und schließlich auch die Ursache, daß dieses Buch geschrieben wurde. 150
Tafel XIII.
A b b . 30. H i n t e r d e n i n n e r e n d r e i D r ä h t e n ( a u f d e r l i n k e n S e i t e d e s B i l d e s ) s i e h t m a n d e n S p a l t im K a l k f e l s , d e r g ä n z l i c h m i t L e t ten ausgefüllt n a c h oben u n d v o r n e sowie nach u n t e n a m H a n g keinen T r o p f e n W a s s e r a b g a b . Der Spalt w a r oberflächlich infolge des auflagernden Bodens nicht festzustellen.
Tafel XIV.
A h l ) . 4U. S p a l t i m K a l k f e l s s c h r ä « v o n o b e n a u f i i e n o i i u i i i ' i i . I j e r u n l e r e T e i l d e s B i l d e s ist a u f A b b . 3 9 v o r n e . B e s o n d e r s s c h ö n ist d e r S p a l t h i n t e n ( o b e n in d e r A b b i l d u n g ) m i t 3—G c m B r e i t e zu s e h e n , a n w e l c h e r S t e l l e d a s H a u p t w a s s e r a u s t r i t t .
B e i s p i e l 2 1 ). Abb.39, Tafel X I I I zeigt uns ein Stück Nordhang in ca. 100m Höhe über der Talsohle am Wallberg in Oberbayern, südlich des Tegernsee. Der Berg besteht dort aus Hauptdolomit, dessen Schichten nach Süden mit ca. 30—40° einfallen. Eine Wasserzufuhr aus dem Gebirge nach Norden ist nur auf weitstreichenden Spalten, Klüften und Risßen, die den Nordhang schneiden, d. h. über der Talsohle an diesem endigen, möglich. Da einige 100 m von der Talsohle aufwärts der äußere Teil des Berghanges teilweise aus kompaktem, oft sehr stark verlehmtem Moränenschutt in wechselnder Mächtigkeit besteht, so sind die Spalten im Kalkfels, die eventuell Wasser führen würden, nach außenhin verstopft. Oft sind sie schon infolge starker Verleitung der Klüfte selbst bei anstehendem Fels ohne jegliche Moränen- und Bergschuttvorlagerung verstopft. Ein größeres Gebiet mit minimaler Schuttvorlagerung wurde nun mit der Wünschelrute untersucht. Es konnte mit ihrer Hilfe eine schnurgerade, nordsüdlich streichende Störungszone, die den Berg durchsetzt und nach Angabe der Wünschelrute mit Wasser gefüllt war, aufgefunden werden. Ob sie mit größeren Wasserreservoiren im Innern des Gebirges in Verbindung stand, sollte erst der Aufschluß erweisen. Abb. 40, Tafel XIV zeigt uns nun die Fassung im Innern des Berges. Man sieht sehr schön den fast senkrecht stehenden Spalt, aus dem nun schon seit Jahr und Tag 2 sl hervorsprudeln und 20 Ansiedelungen mit Wasser versorgen. Die nicht ganz sachgemäße Fassung in Abb. 40 ist auf Abb. 39 von außen zu sehen. Infolge der Verstopfung des Spaltes nach vorne, d. h. nach außen, ist ein natürlicher Stau vorhanden, so daß keine Gefahr besteht, daß die das Wasser liefernden Reservoire im Innern des Berges sich leerlaufen können. Ein Raubbau ist so vermieden. B e i s p i e l 3 1 ). Ein weiteres Beispiel aus dem Gebiet am südlichen Donauufer am Einfluß der Mindel in die Donau bei Offingen, östlich Ulm. Die südlichen Nebenflüsse der Donau haben selbst in jüngster Zeit ihren Weg oft verlegt. Geologisch kennt man z. B. einige alte Arme der etwas westlicheren Günz. Meist ist aber die Einebnung eine so vollständige und durch auflagernden und teilweise wieder erodierten Lehm und Löß die alte Oberfläche im Relief so verändert, daß man letzten Endes nichts mehr von den alten Flußbetten feststellen kann. Geologisch liegen 5—10 m Deckenschotter auf dem wasserundurchlässigen tertiären Flinzletten. Aus ersteren fließen kleine Quellen mit 1—2 sl in Taleinschnitten, die bis zur obermiozänen Flinzunterlage hinunterreichen. Da geologisch in der Nähe einer Fabrik, die 35 sl Wasserbedarf hatte, keine Hinweise auf ein altes Flußbett gegeben waren, so war es für den Ruten*) Rutengänger: von Maitzahn.
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gänger eine scheinbar fast unmögliche Aufgabe, die er zu lösen hatte. E r gab neben der Fabrik einen 20 m breiten Streifen an, der nach seiner Meinung viel bewegtes Wasser führte. Er verfolgte die Richtung einige 100 m weit. Dann verlangte er noch, daß man nicht tiefer als bis zum Flinz mit einem Versuchsschacht gehen sollte, da nach seiner Meinung dann die reine Spekulation anfinge. Der Schacht stieß nach Durchgraben von Lehm und Letten bei 1,70 m Tiefe auf das Wasser, dessen starke Bewegung faustgroße Gerolle mitriß. Die Pumpe konnte nur 70 sl leisten, so daß mit einer noch größeren Wassermenge zu rechnen ist. Es handelt sich um ein altes Bett der Mindel, die hier früher einmal floß und ihre groben Gerölle und Kiese in einer ausgewaschenen Rinne liegen ließ. Der alte Arm hat an seinem Ursprung und Ende Verbindung mit der heutigen Mindel bzw. mit ihrem Grundwasser und entnimmt auch sein Wasser aus ihr, das von gleicher Härte ist, nur vollkommen filtriert und sauber im Gegensatz zum Mindelwasser. So wurde mit Hilfe des Rutengängers einer der besten Wasserversorger in Gestalt eines alten Flußbettes gefunden. B e i s p i e l 4 1 ). Die Dichtungsarbeiten an der Gothaer Talsperre zu Tambach. Von Stadtbaurat Goette, Plauen. (Abdruck aus dem Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1912, S. 561.)
In den Jahren 1902 bis 1905 ist die von dem verstorbenen Ingenieur Mairich entworfene Talsperre der Stadt Gotha bei Tambach im Thüringer Wald errichtet worden. Die Oberleitung lag in den Händen des Herrn Ministerialrat Fecht aus Straßburg, die örtliche Bauleitung war Herrn Ingenieur Dodillet, ebenfalls aus Straßburg, übertragen worden. Die Ausführung hatte die Firma Windschild & Langelott in Cossebaude bei Dresden. Als im Frühjahr 1906 die erste Anstauung vorgenommen wurde, erwiesen sich die Bauwerke als völlig dicht und fehlerlos. Dagegen trat bei einer Stauhöhe von 5 m an zahlreichen Stellen unterhalb der Mauer Wasser in erheblicher Menge aus den Felsen aus, besonders stark in dem vor Beginn des Baues zur Erforschung des Gesteins angelegten Versuchsstollen, aber auch weiter unten bis zu den Filtern. Allein im Versuchsstollen wurde ein W a s s e r v e r l u s t von 215 s/1 gemessen. Wenn die Wirtschaftlichkeit der Talsperre nicht in Frage gestellt werden sollte, mußte hier unbedingt Abhilfe geschaffen werden. Zunächst nahm Herr Ingenieur Dodillet die Dichtung einer erkennbaren Kluft am linken Widerlager der Sperrmauer vor. Auf die Kluft setzte er einen gemauerten Schacht und goß in diesen dünnflüssigen Zement. Die Arbeit war von Erfolg, die stärkste Sickerung wurde von 215 auf 90 s/1 herabgedrückt. ») Rutengänger: E . Döll.
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Aber nur ein Teil der Sickerstellen war mit diesem Mittel getroffen, ihr Umfang war noch sehr bedeutend. Auch beschränkten sie sich nicht, wie anfangs gehofft, auf den linken Hang (Fuchsberg), sondern traten auch mit steigendem Wasserspiegel in zunehmender Menge auf dem rechten Hang (Kirchberg) auf (vgl. Abb. 41). Es wurde nun weiter versucht, die Wassereintrittsstellen in gleicher Weise aufzufinden und zu dichten, teils mit Mauerwerk, teils mit Beton, jedoch ohne Erfolg. Denn der Augenschein genügte keineswegs, um die Stellen zu ermitteln. Auch die Anlegung eines Stollens oberhalb der Mauer und seine Dichtung mit Zementverstrich sowie die Abdeckung des ganzen Hanges mit Lehm wurden in Erwägung gezogen, aber wegen der Kostspieligkeit und der Unsicherheit des Erfolges fallen gelassen. Als dann Herr Ingenieur Dodillet nach mehrjähriger Tätigkeit bei der Talsperre der Stadt Gotha in sein Amt in Straßburg zurückkehren mußte, ging die Leitung der Arbeiten auf mich, als den damaligen Stadtbaurat von Gotha, über. Einer Anregung des geologischen Sachverständigen, Herrn Prof. Dr. Scheibe-Berlin, folgend, gelangte ich endlich zu dem Mittel, das den Erfolg brachte. Herr Prof. Dr. Scheibe empfahl, ein 30 cm w e i t e s B o h r l o c h in s c h r ä g e r R i c h t u n g , d e m M a u e r w i d e r l a g e r f o l g e n d , m i t t e l s K r o n e n b o h r u n g in den Fels zu treiben und mit Zement unter Druck zu dichten. Wenn ich bei meinem Vorschlage, der zur Ausführung gekommen ist, hiervon in wesentlichen Punkten abgewichen bin, so waren dafür folgende Gründe bestimmend. Aus der Verteilung der Sickerstellen auf eine lange Strecke schloß ich, d a ß die U n d i c h t i g k e i t e n n i c h t n u r u n m i t t e l b a r a m W i d e r l a g e r v o r h a n d e n w a r e n , s o n d e r n in t i e f e n K l ü f t e n w e i t in d e n F e l s h i n e i n r e i c h t e n . Darauf ließ auch die äußere Erscheinung des Gesteins (festes Konglomerat im Rotliegenden) schließen. Es besitzt eine deutlich erkennbare, annähernd horizontale Schichtung, die aber häufig durch Verwerfungen in senkrechter Richtung durchbrochen ist. Ich glaubte daher sicherer zum Ziel zu kommen, indem ich eine g r ö ß e r e Anzahl von Löchern sowohl entlang dem Mauerwiderlager als auch senkrecht dazu, der Überfallkante folgend, in Aussicht nahm. Die Bohrlöcher sollten nur die in der Hauptsache annähernd waagrechten Spalten und Klüfte zugänglich machen, sie konnten daher in s e n k r e c h t e r R i c h t u n g hinabgetrieben werden und brauchten k e i n e g r ö ß e r e W e i t e zu haben, als für den Durchfluß des Zementes erforderlich. Eine Ausschreibung der Bohrungen in Diamantkronenbohrung blieb, da es sich nicht um Gewinnung eines wertvollen Produktes handelte, ergebnislos. Zur Annahme gelangte aber ein Angebot auf S t o ß b o h r u n g mit Handbetrieb von Herrn Eduard Doli in Gotha, einem Spezialfachmann in Pumpenfabrikation und Wasserversorgung. 153
Tafel XV.
A b b . 40.
B a u g r u b e mit B r e m s b e r g e .
3. M a i 1912.
Abb. 4 0 a . S p e r r m a u e r m i t A n s c h l u ß an den linken
Hang.
Für die Anordnung der Bohrlöcher, die teils 12,5 teils 18,5 cm weit ausgeführt wurden, gab die Oberflächengestaltung nur einen geringen und unzuverlässigen Anhalt. Die Bohrlöcher wurden daher anfangs in
einigermaßen weiten Abständen angelegt, in der Absicht, nötigenfalls später noch andere dazwischen anzulegen. Die in der Zeichnung (Abb. 42) angegebenen Zahlen bezeichnen die Reihenfolge der Herstellung.
Da bei der Stoßbohrung nicht wie bei der Kronenbohrung der Bohrkern gewonnen wird, erforderte die Erforschung des Zustandes der verschiedenen Schichten größte Aufmerksamkeit. Die Ausführung entsprach dieser Forderung in vollstem Maße. Die größere oder geringere Härte ließ sich an dem Fortschritt der Arbeit erkennen und wurde gewissenhaft registriert. Im härtesten Gestein betrug die Tagesleistung 20 bis 40 cm, im weicheren bis 90 cm und darüber (vgl. Abb. 42 u. 43).
Abb. 43. Bohrlöcher am Überlaufkanal.
Im festen Gestein mußten die durch den Bohrer zertrümmerten Massen von Zeit zu Zeit mit einem Ventilbohrer herausgeholt werden. Sobald aber eine Kluft oder Spalte erreicht war, verschwand der Bohrschlamm. Sobald dies eintrat, wurde das Bohren ausgesetzt und der Zusammenhang der Kluft mit den unterhalb der Mauer vorhandenen Austrittsstellen durch Färbversuche ermittelt. Meist diente dazu eine Lösung von Fluoreszin, zum Teil auch Eosin. Auf diese Weise wurde der Verlauf der Klüfte allmählich immer mehr erforscht. Jede einzelne Kluft wurde sodann gedichtet, ehe die Bohrung nach etwaigen tieferen Spalten fortgesetzt wurde. Die Zementdichtung wurde ebenfalls Herrn Doli übertragen. 156
Von einem geräumigen Mörtelmischkasten aus wurde in ununterbrochenem Strahl fortwährend neubereiteter dünnflüssiger Zementmörtel eingegossen, bis entweder der Ablauf zum Stehen kam oder der Mörtel am Austritt unterhalb der Mauer heraustrat. Im letzteren Falle wurde die Austrittsstelle mit schnellbindenden Zement vermauert und nach dessen Abbinden mit Füllen fortgefahren. Das Bohrloch selbst wurde sodann in frischen Zustand wieder freigebohrt, um zu Farbversuchen oder weiterer Bohrung Raum zu haben. Die für die obersten l ' / j i n zur Führung des Meißels nötigen Eisenrohre wurden in den fertigen Löchern belassen und mit eisernen Deckeln abgeschlossen, um jederzeit an die Löcher wieder gelangen zu können. Die Tiefe der Löcher beträgt zwischen 13 und rund 30 m. Der Zementverbrauch ist in den einzelnen Löchern sehr verschieden. Er schwankt zwischen 80 und 1530 Sack auf ein Bohrloch. Nachdem auf diese Weise die Löcher 1—9 gedichtet waren, fanden sich keinerlei Anhaltspunkte mehr für die Anordnung weiterer Löcher. Auch begann mit zunehmender Schließung der Spalten der Farbversuch mehr und mehr zu versagen, so daß zu dem umständlicheren, aber empfindlicheren Salz-Höllenstein-Versuch geschritten werden mußte. Aber auch dieser lieferte zuverlässige Ergebnisse nur von Bohrlöchern aus. Solche aber lediglich aufs Geratewohl anzulegen, verbot sich der hohen Kosten wegen. Und doch waren immer noch Sickerungen von bedeutender Stärke vorhanden. Ich sah mich daher veranlaßt, der von Herrn Doli vorgeschlagenen Methode der Auffindung mit der W ü n s c h e l r u t e näherzutreten. Das scheinbar Mystische des Vorgangs, der auf Grund der bisher bekannten physikalischen Gesetze und physiologischen Beobachtungen durchaus nicht zu erklären ist, ließen mich mit großem Mißtrauen an dieses Mittel herantreten. Zwei Beobachtungen haben mich dann aber doch bestimmt, die Wünschelrute ernst zu nehmen oder wenigstens den grundsätzlich ablehnenden Standpunkt aufzugeben. 1. Herr Doli zeigte mir mit der Wünschelrute in der Hand unterhalb der Sperrmauer, wo infolge der Talregulierung irgendwelche früheren Oberflächengestaltungen nicht mehr erkennbar waren, einen unterirdischen Wasserlauf an, und es ergab sich, daß dieser genau mit dem während der Bauzeit angelegten Wasserhaltungsgraben übereinstimmte, der nur einem mit dem Verlauf der Bauarbeiten Vertrauten bekannt sein konnte. 2. Noch überraschender war eine Wahrnehmung über das Verhalten der Rute selbst. Sobald Herr Doli in den »Wirkungsbereich« des unsichtbaren Wasserlaufs eintrat, bog sich die nur leicht in den offenen Händen ruhende Stahldrahtrute a u s i h r e r E b e n e h e r a u s etwas nach unten und schlug beim nächsten Schritt im umgekehrten Drehsinne nach oben herum. Die Bewegung der Rute, die kräftig gegen die Brust des 157
Trägers schlug, hörte erst auf, wenn dieser vorwärtsschreitend aus dem »Wirkungsbereich« heraustrat. Mangels jedes weiteren Anhalts habe ich mich von nun an der Wünschtlrute in den Händen des Herrn Doli zur Auffindung der noch nicht gedichteten Spalten bedient. Die Anzeigen sind ausnahmslos durch Färb- oder Salzhöllensteinversuche bestätigt worden. Besonders interessant ist ein Fall, bei dem zunächst die Angabe nicht zuzutreffen schien, dann aber doch in ganz überraschender Weise in doppeltem Sinne bestätigt wurde. Herr Doli hatte auf Grund der Anzeigen der Wünschelrute behauptet, daß von dem fertiggedichteten Loch 6 noch eine Kluft nach dem sogenannten Hakenbrunnen führe, der links abwärts außerhalb des Abflußgebietes der Talsperre liegt. Mehrere Farbversuche blieben jedoch völlig ergebnislos, so daß die Richtigkeit der Angabe btzweifelt werden mußte. Einen ganzen Tag hatten wir mit fruchtlosim Warten und Beobachten zugebracht. Auf dringendes Ersuchen des Herrn Doli nahm ich sodann zwei Tage später einen Salzhöllensteinversuch vor. Eine kräftige Salzlösung wurde in das Bohrloch eingegossen und von Zeit zu Zeit Wasser aus dem Hakenbrunnen entnommen, um tropfenweise Höllensteinlösung zuzufügen. Nach etwa IV2 Stunden trat eine deutliche Reaktion ein. In dem bei der Entnahme völlig klaren Wasser erschien die typische wolkigblaue Trübung, ging dann aber plötzlich in Grün über, und innerhalb weniger Minuten war das Wasser smaragdgrün. Z w i e f a c h w a r der Beweis e r b r a c h t ! Als ich im Winter 1910 aus meinem Amt in Gotha schied, waren die Wasserverluste durch die Sickerungtn auf 5°/ 0 herabgesunken. Nur noch zwei nennenswerte Defekte waren zu beseitigen: kurz oberhalb der Filteranlage sowie im Hof und im Keller eines in deren Nähe liegenden Wohnhauses, das inzwischen von der Stadt Gotha angekauft worden war. Ihre Dichtung soll durch die Löcher 34 und 35 erreicht werden, die ebenfalls nach den Anzeigen der Wünschelrute bestimmt und bereits gebohrt sind. Farbversuche sollen auch hier den Zusammenhang mit den Sickerungen und damit die Richtigkeit der Angabe bestätigt haben. Die Dichtung ist bisher nur dishalb nicht erfolgt, weil infolge der Trockenheit des Jahres 1911 das unvermeidliche Ablassen der Talsperre noch nicht angängig war. Die Locht r 31—33 sind von geringer Tiefe und haben den Zweck, in der Sohle des Hochwassi rkanals austretende Sickerungen zu beseitigen1). Für das so heiß umstrittene Problem der Wünschelrute s i n d die Beobachtungen bei der Gothaer Talsptrre insofern von besonderer Bedeutung, als ts sich um ganz bestimmte, mehr oder weniger engbegrenzte Was1 ) Sie sind in der Zeichnung fortgelassen, um die Übersichtlichkeit nicht zu stören.
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eeradern handelte, so daß eine falsche Angabe unbedingt erkannt werden mußte, und weil ihr Vorhandensein auch nicht aus der Vegetation oder sonstigen äußeren Anzeichen erraten werden konnte, da die Adern erst kurz vorher durch die Überstauung zu wasserführenden gemacht worden waren. Der glänzende Erfolg der Dichtungsarbeiten, der die Stadt Gotha vor ungeheuerem Schaden bewahrt hat, muß also zum großen Teil den Anzeigen der Wünschelrute zugeschrieben werden. B e i s p i e l 5 1 ). Die Sickerungserscheinungen an der Briixer Talsperre und ihre Dichtung mit Hilfe der Wünschelrute. Von Dr.-Ing. Marquardt, Stadtbaurat, München. Abdruck aus dem »Bauingenieur«, Jahrg. 1926, Heft 52, Berlin, Verlag Julius Springer.
Ü b e r s i c h t . Die bei der erstmaligen Beckenfüllung der Brüxer Talsperre am linken Hang sich zeigenden Sickerungen werden in ihrem örtlichen Verlauf durch einen Wünschelrutengänger festgelegt. In die danach angesetzten 10 Bohrlöcher wird Zementmilch eingepreßt. Die auf diese Weise mit mäßigen Kosten bewirkte Dichtung der klüftigen Sickerwege hatte einen Rückgang der Wasserverluste von 132,3 sl auf 38 sl zur Folge. Die an den Sickerwässern der Brüxer Talsperre fortlaufend gemessenen Kalkauslaugungen gewähren einen Einblick in den mutmaßlichen Grad der Versinterung der Dränagerohre und mahnen zur Vorsicht bei Außerachtlassung des Sohlenwasserdrucks bei der Berechnung von Gewichtsstaumauern mit entwässerter Sohle. Die von 1907—1910 durchgeführten Dichtungsarbeiten an der in den Jahren 1902—1905 erbauten Tambachtalsperre der Stadt Gotha 2 ) galten bisher als wichtigstes Beispiel für die erfolgreiche Verwendung der Wünschelrute bei Ausführung eines großen Bauwerkes. Die in den Jahren 1914 und 1915 durchgeführten Abdichtungsarbeiten an der Hammergrund-Talsperre der Stadt Brüx i. B. stellen eine Wiederholung derartiger Arbeiten dar und verdienen wegen der besonderen Bedingungen, unter denen das Aufsuchen der Wasseradern erfolgte (in beiden Fällen durch den Wünschelrutengänger Eduard Doli aus Gotha) und wegen der ständigen Vergleiche der Dichtungsarbeiten mit den Wünschelrutenuntersuchungen Beachtung. Die diesen Dichtungsarbeiten zugrunde liegenden Arbeitsvorgänge und damit erzielten Ergebnisse sollen im folgenden mitgeteilt werden. ') Rutengänger: Doli. *) Journal für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung 1912, S. 561—654.
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Die ö r t l i c h k e i t der D u r c h f l u ß s t e l l e n Die in den Jahren 1911—1914 nach dem Entwurf und unter der Oberleitung von Professor Dr.-Ing. Weyrauch-Stuttgart erbaute Talsperre im Hammergrund schließt bei 53 m größter Mauerhöhe und 220 m Kronenlänge ein Trinkwasserbecken von 1,5 Mill. m 3 Inhalt ab 1 ). Die Sperrstelle ist zu beiden Seiten von steil ansteigenden Talwänden begrenzt. Die nordöstliche linke Talseite steigt mit 1 : 1 , die rechte Talwand wesentlich sanfter, mit 1 : 2 an. Das Talgefälle selbst beträgt etwa 8 % (Abb. 44, 47 und 48).
Abb. 44. Lageplan der Hammergrundtalsperre.
Der Hammergrund ist ein im südlichen Abfall des böhmischen Erzgebirges in den Hauptgneis (Zweiglimmergneis mit vorherrschendem Magnesiaglimmer) eingeschnittenes Erosionstal. Auf beiden Talhängen und auf der Sohle tritt der Gneis zutage, sofern er nicht von überlagertem alluvialen Gebirgsschotter bedeckt ist. Der die Sickerstellen aufweisende linke Talhang hat über der Felssohle eine von unten nach oben von 2 m auf 1 m abnehmende Verwitterungsschicht (Abb. 45). Da die Sperrstelle in der breiten Abbruchzone liegt, welche sich längs des südlichen Fußes dieses Teiles des Erzgebirges hinzieht und in welcher eine Absenkung eingetreten ist, so sind die Gesteine durch zahlreiche, nach allen Richtungen verlaufende Spalten durchsetzt. Die Lagerungsverhältnisse sind vielfach verworrene und sehr gestört und erwecken stellenweise den Eindruck eines regellosen Trümmerwerkes (Abb. 46, Tafel XV). Die vielen, das Gestein durchsetzenden Risse und Druckflächen sind Spuren des ZerR. Weyrauch, Die Talsperrenanlage Konrad Wittwer, Stuttgart 1916.
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der kgl. Stadt Brüx
in Böhmen.
störungsvorganges. Der Prager Geologe, Hofrat Laube, sagt hierüber in seinem Gutachten vom April 1908: »Was die Lagerungsverhältnisse anbelangt, so zeigt sich der Gneis zwar durchwegs mit Bruchklüften durchsetzt und gegen sein Ausgehendes durch die Erosion stark gelockert; Verwerfungen jedoch, welche als bedenkliche Störungen im Bereiche des Gebietes betrachtet werden könnten, sind nicht nachzuweisen.« Ein sowohl für die Standfestigkeit der Mauer wie auch für ihre Abdichtung am Berghang günstiger Umstand war, daß die Schichten etwa unter 15° gegen das Becken einfielen (Abb. 46, Tafel XV). >Sp
s
O —iebung • L ; ' , sehen Lage nach aber ver' r ' schiedenen Dolomitkomplexe entlang der starken Verwerfung a—b aneinanderstießen, an der also der südwestliche Flügel um mehrere 100 m abgesunken sein mußte. Da die Überschiebungsfläche von H über Z rasch nach Süden abfällt, kann sie nicht mehr am Osthang der Höhe 1427, etwa südlich Punkt b, auftauchen » t 500 und muß daher der geologischen Oberflächenaufnahme Abb. 75. verborgen bleiben. Eine unmittelbare Bestätigung — außer etwa dem Nachweis der großen Verwerfung a—b in dem felsigen Gehänge — war also nicht zu bekommen. Mittelbar liegt sie aber in der einheitlichen und scharfen Abgrenzung der beiden bezüglich ihrer Unterlage auf die Rute verschieden reagierenden Dolomitkomplexe, die anders in keiner Weise zu erklären ist. 3. Am Nordrand der Ostalpen zieht sich die sogenannte Flyschzone entlang, ein fast versteinerungsleerer Gesteinskomplex aus Sandsteinen und Kieselkalken. Über die für die Klärung der Großtektonik des Alpenrandes wie für gewisse Fragen der praktischen Geologie gleich wichtige Entscheidung: ob die Sandsteingruppe des Flysches älter sei als die Kieselkalkgruppe, oder umgekehrt, wird seit mehr als zwei Jahrzehnten gestritten. Die intensive Zerstückelung der Zone durch Verwerfungen bringt es mit sich, daß sowohl Sandsteine wie Kieselkalke in jeder beliebigen gegenseitigen Lage an der Oberfläche anstehen können, ohne ein Bild von der ursprünglichen Lagerung zu geben, und daß die Entscheidung nur von der Auflösung der Kleintektonik zu erwarten ist. Es wurde daher für ein bestimmtes, dem Verfasser wohlbekanntes Gebiet der tektonische Bau der Flyschzone mit folgender Methode aufgenommen: Zunächst waren die größeren Verwerfungen, die sich zu Hunderten scheinbar M a i t z a h n , Handbuch.
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regellos durchschneiden, aber doch vier Hauptrichtungen erkennen lassen (vgl. auch Abb. 76), mittels der Rute mit möglichster Vollständigkeit fest-
zulegen. Die von ihnen abgegrenzten drei- und mehreckigen Flächen (räumlich: Prismen) wurden auf ihr Gestein untersucht; dort, wo Anstehendes nicht gleich aufzufinden war, mußte das Gestein zunächst 226
durch die Rute bestimmt, konnte dann aber fast immer noch durch Anstehendes bestätigt werden. In wenigen Fällen ergaben sich dabei Irrungen der Wünschelrute, und zwar dadurch, daß der Kieselkalk mitunter sandig wird, der Sandstein dagegen in verkieselten Kalkstein übergehen kann, Modifikationen, in denen beide Gesteine sich sehr nahe kommen und dann mit der Rute nicht mehr sicher zu unterscheiden sind. Sodann wurde in jedem durch Verwerfungen abgegrenzten Block die Unterlage des mit der Rute oder durch Augenschein bestimmten Flyschgesteines sondiert. Niemals fand sich dabei etwas anderes als unter den Gesteinen der Kieselkalkgruppe die der Sandsteingruppe, und unter den letzteren die der sogenannten Helvetischen Kreide (s. Beispiel 4), worin sich die Unterlagerung der Kieselkalke durch die Sandsteine und dieser durch die Helvetische Kreide ausdrückte. Die weiteren Arbeiten am Nordrand der Flyschzone, von denen ein Ausschnitt in Beispiel 4 gegeben wird, stimmten mit diesen Befunden in jeder Weise überein und bestätigten die innerhalb der Flyschzone mit der Rute gewonnenen Erfahrungen. 4. Am Alpenrand sind durch die gebirgsbildenden Kräfte ursprünglich nebeneinanderliegende Schichtkomplexe übereinander geschoben worden. Ein dichtes Netz nachträglicher Verwerfungen (die zusammen mehrere 1000 m Sprunghöhe erreichen) hat aber diese einfachen Verhältnisse so vollständig verwischt, daß jede der verschiedenen Hypothesen über die Entstehung des Alpenrandes in dieser verworrenen Lagerung Stützen zu finden glaubte. In Abb. 76 ist ein zwar kompliziertes, aber in vielen Teilen gut überschaubares Beispiel aus dieser Randzone gegeben. Es bedeuten dabei Fi und Fl Kieselkalk- und Sandsteingruppe der in Beispiel 3 besprochenen Flyschzone; sie sind tektonisch aufgelagert (d. h. also: überschoben) auf die etwa gleichaltrigen Schichten der »Helvetischen Kreide«: S; diese wieder in vielfach gebrochener tektonischer Linie oberflächlich angelagert, in der Tiefe aufgelagert (überschoben) auf die viel jüngeren tertiären Schichten 0 . Die drei in Betracht kommenden Schichtkomplexe sinn petrographisch scharf geschieden — trotzdem gelegentlich sich gleichende Gesteinslagen vorkommen — und gaben daher zu Verwechslungen nicht allzuviel Anlaß. Das Gelände ist in der Nordhälfte des Kartenausschnittes übersichtlich, und zwar von der 550-m-Kurve nach Nordosten eben und ohne Aufschlüsse (breite Talaue); im Nordwestviertel steigen größtenteils moränenbedeckte Berge bis 300 m über die Talaue auf. Die Südhälfte besteht aus 500—800 m hohen, durchweg bewaldeten Hängen und ist meist ganz unübersichtlich. Zum Teil — und zwar gerade in den entscheidenden Partien — verdeckt auch hier Moräne und Gehängeschutt das anstehende Gestein. Soweit es zutage tritt, ist es in der Skizze angegeben. — Die Aufnahmen (die für den in der Abb. 76 dargestellten Raum etwa eine Woche beanspruchten) wurden nicht in der Weise vorgenommen, daß zunächst anstehendes Gestein aufgesucht und dann mit der Rute nach dessen Fortsetzung unter der 18*
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Moränendecke und nach seiner seitlichen Begrenzung geforscht worden wäre, sondern man ging Abschnitt für Abschnitt kreuz und quer ab und notierte nacheinander, was sich der Beobachtung mit dem Auge oder mit der Rute bot; also eine ähnliche Methode wie bei dem einfacheren Beispiel der Abb. 74. Die außerhalb der schraffierten und punktierten Flächen auf dem Kartenausschnitt verzeichneten Schicht- und tektonischen Zeichen bedeuten also Ergebnisse der Wünschelrutenaufnahme. — Der außerordentlich verzwickte Verlauf der Grenzen der drei tektonischen Einheiten ließ fast niemals beim Überschreiten einer tektonischen Linie voraussehen, was nun kommen würde, anderseits fanden sich in jedem der Zwickel Stellen mit anstehendem Gestein, die die Rutenangabe nachzuprüfen erlaubten. In keinem Falle zeigte sich dabei ein Irrtum, außer einmal eine Verwechslung von Flyschkieselkalk und -sandstein, die wohl auf die unbeachtete Nähe einer Verwerfung zurückzuführen ist. (Deren Wirkung auf die Rute verdeckt in einer mehrere Meter breiten Zone stets den Gesteinsausschlag, ganz oder wenigstens teilweise.) Die mit der Rute schon früher (s. Beispiel 3) gefundene unmittelbare Überlagerung der Helvetischen Kreide S durch Flyschsandstein Fs zeigte sich an mehreren Stellen (a, b, c der Abb. 76) klar aufgeschlossen und wurde auch überall im Bereiche der Abb. 76 unter dem Fs mit der Rute wiedergefunden. In der gleichen Weise zeigte die Rute unter der Helvetischen Kreide S durchweg das Tertiär 0 an — leider ohne daß über Tag eine direkte Bestätigung zu erlangen war, da die Grenze von einem System gewaltiger Randbrüche gebildet wird, an welchem der Ausstrich dieser Überschiebung meist über 1000 m in die Tiefe gesunken ist (s. Profil Abb. 76). Über eine indirekte und, wie mir scheint, einwandfreie Bestätigung dieser vielumstrittenen, theoretisch wie praktisch wichtigen Auflagerung der Einheit S auf die Einheit 0 kann, aus hier nicht zu erörternden Gründen, zur Zeit noch nichts ausgesagt werden. — Daß sich eine Gesteinsschicht auch unter hoher Bedeckung durch Schotter usw. mittels der Rute mit genügender Sicherheit bestimmen läßt, zeige folgendes Beispiel: Die Grenze zwischen den Einheiten S und 0 war westlich von Punkt e bei Gelegenheit einer früheren kursorischen Begehung im Anstehenden aufgenommen und (zunächst ohne Begehung mit der Rute) als genau nach Osten zum Punkt / und nach Westen zum Punkt d sich fortsetzend angenommen worden (gestrichelte Linie e—/). Bei einer späteren Sondierung des nordöstlichen Talgrundes von Süden her gab die Rute südlich /, wie vorauszusehen, unter reichlich 100 m Talschotter die Helvetische Kreide S an und bei / eine starke Verwerfung in der Lage der gestrichelten Linie e—/. Von da ab nach Norden wurde das Tertiär O erwartet, von der Rute aber bis zum Punkt g ununterbrochen und auch bei allen Nachprüfungen S angezeigt und darunter in großer Tiefe O. Erst vom Punkt g ab nach Norden verschwand S und herrschte O unter der Schotterbedeckung allein. Die weitere Aufnahme der so gefundenen 228
Grenze S/O führte nach Südwesten auf den Punkt e und zielte nach Ostnordosten über die hier 14 km breite Talaue genau auf die jenseits wieder zutage tretende Grenze S/O. Ferner ließ sich die Grenze auch dadurch bestätigen, daß sie an verschiedenen Tagen und an zahlreichen Stellen der Talaue mit der Rute nachgeprüft wurde und dabei stets die gleiche lückenlos zusammenhängende Linie ergab, ein Befund, der bei der Art der Aufnahmeverhältnisse unmöglich hätte eintreten können, wenn er nicht ein und dieselbe objektive Ursache, nämlich die Grenzfläche zwischen den Einheiten S und 0, gehabt hatte. Eine dritte, ebenfalls unerwartete Bestätigung kam ganz zum Schluß der Aufnahme dadurch hinzu, daß nördlich der früher theoretisch angenommenen Grenzlinie e—/ an der Stelle k sich die Helvetische Kreide S anstehend fand, womit ihr Vorkommen nördlich von e—/ festgestellt und die Richtigkeit der Rutenangabe — soweit sie den Gesteinsinhalt des Blockes e—/—g betraf — bewiesen war. Das so gewonnene geologische Bild erscheint auf den ersten Blick kompliziert genug und wäre es noch mehr, wenn nicht von den Tausenden diese Zone durchziehenden Verwerfungen auf der Skizze nur diejenigen zur Darstellung gekommen wären, die zugleich die Grenze einer tektonischen Einheit bilden, und diese auch nur so weit, als sie eben diese Grenze darstellen. Aus dem Überspringen der Grenzen der tektonischen Einheiten von einer Verwerfung auf die andere erklärt sich ihr winkliger Verlauf. Das beigefügte Profil Abb. 76 zeigt, wie dieser Grundriß räumlich zu deuten ist und läßt den über alle späteren Komplikationen hinweg doch klaren Grundbauplan des Alpenrandes mit Deutlichkeit erkennen. Freilich geht dieses Beispiel etwas über die Absicht dieser Arbeit: die Aufnahme von tektonischen Linien und Gesteinen nahe unter der Oberfläche durch die Rute zu zeigen, hinaus, aber es weist dadurch auf die weitere Anwendungsmöglichkeit der Rute hin: n i c h t n u r e i n e b e s t i m m t e , s o n d e r n a l l e G e s t e i n s l a g e n in d e r T i e f e zu b e s t i m m e n , d i e s b i s in m ö g l i c h s t g r o ß e T i e f e n d u r c h z u f ü h r e n , und d r i t t e n s die a b s o l u t e T i e f e n l a g e j e d e r beliebigen Gesteinsschicht wenigstens a n g e n ä h e r t festzus t e l l e n . Was in dieser Richtung schon erreicht wurde und was noch zu erstreben ist, soll einer späteren Darlegung und einer Veröffentlichung praktischer Arbeiten vorbehalten bleiben. 5. Als letztes Beispiel aus den Alpen mag noch die Aufnahme von Verwerfungen und anderen tektonischen Flächen erwähnt sein, die häufigste und verhältnismäßig einfachste Tätigkeit der Wünschelrute bei geologischen Arbeiten in tektonisch gestörten Gebieten. Abgesehen von der unmittelbaren, durch kein anderes Mittel zu erreichenden Aufhellung der Tektonik in bedecktem Gelände (vgl. die Beispiele 2, 3 und 4) gewährte dieses Verfahren Einblicke in die dynamischen, räumlichen und 229
zeitlichen Funktionen der Verwerfungen usw., die den bisher üblichen Anschauungen zum Teil erheblich widersprachen. Jede derartige Störungslinie wurde, sofern sie unter diluvialer oder alluvialer Bedeckung lag und von einiger Bedeutung war, durch Feststellung des Gesteins auf beiden Flügeln mittels der Rute und durch Verfolgung bis ins Anstehende nachzuprüfen gesucht. Fehler ergaben sich dabei höchstens dann, wenn man bei der Verfolgung der Linie in eine andere sie spitzwinklig kreuzende geriet, was um so leichter eintreten konnte, als auf der Kreuzungsstelle zweier tektonischer Linien der Verwerfungsausschlag stets auslöscht. Aus dem gleichen Grund kann man wohl auch eine große Verwerfung übersehen, wenn man sie etwa auf einem schmalen Waldweg gerade an der Stelle überschreitet, wo sie von einer anderen gekreuzt wird. — Von nicht geringer Wichtigkeit ist die mit Hilfe der Wünschelrute gemachte Feststellung, daß Verwerfungen, die zweifellos im jüngeren Tertiär (Miozän) entstanden waren, offenbar ganz allgemein nach der Eiszeit, also in der geologischen Gegenwart, noch immer in Bewegung waren. Gelangt man bei der Verfolgung einer solchen Linie in Aufschlüsse von geschichteten Moränen oder von späteiszeitlichen Schottern, Sanden oder Tonen, so kann man fast immer an diesen Stellen in den jungen Ablagerungen Verschiebungen nach Art von Verwerfungen oder Flexuren bemerken, die Ausmaße von einigen Zentimetern bis zu einigen Metern haben. — Die Genauigkeit, mit der die Rute tektonische Linien anzeigt und die bei der Verfolgung in anstehendes Gestein nachgeprüft werden kann, beträgt etwa ± 10 cm bei geringer Bedeckung. Bei hoher Bedeckung — etwa in stark aufgeschütteten Talauen — scheint die Fehlergrenze im allgemeinen wenige Meter nicht zu überschreiten. Nur in gewissen Fällen treten hier starke und unberechenbare Verzerrungen des Oberflächenbildes gegenüber dem tiefliegenden Objekt auf, die nach Art und Ursache noch ganz ungeklärt sind und noch einer eingehenden Untersuchung bedürfen. II. 6. Wie im Alpengebiet in der Kreide- und Tertiärzeit, so war in Mitteldeutschland in der weit zurückliegenden Karbon-(Steinkohlen-)Zeit ein ausgedehntes Gebirge entstanden, das ähnliche tektonische Erscheinungen aufweist wie die Alpen. Nur sind sie, bei der weit fortgeschrittenen Einebnung des ehemaligen Gebirges und der häufigeren Bedeckung mit jüngeren Schichten, mit gewöhnlichen geologischen Mitteln sehr viel schwerer als in den Alpen festzustellen. Auf große Überschiebungen ist man erst in den letzten Jahren aufmerksam geworden; zum Teil gelang ihr glaubhafter Nachweis, zum Teil blieben sie Vermutung. Es wurde nun versucht, in der Umgebung des Fichtelgebirges an einigen hochgelegenen Gneiskomplexen, bei welchen von anderer Seite Überschiebung 230
über jüngere Schiefer vermutet worden war, mit der Rute den Untergrund zu sondieren, und zwar an einer isolierten Gneismasse und an einem weitgedehnten Gneisrand. Erwies sich dieser Untergrund als auch aus Gneis bestehend, so handelte es sich einfach um schuppen- oder horstartig aus dem Untergrund aufgepreßte Schollen. Bestand er jedoch weithin aus denselben um sehr viel jüngeren Schiefern, wie sie in der Umgebung bzw. im Vorland anstanden, so war eine Fernüberschiebung bewiesen. An dem genannten isolierten Vorkommen konnte nun mit der Rute ein lückenloses Durchziehen der in der Umgebung anstehenden, a m Rand unter die Gneismasse einfallenden Schiefer unter der ganzen Ausdehnung des Gneises festgestellt werden. Das so gewonnene Profil deckte sich genau mit den an den Flanken des Gneis Vorkommens über T a g zu beobachtenden Verhältnissen. Ebenso wurde in der kurzen Strecke, innerhalb deren an dem anderen Vorkommen Untersuchungen vorgenommen werden konnten, die gleiche Überlagerung der Schiefer durch den älteren Gneis, also ebenfalls eine zweifelsfreie Überschiebung mit der Rute festgestellt. — Bei der Lage der Dinge kann hier aus den Oberflächenbefunden ein direkter Beweis für die Richtigkeit der Rutenangabe natürlich nicht erbracht werden — das könnte nur eine Bohrung — aber indirekt scheint mir der Beweis dadurch gegeben, daß ohne das objektive Vorhandensein der von der Rute angezeigten Gesteinslagerung das Bild dieser Lagerung unmöglich so eindeutig in sich zusammenstimmen könnte. 7. Verfasser versuchte weiterhin, im Vorland der in Beispiel 6 erwähnten Vorkommen über die äußerst komplizierte Tektonik der dortigen paläozoischen Schichten mittels der Wünschelrute Klarheit zu bekommen, wobei er von dem dort aufnehmenden Landesgeologen durch Mitteilung seiner Aufnahmeergebnisse in dankenswerter Weise unterstützt wurde. Die Gesteine jener Gegend bestehen in der Hauptsache aus schwer zu unterscheidenden Tonschiefern, sodajin Grauwacken und Diabasen. Untergeordnet sind Sandsteine, Kalke und Kieselschiefer eingelagert. Die verschiedenen Tonschiefer mit der Rute voneinander zu unterscheiden, erwies sich als unmöglich und wird es auch wohl dann bleiben, wenn mehr Zeit auf das Studium ihrer einzelnen Variationen verwendet wird, als dem Verfasser zur Verfügung stand. Besser ließen sich die mit den Schiefern durch alle Ubergänge verbundenen Grauwacken und Sandsteine erkennen und würden wohl nach einer gehörigen Ubungszeit eine befriedigende Aufnahme mit der Rute gestatten, desgleichen die Kalke, Kieselschiefer, und die als Eruptivgesteine scharf markierten Diabase. Da durch die geologische Aufnahme die Verteilung der Grauwacken, Sandsteine, Kalke, Kieselschiefer, Diabase usw. auf die einzelnen Formationen ziemlich genau bekannt war, so konnten indirekt mit Hilfe dieser Einlagerungen die Bestimmung der Zugehörigkeit der Schiefer zu einzelnen Formationen auch in der Tiefe an mehreren Stellen 231
versucht und die Möglichkeit gezeigt werden, daß die Rute auch hier — trotz der reichlich vorhandenen Fehlerquellen — zur Klärung der Tektonik beitragen kann. Verschiedene Male gelang es, Gesteinsbefunde, die die Rute nahe unter der Oberfläche angab, durch Befunde an der Oberfläche oder durch nachträgliche Angaben des aufnehmenden Geologen zu bestätigen. 8. Weiterhin möge hier von Erfahrungen berichtet werden, die bei der Aufnahme einiger Basaltkomplexe mit der Wünschelrute gemacht wurden. Das kompakte Basaltgestein läßt sich vom Basalttuff im allgemeinen gut unterscheiden. Vereinzelt kamen Verwechslungen von Basaltlagen mit Tufflagen vor. Nach der R u t e n a u f n a h m e angesetzte oder schon vorher angelegte, aber erst nach der Aufnahme eingesehene Schürfungen haben — mit zwei gleich zu erwähnenden Ausnahmen — den von der Rute angezeigten Tuff bzw. Basalt jedesmal bestätigt. In einer Basaltdecke z. B., deren Mächtigkeit mit der Rute auf ± 5 m und deren Unterlage als Tuff bestimmt wurde, befand sich ein reichlich 4 m tiefes Schürfloch. Die nach der Rutensondierung auf Wunsch des Verfassers vorgenommene Vertiefung des Loches traf etwa 5 m unter der Oberfläche auf Tuff und bewies d a m i t die Richtigkeit der Rutensondierung. — Die Beobachtung an zwei Schürflöchern, deren Befunde nicht mit denen der Rute übereinstimmten, wiederholten jedoch die auch in den Alpen wie auf der Insel Mallorca einigemal gemachte Erfahrung, d a ß innerhalb der obersten 3—4, vielleicht auch 5 m der Erdrinde die Ausschläge, auch wenn sie klar und eindeutig erschienen, mitunter (nicht immer) sich als unzuverlässig erweisen. Es scheint, daß dieses noch ungeklärte und sehr zur Vorsicht mahnende Phänomen dann eintritt, wenn die betreffende Schicht nicht mehr von einer anderen bedeckt wird. Ein ähnliches Verhalten ist vom Wasser bekannt, das als offene Wasserfläche auf die Rute nicht wirkt, dagegen schon unter geringer Bedeckung einen Rutenausschlag hervorruft (s. auch Beispiel 10, S. 234). — Reiner Basalttuff läßt sich von der tertiären Tonunterlagerung und -Überlagerung jener Gegend mit genügender Sicherheit unterscheiden, schwer dagegen, wenn der Tuff tonig zersetzt oder mit mitgerissenen Fetzen des Tertiärs durchsetzt ist. Die mit Basalt oder Tuff gefüllten Zuführungskanäle (Schlote) waren mit der Rute immer scharf zu erkennen, gleichgültig, ob sie an der Oberfläche mündeten oder in einer tieferliegenden Basaltdecke. Wie schon in früheren Jahren, an anderen Stellen, wurde auch jetzt wieder beobachtet, d a ß die Eruptivgesteine, also Basalt, Granit, Porphyr u. dgl., über alle Verschiedenheit der Gesteinsausschläge hinweg noch einen gemeinsamen Ausschlag haben, der mindestens durch seine wesentlich größere Intensität sich vor dem der Sedimentgesteine, wie Schiefer, Kalk, Ton, auszeichnet. Diese Schwierigkeit kann unter Umständen zu Verwechslungen von Eruptivgesteinen miteinander Anlaß geben, ist aber m i t einiger Aufmerksamkeit leicht auszuschalten. 232
III. 9. Auf der Insel Mallorca wurden nur wenige Gesteinssondierungen mit der Rute angestellt, und auch die tektonischen Beobachtungen zeigen gegenüber den unter »I.« aus den Alpen angeführten nichts wesentlich Neues. Erwähnenswert sind lediglich die Erfahrungen beim Arbeiten auf Wasser und auf Höhlen sowie eine auf Kohle. Von dieser letzteren soll zunächst berichtet werden. Abb. 77 — eine aus dem Gedächtnis hergestellte, also im einzelnen nicht genaue Skizze — zeigt einen etwa 500 m im Durchmesser großen, 60—80 m hohen rundlichen Hügel aus älterem
scmchtgrenzen —
Verwerfungen
f
Schichtfallen
a
Stollenmündung M
0
' c. 1 ; 10000 WO 200 300m.
A b b . 77.
Tertiär (Unteroligozän: Ot) mit Kreideunterlage (N). Die Lagerung des Tertiärs, in dessen unteren Partien sich ein gutes Pechkohlenflöz findet, ist im ganzen flach schüsseiförmig, aber durch Verwerfungen und Verschuppungen in sich gestört. Die Kohle wird von Süden her durch einen Hauptstollen und mehrere Zweigstollen abgebaut; einen Plan dieser Stollen bekam Verfasser nicht zu Gesicht, dagegen waren die beiden ihn begleitenden Steiger der Grube über die Stellen der Hügeloberfläche orientiert, welche genau über gewissen wichtigen Punkten des Bergwerks lagen und durch Vermessung festgelegt waren. Ohne über diese Punkte Auskunft zu geben, führten die beiden Steiger von der Stollenmündung aus den Verfasser kreuz und quer über den mit schütteren Kiefern bestandenen unübersichtlichen Hügel und baten ihn anzugeben, wo die Rute ein Zuendegehen des Kohlenflözes anzeige. Bei dieser Begehung erwies sich an den Punkten ¿>, c und d (in der Skizze nur ihrer ungefähren Lage nach eingezeichnet) das Flöz durch tektonische Flächen abgeschnitten. Die Stellen stimmten nach Aussage der Steiger bis auf etwa 2 m genau mit den vermessenen, unter Tag festgestellten Flözenden überein. Die Steiger gingen dabei fast immer h i n t e r dem Rutengänger. Die betreffenden Projektionen ihres Grubenplanes auf die Hügelober233
fläche hatten sie sich an bestimmten Bäumen, Steinblöcken usw. gemerkt ; für den Rutengänger waren sie als solche nicht erkennbar. Derselbe Befund und dieselbe Übereinstimmung zeigte sich weiter bei P u n k t e, der unter Tag m i t einem Stollen um 4—5 m in nordöstlicher Richtung überfahren war, ohne eine Fortsetzung des Flözes anzutreffen. Die Steiger meinten, d a ß hier im Nordostviertel des Hügels wohl keine Kohle mehr komme, obgleich ein geringer Ausbiß a m Hang bei g durch Schürfung festgestellt war. Die Rute zeigte aber nach etwa 10 m, jenseits einer zweiten Verwerfung, bei /, das Wiedereinsetzen des Flözes und weiterhin seine ununterbrochene Fortsetzung bis g, wo es lediglich infolge lokaler Verschuppung verquetscht und stark reduziert war. Da die Sondierungen mittels der Rute an fünf Stellen (b, c, d, e, g) mit den tatsächlichen Verhältnissen zusammenstimmten, darf wohl nicht gezweifelt werden, daß auch die Fortsetzung des Stollens von e aus nach Nordosten bei / wieder kohleführendes Gebirge antreffen wird; wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, d a ß das Flöz hier eine gegenüber e veränderte Tiefenlage h a t . 10. Bei einer Motorbootfahrt entlang der größtenteils unzugänglichen nordwestlichen Steilküste der Insel konnten folgende Beobachtungen mit der Rute gemacht werden: Die Fortsetzung einer größeren, an den Felshängen gut sichtbaren Verwerfung war noch etwa 1 km vom Ufer entfernt bei 39 m Wassertiefe völlig deutlich und mit den normalen drei Seitenausschlägen festzustellen. — Dagegen konnte auf Gesteine (es handelte sich u m Kalk und Dolomit) ein schwacher Ausschlag erst bei einer geringeren Wassertiefe als 20 m bekommen werden, ein Resultat, das in Anbetracht der klaren und kräftigen Gesteinsausschläge, die man auf dem festen Land in dieser Tiefe bekommt, nicht recht verständlich ist. Es bot sich keine Gelegenheit mehr, den Versuch an anderen, tektonisch weniger stark gestörten Stellen zu wiederholen, so d a ß zur Zeit auch noch nichts darüber ausgesagt werden kann, ob in dem besprochenen Fall nur lokale Ursachen den Ausschlag störten, oder ob über tieferem Wasser die Feststellung von Gesteinen überhaupt unmöglich ist. — Was Ausschläge auf Wasser b e t r i f f t , so konnte beobachtet werden, d a ß sie ausblieben, wenn die Rute über den Bordrand des fahrenden Bootes gehalten wurde, dagegen innerhalb des Bordrandes sofort einsetzten. Hier ermöglichte also die Bedeckung des Wassers durch den Bootskörper den Ausschlag 1 ) (vgl. auch Beispiel 8, Mitte). 11. Zum Schluß noch einige Beobachtungen bei der Untersuchung von Höhlen und deren Inhalten. Zwei benachbarte Höhlen, von denen eine zu den besuchtesten der Insel gehört, waren von ihrem Besitzer auf ihre vermutete Verbindung untersucht worden; es gelang ihm, diese unter Tag zum Teil aufzufinden. Die mit der Rute an der Oberfläche bzw. die Nichtverrenkung des Rutengängers.
234
Maitzahn.
aufgesuchte, im einzelnen ziemlich komplizierte Verbindung deckte sich nach Angabe des begleitenden Besitzers genau mit der von ihm gefundenen, soweit sie ihm festzulegen möglich gewesen war. An einer anderen großen Höhle stimmte die mit der Rute an der Oberfläche gefundene Umgrenzung ebenfalls mit dem Grundriß der Höhle überein, wie ihn der vor einigen Jahren vermessene Plan darstellte. Über diese bekannte Umgrenzung hinaus konnten mit der Rute noch verschiedene Anhängsel und Fortsetzungen nachgewiesen werden, die in der Höhle selbst durch Kalksintervorhänge oder Wasserbedeckung verschlossen und daher nicht nachprüfbar waren. Die tiefer gelegenen Partien der genannten drei nahe an der Küste gelegenen Höhlen sind teils mit Seewasser angefüllt, das durch Kanäle mit dem Meer kommuniziert, teils mit Süßwasser aus dem Innern der Insel. Süß- und Seewasser in den Höhlen konnte von der Tagesoberfläche aus leicht bestimmt werden, desgleichen ihre allmähliche Vermischung innerhalb der einzelnen Höhlenbecken. Auf eine eigentümliche Erscheinung machte der Besitzer der zuerst genannten Höhlen den Verfasser aufmerksam. Überall dort, wo eine bekannte oder durch die Rute festgestellte Höhle im Untergrund lag, setzte an der Erdoberfläche die »Macchia«, das dichte, zum Teil immergrüne Buschwerk, aus, und zwar ganz scharf, so daß die betreffenden Stellen auf die Ferne fast wie rasiert aussahen. An anderen mit Ölbäumen bestandenen Teilen der Insel charakterisierten sich mit der Rute umgrenzte (aber nicht aufgeschlossene) Höhlenkomplexe gewöhnlich durch einen nur solchen Flächen eigentümlichen Pflanzenwuchs, hauptsächlich durch eine bestimmte Distelart. Eine Temperaturein Wirkung des Höhlenraumes durch die 10 bis über 30 m mächtige Gesteinsdecke auf das Pflanzenkleid darüber kommt hierbei schon deshalb nicht in Frage, weil die Höhlen warm sind (ihre Temperaturen dürften etwa dem Jahresmittel an der Oberfläche entsprechen). Auch müßte eine Temperatureinwirkung radial von den Höhlenwänden ausgehen, nicht senkrecht nach oben, und könnte in keiner Weise ein so scharfes Oberflächenbild erzeugen, wie es tatsächlich vorhanden ist. Es scheint mir hier nur die eine Erklärung annehmbar zu sein, daß dieselben Kräfte, die auf die Wünschelrute einwirken, dies auch auf die Pflanzendecke tun, ganz gleichgültig, ob nun diese Kraftwirkungen von den Stoffen der Erdrinde unmittelbar ausgehen, oder ob sie tiefer ihren Ursprung haben und durch Gesteine, Wasser, Hohlräume u. dgl. nur modifiziert, gebrochen werden. Die Gefahr soll nicht geleugnet werden, daß diese Erscheinung an solchen Stellen, wo sie auftritt, und für d e n Rutengänger, der sie kennt, Einfluß auf den Rutenausschlag haben kann. Nach unseren Erfahrungen scheint aber diese Fehlerquelle, gerade durch ihr Bekanntsein, ausschaltbar zu sein. 235
B e i s p i e l 16 1 ). Versuche auf Hohlräume in Frankreich 1913 2 ). Der authentische Bericht des Prof. A. Viré über diese Versuche lautet: »Am 22. März dieses Jahres«, sagt Viré, »kam Herr Henri Mager, der Verfasser eines wichtigen hydrologischen Werkes 3 ) und Veranstalter des diesjährigen Wünschelrutenkongresses, der in der Presse Ende März ein so lebhaftes Echo gefunden hat, zu mir, um mit mir ein Experiment zu besprechen, das mit den Rutengängern angestellt werden könnte. Es sollte sich diesmal nicht darum handeln, diese Leute Wasser suchen zu lassen, sondern die Aufgabe sollte darin bestehen, sie mit Hilfe ihres Zauberstabes einfache Höhlungen feststellen zu lassen, die kein Wasser enthielten. Trotz meines absoluten Skeptizismus in dieser Sache ging ich darauf ein, mit der festen Absicht, ihre Fähigkeiten öffentlich zu verkünden, wenn diese sich wider Erwarten bewahrheiten sollten, aber ebenso fest entschlossen, die Herren vor Aufgaben zu stellen, bei denen ein Betrug ausgeschlossen war, und kein Anhaltspunkt an der Erdoberfläche die Beschaffenheit des Untergrundes erraten ließ. Außerdem sollte die Möglichkeit zu unmittelbarer Kontrolle der Rutengängerangaben geboten sein. Mir schienen hier die alten unterirdischen Steinbrüche von Paris und Umgebung alle gewünschten Bedingungen zu erfüllen. Mein Freund Emile Gérards, Unteringenieur bei der Generalinspektion der Steinbrüche und Verfasser einer schönen Monographie »Paris souterrain«, übergab mir mit dem n o c h n i c h t v e r ö f f e n t l i c h t e n h a n d s c h r i f t l i c h e n A k t e n m a t e r i a l drei Pläne von Höhlungen, die den gesuchten Bedingungen entsprachen. Ich ließ mir von einem Teil der Umgrenzung eines dieser Hohlräume eine Pause herstellen und bestellte für den 28. März, morgens 8 Uhr, die Rutengänger, die Jury und die Zeitungskorrespondenten nach dem Rendezvousplatz, der Porte Daumesnil. Da Gérards von seinem Büro nicht abkömmlich war, kannte also n i e m a n d a u ß e r m i r den Schauplatz der Versuche, noch etwa die Beschaffenheit und Form der dortigen unterirdischen Galerien. Etwa 1500 m vom Ziele entfernt wurden die Konkurrenten versammelt. Herr Mager gab ihnen das Thema der Untersuchung bekannt: das A u f s u c h e n w a s s e r l o s e r u n t e r i r d i s c h e r H o h l r ä u m e , was offenbar, und das glaube ich gern, den Gipfel der Schwierigkeit für den Rutengänger darstellt. Nur vier von diesen erklärten sich denn auch bereit, den Versuch zu wagen. Rutengänger: Probst, Lebrun, Pélaprat, Coursange. *) Veröffentlicht in »Nature« 1913, Nr. 2082, S. 328—333. Deutsch in der »Zeitschrift des Vereins der Gas- und Wasserfachmänner in Österreich-Ungarn« 1913, Nr. 15—16. •) H. Mager, Hydrologie souterraine. Les moyens de découvrir les eaux souterraines et de les utiliser. Paris 1912.
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Wir nahmen einen mit und ließen die drei anderen mit den übrigen Rutengängern im Grunde einer bewaldeten Geländefalte zurück, wobei wir sorgfältig die einzuschlagende Richtung vor ihnen verheimlichten. Wir begaben uns sodann zum Schauplatz der Experimente auf dem Gebiete der Gemeinde Saint-Mandé, und zwar in dem Winkel, den die Avenue Saint-Mandé mit der Avenue de Gravelle bildet. Der Boden stellt sich als ein weiter Grasplan dar, der von makadamisierten Straßen durchzogen ist, und konnte in keiner Weise über die Beschaffenheit des Untergrundes Aufschluß geben. Der Untergrund ist folgendermaßen beschaffen : In etwa 16—20 m Tiefe erstrecken sich die Stollen alter Steinbrüche, deren Höhe zwischen 1,25 m und 4 m schwankt und die in grobem Kalkgebirge ausgehauen sind. Hin und wieder sind Pfeiler im anstehenden Gestein als Stützen stehen gelassen. Die Decke der Grubenbaue besteht in einer mittleren Stärke von 14 m aus grobem Kalk, der von Mergel überlagert wird. Das Ganze endlich ist mit Humusboden überdeckt. Weder der Schall, noch etwaige Unterschiede in der Vegetation konnten unter diesen Umständen die Gegenwart der Hohlräume verraten. In meiner Tasche hatte ich den Plan, den ich niemandem gezeigt hatte und der erst zum Vorschein kommen sollte, nachdem alle Versuche beendigt wären, nämlich bei der Kritik. Der erste, der geprüft wurde, war ein Mann namens Pélaprat aus Montflanquin (Lot-et-Garonne), ein ehemaliger Gendarm. Seine Aufgabe lautete, er sollte von einem bestimmten Punkte aus, gleichgültig in welcher Richtung, geradeaus gehen und die angetroffenen Höhlungen melden. Pélaprat kündigte uns gleich zu Anfang zwei unterirdische Gänge an, die den kleinen Weg schnitten, der von dem fixierten Abmarschpunkte ausgeht. Wir wollen diese nicht weiter berücksichtigen, da diese Galerien, falls sie existieren, dem Service des carrières nicht bekannt sind. Wir vermögen also deren Existenz nicht nachzuprüfen (vgl. Abb. 79 NM.). Ein kleines Stück weiter kündigte er einen Hohlraum an, und ich erkannte sofort nach meiner Erinnerung von dem Plane der unterirdischen Galerien, daß er ungefähr die Grenze des Steinbruches getroffen haben mußte. Ich gab ihm daher auf, dessen Grenzen abzuheben und festzustellen; zu meinem nicht geringen Erstaunen sah ich ihn ziemlich genau die Grenzlinie verfolgen. An einem bestimmten Punkte jedoch bog er im rechten Winkel ab und schlug in gerader Linie eine Richtung ein, die nach meiner Schätzung von der wahren Richtung der Sohle des Bruches um 90° bis 120° abweichen mußte. Ich ließ ihn darauf zum Ausgangspunkte zurückkehren, die Grenzlinie im umgekehrten Sinne noch einmal umschreiben und ihn dann an der route circulaire du Parc halten. Unterdessen hatte ich die von Pélaprat angegebene Linie durch Markierung festlegen können. Wir ließen jetzt den zweiten Konkurrenten rufen, Herrn Lebrun, einen Kressehändler aus Niort. Ich stellte ihn an das äußerste Ende der 237
route du Pare, wo diese bei der route de Saint-Mandé auf die Avenue de Gravelle trifft, und bat ihn, die Hohlräume abzugrenzen, die er auf seinem Wege finden würde. Abb. 78 zeigt, daß die Übereinstimmung bei den Kreuzungsstellen des Parkweges mit den Grenzlinien des Hohlraumes völlig zutrifft, daß aber der nördliche Teil durchaus nicht stimmt. Hätte Herr Lebrun wohl diesen kleinen Fehler gemacht, wenn er in die Lage versetzt worden wäre, das Experiment zu gelegener Zeit und mit ausgeruhtem Kopfe zu wiederholen ? Die zwei Tage später mit ihm vorgenommenen Versuche lassen mich glauben, daß er seinen Irrtum selbst korrigiert hätte.
Abb. 78.
Abb. 79.
Abb. 78 und 79. Die von den Rutengängern festgelegten Linien und der Plan des unterirdischen Steinbruches v o n Saint-Mandé. (Die gestrichelten Teile bezeichnen die Konturen des Steinbruches, schwarz die Stützpfeiler.)
Herr Probst aus Buglose (Landes) kam als dritter an die Reihe. Vom Schnittpunkte der beiden Straßen aus sollte er nach Gutdünken eine gerade Linie verfolgen und dabei die route de Saint-Mandé überqueren. In der Nähe der Linie angelangt, die Pélaprat bezeichnet hatte, gab er gewisse Punkte an, und zwar 16 an der Zahl, die drei Quadrate und ein längliches Rechteck umschrieben. Uber die Bedeutung dieser Punkte befragt, erklärte er uns, daß er eine kompakte Masse im Innern der durch die Punkte umschriebenen Figuren spüre und Hohlräume außerhalb derselben, was mich sehr genau an die Pfeiler im Plane des Service des carrières erinnerte (Abb. 78). Herr Coursange aus Chambrillan (par Crest, Drôme), der als letzter an die Reihe kam, erhielt wieder einen anderen Ausgangspunkt für seine Versuche. Er bezeichnete uns einen Brunnenschacht mit mehreren Galerien, die sich von seiner Sohle aus nach verschiedenen Richtungen erstrecken sollten, was auch durchaus zutraf (Abb. 79). 238
An alle stellte ich die Frage, auf welche Tiefe sie den Steinbruch schätzten. Probst gab mir neben einem der von ihm aufgefundenen Pfeiler eine Tiefe von 16 m an. Der Plan des Service des carrières verzeichnet in 5 m Entfernung von diesem Punkte eine Tiefe von 15,85 m. Die drei anderen Rutengänger machten je nach ihren Stellen Tiefenangaben von 16 bis 20 m, was nach dem Plan vollkommen zutrifft. Wir brachen damit die Versuche ab, obwohl sich im letzten Augenblicke noch einige weitere Rutengänger zur Teilnahme bereiterklärten, die sich zu Anfang nicht gemeldet hatten. Aber es war bald Mittag und andere Experimente sollten um y 2 3 Uhr in Argenteuil stattfinden ; ich konnte daher zu meinem Bedauern ihren Bitten nicht willfahren. Jetzt erst holte ich die Planpause des Steinbruches aus der Tasche, die uns zeigte, wie genau die von Pélaprat gezogene Linie mit dem Plane übereinstimmte, der von der topographischen Abteilung des Service des carrières aufgenommen war. Leider hatte ich in meiner Skepsis hinsichtlich der zu erwartenden Resultate, mit der ich an die Versuche herantrat, nur einen kleinen Teil der Begrenzung des Kalkbruches auf meiner Planpause kopieren lassen, und wir konnten daher im Augenblicke die Genauigkeit der Angaben der anderen Rutengänger nicht nachprüfen. Ich bat deshalb Herrn Gérards, anderntags mir meinen Plan zu ergänzen, und hier folgen nun die ganz erstaunlichen Resultate, die sich daraufhin ergaben: 1. Pélaprat. Die von Pelaprat abgesteckte Linie stimmt ungefähr mit der wirklichen Grenzlinie überein. Die Stelle, an der Pélaprat im nördlichen Teile plötzlich nach rechts abbog, fiel außerhalb des Teiles der Grubengrenzen, die in meiner Pause eingetragen waren; ich glaubte, daß sich die Linie in der angegebenen Richtung fortsetzte. Ich war also im Irrtum und Pélaprat hatte recht. Dies ist nach meinem Dafürhalten eine sehr wichtige Tatsache, die im gegenwärtigen Falle j e d e n E i n f l u ß meiner G e d a n k e n auf die V e r s u c h s p e r s o n a b s o l u t a u s schließt. 2. Lebrun. Hier ist nichts hinzuzufügen. 3. Probst. Ich gestehe, daß mir die Ergebnisse der Versuche Probsts weit mehr imponiert haben. S e i n e F e s t s t e l l u n g e n d e c k e n s i c h g a n z g e n a u m i t d e n G r e n z l i n i e n v o n v i e r S t ü t z p f e i l e r n , die im Plane angegeben sind (Abb. 78). Ich will mich bei diesen Tatsachen, die die Planzeichnungen deutlich genug erkennen lassen, nicht länger aufhalten, da ich mir vorgenommen habe, hier nichts als ein nüchternes Protokoll aller erzielten Ergebnisse aufzusetzen. 4. Coursange hatte uns einen Brunnenschacht angegeben. Die Stelle wurde wegen der vorgerückten Zeit auf dem Terrain nur durch Abschreiten festgelegt. Trotz der Ungenauigkeit eines solchen Verfahrens scheint doch der Punkt genau mit einem alten Förderschacht für das Gestein übereinzustimmen, der jetzt mit einer Platte bedeckt ist, auf der eine 2 m mächtige Humusschicht liegt. 239
Diese Resultate erschienen mir so exakt, daß ich den lebhaften Wunsch hatte, die Experimente unter günstigeren Umständen fortzusetzen. Die Versuchspersonen wurden offenbar durch die Anwesenheit einer größeren Zuschauermenge, die sich auf dem Versuchsfelde hinund herbewegte, ungünstig beeinflußt. Sie beeinflussen sich auch, wie sie sagen, gegenseitig, eine Angabe, die ich selbst gelegentlich konstatieren konnte. Obwohl wir schließlich zur Prüfung von vier Personen drei Stunden gebraucht hatten, hatte ich doch das Gefühl, zu schnell vorgegangen zu sein und auch nur die Virtuosen in der Handhabung der Rute gesehen zu haben. Ich wollte mehrere Stunden lang mit einem einzigen Rutengänger experimentieren und in Anwesenheit von nur einer kleinen Anzahl von Kontrollpersonen. Der Abbé Mermet aus Cernier (Kanton Neufchätel, Schweiz) war so liebenswürdig, sich Samstag, den 29. März, mir zur Verfügung zu stellen. Es war ausgemacht worden, daß er sich ganz in meine Hände geben sollte, nicht als Rutengänger, der da behauptet, alles und noch einiges mehr zu können, sondern a l s ein p h y s i k a l i s c h e s I n s t r u m e n t , dessen Reaktion studiert werden sollte. Die Versuche fanden im Jardin des Plantes statt, in der Umgebung der Verwaltungsgebäude, und dauerten einen ganzen Vormittag. Während Probst, Pélaprat und Lebrun mit einer hölzernen, Coursange mit einer metallenen Rute arbeiteten, benutzte Abbé Mermet ein Pendel. Er erhielt die Aufgabe, die Hohlräume im Untergrunde festzustellen, die er finden würde. An dieser Stelle ist die Topographie des Untergrundes ganz besonders kompliziert: Eine Anzahl großer Hohlräume, unterbrochen von stützenden Pfeilern, die entweder beim Abbau im Felsen stehen gelassen worden sind oder eigens aufgeführt wurden. Geradlinige Mauern, Wasserzuleitungs- oder Gasrohre verwirren den unterirdischen Plan noch mehr. In etwa zweistündiger Arbeit hat uns Abbé Mermet ziemlich genau die Frontseite eines Teiles der Grube festlegen können. Was soll man nun aus all dem folgern ? Ich für meinen Teil bin der Ansicht, daß man nicht plötzlich vom absoluten Skeptizismus zu unüberlegter Begeisterung übergehen soll, daß man keine definitiven Schlüsse aus den Ergebnissen improvisierter Experimente ziehen darf, die unter im allgemeinen ungünstigen Bedingungen angestellt sind, und vor allem in einem überstürzten Tempo; und daß man unter keinen Umständen die Rutengänger für unfehlbar halten darf. Etwas scheint mir immerhin gesichert: G e w i s s e I n d i v i d u e n , zu denen ich selbst zu gehören scheine, v e r m ö g e n b i s zu e i n e r b e t r ä c h t l i c h e n T i e f e H o h l r ä u m e , Wasser und b e s t i m m t e Substanzen im Unterg r u n d e w a h r z u n e h m e n , d i e k e i n A n z e i c h e n an d e r O b e r fläche verrät. 240
Ich bin auf Grund der Erfahrungen von 4 oder 5 Tagen mit einer Anzahl von Versuchspersonen nunmehr der Uberzeugung, daß das Wünschelrutenphänomen keine wissenschaftliche Nichtigkeit, als die ich es bisher ansah, sondern im Gegenteil ein interessantes Problem darstellt, das mit aller Vorsicht und allen Kautelen, die es erfordert, untersucht zu werden verdient. Die graphische Methode, die ich bei meiner Berichterstattung angewendet habe, ohne bei all ihren Vorzügen etwa zu glauben, daß sie die einzig mögliche Methode ist, scheint mir in vieler Hinsicht wertvoll, und ich gedenke mich ihrer auch weiterhin zu bedienen. Mein Freund Martel und ich hoffen, im Laufe des kommenden Sommers die Untersuchungen fortsetzen zu können, indem wir große natürliche Höhlungen zu Experimenten heranziehen und mit einigen Rutengängern arbeiten werden, die uns wirklich erstklassig zu sein scheinen. Wir werden sie dann unter Bedingungen prüfen können, die sich in materieller und moralischer Hinsicht weit günstiger darstellen sollen, als es bei den Pariser Versuchen der Fall war. Wir wollen z. B. durch Rutengänger den Umfang und die Grenzen von Höhlungen an der Oberfläche festlegen lassen, wie die von Padirac oder Lacave (Lot), von denen Pläne existieren und wo sich sowohl trockene Höhlen wie stagnierende Gewässer und fließende Bäche finden. Ebenso werden wir sie, wenn möglich, auch über neuen Höhlen arbeiten lassen, deren Pläne durch die Topographen nicht eher aufgenommen werden sollen, als bis die der Rutengänger fertiggestellt sein werden. So werden wir in der nötigen Ungestörtheit und unter den verschiedensten Bedingungen, wie es sich gehört, in nützlicher Weise, die Resultate weiter diskutieren können. Wir werden mithin ohne Zweifel Gelegenheit haben, später auf das Thema zurückzukommen.« Armand v¡pét Docteur és Sciences, directeur du Laboratoire de biologie souterraine de l'École des Hautes Études.
B e i s p i e l 171). Rutenergebnisse von Dr. Kurt Oßwald am Neubau des Spar- und Konsumvereins Zuffenhausen (Bl. Leonberg). Von Lande sgcologe Dr. Walter Kranz. Mit Tafel I (am Schluß des Buches).
Dr. Oßwalds 1928 veröffentlichte »Geologische Beobachtungen mit der Wünschelrute« 2 ), namentlich in seinem alpinen Aufnahmegebiet 3 ), Rutengänger: Dr. Oßwald. ') Schriften des Verbandes zur Klärung der Wünschelrutenfrage, Heft 11, 1928. ') K. Oßwald, Geologische Karte und Geschichte der Wendelsteingruppe usw., 1 : 25000; Mitteilungen Geograph. Ges., München, Bd. 21, Heft 2, 1928; München (J. Lindauer) 1929. M a i t z a h n , Handbuch.
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hatte ich mit Interesse gelesen; von seinen »Rutenarbeiten an den Stollen der Mangfall-Überleitung« 1 ) 1928/1929 war mir schon vor ihrer Veröffentlichung in mehreren, der Wünschelrute neutral gegenüberstehenden Fachzeitschriften einiges bekanntgeworden. Als mich nun Herr Rud. Frh. v. Maitzahn im Sinne seiner Bemühungen um die Wünschelrutenfrage bei deutschen Geologischen Landesanstalten Ende Oktober 1929 in Stuttgart aufsuchte und mir einen V e r s u c h auf t e k t o n i s c h e m G e b i e t mit Herrn Dr. Oßwald nahelegte, rieten mir zwei Kollegen, deren Urteil ich schätze und die Herrn 0 . persönlich kannten, das Angebot anzunehmen. In gleichem Sinne hatte es auch schon der bekannte bayerische Geologe und Hydrologe Oberregierungsrat Dr. L. Reuter begrüßt, daß sich v. Maitzahns Verband »die Aufgabe gestellt hat, das eventuell Brauchbare, das an der Wünschelrute ist, von der anhängenden Masse an Phantasie und Aberglauben zu trennen und es entsprechend nutzbar zu machen« 2 ). Mit Genehmigung des Vorstands der württembergischen Geologischen Landesaufnahme, Herrn Professor Dr. Bräuhäuser, fanden also am 3. und 4. Dezember 1929 teils bei Regen teils bei gutem Wetter zwei solche Prüfungen von Dr. Oßwald auf meinem geologischen Blattgebiet Leonberg statt. Die geologische Aufnahme von Blatt Leonberg ist weitgehend vorgeschritten. Da ich nun die Rutenaufgaben 1929 stellte, bis zu ihrer Erledigung alle geologischen Unterlagen derselben möglichst geheim gehalten hatte und auch jede Möglichkeit einer Beeinflussung, Gedankenübertragungod. dgl. peinlichst vermied, war Dr. Oßwald ausschließlich auf seine Rutenkunst angewiesen. Die Verwendung geologischer Methoden machte ich ihm ferner unmöglich, indem ich ihm ohne vorherige Bekanntgabe seine Aufgaben erst stellte, wenn wir an Ort und Stelle waren, und ihn von ferne so weit im Auge behielt, daß ich seine ausschließliche Tätigkeit mit der Rute feststellen konnte. Er wünschte nur eine Mitteilung über die normale Mächtigkeit und Wasserführung der in Frage kommenden Gesteinspakete, die ich ihm in folgender Form gab: Bunte Mergel, Km 3 der geol. Spezialkarte, ca. 30 m, Schilfsandstein, Km 2 » » » 0—15 m, unten stellenweise wasserführend, Schriften des Verbandes zur Klärung der Wünschelrutenfrage, Heft 13, 1928. »Die Wünschelruten-Arbeiten an der Mangfallüberleitung«, als Maschinenschrift gedruckt 1930. — K. Boos, Die Wünschelrute in ihrer Beziehung zur Wasserversorgung sowie zu verwandten Aufgaben; Gesundheits-Ingenieur 1930, Heft 39. — A. Altmann und H. Oelbaum, Überleitung der Mangfall und der Schlierach zum SeehamerSee zur Erweiterung des Leitzach-Kraftwerkes der Stadt. Elektrizitätswerke München; Bautechnik 1930, Heft 53/54. — Vgl. auch P. Ziegler, Die Möglichkeit einer Kernmauer-Klammsperre bei unerreichbarem Felsuntergrund, gezeigt an der Sylvensteinklamm in der Isar; Bautechnik 1930, Heft 55. a ) L. Reuter, Die Beschaffung des Trink- und Nutzwassers für die Städte und Dörfer; Bayer. Staatsztg. u. Staatsanzeiger 1930, Nr. 135.
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Gipskeuper, Km 1 der geol. Spezialkarte, ca. 90—100 m, in einzelnen Lagen wasserführend, Lettenkohle, Ku der geol. Spezialkarte, ca. 20 m, öfters wasserführend, Oberster Hauptmuschelkalk, & mo 3, + dolomitische 'S "2 ® Region, . . . . mo d der geol. Spezialkarte, ca. 5—8 m e ~ J £ Oberer Hauptmuschelkalk, >c ° 2 »Nodosuskalk«, . mo 2 » » » ca. 35 m t: £ Unterer Hauptmuschelkalk, 2 g ® 13 »Trochitenkalk«, . mo 1 » » » ca. 35 m ) .S Auf die Herrn Oßwald bis dahin kaum bekannten Gesteine des mittleren Keupers, Km 3 bis Km 1, wollte er sich zunächst mit der Rute etwas »einüben«; ich gab ihm dazu Gelegenheit am Killesberg bei Feuerbach und bei der Maschinenfabrik an der Straße nach Stammheim in Zuffenhausen. Dann erst erfuhr er, daß 250 rn weiter westlich sein erstes Aufgabengebiet begann. Als wir beide am 3. Dezember 1929 das Neubaugelände des Sparund Konsumvereins Zuffenhausen betraten, waren die einzelnen Gebäude (Tafel I ) im Rohbau fertig, insbesondere war von den Baugrubenwänden nichts mehr zu sehen, der Bauplatz noch unaufgeräumt und unübersichtlich; auch der genialste Geologe hätte hier nicht sehen können, auf was für Boden er stand, wenn er ihn nicht in den Aufschlüssen untersucht hatte. Diese waren in allen Einzelheiten nur mir bekannt, und ich muß hier den Gang und die Ergebnisse meiner stratigraphischen und tektonischen Untersuchungen kurz schildern, damit man sieht, bis zu welchem Grade meine Beurteilung der Oßwaldschen Rutenuntersuchungen berechtigt ist. Zunächst die tiefste größte » L a g e r h a u s « - B a u g r u b e (SO-Bau, Tafel I rechts). Zu Tage geht überall Gipskeuper aus, vgl. im Grundriß Tafel I »Km lnum die Außenkante der Baugrube herum. Der größte Teil der Baugrubensohle liegt auf sogenannten »Grünen Mergeln« der oberen Lettenkohle — » K u 2 « i n n e r h a l b des südlichen und südöstlichen Grundrißteils — bzw. auf »Grenzdolomit« i>Kd« im nordöstlichen Grundrißteil. Nur im Südwesteck der Lagerhaus-Baugrube liegt auch deren Sohle auf Gipskeuper — » K m 7« im Grundriß. Ich hatte den Aufschluß dieser Lagerungsverhältnisse vom 22. 3. 1929 ab in einer Probegrube und dann beim Aushub der großen Baugrube selbst beobachtet, Meter für Meter eingemessen und aufgezeichnet, vgl. die Schnitte der einzelnen Grubenwände auf Tafel I. Das Profil war im größten Teil dieser Baugrube 1 ): Sämtliche geologischen Profile von oben nach unten angegeben.
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i. M. 3—4 m (stellenweise weniger und mehr) meist grünlichgraue und violettrote, wenig andersfarbige t o n i g e M e r g e l : U n t e r e r » G i p s k e u p e r « Km 1, » » 1,5—3,7 m meist graugelbliche brecciös-zellige D o l o m i t e 1 ) und T o n e sowie M e r g e l , unregelmäßig wechselnd: » G r e n z d o l o m i t « Kd, » » 0,60m blaugraue bis gelblichgraue m e r g e l i g e T o n e » » 0,10m blaugrauer bis gelblichgrauer D o l o m i t 01 £I » » 0,10 m blaugraue bis gelblichgraue etwas mergelige •SP-S O O 3MIC1 schiefrige Tone, »Letten« :cd V £ * 5®. » » 0,15 m blaugrauer bis gelblichgrauer D o l o m i t » » 2,2—2,4 m blaugraue, z. T. s c h w a c h m e r g e l i g e s c h i e f r i g e Tone, »Letten« U O » » 0,40 m blaugrauer D o l o m i t s in der Nordwand, » » 0,30 m blaugrauer L e t t e n am 6. Pfeiler » » 0,15 m blaugrauer D o l o m i t von Westen » » 0,30 m blaugrauer L e t t e n , darunter Dolomit Dies Profil von Zuffenhausen steht zwischen dem in den Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte Bl. Weißach 1923, S. 33 ff. aufgeführten Profil von Leonberg mit etwa 22 m Mächtigkeit der Lettenkohle Ku 2/1 und dem von Dr. M. Frank und mir bearbeiteten (noch unveröffentlichten) Profil der Ersatzbohrung für die Inselquelle BergStuttgart 1928 mit 17,8 m Mächtigkeit von Ku 2/1, ungefähr ein Drittel näher bei Berg. Man kann also mit Sicherheit annehmen, daß u n t e r der g r o ß e n L a g e r h a u s - B a u g r u b e ( Z u f f e n h a u s e n ) n o c h m i n d e s t e n s 13 m, v i e l l e i c h t s o g a r 15 m der o b e r e n , m i t t l e r e n und u n t e r e n L e t t e n k o h l e Ku2/1 anstehen, und zwar wechselnde Schichten von Dolomiten, schiefrigen Mergeln und Tonen, sandigen Schiefern, vielleicht auch fettere Tone, Sandsteine und Steinmergel. Diese Gesteine führen in einzelnen Lagen S c h i c h t w a s s e r auf kleinen Rissen der Dolomite, Sandsteine usw. Unter der Lettenkohle folgen zuoberst einige Dezimeter zum Teil etwas dolomitische Kalke (mo 3), darunter etwa 5 m graue, meist milde, stellenweise festere Dolomite (moö), hierunter zunächst einige Meter harte, zum Teil dolomitische Kalksteine (»Pflastersteinzone «, oberster mo 2), unter diesen wechselnde Bänke aus Kalksteinen mit knorriger Schichtfläche (»Brockelkalke «) und harten kristallinen »Kornsteinen« sowie Muschel-Kalksteinen (mo 2/1, ca. 70 m). Dieser »Hauptmuschelkalk« mo 31612/1 ist in tektonisch gestörten Gegenden — und mit einer solchen haben wir es hier zu tun — von K l ü f t e n durchsetzt, die im a l l g e m e i n e n e t w a g l e i c h l a u f e n d und s e n k r e c h t zur a l l g e m e i n e n S t r e i c h r i c h t u n g der g r ö ß e r e n S t ö ') Wohl großenteils durch Auslaugung ehemals vorhanden gewesenen Gipses entstanden.
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r u n g e n verlaufen, und diese streichen hier nach meinen bisherigen langjährigen Aufnahmen in der nächsten und weiteren Umgebung etwa N W — S O . Im zerbrochenen Muschelkalkgebirge kommen freilich auch andere, besonders »alpin« (0—W) und rheinisch (N—S) streichende Klüfte vor, dafür fand ich aber zunächst nur etwa 1—1,5 km weiter nordwestlich Anhaltspunkte. In der obersten Lettenkohle hat die große Baugrube (unter der Bäckerei usw.) in i h r e r O s t w a n d e i n e g a n z kleine, etwa NW—SO s t r e i c h e n d e V e r w e r f u n g mit 0,35 m S p r u n g h ö h e aufgeschlossen (Tafel I, Ostwand), rund 2—3 m N derselben trat die schwache Schicht-»Quelle I I « aus Ku 2-Dolomit aus. Sonst fand ich i m g a n z e n B e r e i c h d e r L e t t e n k o h l e Ku 2 außer den w e l l e n f ö r m i g e n S c h i c h t v e r b i e g u n g e n (Tafel I, Schnitte der Nord-, der östlichen Süd-und der Ostwand 1 ) k e i n e K l u f t u n d k e i n e V e r w e r f u n g . Es ist daher anzunehmen, daß die 1 3 — 1 5 m m ä c h t i g e n L e t t e n k o h l e s c h i c h t e n u n t e r *Ku 2« d e r g r o ß e n »Lag e r h a u s « - K e l l e r s o h l e n u r v e r b o g e n und h ö c h s t e n s von einzelnen ganz kleinen, etwa NW—SO streichenden Sprüngen d u r c h s e t z t sind. In einer ca. 7 m tiefen Probegrube an der rechtwinkeligen Umbiegung des Lagerhauses stand schon im März 1929 Regenwasser, auch während des Aushubs war die regenwasserstauende Wirkung der Ku 2Letten zu beobachten. 2 Wasserproben aus einer Pfeilerbaugrube an der Südwand des Lagerhauses, unten bei 280,6 und 280,7 m über NN entnommen, wurden auf meinen Rat am 11.6.1929 auf betonangreifende Bestandteile untersucht, ergaben aber nur 69 mg Sulfate (S0 3 ) im Liter Wasser, 24,8 mg Chloride (Cl) im Liter Wasser 2 ). Aggressive Kohlensäure war durch Marmorlöseversuch nicht nachweisbar. Es ist wohl in der Hauptsache Regenwasser gewesen, vermengt mit geringen Mengen Schichtwasser aus der Grenzfläche Kd/Ku 2 und aus schmalen Rissen in Dolomiten der »Grünen Mergel« Ku 2. Gips war offenbar weder in den Km 1-Mergeln noch im Grenzdolomit Kd vorhanden, im Laufe der Jahrhunderttausende wohl restlos ausgelaugt. Ganz anders waren die stratigraphischen und Lagerungsverhältnisse in der S ü d w e s t e c k e d e r » L a g e r h a u s « - B a u g r u b e , vgl. Tafel I, Grundriß, Westwand und westliche Südwand. Hier biegt das ganze Schichtpaket Km 1/Kd/Ku 2 aus der Südwand der Baugrube steil nach NO hinab, im westlichen Teil der Südwand erscheint, schräg geschnitten, ein Stück der »Bochinger Bank« [0,25 m (lufttrocken) hellgraugelblicher Steinmergel mit teils glattem teils rauhem bis porigem Bruch; Bestim') Auch die Westwand des östlichen, N — S gerichteten Bauteils (Bäckerei usw.) erschloß solche wellenförmigen Schichtverbiegungen, aber keinen Bruch; die kleine Verwerfung in der Ostwand (vgl. oben) keilt in der Baugrubensohle aus. £ ) Analyse des Chemischen Untersuchungsamts der Stadt Stuttgart.
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mung des Horizonts durch Dr. M. F r a n k ] , Diese Bank sollte normal e t w a 20 m über dem »Grenzdolomit« liegen 1 ), und wenn man auch berücksichtigt, daß die stratigraphische Stellung der h i e r mit »Grenzdolomit« bezeichneten Ablagerungen noch nicht gesichert ist, daß sie vielleicht teilweise dem »Grundgips« entsprechen, so beweist doch das steile Einschießen der »Bochinger Bank« unter die rund 8 m tiefe Baugrubensohle wenige Schritt N davon und die fast waagrechte Lagerung der obersten Lettenkohle Ku 2 noch in der Baugruben-Westwand, d a ß eine rund N W — S O s t r e i c h e n d e V e r w e r f u n g mit s c h ä t z u n g s w e i s e e t w a 25 m S p r u n g h ö h e d i e S ü d w e s t e c k e d e r L a g e r h a u s - B a u g r u b e d u r c h s e t z t . Dies war auch in der Süd- und Westwand der Baugrube deutlich zu sehen, das tektonisch verstürzte Gestein, in dem ich u. a. auch einen gelblichgrauen brecciösen Steinmergel fand, gab im künstlichen Westwand anschnitt später mit einer Rutschung nach, und an deren Fuß traten 2 kleine Quellen aus der Baugrubensohle, Q u e l l e I nahe dem Schnittpunkt der Bochinger Bank mit dem Fuß der Westwand, am 18. 6. 1929 etwa 2 Min./l schüttend, durch die (spätere) Rutschung verstopft, die andere in der SW-Ecke der großen Baugrube ( Q u e l l e I I I , von mir am 2.7.1929 beobachtet, später mit tonigen Mergeln künstlich verstopft). Daß mir solch Rüstzeug zur Prüfung seiner Rutenaufgabe beim Aufsuchen von Verwerfungen zur Verfügung stand, hatte ich Herrn Dr. Oßwald angedeutet. Möglich, daß ihn dies gefühlsmäßig noch unsicherer gemacht hat als der nunmehrige Beginn der Prüfung durch einen als kritisch bekannten Geologen, bei den Rutengängern »verschrieen als böser Mann« 2 ). Ich schließe das aus Oßwalds Verhalten im Keller und Untergeschoß des Rohbaues, er ging mehrfach in den Hof hinaus, offenbar um sich zu beruhigen. Seine Ergebnisse im »Lagerhaus« waren nun folgende, vgl. Tafel I, rechts, Grundriß: Zunächst fand er nur einen angeblich O—W streichenden » S t ö r u n g s s t r e i f e n , a m K e l l e r b o d e n ganz schwach, von 7 m u n t e r dem Kellerboden ab k r ä f t i g e r s p ü r b a r « . Seine Achse ist in Tafel I ausgezogen, soweit er die »Störung« verfolgte, dazwischen gestrichelt; im östlichen Bauteil (Bäkkerei usw.) fand er etwas weiter nördlich eine gleichlaufende schwache »Störung«. Nach meinen Aufnahmeergebnissen ist d i e s e g a n z e »Stör u n g « ü b e r h a u p t n i c h t v o r h a n d e n , sicher nicht als Verwerfung mit einiger Sprunghöhe in der Kellersohle, sehr wahrscheinlich auch nicht als Kluft, wenigstens nicht bis zur Basis der verhältnismäßig biegsamen Lettenkohlenschichten in mindestens 13, vielleicht 15 m unter 1
) W. Pfeiffer, Über den Gipskeuper in Süddeutschland; Jahresber. u. Mitt. Oberrhein. Geol. Ver. N. F. 7, Heft 1, 1918. Über den Gipskeuper im nordöstlichen Württemberg; Diss. Tübingen 1915. — Frank, Oberrhein. Geol. Ver. 1930. 2 ) Frh. v. Maitzahn, Rutengänger und Geologie; Sehr. d. Verb. z. Klärung d. Wünschelrutenfrage, Heft 13, 1930, S. 58.
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der Kellersohle des Lagerhauses (vgl. oben). Klüfte könnten in noch größerer Tiefe vorhanden sein, im Hauptmuschelkalk, dann aber wahrscheinlich mit etwa NW- und NO-Streichen, wenig wahrscheinlich O-W streichend. Auch die kleine, unter der »Bäckerei« in der Ostwand der Baugrube angeschnittene Verwerfung mit 35 cm Sprunghöhe hat Dr. Oßwald n i c h t getroffen, vgl. Tafel I. Ich teilte ihm diesen Befund vorerst noch nicht mit, sondern legte ihm nahe, den Westteil des Lagerhausuntergrundes nochmals mit der Rute zu untersuchen. Nunmehr fand er die auf Tafel I in d e r S W E c k e d e s L a g e r h a u s g r u n d r i s s e s eingetragenen 2 »ganz s c h w a chen« S t ö r u n g e n . Der S c h n i t t p u n k t der ö s t l i c h e n m i t der Südwand fällt mit demjenigen der t a t s ä c h l i c h v o r h a n d e n e n , etwa 25 m hohen V e r w e r f u n g z u s a m m e n , d i e w e s t l i c h e l i e g t i n d e r v o r h a n d e n e n Z e r r ü t t u n g s z o n e , i m e i n z e l n e n l ä ß t sie s i c h a b e r g e o l o g i s c h n i c h t d e u t e n . Dr. Oßwald hat also d i e s e t a t s ä c h l i c h v o r h a n d e n e S t ö r u n g im »Lagerhaus« w e n i g s t e n s u n g e f ä h r mit der Rute gefunden. Dicht NW vom Lagerhaus hatte ich etwa im Mai 1929 in der O-W zum »Verwaltungsgebäude« geführten B a u g r u b e f ü r e i n e A b w a s s e r Dole das Aufbiegen des »Grenzdolomits« von Osten bis zur Geländeoberfläche und einige Schritte weiter W ein s c h r ä g e s A b b r e c h e n d e s » G r e n z d o l o m i t s « festgestellt, mit Überlagerung durch steil nach etwa SW einfallende rote und grünliche Mergel des Gipskeupers Kml; vgl. Tafel I, Grundriß und Schnitt der »Abwässerungs-Baugrube«. Dieser A b b r u c h lag in V e r l ä n g e r u n g d e r die Südwestecke des »Lagerhauses« querenden V e r w e r f u n g , ich zweifle nicht, daß beide identisch sind. Beim Absuchen des Geländes zwischen Lagerhaus und Verwaltungsgebäude f a n d Dr. O ß w a l d m i t d e r W ü n s c h e l r u t e d i e s e S t e l l e g e n a u , »schwach« s p ü r b a r , m i t N W — S O - S t r e i c h e n . M. E. ein » V o l l t r e f f e r « . Etwas weiter W im Zuge derselben Dolenbaugrube spürte er eine angeblich etwa NNW streichende S t ö r u n g »stark«, vgl. Tafel I, Grundriß. Dort hatte ich vorwiegend weinrote Gipskeupermergel beobachtet, der Aufschluß war aber nicht klar und tief genug gewesen, um entscheiden zu können, ob dort eine Verwerfung vorliegt oder nicht. Also das R u t e n e r g e b n i s : S t ö r u n g n i c h t n a c h gewiesen, aber möglicherweise vorhanden. Die B a u g r u b e d e s » V e r w a l t u n g s g e b ä u d e s « war im Ostteil wenig tief, im Westteil etwas tiefer. Der tiefste westliche Keller erschloß im Gipskeuper Kml1): bis 1,8 m graugrüne und graublaue mergelige Tone, 0,7 m wechselnd gelbe Tone, mergelige Tone und hellgraue bis 10 cm dicke Steinmergelbänke, 1,7 m und mehr blaugraue und graugrünliche schiefrige Tone. *) Sämtliche geologische Profile von oben nach unten angegeben.
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Dies Schichtpaket ist stark windschief verbogen, mit 0—20° Einfallen vorwiegend nach etwa N. Im Ostdrittel desselben Gebäudes war eine von der Südwand aus nach N streichende V e r w e r f u n g aufgeschlossen, östlich derselben grünlichgraue und violettrote Mergel de» Gipskeupers. Die Verwerfung biegt etwa in der Mitte zwischen Südund Nordwand anscheinend nach NW um, der wenig tiefe Aufschluß war hier unklar, und die Sprunghöhe kann ich nicht angeben. Dr. Oßwald suchte den Keller des Gebäudes mit der Rute ab und s p ü r t e e i n e d u r c h den S c h n i t t p u n k t der t a t s ä c h l i c h v o r h a n d e n e n Verw e r f u n g g e h e n d e , a b e r n i c h t N—S s o n d e r n s o f o r t N W — S O s t r e i c h e n d e S t ö r u n g , » s c h w a c h « s p ü r b a r , vgl. Tafel I, Grundriß des Verwaltungsgebäudes. Mithin das R u t e n e r g e b n i s : A n s a t z p u n k t d e r V e r w e r f u n g in d e r S ü d w a n d d e s V e r w a l t u n g s g e b ä u d e s richtig, Streichen der S t ö r u n g falsch angegeben. — Die B a u g r u b e d e s N W - B a u e s , u . a . für » G a r a g e n « bestimmt, erschloß im Mai 1929 ungefähr in seiner Mitte eine sehr deutliche, N W — S O - s t r e i c h e n d e V e r w e r f u n g zwischen oberer Lettenkohle Ku 2 und Gipskeuper Km 1, vgl. Tafel I, Grundriß oben links. In den 0 - und W-Seitenwänden der Baugrube war die mehrere Meter breite Störungszone mit starker Verbiegung der bunten Km 7-Mergel und wirrer Lagerung der Ku 2-Dolomite zu sehen, das Hinabbiegen der Schichten gegen den Bruch hin war im Anschnitt zum Teil trichterförmig. In diesen nun fertigen Rohbau führte ich Dr. Oßwald zuletzt, er fand hier (Tafel I) mit der Wünschelrute: 1. Eine 0 — W - s t r e i c h e n d e S t ö r u n g s l i n i e , »scharf« spürbar, »schmal, wahrscheinlich senkrecht (Kluft)«. Dafür habe ich k e i n e n geologischen Anhaltspunkt, ich halte es nach den Lagerungsverhältnissen der Gegend für u n w a h r s c h e i n l i c h . 2. Einen N W — S O - s t r e i c h e n d e n S t ö r u n g s s t r e i f e n , »breit, vermutlich schräg stehend«, am NO-Rand »schwach«, am SW-Rand »ziemlich stark« bis »stark« spürbar. Dieser Streifen f ä l l t m i t d e r von mir f e s t g e s t e l l t e n m e h r e r e Meter b r e i t e n S t ö r u n g s z o n e z u s a m m e n , mithin das R u t e n e r g e b n i s , z w e i f e l s f r e i : Ein Volltreffer, vorzüglich. B e i s p i e l 18. Butenergebnisse von Dr. Kurt Oßwald an der „Engelberg-SilberbergVerwerfung" (Bl. Leonberg). Von Landesgeologe Dr. Walter Kranz. Mit Tafel II (am Schluß des Buches) und Textabb. 80—83.
Der »Engelberg - Silberberg - Schockenrain - Katzental - Verwerfung « spürte ich mit rein geologischen Methoden seit Mitte 1919 nach, ich untersuchte auch jeden Aufschluß, der mir in ihrer Gegend bekannt wurde. Die 248
Darstellung dieser Brüche auf dem geognostischen Blatt Stuttgart 1 : 50000 (1865/1894) ist in wesentlichen Zügen unrichtig. Dr. Oßwald, der hier am 4. Dezember 1929 seine zweite Rutenaufgabe von mir bekam, hätte sich damit nicht vorbereiten können, selbst wenn ich ihm nicht erst bei der Abfahrt vom Hauptbahnhof Stuttgart mitgeteilt hätte, daß wir »nach Leonberg« fahren. Auch die tektonischen Schnitte in den Begleitworten zu BI. Stuttgart 1865, S. 17f., und 1895, S. 13, sind nur teilweise richtig. Eine ganz kurze Übersicht mit Skizze 1 : 25000 dieses verwickelten Sprungsystems veröffentlichte ich erstmals 1930 in Bd. 82 der Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft, S. 118f, Abb. 1, diese gebe ich hier als »Abb. 80« mit Ergänzung nach SO bis in die neue Leonberger »Bildstöckle«-Siedlung am NW-Hang des Engelbergs wieder. Den s ü d ö s t l i c h s t e n A u f s c h l u ß der Verwerfung am Engelberg selbst fand ich September/Oktober 1924 in dieser neuen Siedlung, auf dem steilen Weg, der den großen Bogen der »Stuttgarter Straße« von Leonberg nach Solitude abschneidet, Punkt A in Tafel II. Hier erschloß eine Abwasser-Dolen-Baugrube den Hauptbruch selbst: Von Stuttgarterstraße Nr. 30 (an der Straßenbiegung) nach ONO zeigte der unterste Teil dieser Kanalisationsbaugrube roten Schutt aus Km 2-Mergeln und Km 2Sandsteinbrocken, unter diesem war anstehender grünlichgrauer Km 1Mergel angeschnitten; derselbe verschwand etwas weiter oberhalb (ONO) unter der Grabensohle, abermals etwas oberhalb tauchten unterm Schutt rote Km 1-Mergel auf, um kurz darauf gleichfalls unter der Grabensohle bzw. dem Schutt zu verschwinden. Rund 56—60 m ONO von der Ostkante der Stuttgarter Straße, Haus Nr. 30, war b e i m T r e p p e n a u f g a n g zur » B i l d s t ö c k l e « - S i e d l u n g in der Schachtbaugrube die H a u p t v e r w e r f u n g aufgeschlossen, Abb. 81: Unter dem violettroten Schutt WSW vom Schacht tauchen in plötzlichem Farbwechsel nochmals grünliche Gipskeupermergel mit violettroten Einlagerungen auf, um kurz darauf gegen den Schacht hin wieder entlang der 32—35° nach NO einfallenden Verwerfung abzusinken. Gegen ihre harnischähnliche, dunkelgrau belegte Oberfläche stößt grünlichgelblicher feinkörniger, von schmalen Klüftchen durchsetzter Schilfsandstein mit einzelnen Zwischenlagerungen von grauem sandig-schiefrigem Ton (Letten); die Sandsteinschichten sind von der Verwerfung schräg abgeschnitten, ihre Verl e g u n g zeigt keine normale Schleppung: Obwohl sie im relativ a b gesunkenen Gebirgsflügel liegen, scheint Aufschub auf der Verwerfung erfolgt zu sein, jedenfalls eine recht verwickelte, sonst in meinem Arbeitsgebiet noch nicht beobachtete tektonische Bewegung, und ich habe vorläufig keinen Anhaltspunkt dafür, daß man dieses widersinnige »Hakenwerfen« etwa »aus einer größeren Orts- und Raumveränderung der Gesamtmasse«1) verstehen könnte. >) H. Cloos, Zur experimentellen Tektonik, V, Geol. Rundschau 1930, S. 366f.
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250
Die Lagerung läßt sich vorerst nur mit »Druckrichtung entgegen der Absenkungsrichtung« bezeichnen, als eine »emporwirkende Seitendruckerscheinung vom abgesenkten Flügel aus«1). Die Bildstöckle-Siedlung selbst liegt großenteils auf einem ehemaligen Steinbruchgebiet, in den Keller-Baugruben steht teils klüftiger Schilfsandsteinfels an, teils Haldenmaterial 8 ). Die Fortsetzung dieses Sprungsystems nach SO muß nach der geologischen Kartierung im SW-Gehänge des Engelbergs stehen, der nächste klare Aufschluß fand sich aber bisher erst rund 1250 m SO von
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Abb. 81. Aufschluß der Hauptverwerfung in der Kanalisationsbaugrube S Bildstöckle-Siedlung Leonberg am NW-Hang des Engelbergs (Punkt A in Tafel II). Km 1 Gipskeuper, Km 2 Schilfsandstein.
unserm Punkt A (Tafel II), von Professor Dr. Bräuhäuser auf Blattgebiet Möhringen 1 : 25000 an der kleinen Kuppe 474,6 (S vom »Klubhaus«) rund 200 m SW von der Straße Leonberg—Solitude gefunden. An der Hauptverwerfung stößt hier Stubensandstein Km 4 gegen Gipskeuper Km 1. Es ist mir aber bisher nicht gelungen, die g e n a u e Lage des Sprungsystems zunächst SO von unserm Punkt A an der BildstöckleSiedlung Leonberg zu ermitteln. Nahe SW von diesem Punkt (Schacht) war an der Südseite des gleichen Abkürzungsweges vom großen Bogen der Stuttgarter Straße 1919 im Gehänge hinter einem Bierkeller (jetzt Wohnhaus) ein dunkel- bis hellgeblichgrauer b r e e e i ö s e r S t e i n m e r g e l aus Km 1 aufgeschlossen. Einen ähnlichen gelblichgrauen breeeiösen Steinmergel fand ich in dem stark gestörten untern Gipskeuper der Südwestecke der »Lagerhaus «-Baugrube vom Spar- und Konsumverein Zuffenhausen (vgl. S. 246). Aber auch in tektonisch unO. M. Reis, Erläuterungen zum Bl. Würzburg Nr. 23 d. Geognost. Karte von Bayern 1 : 1 0 0 0 0 0 , Teilblatt Würzburg, München 1928, S. 42, 52, Taf. IV Fig. 10 (M. Schuster), Taf. V Fig. 2, Taf. VII Fig. 4, Taf. I X Fig. 7. ') W. Kranz, Betonbau und technisch-geologische Baugrundforschung; Beton und Eisen 1928, S. 309, Abb. 6.
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gestörter Lagerung fand ich eine ähnliche grünlichgraue bis bräunlich gefleckte Steinmergelbreccie im oberen Gipskeuper einer Mergelgrube am N-Hang von »Banzhalden« NO Punkt 365,4 SW Feuerbach (Bl. Leonberg 1:25000), und wiederum eine rötliche Breccie aus Keupermaterial in einer Abwasserkanal-Baugrube vor Leonberger Straße Nr. 7 in Feuerbach, eingelagert in eine lehmiggrandige diluviale Flußablagerung 1 ). Solche Breccien können somit hier sowohl tektonisch durch Gebirgsdruck wie in ungestörter Lagerung durch Auslaugung von Gips, Wassertransport usw. entstanden sein. Oberhalb (ONO) der Hauptverwerfung Punkt A (Taf. I) sieht man den Schilfsandstein Km2 in dem genannten Abkürzungsweg mit keinem oder nur sehr geringem Einfallen anstehen. Eine Hausbaugrube in der Siedlung unmittelbar N Punkt A erschloß ziemlich waagrecht gelagerten, dickbankigen Schilfsandstein mit vorwiegend NW—SO streichenden schmalen »Gegenklüften« (zur Hauptverwerfung). Am nächsten von SSO gegen N zur Straße nach Solitude führenden Querweg (dem östlichsten auf Taf. II) beobachtete Dr. Wager Anfang 1930 in einer Dolen-Baugrube nur 2—4° Schichtfallen nach S bis SW in den grauroten, rotgrünen bis dunkelroten glimmerreichen Sandsteinbänken Km2 auf etwa 42 m Länge S—N; südlich davon waren auf etwa 37 m Länge N—S dunkelrote Mergel mit hellgrünen Einlagerungen angeschnitten, meist gegen S einfallend (wahrscheinlich Km 3), S hiervon folgten im gleichen Aufschluß nach Wager wechselnde Lagen von hellgrünen, dunkelweinroten, hellblaugrünen Mergeln und dunkelrote Tone und Mergel bis etwa 20 m S von der Abzweigung des zum Engelberg führenden Fußweges, dort 10—15° nach etwa S einfallend. In diesem Fußweg (dem südöstlichsten auf Tafel II) beobachtete ich Mitte 1919 bunte Mergel Km3 mit Steinmergeln und wenige Schritte östlich von seiner Abzweigung graugrünen, etwas Glimmer führenden Kieselsandstein (o in Km3, Tafel II) mit 25° Einfallen nach etwa SW. S neben diesem Fußweg erschloß eine Hausbaugrube im Oktober 1930 violettrote, schwach mergelige Tone und tonige Mergel mit drei zwischengelagerten dünnen, bläulichgrauen Steinmergelschichten, i. M. 15° nach etwa SW einfallend, ebenfalls Km3: Im ganzen eine normale Schichtfolge Km3/Kml, wenn nicht etwa die von Wäger beobachteten hellgrünen und hellblaugrünen Mergel im N—S-Querweg (bei der Abzweigung des Fußweges zum Engelberg) zu Kml zu stellen sind; unter dieser noch unsichern Annahme w ü r d e die »Engelberg-Verwerfung« hier d u r c h s t r e i c h e n , aber erst künftige Aufschlüsse können zeigen, ob das der Fall ist oder ob der Hauptsprung S vom genannten Querweg liegt — wie man nach Dr. Oßwalds Rutenergebnissen annehmen könnte. Einzelheiten dieses letzteren Profils vgl. W. Kranz, Geologisch-chemische und mechanische Baugrunduntersuchung für einen Abwasserkanal; Technisches Gemeindeblatt 31, 1928, Heft 6, S. 73, Anmerkung 11.
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Erst kurz vor unserem Eintreffen bei der neuen Siedlung am 4. 12. 1929 forderte ich ihn auf, deren ganzes Gebiet mit der Rute nach Verwerfungen abzusuchen. Er fand im Bogen zwischen dem genannten Abkürzungs- und dem Querweg eine »starke S t ö r u n g « mit »Streichen N 1 8 ° W « , östlich davon f>Km2Su,StIi«Tf,5cVi nal.vvaVschernKcli 1 ' ' ' • seifcrecVt (.Kl-ufti).
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